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Epilog




Vor 20 Jahren


„Wo ist sie?“
„Sie ist deine Tochter…..das kannst du nicht machen!“
Es ist so kalt…..so kalt und dunkel. Ich kann meine Mama weinen hören, sie schreit Papa an….sie haben sich noch nie angeschrieen. Ihre Schuhe klackern über den Wohnzimmerboden. Wenn ich groß bin, will ich auch so schöne Schuhe haben.
„WO IST SIE?“ brüllt mein Papa immer und immer wieder.
Meine Mama hat gesagt ich soll ganz leise sein…..nicht weinen und nicht rufen, doch es ist so kalt und nass hier unten. Ich will nicht mehr unter dem Boden sein. Vorsichtig schaue ich durch die Bodenritzen. Mama hat so ein schönes weißes Kleid an…sie liebt Kleider.
„Nora, ich brauche sie JETZT!“
„Das kannst du ihr nicht antun. Was ist bloß los mit euch?“
Papa schaut Mama ganz böse an. Wieso? Er hat sie doch so lieb. Seine Augen…was ist mit seinen Augen passiert? Sie sind nicht mehr so blau….Mama hat immer gesagt, sie sehen aus wie das Meer…aber jetzt sind sie so rot. Das sieht nicht schön aus….sie machen mit Angst. Es ist so kalt…wann kann ich wieder zu Mama und Papa?
Klatsch!


Ich will Papa anschreien, er hat Mama einfach geschlagen…aber ich darf nicht. Ich habe Mama versprochen ganz leise zu sein. Doch sie hört nicht auf zu schreien. Wieso tut er das?
„Hast du sie?“
Tante Erna ist jetzt auch im Wohnzimmer….auch sie hat rote Augen. Hinter ihr sind ganz viele böse Männer.
„Keine Angst Mr. Blue…wir müssen nur leise sein.“ flüstere ich meinem Teddy zu. Auch er hat Angst.
„Ihr werdet sie niemals finden...NIEEEE!“ brüllt meine Mama und rennt zum Kamin.
„Du bist so lächerlich.“
Wieso sind alle so gemein zu Mama? Papa packt sie am Arm und schleift sie wieder zu Erna. Er sieht so böse aus. Irgendwas glitzert in seiner Hand…..
Knall!


Ich will schreien, aber ich darf nicht. Mama liegt über mir auf dem Boden, ich kann fast ihr Haar berühren…ihr schönes braunes weiches Haar. Es ist soooo lang. Abends darf ich das immer streicheln.
Tropf!
Tropf!
Tropf!
Tropf!


Irgendwas nasses tropft auf mein Kleid….es ist rot…es kommt aus Mama.
Knacks.


Ich will weinen aber ich darf nicht. Mama hat gesagt ich soll weg laufen, wenn alle weg sind und ganz tapfer sein.
Alle Leute laufen weg, rufen nach mir….aber ich darf nichts sagen.
Es ist so dunkel und kalt…..so unendlich dunkel.


heute



Rosa Zanolla


„So wo fahren wir denn diesmal hin?“
Mit geschlossenen Augen fuhr ich mit dem Zeigefinger über die Landkarte die ich vor mir auf meinem Bett ausgebreitet hatte. Ich ließ mir genug Zeit und fuhr von recht nach links, von unten nach oben und ab und zu durften es auch Kreise sein.
„STOP!“ rief ich laut und blieb mit meinem Finger stehen.
Genau DA würde ich als nächstes hinfahren, mir eine Wohnung suchen, einen Namen ausdenken und nach Informationen suchen. Erst ließ ich mein rechtes Auge das Licht erblicken, dann das Linke.
„Na super.“ stöhnte ich und sah mir den Namen noch mal genauer an. Mein nächstes Ziel würde also Amerika sein um genauer zu sein New York. Innerlich rechnete ich die Stunden aus, die ich für die Strecke brauchen würde.
„10Stunden…plus minus 2Stunden. Was für ein Spaß!“
Gerade befand ich mich in Italien, es war schön hier….doch das änderte nichts daran, dass ich gehen musste!
Ich nahm mein Laptop auf den Schoß und begann mir eine Unterkunft zu suchen. Es war egal wie sie aussah….spätestens in ein paar Monaten würde ich sowieso wieder woanders hin fahren. Auch die Wohnung, die ich im Moment besaß war nicht super toll. Sie bestand aus einem Zimmer. Mein Bett war auch mein Sofa, meine Küche war auch mein Wohnzimmer…..alles war in einem Raum. Aber es war gut….ich hatte nette Nachbarn. Oft wohnten hier Studenten oder Menschen, die hier Urlaub machten. Ich hatte mich schon längst an solche Situationen gewöhnt…es gab mal schlechte Wohnungen und mal gute….mal nette Menschen und auch mal schlechte. Plötzlich klopfte es an meiner Wand.
„Bouna notte e dormi bene.“ rief mir das kleine Nachbarsmädchen zu.
„Anche tu.“ rief ich zurück und lächelte.
Seid ich hier wohnte, klopfte mir das Mädchen jeden Abend an die Wand und wünschte mir eine gute Nacht und süße Träume. Solche Menschen zu verlassen, war immer das Schlimmste. Über so was durfte ich nicht nachdenken….also machte ich mich im Internet auf die Suche nach einer neuen Wohnung…in Amerika.
Nach ewigem hin und her, hatte ich endlich fünf Wohnungen.
„Dann mal los.“ murmelte ich mir zu.
Zuerst schaute ich auf meine Uhr….20Uhr...Also war es in New York ca. 15Uhr.
Langsam wählte ich die erste Nummer und wartete.
„Hallo?“ brüllte ein wahrscheinlich alter Mann in den Hörer.
Durch die ständigen Umzüge hatte ich viele Sprachen gelernt….so auch Englisch.
„Hallo. Spreche ich da mit Mr. Smith?“
„Was?“
„Könnte ich bitte Mr. Smith sprechen?“
„Wir kaufen nichts.“ schrie der alte Mann in den Hörer und legte auf.
Wohnung Nummer eins konnte ich also streichen.
Auch Nummer zwei konnte ich streichen, da dort niemand dran ging.
„Ja?“ antwortete mir Wohnung Nummer 3.
„Hallo. Spreche ich da mit Mrs. Clay?“
„Ja, was wollen sie?“
„Ich rufe wegen der Anzeige an.“
„Welche Anzeige?“
„Na die Wohnung, die sie vermieten wollen.“
„Dieser Arsch. Nichts gegen sie…..mein Ex hat das gemacht. Hier ist keine Wohnung zu verkaufen. Also…Bye.“
Also wenn das so weiter ging, würde ich bestimmt nicht nach New York gehen….die schienen ja alle ein wenig ….komisch zu sein.
Die nächste Wohnung war eine WG aber das war mir egal. Schlimmer konnte es nicht mehr werden. Ich wählte die Nummer und wartete….
1. Tuten…….
2. Tuten……
3. Tuten……
4. Tuten…… War etwa keiner da?
Ich wollte schon auflegen, als das Tuten endlich aufhörte.
„Ja hallo?“ schnaufte eine Frauenstimme ins Telefon.
„Hallo, spreche ich da mit….emm…Anna Mayer?“
„Ja klar. Was gibt’s?“
„Ich wollte wissen, ob das Zimmer noch frei ist.“
„Interessierst du dich etwa dafür?“ fragte sie erstaunt, was mich leicht verwunderte….hatte sie auch so einen komischen Ex gehabt?
„Wieso sollte ich nicht?“
„Na ja, nicht jeder kann mit zwei Weibern und einem Macho umgehen. Aber wenn du denkst du bist der Aufgabe gewachsen…. kannst du das Zimmer gerne haben.“
Ich musste mir mein Lachen verkneifen. Mit ihr würde es bestimmt nicht langweilig.
„Echt? Klasse. Könnte ich es sofort haben, ich wohne nämlich zurzeit noch in Italien und bräuchte das Zimmer sofort.“
„Kein Problem, sag bescheid ab wann du hier bei uns wohnst und dann ist gut.“
„Okay. Dann würde ich in drei Tagen bei euch wohnen…..wenn das in Ordnung ist:“
„Klar, kein Ding. Wir werden da sein…du ich muss los. Bis dann.“
Und weg war sie…..so einfach hatte ich es noch nie gehabt. Anna schien wirklich nett zu sein….schade, denn Freunde würden wir in der kurzen Zeit nicht. Manchmal machte es mich wirklich traurig, dass ich nie Freunde haben werde. Es wäre zu gefährlich für sie und für mich.
„Was solls.“ seufzte ich und ließ mich zurück in mein Bett fallen.
Bin ich verrückt, weil ich mit mir selbst rede? Vielleicht…..aber das war mir auch egal, leise fing ich an zu lachen.
So, eine Wohnung hatte ich schon mal, jetzt bräuchte ich nur noch einen Namen…..am besten einen Italienischen. Schließlich wohnte ich Zurzeit in Italien.
„Bella?…NEIN, zu alltäglich. Rita?…hatte ich schon. Ach ich nehme einfach…Rosa Zanolla. Perfekt.“
Ab sofort hieß ich also Rosa.

Mit schweren Augen schaute ich noch mal auf die Uhr…..22Uhr…Ich setzte mich auf und rieb mir die Augen…
„Ab ins Bett.“ murmelte ich mir selbst zu und stapfte zum Spülbecken, bei der Küche. Schnell putze ich mir meine Zähne, wusch mir mein Gesicht und zog mir meine Boxershorts an. Ich saß schon im Bett, als ich wieder aufstand….ohne Klo ging gar nichts. Jeder hat so seine Macke….ich habe diese…jedes mal bevor ich weg gehe oder ins Bett muss ich auf die Toilette gehen…fragt mich nicht wieso.
Nachdem ich meiner Macke freien lauf gelassen hatte, kuschelte ich mich unter die Decke und schloss die Augen. Ich konnte richtig spüren, wie so langsam mein Körper immer schwerer wurde, meine Atmung ruhiger, meiner Gedanken schwächer…..bis ich dann im Land der Träume war.


Tropf
Tropf
Tropf
„Wo ist sie?“
.
.
.
„Meine Kleine…du musst weg laufen ja?…Lauf einfach weg, wenn du niemanden hörst!“
Tropf
Tropf
Tropf



Ruckartig und Schweißgebadet setzte ich mich auf. Mein ganzer Körper zitterte, mir war kalt und warm und mein Herz fuhr ein Rennen. Es war so weit…….scheiße. Schnell stand ich auf….zu schnell. Mit einem Plumps saß ich wieder auf dem Bett.
„Doch nicht jetzt!“ seufzte ich und strich mir über den nassen Nacken.
Obwohl ich so was schon etliche male hinter mir hatte, wurde ich trotzdem immer wieder nervös.
Diesmal stand ich langsam auf und ging in die kleine Duschnische, um mir den Schweiß vom Körper zu waschen. Meine Hände zitterten immer noch und mein Puls raste. So war es immer….und trotzdem war es jedes mal neu für mich.
Frisch geduscht und angezogen, packte ich meine Koffer. Seid Jahren ging das so…..sobald ich diesen Traum hatte, wusste ich, es war Zeit zu gehen…und zwar schnell. Zum Glück hatte ich nie wirklich viele Sachen, meistens lebte ich aus dem Koffer. Meine Klamotten schmiss ich einfach hinein und den restlichen Kram legte ich oben drauf. Das einzigste was ich mit Vorsicht anfasste, war die Kiste meiner Mutter….würde diese kaputt gehen….wüsste ich nicht mehr weiter. In dieser Kiste war mein Leben….meine Rettung….mein ICH. Alles was ich über mich wusste, war in dieser Kiste. Meine Mutter hatte sie mir mit gegeben, bevor sie…..starb. Heiße Tränen liefen meinen Wangen hinunter…noch einmal strich ich über den Deckel der Kiste und packte sie dann in den Koffer. Hastig suchte ich einen Stift und einen Zettel, um wenigens dem kleinen Mädchen noch eine Nachricht zu hinterlassen…..mehr Zeit blieb nicht. Erst jetzt fiel mein Blick auf die Uhr…….3Uhr Morgens.
„Tolle Zeit.“ stöhnte ich genervt auf und packte nun die letzte Dinge in den Koffer. Prüfend schaute ich mich noch mal um…..nichts vergessen...gut. Zusammen mit Koffer und Tasche verließ ich meine Wohnung und schloss ab. Fertig…..auf zum nächsten Leben. Schnell legte ich noch den Zettel vor die Tür, auf dem stand…..An Rosa. Ich würde das kleine Mädchen vermissen.
Ohne noch einmal zurück zu schauen, lief ich den langen Gang entlang und die Treppen hinunter. Es brachte nichts, noch mal in die Vergangenheit zu schauen……die würde sowieso vorüber sein.


Mit einem schnellen Blick überprüfte ich den Flughafen, doch alles was ich sah, waren einfach nur Menschen, die wild und hektisch umherliefen, das Personal, dass immerzu lächelte, aber in Gedanken den Feierabend herbeisehnte und die verschiedensten Geschäfte, in denen die vergessenen Dinge gekauft wurden. Schaute man jedoch noch genauer hin, sah man auch die verschiednen Gruppen. Da gab es die Geschäftsleute, die einen schicken Anzug trugen und einen teuren Koffer hinter sich her zogen. Sie erwischte man oft dabei, wie sie sich in den Schlangen vordrängelten, da sich viele für etwas Besseres hielten.
Dann gab es die Familien. Die meisten von ihnen hatten mehr als ein Kind und mehr als drei Koffer dabei. Die Mütter waren genervt, die Männer froh, dass sie sich nur um den Flug kümmern mussten und die Kinder waren aufgeregt, was wiederum zu der Genervtheit der Mütter führte.
Dann gab es noch die Studenten, die sich gerade von ihren Familien verabschiedeten. Zu dieser Gruppe würde ich gehören……nur ohne Familie.
Den Koffer fest in der Hand bahnte ich mir einen Weg zum Schalter. Ich wollte mich gerade anstellen, als mich ein älterer Mann anrempelte.
„T´ schuldigung.“ nuschelte er und schaute mir in die Augen….ein Fehler!
Plötzlich fingen seine Augen an zu glänzen und er bekam ein dümmliches Grinsen ins Gesicht.
„Scheiße.“ flüsterte ich. Diesen Blick kannte ich…..alle Menschen bekamen ihn, wenn ich mich nicht konzentrierte und sie mir in die Augen sahen. Was genau es war wusste ich nicht…..wie auch? Mir hatte es nie jemand erklärt. Ich wusste nur, dass ich solch eine Wirkung auf Menschen hatte, sobald ich nicht aufpasste. Zum Glück hatte ich 20 Jahre Zeit gehabt, herauszufinden wie diese Wirkung wieder verschwand. Schnell konzentrierte ich mich und stellte mir einen Schleier vor, der sich vor meinen Augen ausbreitete.
„Scheiße scheiße scheiße.“ jammerte ich immer wieder, bis der Mann sich schüttelte und wieder normal aussah. Verwundert sah er mich an und lief dann hastig weiter.
Erleichtert atmete ich aus…..geschafft….doch zuerst sah ich mich noch mal um, ob mich auch wirklich niemand erkannt hatte. Alle Menschen waren immer noch mit sich selbst beschäftigt und achteten gar nicht auf mich…gut so! Ohne weiter drüber nachzudenken stellte ich mich an die wartende Schlange an.
Ich hatte nicht nur so eine Wirkung auf die Menschen……ich konnte auch Dinge, die sonst niemand konnte….niemand, den ich kannte. Bevor ich an den Schalter kam, legte ich meine Hand auf meinen Reisepass und meine Papiere. Ein warmer Fluss aus Kraft floss durch meine Adern und verteilte sich in meine Fingerspitzen.
„Guten Tag. Ihre Papiere bitte.“ forderte mich die nette Frau hinter ihrem Computer auf und lächelte. Mit ihrem runden Gesicht und ihren riesigen Augen erinnerte sie mich leicht an einen Kugelfisch.
„Bitteschön.“ gab ich freundlich zurück und legte ihr meine Papiere auf den Tresen. Sie würde nichts finden….alles war so wie es sein sollte. Anstatt Amaya stand Rosa auf dem Pass. Alle Daten waren so wie ich sie brauchte….wie immer. Manchmal war meine komische Art auch nützlich.
„Stellen sie ihr Gepäck bitte auf das Band.“ nuschelte sie während sie alle Daten kontrollierte.
Schnell befolgte ich ihre Anweisung und nahm die Papiere entgegen, die sie mir entgegen streckte.
„Guten Flug.“ wünschte sie mir noch mit einem breiten Lächeln und kümmerte sich um den nächsten Gast.
Zügig stieg ich ins Flugzeug und fand schnell meinen Sitzplatz. Als ich mich in den Sitz gleiten ließ seufzte ich erschöpft und atmete einmal tief durch. Doch bevor ich mich ein wenig ausruhen durfte, steuerte ich meine ganzen Sinne durch das Flugzeug….nichts….keine Übelkeit, keine Schmerzen, die mich plagten. NICHTS! Also war die Maschine sicher und somit auch ich…kein Feind…keine Gefahr!
Ich hatte gerade die Augen geschlossen, als ich bemerkte, wie sich jemand neben mich setzte.
Das einfache „Hi“, was aus seinem Mund kam, brachte mich schon aus der Fassung. Seine Stimme war leicht rauchig, kraftvoll und sinnlich. Langsam öffnete ich die Augen und sah ihn an.
„Tag.“ Kam es stolpernd aus meinem Mund, der weder sinnlich noch hübsch war. Sein Mund hingegen war die reinste Versuchung. Der volle und sinnliche Mund verzog sich leicht nach oben, so dass ein Lächeln hervor kam. Sein Gesicht schien mit diesem Lächeln nur noch verführerischer. Er stand kurz auf und verstaute seine Tasche, dann setzte er sich wieder neben mich. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich ihn immer noch ansah. Hör auf zu gaffen, schimpfte ich mich innerlich. Das meine Gefühle verrückt spielten wunderte mich nicht, denn das war immer so, wenn ich zuvor meine Kräfte benutzt hatte. Wieso das so ist? Keine Ahnung. Ich wusste nur, dass die Nebenwirkungen noch nie so schlimm waren wie gerade. Um mich zu beruhigen schloss ich wieder meine Augen und entspannte mich….eine Zeitlang blieb es auch ruhig.
„Fliegen sie öfters?“
Sofort bekam ich wieder eine Gänsehaut. Vorsichtig öffnete ich die Augen und sah den Fremden an.
„Ja.“ Antwortete ich schlicht und schloss wieder meine Augen.
Lachte er?
„Wo wollen sie hin?“
Ach so einer war er also…..einer, der gut aussah, eine geile Stimme hatte, aber ständig nervte. Gemeine Welt!
„Nicht dahin, wo Sie hin wollen.“
Wieder hörte ich ein Lachen……ER lachte…definitiv! Plötzlich kitzelte es an meinem Ohr.
„Bedauerlich!“ raunte es mir in mein Ohr.
Erschrocken und stink wütend öffnete ich schnell meine Augen. Doch er saß ganz seelenruhig da und las in einer Zeitschrift. Er schien nichts gesagt zu haben. Verwirrt schüttelte ich den Kopf und schloss wieder die Augen.
„Guten Tag.“ zwitscherte eine Stewardess durch die Reihen.
Hatte man denn niemals Ruhe?! Die Blondine, die ihre falsche Oberweite in den Stewardessen Dress reingezwängt hatte, tappelte durch die Gänge. Die Männer fingen dümmlich an zu grinsen und viele Frauen schnauften und sahen Blondi böse an.
„Hallo. Willkommen. Kann ich Ihnen etwas bringen?“ fragte sie in jede Sitzreihe hinein und lächelte dabei künstlich, bis sie bei uns war.
„H-hallo.“ das sie sich um Fassung bemühen musste konnte man nicht übersehen.
„Will-willkommen!“
Auch ihr zweiter Versuch, einen klaren Satz hervor zu bringen scheiterte.
„Subjekt, Prädikat und Objekt….ganz einfach! Probieren Sie es mal aus!“ sagte ich genervt, was mir nur einen bösen Blick von Blondi einhandelte. Sie raffte sich auf, streckte ihre Oberweiter noch weiter heraus und versuchte er noch einmal.
„Willkommen! Kann ich Ihnen etwas bringen, Sir?“
Ein Lachen konnte ich mir nicht verkneifen. Sie hatte nicht nur versucht ihre Stimme erotisch klingen zu lassen…nein…sie wollte mich auch noch bestrafen, indem sie nur IHN ansprach.
„Na endlich!“ stöhnte ich und applaudierte gelangweilt. Dann gähnte ich noch einmal herzhaft, was sie nur fix und fertig machte.
„Ein Wasser bitte.“ gab der Fremde neben mir von sich und lächelte sie leicht an.
„Kommt sofort.“ schnurrte sie förmlich vor sich hin und wollte sich schon auf den Weg machen, als sie der Fremde plötzlich aufhielt.
„Moment! Wollen Sie auch etwas?“ fragte er mich, was Blondi gar nicht toll fand.
„Einen Orangensaft.“
„Natürlich!“ zischte Blondi und tappelte los.
„Und nicht rein spucken!“ rief ich ihr noch hinterher.
Ich sah noch, wie sie die Hände zu Fäusten ballte, bevor sie in die Kabine verschwand. Mit Sicherheit würde ich DEN Orangensaft NICHT trinken. Ich sah es genau vor mir, wie sie gehässig lächelte und in MEINEM Orangensaft hinein spuckte……noch so eine „Fähigkeit“ von mir.
„Sind sie immer so?“ fragte mich der Fremde belustigt.
„Vielleicht.“ antwortete ich und schloss wieder einmal die Augen. Doch anscheinend schien in diesem Flugzeug das Wort Ruhe fremd zu sein…..denn schon wieder wurde ich gestört.
Blondi!
„Ihr Orangensaft.“
Sie schepperte den Saft auf meine Ablage und widmete sich wieder voll und ganz und mit vollem Körpereinsatz dem Fremden zu.
„Ihr Wasser, Sir.“ Säuselte sie und verschüttete dabei GANZ ausversehen Wasser……auf seine Hose. Natürlich schnappte sie sich SOFORT ein Tuch, was sie schon GANZ zufällig griffbereit hatte und tupfte höchst persönlich das Wasser von SEINER Hose. Dabei musste der Fremde aufpassen, dass in seinem Totenschein nicht „Tod durch Erstickung mithilfe einer Oberweite“ stand….natürlich GANZ ausversehen.
„Das tut mir ja so leid.“ beteuerte Blondi immer wieder und tupfte munter weiter.
„Kein Problem…..“
Bequem setzte ich mich in meinen Sitz und sah mir das Schauspiel an. Fehlte nur noch Popcorn.
„Vergessen Sie nicht die Stelle zwischen seinen Beinen, deswegen machen sie doch den ganzen Aufwand oder?!“ gab ich lachend von mir und freute mich wie ein kleines Kind, als ich sah das sie rot wurde….vor Zorn. Auch der Fremde fing an zu lachen und sah mich an.
„Neidisch?“
„Unheimlich.“ antwortete ich sarkastisch.
Blondi hatte mittlerweile ihre Sachen zusammen geräumt und bewegte sich Richtung Kabine, jedoch nicht ohne vorher dem Fremden noch mal ein Lächeln zu schenken.
„Sie sollten hinterher laufen.“
„Warum?“
„Weil sich sonst Blondis Mühe nicht gelohnt hätte und ihr Plan nicht aufgegangen wäre!“
Belustigt sah er mich an und beugte sich leicht zu mir herüber.
„Und was wäre dann mit Ihrem Plan?“
„Mein Plan? Ich habe keinen...oh doch…mein Plan ist es, Sie los zu werden!“
„Dann bewirken Sie gerade genau das Gegenteil.“
„Ich habs befürchtet.“ stöhnte ich.
„Und was machen wir jetzt?“ flüsterte er mir zu.
„Ich bleibe bei meinem Plan, ändere nur die Methode und Sie laufen endlich Blondi hinterher, sonst wartet sie noch Stunden in der Toilettenkabine.
Da die Hoffnung ja bekanntlich zuletzt stirbt, versuchte ich es noch einmal und schloss die Augen. Ich meine sogar das Lächeln des Fremden gespürt zu haben…aber auf jeden Fall spürte ich, wie er aufstand und verschwand. Zu meinem Bedauern merkte ich leider auch, dass er innerhalb kürzester Zeit wieder da war. Ohne meine Augen zu öffnen sprach ich mit ihm.
„Ging aber schnell!“
„Haben Sie mich schon vermisst?“
„Nein.“
Wieder fing er an zu lachen, dabei dachte ich immer, man lacht nur, wenn Scherze gemacht werden.
„Wo wollen Sie hin?“
„Immer noch dahin, wo Sie nicht hin wollen!“
„Sicher?“
„Ja!“
Dieses sinnlose Gespräch führte zu nichts und doch hörte er nicht auf.


Irgendwann fing ich an, einfach die Augen zu schließen, er würde sowieso weiter reden.

Tropf!
Tropf!
Tropf!
„Mama?“
„Wen haben wir denn da?…..“




Erschrocken setzte ich mich auf, mein Rücken war klatsch nass und meine Hände zitterten.
„Alles in Ordnung?“
Was sollte man auf diese Frage antworten?…Nein, ich träume von dem Tod meiner Mutter? Schnell nickte ich ihm zu und nahm dankend das Wasser entgegen, dass er mir hin hielt.
„Danke!“ seufzte ich.
Das kühle Wasser beruhigte mich ein wenig und ich lehnte mich zurück in meinen Sitz.
„Brauchen sie eine Tüte?“
Zuerst sah ich den Fremden verwirrt an, doch dann fing ich an zu lächeln. Er sah aus wie ein kleiner Junge, der nicht wusste, was er machen sollte.
„Nein ich muss mich nicht übergeben. Alles in Ordnung. Danke.“
Immer noch überlief mich ein kalter Schauer, doch das Zittern hatte aufgehört.
Plötzlich ertönte ein lautes Piepen und uns wurde mitgeteilt, dass die Maschine bald landen würde. Schnell schlossen alle Passagiere ihre Gurte und warteten auf die Landung.
„Wo wollen sie hin?“ flüsterte mein Sitznachbar mir zu.
Ich beugte mich leicht zu ihm herüber und ging mit meinen Lippen ganz nah an sein Ohr.
„Immer noch da hin, wo Sie nicht hin wollen.“
Seine Mundwinkel verzogen sich leicht nach oben und ich lehnte mich wieder zurück.
Kurz darauf stand ich auf dem Flugplatz und atmete die fremde Luft ein.
„Willkommen.“ flüsterte ich mir selbst zu und lief mit meinem Handgepäck Richtung Flugplatzhalle.

Ich kam in die Halle und wurde erdrückt. Erdrückt von dem Lärm, von den vielen Menschen, die alle an einem Ort waren und von den Gefühlen. Mit so vielen Emotionen hatte ich nicht gerechnet, weswegen ich sofort meine Schutzschilde errichten musste . New York war etwas ganz anderes. Schnell lief ich zur Gebäckausgabe und hielt nach meinem Koffer aus schau. Es war leicht, meinen zu finden. Es war der einzigste, der total kaputt und alt wirkte, was aber kein Wunder ist….schließlich reise ich sehr viel.
„Juhuuuuuuu Rooooosaaaa!“
Erschrocken und verwirrt drehte ich mich herum und sah eine kleine, etwas pummelige alte Frau. Sie wedelte wild ein Schild vor sich her auf dem mein Name stand. Immer noch verwirrt ging ich auf sie zu.
Obwohl man ihr es nicht ansah, war sie noch so fit, dass sie mich förmlich ansprang und umarmte.
„Wusste ich es doch. Du bist Rosa.“
Ich wusste immer noch nicht wer das sein sollte und sah sie noch mal an. War sie eine Gefahr? Eine Falle? Sie schien meine Verwirrung zu sehen, denn sie fing wieder direkt an zu reden.
„Ach herrje……..Emm…VERSTEHST DU MICH?“ brüllte sie mich laut und deutlich an, wobei sie gleichzeitig sich in der Zeichensprache versuchte.
„ICH BIN ANNAS GRANDMA! VERSTEHST DU?“
Meine Mundwinkel gingen nach oben.
„Hallo, ich bin Rosa. Keine Angst ich verstehe sie….laut und deutlich.“
Plötzlich bekam ich einen Schlag auf den Arm.
„Und wieso sagst du das nicht Kind? Wolltest du eine reife Dame etwa ärgern?!“
Sie schaute mich so wütend an, dass ich direkt versuchte mich zu erklären, ihr zu sagen, dass ich nicht wusste wer sie war und deswegen so verwirt geschaut hatte……doch dann lachte sie laut.
„Siehst du Kind……SO verarscht man jemanden! Und nun komm.“
Immer noch Fassungslos, dass diese Frau das Wort „verarscht“ in den Mund nahm und mich Kind nannte, schließlich war ich laut Gesetz Erwachsen, lief ich ihr hinterher.

„Pflaffi mach mal Platz!“
Ein kleiner grauer Hund hüpfte vom Beifahrersitz aus dem kleinen Auto und hüpfte wieder herein…diesmal jedoch auf die Rückbank. Meinen Koffer sollte ich in den Kofferraum räumen, was sich schwieriger herausstellte, als es eigentlich sein sollte. Nachdem ich bestimmt schon fünf Minuten versuchte, den Koffer in das kleine Auto zu bekommen kam die alte Frau und sah mich skeptisch an.
„Noch nie ein Koffer verstaut?“
Ohne auf meine Antwort zu warten, sprang sie förmlich gegen den Koffer, so dass er zusammengequetscht in den Kofferraum gezwängt wurde….gut das ich nichts aus Glas dabei hatte oder so. Das was man mal Koffer genannt hatte, war jetzt nur noch ein Klumpen. Die ältere Frau klatschte sich in die Hände uns sah sich noch einmal ihr Kunstwerk an, bevor sie ins Auto stieg.
„Na super…“ seufzte ich leise, da ich mir in Zukunft einen neuen Koffer zulegen musste.
„Kommst du?“ rief sie schon aufgeregt aus dem Auto. Schnell stieg ich ein und wir fuhren los.


Noch kann ich rennen


Hätte ich gewusst, dass eine Autofahrt mit dieser Frau einem Selbstmordversuch glich…..wäre ich wahrscheinlich lieber zu Fuß gegangen oder so. Schon als ich ins Auto stieg und das zusammen geklebte Autoradio sah und die vielen Kabel, die aus den verschiedensten Ritzen blickten…..bekam ich ein mulmiges Gefühl. Doch noch schlimmer wurde mein Gefühl, als die Frau auch noch die Rolling Stones einlegte. Sollte ich diese Fahrt überleben…..würde ich den Boden küssen…egal wie ekelig...egal wie schmutzig. Hauptsache am Leben!!
„Und mein Kind, was führt dich von Italien nach Amerika?“ eindringlich sah sie mich an und ich betete still, dass sie sich doch bald wieder auf die Straße konzentrierte. Natürlich hatte ich mir schon eine Story überlegt…..mit den Jahren wurde ich immer kreativer.
„Meine Mutter soll aus Amerika kommen und deswegen, wollte ich sehen, wie es hier so ist.“
Wieder sah mich die Frau prüfend an…..lenkte dann jedoch ihren Blick auf die Straße.
„So so.“
Mehr erwiderte sie nicht, was mir auch ganz recht war. Die Sonne verließ den Himmel schon allmählich auch das Wetter hatte sich verändert. Es regnete und so vermischten sich die Lichter in einander. Fasziniert schaute ich hinaus und beobachtete die Lichter, die an uns vorbei rasten. Dann fielen mir die kleinen Regentropfen an den Fensterscheiben auf…..jeder Tropfen war auf seine eigene Art und Weise einzigartig. Manche liefen schnell die Scheibe hinunter, andere ließen sich viel Zeit und suchten sich sanft ihren Weg. Sie sahen aus wie lauter kleine Sternschnuppen, die vom Himmel fallen…..wie schön wäre es, sich für jede Sternschnuppe etwas wünschen zu können. Vorsichtig fuhr ich mit meinem Finger die Spuren der Tropfen nach und erinnerte mich an die Vergangenheit.

Jeden Abend saß sie da…..am Fenster. Ihr langes schwarzes Haar floss ich wie ein Wasserfall über die Schultern.
„Komm her mein Engel.“ flüsterte sie und hielt mir die Hand entgegen.
Mit meinen nackten Füßen tapste ich zu ihr und setzte mich auf ihren Schoß.
„Siehst du die Sterne?“
„Mhm.“ murmelte ich zog ihren wunderbaren Duft ein.
„Wenn du alleine bist mein Engel, dann schau in den Himmel. Such den Größten und Hellsten Stern, den du finden kannst, denn dieser Stern werde ich sein und von da passe ich auf dich auf!“
Beruhigend strich sie mir durch mein Haar und unsere Haare wurden eins.




Impressum

Tag der Veröffentlichung: 03.06.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An alle, die meine Bücher toll finden und mir drohen, soabld es nicht weiter geht *grins*

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