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Prolog



Hastig rannte ich durch die Dunkelheit, getrieben von einer schrecklichen Angst die meine Glieder lähmte. Doch ich musste fliehen, wollte nur noch von hier verschwinden und alles vergessen was geschehen war und sie mit mir vor hatten. Meine Beine wurden langsamer, ein Licht verriet mir, dass hier Endstation zu sein schien. Ich warf einen misstrauischen Blick hinter mich und betrachtete dann kurz meine missliche Lage genauer. Was nun? Ich stand an einem Berg, in irgendeiner Höhle und wurde verfolgt. Der Abgrund erstreckte sich vor meinen Füßen und schrie bereits meinen Namen, um mich verschlingen zu können.
Plötzlich waren da Schritte zu hören und ich begann mit zittern. Jetzt gab es nur noch einen Ausweg: Ich musste springen! Ich würde versuchen zu überleben, auch wenn es eher nach dem Gegenteil ausschaute. Traurig schloss ich meine Augen und nahm meinen gesamten Mut zusammen. Lieber würde ich sterben, als ihm noch einmal in die Hände zu fallen. Meine Füße drückten sich von dem kalten Stein ab und ich glitt in das Ungewisse, in eine finstere Schlucht ohne Boden.
Hart schlug ich auf der Wasseroberfläche des Meeres auf. Ich wurde nach unten gerissen, herum gewirbelt und von den Wassermassen fast erdrückt. Meine Lungen füllten sich mit der Flüssigkeit und ich versuchte alles um an die Oberfläche zu gelangen und zumindest noch einmal in meinem Leben die Luft der Freiheit in mich aufnehmen zu können. Doch es war mir anscheinend nicht vergönnt außerhalb meiner Bestimmung zu existieren. Mein gebrochener Arm, der wie verrückt pochte, meine Kopfwunde an der Stirn, die wie Feuer brannte und meine vielen anderen grauenvollen Verletzungen die nie einer von ihnen behandeln wollte, waren Zeichen meiner Vergangenheit. Ich war seine Marionette gewesen, doch jetzt würde seine schreckliche Herrschaft über mich enden.
Eine Welle brachte ans Tageslicht, was das Meer niemals verdecken könnte – meinen Körper. Ich hatte es geschafft mich nach oben zu kämpfen, auch wenn diese Aktion mehr Kraft gekostet hatte als alles andere. Hustend würgte ich die salzige Brühe heraus und versuchte mich ruhig auf der Oberfläche treiben zu lassen. Die Schmerzen in meinem Kopf wurden mittlerweile immer schlimmer und als ich meinen Blick gen Himmel richtete, geschah was eben passieren musste. Ich hegte Gefühle für meine Freiheit, meinen eigenen Sieg gegen das Böse, was mich Jahre lang wie eine Sklavin gehalten hatte. Eine warme Träne kullerte über meine Blutverschmierte Wange und vermischte sich mit dem Meer. Ich musste vergessen und wollte es auch. Ich schrie regelrecht danach nie mehr daran erinnert zu werden, was man mir angetan hatte. Müde und einsam schloss ich meine Augen und ließ mich, leicht wie eine Feder von dem Meer tragen. Wohin? Das war mir egal, nur fort in die Welt hinaus wo ich sicher wäre.
 
Stimmen drängten sich in meinen Kopf. Erschrocken löste ich mich aus meiner ruhigen Stellung und versuchte aus eigener Kraft im Wasser zu schwimmen.
„Was ist das?“, fragte eine Person die mir Gott sei Dank unbekannt schien.
„Schnell holt sie da raus!“, rief ein Anderer und schon kurz darauf griffen zwei starke und warme Hände nach meinen zerschundenen Körper. Ich wurde ins trockene gehievt und wusste vor Schreck nicht wo oben und unten war. Zitternd hockte ich vor ein paar Gestalten, die jedoch vor meinen Augen immer wieder verschwammen. Die Angst nagte an meinen Gliedern und holte mich schließlich zu sich. Ich gab meiner Müdigkeit einfach nach.
Sie brachten mich wohl in ein Krankenhaus, was ich so, schon seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehen hatte. Vorsichtig legte man mich in ein Bett und transportierte mich dann an einen fremden Ort der hell erleuchtet war. Sofort stürmten verzweifelte Ärzte auf mich zu und kümmerten sich um meine vielen Wunden, die nicht einmal Ansatzweise ausdrücken könnten, wie sehr ich gelitten hatte. Nur wage bekam ich ihre Versuche mich zu retten mit, denn mein Geist war bereits verloren und konnte nicht wiedergefunden werden. Ich hatte es tatsächlich geschafft die Dinge zu verdrängen und empfand nun nur noch eine gewisse Leere in meinem Kopf. Als schließlich alles endlich vorüber war, brachte man mich auf eine Station und schenkte mir etwas Ruhe, die ich natürlich genoss. Mehrere Tage war ich nicht ansprechbar und ignorierte alle Menschen die mein Zimmer betraten, doch irgendwann musste ich sprechen, auch wenn ich kaum noch etwas über mich wusste.
„Fangen wir mit etwas Einfachem an: Wie heißt du?“, fragte der Arzt und beugte sich langsam über mich drüber. Ich zögerte, hustete kurz und antwortete dann: „Alanya Black!“ Verwundert musterten mich die Leute neben meinem Bett und runzelten ein wenig die Stirn.
„Und wurde ein Mädchen mit diesem Namen als vermisst gemeldet?“, fragte der Mann und schaute dabei hinüber zu seiner Assistentin. Die schüttelte nur niedergeschlagen mit dem Kopf und streichelte dann vorsichtig über meine Wange. Als sie mich berührte, wich ich eisern aus und verkrampfte meine Finger so sehr, dass sich meine Nägel in die Haut bohrten.
„Schon gut, keiner will dir weh tun!“, versicherte mir der Arzt und scheuchte seine Kameradin fort. „Erinnerst du dich an irgendetwas? Zum Beispiel was passiert ist? Wie bist du im Meer gelandet? Wo kommst du her?“ Ich schluckte und kämpfte gegen den Kloß in meinem Hals. Vorsichtig versuchte ich mich aufzurichten, was mir allerdings nur unter Schmerzen gelang.
„Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur noch, dass mich das Meer verschluckt hat und dann waren da Stimmen…!“ Der Doktor überlegte kurz und notierte sich meine Aussage.
„Mit Stimmen, meinst du sicher die Leute die dich aus dem Wasser gerettet haben, oder?“ Ich nickte schwach und warf ihm dann einen traurigen Blick zu.
„Was passiert jetzt mit mir?“, hauchte ich der Verzweiflung nah.
„Da du schon volljährig bist und anscheinend keiner nach dir sucht, haben wir ein Heim alarmiert, was sich erst einmal um dich kümmern wird.“ Erschrocken atmete ich tief ein.
„Was meinen Sie mit `Heim`?“ Der Arzt legte seine Utensilien auf meinem Bett nieder und kramte dann in einer Mappe. Als er endlich gefunden hatte, wonach er suchte, zeigte er mir eine Frau und eine große Villa.
„Das ist Doloris Mager die Leiterin einer Kinder und Jugendanstalt für Menschen, denen bereits in ihrem kurzen Leben schlimme Dinge wiederfahren sind. Sie hilft den Kindern bei Schulaufgaben und den Jugendlichen versorgt sie einen ordentlichen Job und ein neues Leben!“ Na das klang doch gar nicht mal so schlecht.
 
In den nächsten Tagen wartete ich also auf diese besagte Frau, die mir unbekannt war, wie auch die restlichen Menschen die sich stets um mich kümmerten. Schließlich klopfte es an der Tür und der Arzt stellte sie mir vor.
„Ihr habt sicher viel zu besprechen!“, meinte er ruhig und ging wieder nach draußen um anderen Patienten zu helfen. Freundlich schüttelte sie meine Hand.
„Du bist also Alanya Black, das Mädchen, dass man halb tot aus dem Meer gezogen hat!“ Ich nickte und begrüßte sie mit einem verlegenen Grinsen.
„Nun Alanya, ab heute beginnt dein neues Leben!“ Und mit diesen Worten schob sie einen Rollstuhl neben mein Bett und ich kroch vorsichtig mit ihrer Hilfe auf den Sitz. Behutsam legte sie mir eine Tasche auf meinen Schoß mit der Bemerkung „Das sind deine Sachen, sie müssten dir passen!“. Dankbar nahm ich sie an und wühlte aufgeregt wie ein kleines Kind darin herum, in der Hoffnung etwas besonders Schönes zu finden.
Die Autofahrt war recht langweilig und ruhig. Wir schwiegen eine Zeit, doch dann fand auch die Leiterin dieses Institutes ihre Stimme wieder und begann mir von ihren Plänen zu berichten.
„Weißt du eigentlich wie viel Glück du hast? In ein paar Tagen ziehen wir nämlich in unser neues Heim.“ Verwundert, schaute ich hinüber zu ihr und strich mir gleichzeitig eine verwilderte Strähne aus dem Gesicht.
„Neues Heim? Wie jetzt, bleiben wir etwa gar nicht in Deutschland?“ Sie schüttelte lächelnd den Kopf und entgegnete: „Ich habe ein riesiges Anwesen gekauft, in welchem endlich genug Platz für alle meine Schützlinge ist. Die Meisten haben jedoch beschlossen von uns zu gehen, vor allem jene die etwa in deinem Alter sind.“ Ich lauschte gespannt ihren Worten und fragte mich gleichzeitig, wo uns die Reise hin verschlagen würde, denn den Standort wollte sie nicht preisgeben, was in mir ein mulmiges Gefühl aufleben ließ.
 
Kapitel 1: Der Neuanfang


 
Mein Leben begann genau vor drei Monaten und zwar ohne jegliche Erinnerungen an die Zeit davor. Ein paar Fischer zogen mich aus dem kalten Meer heraus und ich war übersät von schrecklichen Wunden, blauen Flecken und Knochenbrüchen. Keiner wusste, was mir widerfahren war und meine Vergangenheit blieb unentdeckt. Immer, wenn ich versuchte etwas Klarheit zu bekommen, wurde mir schlecht und schwindelig. Einer der Ärzte meinte, ich hätte eine eigene Blockade in meinem Gehirn errichtet um unschuldig und glücklich weiter leben zu können. Doch diese Tatsache beruhigte mich nicht im Geringsten.
Ich hatte schon etwa ein Viertel meines Lebens an einem fremden Ort verbracht und konnte mich nicht erinnern, war doch eigentlich klar, dass ich dennoch alles dafür tun würde um diese Dinge herauszufinden. Trotz meines Alters brachte man mich nach meinem langen Krankenhausaufenthalt in ein Kinder und Jugendheim in Deutschland. Dort fand ich merkwürdiger Weise viele Gleichgesinnte, denn eine liebenswerte ältere Frau namens Doloris Mager hatte es sich zur Aufgabe gemacht ein Schutzprogramm in die Wege zu leiten. Alle Kinder oder Jugendliche, denen in ihrem schon so kurzen Leben viel Schlimmes widerfahren war und die keine Verwandten mehr besaßen, wurden unter ihre Fittiche genommen und wieder auf den richtigen Weg geführt. Gleich bei meiner Ankunft berichtete man mir, dass ich meinen schmalen Koffer gar nicht erst auspacken sollte, denn schon in fünf Tagen würde es uns auf eine Insel namens Bornholm verschlagen, wo wir das neue Heim und unser neues Leben endlich begrüßen könnten. Natürlich hielt ich von der ganzen Sache nicht besonders viel, doch die kleinen Kinder freute es. Anscheinend war es auch ihre erste Reise und sie wollten sich nun gut genug darauf vorbereiten.
 
Wie angekündigt fuhren wir mit einem Schiff nach Bornholm, was zu Dänemark gehörte und gerade einmal 40.000 Einwohner vorweisen konnte. Ungeduldig rutschte Shannon auf ihrem Sitz herum.
„Da ich sehe Land!“, schrie sie aufgeregt und deutete mit ihrem Zeigefinger in Richtung der Insel. „Wie unspektakulär!“, murmelte Sören und setzte sich neben mich.
„Und warum bist du hier gelandet?“, fragte er lächelnd und schaute mir tief in meine blauen Augen. „Naja, man hat mich halb tot aus dem Meer gefischt und die gute Frau Mager bekam so ihr Interesse an mir und meiner Geschichte, nur dumm, dass ich keine Erinnerungen mehr habe!“ Ich grinste und zupfte an einer Haarsträhne herum.
„Ja so geht es vielen hier, aber die Meisten können sich wenigstens an ihren Namen erinnern, du auch?“ Ich nickte.
„Ich bin Alanya Black!“ Er reichte mir seine Hand und begrüßte mich freundlich.
„Uns kennst du ja eigentlich schon alle, denn die gute Doloris musste dir jeden einzeln vorstellen, jedoch hat sie kein Sterbens Wörtchen über dich verloren!“ Nun wurde ich ein wenig rot in meinem Gesicht und zuckte mit den Schultern.
„Und dieses Geheimnis hat dich angelockt? Deshalb musst du sie gleich ausfragen?!“ Ein Junge mit dunklen Haaren und stahl blauen Augen kam elegant auf uns zu.
„Max was soll der Mist?“, sagte Sören und stand hastig auf.
„Lass deine Flirt-spiele zumindest für diesen Moment, denn die starken Jungs müssen nun Koffer schleppen oder soll ich dich nicht dazu zählen?“ Sören funkelte Max wütend an und nickte dann. „Klar ich komme mit!“ Doch bevor Max mit Sören in einer der Türen verschwand, verbeugte er sich vor mir und hauchte: „Bis später, Cherry.“ Mir war nicht ganz klar, warum sich die beiden Jungen so verhielten, doch als ich beim Verlassen des Schiffes die restlichen Jugendlichen betrachtete, erkannte ich, dass nur wir Drei, ein und das selbe Alter vorwiesen.
Wir fuhren etwa eine halbe Stunde lang mit dem Bus an den Klippen entlang. Die Natur war unbeschreiblich schön und entlockte mir so manches glückliche Lächeln. Dann kamen wir endlich auf dem riesigen Anwesen an. Ich dachte schon, ich könnte meinen Augen nicht trauen, denn so gewaltig wie das Grundstück mit all den Besonderheiten uns entgegen ragte, hatte ich es mir nicht vorstellen können. Es gab ein mehrstöckiges Wohnhaus mit allen Zimmern für die jüngeren Kinder, eine Schule mit einer Turnhalle und einem kleinen Schwimmbad, eine Scheune wo Tiere auf uns warteten und ein dazugehöriges Außengehege, eine Krankenstation, einen kleinen Laden und eine gewaltige Speisekammer ,die die Kinderaugen zum Strahlen brachte. Schließlich erblickte ich das Haupthaus, was direkt an den Klippen stand und mit solch einer atemberaubenden Fassade meine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Blind stolzierte ich darauf zu. Doloris erklärte währenddessen die Zimmerverteilung und nahm Danksagungen für einen so Paradiesischen Ort entgegen. Behutsam berührte ich die Wand und strich zaghaft daran entlang. Mit einem leisen Knarren öffnete ich die Tür und betrat gleichzeitig einen Teil der Veranda. Als ich eine weitere Tür zur Seite schob, bemerkte ich eine reine Wand aus Glas, durch welche man einen wundervollen Blick auf die Klippen und das darunter sich aufbäumende Meer hatte. Stumm stand ich da und schaute auf die Wellen. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und ich konnte dieses merkwürdige Gefühl einfach nicht deuten. Als ich meine Finger ausstreckte und das Glas berührte, wurde langsam alles schwarz vor meinen Augen und ich zog sie überrascht zurück. Zum einen war ich fasziniert und zum anderen hatte ich schreckliche Angst vor diesem Ort und diesem Abgrund. Urplötzlich berührte mich eine warme Hand an der Schulter und ich fuhr zusammen.
„Ist bei dir alles in Ordnung?“, fragte Sören und musterte mich. Ich nickte und drehte mich ihm entgegen.
„Also eure Zimmer befinden sich in diesem Haupthaus und ich habe sie extra für euch einrichten lassen. Ihr seid meine ältesten Schützlinge!“ Max und Sören strahlten über beide Ohren und auch Eloise und Shannon, hatte es hier her verschlagen.
„Alanya, dein Zimmer ist im 2. Stock direkt neben dem von Max und Sören, ich hoffe das macht dir nichts aus! Ich sorge schon dafür, dass dich keiner von ihnen nachts besuchen kommt. Eigentlich sind die beiden anständige Jungen!“ Ich lächelte und versuchte meine Zweifel so aus dem Weg zu räumen.
„Ja sie sind ganz nett!“, flüsterte ich und schnappte mir meine Tasche.
„Na dann, richtet euch mal ein!“ Und mit diesen Worten liefen wir gemeinsam die Treppen nach oben und suchten die besagten Nummern unserer Räume.
„Zimmer 23, das ist dein´s Alanya!“, sagte Sören und schloss mir die Tür auf, dann zog er von Dannen und machte es sich in seinem Eigenen gemütlich. Ich holte tief Luft und betrat den Raum. Am Rande stand ein großer Schrank der niemals vollkommen ausgefüllt sein würde und daneben ein Bett, in einer recht neutralen Farbe. Unter dem Fenster befand sich eine kleine Bank mit besonderer roter Polsterung und in der linken Ecke ein Schreibtisch, mit Computer und Fernseher. Erstaunt verweilte ich einen Augenblick und versuchte mich innerlich zu sammeln. Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet.
„Nur die Großen haben einen Fernseher und einen Computer bekommen!“, sagte Sören und starrte mich vom Türrahmen aus an.
„Ach wirklich? Ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so etwas besessen!“ Er lachte und nahm mir dann meinen Koffer aus den Händen. Behutsam legte er diesen auf einen der Stühle und packte mich dann am Arm.
„Komm wir schauen uns das Grundstück mal etwas genauer an!“, hauchte er geheimnisvoll und schaute mir dabei tief in die Augen.
„Ich weiß nicht recht, ich finde es hier irgendwie unheimlich!“ Sören stockte den Atem und ließ mich los.
„So ist es richtig, versuch gar nicht erst sie auf deine Seite zu ziehen, nicht wahr Cherry?“ Max stand im Türrahmen und hielt eine seltsame Blume zwischen seinen Fingern.
„Warum nennst du mich immer so?“, fragte ich verwundert.
„Wie denn?“, rief er und kam näher. Dann schubste er Sören zur Seite und stellte sich mir genau gegenüber.
„Na Cherry, warum sagst du das? Mein Name ist doch Alanya!“ Er nickte und reichte mir die Blume.
„Ganz einfach, du erinnerst mich nun einmal an eine bezaubernde Kirsche, durch deine rosigen Wangen und deine weiche Haut!“ Sanft strich er an meinem Gesicht entlang.
„Oh achso.“, hauchte ich und starrte ihn wie besessen an.
„Und ich liebe Kirschen!“, fügte er noch hinzu und schnappte sich den Arm von Sören.
„Am besten wir lassen dich jetzt erst einmal in Ruhe! Komm schon du Depp!“ Sören protestierte, doch gegen Max hatte er keine Chance. Als die Beiden endlich fort waren, setzte ich mich angespannt auf mein Bett und seufzte traurig. Eigentlich sollte ich doch glücklich sein. Ich hatte ein neues Leben begonnen, mit freundlichen Menschen, die sich um mich sorgten, warum also beschlichen mich solche Zweifel? Solche schrecklichen Gedanken? Erschöpft legte ich mich vollständig auf die Matratze und schloss meine Augen. Es war noch Nachmittag und doch zehrte etwas an meiner Kraft. Ich gab nach und schlief ein.
 
Keiner meiner Freunde hatte mich geweckt und so kam es, dass ich erst gegen ein Uhr morgens wieder meine Lider öffnete und verdutzt in die Dunkelheit starrte. Es war schon sehr merkwürdig, dass Sören und Max nicht einmal darauf bestanden hatten, doch es kümmerte mich nicht weiter. Gähnend erhob ich mich und machte mich dann auf den Weg zum Bad. Der lange Flur wurde nur durch den Mondschein, welcher durch das halb offene Fenster drang, beleuchtet. Barfuß eilte ich über die knarrenden Dielen. Obwohl das Haus neu vorgerichtet wurde, wirkte es in meinen Augen alt. Nachdem ich meine Notdurft verrichtet und mir noch die Zähne geputzt hatte, knipste ich das Licht im Bad aus und eilte zurück auf den Flur. Ich kam nicht besonders weit, denn urplötzlich vernahm ich ein beunruhigendes Geräusch. Es fühlte sich an, als würde jemand keuchend hinter mir stehen und nur darauf warten, endlich seine Finger nach mir ausstrecken zu dürfen. Zitternd wirbelte ich herum, doch niemand war anwesend. Erneut spürte ich den warmen Atem einer Person in meinem Nacken. Meine kleinen Härchen stellten sich auf und ich begann mit schlottern. Die nackte Angst erfasste mich und ich wurde nervös. Was war hier in diesem Haus? Bildete ich mir diese Dinge etwa nur ein? Wieder vernahm ich ein Stöhnen, dass durch die Wände drang, ich hechtete herum und auf einmal wurde alles schwarz vor meinen Augen. Meine Beine trugen mich nicht länger und ich sank zu Boden. Ich konnte gerade noch einen Schatten erkennen der sich über mich beugte und meinen zierlichen Körper an sich riss. Dann verschwamm meine Sicht und ich blieb bewusstlos und hilflos liegen...
Noch immer müde, erwachte ich aus einem langen Schlaf. Irgendjemand klopfte aufgebracht an meine Tür und ich wollte eigentlich gar nicht herausfinden um wen es sich da handelte. Dennoch erhob ich mich, wischte mir den Sand aus den Augenwinkeln und öffnete.
„Morgen, das Frühstück ist fertig!“, brummte Max, dem ebenfalls die Nacht nicht gut bekommen war.
„Danke für den Hinweis!“, entgegnete ich und eilte zu meinem Schrank. Es dauerte gar nicht lange und auch Sören schaute um die Ecke.
„Bist du etwa immer noch nicht angezogen? Ich dachte Max hätte dir schon vor einer halben Stunde Bescheid gegeben?“ Ich lächelte als ich meine Sachen durchwühlte.
„Ist es heute warm oder kalt draußen?“, fragte ich heißer.
„Mh schon recht warm.“, antwortete Sören und gesellte sich zu mir.
„Kannst ja ein Kleid anziehen oder ein paar kurze Hosen!“, sagte er und zog ein süßes Top mit der passenden Kette unter einigen anderen Dingern hervor.
„Hier probiere mal das!“ Ich nickte und bedankte mich für den guten Tipp. Als ich mich gerade einschließen wollte und dabei war Sören aus meinem Raum zu vertreiben, umfasste er plötzlich meine Hand und blieb starr vor mir stehen.
„Was ist das denn?“, fragte er verwundert und ein wenig besorgt. Dann deutete er auf mein Nachthemd.
„Ist das etwa?“, keuchte ich erschrocken.
„Blut!“, rief Max gleichgültig.
„Ja das ist mir auch schon aufgefallen, aber ich war mir nicht sicher!“ Ich stockte den Atem. Auf einmal konnte ich mich wieder an den Abend erinnern. Ich war zeitig eingeschlafen und hatte mir weder dieses Nachthemd selbst angezogen, noch konnte ich mit Gewissheit sagen woher und von wem das Blut stammte!
„Alles in Ordnung? Schau mal lieber nach, nicht dass du irgendwo verletzt bist! Ich gehe derweil schon nach unten und warte dort auf dich!“ Sören machte kehrt und lief mit Max nach draußen. Beide schauten noch einmal zurück und wirkten recht erstaunt und ernst. Ich hingegen, schloss die Tür und zog meine Kleidung aus. Das Nachthemd aus weißer Seide sank auf den kalten Boden. Dann trat ich vor den Spiegel, welcher sich im Schrank befand und betrachtete meinen Körper. Glücklicherweise konnte ich keine Wunden entdecken und atmete zufrieden und beruhigt auf. Dennoch machte ich mir Sorgen. Anfangs konnte ich mich an nichts dergleichen erinnern und nun wurde mir wieder bewusst, dass ich nicht einmal selbst zurück zu meinem Bett gegangen war. Oder? Konnte es sein, dass ich eine Schlafwandlerin war? Nein, irgendetwas stimmte hier nicht und mit normalen Begebenheiten war es auch nicht zu erklären!
Als ich fertig angezogen nach unten kam , saßen schon alle in dem großen Speisesaal bereit. Shannon und Eloise stritten um die letzte Schokomilch und die anderen Kinder aßen genüsslich ihre Brötchen, Schnitten oder Kuchenstücke. Zielstrebig setzte ich mich zwischen die beiden Jungen und griff dann nach einem dunklen Brötchen.
„Warte ich gebe es dir!“, sagte Sören und legte es auf meinen Teller.
„Ist alles in Ordnung bei dir? Bist du irgendwo verletzt?“ Ich schüttelte mit dem Kopf und bedankte mich für seine Hilfe. Dann entspannte ich mich für einen Moment und würgte etwas Essen hinunter. Mein Magen rumorte, da ich am letzten Abend die Speisen hatte ausfallen lassen. Doch ich ignorierte die merkwürdigen Geräusche die nach außen drangen und hoffte meine beiden Freunde würden es mir gleich tun.
Der Tag war bereits durchgeplant worden von der Leiterin dieses Schutzprogrammes. Die Kinder durften das Gelände und vor allem den Stall mit all den Tieren erkunden und wir anderen sollten schon erste Vorbereitungen für das Eröffnungsfest treffen. In drei Tagen würde es stattfinden und es musste noch alles geschmückt werden. Ich wurde für die Dekoration verantwortlich gemacht. Sören und Max mussten sich um ein paar Buden aus Holz, einer kleinen Tribüne und zusammen mit Shannon und Eloise um das Essen kümmern. Als wir gerade den Tisch verlassen hatten und an die Arbeit gehen wollten, zog mich Frau Mager noch einmal aus dem Getümmel heraus.
„Alanya ich wäre dir wirklich sehr verbunden, wenn du jeden Abend noch mal die Tiere füttern könntest. Bis die zusätzlichen Angestellten hier sind, dauert es noch einige Tage und alleine kann ich dass alles einfach nicht bewältigen!“ Ich lächelte und sagte: „Klar, mache ich doch gerne!“ Dann eilte ich ebenfalls nach draußen und machte mir Zeichnungen und genaue Vorstellungen für die Beleuchtung und den ganzen Rest.
Der Abend kam schneller als vermutet und die anderen waren schon erschöpft zu Bett gegangen. Ich hatte Sören und Max den ganzen Tag nicht gesehen, dafür leistete mir nun Shannon Gesellschaft. „Und kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte sie freundlich. Für ihre 16 Jahre war sie wirklich sehr tapfer gewesen. Denn, ich hatte von Eloise ihre Geschichte erfahren und mit Entsetzen zugehört. Ihre eigene Mutter schaute bei jeder Gelegenheit weg, wenn ihr Stiefvater sie misshandelte oder vergewaltigte und als sie es nach so langer Zeit nicht mehr aushielt und fliehen wollte, versuchten die eigenen Eltern ihr Kind zu töten und somit auf ewig zum Schweigen zu bringen. Als sie mich anstarrte, weil ich ihr keine Antwort gab, zwängte sich eine Träne nach außen und rutschte an meiner Haut hinab.
„Warum bist du denn so traurig?“ Ihre Stimme bebte und so versuchte ich mich wieder ein wenig zu beruhigen und sie freundlich anzusehen.
„Ach, ich habe eben nur an etwas gedacht, nicht weiter wichtig. Klar kannst du mir helfen, dann geht es schneller. Du fütterst die Pferde und ich kümmere mich um die Katzen, Kaninchen und Hunde!“ Sie nickte und griff sich Stroh und einige andere Sachen. Als endlich alle versorgt waren und einige Tiere noch zusätzliche Streicheleinheiten bekommen hatten, suchte ich nach Shannon, um endlich zurück zum Haus zu gehen.
„Shannon?“, rief ich laut und wartete auf eine Antwort.
„Ja hier!“, sagte sie und winkte mich zu sich.
„Kannst du eventuell diesen einen Hengst noch von der Koppel holen? Ich habe ihn heute vergessen rein zu schaffen. Ich bereite auch seinen Stall vor!“ Ich verleierte die Augen.
„Meinet wegen!“, zischte ich und trat hinaus in die Dunkelheit. Mein Blick schweifte oft ab und ich betrachtete die wundervollen Sterne über mir. Die Koppel war recht groß und so auf die Schnelle konnte ich das fehlende Pferd nicht finden.
„Pferdilein, hier her!“, rief ich aus Spaß. Vorsichtig löste ich den Holzbalken und öffnete das Gatter. Als ich mich umschaute, huschte auf einmal ein merkwürdiger Schatten an mir vorbei. Augenblicklich wurde mir kalt und ich begann mit zittern. Ich wagte mich ein paar Schritte vor und stoppte als ich das Traben eines Tieres vernahm.
„Da bist du ja!“, flüsterte ich zufrieden und streckte noch im selben Moment meine Hand aus. Wieder konnte ich aus dem Augenwinkel etwas erkennen und dieses Mal kam es bedrohlich auf mich zu. Erschrocken wirbelte ich herum. Was war hier nur los? Ein heißer Atem durchbohrte meine Haut. Als ich von der Angst gepackt, mich schließlich umdrehte, starrte ich direkt in das Gesicht des Pferdes.
„Ach du bist der Geist der mich so verunsichert!“, scherzte ich und nahm seine Zügel. Dann brachte ich ihn zum Stall. Ein merkwürdiges Licht kam jedoch schon auf mich zu. Es war Shannon, die mir das zurückgelassene Tier abnehmen wollte. Zielstrebig griff sie nach den Zügeln und brachte ihn hinein. Ich wartete derweil draußen, jedoch nah genug an der Scheune um das Licht zu empfangen und nicht der Dunkelheit ausgeliefert zu sein. Dösend, lehnte ich mich gegen die Wand. Dann ertönte ein lauter Schrei und ich zuckte unweigerlich zusammen.
„Shannon?“, kreischte ich und rannte nach drinnen. Doch an der Tür wurde ich bereits erwartet und etwas streckte seine Finger nach mir aus. Eine merkwürdige Gestalt hielt mich fest und drückte mich gegen die Tür. Die Lampe an der Decke wackelte so stark hin und her, dass dessen Gesicht immer im mysteriösen Schatten lag.
„Lass mich los!“, schrie ich und versuchte mich zu wehren, doch das Wesen oder die Person, was immer es auch war, es hatte mehr Kraft als ich.
„Shannon! Shannon! Shannon!“, doch so sehr ich auch schrie, sie antwortete mir nicht. Als die Person den Mund öffnete, erkannte ich ein paar Tier artige Reißzähne und erschrak. Meine Hände stemmten sich gegen den Widerstand und ich versuchte das Wesen von mir zu drücken. Doch dann bohrten sich dessen Krallen in meinen Arm und ich schrie auf. Das Wesen legte seine Lippen an meine Haut und begann damit an der Wunde entlang zu lecken.
„Nein!“, keuchte ich und schlug auf dieses Etwas ein. Ein Seufzen durchzog die Luft und mein Gegner drückte mich noch fester gegen die Wand. Dann, leckte es erneut über meinen zerfetzten Arm und schleuderte mich in die nächste Ecke. Mein Kopf schmerzte, als ich versuchte mich aufzurichten. Verwirrt blickte ich neben mich und sah dort die bewusstlose Shannon liegen. Vorsichtig beugte sich das Wesen über sie und verharrte in der Stellung einige Minuten. Dann richtete es sich wieder mir zu. Im selben Moment erklangen Stimmen und ich atmete auf. Das Wesen verschwand durch eine geheime Luke die sich unter dem Stroh befand und ließ mich einsam zurück.
Keuchend lag ich am Boden und hielt meinen Kopf. Aus einer kleinen Wunde floss Blut daran herab und tropfte auf mein Top. Was war hier nur los? Der zweite Angriff am ersten richtigen Tag! „Shannon? Alanya? Seid ihr hier?“, schrien Sören und Max. Als sie die Scheune betraten, trauten sie ihren Augen nicht. Erschrocken stürzten sie zu Boden und kümmerten sich um mich.
„Was ist denn passiert?“, fragte Sören verwundert und zerriss sein Shirt, um mit dem Stofffetzen auf meine Kopfwunde drücken zu können.
„Shannon! Wach auf!“, rief Max und rüttelte an ihr. Langsam kam sie wieder zu sich und öffnete ihre grünen Augen.
„Wo bin ich?“, hauchte sie schwach und richtete sich abrupt auf.
„Was zum Teufel war hier los?“, zischte Max und starrte mich an.
„Ich habe keine Ahnung, da war irgend ein Wesen und es hat uns angegriffen!“ Shannon musterte mich misstrauisch und begann mit lachen.
„Ein Wesen? Quatsch, das Pferd hat ausgeschlagen und da bin ich rückwärts gestolpert, als ich ausweichen wollte!“ Meine Augen weiteten sich.
„Aber der Gaul ist vollkommen ruhig und du hast geschrien, als würde jemand versuchen dich zu töten!“ Meine Verzweiflung war deutlich zu hören und doch schien mir keiner zu glauben.
„Dieses Ding hat mich sogar gekratzt und dann mein Blut...!“ Ich stockte den Atem und begann mit zittern. Mein Blick war starr auf meinen Arm gerichtet, der zuvor noch vor Blut klaffte.
„Aber, aber das ist nicht möglich!“, flüsterte ich. Sowohl Max, als auch Sören schauten hinab zu mir und schüttelten dann traurig mit dem Kopf.
„Sören kümmere du dich um Shannon und bring sie ins Bett, ich werde Alanya zur Krankenschwester schaffen!“ Er nickte und half meiner Freundin auf. Max nahm mich in seine Arme, schaltete das Licht aus und verschwand mit mir in der Dunkelheit.
 
Im Haus angekommen, klammerte ich mich an seinem Oberkörper fest.
„Alles ok?“, fragte er sanft.
„Mein Kopf tut weh!“, brummte ich sauer.
„Ich habe mir das nicht ausgedacht. Hier stimmt irgendetwas nicht! Alles an diesem Ort ist verrückt!“ Vorsichtig setzte mich Max auf einer kleinen Bank im Flur ab und strich dann durch meine Haare.
„Das bildest du dir nur ein! Und jetzt versuch endlich zu schlafen, ich bringe dich auch so zur Krankenschwester. Beruhige dich und sinke einfach in meine Arme, ich werde dich schon beschützen!“ Machte er sich etwa lustig über mich oder meinte er es auf eine verkorkste Art und Weise ernst? Doch, das sollte ich nicht mehr herausfinden, denn tatsächlich überkam mich augenblicklich eine merkwürdige Müdigkeit und ich gab mich ihm hin. Liebevoll kuschelte ich mich an ihn und schloss meine Augen. Dann spürte ich noch wie er mich erneut in seine Arme hob und sein Herzschlag pulsierte als er meine Nähe genauso spüren konnte, wie ich die Seine. Kurz darauf, schlief ich ein, in dem Glauben in Sicherheit zu sein.
 
Ein neuer Morgen, ein neuer Tag. Vorsichtig blinzelte ich und versuchte etwas in meinem Zimmer zu erkennen. Mein Kopf schmerzte als ich mich erhob und die Bettdecke zu Boden warf. Ich konnte mich an nichts mehr erinnern und irrte eine Weile ziellos durch das Gebäude. Es war schon Mittag und die Sonne stand direkt über uns. Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren und ich war keine besonders große Hilfe. Doch das schreckte mich nicht ab und ich zog mir hastig ein paar Sachen an und eilte nach unten. Zusammen mit Eloise und ein paar anderen Kindern, hängte ich den Rest des Tages Girlanden und Lampions auf. Alles war friedlich und mein Kopf wirkte zumindest im Moment vollkommen frei. Bei einem Probedurchlauf, fiel für einen kurzen Moment jedoch der Strom aus und ich wollte die kaputte Lampe noch schnell auswechseln. Zielstrebig griff ich mir eine Leiter und lehnte diese an die Hauswand. Dann stieg ich die Sprossen nach oben und tauschte die Glühbirne aus. Als ich die Gegend in dem schwindenden Sonnenlicht betrachtete, kamen urplötzlich Erinnerungsfetzen zum Vorschein. Mein Kopf brummte und ich schaffte es nicht mehr das Gleichgewicht zu halten. Augenblicklicht kippte ich von der Leiter und fiel hinab. Ängstlich schloss ich meine Lider. Doch der harte Aufschlug blieb aus und so öffnete ich meine Augen wieder und erblickte meinen Retter für diese Stunde – Sören.
„Aber wie hast du...?“, hauchte ich und berührte ihn liebevoll.
„Also echt? Kannst du nicht einmal fünf Minuten auf dich aufpassen?“, zischte er erbost und drückte mich fester an sich.
„Das hätte wirklich übel ausgehen können!“, fügte er besorgt hinzu.
„Ja ok ich weiß, danke, lass mich runter und halte mir deswegen keine Standpauke!“, zischte ich zurück und begann mit Strampeln.
„Nein, vergiss es, ich bringe dich jetzt auf dein Zimmer!“ Ich wollte Einspruch erheben, doch auch Max gesellte sich zu uns und bestätigte, dass es eine gute Idee sei, wenn ich mich schon schlafen legen würde. Er überlies die Arbeit dieses Mal Sören.
„Bitte lass mich runter, ich kann selbst gehen!“, sagte ich ernst und schaute ihn mit meinen großen Augen an.
„Damit du dich vielleicht noch von der Treppe stürzen kannst? Nein!“ Ich konnte nicht verstehen, warum er so genervt und wütend war. Was ging hier nur vor sich? Meine Gedanken waren so verwirrend, dass ich einen Augenblick lang meine Augen schloss und tief durchatmete.
„Sören, kann ich dich etwas fragen?“ Er nickte und öffnete im selben Moment die Tür zu meinem Zimmer. Dann setzte er mich auf mein Bett und lies sich neben mir nieder.
„Was immer du willst!“, hauchte er und schaute starr zu Boden.
„Warum macht ihr Beiden euch denn so viele Sorgen um mich?“, fragte ich sanft und lehnte mich vorsichtig an seine Schulter.
„Du bist nun einmal ein Tollpatsch. Und außerdem hat uns Frau Mager eindringlich darum gebeten. Sie fürchtete, dass dir etwas zustoßen könnte!“ Ich schluckte und bemerkte erst jetzt den dicken Kloß in meinem Hals.
„Mal im Ernst! Dieses Haus, es ist merkwürdig und macht mir Angst. Jeden Morgen wache ich ohne Erinnerungen an den Tag zuvor auf und wenn ich wieder ein paar Bilder sehe, wird mir schwindelig! Es ist so, als würde ständig jemand mein Gedächtnis löschen!“ Sören legte seinen Arm um mich und zog die Decke über meinen Rücken.
„Ja irgendetwas stimmt hier nicht, da gebe ich dir Recht. Aber kein Mensch kann dein Gedächtnis löschen! Das bildest du dir nur ein und jetzt leg dich hin und ruh dich aus. Ich werde dir später noch etwas zum Essen vorbeibringen!“ Dann stand er auf, deckte mich vollständig zu und küsste mich auf die Stirn. Es war, als würde er mein eigener Bruder sein und über mich wachen. Mit zusammengebissenen Zähnen tat ich so als würde ich seinem Befehl folgen, doch in Wahrheit quälten mich meine Erinnerungen viel zu sehr und ich würde es nicht einfach so schaffen und schlafen können.
 
Gegen sechs Uhr abends, aßen alle ihre Mahlzeiten und keiner beachtete mich. Also nutzte ich diese Gelegenheit und schlich mich aus meinem Zimmer in die große Bibliothek am anderen Ende der unteren Etage. Das war das erste Mal, dass ich diesen atemberaubenden Raum betrat. Frau Mager hatte das Haus mit der Bibliothek so übernommen und nichts daran verändert. Lediglich die Zimmer der Kinder in dem großen Nebengebäude, hatte sie renovieren lassen. Leise schaltete ich das Licht an und sah mich gespannt um. Ein Traum wurde in diesem Moment wahr, als ich die vielen Bücherregale erblickte. Vorsichtig näherte ich mich den gesammelten Werken und zog eines nach dem Anderen heraus, um darin wenigstens einen Augenblick lang zu lesen. Doch nichts war daran ungewöhnlich. Eigentlich hatte ich gehofft ein Buch über diese Gegend zu finden, doch anscheinend existierte so etwas gar nicht. Ich wagte mich dennoch weiter vor und entdeckte eine unscheinbare Treppe, die bis unter das Dach reichte. Mit gemischten Gefühlen stieg ich hinauf und gelangte so an ein großes Fenster aus buntem Glas, wie man es manchmal in einer Kirche sehen konnte. Aus irgendeinem Grund fand ich es anziehend und besonders. Warum sollte man solch ein Fenster in einem normalen Gebäude einbauen lassen? Behutsam strich ich daran entlang und betrachtete es neugierig. Als ich nach draußen auf die Klippen schauen wollte, konnte ich dennoch nichts erkennen. Eigentlich müsste das Glas trotz der Farben durchsichtig sein. Als ich mich zaghaft dagegen lehnte und mein Gesicht die Fensterscheibe berührte, löste sich eines der Mosaike und landete glücklicherweise in meiner Hand. Verwirrt und gleichzeitig erstaunt, starrte ich auf ein merkwürdiges Stück Papier was direkt zwischen den Scheiben gefangen war. Ich streckte meine Hand aus und griff danach, doch herausziehen konnte ich es nicht, denn urplötzlich stand Doloris Mager hinter mir und zischte wütend: „Was hast du hier verloren? Die Bibliothek darf keiner von euch betreten!“ Erschrocken fuhr ich herum. Geschwind, versteckte ich die fehlende Scherbe hinter meinem Rücken und stellte mich ihr dann entgegen.
„Tut mir leid, ich dachte nur, ich hätte mich an etwas erinnert und dieses Fenster war der Auslöser dafür. Es wird nicht wieder vorkommen!“ Nun wurde ihr Gesicht wieder freundlicher und sie schob mich die Treppe hinunter und versuchte mir für diesen kleinen Ausrutscher zu verzeihen.
„Sagen Sie, warum darf ich mich nicht hier aufhalten? Ich lese doch so gerne und die vielen Bücher sind so wunderschön und alt und...!“ Doch noch ehe ich hätte meinen Satz beenden können, fiel sie mir ins Wort.
„Es ist nur so, ich habe noch nicht alle Werke notiert und zusammengefasst, was hier verborgen liegt. Ich möchte nicht, dass die alten und guten Stücke verloren gehen oder zu Schaden kommen, also bitte akzeptiere meine Entscheidung ohne weitere Fragen zu stellen!“ Sofort schloss sie die Tür hinter sich und ich stand wie ein Idiot davor. Niedergeschlagen begab ich mich auf mein Zimmer und spielte in meinem Bett noch einige Minuten mit der glänzenden Scherbe herum. Dann schlief ich ein und dachte schon an den kommenden Tag. Ich hasste Geheimnisse über alles und dieses Haus und die Leute die darin lebten, hatten eindeutig zu viele davon!
 
Der nächste Tag war mir viel zu hektisch. Schon sehr zeitig stand Sören in meinem Zimmer und weckte mich mit ein paar süßen Worten. Dann kümmerte er sich um die Wunde an meinem Kopf und löste den Verband. Nun schmückte nur noch ein Pflaster, was eigentlich verborgen bleiben sollte. Mir fiel genau in dem Moment auf, dass ich weder mit Sören, noch mit Max oder Shannon über all diese merkwürdigen Dinge gesprochen hatte.
„Wie konntest du so schnell bei mir sein und mich auffangen?“, fragte ich zaghaft.
„Das war Glück. All zu weit stand ich nicht entfernt und ich bin sportlich nicht gerade schlecht.“ Das waren doch nur Ausflüchte.
„Mal ehrlich...!“ Sören betrachtete mich im Licht der aufgehenden Sonne.
„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du extrem hartnäckig bist?“ Ich lächelte.
„Und selbst wenn, ich kann mich eh nicht mehr daran erinnern!“ Nun begann auch er mit grinsen und drückte mich liebevoll.
„Pass bitte einfach besser auf dich auf! Ich will mir nicht immer Sorgen machen müssen!“ Ich schwieg und musterte ihn mit zusammengebissenen Zähnen.
„Verstehe...!“, hauchte ich dann und drängte ihn aus meinem Raum, weil ich mich anziehen wollte.
Nach dem Frühstück, machte ich mich an die Arbeit und half den Anderen dabei Tische und Stühle im Hof aufzustellen. Alles sollte perfekt sein und dass, obwohl ich Feste eigentlich verabscheute! Ja, ich spielte in letzter Zeit sogar mit den düstersten Gedanken, die ich jemals in diesen drei Monaten hatte. Als wir endlich alles fertig hatten, kamen auch schon die ersten Gäste von außerhalb, die das neue Gebiet amüsiert erkundeten. Jeder fand Frau Mager´s Aufopferung Lobenswert, doch ich fragte mich mittlerweile, ob da nicht noch mehr dahinter steckte! Kurzzeitig wurde ich zur Kellnerin umfunktioniert und bediente mit einem falschen, aufgesetzten Lächeln die Leute. Keiner merkte mir die Lüge an und ich schaffte es durchzuhalten, bis meine Ablösung endlich kam. Eloise nahm die Gläser und transportierte sie wie ein kleiner Engel zu der Menge. Ihre roten Locken wehten anmutig im Wind und ließen sie auf mich wie eine kleine Göttin wirken. Irgendwann verlor ich die Lust an diesem Fest und zog mich leise zurück. Max und Sören sollten nicht merken, wie sehr ich solche Menschenansammlungen doch hasste. In letzter Sekunde hatte ich beschlossen mich in mein Zimmer zu begeben und über die letzten beiden Tage in diesem Irrenhaus nachzudenken. Ich wollte mir nur noch schnell meine Zähne putzen, um dann nicht durch die dunklen Flure irren zu müssen. Gelangweilt kramte ich in meiner Tasche und zog die Zahnbürste mit einem leisen Stöhnen hervor. Die Paste war schnell auf dem Bürstenkopf verteilt und meine Zähne bald darauf gesäubert. Ich spritzte mir noch etwas kaltes Wasser ins Gesicht und danach packte ich wieder alles zusammen. Als ich mich herumdrehte und gerade das Bad verlassen wollte, versperrte mir eine unbekannte Person den Weg. Ein mysteriöser Mann stand direkt vor mir. Er hatte blonde, kurze Haare, stahl blaue hervorstechende Augen und sah meines Erachtens einem Schauspieler aus der Serie ´True Blood´ recht ähnlich. Seine schwarze Lederjacke schimmerte leicht silbern und sein Gesicht wirkte übermäßig blass. Langsam wurde es unheimlich. Er schwieg noch immer und machte auch keine Anstalten den Raum endlich zu verlassen und mich frei zu geben. Sein Blick war starr auf mich gerichtet und sein Gesicht so ausdruckslos, wie ich noch nie zuvor eines gesehen hatte.
„Wer bist du?“, fragte ich leise und versuchte meine innere Angst zu unterdrücken. Nicht eine Miene verzog er, als er blitzschnell nach vorne schoss und mich gegen die nächste Wand drückte. „Lass mich los!“, kreischte ich und musste an jenen Abend in der Scheune denken. Augenblicklich verlor ich meine Sprache und wehrte mich nicht. Ich war gefangen in seinen Armen und meinen Gedanken. Grob, legte er meinen Kopf auf die Seite und strich meine Haare zurück. Dann öffnete er seinen Mund und zwei spitze Zähne kamen zum Vorschein. Sofort bohrten sich seine Fänge in mein Fleisch und ich begann mit Keuchen. Nicht ein Schrei kam mehr über meine Lippen. Ich war wohl das zahmste Opfer, das dieses Wesen jemals hatte. Er war ein...ein...ein Vampir! Ich konnte spüren wie mein Blut meinen Körper verließ und er mit mir spielte, als sei ich eine Puppe. Er bewegte mich so, wie er es haben wollte. Die Wunde an meinem Hals schmerzte, jedoch nicht so sehr wie mein Kopf. Was war hier nur los? Schweigsam brach ich zusammen und wurde in seinen Armen immer schwerer. Ich starb! Das wusste ich nun und keiner konnte dieses Wesen von seinem Vorhaben abbringen! Ich vergoss noch eine letzte Träne die all jenen gewidmet war, die in ihrem kurzen Leben genauso sehr leiden mussten wie ich. Dann gab ich meinem Schicksal nach und schloss meine Augen...vielleicht für immer!
 
Kapitel 2: Erinnerungsfetzen

(aus Sicht von Eric Reyes)


 
Schwach lag sie in meinen Armen und ich genoss den Geschmack ihres süßen Blutes. Schon so lange hatte ich mich danach gesehnt, endlich wieder meiner Natur nachzukommen und nun hatte ich diesen Schritt gewagt und sie war mein Opfer. Noch nie zuvor, hatte sich jemand so wenig gewehrt wie dieses Mädchen. Irgendwie schien sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden zu haben, als hätte sie eine Wahl gehabt.
Als ich genug getrunken und meine Kräfte wieder gestärkt hatte, legte ich sie vorsichtig zu Boden. Ich verweilte noch einige Minuten an Ort und Stelle und sah ihrem Ableben zu. Die Wunde an ihrem Hals würde ihren Tod bedeuten. Blut floss auf die weißen Fließen des Bades und tränkte sie mit meiner Lieblingsfarbe – Rot. Ihre dunklen Haare, verklebten in der Pfütze aus jener köstlichen Flüssigkeit. Ihre Augen waren fest geschlossen und ihr Gesicht das eines schlafenden Engels. Ich hatte die Menschen nie wirklich beachtet, sie waren nur mein Mittel zum Zweck, mein Essen und mein Schlüssel zur Macht. Jetzt gerade in diesem Augenblick, brauchte ich sie so sehr wie nie zuvor. Langsam drehte ich mich um und verließ jenen schweigsamen Ort. Auf halber Strecke setzte nun das ein, was ich bereits erwartet hatte. Durch ihr Blut trank ich auch einen Teil ihrer Seele und konnte nun ihre Ängste, Wünsche und Erinnerungen in meinem Kopf hören. Anfangs war es still und nur schwarze Bilder zeichneten sich ab, doch dann urplötzlich zeigten sich mir Fetzen aus vergangenen Zeiten die ich niemals erblicken wollte!
Ich sah genau diesen Ort, eine blutrünstige Meute die hinter ihr her war und ihr lebensmüder Sprung von den Klippen. Ihr jetziges Leben war auch nicht besser. Schon in den ersten beiden Tagen war sie von einer höheren Macht bezirzt wurden und man hatte jegliche Erinnerungen gelöscht. Ich konnte zwar jene Person, die ihr so viel Leid zugefügt hatte nicht erkennen, doch als ich die Reiszähne und die Klauen erblickte, wurde mir eines klar: Sie war der Schlüssel zu den Geheimnissen dieses Gebietes! Und nur mit ihrer Hilfe könnte ich meine Aufgabe erfüllen, denn sie hatte Kontakt zu den Bestien die hier lauerten und nur dieses zerbrechliche Menschlein könnte mich  erlösen! Was hatte ich nur getan? War ich wirklich so blind gewesen, dass ich den einzigen Menschen in meiner Umgebung, der im Stande war mir zu helfen, dem Tode überlassen hatte? Meine Augen weiteten sich. Ich musste sie retten und schleunigst von hier fort bringen, denn ich spürte, dass ich nicht der Einzige war der ihr nach dem Leben trachtete!  Eifrig rannte ich den Flur entlang und hetzt in das Bad zurück. Noch immer schmückte ihr Blut den weißen Boden. Ich musste nun schnell und ordentlich handeln. Vorsichtig hob ich ihren Kopf an und zog sie auf meinen Schoß. Dann biss ich mir in den Arm und verteilte mit Hilfe meines Zeigefingers ein wenig von meinem heilenden Vampirblut auf der Bisswunde an ihrem Hals. Sofort schloss sie sich und das Mädchen schwebte nun weniger in Gefahr als vorher. Dann führte ich meinen Arm an ihre Lippen heran und träufelte ihr etwas Lebenssaft ein. Nach einigen Minuten bäumte sich ihr Körper kurz auf und sie trank endlich was ich ihr gab. Ihre Haut nahm wieder die gewöhnliche Farbe an und ihre zarten und rissigen Lippen, wurden wieder voller und luden direkt ein, um sie sanft zu berühren. Irgendwann entriss ich ihr meine Hand und hob sie in meine Arme. Ich konnte sie auf keinen Fall hier in diesem Haus zurück lassen, dafür war sie mir zu wichtig und solch ein großes Risiko wollte ich nicht eingehen. Als ich sie so betrachtete, versuchte ich unter ihre zarte Haut zu blicken und jene Wunden zu finden und zu erkennen, die eigentlich verborgen bleiben sollten. Ich zuckte zusammen und konnte meinen eigenen Augen nicht mehr trauen. So viele Narben zeichneten ihren Körper, so viel Schmerz hatte sie schon erleiden müssen! Dann erblickte ich ihren Hals und fand recht frische Bissspuren, die nicht von mir stammten. Also doch! In diesen Mauern befand sich noch ein weiterer Vampir, der von ihr getrunken und sie dann manipuliert hatte! Schlauer Mistkerl! Und doch war sie nun in diesem Augenblick mein und ich würde auch dafür kämpfen, dass es so blieb! Als ich Schritte im Treppenhaus vernahm, verschwand ich mit ihr an einen sicheren Ort, wo wir uns Beide erholen konnten ohne dass sie nach uns suchten!
 
Die Höhle war nicht gerade groß oder von toller Einrichtung, doch das warme Feuer würde ihrem geschwächten Körper gut tun. Nach wie vor lag sie schlafend vor mir und ihr unberührtes Wesen lockte den blutrünstigen Vampir in mir gerade zu heraus. Langsam beugte ich mich über sie. Als ich ihren köstlichen Geruch in mir aufzog, schossen meine Zähne aus meinem Kiefer heraus. Nur mit Mühe schaffte ich es sie wieder einzuziehen. Denn ich war nach wie vor noch zu geschwächt um mich wirklich perfekt kontrollieren zu können. Dann setzte ich mich neben sie und deckte das Mädchen mit meiner Jacke zu. Was hatte sie nur an sich, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben als Vampir für ein Geschöpf ihrer Art Mitleid empfand?
Mehrere Stunden vergingen und sie gab kein Zeichen von sich. Ich schaute oft genug nach ihr, um mir auch wirklich sicher sein zu können, dass sie noch lebte und ich sie nicht doch irgendwie getötet hatte. Schließlich öffneten sich ihre leeren und traurigen, blauen Augen und sie schaute mich verwirrt an. Dann kam plötzlich alles wieder hoch und sie wich vor mir zurück. Zitternd rutschte sie bis an die Wand heran und hielt schützend ihre Hände vor ihr Gesicht.
„Keine Sorge, ich habe schon getrunken!“, rief ich frech und musterte sie lächelnd.
„Ja, von mir, du elender Mistkerl!“, brummte sie und verschränkte wütend ihre Hände vor der Brust. „Na, na Kleines, solche bösen Worte höre ich gar nicht gern, pass lieber auf das dir nichts Falsches raus rutscht!“ Aus ihrer Angst wurde nun Mut, was ich absolut nicht nachempfinden konnte. Sie befand sich mit einem Vampir, der sie eben noch töten wollte in einer abgelegen Höhle, wieso glaubte sie nun ihre Zweifel vergessen zu können?
„Wo bin ich?“, zischte sie und richtete sich auf. Viel zu hastig für meinen Geschmack und das Resultat war vorauszusehen. Sie kippte einfach um. So schnell ich konnte rannte ich hinüber zu ihr und fing sie auf. Und schon wieder hielt ich dieses zerbrechliche Menschlein in meinen Armen und konnte kaum noch widerstehen. Ihr Herz raste, als sie mir in die Augen schaute und meine Fänge betrachtete, die wegen ihres  Blutes hervorgeschossen waren.
„Ich dachte du hast schon getrunken!“, flüsterte sie und verstummte. Ich nickte und setzte sie vorsichtig auf den Boden.
„Das bedeutet jedoch nicht, dass ich keinen Hunger mehr habe und gegen so einen kleinen Happen hätte ich nichts einzuwenden!“ Sie schluckte und versuchte ihre Nervosität zu unterdrücken.
„Was ist passiert? Was willst du von mir?“, rief sie heißer und langte sich an ihre Kehle, um nach der Wunde zu suchen.
„Bevor du mir noch mehr dumme Fragen stellst, versuche ich es dir zu erklären. Sprich ja nicht dazwischen!“ Ich holte tief Luft und begann.
„Mein Name ist Eric Reyes und ich bin ein Vampir seit dem Hundertjährigen Krieg 1339.“ Ihre Augen weiteten sich und ihr kleines Mundwerk formte schon einzelne Worte. Doch ich streckte meinen Zeigefinger aus und bewegte ihn hin und her. „Tzzz, versuch es gar nicht erst. Wo waren wir? Genau. Vor 672 Jahren, kämpfte ich in diesem Krieg auf Seiten der Engländer und versuchte alles um meine Familie und jene Menschen, die ich liebte zu schützen. Eines Nachts kamen wir an einem Hof vorbei und baten um Nahrung. Einige nahmen sich diese mit Gewalt, doch ich war noch jung und wollte keines Wegs so handeln. Wie sich herausstellte, war ich blind für meine Umwelt, denn in diesem Haus lebten Vampire, die uns die gesamte Zeit über beobachteten. Als uns die französischen Soldaten an diesem Treffpunkt überraschten, begann ein schreckliches Blutbad, was in den Geschichtsbüchern nie mit solch einer Grausamkeit erwähnt wurde. Verwundet, blieb ich zurück und kämpfte für die Familie die mit ihren Kindern in dem Haus gefangen war. Doch als meine Leute flüchteten, ließ man mich außer Acht, weil viele schon glaubten ich hätte meinen Pakt mit dem Teufel bereits geschlossen.
Als ich wieder zu mir kam, lehnte sich eine Frau, die so wunderschön war wie die aufgehende Sonne, über mich. Ihr langes blondes Haar, wehte anmutig im Wind und kitzelte mich in meinem Gesicht. Doch der Schein trügte, denn urplötzlich schossen Fangzähne aus ihrem Oberkiefer heraus und sie fiel über mich her. Schreiend und kämpfend mit meiner letzten Kraft, versuchte ich mich zu wehren, doch ich war natürlich zu schwach. Ab da begann mein Tod und das Ende meines ersten Lebens. Wie sich herausstellte fand ihr Mann Kieth Goodwin meine Kampftechniken interessant. Er liebte meine Kaltblütigkeit während der Schlacht und meine fühlende Seite, wenn es um Unschuldige ging. Er verwandelte mich und wurde zu meinem Macher, dem ich seit dem unterworfen war. Ich diene ihm mit solch einer Leidenschaft, dass man schon fast denken könnte ich wäre schwul, doch das ist bei uns Vampiren so. Wir empfinden eine gewisse Zuneigung zu jenen, die uns gemacht haben und denen wir unser 2. und unendliches Leben verdanken! Nun fragst du dich sicher, was mich hier her verschlagen hat. Nun, das ist ganz einfach. Kieth´s Frau Beth, die mir den Tod brachte, wurde entführt und verschwand auf diesem Grundstück. Sie ist ein mächtiger Vampir und doch konnte sie jemand bezwingen. Er beauftragte mich nach ihr zu suchen und sie ihm zurück zu bringen. Doch als ich schließlich auf dieser miesen Drecksinsel ankam, wurde ich von merkwürdigen Geschöpfen attackiert. Ihre Waffen raubten mir meine Kräfte und deshalb brauchte ich Blut, nachdem ich es geschafft hatte aus ihrem Versteck zu fliehen. Du kamst mir da gelegen, denn deine anziehende Wirkung und dein sagenhafter Geruch verführten mich zu dieser Tat!“ Nun wurde sie wütend und packte mich an meinem Arm.
„So, also ist es meine Schuld, dass du mich fast getötet hast? Willst du mir damit sagen, dass ich es so wollte?“ Ich befreite meine Hand aus ihrem Griff und starrte sie lächelnd an.
„Ja süße, im Grunde schon und mal so nebenbei, eigentlich hatte ich vor dich dem Schöpfer zu übergeben, doch dann sah ich deine Erinnerungen...!“ Ich stockte den Atem und konnte auf einmal die Angst in ihren Augen sehen. Sie fürchtete sich davor etwas über ihre Vergangenheit zu erfahren und dennoch sollte sie es wissen.
„Du...!“ Urplötzlich stürzte sie sich auf mich und legte ihre zarten Finger auf meine Lippen.
„Nicht! Bitte sag nichts mehr!“, flehte sie. Genervt schob ich sie von mir herunter und musterte sie besorgt.
„Willst du es denn gar nicht wissen?“ Das Mädchen schüttelte mit dem Kopf und schloss traurig ihre Lider.
„Wenn du weiter leben möchtest, solltest du mir aber zuhören!“ Ich rümpfte die Nase und versuchte mich ein wenig von ihrem pulsierenden Blut abzulenken.
„Du hast jene Wesen gesehen und bist ihnen begegnet. Mit deiner Hilfe kann ich Beth vielleicht finden und nur deshalb gab ich dir mein Blut damit du überlebst! Aber ich sah noch mehr, viele beunruhigende Dinge. Ich verstehe, dass du nichts davon wissen möchtest und respektiere diesen Wunsch. Solltest du dich jedoch jemals fragen, wie du so schwer verwundet in den kalten Fluten gelandet bist, ich könnte dir einige Antworten liefern!“ Langsam entspannte sich die Kleine wieder und schaute mich verwundert an.
„Und noch etwas, ich bin nicht der einzige Vampir zwischen diesen Mauern. Als ich dich betrachtet habe, fand ich Bissspuren die keines Wegs von mir stammen! Jemand hat jeden Tag seit dem du hier bist von dir getrunken und dich danach bezirzt und wieder alles vergessen lassen!“ Wehmütig schaute sie hinauf zu mir und ich konnte spüren, wie sie ihr kleines Gehirn zum Laufen brachte. „Dann habe ich mir diese Dinge gar nicht eingebildet? Jemand verfolgt mich tatsächlich seid meiner Ankunft in diesem merkwürdigen Haus?“ Ich nickte und rutschte etwas näher heran. Doch sie fürchtete sich nun anscheinend nur noch mehr vor mir und meines Gleichen.
„Du liegst mir nicht am Herzen, denn Menschen bedeuten mir schon seit langem nichts mehr, jedoch verspreche ich dir, ich werde dich schützen, wenn du mir hilfst meine Freundin zu finden!“ Zaghaft schüttelte sie den Kopf und willigte ein.
„Wir müssen ja keine Freunde sein!“, zischte sie dann und hielt sich den Bauch.
„Hast du Hunger?“, fragte ich grober als erwartet.
„Ja, schon!“, hauchte sie und blinzelte verlegen.
„Gut, bleib du hier, ich werde dir ein paar Klamotten und etwas Nahrung holen!“ Sie schwieg, doch ich wusste, sie würde nicht vor mir versuchen zu fliehen. Und auch hatte sie meine Existenz nicht einmal hinterfragt. Ich war mir nun ganz sicher, dass sie sich schon selbst an etwas erinnert hatte und deshalb wusste, dass es Vampire in ihrer Umgebung gab!
 
Keuchend eilte ich durch die Gegend. Ihr Blut befand sich in meinem Kreislauf und ich konnte jede Regung und jedes Gefühl der Angst spüren. Ich hatte ihr einige Details verschwiegen, denn als sie von meinem Blut kostete um zu überleben, erschuf ich ein untrennbares Band zwischen uns. Ich würde für immer wissen, wo sie sich gerade aufhält, was sie denkt, fühlt und macht. Sie war meine persönliche Marionette und hatte keine Ahnung davon. Ich konnte sie nun genauso manipulieren, wie mein geheimnisvoller Gegner zuvor. Zusätzlich würde sie eine gewisse Anziehung verspüren, ich würde immer mehr und mehr interessanter auf sie wirken, bis sie mir nicht mehr widerstehen kann und sich mir endgültig hingibt. Doch das sollte mir nicht Kopfschmerzen bereiten, denn sie war hübsch. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich sie nicht einmal nach ihrem Namen gefragt hatte. Sie kannte meinen, doch ich hatte keine genauen Vorstellungen, wie ihrer lauten könnte, wo sie einem Engel doch so ähnlich war!
Ich war gerade dabei ein paar Sachen und andere Dinge zusammenzupacken, als ich ein merkwürdiges Gefühl verspürte, was einfach nicht verfliegen wollte. Ihr Schrei durchzog meine Glieder und ich vernahm ihn als wäre ich jetzt bei ihr. Sie war in Gefahr! Irgendetwas stimmte nicht! Doch wie konnte er sie überhaupt so schnell finden? Das war doch eigentlich gar nicht möglich! Zielstrebig eilte ich zurück zu der Höhle und versuchte alles Vampir mögliche um sie zu beschützen.
Keuchend stürzte ich hinein und wollte meinen Augen nicht trauen. Da war sie. Halb nackt kauerte sie vor einer dunklen Gestalt, die mir den Rücken zu gekehrt hatte. Er war anscheinend gerade dabei sie zu bezirzen und streckte seine Hand nach ihr aus. Ihr Hals wies Bissspuren auf und ihr Gesicht war Schmerz verzehrt. Was hatte er ihr nur angetan?
„Wer zum Teufel bist du?“, schrie ich und wagte mich in schnellen Schritten vor.
„Das brauch dich nicht weiter zu interessieren!!“, bekam ich als Antwort.
„Was machst du mit ihr?“, hauchte ich benommen, von dem grauenvollen Anblick.
„Das gleiche wie du letzte Nacht! Ich habe mir auch heute mein Blut geholt, denn es steht mir genauso zu wie dir, mein Freund!“ Nun begann mein Blut mit kochen.
„Nenne mich nicht so! Lass sie auf der Stelle gehen!“ Erbost drehte er sich zu mir um, doch merkwürdiger Weiße, konnte ich sein Gesicht nicht erkennen. Als würde ihn ein falscher Zauber schützen und so seine wahre Identität verschlingen. Mit Hass verbunden, näherte ich mich ihm und wartete auf seinen Angriff.
„Was soll das den werden? Willst du wirklich versuchen gegen mich zu kämpfen? Wegen einem Menschen? Hat dir dein Schöpfer denn gar nichts beigebracht. Vergiss sie, denn sie ist mein!“ Ich zuckte zusammen als meine Fänge vor Wut aus meinem Kiefer schossen.
„Sie hat nicht von deinem Blut gekostet, also verbindet euch auch nichts!“ , sagte ich lächelnd und entspannte mich wieder ein wenig.
„Kannst du es wissen? Ich habe sie so oft bezirzt, dass sie sich an nichts mehr erinnern kann und demzufolge würdest du es auch nicht sehen!“ Ich stockte den Atem.
„Was meinst du mit oft? Sie ist doch erst seit zwei Tagen hier?!“ Verwundert kratzte ich mir an meinem Kopf, bis mir endlich alles klar wurde.
„Du gehörst zu ihrer verdrängten Vergangenheit!“, entfuhr es mir und ich blieb starr stehen. „Schlaues Bürschlein, doch kannst du auch mit Gewissheit sagen, dass du jenen Kampf den du anstrebst nach diesem Wissen auch gewinnen würdest?“ Hastig biss ich mir auf meine Unterlippe, bis ich Blut schmeckte.
„Du elender...!“, begann ich, doch als ich sah wie er die Kleine zu sich heran zog, als wäre sie nur eine Puppe, stoppte ich meine Worte.
 „Solch ein kostbares Geschöpf. Und sie weiß noch nicht einmal, wer sie wirklich erwählt hat. Denn sonst würde sie mich sicher anflehen ihr Blut zu trinken!“ Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Noch war ich schwach und hatte zu wenig von dem Elixier meiner Macht bekommen, doch sollte ich sie ihm tatsächlich kampflos überlassen?
Mit Tränen in den Augen zuckte sie zusammen, als er erneut seine Zähne in ihren Hals grub. Sie blieb tapfer und gab nicht einmal ein Stöhnen von sich. Dann schubste er sie grob zu Boden. Warf meine Jacke unachtsam zur Seite und fiel über sie her. Diese Szene erinnerte mich an damals und es schauderte mich. Kalter Schweiß lief an meinem Rücken hinunter. Er war so grausam, noch schlimmer, als ich es jemals sein konnte. Seine Finger wurden zu Waffen und mit ihnen schlitzte er ihre Hose auf. Dann ihr Oberteil, was sowieso schon zu viel entblößt hatte. Glücklich kauerte er neben ihr und berührte ihren Körper.
„Was wird das nun wieder?“, zischte ich und funkelte ihn wütend an.
„Es ist ein Ritual, ich schlafe jede Nacht mit meiner Frau, oder jener die dafür erwählt wurde!“ Jetzt reichte es mir endgültig! So ein kranker Scheißkerl war mir noch nie zuvor unter die Augen gekommen!
„Du hast sie wirklich die letzten beiden Nächte ohne ihr Wissen vergewaltigt?“ Er nickte und stieß ein zufriedenes Lachen aus.
„In ihrem Inneren begehrt sie mich, wie sie dich bald begehren wird und doch kann sie es nicht sehen, denn die Blockade in ihrem Kopf ist viel zu stark, als dass ich sie jetzt schon lösen könnte!“ Meine Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen.
„Das ist abscheulich!“, schrie ich und sprintete los. Meine Fänge schossen heraus und ich bohrte sie ihm in den Nacken. Für einen kurzen Moment freute ich mich und glaubte tatsächlich daran ihn eventuell doch besiegen zu können. Doch dann machte er eine so schnelle Handbewegung, dass ich sie nicht einmal bemerkte und schleuderte mich gegen die nächste Höhlenwand. Zischend richtete ich mich auf und schaute an meinem Körper hinab. Mein Bein war gebrochen und ich musste es sofort wieder richten, sonst würde es schief anwachsen. Mit einem lauten ´Knacks` war alles wieder an die richtige Stelle gelegt wurden und der Kampf konnte fortfahren. Als ich ihn dabei beobachtete wie er sie in seine Arme legte, an sich drückte und dann sein falsches Lächeln, dass durchzogen von schwarzen Schatten war, aufsetzte, wurde mir schlecht und mein Hass wuchs. Als ich gerade einen ernsten Angriff starten wollte, hob er seine Hand und richtete mir die Fläche entgegen.
„Stopp! Ich will dich doch nicht schon sofort in Stücke reißen. Wir haben noch Zeit und können uns erst einmal kennen lernen. Du musst wissen, ich liebe Spiele über alles und auch mit dir und der Kleinen werde ich eines treiben! Ich gebe mich erst zu erkennen, wenn ihr alle Rätsel gelöst habt!“ Mir blieb die Spucke weg, als ich antworten wollte. Einen Augenblick lang suchte ich nach den richtigen Worten.
„Lass sie da raus!“ Doch er schüttelte nur grinsend mit dem Kopf und deutete auf meine Wunden aus denen Blut quoll.
„Du suchst einen geliebten Freund und sie ihre Vergangenheit, ihr seid beide ein Teil von meinem Plan und genau deshalb, werde ich dich und Alanya am Leben halten, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist! Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich muss mich zurückziehen und versuchen einen Weg zu finden um ihre Blockade endlich zu lösen!“ Seine Augen funkelten, als er sie zu Boden sinken ließ und sich vor mir verneigte als wären wir alte Freunde. Mich widerte dieser Kerl an, doch ich war noch nicht in der Lage mein Leben aufs Spiel zu setzen, ohne eine gute Chance vorweisen zu können.
Dann verschwand er ohne ein Geräusch zu machen in der Finsternis, die draußen auf uns wartete. Bald würde die Sonne aufgehen und ich hatte einen verwundeten Menschen in meiner Gewalt, der nicht einmal mir allein gehörte. Langsam ging ich näher und betrachtete sie mit unterschiedlichen Gefühlen in der Magengegend. Als sie sich bewegte und kaum hörbar seufzte, kniete ich mich neben sie und biss mir in meinen Arm. Das war schon das zweite Mal, dass ich sie retten musste und wieder verlor ich etwas von meiner Kraft! Ich brauchte dringend frisches Blut, was ich mir allerdings nicht von ihr holen konnte. Zaghaft strich ich über ihre Lippen und versorgte dann ihre Wunden. Als sie von meinem Blut getrunken hatte und endlich die heilende Wirkung einsetzte, begann ich damit ihren nackten Körper zu verdecken. Sie war einfach nur perfekt und dass anscheinend nicht nur in meinen Augen. Ihre dunkles Haar, ihre weiche Haut, ihre Rundungen, alles ließ mein Herz beben. Dann öffnete sie ihre Lider und schaute mich aus dem Halbschlaf heraus an. „Was ist passiert?“, flüsterte sie und erhob sich vorsichtig. Sofort schloss ich sie in meine Arme und verhinderte so die Möglichkeit, dass sie wieder auf dem Boden aufschlagen konnte, sollte sie ihr Bewusstsein verlieren. Sanft strich ich ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht.
„Wie fühlst du dich?“, fragte ich viel zu freundlich, denn ich wollte nicht dass sie mich als ihren Freund betrachtete.
„Es geht schon, mein Kopf tut nur so schrecklich weh!“, hauchte sie und schaute mich glücklich an. „Was war nach unserem Gespräch? Ich kann mich kaum noch erinnern!“ Als sie an sich nach unten schaute und erkannte, dass sie halb nackt vor mir lag, wurde sie rot im Gesicht und stieß mich von sich.
„Was hat das zu bedeuten?“, fuhr sie mich an und zog meine dreckige Jacke über ihre Haut.
„Er war hier!“, entgegnete ich, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Ich konnte nicht riskieren, dass sie sich mit mir anfreundete, denn jene Person nach der ich suchte, würde diese Tatsache sicher nicht gut heißen und die Kleine töten.
„Wen meinst du?“, fluchte Alanya und stand langsam auf.
„Der mysteriöse Vampir der die letzten beiden Nächte bereits von dir getrunken hat!“ Sie erstarrte und senkte traurig ihren Kopf. Einige Minuten schwieg sie und fasste sich behutsam an die Stirn. „Was machst du da?“, fragte ich genervt.
„Ich versuche mich zu erinnern, auch wenn das nicht vollständig funktioniert, so müsste ich wenigstens ein paar Fetzen sehen!“ Sofort begann meine Seele zu schreien! Nein, sie durfte nicht wissen, was er ihr jedes Mal angetan hatte! Hastig eilte ich hinüber zu ihr und führte ihre Hände hinab zu dem Rest ihres Körpers.
„Was machst du da?“, rief sie verwundert.
„Glaub mir, es ist besser, wenn du dich an die letzten Stunden nicht erinnerst!“ Doch meine Worte weckten nur noch mehr ihre Neugierde.
„Du weißt es, habe ich Recht? Erzähl schon, hast du sein Gesicht gesehen? Was will er von mir?“ Wartend, berührte sie mich an meiner Brust und drückte ihren zarten Körper an den Meinen. „Nein, ich habe ihn nicht gesehen, es war, als würde eine Art Zauber sein Gesicht verdecken und auch seine Stimme klang viel zu merkwürdig! Er sagte, jemand hätte dich auserwählt und nun wärst du sein!“ Urplötzlich begann sie mit zittern.
„Das bedeutet also, wir wissen nicht das Geringste über diesen Vampir?! Und er ist auch noch hinter mir her!“ Als sie schon dabei war jegliche Hoffnung zu zerstreuen, stupste ich ihr Kinn nach oben und starrte ihr tief in die Augen.
„Eins wissen wir, der Vampir ist einer deiner Freunde und befindet sich unmittelbar in deiner Nähe!“ Sie nickte und zog sich dann meine Jacke über.
„Was hast du vor?“, fragte ich erstaunt über so viel Mut und Verdrängung in einem Stück nach so kurzer Zeit.
„Ich gehe zurück zu dem Grundstück. Er hat mich auch hier gefunden, also bin ich nirgendwo sicher, doch dort gibt es wenigstens ein Bett und eine warme Dusche!“ Ich verleierte die Augen. „Nur, weil ich dich einmal nicht schützen konnte? Ich bin einfach zu schwach, sag mir wen ich leer trinken darf und dein Bodyguard ist bereit für dich zu sorgen!“ Ich grinste und hoffte sie würde es mir gleich tun, doch stattdessen setzte sie sich in Bewegung und verließ die Höhle ohne ein weiteres Wort an mich zu richten.
„Was ist? Aber meine Jacke bekomme ich doch wieder, sobald du deine Sachen gewechselt hast?“ Ihre Mundwinkel zuckten kurz, doch es wurde kein Lächeln daraus.
„Du bist verdammt noch mal ein Vampir der mich töten wollte, also keinen Dreck besser als dieser mysteriöse Typ! Ihr Beide seht in mir nur eure Nahrung und deshalb kann ich auch für mich selbst sorgen, ohne dafür dir etwas schuldig zu bleiben!“ Wütend fuhr ich herum und drückte sie gegen einen dicken Baum in der Nähe.
„Du gabst mir dein Wort, mir bei der Suche zu helfen!“ Meine Augen musterten sie und meine Fänge schossen erneut unabsichtlich hervor.
„Du kannst nicht einmal dich selbst schützen! Wie sollt du dann also einen zerbrechlichen Menschen retten?“ Meine Hand knallte im selben Moment gegen die Rinde und hinterließ ein dickes Loch.
„Ich bin nicht so schwach wie du denkst! Ich habe einfach nur zu wenig getrunken, ich kann dich also sehr wohl beschützen! Und außerdem traust du dich ganz schön viel. Ich könnte jetzt dein Blut trinken und da gäbe es Nichts was mich stoppen würde. Du bist nur eine unscheinbare Puppe in meinen Augen, ein Auftrag der mich an mein Ziel führt und ich werde mein Wort halten und dich mit meinem Leben schützen, wenn du mir Beth zurück bringst! Wenn wir nicht zusammen arbeiten, sind wir beide schnell tot, also denk noch einmal in Ruhe darüber nach!“ Behutsam drückte sie mich von sich und strich dann an meinem Gesicht entlang.
„Warum kannst du es nicht sofort beenden? Töte mich, denn erst dann, werde ich wirklich frei sein!“ Ich zuckte zusammen, weil ich mit solchen gefühlsbetonten Worten nicht gerechnet hatte! „Denkst du jetzt auch schon an Selbstmord? Dummes Menschenmädchen!“ Als sie mir folgen wollte, stolperte sie über eine Wurzel und landete in meinen Armen.
„Warum sagst du das?“, flüsterte sie in mein Ohr.
„Was meinst du?“, rief ich und versuchte mein Interesse an ihr zu unterdrücken. Sie war mir so nah, dass ich beinahe den Verstand verlor.
„Warum nennst du mich nicht bei meinem Namen? Oder kennst du den deines Opfers nicht einmal?“ Ich stockte den Atem.
„Alanya.“, erwiderte ich und erkannte, wie sehr nun ihre Augen funkelten. Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen und sie brachte endlich wieder etwas Abstand zwischen uns.
„Ich werde es mir überlegen!“, brummte sie dann und verabschiedete sich von mir. Anschließend rannte sie zurück zu jenem Ort, wo das Böse auf uns lauerte. Im Hintergrund ging nun langsam die Sonne auf und die warmen und hellen Strahlen offenbarten die wahre Pracht der Klippen und des Meeres. Auch sie schaute einen Moment verträumt in diese Richtung, doch dann flossen kleine Tränen an ihrem Gesicht hinab und sie verschwand.
Kein Zweifel, sie hatte sich erinnert! An irgend ein schreckliches Ereignis und nun zerrte es an ihren Nerven! Ich musste mir nicht nur Sorgen um meinen Gegner machen, der stärker schien als je ein Vampir zuvor, sondern auch um sie selbst. Denn würde sie herausfinden, wer sie wirklich war, könnte dass ihr Leben ins Unglück stürzen. Ich brauchte sie, mehr als die Kleine mich und dennoch würde bald der Zauber meines Blutes wirken und ihre Gedanken wären gefangen. Ihr einziger Wunsch wird mein Körper sein, eine liebe Berührung und der innige und leidenschaftliche Sex, den ich ihr geben werde, sobald sie bereit dafür ist!
 
 Kapitel 3: Trügerische Sicherheit


 
Die Morgensonne erwärmte mein Gesicht, das mit Tränen übersät war. Ich konnte noch immer nicht fassen, was in den letzten Stunden alles geschehen war. Ich hatte einen Vampir namens Eric kennen gelernt und von ihm erfahren, dass mich jemand für sich haben wollte. Eine gefährliche Angelegenheit, die sicher gerade erst ihren Anfang gefunden hatte.
Zaghaft wischte ich mir eine Träne von der Haut und schaute noch einmal zu dem wundervollen Sonnenaufgang, bevor ich schließlich das Haus betrat, in dem ich die nächsten Jahre verbringen würde. Ein kalter Schauer jagte meinen Rücken hinab und ließ mich kurz erstarren. Doch spätestens die lauten Stimmen meiner Freunde rissen mich zurück in die Wirklichkeit.
„Hey Alanya, wo hast du denn gesteckt? Das Fest war echt klasse, nur du hast noch gefehlt!", hauchte Sören und drückte mich munter. Ich nickte nur verständnislos und versuchte mich an den vergangenen Abend zu erinnern. Das Einweihungsfest! Na klar, irgendwie hatte ich das völlig vergessen.
„Ich war müde und habe mich aufs Ohr gehauen!", entgegnete ich und lachte.
„Tatsächlich, dann ist es wohl überhaupt nicht komisch, wenn ich dich frage, warum du die Nacht nicht in deinem eigenen Bett verbracht hast!", stammelte Max und fügte noch hinzu: „Oder hast du Geheimnisse vor uns, Cherry?" Erbost schaute ich hinüber zu ihm und musterte seine elegant wirkende Gestalt.
„Ich habe den Mond beobachtet und bin dann irgendwann der Müdigkeit verfallen!" Max grinste und verschränkte die Arme vor der Brust. Er war kurz davor mir neue Fragen zu stellen und so zu versuchen, mich aus der Reserve zu locken. Doch Eloise kam ihm zuvor.
„Du hast die ganze Nacht allein in der Wildnis zugebracht. Oh man, bist du mutig!" Freundlich bestätigte ich ihre Worte und hoffte, dass es damit erledigt sei. Zielstrebig ging ich an meinen Freunden vorbei und hielt Max meine nackte Handfläche entgegen.
„Keine weiteren Spielchen, ich bin müde und brauche dringend eine heiße Dusche!" Sören verleierte seine Augen und machte sich dann ebenfalls auf und eilte zum Frühstücksbereich. Ich hingegen, rannte die letzten Meter und schloss ängstlich die Tür hinter mir. Erics Worte hallten in meinen Gedanken und ich zitterte beinahe am gesamten Körper. Einer von IHNEN! Einer von meinen Freunden war der gesuchte Vampir, der mich für sich beanspruchen wollte. Doch wer? Ich konnte es keinem so richtig zu trauen, sein Wesen perfekt vor mir verbergen zu können. War es vielleicht Sören? Oder Max? Vielleicht aber auch einer der Jungs, die einige Etagen weiter unter uns waren. Ich schnappte nach Luft. Es gab einfach zu viele Verdächtige. Als ich mich gerade auf mein Bett fallen lassen wollte, klopfte es an der Tür. Mürrisch drehte ich mich um die eigene Achse und öffnete sie.
„Ja?", brummte ich müde.
„Hey, ich wollte mich nur kurz vorstellen!", sagte ein fremder Junge und reichte mir seine Hand. „Mein Name ist Alejandro, ich bin der Neffe von Frau Doloris Mager!" Ich schluckte. Noch ein Fremder mehr. Seine Augen leuchteten, als er mir erneut seine Hand hinstreckte und hoffte ich würde sie bald schütteln. Also tat ich ihm den Gefallen und nickte freundlich.
„Ich bin Alanya!", wisperte ich und musterte ihn misstrauisch.
„Die Anderen habe ich alle gestern Abend schon kennen gelernt. Ich werde ab heute hier auf der selben Etage, nur zwei Zimmer neben dir wohnen." Ich räusperte mich.
„Freut mich sehr, sei mir bitte nicht böse aber ich habe letzte Nacht nicht viel geschlafen, also...!" Alejandro verstand meinen Link sofort und verabschiedete sich. Er hatte ja keine Ahnung wie sehr mich das alles beschäftigte. Einer von denen..., hallte es mir die gesamte Zeit in meinen Gedanken und es schien kein Ende zu nehmen.
Hastig sprang ich unter die Dusche und ließ das warme Wasser über meinen zitternden Körper rauschen. Ein wirklich tolles Gefühl. Immer wieder fuhr ich mit meinen kalten Fingerspitzen über die Bissstellen, die zuvor noch sichtbar gewesen waren. Ohne Eric wäre ich jetzt tot, schoss es mir durch den Kopf. Doch auch an meiner Seite, war er keine Bereicherung. Schließlich war ich sein Opfer, seine Beute, die er nur zu gerne in Stücke reisen wollte. Ein hilfloses Menschlein, das nicht allein für sich sorgen konnte. Traurig senkte ich meinen Kopf und strich meine nassen Haare zurück. Was hatte das nur alles zu bedeuten und in was für eine Scheiße war ich von Geburt an nur hineingeraten? Ich könnte Eric durchaus fragen, doch das wollte ich nicht. Ich brachte es einfach nicht übers Herz.
Als ich endlich fertig war, schlief ich ohne etwas zu Essen ein.
Meine Träume waren ein schreckliches Durcheinander, dass keiner ordnen konnte. Mein Herz raste jedes Mal, wenn ich mich bewegte. Ein Knacken ließ mich erwachen. Vorsichtig wischte ich mir den Sand aus den Augen und warf dann einen verstohlenen Blick auf die Uhr.
„Schon bald sechs...!", hauchte ich und fragte mich innerlich, ob ich denn gar keinen Hunger mehr verspürte. Meine Kraftlosigkeit war einfach stärker, also legte ich mich erneut hin.
Die nächsten Tage verliefen alle relativ normal und ich versuchte die geschehenen Dinge zu verdrängen. Zwar lauschte ich an etlichen Türen um Eric bei der Suche nach dieser Vampirfreundin zu helfen, anderer Seits hoffte inständig nichts finden zu können. Jeden Tag zog ich mich innerlich mehr zurück und bangte um mein Leben, das in diesen Mauern einfach nicht sicher schien. Nachts kämpfte ich mit meinen Ängsten, denn immer wieder wachte ich Schweiß gebadet auf und glaubte fest daran, etwas vernommen zu haben. Doch jedes Mal, war da nichts außer Stille, die mich umhüllte wie eine kalte Decke und mich schaudern ließ. Was ging hier nur vor? Und warum hatte das alles etwas mit mir zu tun?
Wieder eine Nacht voller Albträume. Zaghaft richtete ich mich auf und wischte mir über die Stirn. Ich hatte definitiv Fieber, doch krank schien ich nicht zu sein. Ein merkwürdiges Geräusch ließ mich erstarren. Etwas befand sich direkt hinter mir, ich konnte seine Anwesenheit genau spüren. Scharrend bewegte es sich und ich sprang vor Schreck aus meinem weichen Bett. Auf dem Boden rutschte ich halb nackt, hinüber zum Lichtschalter und betätigte ihn. Mein Atem ging schnell, ich hechelte schon fast. Nichts. Kein fremdes Wesen befand sich in meinem Zimmer. Hatte ich mich etwa wieder getäuscht? Traurig senkte ich meinen Kopf und verharrte einige Minuten auf der kühlen Ende. Doch wieder durchzog ein merkwürdiges Kratzen den Raum. Langsam richtete ich mich auf und hetzte näher an die Wand heran. Was verbarg sich nur dahinter? Die Wand war das einzige Hindernis was die Aufklärung der komischen Töne verhinderte. Mit einem mulmigen Gefühl presste ich mein rechtes Ohr an die Steine und lauschte. Das Kratzen wurde lauter und schließlich verstummte es und wurde durch ein Keuchen ersetzt. Aus dem Atem eines Wesens wurden Wörter einer Person.
„Bald holen wir sie uns...", hauchte jemand direkt dahinter. Das reichte, das war nun wirklich zu viel für mich. Ängstlich stürmte ich aus meinem Zimmer heraus und eilte zu Eloise. Schniefend brach ich bei ihr zusammen und berichtete ihr von den nächtlichen Störungen.
„Schon ok, du kannst heute bei uns schlafen!", sagte sie und kuschelte sich zusammen mit mir in ein Bett. Doch so nahe wir uns auch waren und ich zumindest für den Moment sicher schien, meine Gedanken schafften es nicht sich zu beruhigen und so tat ich erneut kein Auge zu.
Am nächsten Morgen, weckte ich Eloise mit einer dicken Umarmung, die gleichzeitig als Dankeschön gelten sollte. Sie verstand den Link und strich mir wie, einem Kleinkind, über den Kopf. Ich war eingeschüchtert und innerlich zerrissen, doch das sollte sie nicht erfahren. Den ganzen Tag über, schloss ich ab und zu, mal meine Augen. Ich wagte es nur für Sekunden meiner Müdigkeit nachzugeben, weil ich fürchtete, dann wieder Stimmen zu hören, die es eigentlich in einer Wand gar nicht geben konnte. Langsam aber sicher schien ich verrückt zu werden.                                               
„Hey Alanya, kannst du uns beim Tischdecken und Aufräumen helfen?", fragte Sören und schenkte mir ein Lächeln. Ich zuckte mit den Schultern und machte mich an die Arbeit. Das Wohnzimmer und die Gänge mussten unbedingt geputzt werden, also schnappte ich mir Besen und Schaufel und legte los. Ich war allein auf dem Gang im Haupthaus, wo sich das riesige Fenster befand und ich die Klippen erblicken konnte. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Hinter einer der Sitzbänke befand sich Müll, hastig beugte ich mich vorn über und sammelte die Dosen ein. Erleichtert über die fertige Arbeit, ließ ich mich auf den harten Polstersitz sinken und schaute nach draußen. Ich war so erschöpft, dass ich gar nicht bemerkte, wie meine Augen einfach zu fielen und ich meiner Müdigkeit nachgab.
 
Sanft strich jemand über meine Haut. Vorsichtig öffnete ich meine Lider und blickte sofort in das bezaubernde Gesicht von Eric, dem Vampir. Sein Haar verdeckte teilweise seine Augen und schien so perfekt, dass ich den Atem stockte. Als ich an mir hinunter blickte, konnte ich nur ein dünnes Tuch auf meinem Körper sehen, dass sich vorsichtig an meine Rundungen anpasste.
„Wieso bin ich nackt?", fragte ich zitternd und verfiel kurzer Hand der Panik. Doch er beruhigte mich wieder und schob die Bettdecke beiseite.
„Wir stehen so voreinander, wie uns Gott geschaffen hat!", hauchte er und küsste mich. Hastig drehte ich meinen Kopf weg und entriss ihm so die Gewalt über mich selbst. Was ging hier nur vor? War das ein Traum oder die Realität?
„Hab keine Angst, es ist alles gut, denn jetzt bin ich ja bei dir." Doch seine Worte konnten mich nicht im Geringsten erleichtern. Hastig zog ich das Tuch näher an mich heran und verdeckte so meine Brust. Traurig schaute er hinab auf mich und wendete sich langsam ab.
„Warum willst du es nicht? Es ist schließlich dein Traum und ich bin nur hier, um dir zu geben, wonach du dich schon so lange sehnst!" Verwirrt schaute ich auf und betrachtete seinen muskulösen Körper, als er auch noch die letzten Hüllen fallen ließ. Ich schwieg und hielt eisern den Blickkontakt.
„Schau ruhig genauer hin. Siehst du denn nichts, was dir gefällt?" Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter und erstarrte. Hatte ich etwa gerade einen Sextraum von Eric? Aber wieso ging er mir nicht aus dem Kopf? Ich meine er war ein Vampir und wollte mich töten!
„Wehr dich nicht gegen dein Verlangen, früher oder später wirst du mich anflehen dich zu nehmen." Seine Stimme war tief und laut und reichte auch noch bis in den letzten Winkel meines Herzens. Wenn ich es recht bedachte, sagte er eigentlich die Wahrheit. Schon die ganze Zeit beschlichen mich Ängste, die nur verflogen, wenn ich an ihn dachte. Ich sehnte mich nach seiner Erscheinung, doch konnte man nach so kurzer Zeit und nur einem Treffen schon von Liebe sprechen? Nein, da steckte noch mehr dahinter, da war ich mir sicher! Zaghaft richtete ich mich auf und sprang munter aus dem Bett. Ich ließ das Tuch fallen, weil ich wusste, er war nur das Produkt meiner Fantasy, also gestattete ich es ihm, auch mich nackt zu sehen. Seine Augen weiteten sich. Was sprach denn dagegen in den eigenen Träumen ein bisschen Spaß zu haben und den ganzen Mist in der Realität zumindest für den Moment zu vergessen? Nein! Was dachte ich denn da? Auf gar keinen Fall würde ich mich einem Vampir hingeben, das kam gar nicht in Frage. Langsam suchte ich den Raum nach Kleidung ab und versuchte gleichzeitig wieder zu erwachen. Doch Eric kannte meine Sehnsüchte und packte mich vorsichtig am Arm. Seine Augen verschlangen mich und wollten mich hier und jetzt befriedigen. Seine kalten Finger strichen an meinem Rücken entlang und glitten hinauf bis in meinen Nacken, wo sie verharrten und mich langsam zu ihm nach vorne drückten. Ich wehrte mich nicht, ich genoss es. Seine Lippen kamen den Meinen immer näher und schließlich berührten sie sich und ein Spiel des Feuers und der Leidenschaft begann. Er war so geschickt mit den Dingen die er tat, dass ich es nicht wagte, mich zu wehren oder ihn zu bitten damit aufzuhören. Behutsam legte er mich auf das Bett zurück und schob meine Hände über meinen Kopf, sie wurden sanft in die weichen Kissen gedrückt. Er überhäufte mich mit Küssen und leckte mich an Bauch und Hals. Ein unglaubliches Gefühl verdrängte jeden Ärger und ich glaubte ich würde auf Wolken liegen und von einem Engel verwöhnt werden.
„Wenn dir das schon gefällt, dann warte bis ich das Vorspiel beende und mit dem Hauptteil beginne!", sagte er und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich lächelte. Wie hypnotisiert starrte ich auf seinen Penis. Seine Erektion war nicht mehr zu verbergen und sie ragte eisern hervor. „Sag es!", befahl er mir und ich wusste nicht auf Anhieb was er meinte.
„Sag es!", rief er erneut.
„Was?", fragte ich nicht ganz bei Sinnen.
„Sag, dass du es willst und ich dich hier und jetzt nehmen soll!" Im selben Moment schossen seine Fänge hervor und ich stockte den Atem. Sex mit einem Vampir war vielleicht die beste Form der Leidenschaft die es gab, doch gleichzeitig würde es bedeuten, dass ich meine Seele verkaufte und zu seiner Sklavin werden würde.
„Nein!", schrie ich und stieß ihn von mir. Ich war zwar ebenfalls ein bisschen enttäuscht, doch gleichzeitig wollte ich nicht schon wieder gebissen werden, ganz gleich wie wundervoll der Sex mit ihm gewesen wäre. Eric zog sich zurück und ich erwachte aus meinem merkwürdigen Traum.


 
Vorsichtig fasste ich mir an den Kopf und seufzte. Noch nie zuvor, hatte ich solch eine große Anziehung auf jemanden verspürt. Warum also ausgerechnet er? Eric war nun wirklich nicht mein Typ und dennoch trauerte ich dem versäumten Hauptteil nach.
„Bist du schon fertig, Cherry?", fragte Max, der nun geschwind auf mich zukam. Ich nickte und reichte ihm die Utensilien zum Saubermachen, damit er fortfahren konnte.
„Alles in Ordnung bei dir?", hauchte er und stupste mein Kinn nach oben.
„Naja, ich bin ein bisschen verwirrt.", entgegnete ich, obwohl ich eigentlich gar nicht auf seine Frage reagieren wollte.
„Verwirrt?", wiederholte er und begann mit grübeln. Doch noch, ehe er hätte tiefer bohren könne, eilte ich davon und verabschiedete mich von ihm.
Die restlichen Stunden dieses Tages verliefen völlig normal und ich versuchte wirklich alles um nicht an Eric zu denken. Das Beste wäre es wohl, ihn erst einmal für eine gewisse Zeit nicht sehen zu müssen. Und genau mit diesem Standpunkt, legte ich mich zu Frieden in mein Bett und schlief ein.
Meine Träume waren verwirrend und oft nur bestückt mit den Dingen, die ich gerne gespürt hätte. Doch dann war da wieder dieses Gefühl der Hilflosigkeit, der Angst und der Hoffnungslosigkeit. Das Kratzen in meiner Wand war nur kurz zu vernehmen, doch dafür hörte ich nun ein lautes Keuchen und erwachte. Ich wagte es nicht meine Augen zu öffnen. Da war etwas, direkt neben meinem Bett und es schien nicht meiner Fantasy zu entspringen. Das Keuchen wurde lauter, mit jedem Schritt, den es auf mich zu machte und schließlich gab es ein Stöhnen von sich und ich konnte nicht länger darauf hoffen, dass ich mir das nur einbildete. Zaghaft öffnete ich meine Augen und schaute direkt in das ekelhafte Gesicht von irgendeinem Wesen, das vielleicht früher sogar einmal menschlich gewesen war. Ich schaffte es nicht mehr zu fliehen, es war einfach zu schnell und packte meine Arme. Die Stärke des Geschöpfes schüchterte mich ein. Hastig legte es seine Finger um meinen Hals und drückte erbarmungslos zu. Ich keuchte, rang panisch nach Luft. Meine Hände ballten sich zu Fäusten und ich wehrte mich gegen den fremden Angreifer. Endlich hatte ich das Wesen getroffen und es ließ kurz ab von mir, doch dann wurden plötzlich seine Nägel zu scharfen Waffen und er stach damit auf mich ein. Sie verletzten mich, zerschnitten meine Haut, als wäre sie Butter und somit kein Hindernis. Ich kreischte, wollte Schreien, doch das Ding hielt mir den Mund zu. Wütend zog es mich an den Haaren hinaus aus meinem Bett und schleuderte mich gegen die nächste Wand. Mein Kopf schlug hart auf dem Boden auf und langsam aber sicher wurde alles schwarz vor meinen Augen. Erneut packte es mich und schnitt mir die Luft ab.
„Das ist alles deine Schuld!", hörte ich es sagen und fragte mich gleichzeitig, warum es mich so sehr hasste. Das war mein Ende, dessen war ich mir sicher. Hier würde mein Weg aufhören. An diesem Ort, würde ich endlich sterben und auf die Art und Weise niemals erfahren, was mir in meiner Vergangenheit alles angetan wurde.
Hilflos rüttelte es an mir, doch ich war schon so schwach und dem Tode nahe, dass ich dem Wesen nichts entgegen zu setzen hatte.
„Eric!", hauchte ich und vergoss Tränen. Ich würde sie alle niemals wieder sehen. Sören! Max! Eloise! Shannon! Und Eric! Ich war verloren.
Mit einem klirrenden Geräusch zersprang etwas direkt in meiner Nähe. Eine dunkle Gestalt sauste durch das Zimmer und schnappte sich das Wesen, was mich in seiner Gewalt hatte. Blut spritzte durch die Gegend und schließlich taumelte das Geschöpf und sank leblos zu Boden. Was war geschehen? Vorsichtig hob ich meinen Kopf und versuchte meine Lieder von dem Blut, dass sie verklebte, frei zu bekommen. Der Schatten bewegte sich nun auf mich zu und nahm sich meiner an. Zaghaft hob er mich in seine Arme und setzte sich mit mir zusammen auf mein Bett.
„Alanya!", sagte die Person, doch ich reagierte nicht. Dann berührte etwas Salziges meine Lippen und durchströmte nur wenige Sekunden später meine Adern. Ich konnte ihn spüren. Unsere Herzen waren genau in diesem Moment miteinander verbunden. ERIC! Es war Eric, der mich gerettet hatte. Vorsichtig wischte er mir das Blut aus dem Gesicht und leckte über meine Wunden, mit seiner weichen und geschickten Zunge, mit der er sicher noch ganze andere Dinge anstellen konnte. „Alanya, komm zu dir!", sagte er und drückte mich fest an sich.
„Eric, du bist gekommen um mir zu helfen, habe ich Recht?" Er nickte und freute sich sichtlich, dass es mir gut ging. Als ich wieder ganz bei Sinnen war, stieß ich ihn abrupt von mir und wurde rot im Gesicht.
„Was hast du?", fragte er und streckte mir seine Hand entgegen.
„Gar nichts!", log ich und versuchte zu verbergen, wie anziehend er gerade auf mich wirkte. Doch Eric ließ nicht locker und kam mir näher. Viel zu nahe! Kurz vor meinem Gesicht hielt er inne und musterte mich.
„Irgendwie verhälst du dich merkwürdig!", sagte er und grinste.
„Ist das ein Wunder? Ich wurde schließlich gerade beinahe von einem komischen Wesen getötet!", erwiderte ich und brachte wieder etwas Abstand zwischen uns. Er verschränkte die Arme vor der Brust und richtete sich auf.
„Keine Sorge, ich kann deine Erinnerungen manipulieren wenn du willst, dann vergisst du was heute Nacht hier geschehen ist!" Doch ich schüttelte nur aufgebracht den Kopf.
„Nein danke. Viel mehr würde mich interessieren, wie du davon wusstest!" Er zögerte, aber schließlich gab er sein Geheimnis preis.
„Du hast schon mehr als einmal von meinem Blut getrunken, also kann ich alle deine Emotionen spüren. Und ich fühlte deine Angst und konnte deinen Herzschlag hören, der immer langsamer wurde, also wusste ich, dass etwas passierte war und dich jemand verletzt hatte." Verwirrt strich ich mir die Haare zurück und zog dann an meinem Top herum.
„Was bewirkt dein Blut noch alles?" Ich hatte all meinen Mut zusammen genommen, um ihm diese Frage zu stellen.
„Nun, es hat mehrere Funktionen, es heilt deinen Körper, lässt mich deine Emotionen spüren und ich kann auch...!" Was konnte er noch? Oh mein Gott, in seiner Nähe bekam ich weiche Knie. Ich musste schleunigst von hier verschwinden, oder er könnte noch bemerken, dass ich gerade zu diesem Zeitpunkt an meinen Sextraum dachte und alles bereute.
„Ich kann auch deine Gedanken lesen!", sagte er gleichgültig und lächelte dann zufrieden. Die normale Röte stieg mir wieder in die Wangen und ich verbarg mein Gesicht. Ob er das mit dem Sextraum erfahren hatte? Als ich mich wieder zu ihm drehte, stand er auf einmal direkt hinter mir. Unsere Körper spürten sich und pressten sich gegeneinander. Seine Hand streichelte meinen Bauch und seine Augen fixierten mich, so sehr als wäre ich sein Opfer.
„Und, wie war der Sextraum mit mir? Ich hoffe ich konnte dich bis ins kleinste Detail befriedigen!" Ich schwieg und wollte am Liebsten im Boden versinken. Doch dann kam mir die Idee, die alles aufklären sollte.
„Diese Anziehung bewirkt das Blut, habe ich Recht!?" Aus seinem Grinsen wurde nun ein wehleidiger Gesichtsausdruck.
„Erraten. Es hat nur mit dem Blut zu tun und obwohl du das jetzt weißt, kannst du mir dennoch nicht widerstehen." Ich schluckte und verleierte die Augen.
„Für so einen Unsinn haben wir jetzt keine Zeit.", antwortete ich und deutete auf das Wesen was mir gerade meinen gesamten Zimmerboden versaute. Behutsam berührte er mein Kinn mit seinem Zeigefinger und zog mich urplötzlich schnell an sich.
„Früher oder später kannst du deine Sehnsucht nach meinem Körper nicht mehr leugnen!" Angewidert schob ich ihn von mir.
„Wir haben einen Deal und höchstens eine Zweckfreundschaft, mehr aber nicht. Und irgendwann wird dein Blut meinen Organismus sicher nicht mehr beeinflussen. Denn nur Sex, zählt im Leben nicht, da fehlt die Liebe, Eric!" Er grinste und warf sich das Geschöpf mit einem Ruck über die Schulter.
„Soll ich dir noch helfen alles sauber zu machen?" Doch ich verneinte dass und beschloss ihn so lange zu ignorieren, bis er von selbst den Weg aus meinem Raum gefunden hatte. Als ich endlich wieder allein war, seufzte ich und ließ mich erschöpft auf  mein Bett fallen. Die gesamte restliche Nacht verbrachte ich damit, mein Zimmer zu säubern. Lediglich die zerbrochene Fensterscheibe konnte noch verraten, was hier geschehen war.
Der Morgen brach an und wie sonst auch, klopfte es schon zeitig an meiner Tür. Sören stand davor und trat ohne mich zu fragen ein.
„Was ist denn hier passiert?", rief er verwundert und hob einige verbliebene Scherben vom Boden auf.
„In der Nacht hat jemand einen Stein durch mein Fenster geworfen!", sagte ich gleichgültig und hoffte er würde mir das abkaufen. Langsam kam er auf mich zu und betrachtete meinen Körper. „Alles ok bei dir?" Erbost drehte ich mich zu ihm um und zischte: „Warum müssen mich das eigentlich alle immer fragen – KLAR!" NEIN! Doch die wahre Antwort brachte ich einfach nicht über die Lippen.
„Entschuldige, ich wollte dich auf gar keinen Fall in irgend einer Weise nerven!", hauchte er und machte kehrt um wieder zu verschwinden.
„Nein, so war es ja nicht gemeint.", erwiderte ich und hielt ihn auf.
„Weißt du, die letzten Tage waren einfach ein bisschen zu viel für mich. Es war falsch, das an dir auszulassen!" Er lächelte und schob dann die Hand in seine Hosentasche.
„Eigentlich bin ich ja nur gekommen, um dir etwas zu geben." Behutsam zog er ein kleines Kästchen hervor und reichte es mir.
„Das ist für dich.", sagte er und ich konnte genau sehen, wie in diesem Moment seine Augen leuchteten.
„Was ist das?", fragte ich verwundert.
„Mach es doch einfach auf, dann weißt du es!" Also tat ich, was er verlangte und öffnete die Kiste. Vor mir lag, auf einem kleinen Kissen, ein silberner Armreif.
„Der ist wunderschön!", drang es aus meinem Mund. Hastig legte ich ihn an und betrachtete das Schmuckstück in dem Licht der aufgehenden Sonne.
„Aber warum schenkst du mir so etwas Wertvolles?", fragte ich mit bebender Stimme.
„Es hatte mal einer Freundin von mir gehört und kurz vor ihrem Tod, schenkte sie es mir, damit es mich in schweren Zeiten beschützt, aber ich denke, du brauchst es viel nötiger als ich, denn dir passieren immer irgendwelche Dinge. Vielleicht bringt es dir ja Glück und du fällst nicht wieder von der Leiter oder die Treppe hinunter." Ich grinste und bedankte mich bei ihm. Liebevoll umarmte ich Sören und hauchte ihm dann einen Kuss auf die Wange. Er hatte schon Recht, ich war ein ziemlicher Trampel. Ich konnte keine fünf Minuten in Ruhe atmen, ohne mich irgend einer Gefahr auszusetzen.
Nachdem Sören wieder verschwunden war, hatte ich ein bisschen Zeit, um alles zu verdauen. Es gab hier also Wesen, die es auf mich abgesehen hatten und einen Vampir, der mir nach dem Leben trachtete. Außerdem war Erics Freundin irgendwo auf diesem Grundstück verschwunden und vielleicht eine Gefangene von irgendeinem geisteskranken Geschöpf. Na, das klang doch alles einleuchtend und gut. Die Zusammenfassung der Tatsachen jagte mir einen Schauer über den Rücken. Dieses Haus an den Klippen, beherbergte viele Geheimnisse und früher oder später würden sie mich einholen und mit meiner Vergangenheit konfrontieren, doch bis dahin hatte ich Freunde auf meiner Seite die mich schützen würden.

Kapitel 4: Das Kirchenfenster



Schweiß gebadet erwachte ich wieder einmal aus einem meiner Albträume. Die gesamte Nacht über hatte ich mir vorgestellt, dass hinter diesen alten Mauern, etwas existierte, was mich am liebsten zu sich holen wollte. Doch wie schon in den letzten Tagen, war nichts geschehen, was meine Vermutung bestätigen konnte.
Eric, schwieg noch immer und wollte mir nicht seine Informationen über jenes merkwürdige Geschöpf, was er damals in meinem Zimmer getötet hatte, geben und so tappte ich nach wie vor im Dunkeln, was diese ganze Sache hier anging. Müde, streckte ich mich kurz und eilte dann auf meinen Kleiderschrank zu. Das Fenster war inzwischen repariert wurden und ich musste Gott sei Dank, nicht mehr frieren.
Vorsichtig kramte ich in meiner Wäsche und zog urplötzlich meine Finger erschrocken zurück. Ein sanfter Schmerz stieg in meiner Hand empor. Ich hatte mich geschnitten, doch woran? Verwirrt legte ich eine Scherbe frei und auf einmal, schossen mir dutzende Fragen durch den Kopf, die zumindest für mich endlich einen Sinn ergaben.
Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen, hielt ich ein Stück des Kirchenfensters aus der Bibliothek in der Hand, welches ich gleich am Anfang, zufällig hier gefunden hatte.
„Die Bibliothek!“, hauchte ich eisern. Jetzt erinnerte ich mich wieder. Hinter dem Fenster, eingeschlossen von Glas, war irgendetwas versteckt. Vielleicht war das, des Rätsels Lösung!

Zielstrebig, zog ich mir etwas über und eilte dann nach draußen. Ich wollte so schnell es ging zu Eric, denn allein konnte ich mich dieser Sache nicht stellen, erst Recht nicht, weil Doloris Mager die Bibliothek unter Verschluss hielt. Meine Schritte wurden immer schneller. Irgendwo in der Nähe der Höhle, musste er ja sein. Langsam ließ ich meinen Blick schweifen und schaute wie erstarrt auf die Klippen, welche durch die aufgehende Sonne in einem blutigen Rot erstrahlten. Ich schluckte und kämpfte akribisch gegen das merkwürdige Gefühl in meiner Magengegend an. Wieso, lockten mich diese Klippen? Warum empfand ich solche Angst? Vorsichtig setzte ich mich in Bewegung und hetzte darauf zu. Als ich endlich angekommen war, schaute ich mit Tränen in den Augen hinab und ließ meine Gedanken schweifen. Erinnerungsfetzen zeigten sich mir und ich brach einfach zusammen. Schluchzend, sank ich zu Boden und presste meine Hände gegen die Steine.
Ein Knacken, direkt hinter mir, holte mich zurück in die Realität. Erschrocken richtete ich mich auf und wirbelte herum. Ich gab ein überraschtes Stöhnen von mir und umarmte dann den Vampir, der geschockt auf mich hinab sah und mich nicht mehr loslassen wollte.
„Alanya, stimmt etwas nicht?“, fragte er mitfühlend. Doch ich schüttelte nur den Kopf und erwiderte: „Nein, schon ok, mir geht es gut!“ Auch, wenn er mir diese Lüge nicht abkaufen würde, so hatte ich ihn wenigstens endlich gefunden.
„Was machst du denn hier? Es ist gefährlich, allein auf diesem Grundstück umher zu wandern!“
Ich lächelte und wischte mir dann die Tränen beiseite.
„Ich habe einen Hinweis und ich glaube die Lösung für unsere Probleme, befindet sich in der alten Bibliothek!“ Verwundert stupste er mein Kinn nach oben und erst jetzt registrierte ich, wie nahe ich ihm schon wieder war. Wütend über mich selbst, stieß ich ihn von mir und verdeckte meine Röte, die sich in meinem Gesicht breit machte.
„Bibliothek? Ich habe noch nie viel von Büchern gehalten!“, sagte er stur und versuchte sich mir wieder zu nähern. Doch das ließ ich nicht zu.
„Ich habe dir das nie erzählt. Aber ganz am Anfang meiner Zeit hier auf dieser Insel, fühlte ich mich einsam und verfolgt. Die Bibliothek wirkte urplötzlich anziehend auf mich und als ich sie näher betrachtete, fand ich ein Kirchenfenster mit bunten Figuren, was ein Geheimnis beherbergte!“ Er schluckte und wollte mir sicher schon die erste Frage stellen, doch ich hielt ihm meine nackte Handfläche entgegen und fuhr fort.
„Da war eine Scherbe, ein Teil des Fensters brach ab und entblößte ein Stück Papier, was eingeschlossen zwischen dem Glas auf mich wartete!“ Eric´s Augen weiteten sich.
„Bist du dir sicher?“ Ich nickte.
„Was für ein tolles Versteck!“, meinte er und packte mich schließlich am Arm.
„Heute Nacht, werde ich zu dir kommen und du zeigst mir, was du gefunden hast! Ein Schloss ist für mich kein Hindernis und keiner deiner Mitmenschen wird bemerken, dass wir in eine alte, staubige Bibliothek einbrechen!“

Gesagt, getan. Den gesamten Tag, verbrachte ich im Haupthaus. Sören und Max gaben sich mit Eloise ab und zeigten ihr einige, langweilige Kartentricks. Ich hingegen, schaute die gesamte Zeit angespannt aus dem Fenster und wartete darauf, dass es endlich dunkel wurde.
„Alanya, wo willst du hin?“, fragte mich Sören und schaute mir tief in die Augen.
„Ich bin müde und werde mich schon mal aufs Ohr hauen!“, erwiderte ich mit einem Lächeln.
„Und was ist mit dem Abendessen, Cherry? Du fällst uns noch vom Fleisch, wenn du so wenig zu dir nimmst!“, mischte sich nun auch Max ein. Ich verleierte nur die Augen, ärgerte mich innerlich, dass er mich wieder nicht bei meinem richtigen Namen genannt hatte und verschwand.
Keuchend, schloss ich hinter mir die Tür und ließ mich frustriert auf mein Bett fallen. Irgendwie, war das alles nicht richtig. Die ganzen Menschen hinter diesen Wänden, glaubten an ein bestehendes Paradies, wo man spielen und lachen konnte, doch ich wusste es besser. Traurig, ballte ich meine Hand zur Faust und schlug auf das kleine Schränkchen neben meinem Bett. Was war das nur, woran ich mich an den Klippen erinnern wollte? Sollte ich Eric vielleicht doch um Hilfe bitten? Schließlich hatte er in mich hineingesehen, als mein Blut seinen Rachen hinabgelaufen war! Es schauderte mich bei dem Gedanken und ich umklammerte zaghaft das Kopfkissen mit meinen kalten Fingern. Ich war müde, in dem Fall hatte ich nun wirklich nicht gelogen. Und dieses Blut! Diese Nähe zu ihm, raubte mir jedes Mal aufs Neue den Atem.
Ich wusste nicht mehr, wie lange ich schon in meinem Zimmer lag und darauf hoffte, dass bald sämtliche Lichter im Haus erlöschen würden. Irgendwann, glaubte ich schließlich eingeschlafen zu sein, denn Eric erschien mir wieder in meinen Träumen. Vorsichtig, beugte er sich über mich und streichelte durch mein dunkles Haar. Er liebkoste mich und hauchte mir Küsse auf die Haut. Alles kribbelte und ich konnte ihm scheinbar nicht mehr wiederstehen. Mein Körper bäumte sich unter seinen Händen auf und sehnte sich regelrecht, nach einer weiteren Berührung.
„Dieses verfluchte Blut!“, zischte ich und biss die Zähne zusammen. Verwundert schaute er hinab zu mir und zog vorsichtig die Decke zur Seite. Ich wollte ihn! Schließlich, war es doch nur ein Traum, warum also wiederstehen? Ein normaler Mensch, würde in seinen eigenen Vorstellungen, doch auch nicht vor einem Gewinn von einer Millionen Euro zurückweichen! Wieso, verlangte ich selbst es also von mir?
Hastig schossen meine Hände auf ihn zu und strichen über seine warme Haut. Irgendwann hatte ich sein Gesicht erreicht und stellte mich ihm gegenüber. Nur ein Kuss, dann würde ich mich wieder zusammenreißen. Nur einmal den Geschmack seiner so perfekten Lippen kosten…
„Alanya, was machst du da?“, fragte Eric auf einmal und stoppte so mein Vorhaben. Erschrocken fiel ich zurück auf mein Bett und versuchte zur Besinnung zu kommen.
„Du bist nicht echt, also was solls!“, flüsterte ich. Eric lachte und strich sich seine Haare zurück.
„Dachtest du etwas, das hier sei ein Traum? Oh man, mein Blut, muss ja wirklich schrecklich für dich sein!“ In binnen von einer Minute war ich rot angelaufen und stürmte auf die Tür zu. Ich wollte nur noch fort und verbergen, wie peinlich mir diese Sache gerade war, schließlich empfanden wir keine Liebe, sondern eine natürliche, vampirische Anziehung, wenn man es so nennen wollte.
„Alanya, warte!“, keuchte er und zerrte mich zurück zu sich.
„Was ist denn noch? Habe ich mich für den Moment nicht schon genug blamiert?“ Er grinste und ließ mich wieder los.
„Das ist doch nicht weiter schlimm, schließlich kannst du nichts dafür, dass du mich sexy findest!“
„Davon träumst du nur! Wenn das Blut nicht gewesen wäre,…!“, doch ich schaffte es nicht meinen Satz zu beenden, denn urplötzlich, lagen seine Finger auf meinen Lippen.
„Lass es gut sein, ich weiß doch, was du von mir und dem anderen Vampir hälst! Und ich mag Menschen auch nicht sonderlich. Schließlich, kann man nicht einmal kurz mit ihnen spielen, sonst werden sie gleich verletzt. Du bist ja wohl das beste Beispiel dafür!“ Seufzend senkte ich meinen Kopf.
„Lass es uns endlich tun…!“, hauchte er dann und ich stockte augenblicklich den Atem.
„Wie bitte?“, fauchte ich und wich vor ihm zurück. Doch wieder begann er nur mit lachen und verschränkte die Arme hinter seinem Rücken.
„Das meinte ich damit doch nicht. Lass uns endlich in die Bibliothek gehen und das Geheimnis dieses Ortes aufdecken!“ Ich nickte nur stumm und ärgerte mich, dass ich so fasziniert auf seinen Spruch eingegangen war.

Langsam schlichen wir auf dem Flur entlang und eilten gemeinsam in die unterste Etage, wo sich die atemberaubende Bibliothek befand. Vor der Tür, befahl mir Eric stehen zu bleiben. Dann packte er die Klinke und drückte sie mit einem leisen Knall eiskalt hinab, wo sie beinahe zu zerbersten drohte.
„Respekt!“, flüsterte ich und klatschte zufrieden in die Hände.
„Gekonnt, ist eben gekonnt!“, hauchte er mit einem Grinsen auf den Lippen.
Als er nach drinnen gehen wollte, stoppte ich ihn und fragte: „Hast du nicht etwas Besonderes vergessen?“ Verwirrt schaute er mich an. Die Beleuchtung auf dem Flur machte es mir schwer, überhaupt etwas zu sehen.
„Was meinst du?“ Wütend stützte ich meine Arme in den Seiten ab und antwortete: „Wie wäre es mit einer Taschenlampe?“ Jetzt wurde er ernster und zog die Tür wieder einen Spalt zu. Nur ein leises Lüftchen wagte es, sich dort hindurch zu quälen.
„Erstens kommst du nicht mit, denn es wäre viel zu gefährlich, wenn man dich in der Nähe der Bibliothek entdeckt. Und zweitens, kann ich im Dunkeln perfekt sehen, denn im Gegensatz zu euch Menschen, bin ich der ultimative Killer und alle meine Sinne sind überdimensional ausgebildet.“
„Und wie willst du dann bitte das richtige Fenster finden? Du kannst nicht die ganze Bibliothek auf den Kopf stellen, so viel Zeit bleibt dir nicht, mal ganz davon abgesehen, dass deine Zerstörungswut auch nicht gerade hilfreich ist.“
„Du sagtest, du hättest `das Kirchenfenster` gefunden, also wird es auch nur eins geben, wenn es in deinen Augen so besonders war.“ So ein Bastard! Ich wollte ihn doch unbedingt begleiten!
„Aber!“, doch ich durfte seine gut durchdachten Pläne nicht durchkreuzen.
„Keine Wiederrede, du wartest oben in deinem Zimmer. Denn jetzt, wo ich weiß, wo sich diese Bibliothek befindet, steht unserem Glück nichts mehr im Wege und schon bald wissen wir, ob diese Zettel etwas mit unseren Problemen zu tun haben.“ Ich schluckte und rümpfte genervt die Nase.
„Na schön, ich bin dann mal weg!“, murmelte ich niedergeschlagen und machte mich auf den Weg nach oben. Vorsichtig strich er mir, wie einem kleinen Kind über den Kopf und hauchte zum krönenden Abschluss: „Brav!“ Dann verschwand er in dem Zimmer und ließ mich allein.

Mehrere Minuten, hockte ich im Flur und wusste nicht, wie ich mich entscheiden sollte. Zum einen, hatte er Recht und ich sollte es wirklich in Betracht ziehen, in meinem eigenen Raum zu verschwinden. Doch dann überkam mich ein merkwürdiges Gefühl und es war beinahe so, als könnte ich spüren, dass bald Eric etwas Schlimmes wiederfahren würde. Also nahm ich meine Beine in die Hand und eilte ebenfalls, unbemerkt nach drinnen.
Sofort wurde mein Körper nahezu, von der darin vorkommenden Dunkelheit, verschlungen und ich hatte nichts, um meinen Augen wenigstens ein bisschen Licht zu geben dabei! Nur meine Hände, strichen über die alten Bücher und konnten mir den Weg offenbaren. Eric, schien schon oben zu sein, denn im selben Moment, vernahm ich ein klirrendes Geräusch, gefolgt von einem leisen Seufzer. Hatte er vielleicht schon nach so kurzer Zeit gefunden, wo nach wir suchten? Ich beschloss unten auf ihn zu warten, in der Hoffnung er würde nun in Windeseile zu mir auf dem Weg sein. Doch er kam nicht, verharrte aus unerklärlichen Gründen an Ort und Stelle und jagte mir durch die seltsame Stille einen Schauer über den Rücken. Warum, war es plötzlich so ruhig? Las er vielleicht gerade, was darauf zu finden war?
Ein Zischen zerstörte, was eben begonnen hatte und ich stockte angespannt den Atem. Jemand brach erschöpft zusammen und eine andere Person machte sich nun bemerkbar.
„Eric!“, hauchte ich. Er brauchte vielleicht meine Hilfe. Irgendetwas war hier deutlich schief gelaufen! Eifrig, suchte ich die Stufen, streifte sie versehentlich mit meinem Bein und verzog kurz vor Schmerz mein Gesicht. Dann sprintete ich nach oben. Ich nahm manchmal mehr als eine Stufe gleichzeitig. Schließlich hörte ich wieder dieses vertraute Knacken unter meinen Füßen und wusste, dass ich auf der richtige Etage angekommen war. Das Fenster musste sich genau vor mir befinden. Die Finsternis umragte mich noch immer und ich schien keine Chance zu haben, mich irgendwie zu Recht zu finden. Auf einmal stolperte ich über etwas, was direkt vor mir auf dem Boden lag. Hart, schlug ich auf den Holzdielen auf, hechtete aber sofort wieder nach oben.
„Eric? Wo bist du?“ Ein Stöhnen direkt unter mir, drang an meine Ohren heran und verängstigte meine Seele. Was war hier nur los? Urplötzlich ging eine Lampe über meinem Kopf an und ich wurde durch ihre Helligkeit, zumindest für den Augenblick geblendet. Als ich mich langsam daran gewöhnte, erblickte ich Eric, der blutend am Boden lag. Über ihn war ich gestolpert, er war mein Hindernis gewesen und anscheinend ein Opfer eines schrecklichen Hinterhaltes. Ein Schatten sauste an mir vorbei und berührte meinen Kameraden an der Schulter. Der Gegenstand der ihn traf, schlitzte ihn schrecklich auf und ließ keine Chance die Wunde zu heilen.
„Eric!“, schrie ich aufgewühlt und rüttelte wie eine Besessene an ihm.
„Alanya, was zum Teufel machst du hier?“, fauchte er und stieß mich beiseite. Dann richtete er sich eifrig auf und stellte sich seinem Angreifer. Die dunkle Gestalt, lauerte in einer Ecke und versuchte uns zu trennen. Eric war schwer verwundet und das alles schien gerade einmal in wenigen Minuten geschehen zu sein. Ernst, starrte er mir kurz in die Augen und schrie dann: „Wo versteckst du dich, du elender Bastard! Komm raus und kämpfe wie ein Mann und nicht so feige wie vorher!“
„Das ist vielleicht keine gute Idee, du siehst schon ziemlich mitgenommen aus!“, keuchte ich und richtete meinen Blick auf das Fenster. Die Zettel hatte Eric noch nicht entfernen können, lediglich das Loch war größer geworden. Hastig, zog ich mein Shirt über meinen Kopf und wickelte es um meine Faust.
„Was wird das?“, zischte Eric und wollte mich bereits aufhalten, doch im selben Moment, schlug ich einfach zu. Die Scherben sausten zu Boden und die Zettel fielen mir direkt in meine Hände.
„Das sind ja Dokumente!“, stellte ich fest. Doch für einen weiteren Blick, blieb keine Zeit. Das Geschöpf stach auf Eric ein, der nur mit viel Mühe ausweichen konnte. Als er gerade dachte, es sei vorbei und das Wesen müsste sich sammeln, kam der Angreifer zu seinem Entsetzen direkt auf mich zu. Erbarmungslos presste er mich gegen die zerbrochene Schreibe und hielt einen scharfen Gegenstand nach oben. Die Person war nicht mehr menschlich und doch schien sie zu zögern, nachdem sie mich erblick hatte. Sofort war Eric zur Stelle und schubste mich im letzten Moment, grob zur Seite. Sein Blut spritzte durch die Gegend und ich wusste, damit hatte unser Gegner die Schwachstelle meines Vampirfreundes gefunden.
„Silber, ist nicht zu unterschätzen!“, meinte das Wesen und zeigte sich mir.
„Dein Freund, sollte lieber leise sterben und sich nicht länger in unsere Angelegenheiten einmischen, oder wie siehst du das, Menschenopfer!“ Ich erstarrte. Menschenopfer? Ich?
„Wer bist du? Und was willst du von mir?“
„Das, was wir alle wollen – dich töten oder zu unserem Meister bringen. Sei froh, dass ich dir lieb gesonnen bin, ich werde es kurz machen, denn danach, kann dich unser Gebieter als seine reine Sklavin zurückholen!“ Ein Wimmern kroch meine Kehle empor. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte und dennoch wurde mir spätestens jetzt klar, dass weder Eric, noch ich, dieser Sache wirklich gewachsen waren!
Das Geschöpf machte einen weiteren Schritt und stand nun direkt vor mir. Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren und begann mit zittern. Ich wagte es nicht, auch nur ein weiteres Wort über meine Lippen zu bringen. Vielleicht war das Wesen ja im Recht und meinet wegen, hatte sich hier an diesem schrecklichen Ort vieles zum negativen gewendet, was ich nicht mehr wusste.
„Stirb, damit er dich empfangen kann!“ Ein silberner Dolch, glänzte im Angesicht der schwachen Lampe über uns und rüttelte jegliche Angst in mir wach. Das Mordinstrument sauste auf mich zu und durchschnitt die Luft direkt vor meiner Haut. Eine weitere Person hatte den Schauplatz betreten und mich vor dem baldigen Ableben bewahrt. Seine Finger umschlossen, die meines Angreifers und zumindest für einen Moment, glaubte ich tatsächlich einmal in Sicherheit zu sein.
„Du darfst sie noch nicht töten!“, schrie der Fremde und richtete mir weiterhin seinen Rücken zu.
Ein Stöhnen, weckte meine Aufmerksamkeit und ich schaute erneut auf das Häufchen Elend direkt am Boden.
„Eric!“ Sofort kniete ich mich neben ihn und versuchte herauszufinden, wie schwer er verwundet war.
„Sag doch etwas! Wie kann ich dir helfen?“ Seine Augen musterten mich. Sie waren leer und zeigten durch ihre merkwürdige Färbung, dass er schon zu viel Blut verloren hatte. Der Fremde schien gar nicht mitzubekommen, dass ich nicht mehr in seiner Nähe stand. Er war verärgert und beschimpfte unseren Gegner.
„Blut! Gib mir Blut!“, stammelte der Vampir und griff nach meinem Handgelenk. Ängstlich zog ich es zurück.
„Ich will nicht schon wieder gebissen werden!“, entfuhr es mir und ich konnte die Trauer in seinem Gesicht erkennen.
„Dann verschwinde und lass mich hier versauern!“, entgegnete er und neigte seinen Kopf zur anderen Seite.
„Aber ohne dich, will ich hier nicht weg!“ Eric schwieg und beobachtete lieber das Geschehen auf der anderen Seite. Die Gestalten verwickelten einander, langsam in einen Kampf und zum Glück, mussten wir uns nicht daran beteiligen.
„Ich glaube das ist er! Ich fürchte, dass ist dein mysteriöser Liebhaber!“ Verwirrt folgte ich seiner Hand, die wankend auf den Fremden, der mir eben das Leben gerettet hatte, deutete. Ich schluckte und versuchte den Kloß in meinem Hals zu ersticken. Ich wusste, dass ich ihm ohne Eric ausgeliefert war, doch vorher, würde er sicher noch meinen Kameraden aus dem Weg räumen. Nein! Ich musste mich endlich überwinden und bei diesem furchtbaren Spiel meiner Rolle gerecht werden.
Langsam suchten meine kalten Finger nach einer Glasscherbe. Nachdem ich sie gefunden hatte, schnitt ich mir in meinen Arm und schaute fasziniert zu, wie mein warmes Blut daran hinunter lief. Der Schmerz war anfangs nur von kurzer Dauer, kehrte aber anschließend in mein Handgelenk zurück.
„Trink!“, sagte ich und hielt ihm meinen Arm vor die Nase. Eric zögerte kurz und wollte wahrscheinlich nachfragen, ob das nur ein gemeiner Text sei, doch schließlich war sein Durst stärker als sein Verstand und er unterwarf sich seinem Instinkt. Seine Finger umschlossen fest meinen Arm und drückten erbarmungslos zu. Erst, strichen nur seine Lippen über meine Haut, doch anscheinend konnte er davon nicht genug erhaschen und so dauerte es gar nicht lange, bis ich wieder dieses Stechen, gefolgt von einem Brennen, durch seine Vampirzähne, spürte.
Hastig rang ich nach Luft und versuchte meinem Blick von Eric abzuwenden, doch es gelang mir nicht. Er schlang mein Blut hinunter, als würde es sich dabei um seine Henkersmahlzeit handeln.
Irgendwann, konnte ich fühlen, dass er aufhörte und sich vorsichtig von meiner Hand löste. Dennoch, schien er nach wie vor, nicht stark genug zu sein und ich musste sie ihm mit letzter Kraft und Tränen in den Augen entreißen.
„Was sehe ich denn da? Ihr habt euch mehr angefreundet, als ich es je erwartet hätte!“, hauchte der Fremde und stieß unseren Angreifer erbost beiseite. Sofort war Eric wieder auf den Beinen und wischte sich mein Blut aus den Mundwinkeln. Er hatte keines Wegs genug getrunken, um es mit ihm aufzunehmen, trotzdem wollte er mich beschützen.
„Ich missbillige jegliche Berührungen des Mädchens! Und außerdem hast du nicht einfach so ihr Blut zu trinken! Sie gehört mir, oder soll ich dir noch einmal erklären, was es heißt nicht nach meinen Regeln zu spielen?“ Ich versteckte mich zitternd hinter dem Vampir und wartete auf eine Regung unseres Feindes. Doch schließlich war es ausgerechnet Eric, der das Wort ergriff und alles nur noch schlimmer machte.
„Sie ist keines Falls dein Eigentum! Alanya, gab mir ihr Blut freiwillig. Und was wäre überhaupt so schlimm daran, wenn ich sie für mich beanspruche? Dein Spiel ist mir völlig egal, sobald ich meine Aufgabe erfüllt habe, werde ich von hier verschwinden und du kannst mich nicht daran hindern!“ Ein lautes Lachen ließ mich schaudern. Der Schatten kam näher, verdeckte aber nach wie vor, geschickt sein Gesicht und blieb unerkannt.
„Du kannst dich mir nicht wiedersetzen, Eric. Es sind meine Regeln und ihr werdet sie befolgen und so lange danach leben, bis ich euch gestatte in euer eigenes Grab zu steigen!“
Wütend ballte Eric seine blutigen Hände zu Fäusten.
„Ich werde ihn jetzt töten, Alanya!“, hauchte mein Freund und setzte sich in Bewegung. Eifrig streckte ich meine Hand nach Eric aus, doch er war zu schnell, als das ich, ihn hätte aufhalten können.
„Du willst mich töten! Das ich nicht lache! Ich werde dir schon zeigen, was du von solchen Fehlentscheidungen hast!“ Und mit diesen Worten erhoben sich, wie durch magische Hand gesteuert, alle Glasscherben in diesem Raum und flogen durch die Luft. Ein kleiner Wirbel leitete sie genau in meine Richtung und Eric, der mir ein Versprechen gegeben hatte, blieb gar nichts anderes übrig, als alles zu versuchen, um mich vor diesen tödlichen Waffen zu retten.
Überhastet stürzte er sich auf mich. Die Splitter, bohrten sich dennoch in meine Haut und ich schrie auf, doch plötzlich umragte mich sein Körper und schirmte mich vollkommen ab. Eric stöhnte, ließ alles über sich ergehen. Als es endlich vorbei war, blieb er reglos auf mir liegen. Keuchend schob ich ihn beiseite und schaute mich verwundert um. Für einen mächtigen Vampir, hatte er viel abbekommen, was durch die Einwirkung des Silbers auch nicht so schnell verheilen konnte. Mein Blut war da nur eine kleine Stärkung, die ihm gerade einmal dabei geholfen hatte, sich kurz auf den Beinen zu halten.
Zögernd, strich ich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht und versuchte ihn dann irgendwie nach draußen zu schleifen. Dabei hatte ich doch das Wichtigste in diesem Zimmer vergessen – und nein, damit meinte ich nicht die Dokumente!
Auf einmal war der Schatten mir so nahe, wie nie zuvor und ich konnte seinen Atem spüren. Seine Arme umschlossen mich und ich war wie eine Gefangene, die ihm ausgeliefert schien. Doch für heute, hatte er genug Schaden angerichtet, dessen war er sich bewusst.
„Wie jedes Mal, wenn wir uns treffen, koste ich dein süßes Blut und lösche jegliche Erinnerungen. Heute, müssen wir es bei dem ersten, genannten Punkt auf meiner Liste belassen, denn Eric würde dir sowieso wieder von meiner Existenz berichten. Aber das ist mir mittlerweile auch egal, denn ich habe was ich wollte und so lange du diesen Ort nicht verlässt, werde ich dich, deinen Vampirfreund und alle anderen Menschen auf diesem Grundstück am Leben lassen!“ Sanft drückte er meinen Kopf zur Seite, schubste meine Haare über die andere Schulter und biss genüsslich in meinen Hals, wie er es anscheinend, schon so oft getan hatte. Traurig, kaute ich auf meiner Unterlippe herum und versuchte meinen inneren Schrei zu unterdrücken. Als er bemerkte, dass nicht nur die Angst, sondern auch der Schmerz mit quälte, legte er wieder seine Hand auf meinen Kopf und versuchte mich zu beruhigen. Bevor ich das Bewusstsein verlor, vernahm ich noch seine Stimme, die sich wie Feuer in meine Erinnerungen brannte und Bilder durch meine Gedanken jagte.

Wenn sich die blutrote Sonne, in dem Wasser des Meeres spiegelt und dich die Schatten an den alten Klippen umragen, stellt sich dir nur noch eine Frage: Wirst du springen um zu vergessen oder um zu überleben?



Vorsichtig, öffnete ich meine Augen. Dieses Mal hatte ich lange geschlafen und es schien bereits Morgen zu sein. Das Licht der aufgehenden Sonne, bahnte sich einen Weg auf mein Gesicht und ließ mich vor Erstaunen blinzeln. Als ich jedoch bemerkte, dass ich mich keines Wegs mehr in der Bibliothek befand, wurde ich misstrauisch und richtete mich stürmisch auf. Eine Person, die ich durch das blendende Licht anfangs nicht erkennen konnte, drückte mich wieder zurück in meine Kissen und wedelte mit dem Zeigefinger hin und her.
„Eric?“, brachte ich nur zitternd hervor. Er nickte und setzte sich neben mich.
„Wie bin ich hier gelandet? Hat uns etwa jemand erwischt?“ Doch er senkte nur wehmütig seinen Kopf und warf sich seine Jacke über.
„Wo willst du hin? Du kannst jetzt nicht gehen! Nicht, nach allem was geschehen ist! Ich will endlich Antworten und ich weiß, dass du mir gewisse Dinge verheimlichst, die ich einfach erfahren muss!“ Er zögerte, seufzte heißer und legte dann seine Finger auf die Wunde an meinem Hals.
„Ich hatte nicht einmal genug Kraft um dich zu heilen, denn sonst würde das Silber mich weiterhin wie Gift durchbohren und ich wäre vielleicht in wenigen Stunden tot.“ Ich schluckte und drückte seine Hand von mir.
„Was willst du mir damit sagen?“, rief ich leise.
„Ich muss auf die Jagd gehen und zwar noch heute!“
„ Auf die Jagd? Jagd wonach?“ Meine Stimme bebte, doch er schien dies zu ignorieren.
„Du weißt genau, was ich meine! Ich brauche Menschenblut und zwar eine Menge! Ein Vorrat, der meine Kraft wieder wachsen lässt, denn dann wirst du ihm nicht mehr so einfach in die Hände fallen!“ Erst jetzt bemerkte ich, dass er nicht ein einziges Mal nach dieser Nacht, mit mir Blickkontakt halten konnte. Er wich mir ständig aus, was mich nur noch nervöser machte. Geschwächt, beugte ich mich vor zu ihm und legte meine Hände auf sein Gesicht. Dann drehte ich es mir zu und umarmte ihn, als wäre er ein altes Familienmitglied, was ich eine lange Zeit nicht gesehen hatte.
„Du darfst keine Menschen töten! Selbst, wenn das mein Ende bedeutet, ich bestehe darauf, dass du einen anderen Weg findest!“ Seine Augen leuchteten, als er mich betrachtete. Unwillkürlich musste er sich mit der Zunge über seine trockenen Lippen lecken, was mich kurz erschreckte.
„Aber nur von Menschenblut werde ich stark. Das Blut von Tieren, reicht gerade einmal um am Leben zu bleiben!“ Ich schluckte und brachte wieder etwas Abstand zwischen uns.
„Schlagen wir lieber ein anderes Thema ein, bevor ich noch beginne mich zu übergeben, weil ich es mir einfach nicht vorstellen kann, einen sanftmütigen Hasen auszusaugen!“ Angewidert, streckte ich meine Zunge heraus und unterstürzte so meine Worte.
„Also, mit was haben wir es hier eigentlich zu tun? Dieser Typ, ist nicht nur irgendein dahergelaufener, überdimensional starker Vampir! Habe ich Recht?“
Eric lächelte stur und ließ sich dann tiefer in den alten Stuhl neben meinem Bett sinken.
„Ich habe da so eine Vermutung, all diese Dinge betreffend. Das Haus, diese Wesen, die uns ständig dazwischen funken, die Dokumente und natürlich der Fremde.“, sagte er ernst.
„Und wie lautet deine Theorie? Raus damit!“ Ich konnte es vor lauter Spannung kaum noch ertragen.
„Nun, das ist alles nicht so einfach, wie du dir das vielleicht vorstellst! Aber ich werde es mal versuchen dir zu erklären:
Da draußen in der Welt existieren nicht nur Vampire als normale Blutsauger, nein, es gibt viel stärkere und ältere Wesen, die sich keinen natürlichen Regeln unterwerfen müssen. Mir ist zwar noch nie einer begegnet, aber ich glaube unser Feind ist ein `Ungei`.“
Verwirrt starrte ich ihn an.
„Ein `Ungei`?“, wiederholte ich ahnungslos. Eric nickte und fuhr fort.
„Ein Ungei ist eine besondere Art eines Vampires. Er gehört zu den ältesten und mächtigsten Wesen, die es jemals auf der Erde gegeben hat und je geben wird. Man sagt ihnen nach, dass sie besondere Fähigkeiten besitzen.“ Er räusperte sich.
„Du glaubst, dass ist der Grund warum mich Glasscherben attackiert haben? Er hat sie gesteuert?“
Eric atmete tief ein und versuchte die richtigen Worte zu finden, um mir eine Antwort liefern zu können.
„Ja! Auch, sind diese Geschöpfe von Grund auf Böse und Verdorben! Jedoch, scheinen sich die Legenden nur teilweise auf die heutige Zeit übertragen zu lassen. Denn in den einstigen Mythen wurden sie als grausame Wesen verzeichnet, die hauptsächlich in unterirdischen Katakomben hausen und sich nicht gerade schmeichelhaft kleiden. Kurz: Lumpen reichen den Geschöpfen und sie riechen auch nicht angenehm. Doch unser gemeinsamer Gegner, ist schlau, elegant gekleidet und scheint mir nicht so stur zu sein, um ständig durch enge Kanäle zu kriechen!“
Ich lachte kurz, stieß ihm aufmunternd in die Seite und hoffte er würde mir noch mehr erzählen.
Doch, als er auch nach wenigen Minuten noch schwieg, mischte ich mich ein.
„Und die Fremden, die uns angreifen?“, rief ich und rückte näher an Eric heran.
„Oh, ja, die habe ich glatt vergessen. Wo ein Ungei sein Unwesen treibt, findet man auch immer seine Untertanen beziehungsweise, seine Sklaven die `Eratroren`. Ein Eratror, ist die unterste Stufe eines Vampires. Oft gleichen sie einem verwahrlosten Menschen oder einem wilden Tier. Sie können dem Menschen aber auch am unähnlichsten sein und haben scharfe Krallen und lange Zähne vorzuweisen. Sie stinken und für normale Sterbliche ist ihr Geruch wie Gift. Er benebelt ihre Sinne und kann ihren Körper lähmen. Die Zähne gleichen den Reißzähnen von Raubtieren und sind demzufolge auch schmerzhafter. Wird man von ihnen angegriffen, gibt es kaum Hoffnung zu überleben, wenn sie es nicht wollen!“
Ich rümpfte die Nase und dachte kurz über diese Informationen nach.
„Man wird doch erst zu einem Vampir, wenn man stirbt und dessen Blut im Organismus hat, oder habe ich da was falsch verstanden?“ Eric stimmte mir zu.
„Ja, das habe ich mich auch schon gefragt. Nehmen wir mal an, der Ungei war als Erstes hier, fand diesen Ort und versuchte von da an alles um seinen Plan zu verwirklichen. Woher, nahm er die Menschen, um sie in so eine niedrige Spezies zu verwandeln? Und wer waren diese seelenlosen Gefangenen eines dunklen Lords?“
Verwirrt, strich ich meine Haare zurück und versuchte mich zu erinnern. Vielleicht hatte ich all das ja schon einmal erfahren und musste es nur wieder aufnehmen, verdauen und begreifen! Nichts. Die erhofften Bilder in meinem Kopf blieben aus. Frustriert, ließ ich mich auf mein Kissen fallen und schloss erbost die Augen.
„Warum nur kann ich mich an nichts dergleichen erinnern? Wenn ich schon einmal hier war, bin ich vielleicht genau vor diesen Geschöpfen geflohen! Aber warum kommt jetzt nicht alles wieder, wo ich doch schon so viele Schritte auf meine verblichenen Erinnerungen zugelaufen bin!?“ Traurig musterte mich Eric und beugte sich dann langsam über meinen zusammengekauerten Körper.
„Mach dich deshalb nicht fertig!“, hauchte er sanft und kam mir näher. Ich erstarrte, als ich seine Lippen schon beinahe auf meiner Haut spüren konnte. Wollte er mich küssen oder nur noch mehr Blut? Ängstlich, legte ich meinen Arm auf seine Brust und drückte ihn behutsam von mir.
„Was hast du vor?“, flüsterte ich und hoffte, er würde mir genau die richtige Antwort schenken. Doch stattdessen, schaute er verbissen auf meinen Arm, zischte wie eine Katze, der man eben auf den Schwanz getreten war und sprang zur Seite.
„Was hast du?“, rief ich verwundert.
„Die selbe Frage könnte ich dir auch stellen!“, fauchte er und deutete auf mein Handgelenk. Ich folgte seinem Blick und brauchte einige Minuten um zu begreifen, dass er meinen silbernen Armreif meinte.
„Das ist nicht so wie es aussieht. Er war nur ein Geschenk! Ich wusste bis heute nicht einmal, dass Vampire so schlimm auf Silber reagieren!“ Erics Lippe kräuselte sich und er sah mich an, als wäre ich seine Beute.
„Wenn das nur ein normaler silberner Armreif wäre, würde ich auch nicht so ein Theater machen! Aber damit stimmt etwas nicht. Dieser Geruch und dieses Gefühl sind unverkennbar! An diesem Schmuckstück klebte einmal das Blut eines toten Menschen und er ist damit gesegnet, um dich vor allem was mit Vampiren zu tun hat, zu schützen!“ Ich zögerte und setzte seine Worte in meinem Kopf erneut zusammen.
„Wie meinst du das? Da klebt doch kein Blut? Ich verstehe es nicht!“ Eric holte tief Luft und näherte sich mir wieder.
„Er ist ein Schutz gegen Blutsauger, denn Silber wirkt auf uns wie Gift und das Blut eines toten Menschen, verstopft unsere Adern! Dieses `Geschenk`, wie du es nennst, hat nur einen Zweck: Um mich von dir fern zu halten!“ Ich erstarrte und dachte zurück an den Moment, als es mir Sören geschenkt hatte.
„Von wem hast du es bekommen? Sag es mir, oder ich lese deine Gedanken!“
„Von Sören. Er meinte, es würde mir Glück bringen und mich vor weiteren Unfällen bewahren!“ Sofort verfinsterte sich das Gesicht von Eric und er eilte aufgebracht zur Tür.
„Was hast du vor?“, keuchte ich und brauchte länger als gedacht, um ihm zu folgen.
„Bis jetzt, hat uns noch keiner zusammen gesehen. Die Bibliothek habe ich so gut es ging hergerichtet, doch wenn dieser Junge etwas ahnt, könnte alles zerbrechen, was wir uns aufgebaut haben. Er ist mir nicht geheuer und da steckt sicher mehr dahinter, als du glaubst! Vertrau mir, ich rieche den Ärger, noch bevor er passiert! Und Sören, wie du ihn nennst, hat mehr mit dieser ganzen Sache zu tun, als dir vielleicht lieb ist!“ Eric wandte sich von mir ab und drückte die Klinke nach unten.
„Warte! Was hast du jetzt vor?“, rief ich laut und hatte im selben Augenblick Angst, dass ich meine Nachbarn geweckt haben könnte.
„Nicht das was du denkst. Ich werde deinem kleinen Freund kein Haar krümmen. Im Gegenteil – mein heutiger Tag ist bereits durchgeplant: Ich will endlich jagen!“, antwortete er mit einem frechen Grinsen auf den Lippen.
„Machst du dir denn keine Sorgen, dass Sören mich vielleicht…!“, ich stoppte und schloss für einen Augenblick traurig meine Lider. Behutsam, stupste er mein Kinn nach oben und schaute mir tief in meine Augen.
„Er wird dir nichts tun, denn wenn ich Recht habe, versucht er alles um dich zu schützen und nicht um dir zu schaden!“ Das beruhigte mich fürs Erste.
„Aber wer ist der dann? Und warum, kennt er sich mit so einem Zeug aus? Denn ich glaube genauso wenig wie du, dass seine Geste ein Zufall war!“ Eric nickte und drückte mich noch einmal an sich.
„Dies ist dann wohl ein weiteres Rätsel, was wir lösen müssen. Doch erst einmal, brauche ich Nahrung und werde mich mit den Dokumenten beschäftigen. Ich bin vielleicht untot, aber auch nicht Gott, dem zu Folge sehe ich in dieser Geschichte genauso wenig durch wie du. Jedoch ich verspreche dir, dass wir die Geheimnisse dieses Grundstückes lösen werden und wir diesen Kampf überleben!“
Dann stürmte Eric nach draußen und verschwand im Nichts, wie ich es schon von ihm gewöhnt war. Mich machte diese ganze Sache fertig. In meiner Umgebung, schien keiner so zu sein, wie er sich mir vorgestellt hatte. Unter meinen Freunden, befand sich der Ungei, in den Wänden und auf dem Grundstück, trieben Eratroren ihr Unwesen und auch Sören war mehr als ein normaler Junge…


Kapitel 5: Gasallarm



Der Tag hatte begonnen und schon wieder schien ich völlig fertig zu sein. In der letzten Nacht versuchte ich die Informationen, die mir Eric gegeben hatte, eisern zu verarbeiten, doch es gelang mir nicht. Müde, eilte ich ins Badezimmer, wo ich auf Shannon traf, die bereits munter ihre Sachen zusammen legte und sich die Zähne putzte.
„Morgen!“, rief sie mir entgegen, als ich den Raum betrat.
„Ja, morgen!“, antwortete ich, gefolgt von einem langen Seufzer.
„Was ist denn mit dir schon wieder los? Jeden Tag siehst du so aus, als hättest du die ganze Nacht gegen Monster und Geister gekämpft!“ Wie wahr, wie wahr. Nur bei mir, waren es Vampire!
„Ach, ich konnte einfach nicht gut schlafen. Und was ist mit dir? Du bist doch sonst so ein Morgenmuffel!“
„Hast du es etwas schon vergessen?“, sagte sie und grinste aufgeregt.
„Was?“, hauchte ich und kratzte mir verlegen am Kopf.
„Heute beginnt für die Knirpse die Schule und wir haben Sturmfrei. Sobald wir also unsere Arbeiten im Haushalt erledigt haben, können wir es richtig krachen lassen!“ Ich lächelte und schaute Shannon dabei zu, wie sie das Radio anschaltete und zu einem Song von Katy Parry auf und ab hüpfte.
„Ja, irgendwie ist das in meinen Gedanken verloren gegangen!“, gab ich zu und hoffte sie würde mich gleichzeitig darauf hinweisen, was wir heute alles überhaupt zu tun hatten!
„Also, schnapp dir einen Besen und einen Lappen und dann auf in die Turnhalle! Denn die muss mal so richtig geputzt werden!“ Ich verleierte die Augen und drückte etwas Zahnpasta aus der Tube.
„Meinet wegen, ich komme gleich nach!“ Und mit diesen Worten, wendete ich mich meinem Spiegelbild zu und lauschte nicht weiter der lauten Musik im Hintergrund.

Nach dem Frühstück, was ich nur mühsam hinter bekommen hatte, eilte ich zur Abstellkammer und versorgte mich, mit allen möglichen Putzutensilien, die zu finden waren.
Shannon wartete bereits auf mich, mit einem verschmitzten Grinsen und war gerade dabei die staubigen Fenster zu putzen.
„Ich dachte immer, die hätten vor unserer Ankunft bereits alles hergerichtet. Doch, wenn wir jetzt die `Putzen` spielen müssen, scheint das ja nicht der Fall zu sein!“, stellte sie fest. Ich nickte nur stumm und wollte ihr gerade bei der Arbeit helfen, als sich eine mir nur all zu bekannte Stimme in mein Gedächtnis bohrte.
„Guten Morgen Alanya, wie geht es dir heute?“ Ich erstarrte und richtete mich langsam auf. Sören stand vor mir und begrüßte mich freundlich mit einem netten Lächeln.
„Gut!“, erwiderte ich leise und wendete mich von ihm ab. Verwirrt, packte er mich am Arm und starrte mir tief in meine Augen.
„Habe ich etwas Falsches gesagt?“ Doch ich schüttelte nur den Kopf und hoffte er würde wieder etwas Abstand zwischen uns bringen.
„Was hast du dann? Ich meine, du redest doch sonst auch mehr als ein Wort!“ Ich zögerte.
„Du hast Recht. Sören, wir müssen uns mal unterhalten!“, sagte ich ernster als gewollt. Nun schaute er nur noch verwirrter in meiner Richtung und wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Also sprintete ich nach draußen und hoffte er würde mir bald darauf folgen, denn vor Shannon, wollte ich diese Frage einfach nicht klären.
„Was beschäftigt dich?“, hauchte er sanft, als er mich eingeholt hatte.
„Nun, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll!“, gab ich kleinlaut zu. Er verschränkte hastig die Arme vor der Brust.
„Sag mir doch einfach offen und ehrlich, was dir auf dem Herzen liegt!“ Ich fasste neuen Mut und tat, was er von mir verlangte.
„Dieser Armreif, den du mir geschenkt hast, wem hat er vorher gehört?“ Sören zuckte mit den Schultern.
„Warum willst du das wissen?“ Ich räusperte mich.
„Weiche meiner Frage nicht mit einer Gegenfrage aus, sondern beantworte sie bitte!“, rief ich und stellte mich ihm nahe gegenüber. Er seufzte und atmete gleichzeitig tief ein.
„Sie gehörte einer alten Freundin. Bist du jetzt zu frieden? Ich habe es von ihr als Geschenk erhalten, damit es mir möglichst viel Glück bringt, doch als ich miterleben durfte, wie oft du in so kurzer Zeit schon verletzt wurdest, naja, da dachte ich mir, du könntest es vielleicht mehr gebrauchen als ich!“ Ich versuchte den Kloß in meinem Hals zu ersticken und etwas zu kontern, doch auf die Schnelle fiel mir nichts ein, ohne mich zu verraten.
„Noch irgend etwas ungeklärt?“, scherzte er und verleierte die Augen.
Ich schwieg. Also setzte er sich erneut in Bewegung und wollte gerade verschwinden, als ich mich endlich zusammenriss und ihn direkt auf mein Problem ansprach.
„Wieso ich?“ Er zögerte und schien mit dieser Frage wohl nicht viel anfangen zu können.
„Was meinst du?“, rief er und wagte wieder einen Schritt in meine Richtung.
„Warum, hast du ihn mir geschenkt und nicht Shannon oder Eloise, denen ebenfalls oft merkwürdige Dinge passieren?! Ich denke da nur an die Scheune und den Angriff, den sie versuchte als Unfall hinzustellen.“ Er stockte den Atem und kramte in seinem Kopf nach einer passenden Antwort.
„Ich mache mir eben Sorgen um dich, reicht das nicht als Antwort?“ Ich verneinte dies. Dann verringerte ich den Abstand zwischen uns und fuhr mit meinen kalten Fingern an seinem Gesicht entlang.
„Wer bist du wirklich?“, hauchte ich sanft. Seine Pupillen erstarrten und ich konnte spüren, wie er sich unter jeder Berührung meiner Hand verspannte.
„Diese Frage könnte ich dir genauso gut stellen!“, sagte er und zog meine Hand von seiner Wange fort.
„Aber…!“, begann ich, doch Sören ließ mich jetzt nicht mehr zu Wort kommen. Er hatte ebenfalls das Recht zu erfahren, was mein Geheimnis war! Zaghaft, glitten seine Finger hinauf zu meinem Pflaster, welches die Bisswunde des Ungei, verbergen sollte. Hastig zog er es ab, so schnell, dass ich nicht reagieren konnte.
„Was soll der Mist?“, fauchte ich und verbarg die Wunde mit meinen Händen.
„Das letzte Mal, als wir uns gesehen haben, war diese Verletzung noch nicht da!“, stellte er, mit wenig Verwunderung in der Stimme, fest.
„Was erlaubst du dir?“, sagte ich ernst und wollte gerade verschwinden, damit keiner sich Gedanken machen musste. Doch er zog mich eisern zu sich heran, presste mich an seine warme Brust und strich vorsichtig über meinen Kopf.
„Was auch immer dir auf dem Herzen liegt, du kannst mir alles erzählen und ich verspreche dir, ich kann dafür sorgen, dass dir keiner mehr weh tut! Ich sehe es, bemerke, wie eingeschüchtert und ängstlich du bist. Jemand scheint dich zu verfolgen, denn allein, würde sich kein Mensch solche Wunden zufügen!“ Langsam löste ich mich wieder von ihm und wischte mir eine Träne aus dem Auge.
„Glaub mir, es gibt nichts, was du für mich tun könntest!“, flüsterte ich und eilte dann davon. Aber ich glaubte noch seine letzten Worte vernommen zu haben, die mich schaudern ließen.
„Ich kann mehr, als du denkst!“
Meine Füße trugen mich in die Halle zurück, wo Shannon schon erbost auf mich wartete.
„Wenn du vor hast, dich vor der Arbeit zu drücken, werde ich das keines Wegs akzeptieren!“, rief sie und warf mir einen Lappen an die Stirn. Ich grinste kurz verlegen und begab mich dann in eine Ecke, wo ich schließlich mit putzen begann und versuchte, dieses unheimliche Gespräch mit einem angeblichen Freund, zu verdrängen.

Nach satten vier Stunden, hatten wir alles bis ins kleinste Detail sauber bekommen. Der Boden glänzte, die Treppe schien ihre natürliche Farbe zurück erlangt zu haben und an der Wand fanden wir, unter all dem Treck, sogar eine Tafel.
„Puh, endlich fertig!“, keuchte Shannon und wischte sich etwas Schweiß von der Stirn.
„Ich dachte schon, dass nimmt nie mehr ein Ende!“, entgegnete ich mit einem Grinsen.
Sie nickte und stimmte mir auf diese Weise zu.
„Lass uns gehen, für heute haben wir alle unsere Aufgaben gemeistert!“, hauchte sie und packte den ganzen Kram zusammen. Mühsam, schleppte sie alles bis zu der Seitentür und drückte anschließend die verrostete Klinke nach unten.
„Du, Alanya…!“, begann sie.
„Was ist?“, fragte ich verwundert und eilte ihr hinter her.
„Du hast nicht zufällig einen Schlüssel, oder?“ Ich dachte kurz nach und schüttelte dann mit dem Kopf.
„Wir brauchten doch auch keinen, um hinein zu gelangen! Die Türen sind immer offen!“, erwiderte ich und schubste sie behutsam zur Seite, um mein Glück selbst zu versuchen. Nichts. Die Holztür, mit einer Milchglasartigen Scheibe, ließ sich nicht öffnen.
„Das darf doch nicht wahr sein!“, stöhnte Shannon und kauerte sich hin. Wütend, fasste sie sich an die Stirn und rieb mit ihren dreckigen Fingern über ihre Schläfe.
„Merkwürdig! Außer Frau Mager, besitzt doch eigentlich keiner einen Schlüssel, oder irre ich mich da? Ich meine, sie wird uns doch wohl kaum hier drinnen einschließen, wenn sie weiß, dass wir in ihrem Auftrag arbeiten?!“
Shannon erhob sich wieder und begann nun wie eine Wilde gegen die Tür zu hämmern.
„Ich will endlich hier raus! Mich nervt diese miefige Halle schon den ganzen Tag, hier riecht es nach alten Socken und jeder Menge Schweiß!“ Ich lachte kurz auf und schnüffelte dann, wie ein Tier in der Gegend herum. Auf einmal stockte ich den Atem.
„Da irrst du dich aber gewaltig!“, rief ich erschüttert und sprintete hastig nach oben, wo sich der Ausgang der Klimaanlage befand.
„Was ist los?“, schrie Shannon und rannte mir nach.
„Riechst du das denn nicht?“ Nun, sog auch sie die Luft wie eine Droge ein und blieb verwirrt stehen.
„Puh, was stinkt hier denn so?“, fragte sie dann und rieb sich ihre Nase.
„Ich glaube kaum, dass es ein Unfall war! Jemand hat uns hier mit Absicht eingesperrt und dieser Geruch ist unverkennbar! Gas!“ Sie lauschte kurz meinen Worten, wurde anschließend extrem nervös und hetzte die Treppe wieder nach unten.
„Aber es dauert doch ewig, bis sich dieser Raum mit einer tödlichen Dosis gefüllt hat!“, stellte sie kleinlaut fest. Ich hingegen, deutete auf die Deckel, direkt über uns, die sich im selben Moment öffneten und ebenfalls das Gas in unsere Richtung leiteten.
„Das wird kein gutes Ende nehmen!“, sagte ich und versuchte einen klaren Kopf zu bewahren. Shannon bekam es jedoch mit der Angst zu tun, schrie, kreischte, schlug beinahe die Tür ein, doch egal, was sie auch versuchte, wir waren gefangen, in einem Raum, der vollgepumpt wurde mit Gas, was uns anscheinend töten sollte.

„Bleib erst einmal ganz ruhig! Hier muss es einen Weg nach draußen geben! Zur Not, schlagen wir einfach ein Fenster ein!“, hauchte ich mit tiefer und sanfter Stimme. Shannon, griff sich verschwitzt an den Kopf und begann mit zittern.
„Du verstehst es nicht, oder? Die Tür ist unser einziger Ausweg, denn alle Fenster wurden durch spezielles Glas ersetzt, damit sie nicht beim ersten Fußballtraining zerspringen!“ Ich schluckte und schnappte mir einen Stuhl aus einem der Räume. Dann, stellte ich mich auf eine Bank und schlug eisern auf die Scheibe ein. Nichts. Nicht einmal eine Schramme, hinterließ mein verzweifelter Versuch, Shannon die Angst zu nehmen.
„Scheiße!“, schrie ich und schleuderte den Gegenstand in die nächste Ecke.
„Hast du dein Handy bei dir?“ Eifrig kramte sie in ihrer Tasche, schüttelte aber dann traurig ihren Kopf und ließ sich schluchzend zu Boden sinken.
„Was machen wir denn jetzt? Keiner wird nach uns suchen, sie alle sind in der Schule oder durch ihre eigenen Arbeiten beschäftigt!“ Tränen kullerten über ihr blasses Gesicht. Zielstrebig, setzte ich mich neben sie und umarmte das verstörte Mädchen.
„Alles wird gut, damit werden sie niemals durchkommen!“

Die Zeit verging und langsam, wusste ich nicht mehr, wie lange wir schon in dieser Halle festsaßen. Der Geruch war intensiver geworden und ein schreckliches Kratzen breitete sich in meiner Kehle aus. Ich begann mit husten, keuchte und schnappte eisern nach Luft. Shannon tat es mir gleich. Irgendwann, lief ich die Treppen erneut nach oben, schnappte mir zwei Handtücher und machte sie nass. Man nutzte diesen Trick oft bei Bränden, doch ob er uns jetzt auch retten könnte, stand in den Sternen. Als ich mich wieder in Bewegung setzte, und zu Shannon nach unten eilte, konnte ich wie in Zeitlupe beobachten, wie meine Freundin hart zu Boden sackte und sich urplötzlich nicht mehr rührte.
„Shannon!“, schrie ich und sprintete die letzten Meter in ihre Richtung. Dann presste ich das nasse Tuch auf Mund und Nase, rüttelte an ihrem Körper und versuchte sie wieder wach zu bekommen. Vorsichtig, öffneten sich ihre Augen und sie musterte mich bedrückt. Dann begann sie mit Husten und ich musste ihr helfen, sich aufzurichten, um nicht an ihrer eigenen Spucke zu ersticken.
„Was soll denn nur aus uns werden?“, keuchte sie, doch ich hielt ihr das Tuch vor den Mund und deutete ihr so nicht weiter zu sprechen. Wir verbrauchten den verbliebenen Sauerstoff einfach viel zu schnell und nicht mehr lange und es würde unser Ende sein.
Schaudernd, spielte ich mit meinen Gedanken. Wenn mich nur Eric hören könnte.
„Eric, bitte hilf mir!“, schrie ich immer wieder innerlich. Mein Blick war starr auf die Tür gerichtet, in der Hoffnung unser Feind würde sich noch erbarmen. Stumm, sauste eine einzelne Träne an Shannons Gesicht hinab. Vorsichtig, nahm ich sie in meine Arme und presste ihren angespannten Körper dichter an mich heran.
„Alles wird gut, irgendjemand wird uns schon retten!“, hauchte ich. Meine Stimme brach ab und ging in ein schweres Keuchen über. Die Luft wurde immer knapper.
Und unsere Hoffnung schwand mit jedem weiteren Atemzug. Ich wusste schon gar nicht mehr, vor was ich mich in dieser Situation am besten ängstigen sollte? Klar, es gab jemanden, der einen Anschlag auf mich verübte und eine Unschuldige mit hinein zog, doch auch Sören jagte mir einen Schauer über den Rücken. Langsam verschwamm alles vor meinen Augen und ich kippte zur Seite. Ich stöhnte, rang eisern nach Luft, die mir nun, jedoch endgültig verwehrt wurde! Ich hatte scheinbar gar nicht bemerkt, dass Shannon schon eine Weile neben mir hockte, mit geschlossen Lidern und kaum einer Regung. Wir waren verloren. Keiner würde kommen, das war mir nun klar!
Zitternd, versuchte ich mich noch einmal gegen das Gas zu wehren, doch es half nichts und schließlich gab ich diesem erdrückenden Gefühl in meinen Lungen nach und schwebte dahin wie eine müde Prinzessin aus den Märchen. Mein Kopf schlug auf dem Boden auf, schmerzte kurz und dann schien es auch schon vorbei zu sein.
Stille umfing unsere Körper. Doch irgendetwas schien diese auf einmal zu unterbrechen. Ich konnte deutlich vernehmen, wie jemand eisern an der Tür rüttelte und alles Menschenmögliche tat, um diese zu öffnen. Kein Zweifel, Eric hatte meine Wünsche nicht erhört. Also, konnte es nur noch unser mysteriöser Feind sein, der versuche mich an sich zu reisen.
Die Tür gab nach und sprang mit einem lauten Knall auf. Ein Husten, verblasste in meinen Ohren, aber die darauffolgenden Schritte, wurden wieder lauter. Eine Person stürmte nach drinnen und zog mich zu sich. Nur schwach, bekam ich mit, dass es sich Gott sei Dank, auf keinen Fall um eines dieser Monster des Ungei handeln konnte.
„Hilf Shannon!“, hauchte ich und deutete zitternd auf das Häufchen Elend direkt neben mir. Der Schatten hetzte hinüber, hustete erneut und brachte sie schließlich nach draußen in Sicherheit.
Da lag ich nun. Allein gelassen, zerrüttelt und gefangen von meinem eigenen Körper, der nicht mehr im Stande war, sich gegen den Gasangriff zu wehren.
Doch der Retter, kehrte zurück, hob mich in seine Arme und eilte an die frische Luft. Stimmen vernebelten meine Sinne. Ich wehrte mich, hegte wieder Hoffnung!
„Alanya! Komm zu dir!“, schrie jemand und presste schließlich seine Lippen auf die Meinen, um mir den lebenswichtigen Sauerstoff einzuflößen. Ich verleierte meine Augen, doch er gab nicht auf. Dann konnte ich spüren, wie seine Hände meine Haut streiften und er mich hastig an sich heranpresste, wie eine leblose Puppe.
„Alanya, bitte!“, wiederholte er immer wieder, bis seine Stimme abbrach und das Schweigen mich fast verrückt machte.
Zitternd, riss ich meine Lider weit auf und starrte in das verzweifelte Gesicht von Sören, der uns Beide so eben aus der Turnhalle gerettet hatte. Sofort, nachdem ich ihn erblickte, stürzte ich weg von ihm und fiel ins Ungewisse. Ich rutschte auf die feuchte Wiese und hielt den Atem erneut an.
„Was ist denn los? Alles wird gut, ihr seid nun in Sicherheit!“, sagte er kleinlaut und reichte mir seine Hand entgegen. Ich schlug sie beiseite, richtete mich überhastet auf und stützte mich wankend an einem der Bäume ab.
„Wie konnte das nur passieren?“, fragte Shannon, die endlich wieder zu sich kam und verwirrt an ihren Kopf griff.
„Keine Ahnung, wer hier Mist gebaut hat. Ich bin nur froh, dass ich es bemerkt und euch schnell da raus geholt habe, sonst hätte das echt böse enden können!“, stammelte Sören und putzte sich den Dreck von der Kleidung.
„Wie meinst du das?“, zischte Shannon und musterte ihn fragend.
„Was?“, rief er verwirrt und hatte anscheinend keine Ahnung, was genau sie von ihm wissen wollte. Also stellte ich meine eigene Vermutung auf.
„Woher, wusstest du, dass wir in Gefahr sind?“, sagte ich heißer und fasste mir kurzer Hand an die Kehle, die so trocken war, als hätte man mir Salz oder Sand eingeflößt.
„Ich habe geklopft, wollte zu euch kommen und fragen ob ihr Hunger habt! Da mir allerdings keiner antwortete, dachte ich es wäre etwas geschehen!“ Er zuckte mit den Schultern und wollte sich mir wieder nähern. Doch ich wich erneut zurück und schrie in Gedanken Eric´s Namen. Endlich, schien er mich erhört zu haben, denn urplötzlich sauste etwas an uns heran und eine Gestalt tauchte zwischen den Bäumen neben uns auf.
„Was ist denn hier los?“, rief er wütend und griff sich sofort Sören, der unwissend auf eine Regung von mir hoffte.
„Wer ist der Kerl?“, fauchte Sören und schubste den Vampir zurück.
„Was vergreifst du dich an Alanya?“, zischte Eric, der nicht einmal wusste, um was es hier ging.
„Eric, schon ok, deshalb habe ich dich nicht gerufen!“, flüsterte ich ihm ins Ohr und löste seine Finger von Sören´s Shirt.
„Was ist passiert, du bist ja völlig bleich im Gesicht!?“, rief er und strich über meine Wange. Das schien Sören allerdings wenig zu gefallen.
„Also Alanya, klär mich auf, wer ist dieser schmierige Idiot?“ Ich zuckte zusammen, als ich seine Worte vernahm und hoffte inständig, dass Eric sich jetzt zu keiner Dummheit hinreißen lassen würde.
„Mein Name ist Eric und ich bin ein guter Freund von Alanya. Und überhaupt, was geht dich das an?“
Sören ballte seine Hände zu Fäusten und wagte sich langsam vor. Shannon, knirschte angespannt mit den Zähnen.
„Ein Freund? Soweit ich weiß, gehörst du nicht zu diesem Institut und ich habe dich vorher auch noch nie hier gesehen. Was bedeutet, du könntest einer der Gründe sein, warum ihr so oft weh getan wird!“ Eric schauderte es und er schien sich im selben Moment womöglich die gleiche Frage zu stellen wie ich: Worauf wollte er hinaus?
„Was meinst du?“, hauchte Eric kleinlaut und wandte sich vorsichtig ab. Doch in diesem Moment, holte Sören auch schon zum Schlag aus und traf meinen Freund mitten im Gesicht. Der Vampir taumelte sehr überzeugend gegen die Mauer der Turnhalle und brach anschließend vor meinen Füßen zusammen.
„Tu nicht so schwach, ich weiß doch was du bist!“, schrie Sören und schickte Shannon durch eine gekonnte Handbewegung fort. Doch sie ließ sich nicht beirren. Hatte ich mich vielleicht gerade verhört? Oder wusste Sören tatsächlich, dass Eric ein….Vampir war?
„Sören…!“, setzte ich an, doch Eric hatte sich schon wieder erhoben und seine kalten Finger auf meine Lippen gelegt.
„Dachte ich es mir doch, ich bin eben viel zu leicht durchschaubar, nicht wahr Kleines?“ Und mit diesen Worten, küsste er mich so leidenschaftlich, wie er es nur in meinen Träumen wagte. Seine Zunge spielte mit meinem Gaumen und stimulierte diesen, bis sich ein zufriedenes Gefühl in meiner Magengegend breit machte. Doch was wollte er mit diesem Auftritt bezwecken?
„Ich weiß, was ich bin und ich werde es keines Wegs mehr vor euch beiden geheim halten!“ Meine Augen leuchteten, als er eisern Luft holte und sein großes Geheimnis der Welt offenbaren wollte. Doch war sie dafür auch schon bereit.
„Eric, nicht!“, stöhnte ich und legte meine Hand auf seine Schulter.
„Ich weiß, dass ich ein riesen Arschloch bin und Alanya in der Vergangenheit vor meinen Kumpels nicht angemessen schützen konnte. Doch glaub mir eins, ich bin hier nicht derjenige, der seine Karten nicht offen präsentiert und mit ihr ein gemeines Spiel treibt, also sollte wohl eher, ich dich fragen, wer oder was du bist und warum du so viel Interesse an ihr hast?!“ Sören dachte kurz nach, zog dann seine Kleidung gerade und wendete sich von uns ab.
„Lügner, werden früher oder später all jene in den Tod reisen, die sie lieben, wusstest du das Eric?“ Eric verspannte sich und biss die Zähne zusammen. Ich konnte seine Wut genau spüren, doch er schaffte es sich zu zügeln und vor Shannon und Sören, den zerbrechlichen und arroganten Freund raushängen zu lassen.
„Verschwinde lieber, oder ich melde deine Anwesenheit Frau Mager, die wird sicher die Polizei holen, weil Unbefugte auf diesem Grundstück nichts zu suchen haben! Und wenn sie von Alanya´s Wunden erfährt, wird man dich möglicherweise sogar verhaften!“ Mit diesen Worten zogen Sören und Shannon von Dannen und ließen uns beide wie ein paar Verrückte vor der Turnhalle stehen. Erbost über so freche Worte von einem Menschen, hämmerte Eric mit seiner Faust auf die Mauer ein und zerstörte diese mit nur einem Schlag.
„Du bist stärker!“, hauchte ich erschrocken und gleichzeitig erstaunt.
„Was ist vorgefallen?“, wollte er lieber wissen und stupste mein Kinn nach oben, um in meiner Seele lesen zu können.
„Ein Gasanschlag in der Turnhalle, nur Shannon und ich waren dort. Jemand hat uns eingeschlossen und wenn Sören nicht gekommen wäre…!“ Ich stoppte, den Rest konnte er sich auch denken.
„Verstehe!“, murmelte er und zog mich fest an sich heran. Dann streichelte er an meinem Gesicht entlang und spielte mit meinen Haaren.
„Du warst jagen, habe ich nicht Recht?“ Er nickte und leckte mit seiner Zunge über seine Fänge, die hervorschossen, als er mich näher betrachtete.
Fasziniert, berührte ich sie, mit meinem Finger und umarmte ihn dann wie meinen Liebsten, der er ja eigentlich nicht war.
„Was glaubst du? Sollten wir uns um Sören Sorgen machen? Ist er mein Feind?“ Eric schüttelte mit dem Kopf und fummelte an seinem Oberteil herum.
„Er ist weder ein Vampir, noch ein anderes `für dich`, gefährliches Wesen!“, meinte er und setzte sich in Bewegung.
„Warum, hast du das `für dich` so betont? Könnte er etwas gegen Vampire ausrichten?“ Eric nickte schwach und deutete auf die Eingangstür zum Haupthaus, die nicht mehr weit entfernt war. Dort stand er noch immer und beobachtete, jeden unserer Schritte.
„Was ist er dann?“, sagte ich leise, weil ich fürchtete, er könnte uns hören.
„Ich vermute, er ist einfach in die falsche Familie hineingeboren wurden!“ Ich zögerte, doch meine Neugierde, wurde nur noch größer.
„Wie meinst du das?“, fragte ich sanft.
„Ich bin mir noch nicht sicher, aber ich glaube, dass er ganz genau weiß, an was für einem gefährlichen Ort wir uns befinden, wer du bist und was ich versuche zu verbergen!“
„Du meinst? Er hat herausgefunden, dass du ein Vampir bist? Gut, die Bisswunden, waren zwar kaum zu übersehen, aber…!“ Wütend fuhr Eric herum.
„Du hast sie ihm gezeigt?“, keuchte er und schnappte wütend nach Luft.
„Es ist einfach geschehen!“, gab ich zu und versuchte ihn zu beruhigen.
„Was auch immer, von nun an, werde ich dich auf jeden Fall schützen können, denn ich habe mich endlich an genügend Blut gelabt.“ Das klang scheußlich und innerlich drehte sich mir, bei diesem Gedanken der Magen um.
„Dann verschwinde ich mal lieber, damit er seine Drohung nicht doch in die Tat umsetzt. Sag ihm, dass es zwischen uns aus ist und es nur ein kleiner Flirt war, ok?“ Ich nickte und fuhr über seine Brust. Schließlich, rannte er los und ließ mich allein zurück.
Meine Lunge hatte sich schon etwas daran gewöhnt, die saubere Luft einzusaugen, wie ein Staubsauger das sonst mit dem Dreck der Wohnung tut. Doch Sören, drängte mich dennoch zur Krankenschwester zu gehen, wo er Shannon bereits abgeliefert hatte. Ich erklärte ihm, eine plausible Geschichte und versuchte etwas in seinem Gesicht lesen zu können. Doch seit den letzten Tagen, hatte er kaum noch Emotionen oder Regungen gezeigt, was mir Angst einjagte. Was stimmte nur mit diesem Jungen nicht? Und warum war sich Eric so sicher, dass er mir nichts tun würde? Vielleicht, wollte er sich durch diese Heldentat auch nur mein Vertrauen erkaufen? Wäre doch möglich, oder war ich schon so paranoid, dass ich die Wirklichkeit nicht mehr erkennen konnte? Wie auch immer, in seiner Nähe fühlte ich mich sicher und gefährdet zu gleich. Die Geheimnisse dieses Hauses, der Klippen und der Menschen, die hier zwischen den Wänden umherschlichen und immer wieder auf eine Gelegenheit hofften, mich angreifen zu können, wurden immer schlimmer und uneinsichtiger. Langsam, drehten sich meine Gedanken und ich schien diesen gesamten Ort immer weniger verstehen zu können. Aber eines Tages, dessen war ich mir sicher, würde ich endlich alle Rätsel lösen und frei sein, wie ich es mir auch in diesem Moment wünschte!


Kapitel 6: Tödliche Klippen




Zitternd, erwachte ich aus meinem recht kurz, verlaufenen Schlaf. Wie schon die letzte Nacht, konnte ich auch heute wieder kaum ein Auge zu tun. Müde, schüttelte ich den Kopf und fuhr mir durch die Haare. Entweder ich hatte Träume, wo Blut die Wände einfärbte, oder ich dachte an ihn, wie er mich an sich drückte, küsste und mir das geben wollte, wonach ich mich durch sein Blut schon so lange sehnte.
Wütend, ballte ich meine Hände zu Fäusten und hämmerte damit gegen die Wand. Die Ärztin zu welcher mich Sören nach der Gasattacke geschickt hatte, konnte nichts außergewöhnliches erkennen, doch Eric wusste, welche Narben sich unter meiner Haut wirklich befanden. Warum nur wollte und konnte, ich mich an nichts dergleichen erinnern?
Zaghaft, suchte ich den Lichtschalter und setzte mich dann auf. Zu meiner eigenen Überraschung, schaltete ich den kleinen Fernseher an und suchte ein passendes Programm. `My Bloody Valentine` mit Jensen Ackles in der Hauptrolle, lief gerade auf Pro Sieben. Doch so sehr mich der Film auch faszinierte, ich schaffte es nicht mich zu überwinden und ihn mir anzusehen, weil es in meinem realen Leben schon genug schreckliche Dinge gab.
Die restlichen Stunden versuchte ich alles zu verdrängen, was mich beherrschte und ich schaute nur noch auf die flimmernde Kiste und hoffte, dass bald die Sonne aufgehen würde.

Heute stand ein Ausflug mit einer Jugendgruppe an. Sören ignorierte mich, wie gehabt, seit dem Tag, als er Eric das erste Mal begegnet war. Ich hoffte, irgendwann würde diese blöde Angelegenheit vergessen werden, oder durch einen Zufall verfliegen. Auch von Max, hatte ich schon seit einer Woche recht wenig gehört. Mir schien es fast so, als würden sich alle von mir fern halten. Traurig, senkte ich meinen Kopf und eilte den beiden Jungs nach. Ein paar kleinere Kinder, folgten uns munter.
„Frau Mager hat veranlasst, dass wir euch Knirpsen, heute etwas wirklich cooles zeigen sollen. Doch bevor wir den recht schwierigen Weg beschreiten, müsst ihr uns versprechen, keinen Schritt ohne unsere Anweisung zu wagen!“, sagte Sören und deutete auf Max, der in der Nähe der Klippen stand. Ich schluckte hart und wartete auf seine nächste Bewegung.
„Heute, werden wir euch einen kleinen, abgelegenen Strand zeigen, den ihr aber nur betreten dürft, wenn euch jemand von den Älteren begleitet!“
Vorsichtig, wagte Max seinen ersten Schritt und eilte dann einen engen Weg hinab. Er war nicht gerade einfach zu beschreiten, aber immerhin, schien keiner außer mir damit ein Problem zu haben. Sören warf mir kurz einen Blick zu und ließ mich dann einfach allein zurück. Er beachtete mich nicht mehr und bildete, so zu sagen den Schluss der kleinen Gruppe, damit auch keiner verloren ging. Mit winzigen Schweißperlen auf der Stirn, trottete ich ihnen hinterher, wie ein scheues Reh, das seinen Abstand und sein eigenes Revier benötigte. Ihre Stimmen verblassten, sie waren einfach zu schnell für meine tollpatschigen Beine. Meine Hand, streifte über feuchtes Moos, welches die Steinwand in Farbe tauchte und das allgemeine Grau vertrieb. Meine Augen fixierten den Boden, jeder Schritt musste genauestens überlebt sein! Als ich mit meinen Fingern an einer kleinen Unebenheit angelangt war, erschrak ich beinahe zu Tode. Mein Herz setzte einen Moment aus und ich starrte wie gebannt, auf einen großen Spalt in der Wand, der sicher noch mehr verbarg, als er mir zu zeigen schien. Ich erinnerte mich, nur an was? Wütend über meine eigene Dummheit, biss ich mir auf die Unterlippe, bis ich Blut schmeckte. Wieso konnte ich mich nicht erinnern und sah nur, all diese verwirrenden Fetzen von Bildern in meinem Kopf? Forschend, schaute ich in die Höhle hinein, konnte aber in der vorliegenden Dunkelheit nicht viel erkennen. Ich musste es endlich wissen! Was war genau an diesem Ort geschehen und warum fürchtete sich meine Seele so sehr davor, zurück zu schauen? Zitternd, kroch ich hinein und leuchtete mit meinem Handy die Wände an. Nichts. Die Stille verschlang meinen Körper, genau wie die Finsternis, die kein Licht eindämmen konnte. Nun, war ich schon so lange hier gefangen und hatte doch noch so viele Fragen, auf die mir keiner eine Antwort liefern würde!
„Eric!“, hauchte ich benommen und sank zu Boden. Relativ, am Anfang, hatte er es mir doch angeboten, mehr über die Dinge zu erfahren, doch ich wollte damals keines seiner Worte vernehmen. Vielleicht, war es jetzt endlich an der Zeit, ihn noch einmal darum zu bitten und meine Gedanken neu zu ordnen.

Abgekämpft, erreichte ich das Haupthaus des Grundstückes und ließ mich müde auf mein Bett fallen. Später, würde ich ihn aufsuchen und Fragen stellen. Später, nachdem ich mir eine verdiente Mütze Schlaf geholt hatte.

Ich war allein, verloren in der Dunkelheit der Hölle. Die lodernden Flammen, schienen erloschen zu sein, denn sie konnten mir nicht den Weg zeigen. Ich suchte meine Seele, meinen Geist, meine Vergangenheit. Jegliche Hoffnung, staute sich in mir an und ich fragte mich innerlich, wann ich endlich in die Welt hinausschreien könnte, was mir wiederfahren war.
Düstere Schatten, schlichen umher. Sie versteckten sich hinter den Bäumen, eilten zischend an mir vorbei und griffen nach meinen Gliedern. Sie wollten mich besitzen, mich gefangen nehmen, wie unser mysteriöser Gegner. Doch in ihnen brodelte neben Sehnsucht, auch noch der mir nur all zu bekannte Hass und er würde mich zerfetzen und sie in meinem Blut ertränken. Hatte ich ihnen vielleicht Unrecht getan? Waren sie deshalb hinter mir her?
Zielstrebig, trieben sie mich auf die Klippen zu. Ich wusste nicht, wie mir geschah, doch plötzlich, war der Abgrund direkt vor meinen Füßen. Ich flehte, bangte, doch nichts konnte mein Schicksal jetzt noch ändern. Ich war eine Gefangene meiner eigenen Bestimmung und das Unglück schien sich so lange zu wiederholen, bis ich mich endlich erinnern würde. Ihre Hände, mit langen, scharfen Krallen, schnitten in meine Haut. Ich schrie. Blut spritzte durch die Luft, blieb aber grau, wie die Finsternis, die uns umragte und ihnen Macht verlieh. Eines der Wesen trat schließlich vor mich und das Ende nahm seinen Anfang. Ein leichter Druck auf meiner Schulter ließ mich taumeln und man entriss mir den Boden unter den Füßen. Ich fiel, stürzte hinab in die gähnende Tiefe, die mich verschlingen würde. Das Meer, könnte tatsächlich begraben, was schon lange nicht mehr in die Welt der Lebenden gehörte – mein Leid.



Keuchend, erwachte ich und schüttelte meine Beine, wie ein aufgebrachtes Kind. Was für ein schrecklicher Traum! Schon wieder, brachte eine kranke Erinnerung mein Herz zum Beben. Jetzt reichte es! Ich wollte zu ihm! Dennoch, war es weniger ein Wunsch, als ein Verlangen! Zielstrebig, setzte ich mich auf, zog mir meine Schuhe an und sprintete nach unten. Die Treppe knarrte fürchterlich unter meinem Gewicht und schien zu zerbersten. So zumindest, beschrieb es mir der Ton, den sie von sich gab. Als ich an der Tür angelangt war und sie gerade öffnen wollte, drückte eine Hand sie wieder zu und eine Person stellte sich vor mich.
„Wo willst du denn noch mal hin? Es gibt bald Abendbrot!“, hauchte Sören und musterte mich mit sanftem Blick.
„Nur ein wenig an die frische Luft. Bin, zum Essen sicher wieder da!“, entgegnete ich und versuchte mich an ihm vorbei zu drängen. Doch er ließ es nicht zu und hielt mich mit all seiner Kraft zurück.
„Alanya, du verstehst es vielleicht nicht, aber wir alle machen uns Sorgen um dich. Seid wir hier angekommen sind, benimmst du dich extrem merkwürdig und mit jedem neuen Tag, scheinst du trauriger zu werden. Du steckst ständig in Schwierigkeiten und von deinen Verletzungen, will ich gar nicht erst anfangen!“ Ich zuckte mit den Schultern.
„Dann lass es doch einfach und misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein!“, sagte ich stur und packte sein Hemd am Kragen. Erbost, zerrte ich wie eine wilde Katze daran herum und schaute ihm dabei verbissen in die Augen.
„Lass mich durch!“ Doch er schüttelte nur wehmütig mit dem Kopf, machte eine flüssige Handbewegung und rief sich einen Freund als Verstärkung dazu. Plötzlich, wurde ich von zwei starken Händen gepackt und einfach in die Arme eines Jungen gehoben.
„Na Cherry, ist auch alles ok bei dir?“, rief Max und grinste mich verlegen an.
„Nichts ist ok, ich fühle mich in diesem Haus wie eine Gefangene!“, brummte ich und schlug mit meinen Händen um mich. Doch Max blieb ruhig und brachte mich zurück auf mein Zimmer. Sören folgte ihm und schloss hinter sich die Tür, nachdem mich der Jugendliche abgesetzt hatte.
„Lasst den Unsinn und macht auf!“, kreischte ich und hämmerte wie besessen dagegen.
Nichts. Sie schenkten mir keine Antwort mehr und ließen mich schmoren.
„Und wie soll ich jetzt etwas Essbares zu mir nehmen?“, fragte ich heißer und tat auf verwundetes, besiegtes Mädchen. Diese Strategie, schien den Beiden doch recht nahe zu gehen und sie fielen tatsächlich auf meinen Trick herein.
„Ich werde dir gleich etwas vorbeibringen, da musst du nicht die gesamte Zeit über, die Ruhe in diesem Haus zerstören!“, meinte Sören und öffnete den Weg in die Freiheit. Eifrig stürmte ich auf ihn zu, doch er war nicht dumm und hatte mich, noch ehe ich auch nur ein Wort sagen konnte, wieder über seine Schulter geworfen und zurück gebracht.
„Verstehst du es denn nicht? Da draußen lauern die schlimmsten Gefahren überhaupt und du lieferst dich ihnen einfach so aus.“ Max lachte und gesellte sich nun ebenfalls zu uns.
„Ich habe zwar keine Ahnung, worum es genau hier geht, aber ich finde, du solltest auf Sören hören. Auch ich habe bemerkt, wie du die Klippen betrachtest, nach schrecklichen Nächten, Tränen aus den Augen vertreibst und einfach nicht weiter weißt. Sag uns doch einfach, was dich beschäftigt und wer weiß, vielleicht sind wir in der Lage dir zu helfen.“ Seine Stimme brach ab und er strich sich elegant wie immer, seine dunklen Haare zurück.
„Max, sei mir nicht böse, aber lass uns bitte kurz allein!“, sagte Sören und hoffte inständig, er würde sofort das Zimmer verlassen, ohne Fragen zu stellen. Und tatsächlich, senkte der Schönling seinen Kopf und schleppte sich mit einem Knurren nach draußen.
„Aber wehe, ihr lästert über mich. Solche Spielchen kann ich gar nicht leiden!“, scherzte er und schloss die Tür hinter sich.
„Was?“, fauchte ich wütend, als wir endlich allein waren.
„Alanya, bist du denn wirklich so blind, dass du nicht einmal erkennst, wer sich in deiner unmittelbaren Nähe aufhält?“ Geschockt, dachte ich nach und blieb nur bei meinem mysteriösen Liebhaber und Feind stehen. Nun fürchtete ich mich vor Sören, weil ich glaubte, er würde davon wissen, oder diese Person womöglich selbst verkörpern.
„Dein Freund Eric ist brutal, blutrünstig und unverschämt!“
„Ja, ich weiß er ist ein Idiot, aber immerhin, war er für mich da, als ich jemanden brauchte!“, antwortete ich.
„Das meinte ich nicht. Hast du überhaupt eine Ahnung, wozu er im Stande ist?“ Ich schluckte.
„Worauf willst du hinaus?“ Sören lächelte sanft und zog einen silbernen Dolch unter seinem Oberteil hervor. Verwirrt, wich ich zurück, doch er zerrte mich wieder näher an sich heran.
„Ich sagte euch beiden schon einmal, dass ich weiß `was` er ist!“ Ich erstarrte. Augenblicklich, schien meine Kehle wie zugeschnürt und ich schaffte es kaum zu atmen.
„Dein geliebter Freund Eric ist ein leibhaftiger Vampir und er wird nicht eher ruhen, bis sein Opfer tot ist. Und dieses Opfer, stellst du dar!“ Wütend, hob ich meine Hand und noch ehe ich verstehen konnte, was ich da eigentlich bereit war zu tun, knallte es auch schon und ein roter Fleck zeichnete sich auf Sören´s Wange ab. Zischend, packte er meine Hand und drückte sie wieder nach unten, dann rieb er sich über die Haut und presste mich vorsichtig an sich.
„Hab keine Angst, ich weiß genau, wovon ich rede und er ahnt bereits, wer ich bin!“ Mein Herz setzte einen Moment lang aus.
„Du bist dieser kranke Mistkerl!“, stöhnte ich und versuchte ihm zu entfliehen, doch sofort schüttelte er seinen Kopf und meinte: „Ich bin nicht der, für den du mich gehalten hast. Eric selbst, hat es nicht einmal in Erwägung gezogen, mich für deinen Feind zu halten, weil ich jemand bin, der für den Schutz der Menschen gegenüber den Vampiren kämpft!“ Jemand der gegen Vampire kämpft?
„Bist du etwa ein…?“ Ich räusperte mich, erhielt allerdings meine Stimme nicht zurück.
„Ja Alanya, ich bin ein leibhaftiger Jäger des Übernatürlichen und in erster Linie, töte ich Vampire, die Menschen zu nahe kommen. Und wenn ich dich so betrachte, hat Eric für meinen Geschmack schon genug Spuren hinterlassen!“ Ich weigerte mich das zu glauben. Sören, sollte ein Vampirjäger sein? Nein, er machte mir hier doch nur etwas vor, um sich mein Vertrauen zu erschleichen, oder? Vielleicht aber meinte Eric genau das, als er sagte: „Er stellt für dich keine Gefahr dar, nur mir gegenüber könnte er unangenehm werden!“ Schweigend brachte ich wieder etwas Abstand zwischen uns. Das musste ich erst einmal verdauen. Vor meinen Augen drehte sich alles und mein Kopf brummte, als hätte ich ihn mir irgendwo angestoßen.
„Alanya, hab bitte keine Angst vor dem, was ich tue. Mein einziges Ziel ist es, dich zu schützen, weil du mich an jemanden erinnerst, den ich vor langer Zeit verloren habe!“ Sanft, strich er mit seiner warmen Hand an meiner Wange entlang.
„Nicht!“, hauchte ich und stieß ihn von mir. Verwundert musterte er mich. Scheinbar hatte Sören mit so einer Reaktion am wenigsten gerechnet.
„Alanya, was…?“ Doch mehr konnte er nicht sagen, denn ich hetzte augenblicklich nach oben und sprintete eisern an ihm vorbei. Meine Beine schienen mich über jedes Hindernis bringen zu können, denn sie brachten mich nicht einmal zu Fall. Keuchend, knallte ich die Tür hinter mir zu und dachte anschließend kurz nach, was ich eben getan hatte. Ich war geflohen, schon wieder! Ich wollte es einfach nicht wahr haben und Eric warnen. Ihm durfte nichts geschehen, denn wenn ich den Worten, unseres Feindes Glauben schenken durfte, wären alle Menschen hinter diesen Wänden in Gefahr, wenn nur einer von uns, nicht seinem Spiel folgen würde oder könnte. Außerdem fürchtete ich mich vor dem Zorn eines Vampires. Sicher würde er versuchen Sören zu töten, denn er war sein natürlicher Gegner und möglicher Schwachpunkt. Er kannte sein Geheimnis, nur meines blieb nach wie vor im Verborgenen.

Meine Schritte wurden größer und ich setzte mich wieder in Bewegung. Sören hatte es anscheinend aufgegeben mir zu folgen und sich im Haus nieder gelassen, um über alles nachzudenken. War es eine richtige Entscheidung mir so etwas zu erzählen? Ich stutzte und blieb inmitten des kleinen Waldstückes kurz stehen. Heute Nacht war es kalt und ich nur leicht begleitet. Meine Haare stellten sich auf und meine Haut demonstrierte mir, dass sie dieses Wetter überhaupt nicht mochte. Dabei mussten es noch, so um die 14 ° C sein. Was aber, wenn mein Körper nicht auf die Luft, sondern auf etwas anderes reagierte? Im selben Moment, zischte ein Schatten direkt an mir vorbei und ich erschrak. Ängstlich, wich ich zurück und versuchte etwas zu erkennen. Vielleicht nur ein Reh, redete ich mir ein. Wieder ein Knacken, dieses Mal direkt hinter mir. Das konnte kein Tier sein, da war ich mir sicher. Zitternd sprintete ich auf die nächste Lichtung zu. Ich wollte zurück zum Haus, wo ich Licht hatte und meine Verfolger sehen könnte. Plötzlich durchrangen Stimmen meine Seele. Sie nuschelten, hauchten, keuchten, fluchten und immer wieder vernahm ich meinen Namen und ein und dasselbe Ziel: „Tötet sie!“ Verwirrt, drehte ich mich um die eigene Achse. Sie waren überall, es schien wie in meinem Traum zu sein, nur echter als gewollt.
„Holt sie euch!“, rief einer der Schatten und sie streckten ihre Finger nach mir aus. Menschliche Hände, mit scharfen Krallen, die mich zu fassen bekamen. Ich wollte fliehen und riss mich los. Ein stechender Schmerz kämpfte sich durch meine Glieder. Blut spritzte durch die dunkle Nacht, bekam aber keines Wegs die Aufmerksamkeit, die ihm zu Teil werden müsste. Es blieb grau und langweilig, als wäre es nur Wasser, was warm zu Boden glitt.
„Lasst mich in Ruhe! Nein!“, schrie ich und eilte an einigen von ihnen vorbei. Doch immer wieder jagten sie mir nach, drängten mich in die Enge und machten genau wie er, ein Spiel aus meiner Angst und meinen Befürchtungen. Warum wurde mein Traum wahr? Wieso musste ich so leiden? Hätte es danach vielleicht ein Ende, wenn ich es geschehen lassen würde? Für einen Augenblick, siegte die Stille und ich vernahm lediglich das Rasen meines Herzens, was mich beinahe den Verstand kostete.
„Eric!“, flüsterte ich und streifte mit meinem Arm einen Baum und dessen raue Rinde, die meine Haut zerschnitt, als wäre sie aus Butter. Ich konnte nicht mehr. Das Stechen in meiner Seite, sagte mir ich solle endlich aufgeben. Doch erst jetzt bemerkte ich, dass ich ihrer Falle nie entkommen konnte. Wie ich es zuvor bereits gesehen hatte, fand ich mich nun an den Klippen wieder und lauschte dem aufbrausenden Meer, welches bereits meinen Namen rief.
„Jetzt tötet sie endlich, bevor er sich wieder einmischt!“ Mit ihm? Meinten sie da etwa Eric? Sören oder den Fremden, der mir ebenfalls schon einmal das Leben gerettet hatte? Aber vielleicht war ich es auch in Gottes Augen nicht Wert zu überleben. Das Einzige, was mich kämpfen und hoffen ließ, war die Angst, durch mein Scheitern auch andere Menschen ins Unglück zu stürzen.
Langsam konnte ich ihre bleichen Gesichter erblicken. Einige hatten Waffen in den Händen, die sie fest umklammerten und auf mich richteten. Das war mein Ende. Und wieder drängten sich seine Worte in meine Gedanken:

Wenn sich die blutrote Sonne, in dem Wasser des Meeres spiegelt und dich die Schatten an den alten Klippen umragen, stellt sich dir nur noch eine Frage: Wirst du springen um zu vergessen oder um zu überleben?



Ich atmete auf und versuchte mir selbst eine Antwort zu schenken, doch ich fand sie einfach nicht. Es gab im Gegensatz zu seiner Vermutung keine Sonne, nur einen hellen Mond, der meine Angreifer leicht verunsicherte. Da waren Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder, sie alle schienen besessen und innerlich zerstört von dieser Insel. Doch wo kamen sie alle so plötzlich her? Die nächste Stadt war weit entfernt und hier schien es keinen weiteren Ort zu geben, wo man leben könnte. Wer waren diese Namenlosen, nach denen keine Gesellschaft suchte? Und konnte es vielleicht möglich sein, dass ich zu ihnen gehörte oder sie meinet wegen so wütend waren?

„Jetzt wirst du endlich sterben und wir erlangen unseren Frieden! Es ist zwar gegen seinen Willen, doch lieber nehmen wir dich mit in unser Grab, als noch einmal einen so schrecklichen Fehler zu begehen!“, sagte einer der Männer. Er trat vor mich und ich kauerte mich auf die kühlten Steine, direkt unter meinen Füßen. Ich zitterte am ganzen Körper als er mich berührte, doch dann erblickte ich seine treuen und feuchten Augen und jegliche Angst verflog. Bilder sausten mir durch den Kopf. Ich kannte diesen Mann, seine Haltung, seine Stimme, die Art, wie er mich betrachtete und wie er kurz vor meinem Ende meinen Namen aussprach.
„Wer seit ihr?“, fragte ich vorsichtig und richtete mich auf. Nun wurde es unruhig und die Schatten nahmen endlich Gestalt an. Es waren Menschen, die von irgend etwas gesteuert wurden. Eine Krankheit? Waren sie etwa alle diesem Monster zum Opfer gefallen?
„Was hast du gesagt?“, fauchte er, doch seine Stimme klang nicht so ernst, wie er es gerne ausgedrückt hätte.
„Woher kenne ich euch?“, rief ich mit leeren Augen und führte meine Hand langsam auf seinen Körper zu. Für einen winzigen Moment, senkte er seinen Dolch und starrte mich nur schweigend an. Doch spätestens, als die anderen unruhig wurden und ihn aufforderten seiner Aufgabe nachzugehen, verfinsterte sich wieder seine Miene und er beendete, was genau hier begonnen hatte.
„Die Klippen, welche dir einst die Freiheit schenkten und uns in die Sklaverei schickten, werden dir nun dein Leben nehmen, wie es schon immer hätte sein sollen.“ Und mit diesen Worten, spürte ich einen sanften Druck an meinen Armen und er stieß mich in die Tiefe.
Ich flog, war frei wie ein Vogel und das zum ersten Mal in meinem so kurzen Leben. Ich breitete meine Arme aus und segnete das Meer, was mich verschlang. Ich schlug hart auf der Oberfläche auf und wurde sofort nach unten gerissen. Ich hatte der Strömung nichts entgegen zu setzten. Wasser bahnte sich einen Weg in meine Lunge. Ich begrüßte es, genauso wie den Tod. Der Mond zeigte mir, wie weit ich mich von der rettenden Oberfläche entfernte und ich ließ es einfach geschehen, ohne zu kämpfen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich dazu nicht in der Lage war. Das Meer spielte mit mir, als sei ich eine schwache Puppe und schleifte meinen Körper auf dem Grund umher. Ich prallte gegen Steine, Korallen und andere undefinierbare Gegenstände, die mir noch zeigten, dass ich am Leben war. Und als ich gerade meine Lider schließen wollte, konnte ich erkennen, wie etwas neben mir in die Fluten sprang und meine fleischliche Hülle an sich riss. Dann wurde alles schwarz, genau wie die Tiefe, die mich zu sich holte.

„Alanya!“, schrie eine Person.
„Alanya, bitte wach auf!“, wiederholte er erneut. Doch ich blieb reglos liegen. Zu viel Wasser hatte sich in meinem Körper gesammelt. Ich wollte nicht gerettet werden! Ich hatte mich der Freiheit, die mit dem Tod verbunden war, bereits hingegeben und war mit diesem Tausch einverstanden. Mir war nun klar, dass ich sterben müsste, um endlich glücklich zu sein.
„Mach die Augen auf, Kleines!“, keuchte er und beugte sich über mich. Ich konnte seine Nähe spüren. Unsere Körper berührten sich und schließlich fühlte ich seine Lippen auf den Meinen und er pustete mir, die rettende Luft in meine Lunge. Nichts. Ich reagierte nicht auf seinen verzweifelten Versuch. Er war nicht zu spät gekommen, er konnte einfach nichts gegen meine Entscheidung tun. Doch da irrte ich mich gewaltig. Denn statt meinen Tod hinzunehmen und mir die letzten Sekunden der Ruhe zu schenken, versuchte er es erneut und seine Luft bahnte sich wie das Wasser zuvor, ihren Weg bis zum Ziel. Ich spürte, wie die Flüssigkeit meine Lunge verlassen wollte und schließlich spuckte ich diese salzige Brühe aus. Ich würgte und hustete. Vorsichtig zog er mich zu sich heran und hob meinen Kopf, damit ich nicht an dem Salzwasser erstickte. Als nichts mehr kam, öffnete ich langsam die Augen und schaute mich verwundert um. Eric hockte über mir und zwinkerte mir munter zu. Er war gerade dabei sich in den Arm zu Beißen und meine Wunden zu versorgen, als ich ihn aufhalten wollte, doch er ließ mich nicht zu Wort kommen. Fasziniert beobachtete ich den Vorgang. Seine Fänge bohrten sich in sein Handgelenk, er leckte darüber, nahm das Blut in seinem Mund auf und beugte sich dann über mein Gesicht. Behutsam strich er durch mein Haar und legte seine Lippen auf die Meinen. Schließlich schmeckte ich sein Blut, das sich durch meinen Kreislauf zog und alles wiederbelebte, was schon verloren schien. Meine Wunden begannen mit heilen und ich fühlte mich, mit jeder verstrichenen Sekunde besser.
„Gott sei Dank, bist du noch am Leben. Ich bin genau nach dir gesprungen, ich dachte dieser Mistkerl würde persönlich auftauchen und seine Marionetten zurück rufen. Dummerweise, was es selbst für mich schwer, gegen die Fluten anzukommen!“ Hastig legte ich meinen Zeigefinger auf seinen Mund und starrte ihn an. Verwundert, wollte er mich fragen, was mich beschäftigte und so platzte es einfach aus mir heraus.
„Sören ist ein Vampirjäger und er möchte dich töten!“, rief ich schwach. Eric grinste und liebkoste mich.
„Und deshalb machst du dir Sorgen? Du wärst gerade beinahe gestorben! Und dennoch hast du mehr Angst um mich? Wie süß…!“ Seine Stimme brachte mein Herz zum Beben.
„Ich will weder, dass dir etwas geschieht, noch dass du ihn zum Schweigen bringst!“ Er lachte und hob mich hastig in seine Arme. Die Wärme die auf einmal von seinem Körper ausging, fühlte sich an wie die Geborgenheit, die ich mir stets wünschte.
Ich schaffte es anfangs nur mit Mühe seinen Schritten mit meinen Augen zu folgen, doch irgendwann gab ich auf und schlief einfach ein.

Ein Streit, weckte mich aus meinem langen Schlaf. Ich konnte sie genau hören und sofort jagten mir ihre Stimmen einen Schauer über den Rücken.
„Wie konntest du ihr nur so etwas antun, Vampir? Ich wusste, sie würde verletzt zurückkommen, als sie nach draußen wollte um dich zu sehen!“ Hastig richtete ich mich auf und musste die Auswirkungen des Vampirblutes in Kauf nehmen. Für einen Moment drehte sich alles vor meinen Augen, doch zumindest hatte ich erst einmal ihre Aufmerksamkeit.
„Alanya, bitte bleib liegen!“, keuchten beide gleichzeitig.
„Hört endlich auf euch zu streiten!“, fauchte ich wütend und wagte mich aus dem Bett. Doch so wie ich die Decke zur Seite strich und meinen ersten Fuß auf den kühlen Boden setzte, sackte ich auch schon zusammen. Eric reagierte am schnellsten, was mich nicht einmal überraschte, denn er war ja ein Vampir und fing mich auf.
„Was machst du denn?“, schrie er und legte mich zurück auf meine weichen Kissen.
„Bitte tötet euch nicht gegenseitig. Das bin ich nicht wert!“ Meine Stimme brach ab und ich neigte meinen Kopf traurig in Richtung Wand.
„Sag doch nicht so etwas. Ich hatte nicht vor, diesen Bastard zu ermorden. Ich war nur so erbost darüber, dass der Idiot nicht rechtzeitig gehandelt hat und noch abwarten wollte, ob sich dieser mysteriöse Typ vielleicht zeigt. Eric hat dein Leben über seine Rache gestellt und das ist nicht korrekt!“
„Wie oft soll ich es eigentlich noch sagen? Es war dumm von mir zu glauben, dass Alanya nichts passieren würde!“ Sein Blick durchbohrte mich und ich erschrak.
„Schon ok.“, erwiderte ich.
„Nichts ist ok, er bringt dich ständig in Gefahr!“, entgegnete Sören und schlug mit seiner Faust gegen den Schrank.
„Dir ist ja wohl klar, dass wir keine Freunde sein können. Vampir und Jäger vertragen sich nicht. Du wirst dich also entscheiden müssen! Oder du legst einfach keinen Wert darauf, mir egal. Ich habe noch nie jemanden kennen gelernt, der keine Angst davor hat zu sterben und ich bin sichtlich enttäuscht, dass ihr beide euch dem Tod so hingebt, wie einem Partner den ihr liebt!“ Und mit diesen Worten, hetzte Sören gekränkt nach draußen und knallte die Tür hinter sich. Für einen Jäger, hatte er seine Gefühle anscheinend nicht gut unter Kontrolle.
„Endlich sind wir allein!“, sagte Eric und setzte sich neben mich. Sein Blut kochte in meinen Adern und ich konnte wieder dieses künstliche Verlangen spüren, doch dieses Mal würde ich mich dem wiedersetzen.
„Geht es dir wirklich gut? Hat mein Blut dir geholfen? Lass mich mal nachsehen, ob alles verheilt ist!“ Vorsichtig glitten seinen Finger über meinen Bauch, hinab zu meinem Oberschenkel und strichen sanft darüber. Ich zuckte zusammen und bäumte mich unter ihm auf.
„Was hast du?“, rief er verwundert.
„Die selbe Frage könnte ich dir stellen!“, murmelte ich verlegen.
„Worauf willst du hinaus?“, konterte er und beugte sich über mich.
Er war so schnell und mir so nahe, dass ich kaum atmen konnte. Auf einmal, spürte ich seine Hand in meinem Nacken, die mich unweigerlich an ihn herandrückte und seine Lippen, die mir den Verstand raubten. Was wollte er? Vielleicht mein Blut als Ausgleich? Oder etwa…? Ich dachte nicht weiter darüber nach und gab mich ihm nur für einen winzigen Moment hin. Er küsste mich, aus reiner Leidenschaft, wie ich es durch sein Blut gerne getan hätte. Doch diese Liebe war künstlich erzeugt und die Gefühle keines Wegs echt, das wusste ich. Als er endlich von mir abließ, drängte ich ihn zurück.
„Was tust du da?“, wisperte ich kaum hörbar.
„Ich erfülle dir deine Träume!“, antwortete er und fummelte an meinem Oberteil herum.
„Stopp!“, schrie ich und gab ihm einen kleinen Klaps auf seine Hand. Endlich zog er sich zurück und musterte mich fragend.
„Ist das wieder irgend so ein dummes Spiel? Du sagtest doch, du hasst Menschen und könntest niemals etwas an uns finden?! Dies ist nur eine Zweckfreundschaft und auch, wenn mich dein Blut beeinflusst, so leicht bin ich nicht zu haben, um einfach zu einem Objekt deiner Begierde oder zum Zeitvertreib zu werden!“ Gekränkt erhob sich Eric und strich sich amüsiert die Haare zurück.
„Ich dachte wirklich, du würdest es auch wollen!“, meinte er und eilte zur Tür, wie Sören zuvor.
„Da liegst du völlig falsch, ich halte mich an unsere Regeln.“
„Gib es zu, dieser Jäger hat deine Sinne beeinflusst. Ich kann es in deinen Augen sehen. Dein Inneres ist völlig zerrissen und du weißt nicht auf wessen Seite du dich schlagen sollst. Er oder ich? Es ist deine Entscheidung!“ Fauchend, riss er die Tür auf und verschwand wie der Nebel im Wald.

Einsam hockte ich auf meinem Bett und kämpfte mit den Tränen. Wieso sollte ich mich jetzt auch noch entscheiden? Sören, kannte ich bis jetzt nur als tollpatschigen Jugendlichen und nicht als aufbrausenden und mutigen Jäger. Mir war nie wirklich klar gewesen, dass eine Person zwei Persönlichkeiten haben konnte. Vielleicht verbarg sich in mir, auch mehr als mein jetziger Charakter. Aber wenn ich so darüber nachdachte, wollte ich mein altes Ich gar nicht kennen lernen.

Impressum

Texte: Copyright by Marie-Luis RönischCover by: Serena Schwinge
Tag der Veröffentlichung: 30.06.2011

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