Bota Kron klopfte an die Wohnungstür. Ihm wurde von einem Polizisten geöffnet. Kliem war sein Name. Obwohl in der Polizeistation von Dome 13 unzählige Polizisten Dienst taten, kannte Bota alle ihre Namen. Sie waren seine Mitarbeiter und sie verdienten diesen Respekt. Er nickte dem Beamten zu und trat ein. Sogleich sah er seine Partnerin, Officer Sterge. Sie waren wohl die ersten am Tatort gewesen. Sterge grüsste respektvoll, doch Bota bemerkte ihre Gereiztheit. Ihre Schicht war längst überzogen und sie ersehnten den Feierabend. Doch das Protokoll sah vor, dass nur der leitende Beamte sie nach Hause schicken konnte. Bota traf erst jetzt ein, weil er sich in einer Besprechung befunden hatte. In Dome 1, dem Hauptsitz der Regierung, fand ein Zusammentreffen aller Polizeiführungskräfte statt. Auf seinem Rückflug erhielt er die Nachricht von dem Mord.
"Wem haben sie Bericht erstattet?"
"Detective Belgo, Sir", sagte Sterge.
"Gut, machen sie bitte Schluß für heute und den schriftlichen Bericht dann morgen"
"Danke Sir", sie grüssten und machten sich vom Acker.
Bota sah sich im Wohnzimmer um. In dem Zimmer arbeiteten zwei Kollegen von der Spurensicherung. Auch sie grüssten respektvoll und setzten ihre akribische Arbeit fort. Bota war erstaunt über die relativ hohe Anzahl von Möbelstücken. Die meisten konnten sich so etwas nicht leisten. Das Problem bestand nicht darin, dass nicht genug Geld vorhanden war, sondern dass nicht genug vorhanden war, was man kaufen konnte. Es existierte ein harter Kampf um die vorhandenen Resorcen. Die Wohnungsbesitzerin musste Beziehungen zu hohen Funktionären haben. Bota war sich somit sofort im Klaren darüber, dass dieser Fall kompliziert werden könnte.
Belgo kam aus dem Schlafzimmer und trug wie immer seine versteinerte Mine. Von seinem Gesicht war nicht abzulesen, wie sein Tag gelaufen war.
"Tag Chef" sagte Belgo und blieb versteinert stehen und wartete ab. Bota kannte das von ihm und alles nahm seinen vetrauten Lauf. Belgo würde ihm folgen und nur etwas sagen, wenn er gefragt wurde. Bota ging voran ins Schlafzimmer.
"Wo sind Kestan und Bendo?"
"Sie befragen die Nachbarn"
Bota sah ein riesiges Bett, dass fast den ganzen Raum ausfüllte. Keine Möbel oder Gegenstände.
"Wo ist ihre Kleidung?"
"Im Bad in den Kartons" Das waren die Umzugskartons. Damals vor drei Jahren, als ihr ganzes früheres Leben auf dem Raumschiff in diese Kartons verpackt wurde. Jeder hatte noch diese Kartons bei sich herumstehen.
Bota sah am Bettende zwei Eimer stehen. In ihnen befand sich rote Flüssigkeit. Er brauchte nicht fragen um was für eine Flüssigkeit es sich handelte. Der Mörder hatte sie ausbluten lassen. Sein Blick ging zu der Frau, die ausgestreckt auf dem Bett lag, wie ein übergroßes X. Sie lag auf dem Bauch. Es fehlten ihre Hände. Auf dem Bett war kein Blut zu entdecken. Alles war sauber. Auch keine Blutspritzer an den Wänden. Er musste sehr geschickt vorgegangen sein ihr Blut in die Eimer fliessen zu lassen. Nachdem ihr Herz aufgehört hatte zu schlagen, durfte er nicht zuviel Zeit verstreichen lassen. Das Blut würde anfangen zu gerinnen und nach der Menge des Blutes in den Eimern zu urteilen, war nicht mehr viel Blut im Körper. Wie hatte er es angestellt alles Blut aus ihrem Körper zu entfernen. Man könnte einen Menschen wie ein Stück Vieh aufhängen und ausbluten lassen. Wie sollte er es in diesem kleinen Raum angestellt haben? Ihre Arme aufschneiden und sie an den Füssen hochziehen und in dieser Stellung festhalten, gut ausbalancierend, sodass jeder Arm in dem vorgesehenen Eimer verbleibt. Das ganze Kunststück ausübend ohne Blut woanders hinkommen zu lassen. Seine Phantasie reichte nicht aus sich so eine Szene realistisch ablaufend vorzustellen. Unmöglich, war sein Urteil. Also, was war hier genau passiert?
"Wo sind die Hände?"
"Der Mörder muss sie mitgenommen haben. Sie sind nicht in der Wohnung. Alles durchsucht"
Das war was absolut neues. So etwas war ihnen noch nicht untergekommen. Ein Mörder der Körperteile des Opfers entfernt und mitnimmt. So einen Fall gab es bisher nicht in der Kriminalgeschichte. Weder in world sweet world, noch in den Generationen davor, als sie noch auf Raumschiffen lebten. Natürlich gab es Morde. Doch so einen wie diesen nicht. Er kannte sie alle, hatte jeden Fall studiert.
"Was hat der Arzt gesagt?"
"Er war noch nicht hier. Dringende Notfälle." Das war nichts ungewöhnliches. Es gab meist nur einen Arzt in jedem Dome. Bei den tausenden von Menschen kam er mit seiner Arbeit nicht hinterher. Die Obduktion von Leichen wird in Dome 24 vorgenommen, dort wo sich auch das einzige Krankenhaus von sweet world befindet. Fachmännische medizinische Informationen würden ihm also erst in einigen Tagen zur Verfügung stehen. Belgo hatte die Leiche also untersucht, Fotos gemacht und sie wieder so plaziert, wie sie vorgefunden wurde.
"Was hast du rausgefunden?"
"Keinerlei Gewaltanwendung vor ihrem Tod. Wie sie getötet wurde liegt noch im Dunkeln. Wie er die Eimer mit ihrem Blut füllen konnte, keine brauchbare Idee. Der Mörder hat hier im Raum nicht saubergemacht, laut Spurensicherung."
Das war wie ein Stichwort. Songo von der Spurensicherung steckte den Kopf rein und meldete den Abschluss der Untersuchung.
Bota ging ins Wohnzimmer zurück, Belgo folgte. Die Kollegen von der Spurensicherung waren schon am Zusammenpacken. Songo spulte seinen Bericht ab.
"Also kurz und schmerzlos. Absolut keine Fingerabdrücke. Nur an der Klinke, die vom Hausmeister. Sonst hat er hier nichts angefasst. Es wurde auch hier nirgends Spuren verwischt. Wir haben nur Haare gefunden von dem Opfer. Sonst nicht auffälliges. Meine Vermutung: das Opfer muss in der Wohnung Handschuhe getragen haben. Das wars."
Bota ließ sich nichts anmerken, obwohl er überrascht war. Mit sowas war nicht zu rechnen. Keine Fingerabdrücke. Die Schlussfolgerung von Songo war logisch, musste aber nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen. Sie fanden Puzzleteile, die aber noch nicht ausreichten um sich ein Bild zusammenzulegen. Erst mal war sammeln angesagt. Nur wenn alle Teile komplett vorhanden waren ergab die Summe der Teile, richtig zusammengefügt, die Wahrheit. So ging seine Truppe vor, so hatten sie Erfolg und waren das beste aller Ermittlerteams in world sweet world geworden. Seine Erfolgsquote hatte Konsequenzen. Ihm war kar, dass es eines Tages soweit kommen würde. Und heute war der Tag gekommen. Nach der Besprechung hatte er eine Einzelgespräch mit dem Polizeichef. Bota sollte versetzt werden in die Zentrale. Er hatte eine Berufung als Ausbilder bekommen. Der Termin zum Wechsel würde ihm noch mitgeteilt werden. Dies sollte wohl sein letzter Fall werden.
"Danke euch, gute Arbeit" Sie verließen die Wohnung und Bota und Belgo waren allein.
"Es war ein langer Tag. Es reicht für heute. Sag bitte der Zentrale Bescheid, dass die Leiche abgeholt und überführt wird und sag auch Kestan und Bendo sie sollen nach Hause gehen. Termin morgen früh um 10 Uhr im Besprechungsraum zur ersten Sondierung und achja zeig mir bitte noch das Gesicht der Toten". Die Frau hatte auf dem Bauch gelegen und er hatte ihr Gesicht nicht gesehen. Für Bota war es aber wichtig die Toten zu respektieren. Es handelte sich hier um wirkliche Menschen und es gehörte für ihn dazu ihnen auch ins Gesicht zu blicken. Belgo holte aus einem Umschlag ein Foto heraus und reichte es ihm. Bota hielt das Foto in der Hand und blickte in das Gesicht der Frau. Er erstarrte. Er kannte sie. Es war seine Nachbarin...
Tag der Veröffentlichung: 09.12.2018
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