Cover

Prolog

Ich bin tot und war gestorben. Und trotzdem lebe ich. Aber das ist schwer zu erklären. Ich sitze hier auf dem kalten nackten Fels, der mich abweist und blicke auf das schwarze eisige Wasser vor mir, das sich kaum bewegt. Unheimlich und dunkel liegt es vor mir, blickt wie ein Raubtier auf meine zitternde Gestalt und wartet mich verschlingen zu können.

Blitze zucken am Horizont und erhellen ein wenig mein hoffentlich letztes Ziel. Die Insel die so schwer zu erreichen sein soll. Mehrmals wurde ich gewarnt es nicht mit einer Überfahrt zu versuchen.

Nochmals leuchtet ein besonders starker und mächtiger Blitz auf und ich sehe deutlich die Konturen der Insel. Bedrohliche zackige Felsen recken sich in alle Richtungen und sprechen unmissverständlich eine Warnung vor dem Näherkommen aus. Ich muss jetzt Mut fassen. Zu lange war der Irrweg gewesen der mir letztendlich hier an die Ufer meines Schicksals gebracht hat. Es war nicht die Zeit trostlos zu verharren oder gar aufzugeben. Sich nicht mehr zu bewegen, loszulassen und nichts mehr zu wollen als nur einzuschlafen und das für immer. Ich bemerkte eine grenzenlose Erschöpfung und wie sie an mir zerrte. Wie sie sich tief in mich bohrte und mich anflehte einen gemütlichen, behaglichen Platz aufzusuchen und den wohligen Schlaf zu suchen. Sei liebevoll zu dir selbst. Tue dir das doch nicht an. Du kannst es doch auch noch ein anderes Mal versuchen. Es muss doch nicht jetzt sein. Doch sogleich kam eine andere Empfindung aus meinem Innersten empor, verschaffte sich Bewusstsein und Geltung und verschlang alles was sich ihm in den Weg stellte. Es war als hätte dieses Gefühl ein Schwert in der Hand und metzelte alles nieder was einlullt, beschwichtigt, besänftigt, versöhnt, begütigt und befriedet. Genug der Irreführung, der Verschleierung, der Ausflüchte, der Hintergehung und Seelenfängerei. Ich nahm wahr wie dieses Gefühl der Rettung mich in Bewegung versetzte.

Ich stützte meine Hände auf den ausgekühlten Felsen, verlagerte mein ausgemergeltes Gewicht so dass ich mich drehen und aufrichten konnte. Ganz langsam zwar, aber ich schaffte es. Ich stand und mit wackeligen Beinen sprang ich auf den Felsen darunter. Ich hatte Glück und kam gut auf. Jedes Aufleuchten des fernen Gewitters benutze ich um mir eine Treppe aus Felsen nach unten zu suchen. Ein letzter Sprung und ich landete im feuchten Sand. Ich roch das Meer und schmeckte das Salz. Jetzt konnte ich mit einem Mal durchatmen. Ich zog die Luft gierig ein und setze ein Schritt nach dem anderen dem Schatten zu der vor mir lag. Das Boot schlummerte schräg eingegraben im Sand, vergessen von irgend jemand. Ich fasste den Rand der sich mir entgegen streckte, stützte mich ab und keuchte vor Anstrengung. Weiter jetzt, keine Pause. Ich schaute in das Boot und sah die mächtigen Ruder. Ich musste eines als Hebel benutzen um den Kahn vom Sand zu lösen. Gerade als ich meine Kraft sammelte und den Riemen herausziehen wollte, traf mich eine Stimme wie ein Messer in den Rücken.

" Wollten wir nicht alles gemeinsam tun? " Diese Stimme hörte sich genauso an wie ich sie in einsamen Stunden als Begleitung auf meiner Odyssee stets als Tröstung und Wärmung in mir heraufgerufen hatte.

Eine Welle nicht verstehbaren Glückes durchströmte mich....Jetzt würde alles gut werden.....

Der Möbelwagen

Elisabeth Zinger besaß ein Haus  in einer ruhigen Wohngegend von Frankfurt. Sie hatte es von ihren Eltern geerbt und liebte es über alles. Kein Wunder, denn sie war hier aufgewachsen und viele schöne Erinnerungen und  Erlebnisse machten es zu einem wirklichen Zuhause.
Mit zu den wichtigsten gehörte, daß auch ihre beiden Zwillingstöchter hier groß geworden sind. Ihr Mann hatte sie zwar verlassen, doch Elisabeth war es gelungen ihnen eine schöne Kindheit zu schenken.
Rund um das Haus, säumte ein herrlicher Garten das Anwesen, in dem Elisabeth nun herumlief und Verschönerungen vornahm. In einer Ecke war sie am Wurschteln, was bestimmt der falsche Ausdruck ist, stand auf, begutachtete das Ergebnis, speicherte den Eindruck ab und dreht sich dann einmal im Kreis, mit der Absicht den gewonnenen Eindruck mit dem Rest des Gartens abzugleichen. Stellte sich ein Harmoniegefühl ein, setze sie sich auf ihre kleine Gartenbank und genoss das Gefühl und das Vogelgezwitscher. Dabei suchte ihr Blick schon nach dem nächsten Einsatzgebiet.
Auf der Straße hörte sie ein Motorengeräusch sich nähern und sie vermutete dass ein LKw die Straße herauffuhr, was selten vorkam. Der Wagen hielt direkt vor ihrem Haus, was ihrer weiteren Neugier Nahrung gab.
Sie stemmte sich von der Bank hoch und ging Richtung Gartentor. Gleichzeitig nahm sie sich vom Beistelltisch die Gartenschere und wollte nebenbei beim Nachschauen die Rosen am Tor zurechtschneiden. Sie näherte sich dem Tor und schnappte dabei immer mal wieder mit der Schere.
Der Lkw stand auf der anderen Seite bei dem Haus, was schon seit Ewigkeiten leer stand, aber immer noch gut in Schuss war. Elisabeth konnte erkennen, dass es ein Möbelwagen war, was die Aufschrift verriet. Hinter dem Möbelwagen, parkte noch ein Mercedes, indem 4 Personen saßen. Die Möbelpacker und die Autoinsassen stiegen gleichzeitig aus. Elisabeth stutze.
Ihr Harmoniegefühl sagte ihr dass mit der Gruppe etwas nicht stimmte.....

Das Puzzle

Der Fahrer des Lkws war ein junger Spund mit Kapuzenshirt über den Kopf gezogen. Die zwei Beifahrer stiegen auf der anderen Seite aus und Elisabeth hörte das Türezuknallen. Diese Beiden sah sie erst später. Der Fahrer des Mercedes war im mittleren Alter und trug eine Sonnenbrille und Basketballmütze und ein Schnautzbart klebte ihm über der Oberlippe. Auf seiner Seite stieg ein Greis aus, der alle Mühe hatte, sich aus dem Wagen zu befreien. Der Schnautzer half ihm dabei. Von den anderen beiden Mitfahrer war einer ein Jugendlicher, schätzungsweise 12 oder 13 Jahre alt. Der andere war etwas jünger als der Greis, aber bestimmt schon in den 70ern.
 Jetzt sah sie auch die anderen beiden Männer, die um den Wagen herum kamen. Sie hatten keinen natürlichen Gang, sondern zogen das linke Bein nach. Jetzt bewegte sich die ganze Gruppe und alle zogen das Bein nach. Das gibt es doch nicht, dachte Elisabeth und blickte gespannt auf das Geschehen.
Sie war verdeckt von einem Rosenbusch, konnte die Szenerie aber gut beobachten. Der Greis bewegte sich nicht, aber alle anderen zogen ganz offensichtlich ihr linkes Bein nach. Elisabeth ließ das Bild auf sich einwirken und noch eine Besonderheit fiel ihr auf.
Alle waren gleich groß, außer natürlich dem Kind. Die beiden Beifahrer vom LKW waren um die 30 oder 40 und sahen aus wie Zwillinge. Sie unterschieden sich nur von ihren Haaren her. Der eine hatte nämlich ein Glatze und der andere einen Vollbart, aber noch mit mehr Haaren gesegnet. Aber zweifelsfrei sahen sie sich sehr ähnlich. Die Bewegungen, die Körperhaltung war nahezu identisch. Als sie sich miteinander vermischten stellte sie das Gleiche für die Anderen fest, als wären sie alle Brüder. Selbst der Teenager passte dazu. War der Greis der Vater? " Quatsch ", funkte es in ihrem Kopf. Der muss doch nahezu 100 jahre alt sein. Das Kind war bestimmt nicht von ihm. Aber wer weiss.
Der Mercedesfahrer holte einen Rollstuhl aus dem Kofferraum, während sich die anderen um die Ladeklappe des Lkws versammelten, die heruntergelassen wurde. Der Greis wurde in den Rollstuhl platziert und von dem Mercedesfahrer den Weg zum Haus hinauf geschoben. Der Jugendliche hatte in jeder Hand einen Koffer und begab sich ebenfalls zum Haus.
Die anderen Männer entluden die Fracht. Es waren insgesamt 8 große Holzkisten, die Elisabeth an Safarikisten erinnerte, in der Tiere transportiert wurden. Sie schienen schwer zu sein, denn alle fünf, später sechs, trugen sie einzelnd nach und nach in das Haus. Eine bizzare Szene wie sie alle humpelnd die Kisten schleppten. Elisabeth liess sich die komplette Prozedur nicht entgehen und blieb, bis sie mit der letzten Kiste im Haus verschwanden, hinter dem Rosenbusch verborgen.
Als die Tür zuging, stand sie wie gebannt mit der Schere in der Hand da. Ihre Gedanken tanzten wild in ihrem Kopf herum. Sie hatte eine schier unglaubliche Menge an kuriosen Eindrücken aufgenommen, von denen sie manche schon fassen konnte, aber andere sich ihrem Verständnis noch entzogen und wie Flummibälle in ihrem Kopf herumballerten.
Ganz eindeutig. Sie hatte etwas Reales erlebt, aber ganz viele Details machten das Geschehen surreal. Wenn die Wirklichkeit unmanipuliert geschieht, baut sich jedes einzelne Geschehen logisch auf anderes zuvor Geschehene auf und jede Bewegung stellt eine logische Betonung der Realität dar. Elisabeth hatte eine natürliche Begabung solche Realitäten unbewusst zu erfassen oder Abweichungen davon schneller zu erspüren, als ihre Mitmenschen.
Sicherlich hätte Jedermann diese Szene als merkwürdig eingestuft, doch bei Elisabeth begannen ihre inneren Alarmglocken in dem Moment zu läuten, als die Türen der Fahrzeuge aufgingen. Dass was Elisabeth gerade beobachtet hatte war wie ein Bild auf ihrer inneren Festplatte abgespeichert, nur mit dem Unterschied dass es ein surreales Bild war, das man mit einem Puzzlebild vergleichen könnte was falsch zusammengepuzzelt war. Sie müsste es nun richtig zusammensetzten, damit alles passt.
Dazu benötigte sie erst einmal eine Tasse Tee....

Kribbeln

Bernhard Schaum hatte sein Ziel erreicht. Er lenkte seinen Wagen von einer Hauptstraße in eine ruhige Nebenstraße, die von hohen Bäumen mit weitausladenem Blätterdach gesäumt war, welches die Straße in ein breit geworfenen Schatten tauchte.
Bernhard stupste den Blendenschutz nach oben und hielt nach den Hausnummern Ausschau. Die Häuser standen auf großen Grundstücken und nicht dicht an dicht. Jetzt konnte er die Nummer 56 von einem Tor ablesen,  suchte aber das Haus mit der Numer 22 und fuhr langsam weiter.
Um so näher das gesuchte Haus kam, umso mehr verspürte er ein Kribbeln im Bauch, wie ein Jäger der schon das Geweih im Dickicht erkennt von dem Hirsch dem er auf der Spur ist. Diese Bild entsprach eigentlich sehr genau seinem Tun. Er war nach Frankfurt gekommen um zu jagen. Bernhard war ein Phänomenenjäger und viele die von seinem Beruf erfuhren, wunderten sich, daß man davon leben konnte. Nun, finanziell unabhängig, war seine Triebfieder die Leidenschaft für das Aussergewöhnliche und das Fantastische. Er hatte mehrere Bücher verfasst und schrieb auch regelmässig Beiträge für die Zeitschrift " Phenomenon today " aus den USA, auf die er besonders stolz war, wenn sie veröffentlicht wurden. Er war in den USA  in diesen Kreisen sehr bekannt und beliebt, während ihn in Deutschland kaum jemand wahr oder ernst nahm. Aber das machte ihm nichts aus. Er lebte gerne in Deutschland und käme nicht auf die Idee ins Ausland z.B in die USA auszuwandern.
Er war jetzt beinahe da und fuhr noch langsamer. Nr.24 war auf einem blauen Schild zu erkennen. Das nächste Haus musste es sein. Ein LKW und ein Mercedes standen vor dem Grundstück. Er fuhr vorbei und schaute nach dem nächsten Parkplatz. Der Motor erstarb und er löste den Gurt.
Die Aktentasche mit seinen Notizen lag auf dem Nebensitz und seine Wurstfinger holten die vorbereiteten Unterlagen heraus. Vor ihm, auf dem Schoß,  lagen nun die Fälle, die er in Frankfurt untersuchen wollte. In der Regel waren das gesammelte Vorkommnisse aus einer bestimmten Region und im Internet gefunden. Sie wurden dann bei seinen Ausflügen nacheinder abgearbeitet. Das nahm mitunter mehrere Wochen in Anspruch. In Frankfurt standen drei Besuche aus und auf die Notizen zu seinem ersten Fall schauten seine Jägeraugen nun hinab. Es war wichtig die Details noch einmal durchzugehen.
 Ein Malermeister berichtete auf seiner Phänomenenseite, die auch gleichzeitig seine Homepage war, von dem Haus Nr.22 und den seltsamen Vorkommnissen bei seinem Besuch in diesem Anwesen. Er wurde geschäftlich gerufen mit dem Auftrag, ein Zimmer zu renovieren. Das lag etwa 20 Jahre zurück. Das Zimmer befand sich in einem sehr schlechten Zustand. Der Besitzer hatte das Haus kürzlich erst gekauft und nur dieses Zimmer bedurfte dringend der Renovierung. Der Putz und auch die Farbe blätterte von den Wänden. Der Malermeister renovierte das Zimmer und  tapezierte es mit einer Tapete die der Besitzer schon ausgesucht hatte. Beim Anbringen der Tapete, bemerkte der Meister, wie sehr die Wand den Kleister zog, wie ein Wüstenboden der jahrelang kein Wasser gesehen hatte. Als die letzte Bahn angebracht war, fiel die erste schon von der Wand. Nach und nach purzelten alle Tapeten von den Wänden. Der Fachmann konnte das weder begreifen noch erklären. Auch der zweite Versuch scheiterte trotz noch größeren Einsatzes von  teurem Spezialkleister. Die Mauern warfen die Tapeten einfach ab. Der Besitzer des Hauses war sauer und entließ den Malermeister aus seinem Auftrag.
Das beschäftigte ihn noch jahrelang. Er hatte auch mit vielen Kollegen darüber gesprochen, die nur ein ungläubiges Lächeln für seine Geschichte übrig hatten. Schließlich landete die Geschichte von den abgeworfenen Tapeten irgendwann auf seiner Homepage. Bernhard nahm Kontakt zu dem Unternehmer auf, der inzwischen schon im Ruhestand war und ließ sich die Geschichte noch einmal  am Telefon erzählen. Die Adresse war noch in den Unterlagen des Malermeisters und als Ergebnis stand sein Wagen nun vor diesem Haus.
Wenn möglich wollte er das Zimmer begutachten und den Eigentümer über weitere unerklärlichen Vorkommnisse in Verbindung mit besagtem Zimmer befragen. Vorausgesetzt dieser war kooperativ. Er hatte sich auch schon zurechtgelegt, was er an der Tür oder Sprechanlage sagen wollte und ging es jetzt noch einmal durch. Gut, er fühlte sich genügend vorbereitet und stieg mit der Aktentasche aus, nachdem seine Notizen wieder verstaut waren.
Er ging auf das Haus zu, daß von außen einen normalen Eindruck hinterließ. Das Anwesen befand sich ebenfalls in einem guten Zustand. Bernhard Schaum klingelte.
Da war es wieder. Das Kribbeln im Bauch.....

Teezeit

Elisabeth stand der Sinn nach Ostfriesentee. Teetrinken war sozusagen eine Passion für sie geworden. Sie besaß exklusive Sorten in ihrem liebevoll eingerichteten Teeschränkchen, in dem auch mehrere gesammelte Teeservice untergebracht waren.
Oft entdeckte Elisabeth sie auf ihren Auslandsreisen bei einem Stadtbummel, für den sie sich immer Zeit nahm. Sie war Survivalabenteurer und in der ganzen Welt unterwegs. Nach einer Woche Aufenthalt in irgendeiner Wildnis dieser Erde, kehrte sie brav in die Zivilisation zurück und stöberte in üblichen Touristenzentren herum auf der Suche nach einem schmucken Teeservice. Niemand sah ihr an, dass sie kurz zuvor, nur mit Rucksack und Überlebensutensilien, im Dschungel allen möglichen Gefahren ausgesetzt war. Elisabeth besaß mehrere Gesichter und oft waren Menschen, die sie näher kennenlernten, von ihren anderen Seiten überrascht.
Sie wollte ihre neuste Errungenschaft einweihen, ein Service was sie in Costa Rica auf einem Markt gekauft hatte.Es hatte einen warmen goldenen Messingfarbton mit einem Holzgriff und passte wundervoll harmonisch zu ihrem antiken Schränkchen. Ein passendes Stövchen hatte sie zufällig in München in einem Antiquitätenladen gefunden.
Der Wasserkessel auf ihrem Herd machte sich lautstark bemerkbar und sie spülte den Teekessel mit kochend heißem Wasser aus. Aus einer schön verzierten Teedose,löffelte sie den Ostfriesentee in die Kanne und goss nur Zweifinger breit heißes Wasser hinzu, so das der Tee gerade eben nur bedeckt war. Das war ganz wichtig, wie sie von einer ostfriesischen Freundin gelernt hatte. Dann kann sich das Aroma so richtig entfalten. Der Tee musste nun drei bis vier Minuten ziehen. Elisabeth bestückte in dieser Zeit ihr Tablett mit dem Zubehör. Teetasse, Kandiszucker und frische Sahne gehörten mit zum Ritual.
Als die Zeit um war, goss sie sie nochmal sprudelnd kochendes Wasser nach und füllte die Kanne auf. Nun war der Tee fertig und sie trug das Tablett die Treppe hoch in den ersten Stock und begab sich in das Gästezimmer mit dem Balkon und den guten Blick auf das Haus gegenüber. Vielleicht konnte sie noch etwas interessantes erhaschen.
Sie stellte das Tablett auf den weißen Mahagonitisch ab und machte es sich in dem Strandkorb bequem, der übrigens auch gut zum Ostfriesentee passte. Sie musste an ihrem Urlaub auf Norderney denken, wo sie in einem Strandkorb saß, Ostfriesentee trank und mit einem Fernglas Möwen und Leute beobachtete. Ja,natürlich, sie brauchte ihr Fernglas.  Das musste sie sich aus ihrem Schlafzimmer von nebenan holen,das ebenfalls einen Balkon besaß, aber von dort war der Blick nicht so optimal .
Nun saß sie endlich und streckte die Füße aus. Die Gartenarbeit war anstrengend genug gewesen und von dem Starren durch den Rosenbusch hatte sie einen ganz steifen Nacken bekommen. Zeit für Entspannung und einem gut tuenden Tee nach dieser ganzen Aufregung.
Das Haus gegenüber lag still da wie immer und niemand war zu sehen. Auch der Blick mit dem Fernglas gab kein anderes Ergebnis. Sie legte es beiseite und widmete sich der ersten Tasse Tee.
Sie stellte sich die Ostfriesen immer als Leute vor die innerlich vollkommen ausgeglichen waren und jeder Sturmflut trotzten. Das muss mit an dem Tee liegen.
Sie schloss die Augen und schon bald zogen die Bilder von den sieben Brüdern, dieser Ausdruck kam ihr spontan in den Sinn, an ihrem geistigem Auge vorbei. Die sieben Brüder. Sehr passend musste sie sich selbst loben. Ohne Zweifel waren sie sich sehr ähnlich. Und sie waren auch unterschiedlich alt. Sie bewegten sich mit den gleichen Nuancen, waren von gleicher Statur und Größe. Aber Brüder unterschieden sich auch sehr .Manche waren groß, andere kleiner, manche sind dünner, andere dicker. Das lag in der Natur der Dinge.
Diese Brüder waren aber eher alle ziemlich gleich, als wären sie einer Form entsprungen. Eher wie Zwillinge, die man kaum auseinander halten kann. Dazu passte wieder nicht, dass sie unterschiedlichen Alters waren. Sie puzzelte die Teile im Kopf herum,vermochten aber noch nicht recht zusammenpassen.
Beim Tee nachschenken, bemerkte sie ein Auto, das langsam die Straße herauffuhr. Da sucht jemand eine Adresse. Der Wagen fuhr an dem LKW vorbei und parkte.
Sie griff wieder zum Fernglas und wollte sich den Fahrer genauer anschauen. Vielleicht noch ein Bruder? Nach einigem Justieren hatte sie den Fahrer von der Seite in ihrem Sichtausschnitt. Sie war ein bisschen enttäuscht keinen weiteren Bruder zu sehen. Der Mann im Auto sah ganz anderes aus. Silbriges Haar und ein wenig übergewichtig mit einem kantigem Profil, das sie an Clint Eastwood erinnerte. Er suchte etwas in einer Aktentasche und sortierte anscheinend irgendwelche Blätter.Dann stieg er aus.
Er war groß, mindestens 1,90 und Elisabeth sah den Bauch der sich unter seiner Jacke wölbte. Sie mochte Männer mit Bauch nicht, aber gut sah er schon aus. Er ging an dem Lkw vorbei und blieb am Tor stehen. Er suchte nach einem Namen. Da kannst du lange suchen, da gibt es keinen. Er ging den Weg zum Haus weiter, ein wenig verkrampft mit der Aktentasche unterm Arm, wie sie fand. An der Haustür fand er leider auch keinen Namen. Er klingelte.
Irgendwie spannend,dachte Elisabeth.....

Der Giftzwerg

Die Türklingel brachte ein langweiliges Ding - Dong hervor. Bernhard hatte etwas anderes erwartet, irgendetwas schrilles.
Die Fußmatte lag neben dem Eingang, als hätte sie jemand weg gekickt. Bernhard konnte das Willkommen auf der Matte auch verkehrt herum lesen.. Vielleicht wurde etwas ins Haus transportiert und die Matte war im Weg. Immerhin stand ja ein LKW vor der Tür.
Ein Namensschild konnte Bernhard nirgends erkennen. Das Haus wirkte bewohnt, oder sollte so aussehen, dachte Bernhard. Das Anwesen machte einen gepflegten Eindruck. Die Fenster schmückten saubere Gardinen und gesunde Pflanzen. Aus dem Briefkasten quoll keine Post oder Werbung  heraus.
Bernhard vernahm ein Geräusch aus dem oberen Stockwerk. Es war also jemand zu Hause. Jemand polterte die Treppe herunter.
Bernhard war weiterhin konzentriert,aber er wollte auch einen natürlichen Eindruck machen und dachte deshalb an etwas entspannendes und schloss kurz die Augen. Eine Szene am Meer. Möwen kreischten und hohe Wellen brachen. Er atmete einmal lang durch und  lächelte wie nach einem Wellness -Urlaub, als die Tür aufging.
Ein Mann mittlerer Größe und Alters mit Schnauzbart stand ihm gegenüber. Sein Blick war misstrauisch und argwöhnisch, seine Augen zu Schlitzen verengt, als wären sie allezeit bereit mit Feuerstrahlen zu schießen. Innerlich trat Bernhard einen Schritt zurück, hielt aber seinem bohrendem Blick stand.
" Ja ?", presste der Mann hervor und aus dem Tonfall entnahm Bernhard, dass er alles andere als Willkommen war. Er lehnte dabei den linken Arm an den Türrahmen und Bernhard bemerkte ein riesiges Muttermal an seinem Unterarm.
" Schönen guten Tag, mein Name ist Bernhard Schaum...entschuldigen Sie die Störung. Sind sie Herr Frank Baumann?"
Der Mann wechselte seinen Gesichtsausdruck von angestrengt zu verdrießlich und Bernhard beschlich das Gefühl, dass die Tür gleich wieder zu sein wird und kam sich so vor wie jemand der den Entführer noch in der Leitung halten musste, bis die Fangschaltung stand. Bitte nicht auflegen, bitte noch nicht die Tür zu machen!!!...
" Sie haben sich an der Tür geirrt...hier wohnt kein Frank Baumann", und mit Wucht wurde die Tür zugeschlagen.
Obwohl sein Gefühl das angekündigt hatte, war er nun perplex es real geschehen zu sehen. Doch so schnell würde er sich nicht vom Acker machen und klopfte zweimal kräftig an der Tür.
Die Tür wurde schlagartig wieder aufgerissen, als stände er lauernd hinter der Tür und hätte nur darauf gewartet.
" Verschwinden Sie!!! , brüllte der Mann und hatte mal eben kurzerhand seine Gesichtsfarbe von harmlos rosa zu puterrot gewechselt. Bernhard wollte etwas erwidern, etwas was die dicke Luft zwischen ihnen absaugt, doch instinktiv war ihm klar, dass er nichts sagen konnte, was den Mann wieder auf normale Betriebstemperatur brachte. Ein zweites Mal wurde ihm , nochmal mit einer Steigerung, die Tür vor der Nase zugeschlagen.
Bernhard war sich sicher, dass er noch immer hinter der Tür stand und durch den Spion blickte. Was würde jetzt passieren, wenn er nochmal klopfte. Wie konnte dieser giftige Mann sich noch steigern. Würde er auf ihn losgehen? Bernhard war ja immerhin eine stattliche Erscheinung und schreckte in der Regel übermütige Testosteronzwerge ab. In Bernhard gewann die Einsicht Oberhand, dass er hier nichts weiter ausrichten konnte und zog sich zurück.
Er schlenderte gemütlich den gepflasterten Weg zum Eingangstor zurück. So viel musste sein. Er stellte sich den Giftzwerg hinter der Tür vor, wie er durch den Spion seinen Rückzug beobachtete und innerlich den Sieg feierte. Aber die Geschichte hatte für Bernhard damit noch kein Ende, sondern solche hässlichen Begegnungen beflügelten ihn eher. Er durchschritt das Tor und war wieder auf neutralem Boden.
Einmal tief durchatmen.Was nun? Die Sache war noch nicht abgehakt und er würde sowieso noch in Frankfurt zu tun haben. Es war schon später Nachmittag und er würde sich zunächst um eine Unterkunft bemühen. Sein Blick fiel auf das Haus auf der anderen Straßenseite. Er sah das Schild mit der Aufschrift " Zimmer frei ". Na, das passt doch. Gleich Position beziehen auf der anderen Seite des Schützengrabens. Er musste lächeln bei diesem Bild.
Er ging auf das Eingangstor zu und besah sich den Namen. Elisabeth Zinger stand dort mit geschwungenem Schriftzug. Mal sehen wie die anderen Frankfurter so drauf sind.
Bernhard läutete.....

Stress

Konrad Knappe beobachtete wie der ungebetene Störenfried den Weg zurück ging. Der ließ sich ziemlich viel Zeit für die kurze Strecke zum Tor. Herausfordernd lässig bummelte er zurück. Ist er den wirklich los? Konrad hatte kein gutes Gefühl bei diesem Typ. Zu provozierend wirkte dieses Trödeln. Wollte er ihm damit eine Botschaft signalisieren? So behandelst du mich nicht, das hat noch ein Nachspiel, wir sehen uns wieder? Er kannte solche Art Menschen sehr genau. Sie waren wie Kampfhunde, die sich festbeißen. Wie Haie die Blut riechen.
 Wäre eine andere Strategie besser gewesen? Sich zunächst anhören, was er überhaupt wollte? Wahrscheinlich schon, aber Konrad hatte gar nicht damit gerechnet Besuch zu erhalten. Außerdem stand er extrem unter Druck, der sich permanent in den letzten Stunden aufgebaut hatte. Doch das war keine Entschuldigung für seine Explosion. Wie hatte er sich nur so hinreissen lassen können? Er stand noch immer an der Tür abgestützt, als würde er vertikale Liegestützübungen durchführen und starrte angestrengt durch das Guckloch.
 Als der Mann aus dem Sichtfeld verschwand, rupfte er sich vom Spion weg, und bemerkte dass er beinahe keuchte vor Aufregung. Er musste sich beruhigen, ganz schnell. Die Anderen durften in keinster Weise irritiert werden. Nicht auszudenken, wenn jetzt was schief laufen würde. Sie hatten ihr Ziel fast erreicht. 
Konrad wurde sich bewusst, wie groß die Anspannung in den vergangenen Wochen geworden war und wie schnell ein Zwischenfall seine Nerven zu kitzeln vermochte. Er fühlte sich wie eine gespannte Feder, die in alle Richtungen los schnellen konnte. Er musste sich beherrschen und die Kontrolle wieder bekommen.
Es war notwendig seine Gedanken darauf konzentrieren, welches Handeln vernünftig ist und wo die Prioritären liegen. Er mag den Typ verletzt haben, aber der beruhigt sich auch wieder. Und was sollte er auch schon groß unternehmen? Sie brauchten ohne dem nicht mehr lange. Zwei Tage, höchstens drei. 
Konrad ging in die Küche zum Kühlschrank und holte sich eine kühle Flasche Wasser heraus. Er schraubte den Verschluss ab und mit dem Entweichen der Kohlensäure, war es als würde auch sein innerer Druckbehälter geöffnet und spürte gleichsam den angestauten Stress herausströmen.
Er gönnte sich ein Hinsetzen und eine träumerische Abwesenheit. Bilder vermischten sich mit Gefühlen und führten ihn zurück zum Anfang seiner fantastischen Reise und einer Geschichte, der kein Mensch Glauben schenken würde.
Alles nahm vor ca. zwei Jahren einen wundersamen Anfang in Manaus, der brasilianischen Dschungelstadt....

Unerwarteter Besuch

Elisabeth tänzelte die Treppe herunter. Das Telefon in der Diele klingelte mit der der Titelmusik von Miss Marple.
" Elisabeth Ringer ", sagte sie in den Hörer ohne atemlos zu klingen, was ihren Fitnesszustand unterstrich auf den sie sehr stolz war.
" Elisabeth, mein Schatz...geht es dir gut?. Es war Verona ihre Nachbarin.
"Verona, meine Liebe..danke gut...ich war gerade auf dem Balkon Tee trinken und hatte vergessen das Telefon mitzunehmen....wie geht es dir heute ?" Elisabeth war auf ein Klagelied gefasst.
" Die Arthritis bringt mich um, dazu noch Kopfschmerzen, wie ich sie meinem schlimmsten Feind nicht wünsche". Diese Kombination kam Elisabeth neu vor.
"Das tut mir leid , meine Gute....Das muss der Wetterumschwung sein." Eine immer passende Erklärung.
"Ja, mit Sicherheit..ich kann mich kaum bewegen und wollt dich fragen , ob du später noch einkaufen gehst? 
" Ja,..soll ich dir was mitbringen? "
" Ach, das wäre lieb....ich maile dir die Liste...sind nur ein paar Kleinigkeiten "
" Aber natürlich...ich bringe sie dir dann so gegen sechs vorbei....ist das OK ? Verona hatte das Anwesen neben den unheimlichen Brüdern und damit auch einen anderen Blickwinkel auf das Haus.Vielleicht wusste sie auch etwas über sie.
" Ja, danke...das passt gut...ich leg auf meine Liebe....jedes Wort ist ein Paukenschlag in meinem armen Kopf....bis später".
" Verona ?".Verona hatte schon aufgelegt und es schien ihr wirklich nicht gut zu gehen.
Elisabeth wollte sich auf den Weg zurück begeben, als es an der Tür schellte.
Das ist ja schlimmer als auf der Zeil, dachte Elisabeth. Das war ein Frankfurter Spruch
der auf den Hochbetrieb auf Frankfurts größter Einkaufsmeile Bezug nahm.
Elisabeth machte kehrt und mit ein paar schnellen Schritten war sie an der gusseisernen Tür,die sie ohne Mühe öffnete
Zu ihrer Überraschung erblickte sie den Riesen mit den markanten Gesichtszügen am Tor stehend. Er grüßte sie freundlich und Elisabeth betätigte den Türöffner.
Er hatte immer noch die Aktentasche unter dem Arm geklemmt. War er eine Art Versicherungsvertreter?
" Guten Tag, Frau Zinger...mein Name ist Bernhard Schaum....entschuldigen Sie die Störung, aber ich habe das Schild draußen gesehen....."Zimmer frei "...Ich wäre interessiert.". Er blickte Elisabeth erwartungsvoll an.
Meine Güte , sieht der gut aus..du kannst gleich ganz hier einziehen,mein Süßer. Elisabeth musste über ihre eigenen Gedanken schmunzeln.
" Ja,das Zimmer ist zu haben...kommen Sie doch erst mal herein." Elisabeth machte eine einladende Geste, .
 trat einen Schritt zurück und gab den Eingang frei. Bernhard quetschte sich hindurch
" Ich vermiete in der Regel an Messegäste und habe selten außerhalb der Messezeiten Anfragen....ich bin deshalb ein wenig überrascht " Elisabeth hoffte das sie nicht verlegen wirkte.
Bernhard schaute sie freundlich an und vermied es sich umzuschauen. Das empfand er als unhöflich.
" Ich bin beruflich  in Frankfurt tätig und kann nicht genau vorhersagen,wie lange ich das Zimmer benötige,aber ich schätze das es wohl eine Woche sein wird ". Bernhard erforschte in ihrem Gesicht die Reaktion. Seine Anfrage schien ihr nicht lästig zu fallen.
" Da machen sie sich mal keine Gedanken...Das Zimmer ist für den ganzen Monat frei.....Ich nehme 50 Euro pro Nacht und dazu bekommen Sie ein Frühstück, das ihren Aufenthalt hier in Frankfurt unvergesslich machen wird." Hoffentlich trug sie nicht zu dick auf. Elisabeth neigte stets zum Überschwänglichem.
" Aber sie möchten bestimmt erst das Zimmer sehen?"
" Das wäre nett,danke " Bernhard Schaum hatte höfliche Manieren und das sagte Elisabeth ausnehmend zu.
Er machte den Eindruck eines Gentleman. Ihr gefiel,wie er ihr seine volle Aufmerksamkeit schenkte.
" Bitte,die Treppe hoch " Elisabeth ging vor .
Als sie die ersten Stufen genommen hatte, dachte sie mit Schrecken an den Balkon und dem Fernglas auf dem Mahagonitisch.Was für ein Eindruck würde er von ihr bekommen ? Eine neugierige Vorstadtsdame ,die  ihre Nachbarn ausspioniert ? Wie peinlich. Sie waren oben angekommen und Elisabeth wünschte sich auf einem mal,dass er nach der Toilette fragen würde und sie Gelegenheit hätte das Fernglas zu entsorgen. Aber er fragte nicht danach sondern folgte ihr behutsam. Die Zimmertür stand noch auf und Elisabeth ließ den Gast zuerst den Raum betreten.
Bernhard sah sich dezent um. Das Zimmer war nicht zu beanstanden, was er auch schon erwartet hatte. Es war schlicht aber geschmackvoll eingerichtet. Es ließ sich keinem Stil zuordnen ,sondern war aus den verschiedensten Accessoires harmonisch zusammengestellt. Diese Frau hatte Sinn für Vielfalt in Harmonie.
Elisabeth stand hinter ihm und hatte freie Sicht auf die Balkontür die weit offen stand und den Blick frei gab auf das Fernglas ,dass sie auch noch aufrecht auf den Tisch abgestellt hatte. Er musste es auch ganz deutlich sehen. Bernhard drehte sich zu ihr um und aus seinem Gesicht sprach Akzeptanz.
" Perfekt..ich würde es sehr gerne nehmen. Macht es Ihnen was aus,wenn ich gleich meine Sachen heraufhole?".....

Olivia

Manaus,17.3.2010

Der Empfangsbereich am Flughafen in Manaus war gefüllt mit wartenden Menschen, die alle in eine Richtung schauten. Immer wenn sich die Schiebetür öffnete, blickte die Menge mit gereckten Hälsen gespannt auf den nächsten Reisenden, der durchs Portal kam. Suchende Blicke trafen sich in einem Ausbruch der Freude wieder. Familienangehörige und Freunde fielen sich in die Arme.
Zwischen ihnen gemengt, waren Abholer von Firmen und Organisationen, die mit gemalten Schildern vor sich, als Repräsentanten ihrer Auftragsgeber zu erkennen waren.
Konrad Knappe war einer von Ihnen. Er hatte ein Schild vorbereitet auf dem " Olivia Hochschild " mit deutlich großen Buchstaben stand.
Konrad griff noch einmal in seine Jackentasche, um das Foto von Oliva hervorzuholen. Der Professor hatte es ihm am Vorabend seines Aufbruchs nach Manaus zugesteckt. Es zeigte seine Tochter Olivia in Tropenkleidung bei der Arbeit. Mit einem kleinen Hämmerchen in der Hand, klopfte sie am Boden und schaute selbstbewusst lächelnd in die Kamera.
Sie war Archäologin und wie der Professor wissenschaftsverrückt. Konrad Knappe kannte sie bisher noch nicht persönlich, doch der Professor hatte keine Gelegenheit ausgelassen von ihr zu erzählen. In ihrem Haus am Rande der Indianersiedlung gab es viele einsame Abende und eben so viele Geschichten. Konrad hatte sich im Laufe der Zeit ein Gesicht zu Olivia vorgestellt, doch als er sie dass erste Mal auf dem Foto sah, musste er einen verblüfften Ausdruck gemacht haben.
"Was haben sie, stimmt was nicht?", fragte der Professor nach.
" Professor, ihre Tochter ist wunderschön", hörte er sich selber sagen.
" Sie hat nur ihren Beruf im Kopf ", sagte der Professor und es klang wie eine Mahnung.
" Wie wir alle", erwiderte Konrad und starrte noch eine Zeit lang auf diese vollkommenen Gesichtszüge.
Auch später in der Hängematte, im Schein des schwachen Lampenlichts, hielt er das Foto vor sich und sog die Schönheit von Olivia auf,  so als würde er eine köstliche Frucht bis zum letzten Tropfen auskosten.
Das war nicht das letzte Mal. Auf seiner Reise vom Dorf der Yanomami mit dem Kanu nach Sao Gabriel und anschließend mit dem Flugzeug nach Manaus, holte er oft das Foto hervor und stellte sich vor, welch liebliche Stimme sie besaß, welche reizenden Gesten sie machen würde, und wie ihr anmutiges Bewegen sich zweifelsohne mit ihren geistreichen Worten verband.
Wie Intervalle in seinen Vorstellungen gestreut, kamen Bilder von ihm selber, wie er perfekt zu ihr passen würde. Mit seinem Aussehen konnte er nicht punkten. Dessen war er sich realistischerweise bewusst. Er war zwar durchtrainiert und sportlich, aber sein Gesicht war eher durchschnittlich und von seinen Haaren war nur ein Kranz übrig. Als größten Makel empfand er jedoch seine Behinderung, das Bein dass er nachzog. Es war ein Überbleibsel einer seltenen Infektionskrankheit aus seinen Kindertagen.
Außer dem Spott aus der Schulzeit, waren besonders die Reaktionen der Damenwelt auf sein Handicap tief in sein Bewusstsein eingraviert. Natürlich hatte er auch Beziehungen zu Frauen gehabt. Zu normalen Frauen, wie er es nannte. Aber besonders schmerzlich war die Erfahrung von schönen begehrenswerten Frauen abgewiesen zu werden. Und da gab es leider viele schlechte Erinnerungen. Keine dieser Frauen war je so schön gewesen, wie Olivia. Doch Olivia war in Konrads Vorstellung ganz anders. Olivia würde nie auf Äußerlichkeiten Acht geben, sondern ganz der Wissenschaftler, das Wesen einer Sache oder Person zu ergründen suchen .
Und da hatte Konrad einiges zu bieten. Er war ein sensibler Mann, in seiner Natur gefühlvoll und zart besaitet und der Romantik verschrieben. Er war der festen Überzeugung, dass Frauen im Grunde genommen einen Typen wie ihn suchten und bevorzugten.
Außerdem war er wie sie Wissenschaftler. Sein Gebiet waren Indianersprachen. Er kannte sich auch mit prähistorischen Symbolen der Indianer aus, was zu einer Zusammenarbeit mit Olivia führen würde. Sie würden ein gemeinsames Projekt besitzen und Konrad erhoffte ein erbauliches Teamwork. Wohlmöglich würde auch der Weg zu einer Bande auf Emotionsebene eröffnet. Das wünschte er sich von ganzem Herzen.
 Dieses diffuse Gefühlsgebäude hatte er in nur zwei Tagen errichtet und nun war ihm unbewusst bange, es könnte innerhalb kürzester Zeit in sich zusammen fallen.
In seiner romantischen Vorstellung war das erste Zusammentreffen von entscheidender Bedeutung, so als würde eine Flamme gezündet. Was aber, wenn dieses Feuer gar nicht entfacht würde. Was wäre, wenn die Funken an ihr vorbei sprühen oder noch schlimmer er sich wie ein nasser Feuerstein erweist, der den Dienst versagt. In seinem Gefühlskochtopf vermengten sich seine Hoffnungen und Wünsche mit Zweifel und Versagensangst.
 Er steckte das Foto zurück in die Tasche und stand nun ein wenig verkrampft und steif mit seinem Schild vor der Brust dar. Die Schiebetür öffnete sich ein weiteres Mal und nun war der Moment gekommen, den Konrad herbeisehnte und auch gleichzeitig fürchtete. Olivia, die Tochter vom Professor, betrat die Bühne seiner romantischen Welt.
Ihre Blicke trafen sich und Konrads symbolischer Feuerstein begann Funken zu werfen....

Die Einladung

Bernhard Schaum war zurück und hatte zwei Gepäckstücke bei sich. Eine Reisetasche mit vielen praktischen Außentaschen und einen Koffer in Trolleyausführung.
Er stand in der Diele und wartete geduldig das seine Vermieterin ihm Aufmerksamkeit schenken würde. Sie war in einem Telefongespräch vertieft und es ging um irgend eine Einkaufsliste, um Fertigprodukte und ums selber kochen.
Als das Telefonat beendet war, legte sie kopfschüttelnd den Hörer auf .
" Entschuldigung...meine Nachbarin....ich glaube sie wird langsam zu einem Problemfall....sie ist 87 Jahre alt und jeden Tag kommt eine neue Krankheit hinzu....Sie macht sich nur noch Fertiggerichte warm,kommt nicht mehr aus dem Haus und braucht glaube ich Hilfe....Ich werde gleich mal nach ihr schauen....aber zuerst möchte ich ihnen einen Haustürschlüssel geben..."
 Sie kramte in einer Handtasche herum und zog einen Schlüsselbund heraus.
" Der große ist für das Tor und der kleine für die Haustür", erklärte sie.
Bernhard bedankte sich und bemerkte dass sie noch etwas auf dem Herzen hatte.
" Herr Schaum...in meinem Haus ist ein Gastmahl Tradition...Ich möchte sie deshalb gerne heute Abend zum Dinner einladen. Das hat sich bei mir und meinen Gästen eingebürgert und man lernt sich so auch gleich ein wenig kennen....wäre ihnen 20 Uhr Recht ? "
Bernhard war es gar nicht recht, aber er ließ sich nichts anmerken. Er würde lieber den Abend frei haben und seine weiteren Aktivitäten planen . Auf der anderen Seite wollte er nicht unhöflich sein und wie könnte er einen so freundliche Einladung ablehnen?
" Danke,sehr nett von ihnen...ich nehme ihre Einladung gerne an "
Sie tauschten noch ein paar Höflichkeiten aus und trennten sich dann. Elisabeth packte noch etwas von ihrem Auflauf von Gestern ein, verstaute es in einer Stofftasche und machte sich mit einem Einkaufswagen auf den Weg .
Bernhard bezog mittlerweile sein Zimmer. Die Balkontür stand noch wie vorhin auf, aber seine Vermieterin hatte ihre Sachen weggeräumt.
Bernhard stellte den Koffer ab und warf die Tasche auf das Bett. Dann ging er auf den Balkon hinaus.
Er lehnte sich auf die Steinbrüstung und hatte einen wundervollen Blick auf das Haus des Giftzwergs.
Er dachte an das Fernglas das vorhin noch auf dem Tisch gestanden hatte. Seine Vermieterin war neugierig und beobachtete gerne andere Menschen. So einfach war das. Bernhard hatte sehr wohl bemerkt,wie unangenehm es ihr war, dass er das Fernglas zu sehen bekam. Sie nahm ihren Tee nicht in ihrem Zimmer ein, sondern wählte das Gästezimmer dafür. Das konnte nur ein Grund haben. Sie beobachtete das Haus des Giftzwergs. Es wird interessant sein zu erfahren, was Frau Zinger alles so über seinen neuen Freund weiß.
Die Einladung kommt doch nicht so ungelegen.
 Bernhard war ein Meister darin einem Gesprächspartner Informationen zu entlocken.....

Der Sender

Olivia hatte keine Scheu und begrüßte Konrad auf  brasilianische Art mit  angedeuteten Küsschen auf die Wangen. Konrad war nicht ganz so geübt darin und das führte beinahe zu einer Mundberührung. Er versuchte die Peinlichkeit aufzulösen, in dem er verlegen lachte und sich entschuldigte. Olivia half ihm, in dem sie ins Gackern einstimmte. Besser hätte es für Konrad nicht kommen können, denn es half seine Nervosität zu verflüchtigen.
Olivia begann von weiteren lustigen Vorfällen während ihrer Reise zu erzählen und nahm Konrad völlig die Anspannung. Konrad übernahm den Gepäckwagen und führte sie sicher und zielbewusst zu den Taxiständen, während Olivia aufgedreht weiter berichtete.
Der Taxifahrer half ihnen beim Einladen des Gepäcks. Olivia hatte einen Rucksack, einen Koffer und eine große Tasche dabei. Kein Problem für den Einbaum, schätze Konrad ab.
Die Fahrt ins Zentrum vom Manaus dauerte 15 Minuten. Konrad hatte zwei Zimmer in der Rua Santa Catarina gemietet. Sie waren nicht mehr weit entfernt. Durch das Taxifenster blickte man auf das pulsierende Treiben in Manaus Straßen.  Konrad hoffte, dass Olivia Interesse an einer kleinen Stadtbesichtigung zeigen würde.
" Ich könnte Ihnen heute Nachmittag etwas von der Stadt zeigen....wenn Sie es wünschen ".
Olivia gähnte als Antwort
" Ich glaube,ich muss mich hinlegen...aber danke..lieb von Ihnen " Konrad machte einen enttäuschten Gesichtsausdruck. Olivia bemerkte dies und fügte hinzu
" Aber heute Abend würde ich gerne etwas Essen gehen...kennen Sie ein schönes Restaurant ?"
Konrads Gesicht hellte sich wieder auf
" Bevorzugen Sie etwas Bestimmtes ? ". Konrad ging im Kopf die ihm bekannten Restaurants durch.
"  Frischen Fisch aus dem Amazonas würde ich gerne probieren....Sorry, ich korrigiere ..Rio Negro"
" Das werden wir hinbekommen ", versprach er all zu vorschnell. In der Tat waren ihm auf Anhieb keine Fischrestaurants bekannt.
" Schön, da freue ich mich schon auf heute Abend." In diesem Moment hatte das Taxi sein Ziel erreicht.
Olivia stieg aus und schaute auf das Schild mit der Aufschrift " Pousada Tropical ". Das dazu gehörige Haus sah freundlich und frisch renoviert aus. Die Fassade war in einem warmen rötlichen Ton gestrichen und die Fenster waren mit bunt bemalten Blumenkästen verziert. Nur Blumen fehlten noch.
Nachdem Konrad den Taxifahrer entlohnt hatte, betraten sie die Pousada.
Der Taxifahrer beobachtete sie beim Wegfahren im Rückspiegel. Als sie in der Pousada waren, fuhr er an den Straßenrand, ließ aber den Motor laufen. Er holte sein Handy hervor und tippte geübt schnell eine Nummer ein, die er von einem Zettel ablas. Nach zwei Klingeltönen hob jemand ab.
" Ja ", sagte eine weibliche Stimme und er wunderte sich, denn er hatte das Geschäft mit einem männlichen Bullen mit tiefer Stimme ausgemacht.
" Alles erledigt ". Er wartete die Reaktion ab. Könnte ja sein, dass er die falsche Nummer gewählt hatte.
" An welchem Gepäckstück haben sie den Sender befestigt ? " . Er war also doch richtig verbunden.
" Unter dem Koffer...es war ein Kinderspiel.", sagte er stolz und hatte nichts gegen ein Lob. Doch das kam nicht.
" Fahren sie drei Kreuzungen weiter..dort steht mein Partner und wird ihnen das Geld übergeben."
Er wollte sich noch bedanken, doch sie hatte schon aufgelegt.....

Beschattung

Bernhard schaute auf seine Uhr. Es war noch früh am Nachmittag und er wollte die Zeit gut nutzen. Frau Zinger verließ gerade das Grundstück mit einem Einkaufswagen und sein Blick folgte ihr.
Das erinnerte ihn daran, dass er auch noch etwas einkaufen musste. Man konnte nicht ohne Geschenk zum Dinner erscheinen. Ein guter Wein ist immer ein willkommenes Mitbringsel. Auf der Hauptstraße hatte er einige Geschäfte bemerkt. Ein Supermarkt war dabei, zu dem seine Vermieterin wahrscheinlich gerade unterwegs war. Diesen Einkauf würde er später noch erledigen.
Bernhard ging zurück ins Zimmer und holte sein Adressbuch aus seiner Aktentasche hervor. Er blätterte zum Buchstaben P.,  ging die eingetragenen Namen durch und fand den pensionierten Malermeister.
 Die Nummer war schnell in sein in Handy eingetippt.
" Plahentzky ", meldete sich eine heisere, nicht gut gelaunte Stimme.
" Hallo Herr Plahentzky...hier ist nochmal Herr Schaum ". Bernhard ging mit dem Telefon auf den Balkon zurück.
" Ach Herr Schaum.....Ich grüße Sie ". Seine Stimme änderte sich nach dem Motto : Ich habe eigentlich keine Zeit, aber für sie habe ich Zeit....
" Herr Plahentzky....es geht nochmal um den Herrn Baumann....ich war gerade bei der von ihnen genannten Adresse. Anscheinend wohnt Herr Baumann dort nicht mehr....Haben Sie vielleicht noch Hinweise für mich, wie ich ihn auffinden kann...Z.B sein Beruf wäre hilfreich zu wissen....oder wissen Sie sonst noch irgend etwas über ihn, was mir helfen könnte ihn zu finden ?". Es entstand eine kurze Pause am anderen Ende.
" Also...ich müsste noch seine Karte haben....aber ich glaube mich erinnern zu können,dass es irgend etwas mit Kunst zu tun hatte ....wenn Sie einen Moment warten,dann schaue ich nach..."
" oh ja,...das wäre lieb ". Bernhard hörte Geräusche im Hintergrund. Es hörte sich an als würde eine flexible Tür nach oben geschoben. Bernhard kannte diesen Laut von seinem Aktenschrank. Herr Plahentzky holte einen Aktenordner hervor ,legte ihn ab und blätterte darin. Dabei summte er irgend eine Melodie.
" Ja ,ich habe mich richtig erinnert....Herr Baumann ist Kunsthändler und hat sein Geschäft in Frankfurt,in der Goethestraße...
 Er gab die Adresse und die Telefonnummer durch und Bernhard notierte sich alles in sein Adressbuch.
" Herr Plahentzky...Sie haben mir sehr geholfen ". Höflich wurde sich verabschiedet und aufgelegt. Seine Finger waren schon dabei  die angegebene Nummer wählen, als sich plötzlich etwas beim Haus des Giftzwergs tat. Er hielt inne und wartete ab, was da passierte.
Der Giftzwerg kam aus dem Haus und lief den Weg entlang. Beide Hände in die Jacke gesteckt, stapfte der Mann mit humpelnden Gang zum Tor hinaus. Er ging in die gleiche Richtung wie Frau Zinger.
 Bernhard verlor keine Zeit, steckte sein Handy ein, vergewisserte sich dass der Hausschlüssel in der Tasche war und lief so schnell es seine Lunge zuließ auf die Straße hinaus. Auf der Straße angelangt, pustete er vor Anstrengung. Seine innere mahnende Stimme erinnerte ihn daran unbedingt wieder Sport zu treiben. Bernhard gelang es diesen Gedanken schnell wieder im Hintergrund verschwinden zu lassen und fokussierte seine Aufmerksamkeit ganz auf den Giftzwerg in der Zwischenzeit gut 200 Meter bewältigt hatte.
Bernhard machte sich an die Beschattung...

Die Höhle

Konrad Knappe suchte am Nachmittag ein Internet Cafe auf, checkte E-Mails, schrieb Freunden und seiner Mutter ein paar nette Worte, chattete auf Facebook und sah sich den Wetterbericht an. In den nächsten Tagen wurde starker Regen in der Region erwartet. Er stellte sich mit Olivia im Kanu vor, wie sie als Team dunkles warmes Wasser aus dem schlanken langen Gefährt heraus schaufeln würden. Am Abend würde man erschöpft am tröstlichen Feuer dem Regen zuhören ,wie dieser sich harmonisch mit den anderen Urwaldgeräuschen zu einer Symphonie vereinigt.
 Ein wohliges Gefühl bereitete sich in seiner Brust aus und er freute sich auf die zwei Tage Rückfahrt auf den Seitenarmen des Rio Negro. Morgen in der Frühe, stand der Flug nach Sao Gabriel an. Mittags würden sie die Indianer aus ihrem Dorf treffen und auf das Kanu umsteigen.
 Konrad erhob sich von dem engen Stuhl vor seinem PC und steuerte den Cola-Automaten an.
Der Besitzer vom Internet Cafe ließ ihn keinen Moment aus den Augen. Mit engen Schlitzen beobachtete der Hausherr den ganzen Raum. Ein paar Jugendliche zockten  Ballerspiele und eine junge Frau war angeregt am Schnattern. Ein kräftiger Mann mit pechschwarzem Haar saß ihm gegenüber. Konrad bemerkte dass der klobige Kerl öfters zu ihm herüberschaute. Auch jetzt wo er am Automat stand und Kleingeld hineinwarf. Die Cola rutschte mit einem Plump heraus. Am Platz zurück trank er die Hälfte der Flasche mit einem Satz aus.
Seine Finger begannen aufs Neue über die Tastatur zu huschen. Es galt noch ein Fischrestaurant  für heute Abend zu finden. Hoffentlich gelang es ihm Olivia etwas Besonderes zu bieten.
 Er klickte ein paar Seiten an und ein Restaurant machte einen verheißungsvollen Eindruck. Die Bilder auf der Seite versprachen ein angenehmes Ambiente und die Karte exklusive Gerichte. Man konnte sogar online  reservieren und Konrad bestellte für 20 Uhr einen Tisch. So, das war auch erledigt.
Blieb noch Zeit etwas über die Zeichen herauszufinden. Das Team des Professors hatte auf einer Dschungelexpedition eine geheimnisvolle Höhle mit Wandmalereien und Artefakten entdeckt. Ein sensationeller Fund und der Grund dafür Olivia als Archäologin mit an Bord zu holen.
Bei seinem ersten Besuch in der Höhle staunten seine Augen über die Vielzahl der Symbole und Zeichen mit der die Wände tapeziert waren. Nur ein kleiner Bruchteil wurde von ihm in sein Notizbuch übertragen, das nun auf dem Tisch lag. Vielleicht fand sich auf den entsprechenden Fachseiten Hinweise zu ihrer Entschlüsselung. Konrad machte sich an die Arbeit....

Zweiter Versuch

Bernhard holte mit schnellen Schritten auf. Der Giftzwerg humpelte auf der anderen Seite Richtung Hauptstraße. Es bestand für ihn kein Grund sich umzudrehen und so würde er seinen Beschatter auch nicht bemerken.
Bernhard war einem plötzlichen Impuls gefolgt ihm nach zu gehen. Das war schon öfters passiert. Seine gute Spürnase übernahm die Kontrolle und ließ ihn instinktiv handeln.
Während sich der Abstand zum Verfolgten verkürzte, kreisten seine Gedanken um das weitere Vorgehen.
Ihn nur zu beobachten, wie dieser vielleicht Zigaretten kaufte und dann zurückkehrte, würde nicht viel bringen. Etwas Aktiveres war angesagt.
Die erste Begegnung hatte der Giftzwerg gewonnen. Die demütigende Behandlung vor der Haustür trat erneut schmerzhaft in seine Erinnerung. Die zweite Begegnung würde anders ausfallen und diesmal hatte Bernhard das Überraschungselement auf seiner Seite. Schließlich konnte man hier, außerhalb des Hauses, nicht einfach eine Tür zuschlagen. Der richtige Moment zum Ansprechen musste gefunden werden.
Der Humpelnde vor ihm, hatte jetzt fast die Hauptstraße erreicht. Nun galt es ihn in dem belebten Treiben nicht aus dem Auge zu verlieren. Zum Glück trug der Giftzwerg eine rote Baseball Kappe als Signal auf dem Kopf. Von der war aber nichts mehr zu sehen, als Bernhard um die Ecke bog.
Konzentriert suchten seine Adleraugen das Ziel, vermochten ihn aber nicht auszumachen. Das konnte nur eins bedeuten. Das erste Geschäft war ein Friseurladen. Die Tür stand offen und gab den Blick frei auf den schnippelnden Friseur und seine Kundschaft. Dem Mann stand nicht der Sinn nach Haare schneiden und er hatte sowieso nicht mehr all zu viele davon auf seinem Schädel.
Anschließend kamen zwei Wohnhäuser und dann ein Discountermarkt. Das mit Werbeangeboten  zugepflasterte Schaufenster ließ Lücken zum Hineinschauen. Ein Mann mit roter Kappe befreite gerade einen Einkaufswagen aus dem Depot. Bernhard wartete einen Moment bis sein Mann mit dem Wagen im Laden herum fuhr.
Zwei breit gebaute Handwerker betraten den Discounter und boten ihm die Deckung zum Hineinkommen.
Die rote Kappe war im nächsten Gang verschwunden. Vorbei an der Gemüseabteilung, dem Brot und Kuchen gelang man zum hinteren Quergang mit dem Bereich der Fleischtheke. Dort war nichts von ihm zu sehen.
Im zweiten Gang war eine Mutter mit quengelnden Kindern. Im dritten Gang gab es Spirituosen und der Giftzwerg hatte eine Flasche Wein in der Hand und schaute auf das Etikett. Sein Rücken war ihm zu gewandt, als Bernhard sich näherte. Jetzt stand er genau hinter ihm.
" Können Sie mir einen guten Wein empfehlen ? "..... 

Ausgehen

Endlich war der Abend herbei gekommen. Konrad hatte sich rasiert, geduscht und sich einparfümiert. Seine Ausgehhose und Hemd saßen perfekt. Er beschaute sich noch einmal im Spiegel und war mit dem Ergebnis zufrieden. Er ging in den Flur hinaus. Olivias Zimmer war seinem genau gegenüber. Wie würde Sie aussehen?  Geschminkt und herausgeputzt oder natürlich und leger?
 Sein Anklopfen kam ihm viel zu laut vor. Schritte näherten sich.
Das klang nach Stöckelschuhen. Dazu passend machte seine Phantasie ein weißes Kleid und auf einem Mal rekelte sich Marylin Monroe auf dem Luftschacht in seinem Kopf. Wie hieß noch mal der Film mit dieser Szene? Wie eine Blase zerplatzte das Bild als die Tür aufging.
Der Anblick der sich ihm bot war aber viel reizender als irgend ein Phantasiebild. Olivia trug eine weite schwarze Hose und eine beige Bluse. Die Haare trug sie offen und raubte Konrad den Atem. Auf gleicher Höhe blickten ihre Augen in seine. Das lag an den Stöckelschuhen.
" Wir laufen doch nicht so viel,hoffe ich....sonst muss ich mir flache Schuhe anziehen..."
Nein bitte bleib so !!!, sagte die Konradstimme in seinem Kopf
"Nein,das ist kein Problem...wir müssen sowieso ein Taxi nehmen ". Seine Augen konnten sich nicht satt sehen
" Sie sehen wunderschön aus, Olivia ". Konrad verbeugte sich innerlich.
" Danke Konrad....das Kompliment zurück....schickes Outfit", lächelte sie verschmitzt.
" Wollen wir ? ". Seine Hand machte eine einladende Geste.
Olivia bewältigte die schiefe knatschende Treppe hinunter ins Foyer ohne Unfall. Konrad war dicht vor ihr und reichte seine Hand die sie dankbar annahm und ein warmes Gefühl durchströmte ihn.
Unten angekommen wurden Sie neugierig beäugt von der rundlichen netten Dame die sie schon vom Empfang kannten. Das Taxi war schnell bestellt und die Wartezeit war kurz.
 Das Innere des Wagens machte einen ungepflegten Eindruck und benötigte dringend einen Staubsauger und einen Wunder-Baum. Die Beschaffenheit des Fahrzeugs passte zu dem Zustand auf den Straßen, die vollgemüllt darauf warteten von der nächtlichen Stadtreinigung gesäubert zu werden. Überall flogen Papier, Pappe und Verpackungsmaterial  herum. Auch Becher und Flaschen lagen achtlos überall verstreut. Morgen früh würde alles wieder in einem sauberen Zustand sein und das Chaos würde von Neuem beginnen. Die Säuberungsfahrzeuge waren schon angerückt und parkten auf den Gehwegen. Kreuz und Quer strömten  Menschen vorbei , die meisten auf den Weg nach Hause.
 Als sie die Geschäftsviertel hinter sich gelassen haben ,wurden die Straßen ruhiger und sauberer. Schicke, gut gepflegte Häuser kündigten eine bessere Wohngegend an. Das Restaurant lag schummrig beleuchtet in einer Seitengasse. Das Taxi hielt genau davor und das Kopfsteinpflaster mit den groben Steinen ,stellte eine Herausforderung für Olivias Schuhwerk dar. Konrad half auch hier wieder dankbar und elegant bei der Bewältigung der kleinen Strecke bis zum Eingang des Lokals.
 Im Näherkommen sahen sie im diffusen Schatten der offenen Restauranttür ein kleines Mädchen am Rande der Stufen sitzen. Ihre Haltung sah schon von der Ferne bekümmert und traurig aus. Vor ihr stand ein Korb mit selbst gebastelten Waren. Als sie das kleine Gesicht besser erkennen konnten, sahen sie die Tränen die ihr aus den mandelförmigen Augen kullerten....

Das Reizwort

Konrad Knappe wirbelte herum. Er war sichtlich erschrocken. Zum Glück ist ihm nicht die Weinflasche aus der Hand gerutscht, dachte Bernhard und war gespannt was der Giftzwerg sagen würde.
" Sie ? ", war das Einzige was aus seinem Mund herauskam.
" Ja, ich bin ihr neuer Nachbar....Bernhard Schaum....wenn Ich mich nochmal vorstellen darf....und ihr Name ist? "
Der Überraschte löste sich aus seiner Starre und brachte es fertig den Wein zurück zu stellen.
" Entschuldigen Sie.....mein Name ist Konrad Knappe.....Nachbar ist zu viel des Guten.....ich habe das Haus nur für eine Woche gemietet.....und Sie wohnen wo ? ".
Bernhard fiel ein Stein vom Herzen, dass ein Gespräch anlief.
" Genau auf der Seite gegenüber, bei Frau Ringer..... nur vorübergehend als Untermieter."
Konrad Knappe hob indes den Einkaufskorb vom Boden auf.
"War das der Grund warum sie bei mir klingelten....wollten Sie das Haus mieten? "
Bernhard kam eine Idee.
" Diese Woche sagten Sie.....das heißt bis nächsten Sonntag ? "
Sein Nachbar nickte.
" Ja, das ist richtig....bis Sonntag."
Was für ein glücklicher Zufall, dachte Bernhard. Vielleicht war das Haus noch nicht wieder vermietet.
" Haben Sie eventuell eine Visitenkarte vom Vermieter ? "
" Da muss ich nachschauen "
Seine Hand glitt ins Jackett und eine Brieftasche kam zum Vorschein. Aus einem Seitenfach wurde ein hellblaues Kärtchen herausgezogen.
" Bitte sehr...die können Sie gerne behalten."
Bernhards Wurstfinger nahm sie entgegen.
" Danke schön...sehr nett von Ihnen."
Die Karte wanderte in seine Jackentasche.
Wissen Sie ...eigentlich wollte ich gar nichts mieten....im Grunde genommen interessiert mich nur ein Zimmer in dem Haus."
Die Mimik seines Gegenüber wechselte von einer Sekunde zur anderen. Auf dem Sonnenscheingesicht  zogen  plötzlich dunkle Wolken auf. Bernhard fühlte sich erinnert an die erste Begegnung an der Haustür. Diese scheinbar grundlose Abneigung war zurück. Und wieder wurde die Tür zugeschlagen. Diesmal eine unsichtbare.
"Äh...ich muss leider weiter....viel Glück bei Ihrer Anfrage." , drehte sich um, ließ den Korb fallen und bewegte sich schleunigst Richtung Kasse. Bernhard setzte ihm nach.
" Herr Knappe....warten Sie doch einen Moment."
Der Flüchtende ignorierte den Ruf und humpelte hastig einen Kaugummiständer um, rempelte an Einkaufenden vorbei und hechtete durch die Kassenzone dem Ausgang zu.
Dann ging alles sehr schnell. Ein bulliger Sicherheitsmann fing ihn ab und warf ihn zu Boden. Die rote Kappe des Giftzwergs flog davon. Dafür nahm jetzt das Gesicht von Konrad Knappe eine rote Farbe an. Wild zappelnd versuchte er sich zu befreien. Der Riese kniete mit seinem ganzen Gewicht auf ihn und presste die Luft aus seinen Lungen. Der Arme gab auf und kollabierte. Der Securitymann gab ihn frei. Konrad lag mit ausgestreckten Gliedmaßen da und schnappte nach Luft.
Bernhard war jetzt bei ihm. Irgendetwas stimmte nicht...

Der Verdacht

Das Gesicht des Mädchen war vor Kummer hart wie eine starre Maske. Nur in den Augen flackerte noch ein wenig Leben und diese kleine Flamme kämpfte ums Überleben.
 Olivia ergriff Mitgefühl und empfand den ganzen Schmerz dieser kleinen Seele in ihrer Brust. Sie ging in die Hocke und betrachtete den Blick der Kleinen, der durch die Tränen hindurch in der Ferne irgend eine Hoffnung suchte. Ihre kleinen Fingerchen umfassten mit festen Griff den großen Weidenkorb der vor ihr stand. Wie die meisten Straßenkinder verkaufte sie Süßigkeiten. Aber in dem Korb war auch etwas Außergewöhnliches. Liebevoll gebastelte  Blumensträuße aus buntem Stoff, formvollendet und harmonisch zusammengestellt. Wirklich eine Augenweide.
" Deine Blumen sehen ja wunderschön aus."
.Das Mädchen sagte nichts, aber ihre Augen sogen die warme Stimme von Olivia auf.
" Dieser Strauss ist besonders schön ...oder Konrad ....findest du nicht ? "
Sie schaute kurz zu Konrad auf und in ihrem Blick lag eine Aufforderung. Konrad verstand.
"Ja, allerdings....wunderschön. Was kostet der, Kleine ? " Konrad holte seine Brieftasche hervor. Aus den Augenwinkeln sah er ein Pärchen in die Gasse einbiegen. Sie stockten eine kurzen Moment in ihrer Bewegung. Der Mann löste sich von der Frau und kehrte um. Es sah so aus als hätte er vielleicht etwas im Auto vergessen. Die Frau wartete unter der Laterne am Eingang der Gasse und schlenkerte ihre Handtasche hin und her.
" 10 Real " piepste ihre Stimme hervor. Olivia nahm noch eine Packung Nüsse und Konrad wählte sich eine Packung Kaugummi und überbezahlte sie mit 20 Real. Konrad bemerkte den anerkennenden Blick von Olivia und er fühlte sich einfach nur großartig. Olivia wandte sich noch einmal dem Mädchen zu.
" Hast du die Blumen gebastelt ? " Das Mädchen schüttelte leicht den Kopf.
" Meine Mama " sprach ihre leise gebrochene Stimme.
Olivia war überzeugt dass ihre Mutter ein hartes Leben führte, wahrscheinlich mit noch weiteren Kindern und eventuell ohne einen Mann als Versorger. Oft blieb diesen Frauen nur die Möglichkeit ihre Kinder zum Mitarbeiten einzusetzen. Wenn diese nichts verkauften, wurden sie ausgeschimpft oder sogar geschlagen. Viele trauen sich  nicht nach Hause, wenn das Soll nicht erfüllt wurde oder bleiben eines Tages ganz weg und versuchen es alleine auf der Straße.
 Die liebevoll gebastelten Blumen und die nett zurecht gemachten Haare und die saubere Kleidung des Mädchen, gaben aber zur Hoffnung Anlass, dass die Kleine bei ihrer Mutter am besten aufgehoben war.
" Du musst mir eins versprechen, Süße..." . Das Mädchen nahm ihren Blick auf.
" Geh nie von zu Hause weg....Glaub mir,  deine Mama liebt dich...auch wenn es manchmal sehr schwer ist...hörst du ?...."
 Sie nickte brav und beinahe war ein Lächeln um ihre Mundwinkel zu sehen. Sie sprang auf und lief mit dem Korb davon. Olivia und Konrad sahen ihr nach. Heute Abend würde alles gut sein und ihre Mutter sie wahrscheinlich dankbar und freudig in die Arme schließen.
Während sich Olivia aufmachte die Stufen zum Restaurant hinauf zu gehen, sah Konrad den Mann zurückkommen. Die Frau hakte sich bei ihm ein. Warum war nur bei ihm eine Warnleuchte angegangen ?
Zunächst war es nur ein unbestimmtes Gefühl, doch jetzt im Nachhinein fiel ihm auf, was ihn anfangs stutzig machte. Beide hielten in der Bewegung inne, als sie die Gasse betraten. Wenn der Mann etwas im Auto vergessen hätte, wäre dieses Stocken nur von Ihm ausgegangen. Mit dem Verdacht dass ihr Zögern ihnen galt, folgte Konrad Olivia ins Restaurant.....

Knock out

Der am Boden liegende Konrad sah nicht gut aus. Seine Augen waren geschlossen und man hörte ihn laut aus dem Mund atmen. Kleine Schweißperlen besetzten das fahle Gesicht und seine rechte Hand verkrallte sich in sein Hemd und zog daran.
" Herr Knappe....was ist mit Ihnen...Haben Sie Schmerzen in der Brust? "
Er hob leicht den Kopf und wackelte damit wie die tanzende Elvisfigur in Bernhards Auto.
" Nein....aber ...keine Luft....Gefühl... wär.... Kerl  ....noch .....auf mir...."
Bernhard war mit seinem Ohr über ihn und reimte sich das Gehechelte zusammen.
" Rufen Sie den Rettungsdienst...schnell....sagen Sie Verdacht auf Herzinfarkt ". Der Sicherheitsmann reagierte umgehend und tippte bereits in sein Handy.
Bernhard wechselte die Seite um besser den Puls an seinem linken Arm zu ertasten. Nach einigem Suchen erfühlte er das hämmernde Pochen und es kam ihm wie ein Stakkatofeuer vor.
" Der Mann muss hochgelagert werden. ", sprach ein Mann in der zweiten Reihe. Schon kamen helfende Hände und brachten den Liegenden in eine sitzende Position. Jemand öffnete ihm noch einen Hemdknopf.
" Packen Sie bitte mit an, damit wir ihn an die Wand lehnen können. " Von überall kamen Arme und unterstützen Bernhard. Eine Traube von besorgten Gesichtern schaute auf den angeknockten Giftzwerg hinunter.
" Versuchen Sie ruhig zu atmen...gleich ist Hilfe da..." Die Filialleiterin war inzwischen eingetroffen und bemühte sich sichtlich selbst Ruhe zu bewahren. Sie ließ sich vom Securitymann das Geschehene schildern.
Bernhard beobachtete seinen merkwürdigen Nachbarn. Warum war er nur kopflos geflüchtet ?
Er hatte lediglich das Zimmer erwähnt und das reichte aus ihn in höllische Panik zu versetzen ?
Das Zimmer!! Deswegen war Bernhard hier. Der Giftzwerg etwa auch ?  Hatte Konrad Knappe wegen diesem mysteriösem Zimmer das Haus gemietet? Aber warum eine solche Überreaktion? Brennende Fragen brannten unter seine Nägeln, aber jede weitere Aufregung für den Leidenden wäre in diesem Moment kontraproduktiv. Aber es gab noch andere Ansätze die auch vielversprechend waren. Da war der Kunsthändler dessen Adresse er hatte und der Eigentümer des Hauses, dessen Visitenkarte nun in Bernhards Besitz war. Zwei Gesprächspartner die ihm wohl möglich viel über das Zimmer erzählen konnten. Außerdem bestand die Chance das Haus als Nachmieter zu übernehmen. Bernhard jonglierte die Möglichkeiten in seinem Kopf, während die Rettungssanitäter eintrafen.
 Die Menge machte Platz, als die Beiden mit der fahrbaren Liege den Vorraum betraten. Der Eine sprach auf Konrad Knappe ein und der Andere befühlte den Puls und hörte ihn mit einem Stethoskop ab. Er nickte seinem Partner zu, was immer das auch zu bedeuten hatte.
Der Patient wurde auf die Liege verfrachtet. Man wollte ihn in den Wagen transportieren und ein Diagnose - EKG durchführen. Konrad Knappe schien das nicht zu gefallen. Er wehrte sich und beteuerte dass es ihm schon besser ging. Die Sanitäter ließen sich nicht beirren und schnallten den Armen erst einmal fest. Auch wenn es Konrad Knappe nicht passte, würde er sich wohl in Kürze in einem Krankenhaus wiederfinden.
Die Flügeltüren vom Rettungswagen wurden kraftvoll zugeschlagen. Bernhard kehrte in den Markt zurück. Es gab hier nichts mehr zu sehen. Also blieb noch die Flasche Wein die er besorgen musste....

Die Symbolfolge

Das Restaurant sah genau so aus wie auf den Bildern der Homepage. Auf einen der Fotos sah man die Perspektive des eintretenden Besuchers und an diese wurde Konrad nun erinnert.
Ein rundlicher gemütlicher Garçom kam auf sie zu.

" Wir haben einen Tisch bestellt auf den Namen Knappe " 

Umgehend wurden sie zu dem Ecktisch geführt, den Konrad im Internet Café ausgewählt hatte.
Das Restaurant war schon gut besucht. Viele Familien saßen um runde Tische und unterhielten sich lebhaft. Die Pärchen blieben für sich in den Séparées abseits des Familientrubels. Sie tuschelten vertraut und schauten sich verliebt in die Augen. 

" Das haben Sie aber schön ausgesucht, Konrad ". Olivia rückte ihren Stuhl zurecht.
Konrad hatte von seinem Platz das Restaurant gut im Blick und sah das ihm aufällig gewordene Pärchen eintreten. Die Frau machte einen nervösen Eindruck, während der Mann kühl die Anwesenden der Reihe nach musterte. Sollte der strenge Blick nach Ihnen Ausschau halten, war das in keinster Weise zu erkennen. Der Kellner stand nun vor Ihnen und der Mann machte eine Geste in ihre Richtung.
" Konrad , Sie machen einen so besorgten Eindruck....ist irgend etwas nicht in Ordnung ? "
Konrad wägte ab, ob er Olivia etwas von seinem Verdacht mitteilen wollte.
" Haben Sie das Pärchen bemerkt dass vorhin in die Gasse einbog ? " Diese Beiden näherten sich jetzt ihrem Tisch. Der Kellner folgte Ihnen mit zwei Karten in der Hand.
" Aus dem Augenwinkel, ja....stimmt was nicht? . Sie nahmen an dem Tisch hinter Ihnen Platz. 
" Sie haben sich auffällig verhalten " Bernhard flüsterte beinahe die Worte.
Olivia schaute amüsiert in das Gesicht von Konrad, dessen Augen misstrauisch zum Tisch des Pärchen  blickten. Sie kam seinem Gesicht etwas näher und flüsterte zurück
" Sind das die Beiden ? " Olivia widerstand der Versuchung sich um zu drehen. Konrad erzählte ihr von seiner Beobachtung, immer darauf  bedacht seine Stimme niedrig zu halten.
" Konrad, seien Sie mir nicht böse, aber ich halte ihre Sorge für übertrieben ...wer sollte uns hier kennen und warum sollte man uns verfolgen ? " Konrad schob ihr sein Notizbuch hinüber.

" Vielleicht deswegen ? " Olivia schaute auf das Heftchen das den gleichen Farbton hatte von Umschlagmappe der Speisekarte die sie in der Hand hatte. Sie wollte etwas erwidern, doch der Kellner erschien mit einem kleinen Schreibblock in der Hand. Olivia bestellte einen Wein und Konrad ein Bier.

" Was ist das ? ". Olivia hatte noch die Speisekarte in der Hand, schien sich für ein Gericht entschieden zu haben und nahm nun das Notizbuch in ihre Finger.
" Das sind meine Notizen mit Zeichnungen von Symbolen aus der Höhle die wir gefunden haben"
Olivia begann das Notizbuch durch zu blättern.
" Wie sollte jemand davon erfahren haben? " . Diese Frage war berechtigt.
" Ich weiss es nicht...vielleicht gibt es eine undichte Stelle im Team....es handelt sich bei dem Fund auf jeden Fall um eine wissenschaftliche Sensation...." Für Konrad Grund genug um Aufmerksamkeit zu erregen.
" Sehr merkwürdige Symbole ". Oivia blätterte langsam von einer Seite zur nächsten.
Auf einmal stockte sie. Ihre Augen weiteten und ihr Mund öffnete sich.
" Das ist unglaublich.....Diese Symbolfolge kenne ich... "  Ihre Stimme klang aufgeregt und aufgewühlt....

Das Spiegelgesicht

Elisabeth Ringer stand vor dem großen alten Turmerkerhaus von Verona Kaultas. Sie schaute hoch in den ersten Stock, da wo das Wohnzimmer war und wo die Jalousien herunter gezogen waren. Verona hatte am Telefon von schlimmen Kopfschmerzen berichtet. Wahrscheinlich lag Sie jetzt mit Schlafmaske auf der Coach und ruhte sich aus.
Völlig geräuschlos ließ sich die Eingangstür öffnen. Der Haustürschlüssel befand sich schon seit längerem in ihrem Besitz. Mit dem Einkaufswagen ging es direkt in die Küche. Schnell waren die bestellten Sachen ausgeräumt und verstaut. Die Suppendosen in den Vorratsschrank, Milch und Aufschnitt landeten im ziemlich leeren Kühlschrank. Der Auflauf von gestern war in einem schon tauglichen Mikrowellengefäß und musste nur noch warm gemacht werden. Der Topf drehte sich knisternd in der Mikrowelle. Das Tablett stand auf der Anrichte und bot gerade so Platz für den Teller und dem Glas mit dem Lieblingssaft von Verona.
Elisabeth machte sich den Spaß und fuhr mit dem Treppenlift langsam surrend nach oben.
" Ich bin es " trällerte sie in das abgedunkelte Wohnzimmer hinein.
" Nicht so laut bitte " kam von dem Sofa zurück.
" Du armes Häufchen Elend " befand Elisabeth und stellte das Tablett erst einmal ab. Die alte Dame richtete sich auf. Die Schlafmaske hatte sie wie ein Stirnband auf den Kopf hoch geschoben.
" Das duftet ja nach Kartoffelauflauf " Die dünne schwache Stimme berührte Elisabeth jedes Mal.
" So, lass es dir gut schmecken , meine Liebe ". Elisabeth zog die Rolladen hoch und öffnete die Balkontür.
Vom Balkon aus hatte man einen guten Blick in den Hof der Klonbrüder. Dieser Begriff kam ihr ganz spontan in den Sinn. Wie komme ich nur auf Klone ? , fragte sie sich selber.
Verona stocherte inzwischen in dem Auflauf herum. Elisabeth setzte sich zu ihr.
" Schmeckt sehr gut...hab nur nicht richtig Appetit " Ihre Lippen waren zusammengepresst und bewegten sich rhythmisch vor und zurück.
" Hast du schon was von deinen neuen Nachbarn mitbekommen? " Elisabeth tätschelte ihren Arm.
" Ja, dem traue ich nicht " Das ließ Elisabeth aufhorchen
" Was meinst du damit ? " , und war ganz Ohr.
" Gestern habe ich ihn vom Balkon aus gesehen. Erst habe ich ihn nicht erkannt und dann erinnerte ich mich an ihn." Verona nippte kurz an dem Saft.
" Vor etwa zwei Jahren war er schon mal da...er lief im Hof nebenan herum und setzte sich auf die Schaukel und schaukelte. Das fand ich so merkwürdig....und er hatte so komische Kleidung an....erinnerte mich ein wenig an den Tarzan Film den ich an diesem Nachmittag geschaut hatte...er sah aus wie der Vater von Jane, Professor Porter...fehlte nur noch der Tropenhelm..". Elisabeth wunderte sich immer wieder wie gut sich Verona mit Filmen auskannte und wie viele Details sie im Kopf hatte.
" Aber eins war wirklich gruselig und unheimlich " Sie stockte und zögerte weiter zu erzählen.
" Was denn...was meinst du ? Elisabeth war ganz in den Bann gezogen.
" Er hatte ein Spiegelgesicht ".....

Planänderung

Konrad Knappe war wie elektrisiert. Olivia erkannte seine nachgezeichneten Symbole. Das war für ihn aufregend und bedeutsam. Es war als würden sie sich auf einer Ebene, die nur sie kannten, die Hände reichen. Mit einem Mal fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Danach hatte er sein ganzes Leben lang gesucht. Etwas Gemeinsames ,was nur zwei Personen besaßen und niemand sonst. Ganz deutlich lag die Wahrheit nun vor ihm ausgebreitet wie ein Geschenk, Nicht ein Geschenk, wie eine Pralinenschachtel, tausendfach von Verliebten phantasielos ausgesucht, in Massenproduktion hergestellt. Nein, hier handelt es sich um eine andere Art von Geschenk. Eines das von langer Hand vorbereitet wurde. Liebevoll ausgedacht und speziell zugeschnitten auf die bedachte Person. Ein Geschenk das man nicht von der Stange kaufen kann oder in einem Katalog entdeckt. So ein Geschenk muss man selbst herstellen, selbst am Werkeln sein. Und am Ende hält man etwas in den Händen, was es sonst nicht gibt auf der Welt. Ein Schal gestrickt von den entzündeten Fingern der alt gewordenen Großmutter mit einem Muster dessen Bedeutung nur der beschenkte Enkel versteht. Ein Gemälde, abgemalt von einer festgehaltenen Situation zwischen zwei Menschen, dessen einzigartiger Moment nur den beiden Abgebildeten eine Gänsehaut verursacht. Ein verbindender Moment, einzigartig im Universum und für die Ewigkeit als Symbol festgehalten für nur zwei kleine Lichter die in der Unabsehbarkeit des Seins flackern und zu einem Licht werden.
Dieser erhabene Augenblick in Konrads Leben musste sich in seinem Gesicht widergespiegelt haben, denn Olivia merkte auf und sah in seine verklärten Augen.
" Konrad, was ist mit Ihnen ? " Olivia wunderte sich über seine Entrücktheit.
" Verstehen Sie was das bedeutet ? ....Wir haben vielleicht wirklich unsere wissenschaftliche Sensation !!! "
Olivia drehte das Notizbuch in seine Blickrichtung und zeigte mit dem Finger auf die Bilder.
" Genau diese abgebildete Sequenz kenne ich von einem Manuskript das ich in China untersucht habe."
Die Seite zeigte eine Abfolge von Symbolen die wohl zu einer Geschichte gehörte. Ein Mensch wurde verdoppelt und das Double betrat ein Tor und veränderte auf seiner Reise ständig sein Gesicht. Nase, Mund und Augen verschwanden. Sein Gesicht machte Platz für andere Symbole. Mal sah man ein Baum, dann etwas was ein Fluss zu sein scheint und dann ein Jaguargesicht das brüllte und einer Fratze glich. Vor dem Reisenden kauerte in Jagdhaltung wirklich ein Jaguar. Das nächste Symbol  zeigte die Gestalt in einer wellenartigen Form. Dann zerplatzen seine Konturen in verschiedene Einzelteile und versprengte in alle Richtungen.
" Wissen Sie was das bedeutet Konrad ? " Für den träumenden Konrad war alles ganz klar, aber Olivia wollte auf etwas ganz anderes hinaus.
" Wir können unsere Reisepläne nicht wie geplant fortsetzen "
Nun schaute Konrad verblüfft aus der Wäsche...

Das kann doch nicht sein

" Spiegelgesicht ....? " wiederholte Elisabeth ungläubig.
" Nun schau mich bitte nicht so an wie der Paule." Paul war der älteste Sohn von Verona und hatte schon öfters das unangenehme Thema Altersheim angeschnitten. Das tat er immer dann, wenn seine Mutter merkwürdige Dinge tat oder sagte.
" Du musst mir versprechen niemand davon zu erzählen " Sie meinte es ernst und legte zur Betonung ihre dürre Hand auf Elisabeths Unterarm.
" Großes Survival Abenteurer Ehrenwort " kam es feierlich von Elisabeth zurück.
" Kannst du bitte... ? " Elisabeth nahm das Tablett entgegen und stellte es auf den Couchtisch ab
" Das war sehr köstlich....Vielen Dank meine Liebe " In ihren Augen war in diesem Moment wirkliche Wertschätzung abzulesen.
" Gehen wir doch auf den Balkon.....ich brauch etwas frische Luft " Veronas Bewegungen sahen sehr unbeholfen aus, so als wäre sie 5 Jahre in einer Kälteschlaf Kammer gelegen, während das Raumschiff von einer Galaxie zu nächsten unterwegs war.
Verona machte kleine Schritte und Elisabeth war an ihrer Seite. Auf dem Balkon standen zwei bequeme Stühle mit Sitzkissen und ein Tisch. Auf einem Stuhl lag eine ordentlich zusammen gelegte Wolldecke, die Elisabeth Verona gekonnt um ihre magere Statur warf.
Es war zwar sonnig aber doch sehr frisch. Der schöne Herbstnachmittag würde sich bald zu Ende neigen.
Verona hielt die Augen geschlossen und ihr Gesicht reckte sich der Sonne entgegen.
" Nun erzähl mir endlich von dem Spiegelgesicht....was meinst du damit ? " Verona starrte in den Nachbarhof, so als wollte sie die Erinnerung noch einmal herauf beschwören.
" Das erste Mal bemerkte ich es, als er im Hof neugierig herumlief und sich alles anschaute....ich stand hier auf dem Balkon und hängte ein paar Wäschestücke zum Trocknen auf und beobachte ihn ganz genau.....er schaute gerade zu dem Baumhaus hoch..." Ihr knochige Hand zeigte auf die kleine Behausung die der alte Herr Knappe seinem Sohn gebaut hatte. Das Häuschen war vom Balkon aus gut zu sehen.
" Mit einem Male passierte etwas mit seinem Gesicht....es verschwand einfach, als hätte es jemand weggewischt....und stattdessen spiegelte sich in seinem Gesicht die Bäume wieder und auch das Baumhaus , was er sich gerade anschaute....als er in eine andere Richtung blickte, spiegelte sich etwas anderes in seinem Gesicht...mir sprangen vor Schreck die Wäscheklammern vom Balkon.....so und jetzt sag bitte nicht ich sei verrückt, denn das ist das was ich gesehen habe...." Verona forschte in Elisabeths Augen ob ihr Glauben geschenkt wurde. Diese wollte gerade ansetzen etwas zu sagen, als sich im Hof etwas tat. Eine Tür wurde geräuschvoll geöffnet und ein Junge humpelte mit einem Hund in den Hof hinaus. Das Tier schnüffelte herum, während der Junge mit seinen Händen in den Taschen zuschaute.
" Das kann doch nicht " sagte Verona mit hoher überraschter Stimme. Sie beugte sich weit vor und obwohl viele Körpereinheiten bei ihr schon versagten, war auf ihre Adleraugen immer noch Verlass.
" Was hast du ? " Elisabeth konnte ihre Aufregung nicht verstehen.
" Ich kenne diesen Jungen " überschlug sich ihre Stimme.
" Das ist Konrad Knappe  "......

Offensive

Der Kellner kam und brachte die Getränke. Olivia wählte tambaqui na brasa, einen gegrillten Fisch mit Kartoffelsalat und Konrad entschied sich für Peixe ao leite de coco, Fisch in Kokosnussmilch mit Reis und Gemüse.
" Warum sagen Sie wir müssen unsere Reisepläne ändern ? " Konrad schaute während er sprach zum Nebentisch hinüber. Die Köpfe des Pärchen waren sich hinter den Speisekarten versteckt.
" Ich muss Kontakt aufnehmen zu einem Kollegen in China...er muss mir die Kopien des besagten Manuskriptes faxen...wir brauchen es zum Abgleichen mit den Symbolen aus der Höhle. "
Olivia nippte nur am Wein , während Konrad sein Bier schon fast zur Hälfte ausgetrunken hatte.
" OK, ich verstehe...aber wie lange wird das dauern ? " und dachte dabei an die Indianer die sie morgen treffen wollten.
" Wie spät ist es jetzt in China ? " Konrad hatte keine Ahnung. Olivia faltete die Hände zusammen und richtete ihren Blick an einen imaginären Punkt an der Decke. Während ihre Augen hin und her rollten bewegten sich ihre Lippen. Sie jonglierte im Kopf die Zeitverschiebungen, wobei sie sich immer dann auf die Unterlippe bis und mit den Zähnen festhielt, wenn ein neuer Rechengang eingeleitet wurde. Konrad beobachtete und war fasziniert. Zum Abschluss nickte Olivia mehrmals mit den Kopf und schien sich sicher zu sein. Ihre Hände lösten sich von einander und schwebten ausbreitend auseinander. Konrad musste dabei unweigerlich an einen Fernsehprediger denken, der das Evangelium aussprechen wollte.
" China ist uns 11 Stunden voraus " verkündete sie.
" Das passt doch wunderbar....in China fängt der neue Tag gerade an....wenn wir Glück haben brauchen wir nichts an der Weiterreise ändern...." Konrad kam eine Idee
" Dein Kollege könnte das Fax an eine Nummer in Sao Gabriel senden...Das ist die Adresse von einem Freund ...nach unserer Ankunft fahren wir sowieso zu ihm um die restlichen Vorräte abzuholen....dein Kollege hätte den ganzen Tag Zeit um die Infos zu schicken....das könnte doch klappen, oder ? "
Konrad bemerkte gar nicht dass er zum "Du " übergegangen war.
" Ja...mit viel Glück erreiche ich ihn sofort....wir müssten noch heute Abend die Anrufe machen "
Konrad blickte wieder zu den Tischnachbarn.
" Was machen wir mit unseren Verfolgern...ich meine...was ist wenn sie an uns dran bleiben ? "
Konrad war weiter überzeugt dass alles kein Zufall war.
" Plötzliche Offensive ist manchmal entwaffnend....ich hab eine Idee " Olivia drehte sich um und schaute das Pärchen unverwandt an. Konrad erstarrte vor Schrecken. Dem Mann und der Frau erging es ähnlich. Olivia sprach sie in Deutsch an.
" Wollen Sie sich nicht zu uns setzen ?. Wir könnten uns über das Notizbuch unterhalten. "
Konrad traute seinen Ohren nicht.....

Der Greis

Elisabeth stand in ihrer geräumigen Küche und ging im Kopf die Zutatenliste für das Essen durch. Ein Currygericht sollte es werden. Die Gewürzpaste stand als erstes an. Zwiebeln, Ingwer und Knoblauch lagen bereit. Die Paste war das Aufwendigste an dem Essen. Die Zutaten mussten geschält und zerkleinert und anschließend mit dem Mixer zu einer Paste verarbeitet werden. Flinke Hände machten sich routiniert ans Werk. Sie hatte das Gericht schon oft zubereitet und deshalb wanderten ihre Gedanken schnell zu dem heutigen Geschehen zurück.
Die Ankunft der wundersamen Gruppe am Mittag. Möglicherweise eine Familie. Der Greis könnte sogar der Ur Opa sein, dann der Opa, die Söhne und ein Enkel. Könnte das passen? Elisabeths Gefühl sagte Nein.
Da war der komische Umstand dass alle humpelten außer dem Ur Opa der gleich nach dem Aussteigen in den Rollstuhl kam. Ihn hatte sie nicht laufen sehen. Theoretisch könnte er aber auch das gleiche Leiden haben wie die Anderen. Sollte das zutreffen, dann wären alle ziemlich gleich, was auch durch Größe und Statur bestätigt wurde. Ein Unterschied war das Alter. Man konnte deutlich den Altersunterschied zwischen Ihnen feststellen. Der Begriff Klon kam ihr wieder in den Sinn. Aber das war natürlich wissenschaftlich gar nicht möglich. Und doch passt es zu der Beobachtung von Verona.
Verona die Arme. Elisabeth musste sie ganz verwirrt zurücklassen. Sie war sich absolut sicher gewesen, dass der Junge im Hof Konrad Knappe war. Familie Knappe lebte vor gut 30 Jahren für kurze Zeit auf dem Anwesen neben Verona. Elisabeth hatte die Familie nie kennengelernt, weil sie zu der Zeit auswärts studierte.
Konrad Knappe müsste heute Mitte 40 sein. War der Junge im Hof sein Sohn ? Auch da sagte ihr Gefühl wieder etwas anderes.
Dann tauchte Herr Schaum auf.  Merkwürdigerweise kurz nach der Ankunft der Brüder. Was für ein Interesse hatte er an den Klonen ? Sie konnte es kaum abwarten beim Dinner mehr über ihn zu erfahren.
Was für ein aufregender Nachmittag.
Der Stabmixer brummte und quietschte in ihrer Hand, während die Zutaten sich in eine gelbliche Masse verwandelten. Wie von selbst rutschte sie aus dem kleinen Plastikbehälter in die Pfanne mit Distelöl.
Elisabeth fügte schnell die Gewürze hinzu. Mit dem Koriander, dem Cheyennepfeffer und dem Kurkuma nahm die brutzelnde Masse eine braune Farbe an. Die fein gemahlenen Mandeln machten sie noch konsistenter. Nach dem Anbraten kam Wasser hinzu. So das musste jetzt erste einmal köcheln.
Das gab Elisabeth die Zeit die Hähnchenfilets in kleine Stücke zu schneiden. Danach ging alles sehr schnell.
Von der Pfanne kam die Sosse in einen großen Topf. Jetzt kam nur noch die Kokosnussmilch  und die cremige Erdnussbutter dazu. Nachdem sich diese aufgelöst hatte, schmeckte Elisabeth die Soße mit Salz und Garam Masala ab. Perfekt . Das war einfach ein Traumrezept. Zum Schluss schaufelte sie vorsichtig die noch rohen Hähnchenstücke in die Soße. Auf diese Weise konnten sie in der Soße gar kochen und vollends die Gewürze aufnehmen. Diesen Tipp hatte sie von einem pakistanischen Freund erhalten. Zufrieden schaute sie auf den köchelnden Topf. Das Telefon in der Diele klingelte.
Elisabeth wusch schnell ihre Hände und eilte in die Diele. Es war ihre alte Freundin.
" Verona ...alles klar bei dir ? " Sie roch noch den Knoblauch und den Ingwer an ihren Händen.
" Ich hab Neuigkeiten von den Klonen " Elisabeth horchte auf.
" Ich sitze noch auf den Balkon...und jetzt halt dich fest...der Greis ist gerade eben auf dem Hof erschienen..."
Verona machte eine Pause.
" Nun erzähl schon....was macht er ? " Will sie mich foltern, dachte Elisabeth.
" Nun er kann noch ganz gut gut laufen "  wieder eine Pause.
" Ist er am Humpeln ? " Muss man ihr denn alles aus der Nase ziehen ?
" Genau das Gegenteil...Flink wie ein Hirsch und kein bisschen Bein nach ziehen..."
Mist !!!....dachte Elisabeth enttäuscht...

Das Glasfläschchen

Das Pärchen sah sich an und der Mann gab der Frau durch Nicken ein Zeichen. Daraufhin stand er auf, nahm sein Stuhl und schwenkte ihn zum Tisch von Konrad und Olivia. Die Frau tat es ihm nach. Olivia rückte an die Seite von Konrad, so dass sich beide Pärchen gegenüber saßen.
 Konrad umklammerte mit beiden Händen das Notizbuch und war dankbar dass er sich irgendwo dran festhalten konnte. Olivia lächelte entspannt und musterte die beiden Gäste.
Der Mann war um die 40, glattrasiert mit goldblondem Haar. Der Scheitel korrekt gezogen und der Anzug saß perfekt. Das Auffällige an seinem Gesicht war seine Nase die säbelartig geformt an einen Araber erinnerte. Freilich passte dazu nicht sein blondes Haar, dass ihn eher wie ein Engel aussehen ließ. Dachte man sich das Haar schwarz, dann wie ein Geschäftsmann aus dem Orient.
Die Frau war elegant gekleidet. Ein beiges enganliegendes Kostüm betonte ihre attraktive Figur. Sie wusste sich zu bewegen und kein Makel war an ihr zu entdecken. Das kastanienbraune wallende Haar umrahmte ein perfektes Gesicht, dass keine Schminke nötig hatte. Mit ihren rot geschminkten Lippen sah sie aus wie ein Filmstar aus den 40er Jahren.
Niemand sagte ein Wort und Konrad hoffte dass Olivia die Initiative übernahm. Schließlich war sie es ja, die diese merkwürdige Situation heraufbeschworen hatte. Dann war es aber der blonde Araber der das Gespräch eröffnete. Olivia war um so überraschter, dass er in einwandfreiem Deutsch zu reden begann
" Danke für die Einladung an ihren Tisch zu kommen." Die Frau nickte dazu wohlwollend.
" Wer sind Sie ?...wollen sie sich nicht vorstellen ?  Olivia gab den Ball wieder zurück.
" Nun, mein Name ist Betwa Sagnan und die reizende Dame hier heißt Sonia " Die Hollywood Diva zeigte ein hinreißendes Lächeln und strahlend weiße Zähne. Olivia hatte nichts anderes erwartet.
" Mich würde es nicht wundern, wenn Ihnen unsere Namen bekannt sind " Ein kurzes Nicken bestätigte Olivias Einschätzung.
" Was wollen Sie von uns ? " Olivia wollte gleich zum Kern der Angelegenheit kommen.
" Fürs Erste das Notizbuch...dann sehen wir weiter " etwas Bedrohliches schwang in seiner Stimme.
" Na, das nenne ich mal direkt...." sagte Olivia während Konrad das Notizbuch noch näher an sich zog.
" Wir hätten es sowieso noch heute an uns genommen....nachdem sie das Restaurant verlassen hätten...aber da wir nun so nett zusammen sitzen, könnten Sie es uns jetzt gleich übergeben..."Konrad verwunderte sich, dass das Gespräch so unvermittelt an Schärfe zulegte. Er blickte zu Olivia hinüber die in ihrer Handtasche zu kramen anfing und schließlich ihr Handy herausfischte. Sie suchte nach einer Nummer und fand sie.
" Sehen sie dass hier ? " Sie zeigte die Nummer im Display. Das Pärchen schien unbeeindruckt
" Das ist die  Privatnummer von Inspektor Tavares von der hiesigen Polizei...zufällig ein guter Bekannter von mir....Ich denke wenn ich ihn jetzt anrufe, sehen sie ziemlich alt aus mit ihren Drohungen. "
 Olivia drückte die Anruftaste. Daraufhin kam etwas Überraschendes von der Diva. Sie öffnete ohne Umschweife ihre Handtasche und holte ein kleines Fläschchen heraus. Eine giftgrüne Flüssigkeit schaukelte in dem kleinen Glasröllchen.
 Sie nahm es zwischen ihre zarten schönen Finger und zerbrach es. Sofort strömte eine Wolke heraus die sich explosionsartig ausbreitete. Olivia und Konrad kippten nach vorne und purzelten von den Stühlen. An einem Tisch nach dem anderen brachen die Menschen zusammen so als hätte man ihnen die Batterie herausgenommen.
 Eine Frau landete mit ihrem Gesicht genau in der Suppe....

Das Tattoo

Bernhard schaute auf seine Armbanduhr. Sie zeigte ihm 19 Uhr an. Er war tatsächlich eingedöst.
 Ein starker Curry Duft mit ausgeprägter Ingwer Note kroch in seine Nase. Als Nächstes bemerkte Bernhard das Loch in seinem Magen. Wenn er Recht überlegte war eine gesunde und ausgewogene Ernährung heute auf der Strecke geblieben. Sein Frühstück hatte aus dem Rest Bratkartoffeln mit Schinken und Ei vom Vortag bestanden und Mittags war nur kurz Zeit für einen Kaffee mit einem Stückchen Kuchen gewesen. Nicht gerade eine beispielhafte Lebensführung, mahnte er sich selber. Er gab zu wenig auf sich Acht, was Gesundheit anging. Die Quittung stand jetzt vor ihm im Spiegel. Da stand ein großer klobiger Kerl mit einem Kugelbauch, der sich mit Mühe vom Bett erhoben hatte, dessen Glieder knackten und der sich eingerostet und unbeweglich vorkam.
Die Bilder der Verfolgung vom Nachmittag kehrten zurück. Wie schnell er aus der Puste gekommen war.
Wie viel Mühe er hatte den humpelnden Giftzwerg aufzuholen.
Konrad Knappe besaß, wie er neidvoll anerkennen musste, eine sportliche durchtrainierte Erscheinung. Wahrscheinlich achtete er sehr viel mehr auf eine gesunde Ernährung. Und doch hatte ihn ein Herzinfarkt kalt erwischt. Wie ungerecht das Leben manchmal ist.
Bernhard trommelte auf seinem Bauch und gab sich selbst damit das Signal in die Hufe zu kommen. Er brauchte dringend eine Dusche und frische Sachen. Die passende Kleidung war schnell zusammengesucht und im Kulturbeutel alles Nötige für die Dusche enthalten.
 Das Gästebad lag gleich neben seinem Zimmer. Es war komplett in Weiß gefliest und eine beige und rosa Einrichtung stellte den Kontrast her. Ein Stuhl stand neben der Duschkabine und war vermutlich da um Kleidung abzulegen. Neben dem Waschbecken war eine Anrichte aufgebaut mit einem perfekten Platz für seinen Kulturbeutel. Bernhard schnappte sich sein All- in- One Shampoo und stellte es schon mal in die passende Halterung in der Duschkabine. Er ließ das Wasser laufen und begann sich auszuziehen.
Die Hose war mit einem Kick in die Ecke befördert und das Hemd mit einem Basketballwurf oben darauf geworfen. Als das Unterhemd vom Leib gestreift war, drehte er sich in Richtung Spiegel. Beim ersten Blick war alles ganz normal. Der Kugelbauch, die ziemlich stark behaarte Brust und doch......da war was anders...etwas schimmerte unter seinen Haaren auf der rechten Brustseite. Bernhard kniff die Augen zusammen und sah nochmal genauer hin. Er ging näher zum Spiegel. Jetzt konnte er blaue Linien unter seinem Brusthaar erkennen. Irgendetwas war auf seiner Haut gemalt. Er verschob mit der Hand das Haar um es besser erkennen zu können, doch der Wuchs war zu dicht und undurchdringlich.
Bernhard öffnete den Spiegelschrank vor ihm und hielt nach einer Schere Ausschau. In einer schwarzen Ledertasche wurde er fündig. Seine dicken Finger passten gerade so in die Öffnung der Schere und er begann das dichte Haar auf seiner Brust wegzuschneiden.Immer mehr Haare fielen in das rosa Waschbecken. In der zunehmenden Lichtung seines Urwaldbrusthaares zeichneten sich die Konturen eines Gesichtes ab. Das Rasiergel fühlte sich kühl auf seiner Haut an und der Einwegrasierer entfernte das restliche Haar. Bernhard richtete sich gerade auf und sah in den Spiegel.
In der ovalen nackten Stelle auf seiner Brust prangte das Bild einer schönen Frau.
Er kannte diese Frau....es war das Gesicht von  Elisabeth Ringer.....

Die Gegenspieler

Nachdem Menschen, Gläser, Teller, Besteck und Tische am Boden lagen, war es sehr still im Fischrestaurant. Es hatte keine 5 Sekunden gebraucht um das groteske Bild in Szene zu setzen. Alle Personen im Raum waren schlagartig bewegungsunfähig geworden. Sie schienen wie Tote. An der Frau mit dem Gesicht in der Suppe, konnte man allerdings erkennen dass sie tief bewusstlos waren. Sie lag mit einer Gesichtshälfte in der noch dampfenden Brühe und die ausatmende Luft aus ihrem freien Nasenloch, setze die Suppenflüssigkeit in Wallung. Pulsierende Wellen schwappten an den Tellerrand.
 Betwa trat hinter sie und holte ihr Gesicht aus der Suppe. Die betroffene Gesichtshälfte war verbrüht und leuchtete rot. Nachdem sie auf den Boden abgelegt war, gab er er Sonia ein Wink.
" Die Küche...schau mal nach dem Rechten..." Ein Restaurant in Flammen wäre nicht wünschenswert.
Sonia drehte sich um und ging Richtung Küche. Sie stieg dabei vorsichtig über die Körper die wie ein Parkour im Weg lagen.
Betwa Sagnan wendete sich Konrad und Olivia zu. Olivia lag mit abgespreizten Gliedern auf den nackten Fliesen. Die Hand die das Telefon hielt, lag unter dem Körper von Konrad Knappe. Das Notizbuch war nicht zu sehen.
Der Araber setzte seinen Fuß unter den Leib des Wissenschaftlers und hebelte ihn herum. Konrad lag nun auf dem Rücken und das Notizbuch steckte noch fest umklammert in seiner rechten Hand. Betwa nahm es an sich und stopfte es in seine Jackentasche. Er durchsuchte anschließend Konrads Seitentaschen und die Handtasche von Olivia. Er befand nichts weiteres als interessant genug um es an sich zu nehmen.
Sonia kam aus der Küche zurück und gab ihm mit dem Daumen zu verstehen, dass alles in Ordnung war.
" Gib mir bitte mal den Injektor " Betwa gab hier ganz klar die Befehle.
Sonia gehorchte. Die Handtasche war auf ihrem Stuhl abgelegt. Sie überreichte Betwa den Injektor der wie eine verkleinertes Alienraumschiff aussah. Der blonde Orientale kniete sich vor den beiden Bewusstlosen hin und schoss irgend etwas in ihre Oberarme. Der Einschuss hinterließ einen roten Fleck, der aber unter den anderen Blessuren nicht auffallen würde.
" Gehen wir " erklärte Betwa den Überfall für beendet.
Der blonde Araber und die Hollywood Schöne gingen routiniert und keinesfalls hastig den Gang hinunter zur Ausgangstür. Das alles hätte auch eine Szene in einem Hollywoodfilm sein können. Sie passierten ein Pärchen das nicht zu Boden gegangen war. Ihre Köpfe lagen auf ihren Armen und es sah aus als würden sie ein Mittagsschläfchen am Bürotisch halten. Der Araber und die Schöne waren gerade vorbei, als der Mann am Tisch die Augen öffnete und ihnen nachschaute. Er beobachtete wie sie die Tür erreichten, dann schloss er die Augen wieder. Gerade rechtzeitig, denn der Araber warf noch einmal einen abschließenden Blick in das Lokal, während er die Tür für seine Partnerin aufhielt. Dann waren sie hinaus.
Sofort sprang das Pärchen auf.
 " Geh du Ihnen nach "
Anscheinend hatte bei den Beiden die Frau das Sagen.....

Der flehende Blick

Länger als üblich stand Bernhard unter der Dusche. Geholfen einen klaren Kopf zu bekommen hat es aber nicht. Immer wieder sah er das tätowierte Gesicht von Elisabeth Ringer vor seinem geistigen Auge.
Die Gesichtszüge waren so perfekt wiedergegeben, dass man sie ohne Zweifel identifizieren konnte.
 Was machte das Gesicht seiner Vermieterin auf seiner Brust? Wie ist es dahin gekommen?
 Bernhard hasste Tattoos. Nie im Leben käme er auf die Idee sein Körper damit zu verunstalten. Bernhard musste lächeln.
Jahrelang hatte er rund um den Globus Phänomene gejagt. Nun stellte er selber ein Phänomen dar. Es gab keine vernünftige logische Erklärung für das Abbild. Noch dazu war es von seinen Brusthaaren bedeckt. Wie hätte eine Tätowierung unter diesen Umständen entstehen können? Nun Bernhard kannte sich absolut in keiner Weise mit Tattoos aus. War es überhaupt möglich Tattoos auf einer dicht behaarten Brust zu stechen ohne vorher zu rasieren? Und wachsen Haare auf tätowierten Hautarealen wieder nach?
 Er kannte Elisabeth Ringer erst seit ein paar Stunden. Wie in aller Welt konnte man das erklären? Es gab keinen logischen Anknüpfpunkt. Kein Halt wo der Verstand ansetzen könnte.
 Er kam sich vor wie ein buddhistischer Mönchslehrling dem eine unlösbare Denkaufgabe gestellt wurde. Wie klingt das Geräusch wenn man nur mit einer Hand klatscht? Wie war dein Angesicht vor deiner Zeugung? Was sieht man in einem leeren Spiegel? Wie kommt ein Tattoo auf Bernhard Schaums Brust ohne den Bereich vorher zu rasieren und ohne das der Betroffene es bemerkt? Warum fällt eine Tapete immer wieder von der Wand ? Wegen dieser Frage war Bernhard nach Frankfurt gekommen. Inzwischen waren einige merkwürdige Fragen dazu gekommen.
Das warme Wasser prasselte unaufhörlich von oben auf ihn herab. Mit einem Male wurde ihm bewusst, dass Menschen besondere Augenblicke im Leben brauchen. Kleine Auszeiten um den Wirrwarr des Chaos zu entfliehen. Orte der Ruhe und Besinnung. Das Leben war im Grunde genommen ein Orkan, ein Wirbelsturm der um einen Menschen herum tobt. Aber dieser besondere, kostbare Moment im Auge des Orkans bewusst zu erleben. Wieso erfährt man dies so selten?  Warum sucht der Mensch nicht öfter diese wirklichen Ruheorte auf? Warum suchen so viele Menschen außerhalb des Auges danach?
War das der Grund warum der Mensch träumte? Mussten die vielen herumfliegenden Teile zusammen gesetzt werden?
Bernhard stellte das trommelnde Wasser ab. Das Bad war in Dampf getaucht. Er tupfte sich mit dem Frottee Handtuch ab und griff nach seiner Armbanduhr. 20 Minuten vor Acht. Sein Zeitempfinden war völlig aus dem Ruder gelaufen. Er band sich das Handtuch um die Lenden und schnappte sich seine Sachen.
Der Spiegel war beschlagen. Ein Sinnbild was ebenfalls zum Rätsel des Lebens passte. Mit etwas Toilettenpapier war schnell ein Kreis frei gewischt. Er stellte sich so in Position dass das Gesicht von Elisabeth Ringer wie ein Foto in den kreisrunden Rahmen im Spiegel passte.
Seine Vermieterin schaute ihn direkt an. Etwas Eindringliches lag in ihren Augen.
Es war der flehende Blick eines Menschen der furchtbare Angst hat....

Gegenmaßnahmen

Der Mann kam der Aufforderung sofort nach. Er war groß und kräftig und hatte pechschwarzes Haar.
Konrad Knappe war ihm heute schon einmal begegnet. Im Internetcafe saß er ihm gegenüber. Nachdem Konrad gegangen war, schob der Mann dem Internetbesitzer einen Umschlag mit Geld zu und setzte sich an den Computer der gerade noch von dem Wissenschaftler benutzt wurde.
 Wie erwartet war der Verlauf des Browsers nicht gelöscht worden. In Ruhe konnte sich der Riese alle Seiten noch einmal anschauen. Auf der Seite des Restaurants klickte er genau den Tisch an für den Konrad Knappe eine Reservierung aufgegeben hatte. Mehrere Testbuchungen waren nötig, um die Uhrzeit des Besuches herauszufinden. Abschließend wurde der Tisch dann reserviert an dem die Frau nun zurückkehrte und zu ihrer Handtasche griff.
 Sie war im Gegensatz zu dem Riesen klein und zierlich. Ihr Haar war dunkelbraun und kurz geschnitten.
Ihr Gesicht konnte man durchaus als hübsch bezeichnen. Im Vergleich mit der Hollywood Diva aber unauffälliger und dezenter.
Drei Dinge wurden aus der Tasche herausgeholt. Einen Knopf den sie sich in das Ohr steckte , eine ebenfalls futuristisch aussehende Pistole die an ihre zierliche Hand angepasst schien, und etwas das wie ein kleines Handradio aussah. Mit einem Finger am Ohr fing sie an zu sprechen.
" Bist du dran? " Sie stand breitbeinig da, als würde sie sich duellieren wollen.
" Ja....sie gehen Richtung Hautstraße...wahrscheinlich zu ihrem Fahrzeug...  " , antwortete er.
" Gib mir das Kennzeichen durch " Sie wartete die Antwort nicht ab und ging zu den am Boden liegenden Konrad und Olivia. Fast wie ineinander verschlungen lagen sie da.
Sie kniete sich nieder und fuhr mit dem Handradio über den Arm von Konrad. Sie sah dabei aus wie Pille vom Raumschiff Enterprise der eine medizinische Untersuchung mit seinem Tricorder vornahm.
Schnell war die Stelle gefunden ,wo Betwa Sagnan einen Sender hineingeschossen hatte. Mit einem Klick auf einem Sensor war der Sender unbrauchbar gemacht. Die gleiche Prozedur wurde an Olivias Arm durchgeführt. 
Die Frau blickte mit besorgtem Gesicht auf die beiden Wissenschaftler herab. Die ganze Situation schien aus dem Ruder zu laufen. Ganz schnell musste die Angelegenheit aus der Welt geschafft werden.
Sie nahm eine Einstellung an ihrer Pistole vor. Ihre Finger huschten dabei über ein kleines Eingabefeld an der Seite. Dann hob sie mit einer Hand den Kopf von Olivia an. Nachdem die richtige Position am Hinterkopf gefunden wurde, drückte sie den Abzug.
Für Konrad wählte sie eine andere Einstellung und verpasste ihm ebenfalls etwas in den Kopf.
Die Beiden dürften damit unter Kontrolle sein. Jetzt mussten sie sich nur noch um ihre Gegenspieler kümmern.
" Hast du was zum Schreiben ? " ertönte die Stimme vom Riesen in ihrem Ohr.....

Die Ohrringe

Bernhard schaute nochmal auf die Uhr. Es war kurz vor Acht und Zeit nach Unten zu gehen. Auf dem Tisch in seinem Zimmer standen die beiden Weinflaschen bereit die er in dem Discounter gekauft hatte, nachdem Konrad Knappe im Rettungswagen versorgt wurde. Er hatte einfach den teuersten Wein ausgesucht und da er nicht wusste was es zu essen gab, einen Rot- und einen Weißwein ausgewählt. Mit den beiden Flaschen unter dem Arm, machte er sich nun auf den Weg.
Er fühlte sich einigermaßen bereit Elisabeth Ringer gefasst gegenüber zu treten. Vor einer Stunde wäre er dazu nicht in der Lage gewesen. Bernhard hoffte inständig bei dem anstehenden Dinner nicht zu abwesend und zerstreut zu wirken. Es war unvermeidbar nicht an das Tattoo zu denken. Elisabeth Ringer würde den ganzen Abend vor ihm sitzen. Ihr Gesicht ständig vor seinen Augen. Sie würde erzählen, lachen, Fragen stellen und Bernhard würde unaufhörlich ihre Mimik mit dem Bild auf seiner Brust vergleichen. Unwahrscheinlich dass seine Vermieterin seine Befangenheit nicht spüren würde.
Bernhard kam langsam die Treppe herunter. Seine Gastgeberin hörte ihn und trat aus der Küche hervor. Sie war elegant gekleidet und trug noch die Kochschürze um. Selbst diese Schürze besaß einen designen Chic und könnte beinahe als Abendkleid durchgehen. Sie lächelte und wartete bis er vor ihr stand.
" Pünktlich wie die Maurer...aber ich nehme an dass sie kein Maurer sind ? " Bernhard hob die Weinflaschen parallel zu einander hoch.
Nein, und auch kein Weinhändler.....ich dachte die steure ich zum Essen bei " Sie nickte wohlwollend.
" Sehr schön....dann kann ja nichts mehr schief gehen....Bitte nehmen Sie doch schon mal Platz ..."
Der Tisch war festlich gedeckt mit Kerzenleuchter, edlem Geschirr und feinen Servietten.
Elisabeth hatte ihn ausgezogen und zwei Stühle an den Enden aufgestellt. Beilagen waren über den Tisch verteilt. Schalen mit geschnittenen Früchten, Kokosraspel, gehackten Nüssen und Kräutern rundeten das einladende Ambiente vollkommen ab. Bernhard stellte den Wein dazu.
 Elisabeth hatte die Schürze abgelegt und trug den Reis und das Curry in Schüsseln auf den Tisch. Bernhard stand noch hinter seinem Stuhl und hielt ihn fest.
" So....ich denke wir können loslegen....bitte setzen sie sich doch..." Bernhard wartete bis Elisabeth sich anschickte zu setzen und nahm dann seinen Platz ein.
" Würden Sie bitte das Tischgebet sprechen " Elisabeth schaute ihn ernst an.
Mit solch einer Aufforderung hatte Bernhard nicht im Geringsten gerechnet und war konsterniert.
Elisabeth lachte los..." Das war ein Scherz..zum Auflockern...es sei denn sie wollen es wirklich... "
Es verfehlte nicht seine Wirkung. Auch Bernhard musste lachen.
" Ich glaube ich bin nicht sehr geübt darin..." Das lachende Gesicht von Elisabeth Ringer und der Schalk in ihren Augen gefiel ihm wesentlich besser als der leidvolle furchtverzerrte Blick der Elisabeth auf seiner Brust.
Doch Moment. Er stockte mitten im Lachen. Etwas Sonderbares vollzog sich vor seinem geistigen Auge. Das lachende Gesicht bewegte sich auf das leidvolle Gesicht zu. Ganz langsam näherten sich die beiden verschiedenen Gesichter an, begannen sich zu überlappen und verschmolzen zu einem Gesicht. Ein fremdes, gequältes Antlitz und doch war etwas vertrautes an ihm, etwas Gemeinsames. Fast war es so als wollte sein Unterbewusstsein ihn darauf aufmerksam machen. Seh, schau her...erkennst du es denn nicht...Moment ich helfe dir...und dann begann etwas an dem Bild zu blinken..so als würde jemand eine Beleuchtung zur Orientierung anschalten..nicht an den Gesichtszügen, oder den Augen , oder am Haar.....nein die Ohren blinkten...und dann sah Bernhard genau hin und der Atem stockte ihm....Die Ohrringe die Elisabeth trug...
Es waren die gleichen Ohrringe wie im Tattoo .....

Die Stimme

Konrad und Olivia saßen neben der Pousada auf der kleinen Holzbank. Konrad hatte seinen Arm um sie gelegt und Olivias Kopf war an seiner Brust geschmiegt. Sie sahen wie ein Liebespärchen aus das eingeschlafen war.
Konrad bewegte sich als erstes. Er streckte sein Bein aus und bog sein Rücken durch. Seine Augen öffneten und schlossen sich mehrmals hinter einander und es wirkte wie ein Kickstarter der sein Gehirn zum Denken anwarf. Was zum Teufel....Er sah die letzten Bilder vor dem Filmriss in seinem Kopf. Eine Frau mit einem göttlichen Gesicht zerbrach ein Fläschchen. Nicht so göttlich sondern eher menschlich war ihr triumphierendes Lächeln um die Mundwinkel.......Das Notizbuch.....
Konrad hob seinen Arm von der Schulter Olivias und tausende kleine Nadel stachen in sein taub gewordenes Gliedmaß. Er bewegte seine Hand als knetete sie etwas Unsichtbares. Seine Hand kribbelte und vibrierte. Er klopfte seinen Oberkörper mit dem funktionierenden Arm ab. Das Notizbuch war nicht bei ihm.
Neben ihm stöhnte Olivia auf, immer noch an ihn gelehnt. Mit verschlafenem Blick richtete sie sich auf und bereute es sofort. Es war als würde ihr Gehirn im Kopf frei herum schwappen und überall anstoßen.
" Oh, mein Kopf " presste sie heraus.
Jetzt von Konrad gelöst , sahen sie eher wie zwei erschöpfte zusammengeschlagene Boxer aus.
Im schwachen Schein der nahestehenden Straßenlaterne besah sich Konrad Olivias Gesicht. Obwohl an einigen Stellen beschmutzt und von klebrigen Haarsträhnen bedeckt, sah es wunderschön aus.
" Wie geht es dir? " fragte Konrad so angenehm  leise wie möglich und am liebsten hätte er sie wieder in den Arm genommen.
" Ich fühle mich so, als hättest du mich unter den Tisch getrunken " Sie musste lachen und bereute das auch sofort wieder. Konrad sah sie unter den Tisch im Restaurant fallen und er überlegte ob das tatsächlich sein letztes Bild vor dem Knockout war. Was war danach geschehen? Wieso waren sie nun wieder bei ihrer Unterkunft?
Konrad schaute auf seine Armbanduhr. Es war kurz vor 22 Uhr.
" Wir waren etwa eine Stunde weggetreten " Konrads Bewusstsein versuchte noch immer eine Verbindung von dem Geschehen im Restaurant und dem Jetzt herzustellen.
" Und das Notizbuch ? " brachte Olivia gequält heraus.
" Sie haben es ", wobei Konrad das Sie besonders betonte.
" Eigentlich machten die Beiden einen sehr höflichen Eindruck...OK, etwas ruppig das Notizbuch an sich genommen, aber dann höflich nach Hause gebracht....was ergibt das für einen Sinn ? "
Olivia hatte Recht. Warum sich die Mühe machen sie zurückzubringen ?
" Was machen wir jetzt ? " Konrads Gedanken sprangen immer noch zwischen Restaurant und Bank hin und her und er vermochte nicht weiterzudenken
" Du meinst ausser alles Aspirin aus meinem Koffer zu schlucken ? " Olivia saß mit abgestützten Kopf da und bewegte ihn in ihren Händen als wollte sie ihr Gehirn wieder einrenken.
" Vielleicht sollten wir als erstes....." Konrad stoppte mitten im Satz und erstarrte als hätte jemand die Pausentaste gedrückt. Olivia blickte auf und schaute ihn an, obwohl es ihr schwer fiel.
" Konrad, was hast du ? " Konrad machte ein Gesicht als hätte ihm jemand unvermittelt eine Backpfeife gegeben.
" Ich höre eine Stimme in meinem Kopf "..........

Offene Karten

Das Currygericht war köstlich. Der Basmati Reis und die Früchte passten dazu wie die Faust aufs Auge. Elisabeth Zinger begann sich einen Teller zu Recht zu machen, Bernhard schaute ihr zu und ahmte sie nach. Auf den Reis kam natürlich die kräftig gelbe Currysauce. Danach wurden die verschiedenen Früchte auf dem Curry verteilt. Zum Schluss kamen die Zutaten. Kokosraspel wurden darüber gestreut. Ebenso die gehackten Walnüsse und der frisch geschnittene Koriander. Die Kombination war ein Traum.
" Das beste Curry was ich je gegessen habe " Bernhard musste nicht übertreiben.
" Ich habe auf meinen vielen Reisen immer Ausschau nach besonderen Rezepten gehalten " Elisabeth hatte ausgiebig von ihren Abenteuerreisen aus aller Welt berichtet und Bernhard hatte beeindruckt zugehört. In keinster Weise hatte Bernhard seine Vermieterin so abenteuerlustig eingeschätzt.
" Ich versuche immer besondere Dinge aus den Ländern mit nach Hause zu bringen..." Bernhard schaute wieder auf ihre Ohrringe. Waren sie so ein Mitbringsel von einer ihrer Reisen. Sie sahen ungewöhnlich aus. Geformt wie eine Blüte. Am ehesten erinnerten sie an Orchideen. Sie waren ganz schwarz gehalten und mit weißen leuchtenen Sternen besprenkelt.
" Gehören ihre Ohrringe auch dazu ? ". Bernhard schenkte sich noch etwas von dem Rotwein ein.
" Oh ja....diese habe ich aus China mitgebracht...es soll sich um eine geheimnisvolle Pflanze handeln. die nur ganz selten vorkommt und um der sich sonderbare fantastische Geschichten ranken...also genau passend für ihren ungewöhnlichen Beruf ". Elisabeth wurde ganz aufgeregt, als sie erfuhr dass Bernhard nach Phänomenen jagte. Sie versuchte so viel wie möglich darüber zu erfahren und kam immer wieder darauf zurück.
" Wollen Sie mir nicht mehr verraten warum sie nach Frankfurt gekommen sind ? " Bernhard erzählte von dem Zimmer aus dem Haus gegenüber.
"Haben Sie mal irgendetwas darüber gehört ? " Bernhard dachte an das Fernglas auf dem Balkontisch. Irgend etwas musste ihre Neugier an dem Haus gegenüber geweckt haben.
" Nein, eigentlich nicht....das Haus wurde aber schon lange nicht mehr bewohnt und nur gelegentlich vom Eigentümer vermietet....Ich hatte nie etwas sonderbares um das Haus gehört...aber heute sind sonderbare Dinge passiert...." Sie zögerte ein wenig weiter zu erzählen. Zu verrückt kamen ihr die Einzelheiten vor.
" Wenn sie jemanden verrückte Sachen erzählen können ,... dann mir " sagte Bernhard, als hätte er ihre Gedanken erraten. Zaghaft begann Elisabeth von den Klonbrüdern zu erzählen. Bernhard hörte so beiläufig und selbstverständlich zu, dass Elisabeth Mut fasste und freimütiger zu erzählen begann. Sie fand in Bernhard einen Zuhörer der nicht im Geringsten an einer ihrer Worte zweifelte. Im Gegenteil. Sie fühlte sich von ihm ernst genommen. Und das war ein schönes Gefühl.
Bernhard berichtete von seinem Zusammentreffen mit Konrad Knappe und seinem merkwürdigem Verhalten an der Haustür und in dem Discounter. Bernhard war von Natur aus kein Geheimniskrämer. Er nahm auch  den Standpunkt ein, das man nur vertrauliche Informationen erhält, wenn man selber auch ein offener Mensch war. Er hatte zwar die Angewohnheit durchaus vertraulich zu sein, aber er vermied es in der Regel andere Menschen in seine Fälle mit hineinzuziehen. Bei Frau Ringer lagen die Dinge anders. Sie war auf eine noch unbekannte Weise in dieser Geschichte involviert. Warum sollte Bernhard ein Tattoo von ihr auf der Brust haben? Und das genau an dem Tag entdecken an dem Elisabeth Zinger ihm das erste Mal begegnet. Und warum trägt sie genau die Ohrringe die auf dem Tattoo abgebildet sind. Das alles muss mit dem Haus und dem Zimmer zu tun haben. Im Laufe des Gesprächs wuchs in Bernhard die Entscheidung ganz offen zu ihr zu sein. Er brauchte ihre Mithilfe um die Rätsel zu lösen.
" Frau Zinger ...ich muss ihnen noch etwas zeigen....sie dürfen aber nicht erschrecken." Er forschte in ihrem Gesicht nach der Bereitschaft dem ganzen Verrückten noch eine Zugabe drauf zu geben.
" Mich schocken sie heute mit nichts mehr ", gab sie herausfordernd zurück.
" Da seien sie sich mal nicht so sicher " sagte Bernhard und begann sein Hemd aufzuknöpfen.....

Lebensgefahr

Konrad saß da und horchte in sich hinein.
" Was für eine Stimme ? " hakte Olivia mit noch immer gequälten Gesichtsausdruck nach.
" Eine sehr angenehme Frauenstimme " Konrad stand auf und reichte Olivia seine Hand.
" Kannst du aufstehen ? " Sie nahm seine Hand, war aber anscheinend nicht in der Lage nach oben zu schauen.
" Komm, ich helfe dir....die Kopfschmerztabletten sind oben im Zimmer..." Unter Stöhnen zog Konrad sie auf die Beine. Olivia schien in sich zusammengefallen in einer Art Schonhaltung. Konrad legte behütend seinen Arm um sie und gemeinsam gingen sie langsam in die Pousada hinein. Zum Glück war niemand in der Rezeption und so musste Olivia kein Redeschwall von der rundlichen Besitzerin über sich ergehen lassen. Die Treppe war zu schmal um gemeinsam nach oben zu gehen. Auf allen Vieren ließ Konrad sie voran gehen und musste sein Lachen zurückhalten. Unbeholfen wie eine Betrunkene tapste sie die Stufen hinauf und stöhnte dabei in den verschiedensten Tönen als wäre es ihre Gleichgewichtshilfe um ihr Gehirn im Kopf aus zu balancieren.
" Gleich haben wir es geschafft " versuchte er Mut zu machen und war mit seinen Händen schwebend hinter ihr um jeder Zeit zupacken zu können. Oben angekommen setze sie sich auf die letzte Stufe und hielt wieder ihren Kopf wie auf der Bank. Konrad zwängte sich an ihr vorbei, öffnete die Zimmertür weit und räumte eine Tasche von ihrem Bett. Dann half er ihr die letzten Meter bis sie mit einem finalen Seufzer aufs Bett plumpste.
" Wo sind die Tabletten ? " Konrad schaute besorgt auf sie hinab.
"In meiner braunen Tasche " Konrad hatte sie gerade vom Bett weg geräumt. Die Tabletten waren schnell gefunden und Olivia musste noch einmal ihre Position ändern um sie einzunehmen. Dann lag sie mit zusammengefalteten Händen da wie einen aufgebahrte Tote.
" Ich lasse dich ein wenig liegen und schaue später noch mal nach dir...Ok ? ". Konrad war schon an der Tür.
" Ja gut " kam es Olivia leise über die Lippen.
Geräuschlos schloss Konrad die Tür und ging in sein Zimmer. Auf dem Weg von der Bank bis nach oben war die Stimme in seinem Kopf verschwunden, so als würde sie erst mal diese Aktion abwarten. Kaum war er in Zimmer alleine, da meldete sie sich zurück.
"Konrad...hören sie mir genau zu " Die Stimme war wirklich angenehm.
" Wer sind sie ? " Konrad kam es komisch vor mit sich selbst zu sprechen.
" Jemand der auf ihrer Seite ist " Merkwürdigerweise vertraute Konrad der Stimme.
" Ich weiß überhaupt nicht was hier gespielt wird " Konrad ging im Zimmer auf und ab. Gut das ihn niemand so sehen konnte. Man würde ihn für verrückt halten.
" Sie werden alles bald verstehen....alles zu seiner Zeit......Jetzt müssen sie aber erst einmal eins verstehen....." Sie machte eine längere Pause und Konrad fragte sich ob er den Kontakt verloren hatte.
Gerade wollte er nachfragen ob sie noch da ist, da war die Stimme zurück.
....Sie befinden sich in Lebensgefahr !!!!!

Elisabeths Tochter

" Herr Schaum,,,,,was machen Sie da ? " Elisabeth schaute mit großen Augen zu, wie Bernhard sein Hemd öffnete. Das Tattoo war nicht zu sehen, weil er ein weißes Unterhemd trug.
" Was ich ihnen jetzt zeige, habe ich erst vor gut zwei Stunden entdeckt " Er kam ein wenig näher.
Seine beiden Hände umfassten den Rand am Ausschnitt und zogen das Hemd nach unten.
Elisabeth starrte auf ihr Abbild. Es war als würde sie in einen Spiegel schauen. Ihre Frisur war die Gleiche wie auf dem Bild. Sogar die Ohrringe waren identisch. Nur der furchtsame Gesichtsausdruck befremdete sie. Sollte das ein Scherz sein? Dabei hatte sie ihren Gast eher als humorlos und etwas steif eingeschätzt.
" Herr Schaum...ich hoffe Sie haben dafür eine gute Erklärung " Bernhard ließ ihr Gesicht wieder verschwinden und setzte sich wieder. Er schenkte sich noch ein Glas Wein ein und mit seinem geöffneten Hemd sah er wie jemand aus der schon zu viel getrunken hatte.
"Ich habe momentan noch keine Erklärung dafür...und danke übrigens das sie nicht aufgekreischt haben....sie haben das sehr gefasst aufgenommen....Ich muss zugeben....es war eine sehr spontane Entscheidung ihnen das Bild zu zeigen.....ich bin selbst ein wenig überrascht, dass ich den Mut aufgebracht habe....aber es kann kein Zufall sein, dass sie genau die selben Ohrringe tragen wie im Tattoo....ich hoffe wir können das gemeinsam aufklären " Elisabeth saß nach wie vor etwas verdutzt da.
" Sie haben das gerade eben erst entdeckt ? " Seine Worte " gemeinsam aufklären " hallten noch in ihrem Kopf wieder und ihre Abenteuerlust wachte auf.
" Ja ...vorhin im Bad " Bernhard gab die Einzelheiten wieder und es erschien ihm auf Neue unglaublich.
Elisabeth kannte sich ebenso wenig mit Tattoos aus und vermochte nicht zu sagen, ob es möglich war dass Haare auf Tattoos nachwachsen.
" Der Punkt wo man ansetzen könnte ..wären die Ohrringe ....Fällt ihnen dazu noch etwas besonderes ein ? "
Elisabeth überlegte. Sie hatte die Ohrringe damals zusammen mit einem Buch gekauft. Das Buch war voll von Zeichnungen gewesen mit merkwürdigen Symbolen. Die weiß gesprenkelte Blüte war auch abgebildet. Elisabeth wollte das Buch ihrer Tochter schenken. Leider war es dazu nicht mehr gekommen. Ein kurzer Schmerz schlich in ihr Herz zurück bei dem Gedanken an ihre verunglückte Tochter. Sie war Archäologin gewesen und vor zwei Jahren gestorben.
" Ich habe noch ein Buch wo die Pflanze abgebildet ist....es ist aber in Chinesisch geschrieben..."
Sie stand auf und ging zu ihrer reich bestückten Bücherwand. Nach ein wenig Suchen, holte sie ein gut erhaltenes Buch hervor. Es hatte einen gelben Einband und das Cover bestand aus einer Zeichnung von eben jener geheimnisvollen Pflanze die vielleicht den Schlüssel darstellte um das Rätsel zu lösen.
Elisabeth gab es Bernhard in die Hand. Bernhard räumte seinen Teller mit dem Besteck beiseite und hatte so Platz das Buch vor sich hinzulegen. Er schlug es auf und chinesische Schriftzeichen sprangen ihm entgegen. Auf der Deckelinnenseite war eine Widmung in Deutsch geschrieben. Dort stand :

 


                     Für meine liebevolle Tochter Olivia

              Ich liebe Dich von ganzem Herzen 
                           und bin so stolz auf dich
                             Deine Mutter Elisabeth
                                                                                                                                                    

Inspektor Tavares

Inspektor Lukas Tavares schaute auf den Überwachungsmonitor herab. In seiner rechten Hand dampfte ein Becher Kaffee. Der Mann im Vernehmungszimmer saß ruhig mit verschränkten Armen an seinem Platz. Er schien seine Optionen im Kopf durchzugehen. Sollte er ruhig ein wenig nachdenken.
 Der andere Monitor zeigte seine Begleiterin. Seine Kollegin Anita sprach gerade mit ihr. Lukas hatte Anita immer für sehr hübsch gehalten, doch im Vergleich mit der Verdächtigen sah sie aus wie ein Marabu neben einem blauen Pfau mit aufgeschlagenem Federrad.
Berto, ein weiterer seiner Mitarbeiter, kam in den Raum. Er hatte einen Notizblock in der Hand und blätterte zwischen den Seiten hin und her. Er setzte sich neben seinen Chef.
" Was haben wir alles Berto ? " Der Angesprochene räusperte sich vor dem Rapport.
" Also,  ich hab die Befragungen aus dem Restaurant sortiert und es scheint sicher zu sein das unser Pärchen von einem Tisch zu dem Nachbartisch umgezogen ist an dem ein Mann und eine Frau saßen. Dieses Pärchen war nicht mehr unter den Anwesenden als wir eintrafen. Der Mann heißt Konrad Knappe und hatte sein Tisch im Internet reserviert. Er zog beim Gehen sein Bein nach und wurde als Ausländer eingestuft. Der Kellner gab an das er mit einem Akzent sprach. Ebenso seine Begleiterin. Unsere Schönheit aus Zimmer 3 holte eine Art Parfümflasche aus ihrer Handtasche und dann war die Rede von einer grünen Wolke die verströmte und die wohl die Ursache der kollektiven Ohnmacht war. Keiner der Befragten berichtet von Gasmasken die unsere vier Verdächtigen aufsetzten..wir wissen also nicht warum sie anscheinend nicht von dem Gas erwischt wurden.... Gerade habe ich die Nachricht erfahren , das einer der Restaurantbesucher im Krankenhaus verstorben ist. Da müssen wir die Autopsie noch abwarten. Und ein Glückstreffer haben wir auch noch....eine größere Tischgruppe hat Fotos gemacht. Wahrscheinlich bekommen wir ein Foto von Konrad Knappe und der Frau. " Berto lehnte sich zurück.
" Na das sieht doch ganz gut aus...besorgst du mir bitte so schnell wie möglich die Fotos ...und lass mir die Notizen da "  Berto nickte und machte sich auf den Weg.
Anita musste über das Parfümfläschchen informiert werden und der Inspektor drückte einen Knopf. Im Vernehmungszimmer ging eine Lampe an und gab Anita zu verstehen eine Pause zu machen. Auf dem Bildschirm konnte Lukas sehen wie sie den Stuhl zurückschob und sich erhob.
Er wechselte den Blick zu dem anderen Bildschirm. Der blonde Araber saß unverändert da. Was heckst du in deinem Kopf aus ? Welche unrühmliche Geschichte wird hier gespielt? Wer war der Anrufer gewesen der sie zu den Verdächtigen geführt hat? War es Konrad Knappe aus dem Restaurant? Der Anrufer hatte einen ausländischen Akzent. Das könnte zu Konrad Knappe passen. Woher wusste der Anrufer wohin das Pärchen aus dem Restaurant nach dem Anschlag gefahren war? War Konrad Knappe ihnen gefolgt? Wieso waren sie nicht ebenfalls in Ohnmacht gefallen?
Der nachdenkliche Inspektor beobachtete wie der Verdächtige aus Vernehmungszimmer 1 sich auf seine Armbanduhr konzentrierte und darauf herumdrückte. Plötzlich war auf dem Monitor nur noch ein graues Rieseln zu sehen. Das Bild war verschwunden. Sofort sprang der Inspektor wie von einer Tarantel gestochen auf. Der Stuhl auf dem er saß kippte nach hinten auf den Boden. Er rannte los.....

Zusammenarbeit

Bernhard blätterte das Buch durch. Sehr viele chinesische Schriftzeichen und ab und zu eine Seite mit Zeichnungen. Die Bilder schienen einen Geschichte zu erzählen. Menschen waren abgebildet, Landschaften und viele Symbole. Was hat das alles mit dieser rätselhaften Blüte zu tun, die auf dem Cover abgebildet war?
" Ich kann leider kein chinesisch...haben Sie eine Ahnung worum es in dem Buch geht ? " Er klappte das Buch wieder zu.
" Leider nicht...aber ich brenne jetzt darauf es herauszufinden " Bernhard hatte das Gefühl das sie ein sehr dynamischer, tatkräftiger Mensch war, der sofort wichtige Dinge in Angriff nahm.
" Kennen Sie jemand der uns mit der Übersetzung weiterhelfen kann ? " Ein wenig war ihm das nicht geheuer. Er war es nicht gewohnt von "Uns" zu sprechen. Bernhard war schon immer ein Einzelgänger gewesen und hatte sich mit seinem Wesen arrangiert. Er war z.B. nie verheiratet und das sollte auch so bleiben. Was ihn erfüllte war seine Detektivarbeit rund um die Phänomene, die er aufspürte und untersuchte. Auch dabei hatte er nie an einen Partner gedacht mit dem er seine Leidenschaft teilen konnte.
" Meine Tochter spricht fließend Chinesisch und wohnt auch hier in Frankfurt "  antwortete Elisabeth ein wenig zögerlich. Bernhard dachte an die Widmung im Buchdeckel und fragte sich warum ihre Tochter das Buch nicht erhalten hatte.
" Ihre Tochter hat das Buch von Ihnen nie erhalten " warf Bernhard ein und hoffte sie würde von sich aus erzählen. Er bemerkte einen kleinen Schatten auf ihrem Gesicht.
" Das Buch sollte ein Geschenk sein für meine Tochter Olivia...sie hat es nie erhalten...sie ist Brasilien tödlich verunglückt.." sie schluckte und machte eine Pause.
" Oh das tut mir leid....bloß ich verstehe nicht ganz...sagten sie nicht ihre Tochter wohnt in Frankfurt? "
Bernhard war verwirrt und überlegte ob er irgendetwas falsch verstanden hatte.
" Ich habe Zwillingstöchter...Olivia und Sybille....Olivia war Archäologin und hat einige Zeit in China gearbeitet...Sybille ist leitende Angestellte in einer chinesischen Firma hier in Frankfurt....meine beiden Töchter können Chinesisch sprechen... Das Buch hätte Olivia sehr interessiert...aber leider konnte ich es nicht mehr überreichen....." Sie blickte ihn mit traurigen Augen an. Bernhard hatte es sich zur Angewohnheit gemacht an sein eigenes Mitgefühl zu appellieren. Auf Grund seines Wesens war er eher ein kühler gefühlsreduzierter Mensch, was auch dazu führte vor Bindungen und Freundschaften zurückzuschrecken. Es war etwas woran er arbeiten musste und eine einfache Technik half ihm dabei. Im Umgang und in Gesprächen mit Menschen fragte er sich stets wie er selber in ihrer Lage empfinden würde. Das funktionierte erstaunlich gut und taute seinen inneren Eisblock ein wenig auf.
" Mein Beileid...das war bestimmt eine schwere Zeit für sie .." Bernhard stellte sich vor ein Kind verloren zu haben und das andere Zwillingskind zu sehen und sofort wieder an den Verlust zu denken.
" Ja das stimmt wohl....leider ist seitdem auch mein Verhältnis zu Sybille etwas gestört...wir sehen und auch nicht mehr so oft.....ich muss sie unbedingt anrufen....das werde ich morgen tun und vielleicht kann sie sich auch einmal das Buch ansehen ..." Jetzt war ihm unwohl zu Mute. Bei zu viel Nähe auf einmal, ging er automatisch wieder auf Abstand um die Distanz besser regeln zu können. Das war die andere Seite der Medaille. Sich auf Gefühle einzulassen führte unweigerlich zur Annäherung bis hin zum Kontakt. Bernhard war immer auf der Suche nach der rechten Balance.
" Frau Zinger...haben sie morgen etwas vor ?..ich meine haben sie Zeit mich bei meinen Ermittlungen zu begleiten? Etwas in ihm kämpfte noch dagegen sie ins Boot zu holen, aber sein Verstand sagte ihm das es der richtige Weg war um die Rätsel zu lösen.
" Warum bis morgen warten...ich hätte eine Idee was wir jetzt noch tun könnten...."

Der Samen

 


Konrad klopfte gedämpft an die Tür von Olivia und horchte nach einer Reaktion. Vielleicht war sie eingeschlafen? Sollte er ein Blick in das Zimmer werfen? Er spürte das Verlangen sie noch einmal zu sehen.
Seine Hand schwebte zu dem Türgriff und wollte gerade zupacken, als die Tür aufging.
Olivia stand mit zerknittertem Gesicht im Türspalt.
" Komm herein " Das Zimmer war ganz dunkel. Mit dem Licht vom Flur sah Konrad sie zurückwanken. Sie krabbelte aufs Bett und knipste die Nachttischlampe an. Konrad schloss die Tür.
" Geht es dir besser? " Er stand da wie bei einem Krankenhausbesuch.
" Nimm doch bitte Platz " Es gab nur den Stuhl oder das Bett. Konrad wählte natürlich den Stuhl.
 Er zog ein Blatt Papier aus seiner Gesäßtasche und faltete es auf.
" die Kopfschmerzen sind weniger geworden....aber ich fühle mich noch benommen "
  Er hielt das Blatt Olivia zum Lesen hin.



  Sag nichts über das Manuskript aus China !!!



Konrad hatte die Buchstaben extra fett auf das Papier gemalt und legte zur Betonung den Zeigefinger auf den Mund und tippte mehrmals auf die Lippen. Olivia schaute ihn versteinert an und verstand nicht.
"Das freut mich....als du so schlimme Kopfschmerzen draußen auf der Bank hattest, habe ich dir doch von der Stimme in meinem Kopf erzählt....erinnerst du dich? " Er legte das Blatt zur Seite.
" Ja, ich hatte die Kopfschmerzen und du die Stimme....ein verteufeltes Gaszeug war das "
" Ja, bloß die Stimme war echt...sie hat real mit mir gesprochen....sie haben mir so eine Art Sender in den Kopf gepflanzt "
" Du meinst das Pärchen aus dem Restaurant? " Die Sache wurde langsam verrückt.
" Nein, noch jemand anders....ich weiß nicht wer....es war eine Frauenstimme...sie hat mich vor dem Pärchen gewarnt...sie sollen sehr gefährlich sein und schrecken auch nicht vor Gewaltanwendung zurück "
" Ja, das haben wir ja schon erlebt....aber worum geht es hier überhaupt...ich verstehe gar nichts mehr "
" Es geht um den Fund der Höhle....sie wollen etwas aus der Höhle und sind entschlossen es unter allen Umständen zu bekommen "
" Weißt du was sie wollen? " Olivia war ganz bei der Sache.
" Samen von einer Pflanze " Konrad nahm das Blatt Papier wieder an sich und suchte einen Stift und eine Unterlage zum Schreiben.
" Pflanzensamen?....was ist so Besonders an diesen Samen ?....und hast du ihn in der Höhle gefunden? "
Sie deutete ihm sich zu ihr aufs Bett zu setzen.Konrad kam mit den Schreibutensilien zu ihr an die Seite.
" Ja, wir haben tatsächlich Samen gefunden...sie waren in einem Tongefäß verschlossen aufbehalten "
Konrad drehte das Blatt Papier um und begann zu schreiben.
" Aber wir konnten die Samenart nicht bestimmen " Olivia sah zu wie Konrad zwei Sätze schrieb.



  Ich habe einen Teil der Samen mitgenommen.
  Sie sind im Institut von Sao Gabriel zur Untersuchung



" Was machen wir jetzt " fragte Olivia
" Die Stimme sagte, dass das Pärchen von der Polizei geschnappt wurde und erst mal aus dem Spiel sei... und wir sollten das nutzen und so schnell wie möglich zur Höhle zurückkehren .."
" Und dann was tun ? "
" Wir sollen den Samen vernichten !!!!  " Konrad schaute Olivia ernst in die Augen....

 

Der Rucksack

" Woran denken Sie ? " Bernhard nahm das Funkeln in ihren Augen wahr.
" Warten Sie einen Moment " Elisabeth erhob sich und verließ das Wohnzimmer. Ihre Bewegungen waren so federleicht und graziös, dass es ein Genuss war ihr beim Laufen zu zuschauen. Licht fiel in die dunkle Diele. Sie musste im anliegenden Zimmer sein. Das Licht ging wieder aus und Elisabeth kehrte mit einem Rucksack zurück. Sie steuerte damit aufs Sofa zu.
"Kommen Sie, hier sitzt man gemütlicher " Der Rucksack landete auf der Couch und lose orientalisch aussehende Kissen sprangen zur Seite. Bernhard nahm in einem der beiden Sessel Platz die um einen Glastisch gruppiert waren. Das Glas besaß einen aufwendigen Facettenschliff und war mit einem geschwungenem bronzefarbenen Metallgestell verbunden. Handgedrechselte Kerzenhalter aus Indien
wanden sich auf dem Tisch, als würden sie von der Melodie eines Schlangenbeschwörers in alle Richtungen tanzen . Eine marokkanische ebenfalls sich windende Stehlampe mit rotgefärbtem Ziegenleder und Handbemalten Verzierungen warf ein magisches rötliches Licht. Der süße Duft der flackernen Kerzen, die überall herumstanden, ergänzten das Orient -und Kolonialambiente.
Elisabeth öffnete den Rucksack und holte etwas hervor. Bernhard erkannte es sofort. Es war ein Nachtsichtgerät, ähnlich dem das er besaß und das sich oben in seinem Koffer befand. Sie legte es beiseite und wühlte weiter. Dann kam etwas zum Vorschein was wie eine kleine Satellitenschussel aussah.
" Da haben wir ja das gute Stück " Elisabeth plumpste damit aufs Sofa. Die Parabolspiegel war ganz in schwarz gehalten und in der Mitte streckte sich ein Zylinder mit ovalem Kopf. Hinter dem Spiegel war ein Griff befestigt von dem ein Kabel ausging zu einem Kopfhörer mit großen Ohrmuscheln. Das war ganz eindeutig ein Richtmikrofon zum Abhören. Bernhard hatte ebenfalls eins in seiner Ausrüstung. Doch dies hier war ein ganz anderes Kaliber. .
" Donnerwetter " entfuhr es Bernhard schwer beeindruckt.
" Sie wissen was das ist ? " Elisabeth reichte es ihm hinüber.
" Ja, das weiß ich....wozu haben Sie es ? " Er hatte das Richtmikron in der Hand und richtete es auf eine imaginäre Geräuschquelle. Man hatte sogleich das Agentenfeeling.
" Ich benutze es auf meinen Touren, wenn ich eine Gruppe von Touristen im Dschungel führe und um Geräusche von Tieren abzuhören....es ist ein Spitzengerät..."
Daran hatte Bernhard keinen Zweifel. Blieb die Frage was sie darunter verstand heute Abend noch aktiv zu werden. Abhören von Personen stand in Deutschland natürlich unter Strafe und konnte sogar mit Gefängnis  geahndet werden.
"Sie wollen dass wir unsere Klonnachbarn belauschen ....von ihrem Balkon aus ? "  Bernhard dachte wieder an das Bild von Elisabeth Ringer auf dem Balkon mit dem Fernglas vor den Augen. Diesmal sah er sie mit Nachtsichtgerät und sich selber dazu, mit Richtmikrofon und Kopfhörern auf den Ohren. Ein schönes Paar gaben sie ab.
" Ich hab da noch etwas Radikaleres im Sinn " sagte sie und blickte verschwörerisch ....

Verschwunden

Lukas Tavares riss kopflos die Tür auf, die mit aller Wucht gegen die Wand schmetterte und zurückprallte. Er war wie ein Taucher in Panik der sich gerade vom Boden des Meeres abstoß und eine weite Strecke zur Wasseroberfläche zurücklegen musste und dabei nur begrenzt Sauerstoff in seinen Lungen verspürte. Es hieß schnell sein und doch kontrolliert seine Bewegungen koordinieren. Das ist stets ein vernünftiger Vorsatz, den aber aufwallende Gefühle sogleich in alle Stücke reißen.
Die aufknallende Tür verschreckte eine gerade zufällig vorbeikommende Sekretärin mit einer Kaffeekanne in der Hand. Die erblasste junge Frau sprang zurück und ließ das Thermogefäss fallen, das polternd in den Laufweg vom Inspektor hineinschlitterte, der mit einem Satz darübersprang und mit einem Aktenschrank im Gang kollidierte. Sein schmerzenden Arm fassend rannte er weiter und Wut stieg in ihm auf über weitere Hindernisse in Form von Kollegen die im Flur liefen. Warum um Himmels Willen waren so viele hier unterwegs? Warum saßen sie nicht an ihren Schreibtischen und arbeiteten?
Ohne Rücksicht in Rammbockhaltung stürmte er den Gang lang. Seien Kollegen sprangen so gut wie möglich aus seiner Bahn. Akten wirbelten durch die Luft und Tassen fielen zu Boden.
" Weg da ... aus dem Weg ..." , keuchte er Ihnen entgegen. Lukas sah den Quergang am Ende des Flurs schon frei vor sich. Er musste noch rechts herum um zu den Verhörräumen zu gelangen. Anita kam in dem Moment um die Ecke gebogen, mit neugierigem Blick was der Lärm wohl zu bedeuten hatte.
" Schnell zurück ... " Er packte sie an den Armen , wirbelte sie einmal im Halbkreis herum und benutzte sie so um sich in die neue Richtung zu katapultieren. Sich von ihr abstoßend, flog er regelrecht die letzten Meter zur Tür vom Verhörraum 1. Wäre er nicht so in Schwung gewesen, hätte der erschütternde Schrei aus dem Raum ihn zum Erstarren gebracht.
Als er die Tür erreichte, war Anita schon dicht hinter ihm. Der Inspektor stürmte in den Raum hinein.
Er brauchte einen Augenblick um zu begreifen was er sah. Der Tisch und die beiden Stühle waren an die Wand geräumt. Der Verdächtige war verschwunden. Er kniff sich selber ein paar Male in seinen Verstand, aber es half nicht. Der blonde Araber war nicht mehr zu sehen, als sei er mit seinem fliegenden Teppich davon gedüst. Anita und weitere Kollegen drängten in das Zimmer hinein.
" Was ist hier passiert? ... wo ist der Kerl? ... " Lukas ärgerte sich über die Frage seiner Partnerin, weil er selber absolut ahnungslos war. Und das konnte er überhaupt nicht ausstehen. Er war gerne in der Position des Überlegenen, der immer ein Schritt voraus war.
" Der Überwachungmonitor wurde schwarz ... mehr weiß ich auch nicht " Er dachte an den Moment zurück, wo der Araber mit seiner Uhr spielte und kurz noch in die Kamera blickte, bevor das Bild verrauschte.
Der Mistkerl hatte noch mal gelächelt.
" Er kann doch nicht einfach so verschwinden " Lukas stand in der Mitte des Raumes, wo sich der Tisch  befunden hatte und blickte zu beiden Seiten. Für ihn sah das aus , als hätte er sich Platz geschaffen. Aber wofür? Er schaute zum verspiegelten Vernehmungsfenster und bemerkte etwas auf der Oberfläche des Spiegels. Durch das Gemurmel der Versammelten hinweg, ging er näher heran.
Etwa in der Höhe seines Gesichtes klebte ein roter Fleck an der Scheibe.
Verwischt und verschmiert. Lukas wusste um was es sich hier handelt. Das war eindeutig Blut ....

Der Tanz beginnt

Bernhard schaukelte den Wein in seinem Glas und betrachtete das glühende Gesicht von Elisabeth.
Er kannte sie erst wenige Stunden und bewunderte schon ihre Tatkraft und Engagement. Er hatte sie sozusagen zum Tanz aufgefordert und ehe er sich versehen konnte war sie in seinen Armen und wirbelte mit ihm herum. Das war ihm nicht unangenehm, doch wollte er gerne die Führung innebehalten.
" An was denken sie da konkret? "Bernhard hatte so seine Vermutung, was jetzt kommen würde.
" Nun, wie sie wissen ist das Haus der Klonbrüder direkt angrenzend an dem Anwesen meiner Freundin.
Es würde keinen Verdacht erregen, auch wenn ich spät abends noch zu ihr herüberginge. Das mache ich
übrigens durchaus des öfteren, wenn Verona nicht schlafen kann oder noch etwas benötigt. Am Ende des
Grundstücks gibt es einen Durchschlupf zu den Brüdern. Durch die Büsche sind es nur ein paar Meter zu  dem Baumhaus. Alles liegt im Dunkeln und man könnte mit Leichtigkeit unbemerkt hinaufklettern.
Von dort aus hat man einen guten Blick auf die Zimmer im ersten Stockwerk und mit ein bisschen Glück
sind die Vorhänge nicht zugezogen. Vor allem könnte man wunderbar mitlauschen was die Bande da macht.
Jetzt schauen sie mich bitte nicht so entsetzt an." Eigentlich dachte Bernhard er hätte sein Pokerface aufgesetzt, aber was sie mit Leichtigkeit und so nebensächlich da vorschlug, raubte ihm die Fassung.
" Frau Ringer , ich kann nicht glauben, was sie da vorschlagen. Ich meine, ich bewundere solchen Unternehmungsgeist ... aber das geht eindeutig zu weit. Unter anderen Umständen würde ich eine solche Aktion  durchaus in Betracht ziehen ... aber denken sie nur an den Skandal, wenn Sie als Nachbarin bei dieser Aktion ertappt würden ... und es handelt sich hierbei nicht um ein Kavaliersdelikt sondern um eine Straftat....Ausgeschlossen, dass ich da zustimmen würde ... allerdings wenn ich es mache und sie aus dem Schussfeld sind und im Ernstfall nicht mit hineingezogen würden ... dann , ja dann wäre es eine Überlegung wert. Also, ich mache es und sie weisen jede Beteiligung von sich, sollte ich in Handschellen vom Grundstück geführt werden und würden mit voller Entrüstung ihr Entsetzen der Polizei gegenüber zum Ausdruck bringen, dass ihr Mieter so dreist ihre Gastfreundschaft ausgenutzt hat ... " Der Tanz nahm an Fahrt auf.
" So so ... Na dann ist ja alles klar ... Ok, super ... ich bin einverstanden " Elisabeth grinste.
Bernhard beschlich das Gefühl gelenkt worden zu sein. Wollte sie genau das von Anfang an. Ihn in die Rolle des mutigen Akteurs hineinmanövrieren?
" Ich hoffe nur die alte Leiter zum Baumhaus hoch, hält noch ...." wieder dieses schelmische Grinsen.
Bernhard dachte an sein Gewicht und das könnte wirklich ein Problem werden, aber das würde er nie zugeben.
" Gibt es um die Uhrzeit Spaziergänger, z.B. mit Hunden  ? " Bernhard schätzte diese Straße eher als tot ein.
" Überwiegend wohnen hier nur ältere Leute ... ihre Runden mit den Hunden haben sie längst gedreht ... ob sie jemand sehen wird? ... ich würde sagen, sehr unwahrscheinlich "
" Das mit dem Durchgang von Veronas Garten aus , müssen wir allerdings vergessen ... ich könnte schwerlich erklären, wieso ich davon wusste ... nein, ich muss von der Straße aus aufs Grundstück und damit sie ein lückenloses Alibi haben, müssten sie jetzt schlafen gehen und in ihrem Zimmer das Licht aus machen. "
Elisabeth schaute auf ihre Uhr. Es war 23 Uhr.
" OK..gute Idee. " Sie sprang auf, löschte die Kerzen und ging Richtung Treppe.
" Kommen Sie mit " forderte sie ihn auf ..." und nehmen sie den Rucksack mit ... "
Bernhard stemmte sich aus dem Sessel und folgte ihr. Elisabeth löschte alle Lichter im Untergeschoss....

Die Mailbox

Inspektor Tavares lauschte dem Verhör von der Partnerin des verschwundenen Arabers. Diese saß nach wie vor unantastbar und souverän mit überschlagenen Beinen da, als wäre sie zu Gast bei einer Late Night Show.
Er beobachtete sie vom Nebenraum durch die Scheibe hindurch. Was macht sie so verdammt selbstsicher?
Gerade in diesem Moment erfährt sie vom fast spurlosen Verschwinden des Mannes der nur ein Blutfleck an der Scheibe des anderen Verhörraums hinterlassen hat. Auch das scheint sie nicht aus der Ruhe zu bringen.
" Mach ihr mal mehr Dampf unter dem Hintern ... erzähl ihr vom Blut und das wir glauben, dass er ernsthaft verletzt ist ... " Sprach er Anita in ihren Ohrstöpsel. Er lehnte sich zurück und wartete auf die Reaktion der kaltblütigen Lady. Sie hatte nur ein amüsantes Lächeln dazu übrig und fragte nach einer Zigarette. Anita war so freundlich und tat ihr den Gefallen. Es wurde Zeit für den bösen Bullen.
" Anita komm mal raus ... lassen wir sie die Zigarette rauchen und dann gehe ich rein ... "
Anita erhob sich sofort und verließ den Raum. Sie kam nicht sofort zu ihm hinein und wahrscheinlich holte sie sich einen Kaffee. Lukas blickte auf die runde Uhr an der Decke. Kurz vor Mitternacht. Verdammt er hatte sich noch nicht bei Gabriela gemeldet. Berto hatte den Auftrag erhalten bei ihr Bescheid zu geben, dass es heute später werden könnte. Früher hatte er oft Anita gebeten diesen Anruf zu erledigen, doch das kam nicht so gut bei seiner Frau an. Gabriela war sehr eifersüchtig und war nicht gut zu sprechen auf die süße angenehme Stimme von Anita. Den Fehler machte er nicht nochmal. Aber ein anderer Fehler war es auch sich überhaupt nicht mehr zu melden und spät Nachts einfach nur ins Bett zu schlüpfen. Auf leisen Sohlen, wie ein Ehemann mit schlechtem Gewissen, der vom Gezeche mit seinen Kumpels zu spät nach Hause kommt.
 Lukas holte sein Handy hervor und klappte es auf. Zwei neue Nachrichten waren auf seiner Mailbox. Beide stammten von Olivia Hochschild. Das war eine Überraschung. Er hatte lange Zeit nichts mehr von Olivia gehört. War sie etwa in Brasilien? Das konnte durchaus sein. Sie war ja als Archäologin ständig unterwegs.
Seine Schwester Mara war ebenfalls Wissenschaftlerin und die Ehefrau von Johannes Hochschild ihrem Vater, der ein Haus in Sao Gabariel besitzt. Als Lukas noch in Sao Gabriel bei der Drogenfahndung tätig war, durfte er des öfteren die Gastfreundschaft des Professors und seiner Schwester geniessen. Bei einer dieser schönen Abenden lernte er auch Olivia kennen. Später half sie ihm einmal offiziell bei einem Fall. Seit dem hatte er aber nichts mehr von ihr gehört. Auch mit Mara war der Kontakt abgerissen, was sein Gewissen sofort zum Anlass nahm um ihn einen Stich zu versetzen.
Lukas öffnete die erste Nachricht. Er hörte ein Summen von Stimmen und eine leise Musik im Hintergrund, aber nicht Olivias Stimme. Dann kamTumult auf. Die Stimmen wurden lauter bis hin zu Schreie. Man hörte ein Klirren und ein Scheppern wie bei einem Polterabend, Gläser und Teller gingen anscheinend zu Bruch und alles vermischte sich zu einem rumpelnden und krachenden Radau. Dann wurde es ganz still und der Song im Hintergrund wirkte wie eine Todesmelodie.
 Lukas traf es wie eine Keule. Die Giftgasattacke im Restaurant. Olivia war dort. Sie war die Begleitung von Konrad Knappe !!!! Benommen rief er sie zweite Nachricht auf ....

Wie ein Dieb in der Nacht

Elisabeth hatte das Nachtsichtgerät aufgesetzt und stand neben Bernhard auf dem Balkon. Die Lichter waren alle gelöscht und es war stockdunkel und kalt. Bernhard hatte eine kurze leicht gefütterte Jacke angezogen, die es ihm erlauben würde den Baum hochzuklettern. Dazu trug er eine dunkle Jeans und seine bequemen Boots. Die Lederhandschuhe stopfte er in die Seitentasche. Das Abhörgerät war in einem kleineren Rucksack verstaut worden. Von ihm aus konnte es los gehen.
Das Haus der Klonbrüder war auch im Dunkeln gut zu erkennen. Die Fensterläden waren an der Frontseite geschlossen worden und gelbes Licht schimmerte durch die Lamellen. Bernhard wusste nicht wo das betreffende Zimmer lag. Da hätte er besser genauer nachfragen sollen. Man lernt nie aus, ermahnte er sich selbst.
" Ich denke nicht dass es drüben Bewegungsmelder gibt ... das wäre mir sicher mal aufgefallen "
Elisabeth setzte das Nachtsichtgerät ab. Sie wollte sich eigentlich ebenfalls Trekkingkleidung anziehen, doch Bernhard hatte darauf bestanden, dass sie Schlafsachen an hat um ihr Alibi nicht zu gefährden. Im Notfall musste sie wie jemand an der Tür erscheinen der schon geschlafen hatte. Sie stand aus diesem Grund mit einem dick aufgeplusterten Wintermantel neben ihm.
" Es gibt nur einen Risikoabschnitt ... das kurze Stück zum Haus hinüber ...sobald ich durch das Tor bin, werde ich mit dem Nachtsichtgerät abchecken ob jemand die Straße entlang läuft ... ich rechne nicht mit Komplikationen " Bernhard hatte ein kleines Taschennachtsichtgerät bei sich.
" Mir gefällt es nicht, dass ich sie nicht im Ernstfall warnen kann " Elisabeth hatte ihre Hände tief im Wintermantel vergraben.
" Das Risiko müssen wir eingehen....wir waren uns doch einig ... nichts darf auf sie zurückführen "
Bernhard schaute ihr nochmal ernst ins Gesicht. Als sie nickte ging er los.
Elisabeth setzte das Nachtsichtgerät wieder auf und wartete ungeduldig darauf dass er unten im Garten auftauchte. Nach einer halben Ewigkeit erschien seine klobige Gestalt unter dem Balkon. Er winkte kurz nach oben, wie ein Ehemann der das Haus verlässt und huschte dann wie ein Schatten den Weg entlang zum Tor. Man sah wie er einen Moment verharrte, lauschte und dann durch das Tor trat. Die hohe Hecke gab ihm Deckung. Wie ein Fußgänger der der die Straße überqueren möchte, schaute er mit dem Nachtsichtgerät erst nach links und dann nach rechts.
Angespannt beobachtete Elisabeth, wie er das Gerät seelenruhig in die Tasche zurücksteckte. Sie bewunderte seine Coolness. Keine Bewegung wirkte hektisch oder nervös.
Jetzt kam der entscheidende Moment. Salopp und beinahe lässig überschritt er die Straße und zog sich dabei die Handschuhe an. Ohne zu zögern öffnete er die Tür zum Grundstück gegenüber und war im Schutz der Hecke verschwunden. Elisabeth bemerkte dass sie ausatmete.
Bernhard blieb auf dem Weg und ging schnellen Schrittes um das Haus herum und war nicht mehr zu sehen. So weit so gut. Jetzt konnte sie nichts weiter tun als warten. Und das gefiel ihr gar nicht....  

Olivias Anruf

Olivia befand sich auf dem Weg nach unten ins Foyer der Pousada. Nur dort konnte sie ungestört telefonieren. Was für ein verrückter Tag. Wie ein Endlosband liefen die Geschehnisse immer wieder an ihrem geistigen Auge vorbei. Sie hatte die knarrende Treppe hinter sich gelassen und stand nun im Foyer. Die Rezeption war schwach beleuchtet und auf dem Tisch in der Ecke warf eine Lampe ein gemütliches Licht. Dort, in einem der bequemen Sessel, ließ sich Olivia hineinplumpsen.
Sie musste versuchen Daniel in China zu erreichen. Mit ihm hatte sie damals das Manuskript mit den Symbolen untersucht, die so viel Ähnlichkeit hatten mit denen die Konrad in seinem Notizbuch hatte. Oliva sah noch einmal die Szene im Restaurant vor sich, wie sie im Buch blätterte. Konrad hatte nur eine kleine Auswahl von Symolen in sein Buch abgezeichnet. Solche die ihm auf den ersten Blick wichtig erschienen.
Olivia bemerkte ein brennendes Gefühl das in ihr zu lodern begann. Sie wollte die Höhle unbedingt schnell selber begutachten. Das für sich allein genommen, ist schon aufregend genug. Sollte sie aber noch dazu eine Abschrift des Manuskripts zur Verfügung haben, wäre das wie ein Sechser im Lotto.
Die Stimme in Konrads Kopf warnte ihn nicht morgen früh auf dem Flughafen aufzutauchen. Die Polizei würde mit Sicherheit nach ihnen suchen und sie nur mit Befragungen aufhalten. Sie könnten so erst einmal nicht ihre Reise fortsetzen. Stundenlange Verhöre mit der Polizei. Immerhin saßen sie mit dem Pärchen an einem Tisch und befanden sich nach dem Anschlag nicht mehr im Restaurant. Sie hatten sich so verdächtig gemacht.
Konrad wollte morgen mit seinem Kollegen aus dem Institut telefonieren. Vielleicht konnte dieser ein Helikopterflug für sie organisieren, so dass sie die Polizei umgehen konnten. Olivia hatte die Faxnummer vom Institut auf einen Zettel stehen, den sie nun aus ihrer Hosentasche hervor holte. Wenn sie hoffentlich Daniel erreichte, würde sie ihm die Faxnummer durchgeben, so dass er eine Kopie des Manuskripts schicken könnte.
Als das Display auf ihrem Handy zum Leben erwachte, bemerkte sie, dass sie kürzlich eine Nachricht verschickt hat. Das kam ihr merkwürdig vor. Sie hatte doch gar nicht telefoniert. Sie rief das Protokoll auf.
 Eine versandte Nachricht an Lukas Tavares. Jetzt wurde ihr auf einem Male alles klar. Sie hatte dem Pärchen am Tisch mit dem Bekannten von der Polizei gedroht und als die Hollywood Schöne das Glasfläschchen zerbrochen hatte, musste sie vor lauter Schreck die Anruftaste gedrückt haben.
Lukas würde sie zurückrufen. Vielleicht ist auch die Mailbox eingeschaltet worden und er hat das anschließende Chaos als Aufnahme auf seinem Handy. Olivia überlegte nicht lange. Noch einmal wählte sie die Nummer von Lukas Tavares. Er nahm nicht ab und sie hörte den Ansagetext der Mailbox. Was sollte sie ihm nun als Nachricht übermitteln? Der Piepton forderte sie zum Sprechen auf.
" Hallo Lukas...hier ist Olivia....ich bin dir eine Erklärung schuldig....ich bin in Manaus und stecke in Schwierigkeiten...also rufe mich doch bitte zurück....bis dann. "
Konrad würde das bestimmt nicht gefallen. Er war sehr dafür nicht die Polizei einzuschalten.
Aber sie kannte Lukas Tavares. Er würde ihnen mit Sicherheit weiter helfen.
Jetzt müsste sie nur noch Glück haben und Daniel erreichen.
" Ja " Eine Frauenstimme.
" Ja hallo...Ähm..hier ist Olivia Hochschild ....ich wollte bitte mit Daniel Leberecht sprechen."
" Ich bin seine Mutter"  Die Stimme klang traurig. " Sind sie eine Bekannte von Daniel? "
" Ja, das kann man sagen..wir waren Kollegen in China und haben an einem Projekt zusammengearbeitet..
Geht es Daniel gut...kann ich ihn sprechen? "
Olivia hörte wie die Frau in Tränen ausbrach...

Hindernisse

Das ging doch einfacher als gedacht. Bernhard war sich sicher nicht gesehen worden zu sein. Kein Fußgänger weit und breit und die Straße lag eingeschlafen da. Das schummrige Licht aus den Nachbarhäusern, soweit überhaupt vorhanden, drang nur gefiltert und schwach durch das Blätterdach der Platanen.
Er folgte dem Weg bis zum Eingang des Hauses und bog ohne zu zögern links herum ab, auf dem Rasen entlang, der dicht zusammengewachsen war und wie ein Teppich unter seinen Füßen federte. Im ganzen Haus waren die Fensterläden geschlossen worden und das matt durchscheinende Licht reichte nicht aus um den Abschnitt vor ihm genau erkennen zu können. Er holte erneut das handliche Nachtsichtgerät aus seiner Jackentasche hervor und hielt es vor seine Augen. Gespenstisch lag der Garten vor ihm. Wuchtig aufgetriebene Büsche füllten das Anwesen auf und der kleine Rasenabschnitt wand sich zum hinteren Teil des Grundstücks durch.
Die Büsche endeten an einer weiß getünchten Mauer mit einer Tür, die ihm den Weg versperrte. Was wäre wenn sie verschlossen ist? Er schaute sich den oberen Teil der Mauer an, die mit abgeschrägten kleinen Ziegeln bedeckt war. Wäre er in der Lage sich an den Ziegeln festzuhalten und seinen untrainierten Körper hoch zu ziehen und über die Mauer zu schwingen? Berechtigte Zweifel stiegen in ihm auf.
Behutsam drückte er die Klinke nach unten und spürte den Widerstand. Er versuchte die Tür anzuheben und dann zu öffnen, aber vergebens. Sie war verschlossen.
Bernhard ging im Kopf die Optionen durch. Das Überklettern der Mauer schob er gleich nach ganz hinten durch. Er könnte auch zurückgehen und es von der anderen Seite versuchen, doch das Bild aus seinem Gedächtnis vom Nachmittag ließ auch diese Option schnell in den Hintergrund verschwinden. Die Hausfront ging komplett bis an die rechte Grundstücksmauer, wenn er sich richtig erinnerte.
Es vom Nachbarsgrundstück aus zu versuchen, schied ebenfalls aus. Wie hätte er vom Durchschlupf wissen können. Es kam für ihn nicht in Frage Elisabeth auch nur in den Hauch eines Verdachts zu bringen. Hatte er gerade Elisabeth in seinem Kopf gedacht und nicht Frau Zinger? Er musste innerlich schmunzeln wie schnell man mit Personen vertraut wird, wenn man sich auf irgend eine Weise mit ihnen verbündet.
Zurück zum Problem, mahnte er sich. Er dachte an sein Dietrichset das er bei sich hatte. Obwohl er nur einmal damit geübt hatte und sich nicht sehr geschickt dabei angestellt hatte, wollte er es an diesem Schloss probieren. Es war nur ein einfaches Schloss, dass man für ein paar Euro kaufen konnte. Er holte das Dietrichset aus seiner Jackentasche hervor. Es sah aus wie ein Schweizer Taschenmesser. Man braucht in der Handhabung viel Fingerspitzengefühl und Bernhard dachte an seine Wurstfinger.
Er wählte eine mittlere Größe mit einem Hook der eine breite Fläche besaß und führte den Sperrhaken in das grobe Buntbartschloß ein. Die Sperrvorrichtung bestand nur aus einem Riegel und einer einzigen Zuhaltung. Er musste nur die Zuhaltung heben und gleichzeitig den Riegel schieben. Bernhard war überrascht, dass es gleich auf Anhieb gelang. Erneut fasste er den Griff und drückte ihn nach unten. Die Tür öffnete sich ohne ein Geräusch zu hinterlassen. Er schlüpfte in die Dunkelheit dahinter. Er wollte gerade sein Nachtsichtgerät ansetzen, als eine Bewegung vor ihm ihn den Atem raubte.
Ein Hund stand in bedrohlicher Haltung vor ihm und gab ein kehliges Knurren von sich...

Beunruhigende Gedanken

Obwohl es schon so spät war, tobte der Autoverkehr immer noch heftig wie ein Puls der das Blut in den Adern vor sich hertrieb. Manaus Innenstadt war gefüllt mit Autos die zuckend ihren Weg durch den Stau suchten.
" Wir sind gleich da ", sagte der Mitarbeiter von Lukas Tavares der sich als Berto vorgestellt hatte. Er warf ständig ein Blick nach hinten auf Konrad und Olivia, die einen erschöpften Eindruck machten. Der Fahrer des Polizeiautos war bisher stumm und konzentrierte sich auf den Verkehr. Berto hatte das Reden übernommen. Olivia hörte gar nicht richtig hin, was er sagte. Sie war versunken in ihren traurigen Gedanken um Daniel, ihren Kollegen aus China. Daniel war nicht nur ein Kollege von ihr gewesen, sondern auch ein guter Freund geworden. Als seine Mutter am Telefon zu weinen begann, befürchtete sie schon das Schlimmste.
" Es tut mir sehr leid um deinen Kollegen " Konrad bemühte sich um eine warme Stimme.
" Danke, das ist nett von dir ", erwiderte Olivia mit einem angedeuteten Lächeln.
" weist du was verrückt an der Sache ist? " Olivia schaute daraufhin Konrad direkt an
" Ich glaube dass der Unfall von Daniel und seiner Assistentin irgendwie mit unserer Geschichte in Zusammenhang steht "
" Wieso glaubst du das? "
" Nun, er war in einer Höhle mit seiner Assistentin alleine am Arbeiten. Das ist ungewöhnlich für Daniel. So kannte ich ihn nicht. Daniel würde nie eine archäologische Untersuchung vornehmen ohne ein komplett ausgerüstetes Team an seiner Seite. Daniel ist kein Indianer Jones Typ der alleine loszieht und auf Abenteuer aus ist. Ich kann mir nur vorstellen, dass er etwas entdeckt hatte, das ihm so groß erschien das er keinem davon erzählen wollte. Etwas, womit er große Gefahr verband. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es mit dem Manuskript zu tun hat, das wir noch gemeinsam untersucht hatten. Es ist so auffällig gleich was mit uns geschieht. Wollten wir nicht auch im Alleingang handeln, nachdem wir mit der Höhle große Gefahr verbunden sahen? Wie hast du dich dagegen gewehrt dass ich Lukas Tavares mit hineinziehe. Ich glaube Daniel befand sich in großer Gefahr. Seine Mutter sagte die Höhle wäre gesprengt worden. Wer sollte Interesse haben die Höhle zu sprengen? Daniel, weil er in ihr eine Bedrohung sieht oder jemand der Daniel verfolgte und seine Untersuchung boykottieren wollte? Jemand er ihm zugesetzt hatte, wie das Pärchen bei uns? "
Olivias Augen flackerten und füllten sich mit Tränen.
"Alles in Ordnung bei Ihnen " Berto meldete sich wieder
" Ja, alles in Ordnung...wir sind nur ein wenig erschöpft" antwortete Konrad auf Portugiesisch. Zu Olivia sprach er wieder In Deutsch.
" Wir wissen einfach noch zu wenig. Es wird schon alles gut gehen und ich hoffe dass es Daniel bald besser gehen wird " Konrad schoss ein Gedanke in den Kopf. Er wandte sich wieder an Berto in Portugiesisch.
" Haben Sie übrigens ein Notizbuch bei den Verdächtigen gefunden ?
" Darüber können sie gleich mit meinem Chef sprechen. Haben sie noch ein wenig Geduld "
" Warum fragst du nach dem Notizbuch? " Olivia trocknete sich die Augen mit einem Taschentuch.
" Bin nur neugierig " Sie bogen rechts ab und das Polizeigebäude war zu sehen.
Konrad wollte Olivia nicht weiter beunruhigen. Sie war ohnehin schon aufgedreht  genug. Aber etwas wichtiges hatte er Olivia noch nicht über das Notizbuch erzählt. Es würde ihre Sorgen nur noch noch verschlimmern ..

Der Angriff

Der Hund kam sehr langsam und gleichmäßig auf ihn zu. Das war kein gutes Zeichen. Kopf, Schultern und Hüften des Tieres befanden sich auf einer Linie. Er wirkte dadurch steif, beinahe wie eingefroren. Die Ohren waren eng an den Kopf gelegt, Falten waren um die Lefzen zu sehen. Sie wirkten so kürzer und er konnte so seine angsteinflößenden Zähne zeigen. Bernhard verstand sofort die Signale. Der Hund würde angreifen.
Zunächst ging er langsam in die Hocke, um seine bedrohliche Gestalt kleiner zu machen und drehte sich zur Seite um den Hund nicht anschauen zu müssen. Er hörte jetzt nur noch das Tier, wie es unaufhörlich knurrend weiter auf ihn zu kam. Sein Blick ging auf einen Regenschirm der neben einer Mülltonne lehnte.
Genau den würde er gut brauchen können um etwas zwischen ihn und den Zähnen zu bekommen.
Bloß keine hektischen oder schnelle Bewegungen machen. Die Plane des Schirms war nicht zusammengebunden. Das war schon mal gut. Es handelte sich um einen Automatikschirm. Bernhard kam eine Idee. Vielleicht könnte er den Hund verwirren, wenn der Schirm aufspringt und so von ihm selbst ablenken. Der Hund würde sein Angriff auf die Mitte des Schirms konzentrieren, dort wenig Halt finden und seine Attacke verwirrt aufgeben. Soweit die Theorie.
Bernhard musste sich ein wenig nach vorne beugen um den Schirm zu erreichen. Er stütze sich mit seiner linken Hand am Boden ab und packte den Schirm am welligen Griff. Sein Daumen ertastete den Druckknopf. Er brachte den Schirm parallel zum Boden und zog ihn zu sich. Alles langsam und bedächtig.
So, als hätte er alle Zeit der Welt. Der Hund war schon ziemlich nahe an ihn herangekommen. Bernhard ließ den Schirm aufspringen und drehte ihn mit einer schnellen Bewegung zu dem anschleichenden Tier hin.
Der Hund stockte kurz und ging sofort in den Angriffmodus. Wie eine gespannte Feder schnellte er auf den Schirm zu. Bernhard hatte richtig vermutet. Anstatt den Rand anzugreifen, wo er etwas zu packen bekäme,
konzentrierte sich seine Attacke auf die Mitte des Regenschirms, was sich als aussichtsloses Unterfangen herausstellte. Er prallte ab wie ein Ball vom Pfosten. Er unternahm mehrere Versuche und blieb dann schnaufend und verwirrt stehen.
" Sammie, was machst du da, komm her " Die Stimme vom jungen Konrad Knappe.
Der Hund gehorchte sofort und trottete den Weg zurück. Zum Glück hatte der Schirm eine schwarze Plane die in der Dunkelheit eine gute Tarnung darstellte. Bernhard blieb hinter dem Regenschirm versteckt und verhielt sich ruhig. Er ging davon aus, dass der Junge nicht nachschauen würde, was der Hund da bei den Mülltonnen Schönes entdeckt hatte. Dunkle Ecken mit Mülltonnen luden nicht gerade dazu ein, näher zu kommen. Als Kind hatte Bernhard immer Angst gehabt in der Dunkelheit den Müll rauszubringen.
Er lugte über den Schirm, konnte aber den Jungen nicht sehen. Das ist nochmal gut gegangen. Bernhard stellte den Schirm zurück, der ihm gute Dienste geleistet hatte. Er wollte noch einen Moment abwarten, bis er ganz sicher sein konnte, dem Hund nicht noch einmal zu begegnen.
Neben den Mülltonnen befand sich eine Kellertreppe. Sollte er einmal probieren ob er die Tür öffnen konnte? Warum eigentlich nicht. Bernhard stieg die nackte Zementtreppe hinab und stand vor einer weißen Holtür, von der die Farbe abblätterte. Wenn er Pech hatte, steckte ein Schlüssel im Schloss. Das war auch tatsächlich der Fall, aber sein Glück bestand darin , daß er den Schlüssel durchdrücken konnte, der klimpernd auf den Boden hinter der Tür fiel.
 Zum zweiten Male übte er sich mit dem Dietrich. Die Tür ging ohne Probleme auf. Einen Moment überlegte er, ob ein Hineingehen in das Haus wirklich eine gute Idee wäre. Im Geiste sah er sich den Baum hochklettern und anschließend den Baum herunterpurzeln. Das Bild reichte ihm völlig als Argument aus, den Plan kurzfristig zu ändern. Er könnte auch von hier unten aus lauschen. Zufrieden mit dieser Vorstellung ging er den dunklen Keller hinein ...

Der VW-Bus

 

An dem VW-Bus war nichts Auffälliges. Er war eigelb lackiert und besaß ockerfarbene Gardinen an den Seitenfenstern. Im Innenraum gab es eine kleine Sitzgruppe mit Tisch und sogar einem Kühlschrank.

Ein Mann saß dort an dem Tisch und hantierte an etwas das wie ein Fernglas aussah. Auf dem Tisch stand eine geöffnete Bierflasche der Marke Skol. Der Mann nahm einen kräftigen Schluck und schaute durch das Fernglas. Er fixierte den Kühlschrank an. Übergroß war der silberne Griff in seinem Sichtfeld. Er nahm eine Einstellung an der Seite des Fernglases vor und die Sicht veränderte sich. Nun konnte er in den Kühlschrank hineinsehen.

„Wir haben noch drei Flaschen Bier“, sagte er gelangweilt und setzte das Fernglas wieder ab.

„ Die Waffe ist gleich aufgeladen“, sagte der Mann der ihm gegenüber saß. Auch er nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche.

 „Du oder ich?“ Der Mann schaute auf die Waffe die vor ihm auf dem Tisch lag. Eine Anzeige kündete ihm 85 Prozent an.

 „Donnie, das Vorrecht gehört dir ganz alleine, hast du nicht noch eine Rechnung offen mit der Tussie?“ Donnie machte ein überraschtes Gesicht.

 „ Was meinst du damit, was für eine offene Rechnung?“

 „ Der Konstanz Fall?“

 „ Was weißt du darüber?

 „ Du hast dich nicht an die Vorschriften gehalten und sie hat dich verpfiffen“

 „ Karl, du hast Recht, sie ist eine verdammte Tussie und ich freue mich, wenn du mich die Sache erledigen lässt“ Auf den Konstanz Fall wollte er nicht weiter eingehen.

 Karl wollte gerne auf eine andere Sache zu sprechen kommen und er tastete sich vor

„ Donnie, was würdest du davon halten, wenn wir in diesem Fall die Lorbeeren einstreichen würden?

 „ Wie meinst du das?“

 „ Unsere vorgesetzten Agenten sind eindeutig gescheitert und nicht mehr verfügbar. In Kürze schicken wir die Tussie zurück. Das bedeutet wir sind am Ball. Verstehst du Donnie, unsere Chance die Sache zu Ende zu bringen.“

 Donnie, immer bereit krumme Wege zu gehen, worauf Karl auch setzte, reagierte interessiert.

 „ Was schwebt dir da vor?“ fragte Donnie

 „ Wir könnten unser Kommunikationsgerät manipulieren, so dass der Kontakt zur Basis abbricht. Wir entschließen uns, mangels vorliegender Instruktionen, die Verfolgung der Wissenschaftler bis zur Höhle aufzunehmen und den Auftrag zu beenden.“ Karl beobachtete Donnies Reaktion

 „ Und wie sieht dein Plan aus?“ Donnie schien angebissen zu haben.

 „ Du hast selber gerade gelesen, dass der Bulle den Beiden zwei Beamte von der Drogenfahndung aus Sao Gabriel zur Seite stellen möchte“ Eine Abhöreinrichtung war von den beiden Agenten eingerichtet worden und der Gesprächsverlauf, zwischen Lukas Tavares und den eingetroffenem Konrad Knappe und Olivia Hochschild, wurde von einem Programm auf ihren Laptop aufgezeichnet und gleichzeitig schriftlich dargestellt. Das hatte den Vorteil gegenüber einem reinen Abhören, die Informationen im Überblick vor sich zu haben.

 „ Wir spüren diese Bullen auf, schalten sie aus und nehmen ihren Platz ein. Dann begleiten wir die Beiden an ihrer Seite in den Dschungel und sie führen uns praktisch direkt zur Höhle.“

 Donnie begann zu grinsen. „ Hey man, du bist genial“

 Ein Piepen aus der Waffe unterbrach ihn. Sie war jetzt 100 % aufgeladen und einsatzbereit...

 

Allein auf dem Balkon

Es tat sich nichts auf dem Grundstück gegenüber. So oft Elisabeth auch das Nachtsichtgerät an ihre Augen führte, so war das Ergebnis stets das Gleiche. Keinerlei Aktivität und nichts zu sehen von Bernhard Schaum.

Es war etwa 20 Minuten her, als er im Schatten des Hauses verschwand. Das Warten kam ihr ewig vor.

Unerträglich war das Nichtstun.

 Und ihr war kalt. Einfach eine bescheuerte Idee von Herrn Schaum sich in Nachthemd und Pyjama zum Alibi zurecht zu machen. Obwohl sie einen Wintermantel darüber trug, kroch die Kälte an ihren Beinen hoch. Als er es vorschlug, ist sie sogleich darauf eingegangen. Da sah ihr gar nicht ähnlich.

Sie war eher der Typ, der seinen Kopf durchsetzt. " Herr Schaum ", hätte sie normalerweise gesagt " Kommt gar nicht in die Tüte. Ich laufe dich nicht wie ein Altmütterchen herum, fehlen ja nur noch die Lockenwickler.Nein nein, das lassen Sie mal meine Sorge sein, sollte die Polizei wirklich an meiner Tür klopfen und es Ihnen tatsächlich merkwürdig vorkommen, dass eine angezogene Frau öffnet und nicht eine mit Nachthemd, werde ich schon nicht um eine Antwort verlegen sein."

Das war eine Schnapsidee gewesen. Viel besser wäre es gewesen, wenn sie angezogen geblieben wäre und als Alibi dafür, würde ein brennendes Licht im Wohnzimmer völlig ausreichen. Niemand wäre auf den Gedanken gekommen, das für verdächtig zu halten. Sie wäre einfach noch auf gewesen, hätte nicht schlafen können und las noch gemütlich im Wohnzimmer ein Buch. Warum war sie nicht gleich auf die Idee gekommen.

So täuschte sie jetzt ein Schlafen vor. So ein Blödsinn. So könnte sie bei irgendeiner auftretenen Eventualität gar nicht schnell reagieren. Aber das wollte wahrscheinlich der liebe Herr Schaum. Sie komplett aus der Schusslinie heraushalten. Das war lieb von ihm gemeint, aber sie vermutete,dass er dieses Einzelgängerdenken einfach zu sehr verinnerlicht hatte. Bleibt noch die Frage, warum sie dem nicht vehement entgegengetreten war. Wollte sie ihm gefallen? Gefiel ihr der Gedanke, von einem Mann beschützt zu werden. Nun, das gefiel mit Sicherheit jeder Frau und wenn romantische Gründe mit im Spiel sind, sogar noch erheblich mehr. War das etwa der Fall? Wollte sie unterbewusst romantische Gefühle zulassen. Ohne Frage war Herr Schaum eine attraktive Erscheinung und das trotz seines Bauches. Er hatte eine männliches markantes Gesicht mit verdeckten weichen Zügen, die auf ein sanftes empfindliches Wesen in seinem Inneren deuteten.Er war ein interessanter Mann der ihre Neugier geweckt hat. Sie musste zugeben, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Und das sie so schnell sanft wie ein Kätzchen wurde, jagte ihr ein wenig Angst ein. Immerhin kannte sie ihn ja erst seit heute Nachmittag.

Sie seufzte innerlich bei diesen Gedankengängen und beschloss diese Gefühlsfäden die sie umgarnten zu durchtrennen. Genug der Friererei. Sie legte das Nachtsichtgerät aus der Hand und hüpfte vom Balkon.

Zurück in ihrem Zimmer, entledigte sie sich des Nachthemdes, zog warme Untersachen an und schlüpfte in einen kuscheligen Jogginganzug und zog ihre Sportschuhe an. Anschließend holte sie ihre Trekkingjacke aus dem Schrank und ging mit ihr und den warmen Hausschuhen die sie vorher an hatte nach unten. Im Flur hing sie die Trekkingjacke an die Garderobe, von wo aus sie schnell geschnappt werden konnte, sollte es notwendig werden das Haus zu verlassen und stellte die Hausschlappen darunter auf den Boden. Dann ging sie noch ins Wohnzimmer und schaltete die Stehlampe hinter ihrem Lesesessel ein. Sie war schon wieder auf dem Weg zurück, als ihr einfiel etwas für ein Alibi zu tun. Sie bog um zum Bücherschrank und zog das Buch heraus, was sie zuletzt gelesen hatte. " Es" von Stephen King. Sie klappte es in der Mitte auf, ging zurück zum Lesesessel und platzierte das Buch mitten auf dem Sessel. Sie stellte sich in der Phantasie vor, wie sie gemütlich im Sessel lag und das Buch verschlang, das so spannend war, das sie es gar nicht aus der Hand legen konnte und so die Zeit vergaß. Dann wurde sie vom Türklingeln hochgeschreckt. Sie erhob sich aus dem Sessel und legte das Buch ab. Sie sah sich im Geiste zur Wohnungstür gehen und das Flurlicht anschalten. Mit ängstlicher Stimme ( Immerhin liest sie ja gerade den Horrormeister Stephen King) würde sie in die Sprechanlage hauchen: " Wer ist denn da" ...." Hier ist die Polizei, könnten wir sie bitte einmal sprechen?" Ich weiß gar nicht was Herr Schaum will, ich hab doch mein wunderbares Alibi, dachte sie und lächelte innerlich. Sie schaute noch einmal auf das Arrangement und verließ zufrieden das Wohnzimmer.

Oben wieder angekommen, zog sie sich den Wintermantel wieder an und kehrte zu ihrem Beobachtungsposten auf dem Balkon zurück.

Der Blick durch das Nachtsichtgerät ließ sie mächtig erschrecken. In der Zwischenzeit war etwas passiert.

Ein Auto hatte rechts vom Haus geparkt, der Motor lief noch und die Autolampen warfen einen Tunnel voll Licht in die Straße. Die Lichtflut erlosch mit dem Motor und kurz darauf öffneten sich Türen. Nun, es war kein Polizeiauto, das war klar. Wer sollte sonst so spät in der Nacht hier parken? Zwei Leute stiegen aus. Eine Frau und ein Mann. Beide in Schwarz gekleidet, so als wollten sie nicht gesehen werden.

Sie gingen um das Auto herum. Der Kofferraum wurde geöffnet und der Mann holte etwas Großes heraus und gab es der Frau. Elisabeth konnte es nicht richtig erkennen. Baumäste verzerrten ihr Sichtfeld. Der Mann griff erneut in den Kofferraum und zog etwas von gleicher Größe nochmal heraus. Geräuschlos wurde der Kofferraum wieder geschlossen. Zusammen schritten sie über die Straße und steuerten das Grundstück an, das Elisabeth so ausdauernd beobachtete. Ihr Herz wanderte zu ihrem Hals und hatte beschlossen dort heftig weiterzuschlagen. Jetzt, mit freier Sicht konnte sie genau erkennen, was sie in  ihren Händen hielten. Es sah aus wie mächtige Waffen. Die Szene erinnerte sie an die Men in Black die ihre extraterrestischen Ballermänner aus dem Kofferraum geholt hatten um sich der außerirdischen Kakerlake zum Endkampf gegenüberzustellen.

Du meine Güte. Was sollte sie jetzt tun? Womit sie nicht im Entferntesten gerechnet hatte, war Realität geworden. Zwar war nicht die Polizei erschienen, dafür aber noch schlimmer, die Men in Black, die mit bestimmt nicht den allerbesten Absichten gerade in diesem Moment das Tor öffneten und sich anschickten, wie vor einer halben Stunde zuvor Herr Schaum, das Grundstück zu betreten.

Sie konnte mit Schrecken beobachten, wie sich beide aufteilten. Der Mann ging den Weg, den zuvor Bernhard Schaum gegangen war und die Frau wandte sich der anderen Seite zu.

Elisabeth riss sich vom Nachtsichtgerät los und bemerkte wie sie keuchte vor Aufregung und Entsetzen.

Einen Moment dachte sie die Polizei zu Hilfe zu rufen, verwarf aber den Gedanken sofort wieder. Das würde auch Bernhard Schaum in große Erklärungsnot bringen. Sie konnte aber auch nicht still abwarten, was weiter passieren würde. Sie müsste Bernhard Schaum sofort warnen. Das Schlupfloch zum Hinterhof fiel ihr ein und dann rannte sie los...

Geheimnisse

Olivia und Konrad schritten mit dem brasilianischen Polizisten, der sie begleitet hatte, auf das überwiegend dunkle Polizeigebäude zu. Überall waren die Lichter erloschen, nur im ersten Stock brannte in einigen Zimmern noch Licht.
 Lukas Tavares kam ihnen entgegen. Er lächelte unsicher und breitete seine Arme aus. Olivia und Lukas umarmten sich und verteilten Küsschen auf die Wangen.
" Olivia, ich kann kaum glauben, dass wir uns unter diesen Umständen wiedersehen." Er begrüßte daraufhin Konrad Knappe, der versuchte souverän dreinzuschauen.
" Komm, lass uns erst einmal hineingehen ". Lukas ging mit Olivia an der Seite zurück ins Gebäude und Konrad war mit Berto knapp hinter ihnen. Sie tauschten Höflichkeiten untereinander aus und erkundigten sich gegenseitig nach der Familie. Lukas musste ihr gegenüber zugeben, lange nichts mehr von ihrem Vater und seiner Schwester gehört zu haben. Es schien ihm peinlich zu sein.
Sie gingen die Treppe hinauf in den ersten Stock und Lukas hielt der Gruppe die Tür auf, die in einen langen Gang führte mit vielen Büros auf beiden Seiten. Sie erreichten einen Besprechungsraum mit einem großen Tisch und reichlich Stühlen, die sehr bequem aussahen. Lukas bat Platz zu nehmen und stellte eine hereinkommende Polizistin als Anita vor.
 Auf dem Tisch standen Getränke und Gläser, auch Kaffee stand in einer Thermoskanne bereit. Olivia und Konrad machten gerne davon Gebrauch und Konrad übernahm das Wasser einschenken. Olivia dankte ihm mit einem Lächeln. Sie hatten sich vorher überlegt, was sie Lukas Tavares an Informationen preisgeben wollten und dann entschieden ihm zu vertrauen und alles was sie wussten offenzulegen. Konrad war zuerst skeptisch, aber Olivia überzeugte ihn. Nur das Konrad eine Stimme in seinem Kopf gehört hatte, wollten sie aussparen.  Sie saßen vermischt am Tisch zusammen und das nahm der Situation das Verhörelemen.
" Olivia, was um aller Welt wird hier gespielt?", begann Lukas um das Gespräch auf die zurückliegenden Ereignisse zu lenken.
" Tja, verrücke Geschichte, wo sollen wir anfangen?
" Vielleicht da, wo sie anfing verrückt zu werden?, schlug Berto vor.
" Ok, alles war eigentlich ziemlich normal. Herr Knappe hat mich wie verabredet vom Flughafen abgeholt, ich war ziemlich erschlagen und habe mich nachmittags hingelegt. Abends wollten wir eine Kleinigkeit essen."
" Du hast also nachmittags geschlafen und was haben sie gemacht Herr Knappe? ", unterbrach sie Lukas und schaute dann Konrad Knappe fragend an.
" Ähm, ich bin in ein Internet Cafe gegangen und habe einige Mails verschickt und ein paar Nachforschungen angestellt und nebenbei nach einem Fischrestaurant geschaut, in das wir abends gehen konnten. Ich habe dann online einen Tisch reservieren lassen und bin anschliessend zurück zur Pousada gegangen ". Berto und Anita machten sich Notizen, während Lukas nickte und sich wieder Olivia zu wandte.
" Ihr seid dann zum Restaurant gefahren, mit einem Taxi nehme ich mal an?"
" Ja genau, und  jetzt fängt die Geschichte eigentlich an, willst du das erzählen, Konrad ? Olivia forderte Konrad mit den Augen auf diesen Part der Story weiter zu erzählen.
" Ja, mir fiel ein Pärchen auf das um die Ecke bog und sich merkwürdig verhielt" er machte eine Pause und wartete auf die Gegenfrage von dem Inspektor, der ihm den Gefallen tat.
" Wieso merkwürdig? "
" Nun, als sie uns sahen, stockten beide in ihrer Bewegung und der Mann tat dann so, als hätte er etwas im Auto vergessen und machte kehrt. Das kam mir verdächtig vor."Auch jetzt machte er wieder eine Pause.
" Wieso kam es ihnen verdächtig vor? Konnte es nicht sein, dass er tatsächlich etwas vergessen hatte?, fragte die weibliche Polizistin.
" Ja, natürlich schon, aber es kam mir verdächtig vor, weil beide gleichzeitig in der Bewegung erstarrten. Wenn der Mann etwas vergessen hatte, sähe das in der Bewegung anders aus." Konrad wusste es nicht anders auszudrücken und schaute in den Gesichtern nach einer Reaktion, ob er verstanden wurde. Das schien der Fall zu sein.
" Gut beobachtet " sagte Anita anerkennend, Berto schrieb was und Lukas fuhr fort.
" Ist dir das auch aufgefallen, Olivia ?
" Nein, ich war gerade in einem Gespräch mit einem Straßenmädchen, was auf der Treppe zum Eingang saß und habe das nicht mitbekommen " Sie fuhr sich mit der Hand durch das Haar.
" Was geschah dann im Restaurant?" Olivia erzählte weiter
" Wir wurden zu unserem bestellten Tisch geführt und das Pärchen von dem Konrad erzählte setzte sich an einem Nachbartisch. Das machte Konrad dann noch misstrauischer" Konrad nickte dazu.
" Ich erzählte Olivia von meinem Verdacht und dann machte Olivia etwas ziemlich Verrücktes und sprach die Beiden einfach frei heraus an". Lukas lachte daraufhin
" Ja Olivia, so kenne ich dich,immer direkt los auf den Feind, und was ist dann passiert?"
" Sie kamen zu uns an den Tisch "
" Einfach so ?" fragte Anita verwundert
" Ja, der Auslöser war wohl ein Notizbuch,das Konrad bei sich hatte. Er vermutete dass sie vielleicht wegen dem Buch und der Geschichte die dahinter stand, hinter uns her waren.Ich hielt das Notizbuch hoch und fragte sie ob sie sich nicht darüber mit uns unterhalten wollten. Sie verstanden sofort und kamen an unserem Tisch."
" Wie sah das Notizbuch aus?" fragte Lukas
" Dunkelbraun, geriffelter Umschlag, wieso fragen sie?" fragte Konrad verwirrt
" War es das hier?" Lukas Tavares holte ein Notizbuch aus einem Karton hervor der hinter ihm auf einer Anrichte stand.
" Ja, das ist es...wie sind sie daran gekommen?, spielte Konrad seine Überraschung vor, denn er wusste ja bereits von der Stimme aus einem Kopf, dass das Pärchen gefasst wurde. Ihm wurde aber klar, dass er schwer erklären konnte, woher er wusste das sie geschnappt worden waren.  Dann fiel ihm brennend ein, dass er bereits Berto auf der Fahrt zum Polizeirevier nach dem Notizbuch gefragt hatte. Hoffentlich kam ihm das jetzt nicht verdächtig vor und fragte nach.
Lukas Tavares beobachtete Konrads und Olivias Reaktion genau.
"Wir haben das Pärchen geschnappt. Sie sind hier bei uns in Gewahrsam." Kaum war ihm der Satz entwichen, dachte er an das rätselhafte Verschwinden des Arabers.
Olivia und Konrad versuchten ein überraschtes Gesicht zu machen. Olivia nahm er die Überraschung ab, bei Konrad Knappe hatte er seine Zweifel. Da stimmt was nicht. Er ließ sich nichts anmerken.
" Schauen sie sich bitte mal das Notizbuch an. Ist es unverändert ? Der Inspektor reichte Konrad das Büchlein. Konrad blätterte das Buch langsam durch.
" Scheint unverändert zu sein " Er legte das Buch zurück auf den Tisch.
" Eine Seite fehlt in dem Notizbuch. Eine Seite ist herausgerissen " warf Lukas in den Raum und schaute genau nach den Reaktionen in den Gesichtern von Konrad und Olivia.
" Ja, das hat aber nichts zu bedeuten. Eine Seite hatte ich mal herausgerissen, als ich was zum Schreiben brauchte ", sagte er so beiläufig wie möglich. Im Gesicht von Konrad Knappe war keine verdächtige Regung zu erkennen, aber in Olivias Augen bemerkte er ein zweimaliges Zwinkern, so als würde sie in Gedanken überrascht innehalten. So als würde der logische Gedankengang unterbrochen und eine nicht verständliche Lücke tat sich auf und man suchte nach der Brücke um diese Kluft zu überwinden.
" Olivia, hasttest du dir das Notizbuch auch angeschaut?"
Ja, Konrad hatte es mir am Tisch gezeigt und ich habe es durchgeblättert. Lukas bemerkte dass während sie sprach, ihre Verstand wild im Hintergrund arbeitete. Da war etwas worüber sie grübelte.
" Schaust du dir bitte auch einmal das Notizbuch genau an, ob dir etwas auffällt?
Sie folgte seiner Aufforderung  und blätterte nachdenklich in dem Buch herum.
" Hm, mir fällt nichts besonderes auf." Lukas hatte aber sehr wohl bemerkt, dass sie in Wirklichkeit nach der Stelle suchte, wo die Seite herausgerissen war. Sie wollte es sich nicht anmerken lassen und blätterte mal hier hin und dann wieder zurück, aber ihr Suchen galt dieser verschwundenen Seite. Lukas war sich sicher. Konrad Knappe verbarg etwas. Etwas von der Olivia auch nichts wusste, aber sie deckte ihn. Warum war das so? Irgend etwas verheimlichten Beide, aber irgend etwas verbarg Konrad Knappe zusätzlich vor Olivia.
Die Geschichte wurde immer interessanter....

Im Keller

Vor Bernhard lag die Schwärze des Kellers. Seine Taschenlampe erwachte zum Leben und spendete Licht um die Dunkelheit zu verscheuchen. Er stand in einem Kellergang, den man mit Rigibsplatten ausgekleidet hatte. Bei den ersten Schritten knarrte der Boden unter ihm. Der Lichtstrahl zeigte einen Linoleumbelag. Wahrscheinlich war der Boden darunter mit Sperrholzplatten ausgelegt. Hier hatte jemand den Keller begonnen auszubauen, aber die Arbeiten noch nicht abgeschlossen.
 Seine Nase nahm einen leichten Ölgeruch wahr und er vermutete das hier unten eine Ölheizung ihren Dienst tat.
Seine Mutmaßung wurde bald bestätigt. Die erste Tür die er öffnete, führte zum Heizungsraum mit der Ölheizung und dem dazugehörigen Tank. Der nächste Raum beinhaltete eine Waschmaschine, einen Trockner und Regale, die aber nicht bestückt waren. Ein aufgestelltes Bügelbrett mit Bügeleisen stand mitten im Raum.
Es gab noch einen weiteren Abstellraum und eine kleine Werkstatt mit Werkbank,Werkzeugschränkchen und Regalen. Im hinteren Teil des Kellers sah man eine weitere Tür auf die Bernhard nun zusteuerte. Dahinter verbarg sich eine angenehme Überraschung. Es war eine Art Kellerbar im Jägermeisterstil. Die Wände verkleidet mit groben Holzpanelen, eine Bar aus Holz, Hirschgeweihe und Bilder mit Jagdszenen als Dekoration. Die Barhocker standen in der Ecke und eine Sitzgruppe mit Tisch war mit weißen Laken abgedeckt. Bernhard fand den Lichtschalter und die Lampe an der Decke war nur zu einem schummrigen Licht bereit. Das machte nichts, es war die perfekte Operationsbasis. Er zog die Laken von der Couchgarnitur und Staub wirbelte erschrocken in die leicht muffige Luft. Er ließ sich in einen Sessel plumpsen und stellte seinen Rucksack neben sich ab. Soweit so gut. Besser als dieses Baumhaus hoch zu kraxeln, dachte er zufrieden. Dann ermahnte seine innere Stimme ihn, in die Puschen zu kommen. Es war keine Zeit zu verlieren. Die Klonbrüder könnten jederzeit Feierabend machen und die Nachtruhe einläuten.
 Seine Uhr zeigt eine halbe Stunde nach Mitternacht.
 Die Abhöreinrichtung war schnell montiert und einsatzbereit. Schon bald saßen die Kopfhörer bequem und weich auf seine Ohren. Er lehnte sich zurück und richtete das empfindliche Mikrophon auf die Decke über ihn. Den Lautstärkeregler hatte er auf Minimum gedreht, um seine Ohren vor einer unangenehmen schmerzlichen Überraschung zu schützen. Dann regelte er behutsam nach oben. Seine dicken Wurstfinger bedeckten dabei völlig den Regler und bewegten ihn mit soviel Fingerspitzengefühl wie möglich langsam und geduldig vorwärts. Das erste was er vernahm, waren leichte Kopplungsgeräusche, dass sich wie ein Pfeifen anhörte. Mit einem zweiten Regler konnte man dieses Nebengeräusch herunterfahren. Jetzt hörte Bernhard nur noch ein leises Rauschen. Er bewegte das Mikrofon bis er eine Geräuschquelle aufspürte. Es hörte sich wie ein Klappern an. Bernhard stellte ein wenig lauter. Das waren Schritte. Mehrere Personen bewegten sich. Die Schritte entfernten sich aber nicht, sondern wurden mal lauter und leiser.Es schien als liefen sie in einem Zimmer hin und her. Andere Nebengeräusche mischten sich parallel dazu. Ein Klopfen, Kratzen und ein Geräusch was sich anhörte als stellte jemand etwas auf dem Boden ab.
Er suchte weiter bis er Stimmen hörte. Er stoppte und hielt die Position. Ganz eindeutig unterhielten sich zwei Personen. Sein Daumen tippte den Regler weiter nach vorne. Jetzt waren die Worte klar zu verstehen.
"....große Sorgen " beendete jemand gerade einen Satz.
"Zur Not müssen wir halt die Sache ohne ihn zu Ende bringen," sagte die andere Stimme und sie klang ziemlich ähnlich.
" Noch wissen wir einfach zu wenig, vielleicht geht es ihm schon bald besser"
" Ich bitte dich, er ist auf der Intensivstation, meinst du sie lassen ihn so schnell wieder raus?" Eine Spur Verbitterung lag in der Stimme.
" Ich weiß nicht, wir müssen morgen zu ihm und uns genau über seinen Zustand informieren und..." er stockte mitten im Satz
" Was war das?" Angst lag in der Stimme.
" Was zum Teufel..." entfuhr es dem Andern, nicht weniger erregt.
Dann brach das Chaos aus. Es wurde wild durcheinander geschrien. Polternde Geräusche, Menschen rannten in Panik, keuchend und angsterfüllt im Haus umher. Bernhard ließ das Mikrofon kreisen, in der Hoffnung so am meisten von dem Geschehen über ihm mitzubekommen. An einer Stelle hörte er etwas, das sich wie ein Zusammenknüllen von einer Papiertüte anhörte, begleitet von einem markerschütterten Schrei.
Der Hund bellte sich die Seele aus dem Leib.
" Was ist hier los? ", schrie der junge Konrad Knappe panikerfüllt.
"  Versteck dich im Keller, hörst du, auf schnell..." sagte ein weiterer Konrad Knappe und danach war wieder dieses Papierrascheln zu hören.
Jemand polterte die Kellertreppe hinunter. Bernhard riss sich die Kopfhörer herunter....

Der Vorschlag

Olivia klappte das Notizbuch zu und gab es Lukas zurück.
" Scheint alles normal zu sein, denke ich " Sie schaute Lukas mit großen Augen an.
" Herr Knappe, was sind das für Zeichnungen in ihrem Buch ? " Lukas hatte das Notizbuch noch in der Hand und tippte mit zwei Fingern darauf herum.
" Es sind Symbole aus der Höhle die wir entdeckt haben. Die ganze Höhle ist voll davon und besonders merkwürdige hatte ich in mein Notizbuch übertragen. Ich wollte im Internet über sie nachforschen. Das hatte ich dann auch heute Nachmittag getan, aber nichts besonders gefunden." Konrad blieb bei seiner Häppchenmethode. Nicht soviel auf einmal rausplappern.
" Sie sind also hinter der Höhle her?. Geht es hier nur um diese Symbole an der Wand? Oder war noch etwas in der Höhle von Interesse? Wertvolle Gegenstände, die ein Vermögen wert sind z.B? Etwas was ihr robustes Vorgehen rechtfertigen könnte?" Die Frage zielte auf eine sensible Information und Konrad konzentrierte sich auf eine unverfängliche Antwort.
" Nun die Höhle enthält keine Schätze, wenn sie das meinen. Für uns sind die Symbole der Jackpot."
Könnten die Symbole so eine Art Schatzkarte sein, etwas was noch gefunden werden muss, etwas wohinter sie her sein könnten? " Die Frage hatte Olivia erwartet. Es war typisch. Nichtwisssenschaftler fehlte das Verständnis, warum ein paar Zeichnungen an schmutzigen Höhlenwänden als Hauptgewinn angesehen wurde.
" Lukas, es könnte sich hier um ein rein wissenschaftliches Wettrennen handeln." sagte Olivia
" Kein Schatz, kein Gold, nichts Materielles in dem Sinne. Vielleicht wollen sie uns einfach nur die Höhle abjagen."
" Und dafür sind sie bereit über Leichen zu gehen ?" , warf Anita ein.
" Vermutlich schon, es gibt immer wieder solche Fälle. Wissenschaftler wollen den Ruhm für sich allein einheimsen und schalten ihre Konkurrenten aus. Mit den verschiedensten Mitteln."
" Warum seid ihr nicht im Restaurant mit den anderen aufgewacht ? Diese Frage kam von Berto.
" Sie müssen uns an der Pousada abgesetzt haben.Wir haben aber dafür keine Erklärung " Berto blätterte in seinen Notizen hin und her.
" Haben Sie eine Idee wer uns den anonymen Tipp über den Aufenthalt der Täter am Telefon gegeben hat ? "
Olivia und Konrad stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Das sah Lukas ihnen deutlich an. Sie wussten nichts von dem Anruf.
" Wir haben einen Anruf erhalten der uns zu dem Pärchen führte. So konnten wir sie schnappen. " erklärte Lukas.
" Herr Tavares, können wir eigentlich morgen, oder heute muss ich ja jetzt schon sagen,  wie geplant weiterreisen, oder werden wir noch hier gebraucht? , fragte Konrad direkt heraus.
" Nun, dem steht soweit es von uns aus geht nichts im Wege. Wir haben die Verdächtigen geschnappt. Um aber ehrlich zu sein Olivia, bin ich sehr um eure Sicherheit besorgt. Es könnten noch Hintermänner vorhanden sein, was sogar sehr wahrscheinlich ist.  Die Gefahr ist nicht aus der Welt, auch wenn wir die Beiden in Gewahrsam haben." Lukas behielt die Information über den verschwundenen Araber noch zurück.
Lukas, wir müssen auf jeden Fall zu meinen Vater reisen. Er ist noch mit den Anderen vor Ort und so auch der Gefahr eines Angriffs ausgesetzt. Ich muss zu meinem Vater, Lukas. Ich bin außer mich vor Sorge."
Das konnte man ohne weiteres in ihrem Gesicht ablesen. Lukas verschränkte die Arme und dachte nach.
" Wenn ihr wie geplant mit dem Flugzeug weiterreist, besteht die Gefahr dass ihr verfolgt werdet." Er machte eine Pause und presste die Lippen zusammen.
" Heute früh fliegt ein Helikopter mit Beweisunterlagen nach Sao Gabriel. Ihr könnt mitfliegen. Ich werde euch ein Team von zwei Polizisten als Bodygard zur Verfügung stellen.. Sie sind von unserer Außenstelle in Sao Gabriel und mir unterstellt. Sie werden in Sao Gabriel zu euch stoßen und euch zur Höhle begleiten. Sie haben ein Funkgerät bei sich und so können wir in Verbindung bleiben und das weitere Vorgehen abklären.
In der Zwischenzeit werden wir über die Hintermänner Ermittlungen anstellen und versuchen sie ausfindig zu machen. Was hältst du davon, Olivia ? " Lukas sah sie an, als hätte er ihr gerade ein wertvolles Geschenk überreicht.
" Lukas , das wäre fantastisch, ich bin dir so dankbar. Was sagst du Konrad ?" Sie  schaute zu ihm herüber und ihre Augen strahlten voll Zuversicht.
" Das klingt fantastisch. Ich müsste nur vorher im Institut über die Änderungen Bescheid geben, so dass die Indianer informiert werden ohne uns mit den Vorräten zurück zu fahren." Ganz so fröhlich wie Oivia sah er nicht aus.
" Das kriegen wir alles auf die Reihe. Ich würde vorschlagen, ihr haut euch noch ein wenig aufs Ohr. Wir haben zwei Betten für euch und euer Gepäck lassen wir aus der Pousada abholen. Alles weitere besprechen wir heute morgen. " Lukas sah auf die Uhr an der Wand gegenüber und sie schien ihm Recht zu geben. Zeit den Feierabend einzuläuten. Die Gruppe machte sich auf den Weg zu den Zimmern mit den Betten. Konrad und Olivia erhielten je ein Zimmer, indem neben einem Schreibtisch und Aktenschränken, auch eine Liege an der Wand wartete. Ein Kopfkissen und Decken waren schon zurecht gelegt. Olivia fragte noch nach einem kleinem Imbiss und Berto versprach sich darum zu kümmern. Man wünsche sich ein gute Nacht und Lukas war froh diesen Tag beenden zu können. Er würde sich auch noch  in seinem Büro ein wenig Schlaf gönnen. Viel würde es nicht werden, soviel war ihm klar. Müde und erschöpft schlürfte er den Gang entlang zu seinem Büro. Er wollte gerade die Tür aufstoßen, als sein Handy klingelte. Er schaute auf das Display das ihm Anita als Anrufer zeigte.
" Anita, was gibts noch? "
" Lukas, komm schnell ins Verhörzimmer...schnell "

Lady in Black

 Bernhard reagierte zunächst planlos. Er sprang auf und langte nach der Taschenlampe. Er ging rasch zur Tür und öffnete sie. Sein Blick lukte in den dunklen Kellergang. Erwartungsgemäß konnte er nichts erkennen und so lauschte er nach weiteren Geräuschen. Nichts zu hören. Der Junge musste sich hier unten versteckt haben. Vielleicht in einen der Räume? Zeit die Taschenlampe in Betrieb zu nehmen. Er scheuchte den kräftigen Lichtstrahl durch den Kellergang und war überrascht was der Lichtkegel einfing. Der Junge hockte zusammengekrümmelt unter der Treppe auf dem Boden und schaute mit offenem Mund  wie ein aufgeschrecktes Reh in seine Richtung. Blitzartig war er auf den Füssen und wollte das Weite suchen. " Halt, hab keine Angst, ich will dir helfen " rief Bernhard und er wusste zugleich, das war kein überzeugendes Argument. Der Junge trieb die schiere Angst und sah wahrscheinlich jeden als potenziellen Feind an. Seine Familie war überfallen worden und Bernhard war einer der Angreifer für ihn. Und schon war der Junge am rennen, so gut er es eben mit seiner Behinderung konnte. Er wollte zum Kellereingang zu dem Bernhard hereingekommen war. Bernhard sputete hinterher. Der kleine Kerl war verflixt schnell. Er würde ihn sowieso nicht einholen. Verdammt. Bernhard dachte an seinen Rucksack und das Richtmikrophon. Er durfte sie nicht zurücklassen. Es würde es nicht lange dauern bis die Polizei wegen dem Lärm auftaucht. So besann er sich und kehrte zurück. Das Richtmikrophon war schnell verstaut und mit dem Rucksack geschultert, wollte er sich so schnell wie möglich aus dem Staub machen. Er dachte an das Loch in der Hecke zum Grundstück von Elisabeths Freundin. Der Weg zurück war wohl nicht möglich. Wahrscheinlich waren schon besorgte Leute auf der Straße oder an ihren Fenstern. Also Plan B. Er müsste sich auf dem Nachbarsgrundstück verstecken und auf Elisabeths Hilfe warten. Das könnte bis morgen dauern, dachte Bernhard. Die Polizei würde alles absperren, rumschnüffeln und viele Fragen stellen. Jetzt durfte er nur nicht erwischt werden. Und nicht gesehen werden, ermahnte er sich selber. Er war nicht aufgeregt sondern besonnenen Schrittes ging er auf den Kellerausgang zu. Er hatte im Laufe seines Phänomenjägerlebens schon viele aufregende Situtionen hinter sich. Er hatte sich auch nie gescheut verbotene Sachen zu tun, wenn er es im Rahmen seiner Ermittlungen für notwendig hielt. So lange er keine Menschen schädigte. So war es ihm wichtig dass Elisabeth Zinger nicht in seine Aktion hineingezogen wurde. Was er heute getan hatte, da würde nur er den Kopf für hinhalten. Sie sollte aus der Schusslinie bleiben. Und nun würde er doch sehr auf ihre Hilfe angewiesen sein. Aber jetzt erst einmal runter von diesem Horrorgrundstück. Er hatte keine Idee was da oben passiert war. Er war nun an der Kellertür und öffnete sie. Kühle Nachtluft kam ihm entgegen, erfrischte ihn und sie tat ihm gut. Polizeisirenen. Sie kommen. Er hatte nur ein paar Minuten. Er nahm die Kellerstufen flink nach oben und wollte gerade um die Ecke biegen als die Zwischentür, die er mit dem Dietrich geöffnet hatte, aufging. Elisabeths Kopf erschien. Ihre Haare hingen wuselig im Gesicht herum. "Elisabeth, meine Güte, was machen Sie hier?" Bernhard konnte nicht begreifen sie hier anzutreffen. " Keine Zeit für Erklärungen, helfen sie mir". Sie stieß die Tür weiter auf und zog eine zusammengesunkene Frau im schwarzem Lederoutfit über die Steine....

Impressum

Texte: Kimi Eriky
Bildmaterialien: Covergestaltung: Feenwinter Bildquelle : http://www.reise-photografie.de/uhren/uhren-09.jpg
Tag der Veröffentlichung: 03.11.2013

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /