Ich bin durch mehrere Dimensionen gefallen, bis es mir gelang mich irgendwo festzuhalten. Es war eine glatte kleine Fläche in einem mir fremden Universum. Es war absolut still und ich konnte nichts sehen. Da war nur dieser peinigende Schmerz der mich von allen Seiten durchbohrte. Ich konzentrierte mich darauf dieses Problem zuerst zu lösen. Die Materie um mich herum bestand aus Partikeln die durch wellenförmige Strahlung kommunizierte. Ich passte mein Wellenmuster an und stellte eine ungefähre Phasengleichheit her. Es war eine Notlösung aber sie schaffte mir auf der Stelle Erleichterung. Der Schmerz war verschwunden und ich konnte verschwommen sehen. Ich sah unbewegte unbelebte Materiekonturen vor mir. Die Muster zeigten mir dass sie künstlich hergestellt und nicht von natürlicher Beschaffenheit waren. Ich erlaubte mir zu hoffen, auf eine Intelligente Lebensform zu stossen mit der eventuell eine Kommunikation möglich war. Ich beschloss mich weiterhin erst einmal an dieser Fläche festzuhalten, bis ich mehr Informationen über diese Welt erhielt. Das Festhalten verbrauchte nur ein Minimum an Energie und so konnte ich Ewigkeiten in dieser Position verharren. Also wartete ich geduldig auf irgendeine Bewegung von Materie. Schon nach kurzer Zeit tat sich etwas. Materie wurde verschoben oder in eine andere Position gebracht. Ein Lebewesen trat in mein Blickfeld und nahm eine Position innerhalb der Materie ein. Die zuvor bewegte Materie wurde wieder in die Ausgangsposition zurück gebracht. Wahrscheinlich hat sich die Lebensform von einem Raum in einen anderen bewegt. Meine Analyse ergab dass die Lebensform aus einem mir unbekanntem Element bestand, dass in einem zerfallendem Prozess kontinuirlich seine Energie verlor. Die Lebensform war am Sterben. Fazinierend. Sie hatte vier Extremitäten. Zwei dienten der Fortbewegung und zwei zur Interaktion. Ich schaute mir ihr Phasenverhältnis zur toten Materie an und die verwendete Kommunikationsstrahlung, imitierte das Muster und konnte nun scharf sehen. Auch Geräusche konnte ich nun wahrnehmen. Sie klangen fremd und eigenartig, nichts Vertrautes. Das Lebewesen war schrecklich hässlich und flößte mir Angst ein. Es verströmte ein wildes nicht gezähmtes Wesen. Der Kopf war sehr klein und meine Hoffnung auf eine intelligente Kommunikation schwand. Seine Extremitäten waren in Bewegung und unbelebte Materie wurde wieder dispositioniert. Es ging eine Interaktion mit der Materie ein. Dann wandte sich sein Blick in meine Richtung. Ich erschrak über alle Maßen. Sein Blick blieb auf mich gerichtet. Hatte es mich entdeckt? Und wenn ja, wie würde es auf meine Anwesenheit reagieren. Mit einem feindlichen Akt? Ich erstarrte und hoffte dadurch weniger aufzufallen. Wie sah ich auf dieser Fläche aus? Hatte ich durch meinen Kontakt die Fläche verändert und erregte so seine Aufmerksamkeit? Ich war dieser Welt ausgeliefert und musste erst einmal alles hinnehmen, was mit mir geschah. Ich war zwar unsterblich aber war ich es in diesem Universum auch? Eine nie gekannte Angst durchströmte mich. Eine seiner Extremitäten streckte sich in meine Richtung. Er hat mich gesehen. Ganz eindeutig. Was würde jetzt passieren? Ich bereitete mich auf eine Berührung vor...
Holger Meyer verließ das Gebäude, wo sich seine Praxis befand und die Geräusche der Staße empfingen ihn. Es war bitterkalt und er hätte am liebsten seine Hände in seinem molligen Parka versteckt. Doch in der einen Hand war eine Pflanze , die ihm eine Patientin geschent hatte und in der anderen hilet er den Rucksack dem er seine Sohn Carsten schenken wollte.
Er schaute sich durch den Nebel seines eigenen Atems nach beiden Seiten um. Menschen liefen an ihm vorbei, schnell laufend und flüchtend vor der Kälte. Durch die bewegende Menge hindurch suchte sein Blick seine Patientin, aber sie war nicht da. Einzig ein Bettler schaute in seine Richtung, die eine Hand ausgestreckt, von der Kälte angefressen und die andere unter seinem Arm, eingeklemmt und wartend auf den nächsten Einsatz. Ein kleine Entäuschung stach in sein Herz. Er hatte sie tatsächlich hier auf der Straße erwartet. Er war ein Narr und er schalt sich selbst. Vor 5 Minuten hatte sie sein Büro verlassen. Seitdem standen seine Gefühle in Flammen.
Sie hatte ihn geküsst und er hatte es zugelassen. Dann ist sie aus seiner Praxis geflüchtet. Seine Sekretärin Gaby war zum Glück nicht mehr da. Gabys Mann hatte Geburtstag und er hatte ihr den Nachmittag frei gegeben. Holger hatte in Roys Pub zu Mittag gegessen, einige Erledigungen gemacht und war dann nochmal ins Büro zurückgekehrt um Claudia Hessing als letzte Patientin zu empfangen. Sie erschien aufgelöst, mit verweintem Gesicht und brachte kein vernünftigen Satz zustande. Ihr Mann Paul war der Grund, ein gewalttätiger hasserfüllter Mann, der Claudia das Leben zur Hölle machte. Holger machte ihr ein Tee und sie beruhigte sie ein wenig. Sie saß wie ein Häufchen Elend auf seiner Couch und weinend erzählte sie von den Demütigungen mit der Paul sie quälte. Holger hörte mitfühlend zu und tröstete sie. Dann sprang sie unvermittelt auf und küsste ihn. Alles ging so schnell und das Verrückte war, er wollte es. Er hatte jede Professionalität über Bord geworfen, erwiderte ihren Kuss leidenschaftlich und die Gefühle die er in diesem Moment empfand, kamen ihm tatsächlich aufrichtig vor. Es hatte sich richtig angefühlt. Wieder schimpfte eine Stimme in ihm selbst und sorgte dafür dass es sich jetzt nicht mehr richtig anfühlte. Erschrocken hatte sie ihn angesehen, flüsterte sanfte Entschuldigungen und rannte davon. Warum hatte er sie gehen lassen? Warum blieb er wie ein Idiot stehen und starrte die zugeworfene Tür an?. Holger riss sich aus seinen Gedanken, tat einen Schritt nach vorn und es war als nähme ihn ein Strom auf. Er befand sich nun in der Menge der Menschen, die geschäftigen Schrittes mit ihm eilten. Sein Wagen stand ein Block weiter und wie von Zauberhand wurde er von dem Strom dort ausgespuckt. Er stellte die Gegenstände auf der Straße ab, suchte nach dem Schlüssel und öffnete die Wagentür. Nachdem er Rucksack und Pflanze auf dem Beifahrersitz abgelegt hatte, ließ sich in den Sitz plumpsen und schloß die Tür. Es war still in dem Auto und so hörte Holger um so deutlicher das Brausen der Gefühle in seinem Inneren. Er startete den Motor und das Gebläse der Heizung durchbrach die Stille und die Kälte. Er rieb sich die Hände und legte den Sicherheitsgurt an, warf ein Blick in den Innenspiegel und hielt inne. Was war das? Der Spiegel sah merkwürdig aus. Als wäre er trüb geworden oder als hätte er seine Kraft verloren. Er lehnte sich nach vorne um den Spiegel so einstellen zu können um sein Gesicht zu sehen. Er erschrak. Sein Gesicht war zu einer schrecklichen Maske verzerrt. Als blicke ihn ein entstelltes Monster an. Ein Schrei sprang aus seiner Kehle. Er gab den Spiegel einen Schlag um das Bild nicht mehr sehen zu müssen. Der Spiegel verrutschte in seiner Position durch die Wucht der Handbewegung. Keuchend saß er da, sein Blick nach unten gerichtet. Er sah seine Hände zittern, griff in den Stoff seiner Hose um sich irgendwo festzuhalten. Das Gesicht hatte ihn zutiefst erschreckt. Das war doch nicht er gewesen. Es war als wäre er einen Moment in einem Tagalptraum gelangt. Er hörte sich heftig atmen und zwang sich zur Ruhe. Einatmen, tief ausatmen und die Bewegung des Bauches spüren. Ruhig, ganz ruhig. Langsam hob sich sein Kopf. Er musste nocheinmal den Spiegel anschauen, von dem er jetzt nur das schwarze Plastik der Rückseite sah. Vorsichtig ging seine Hand zu dem Spiegel, umfasste den Rand und drehte ihn ganz langsam wieder in seine Richtung. Die Spiegelfläche wurde ein kleines Stück sichtbar. Er erschien wieder normal, nicht mehr so merkwürdig wie vorhin. Eine letzte Einstellung und er konnte wieder sich selber sehen. Er erblickte sein Gesicht, zwar fahl und zu Tode erschrocken, aber es war sein vertrauter Anblick. Der Spiegel sah aus wie ein ganz stinknormaler Innenspiegel. Als hätte er sich wieder zurückverwandelt. Du siehst schon Gespenster und lachte innerlich. Aber nur innerlich. Sein Mund war weiterhin zu einem Strich zusammengeschrumpft. Er bewegte die verkrampften Muskeln in seinem Gesicht, als machte er Entspannungsübungen. Er beobachtete sich dabei in dem Spiegel, immer noch mit einer ängstlichen Miene, als könnte das Monster jeden Moment zurückkehren. Aber es kam nicht wieder. Er wollte so schnell wie möglich weg von hier und fuhr los....
Tag der Veröffentlichung: 30.01.2015
Alle Rechte vorbehalten