Die Nebelbank zog sich immer weiter nach Norden.
Kaum einer konnte seine Hand vor Augen sehen. Wer hinein ging war verloren, soviel stand fest.
Niemand traute sich hinaus, für die Menschen in dem Dorf war der Nebel die
Ankündigung für den Tod. Und niemand wollte diesen in seinem Haus haben.
Außer die Waisenkinder. Sie spielten draußen im Nebel, weil die Erwachsenen sich nicht nach draußen wagten um sie hinein zu schicken ins Haus.
Es war den Kindern egal, ob der Tod kommen würde, sie hatten ja sowieso nichts zu verlieren. Und bis jetzt hat es niemanden von ihnen soweit gebracht , dass sie sterben mussten.
Die Kinder hatten keine Angst vor dem Tod, munkelte man in dem Dorf, sie wussten wie er aussieht und deshalb wissen sie, wann es an der Zeit ist weg zu laufen. Sie wissen auch, wann die Zeit ist, dass jemand sterben musste.
In dieser Nacht war es wieder soweit.
Die Kinder standen in der alten Schlossruine, schauten zum Vollmond bedeckten Himmel ohne jegliche Sterne und sangen. Sie sangen, als hänge ihr Leben davon ab.
Vielleicht war das auch so, aber das konnte niemand so genau sagen, denn niemand kannte diese Kinder so sehr, dass sie wussten, wie besonders sie waren.
Sie waren die Beschützer des Dorfes vor der Dunkelheit. Deshalb hatten sie keine Angst vor dem Tod, eher gesagt hatte der Tod Angst vor ihnen, weil er ihnen nichts anhaben konnte.
Man hörte nicht viel aus dem Dorf, aber dass was man hörte, war seit Monaten nichts gutes.
Es kommen nur Todesanzeigen aus diesem Dorf, meistens waren es die Älteren, die dem Leben abdankten, aber wirklich normal war es nicht.
Die Kinder waren nicht mehr stark genug um jeden in dem Dorf zu retten, also entschieden sie sich für die Jungen.
Nicht so häufig, nicht so oft verstarben Menschen aus ein und demselben Dorf, die gar nicht mal so viele Einwohner hatte.
Ob die Menschen dort an Zauberei glaubten, sei mal in den Raum gestellt.
Aber sie glaubten an die Dunkelheit, und das war ihr Fehler. Das Dunkle übernahm ihre Herzen und verfärbte ihre Seele.
Der Nebel breitete sich über das Land aus, wie eine leichte Decke. Durchsichtig und doch machte er die Wälder und Felder ein bisschen märchenhafter.
Die Sonne sank unter die Wolken und das ganze Land wurde in ein trübes Licht getaucht.
Weit hinten am Horizont konnte man die Hügelkuppen mit den Wäldern im Nebel verschwinden sehen und das ganze hatte eine Mystische Stimmung. Und diese Stimmung zog eine Studentin und ihren besten Freund an.
Evelin war bekannt für ihre träumerischen Geschichten mit Happy End und Eden schrieb die selben Geschichten, nur das bei Eden das Happy End des öfteren ein wenig zu kurz kam. Aber das war seine Welt, träumerisch, mystisch, dunkel.
Die beiden waren ein Herz und eine Seele. Yin und Yang, Gut und Böse in den Geschichten, die sie schrieben.
Evelin überredete Eden mit auf eine kleine Abenteuer Reise zu kommen.
Nicht weit weg von der Stadt in der sie beide studieren, soll es in den Hügel irgendwo noch ein Dorf geben, was schon längst vergessen war.
Seit ein paar Jahren gab es keine Nachrichten mehr aus diesem Dorf. Weder auf Karten noch im Internet war es verzeichnet.
Niemand wusste etwas von diesem Dorf, die Menschen glaubten es sei schon sehr lange ausgestorben und die die überlebt hätten, wären schon längst nicht mehr da.
Das angebliche Dorf lag in Bulgarien, in der Nähe des schwarzen Meeres.
Nebelschwaden zogen sich über das Land und die Sonne als Evelin und Eden in Richtung Varna fuhren.
Die dichten Wälder und Wiesen waren eine wundervolle Idylle.
Eden starrte nur aus dem Fenster und schrieb. Keiner der beiden redet, aber die Stille war angenehm.
Die Sonne schien durch die Bäume und tauchte den Wald in ein märchenhaftes Licht.
Und Eden sowie auch Evelin deuteten das als ein gutes Zeichen und das sie eine tolle Zeit abgepasst haben durch Bulgarien zu fahren.
,,Sag mal Eden", unterbrach Evelin die Stille und störte Eden bei seiner neusten Geschichte. Er schaute zu ihr und sah sie mit abwarten dem Blick an. ,,Wusstest du, dass wir morgen genau zu einem alten Volksfest in Varna ankommen?"
Edens Blick zu urteilen, wusste er es nicht, also redete Evelin einfach munter weiter.
,,Das Fest heißt Martenizi was immer am 1. März gefeiert wird. Dabei schenkt man einander einen roten und einen weißen Faden, die ineinander eingedreht sind und am Ende hängt meist eine kleine Puppe entweder aus roten Fäden oder weißen Fäden gebunden.
Die Rote ist die männliche Puppe und heißt Pijo und die weiße ist dann natürlich die weibliche Puppe und heißt Penda.
Das ganze Fest in Sinne des Glückes und eines langen Lebens. Und..."
,,Anscheinend hast du dich sehr gut vorbereitet, aber ich glaube, Evelin, wenn wir die Leute in Varna fragen würden, würden sie uns das bestimmt auch erklären.", Eden unterbrach sie mit seiner tiefen und ruhigen Stimme.
Evelin nickte nur ein wenig eingeschnappt, dass sie einfach unterbrochen wurde und hielt, starrköpfig wie sie war, die nächsten Stunden über den Mund.
,,Hör zu Eve. Tut mir leid, aber...” Eden brach mitten im Satz ab und wählte seine nächsten Worte mit Bedacht.
,,Du weißt doch, du redest manchmal echt viel und genauso weißt du, dass das manchmal nervt. Aber es tut mir wirklich verdammt leid. Echt. Okay??” Die erdrückende Stille, die seit mehr als 2 Stunden herrschte, wurde durch Eden gebrochen.
Ja, sie wusste, dass sie anstrengend war, aber sie so zu unterbrechen. Nein! Evelin strafte ihren besten Freund weiterhin mit Schweigen.
Und so gab es Eden auch auf sich zu entschuldigen und schlief irgendwann durch diese erdrückende Stille ein.
,,Eden... auf... da”, das hörte Eden als er langsam, einen Druck auf der Schulter verspürend, aufwachte.
,,Mensch Eden! Jetzt wach auf! WIR. SIND. DA! Verdammtidammt.”, meckerte Evelin herum.
,,Das hast du jetzt nicht wirklich wieder gesagt, oder?”, fragte der Angesprochene und schaute der weilen in das überraschte Gesicht einer sehr schläfrigen Evelin.
,,Hast du überhaupt mal eine Pause gemacht?” Ohne eine Antworten abzuwarten redete er einfach weiter:,, Natürlich, hast du nicht! Du spinnst doch!”
Evelin verzog ihr Gesicht zu einer undurchschaubaren Maske, brachte es aber nicht zustande zu antworten, nicht weil sie sauer war, sondern weil ihre Augen millimeterweise zufielen.
Nein, sie hatte keine Pause gemacht. Eden suchte nach ihrem Hotel und dessen Eingang, schnappte sich die tief schlafende Evelin und trug sie, auf den Armen, durch die Hotellobby. Er redete mit der Rezeptionistin und bat sie jemanden wegen den Koffern zu schicken.
Es war gar nicht Evelins Art sich so zu verhalten. Vermutlich war sie jedoch immer noch sauer auf ihn und hatte ihn deswegen nicht geweckt.
,,Dummes Mädchen.”, flüsterte er, auf den Weg zum Zimmer.
Es war doch klar, dass sie zusammenbrechen würde, wenn sie knapp 12 Stunden durchfährt.
Sacht legte er sie auf das große Bett, obwohl sie zwei Einzelbetten wollten bekamen sie nun doch ein Doppelbett. Das würde Evelin nicht gefallen, wenn sie morgen früh aufwachte.
Aber was sollte er machen? Er würde jedenfalls nicht auf dem Boden schlafen, das könnte sie komplett vergessen.
Er holte die Koffer aus der Lobby und blieb dann für einige Sekunden im Zimmer ruhig stehen um die schlafende Evelin zu beobachten.
So friedlich wie sie da lag, konnte man erkennen, dass sie ihre Geschichten schrieb.
Obwohl er es selbst hasste so angestarrt zu werden, erinnerte sie ihn in diesem Augenblick an seine neue Protagonistin, ein zynisches, elfenhaftes, aufmüpfiges und starrköpfiges Wesen.
Genau wie Evelin. Und genauso abenteuerlustig.
Und so wie er sie gerade beobachtete gab sie ihm so viel Inspiration wie niemand zuvor.
Eden war zwar müde, sehr sogar trotz des Schlafes im Auto, aber er legte sich nicht ins Bett sondern setzte sich an den schmalen Schreibtisch, dämmte die dort stehende Lampe mit einem Tuch von Evelin. Und er schrieb, die ganze Nacht. Erst als die Sonne schwache Strahlen durch die schweren Vorhänge des Zimmers schickte, landete Edens Kopf auf dem Tisch vor ihm und schon schlief er.
Nun war er es, der fast vor Müdigkeit zusammenbrach.
Es war kurz vor 14 Uhr als er wieder aufwachte, Evelin saß mit aufgestützten Ellbogen und verborgenen Gesicht auf dem Bett.
In diesem Moment war nichts von dieser starken Frau zu sehen.
,,Eve? Ist alles okay?”, Evelins Körper wurde durchgeschüttelt. ,,Ach, was frage ich denn überhaupt, natürlich ist nichts okay.” Wieder wurde ihr Körper geschüttelt.
Sie weinte. Und er wusste nicht wieso. Sie sagte nichts. Sie rührte sich nicht einmal, sie saß einfach nur da , mit dem Gesicht in den Händen. Und sie schluchzte.
Eden konnte damit nicht umgehen, er saß auf seinem Stuhl wie angekettet. Er hatte Evelin noch nie weinen sehen, zumindest nicht so. Ein paar Tränen waren nie ein Problem, aber so. Nein, so hatte er sie noch nie erlebt. Evelin war immer die Stärkere von den Beiden, warum sollte sich das plötzlich ändern?
Eden war überfordert, doch Evelin erwartete keinen Trost, kein Mitleid.
Sie warf ihre Haare zurück, strich sich mit dem Handrücken über das Gesicht und lächelte Eden an.
,,Guten Morgen, Dornröschen! Warum hast du nicht im Bett geschlafen?“, betont fröhlich versuchte Evelin ihre Tränen zu überspielen und Eden ging darauf ein, dankbar dafür, dass sie nicht darüber reden wollte.
,,Ich... naja... hab geschrieben. Ich hatte plötzlich eine Idee und ich wollte es aufschreiben und daraus entstand eben dieses Chaos.“, er machte eine einnehmende Handbewegung zum Schreibtisch.
Evelin nickte und machte sich daran ins Bad zu gehen. So blieb Eden allein zurück und machte sich wieder an seine Geschichte.
Evelin saß im Bad, wieder den Tränen nahe, und schaute in den Spiegel.
Sie wollte nicht weinen, nein sie war stark, aber irgendwann geht das nicht mehr. Irgendwann bricht selbst der stärkste Mensch zusammen.
Als sie fertig war sich frisch zu machen, schaute sie noch einmal in den Spiegel und setzte ihr strahlendes Lächeln auf.
Sie trat in den Raum ein und sofort spürte sie die Aura, die von dem schreibenden Eden ausging. Diese ruhige und zugleich dunkle Aura, die sie einhüllte wie eine warme Decke.
So leise wie möglich, um ihren besten Freund nicht zu stören, schlich sie sich hinter ihm um zu sehen, was ihn so in den Bann zog.
Das, was sie las, war genau das, was Eden ausmachte. Selbst die ersten Worte schafften eine dunkle, geheimnisvolle und friedliche Stimmung, fast so als würde er sein eigenes Leben wiedergeben.
Sie beneidete ihn insgeheim für seine Gabe, alles so zu erschaffen können, was er will.
,,Hast du genug gelesen? Können wir gehen?“, fragte, der nun aus seiner Trance erwachte, Eden ein wenig gereizt.
Sie wusste, dass er es hasste, wenn man etwas las, was er selbst noch kaum realisiert hatte.
,,Ja.“, antwortete sie gleichermaßen auf beide Fragen.
,,Gut!“, er war sauer. Sie hatte nicht das Recht dazu es zu lesen, es war sein Geheimnis nicht ihres.
Aber er wollte nicht auf sie sauer sein, immerhin waren die beiden sowas wie Seelenverwandte. Sie waren Yin und Yan. Gut und Böse, der eine kann nicht ohne den anderen Leben. Anders funktionierte es nicht.
,,Na los. Komm schon. Der Tag ist noch jung und wir können noch einiges herausfinden.“, kam es von dem jungen Mann, der die Stimmung wieder ein wenig auflockern wolte.
Draußen, vor dem Motel, auf der Straße herrschte ein Chaos, doch es sah irgendwie organisiert aus. Die Menschen liefen in verschiedene Richtungen, durcheinander und doch wusste jeder wohin er wollte.
Eden und Evelin mischten sich unter die Menge, Hand in Hand um sich nicht zu verlieren.
Selbst in diesem kleinen Dorf konnte man sich leicht verlaufen und sich nicht so einfach wiederfinden.
Nach ein paar Minuten des Laufens löste sich die Menge auf und verstreute sich in alle Richtungen.
Evelin war komplett begeistert von den Menschen, von den Gebäuden, der Umgebung. Auch Eden war begeistert doch eher von den Ständen an den Straßen.
Nur ganz kurz ließ er Evelins Hand los um zu einem kleinen Stand von einem noch kleineren Mädchen. Sie verkaufte kleine Puppen, die von denen Evelin im Wagen geredet hatte.
Er kniete sich vor dem Stand und Mädchen schaute ihn argwöhnisch an, lächelte dann jedoch und schaute Eden in seine dunklen Augen.
Auf seiner Schulter spürte er einen leichten Druck. Evelin gesellte sich wieder zu ihm und auch sie lächelte dem kleinen Mädchen zu.
„Wollt ihr beiden eine Puppen kaufen?“ Da Evelin sowohl Bulgarisch sprach als auch verstand wollte sie antworten, doch als ihr Blick auf Eden fiel, dessen Gesicht so ein friedliches und ruhiges Lächeln zierte, dass sie das Wort gar nicht ergreifen wollte.
„Eigentlich nicht, aber wenn du uns so lieb fragst, dann sehr gerne.“ Edens Stimme war ruhig und kaum noch rau wie sonst.
Das Mädchen lachte fröhlich auf: „ Dann musst du deiner Freundin eine schenken und sie dir, sonst funktioniert es nicht und es ist Tradition, dass sich Liebende diese Puppen schenken.“
Keiner der beiden erwiderte etwas, sondern Eden reichte dem jungen Wesen das Geld und Evelin tat es ihm gleich. Unter den Interessierten Blicken der kleinen Verkäuferin übergaben sie sich die jeweilige Puppe und umarmten sich. Das Mädchen klatschte fröhlich in ihre Hände und die beiden besten Freunde machten sich, nachdem sie sich bedankt hatten, auf den Weg ins Dorfinnere.
Es schien als kämen die beiden gar nicht voran, obwohl sich die Menschenmenge auflöste, weil Evelin Eden in jede Gasse, an jedes Schaufenster zog. Alles interessierte sie. Aber es war verständlich, denn sie kannte es hier nicht, sie kannte diese Kultur nicht.
Anders als Eden.
In einem so kleinen Dorf war es normal für ihn, er ist eben dort auch aufgewachsen, doch selbst das wusste Evelin nicht.
Ihr bester Freund war besser verschlossen als die Büchse der Pandora.
In dieser Hinsicht, war sie selbst viel zu offen, zu transparent.
Irgendwann eröffnete sich der Marktplatz vor den beiden und irgendwo in der dort stehenden Menge erkannte Eden ein altbekanntes Gesicht. Doch bevor die beiden Freunde dort ankamen, war diese Person auch schon wieder verschwunden.
Sie befanden sich in der Mitte der feiernden Menge und Evelin fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr.
Während sie, wie alle anderen, zur Musik tanzte, ließ sie Edens Hand nie los. Nur Eden bewegte sich kaum, er war eben kein großer Fan von Menschenansammlungen und Partys, aber er wollte Evelin diese Freude machen und ließ sie deshalb nicht allein und ab und an zwang er sich dazu sie ein bisschen zu drehen oder mit seinem Fuß zu tippen.
Um den Markt herum standen einige Stände, die für das Wohl der Gäste sorgen sollten.Nach einigen Stunden, viel zu lang wie Eden fand, zog ihn Evelin in Richtung Stände. Sie brauchte etwas zu Essen und zu Trinken, doch Eden zog sie von den, im Mittelpunkt stehenden Tischen fort und ging in Richtung eines kaum auffallenden Zeltes. Er zog sie durch die Menge und blieb mit einem Mal vor dem Eingang des Zeltes stehen, als müsse er überlegen ob er hineingeht oder vielleicht auch nicht.
Fragend stand Evelin neben ihm, ihr waren die Fragezeichen ins Gesicht geschrieben
Das Zelt war klein und dunkelgrün und der Boden, wo ein wenig Licht von innen durchdrang, war rötlich. Evelin verstand nicht, was das sollte und setzte langsam zu einer Frage an, doch bevor sie überhaupt ein Wort aussprechen konnte, ließ Eden ihre Hand los und raffte mit einer der seinen die schweren Vorhänge des Zeltes um hindurch zu gehen. Er hoffte, dass Evelin ihm folgen würde und das tat sie auch, mit noch mehr Fragezeichen um ihrem Kopf herum. Sie erwartete zwar keine Erklärung, aber sie wartete auf irgendwas, vielleicht eine Reaktion von Eden. Irgendwas, was typisch für ihn war. Ein Zwinkern in ihre Richtung oder ein Knuff in die Seite.
Aber nichts der Gleichen passierte. Stattdessen stand er reglos in einer Ecke des Zeltes und sie genau im Eingang.
Sein Gesichtsausdruck war wie versteinert, nicht mal seine Augen verrieten was in ihm vorging. Kein Gefühl war mehr vorhanden. So hatte sie Eden schon lange nicht mehr gesehen.
Evelin löste ihren Blick von ihrem Freund und ließ ihn der weilen durch das Zelt gleiten.
Unter der Decke hing eine Art Lichterkette, die rotes Licht ausstrahlte, jenes was man auch von draußen sehen konnte. Es war klein, aber durch die wenige Möbelierung doch geräumig.
Als Evelins Blick weiter in die Ecke glitt, erschrak sie kurz. Dort an einer Kommode gelehnt, stand eine Frau, wie Evelin vermutetet, mittleren Alters.
Sie lächelte die Beiden mit einem liebevollen Lächeln an und machte einen Schritt auf sie zu.
Mittlerweile war auch Eden aus seiner Starre erwacht und fasste Evelin wieder an die Hand.
Sein Blick schweifte von der Frau zu Evelin und wieder zurück und dann, ganz unerwartet, fing die Frau an zu sprechen mit einer sehr beruhigenden Stimme:,, Hallo ihr Beiden. Was führt euch zu Madame Kath?“
Sie lächelte, doch Evelin konnte nicht antworten, denn sie wusste nicht, warum Eden hier hergekommen war.
„Nun Madame Kath, ich dachte ich hätte jemanden gesehen, der mir bekannt vorkam. Aber da muss ich mich wohl getäuscht haben.“
Eden sprach ruhig und gelassen, wie immer, aber irgendwas an seiner Stimme und seiner Mimik verriet Evelin das etwas ganz und gar nicht stimmte. Wenn sie nur wüsste was.
Die Stimme von Madame Kath riss Evelin aus ihren Gedanken: „ Aber da ihr schon einmal da seit, lasst euch von Madame Kath eure Zukunft vorhersagen.“
Evelin hätte es sich auch schon bei der Kristallkugel auf dem Tisch sicher sein können, dass sie beide bei einer Wahrsagerin gelandet waren.
Eden nickte langsam und obwohl er wusste, dass weder er noch Evelin daran glaubte, zog er die eben genannte mit sich zu den beiden freien Stühlen.
Er wusste, dass es unhöflich war einfach das Zelt zu verlassen, deswegen kam er der Bitte der Wahrsagerin nach.
Es würde schon nichts schlimmes passieren. Wie immer das Gleiche, eine rosige Zukunft ohne Komplikationen. So machten die Leute hier Geld.
Madame Kath hielt ihre Hand nach vorn, eine Aufforderung für Evelin ihre darin zu legen.
Ihr Blick huschte kurz zu Eden, der aber nur starr nach vorn schaute und dann ging ihr Blick zurück zu Madame Kath und so legte Evelin ihre Hand in die der Wahrsagerin.
Diese schloss für einen Bruchteil einer Sekunde ihre Augen und sie sie wieder öffnete war ihr Blick verschleiert, doch dieser Effekt blieb nicht lang. Mit einem wehmütigen Lächeln schaute die Wahrsagerin die beiden Freunde an und sagte: „ Mein liebes Mädchen, mein liebes, unschuldiges Mädchen. Dein Leben wird dir viele Türen öffnen, nur leider werden einige davon keine schönen Momente bereit halten, aber du bist stark und weißt, wie man mit Schmerz umgeht. Du wirst das Beste aus allem machen. Eine Entscheidung deines Lebens kann ich dir aber jetzt schon sagen.
Du hast Gefühle für den Richtigen, aber jemand wird diesen Gefühlen im Weg stehen und das wird, so wie ich das sehe, in einem großen Chaos enden.“
Eden war baff, so etwas hatte er noch nie von einer Wahrsagerin gehört.
Das Lächeln von Madame Kath hatte immer noch etwas wehmütiges als ihr Blick zwischen den Beiden hin und her huschte, dann sagt sie: „ Nun zu dir mein Junge. Ich hoffe, für dich habe ich bessere Neuigkeiten.“
Als er seine Hand in die Ihre legte, verschleierte sich wieder ihr Blick und nun wurde nicht nur ihr Lächeln stumpfer sondern ihre Augen begannen sich zu weiten.
„Ich sehe alles ein wenig verschwommen und eher schemenhaft, aber ich sehe Gefahr, die Selbe die deine Freundin überschattet, doch sie sammelt sich bei dir.
Du bist nicht ihr Ausgangspunkt, aber anscheinend bist du ein wichtiges Glied in der Kette. Ich kann dir nicht sagen, wofür du wichtig bist, aber versuche dich nicht bewusst in Gefahr zu begeben, egal worum es geht.“
Edens Gesichtsausdruck war undurchdringlich, nicht einmal Evelin konnte darin etwas lesen. In letzter Zeit war Eden immer öfter ein Buch mit sieben Siegeln. Er nickte kurz und ging, wieder mit Evelin an der Hand, zum Ausgang des Zeltes. Und Evelin ließ sich ohne ein Wort mitten in die feiernde Menge ziehen.
Hinter sich, auch wenn das völlig unmöglich war, hörte sie das zusammenraffen des Vorhanges und die leise Stimme von Madame Kath: ,, Es tut mir leid, meine Kleine. Viel Glück.“
Evelin hatte das Bedürfnis sich noch einmal umzudrehen und nachzusehen, ob die Wahrsagerin nun wirklich dort stand und ihnen hinterher sah.
>> Du hast Gefühle für den Richtigen, aber jemand wird diesen Gefühlen im Weg stehen und das wird, so wie ich das sehe, in einem großen Chaos enden.<< , diese Worte. Im Nachhinein erschien ein Bild vor ihrem inneren Auge. Eine Erinnerung an, eigentlich, längst vergessene Zeiten. Erinnerungen an Schmerz und Einsamkeit. Erinnerungen an ein anderes Leben. Falsche Zeiten. Falsche Erinnerungen.
Auch sie hatte Geheimnisse von den Eden nichts wusste. Ihm war nicht klar, wie viel ihre diese Geschichte, die sie nun zusammen schrieben, bedeutet. Sie spürte wieder dieses Gefühl. Das gleiche Gefühl, welches sie schon am Morgen gespürt hatte und wieder war sie den Tränen nahe.
Evelin merkte nicht einmal, dass sie dadurch stehen geblieben war.
„Eve? Hey Eve?! Alles okay?“, nur brüchig drang Edens sanfte Stimme zu ihr durch.
„Wehe du kippst mir hier in dieser Meute um! Sonst denken nachher alle, dass ich dich entführen will.“ Er lachte, doch in Evelins Ohren klang es nicht entspannt sondern schräg und nervös.
Die junge Frau schloss für einen kurzen Moment ihre Augen, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können.
Als sie einen leichten Druck an ihrem Arm spürte schlug sie ihre Augen wieder auf und wollte schon zu einer sarkastischen Antwort ansetzen, dass er sie doch nie entführen würde, aber anstatt in Edens dunkle Augen zu schauen, blickte sie in die eisblauen Augen eines jungen Mannes.
Er war nicht klassisch schön wie Eden, aber in seinem Gesicht war etwas markantes, was ihn interessant erscheinen ließ.
„Tut mir leid. Du sahst aus als bräuchtest du Hilfe und ich wollte sicher gehen, dass du okay bist. Übrigens mein Name ist Alexej. Es freut mich sehr dich kennenzulernen.“
Auf seine Lippen legte sich ein unverkennbar charmantes Lächeln und seine Augen glänzten als er Eve's Hand zu seinem Mund führte um einen kurzen Kuss darauf zu drücken.
Evelin fing leicht an zu lächeln, aber das verblasste sofort wieder als das Schwindelgefühl sie wieder zu übermannen bedrohte.
Sie spürte den starken Griff von Alexej an ihrem Oberarm und als er seinen zweiten Arm um ihre Taille legte breitete sich eine Eiseskälte in ihrem Körper aus, die sie noch nie zuvor gespürt hatte.
„Ich möchte nur sicher gehen, dass du nicht noch umkippst. Es könnte ja ziemlich viel passieren, wenn so ein hübsches Ding wie du hier allein ist.“ Evelin hört ein Lächeln in seiner Stimme, auch wenn sie es nicht sehen konnte, da sie mit dem Rücken zu ihm stand.
„Eigentlich bin ich... bin ich nicht allein hier. Mein bester Freund müsste hier auch irgendwo sein.“, hörte sie sich selbst sagen, doch von Alexej kam nur ein, in Eve's Ohren klingendes, dumpfes Lachen.
„Du kannst sie jetzt los lassen!“ >>Eden!<<, schoss es ihr durch den Kopf und als Alexej den Griff um ihre Taille löste und ihren Oberarm freigab, legte sich sofort Edens Arm um sie. Und in ihrem tiefsten Inneren fühlte es sich wie eine Rettung an, doch das bekam sie erst viel später mit.
Was sie zuerst bemerkte war der wütende Ausdruck auf Edens Gesicht und der drohende Unterton in seiner Stimme.
„Oh hallo Eden. Hätte deine kleine Freundin gesagt, dass du ihr Freund bist, dann hätten wir dieses Zusammentreffen erst gar nicht. Aber es ist schön dich zu sehen,...“ In diesem Moment sollte Evelin nicht erfahren, wie Alexej den Satz beende wollte, da Eden ihn harsch unterbrach.
„ Die Freude ist nicht beidseitig, Alex. Und wie Eve wahrscheinlich schon erwähnte, bin ich ihr bester Freund.“
In diesem Moment verzog Alexej sein Gesicht zu einer merkwürdigen Fratze. Eine Art Lächeln umzog seine Lippen, doch seine Augen zeigten Hass oder eine Art von Verachtung, genau konnte Evelin das nicht sagen. Trotz des feindlichen Untertons in Edens Stimme, konnte sie keine einzige Regung in seinem Gesicht ausmachen. Es war als wäre es aus Stein gemeißelt.
Evelin sagte eine Zeit lang nichts, sondern versuchte herauszufinden, was die Verachtung zwischen den Beiden bedeutete. Sie bekam lediglich einige Wortfetzen des Gespräches mit, was dadurch begründet war, dass sie sehr in ihren eigenen Gedanken vertieft war und die beiden Männer sehr schnell in ihrer Muttersprache sprachen und so gut Evelin auch Bulgarisch sprechen konnte, so schnell konnte sie das Gespräch dann doch nicht verfolgen.
Doch als sie sich konzentrierte und wieder alles vernahm, was um sie herum passierte, merkte sie das ein Großteil der Menschenmenge sich zu den Dreien gedreht hatte und aufmerksam dem Streit verfolgte. In diesem Moment beschloss Evelin, dass es Zeit sei sich nun doch einzumischen und zwischen die Beiden zu gehen.
„Ok Jungs, ich glaube, dass ist genug Schauspiel für heute.“, das sate sie so laut, dass einige der Zuhörer sich beschämt wegdrehten. Eden fixierend fügte sie hinzu: „ Wir sind nicht hier um die Aufmerksamkeit der Leute auf uns zu ziehen, schon vergessen?“ Der Angesprochene schaute nach unten und flüsterte ein sehr leises „Sorry“. Hinter sich hörte die junge Frau ein kehliges Lachen und das brachte sie schlussendlich doch zur Weißglut. Sie drehte sich rasant zu Alexej um und starrte ihn an.
Eden wusste was nun folgen würde, dass hatte er schon oft hinter sich. Eine ewig lange Standpauke, was ihm denn einfiele zu lachen. Doch sie überraschte ihn. Nicht mit einem neuen Anfang ihrer Rede, sondern mit einem lauten Klatscher und als Eden aufschaute sah er den roten Abdruck einer Hand auf Alexej's Gesicht und ein Grinsen konnte er sich nicht verkneifen.
Evelin starrte auf ihre Hand. Sie hatte es wirklich getan. Sie hatte noch nie jemanden, ausgenommen davon Eden, geschlagen. Und nun stand sie hier, hielt sich ihre Hand und starrte in das, mittlerweile wieder grinsende, Gesicht von Alexej.
„Hatte ich erwähnt, dass ich eine Schwäche für selbstbewusste Mädchen habe?“ Sein Grinsen wechselte in dieses Halblächeln, dass alle Frauenherzen höher schlagen lässt.
Es war eine flüsternde Einladung mit ihm zu kommen, aber etwas in ihrem Inneren erinnerte Evelin daran, dass sie mit Eden da war und nicht weg von ihm wollte. Die junge Frau drehte sich galant zu ihrem Begleiter, dem sie ein strahlendes Lächeln zuwarf, als er ihr seinen Arm anbot. Natürlich, ohne Alexej auch nur noch eines Blickes zu würdigen, harkte sie sich in Edens Arm ein.
Hinter den beiden Freunden wandelte sich das charmante Lächeln des blonden Mannes in eine wütende Grimasse. Er hatte schon gehört, dass Eden wieder da war und das auch noch in hübscher Begleitung, aber nie hätte er gedacht, dass die Chance so gut war, die Beiden so schnell zu sehen.
Genug Schauspiel hatte Edens kleine Freundin gesagt. Wenn sie wüsste, dass das Schauspiel gerade erst begonnen hat, würde sie sich wünschen sie wäre nie hergekommen.
,,Eden! Warte! Verdammt nochmal bleib stehen, du sturrköpfiger Idiot!“
Nachdem die beiden Freunde sich von dem Marktplatz entfernt hatten, war Eden losgelaufen als würde sie jemand verfolgen.
Aber diese Rechnung hatte er nicht mit Evelin gemacht, plötzlich riss sie sich los und blieb stehen. Erste einige Schritte weiter bemerkte Eden seine leere Hand und drehte sich schwungvoll um. ,,Was soll das? Kommst du bitte weiter. Ich möchte soweit wie möglich weg von diesem Marktplatz.“ Evelin schüttelte ihren Kopf. Sie wollte nicht mit ihm streiten, aber so sturköpfig wie er konnte sie schon lange sein.
„Willst du mir nicht erklären, was das da gerade war? Eden, was zur Hölle war das?“ Doch Eden blieb still. Er starrte auf seine Hände, die langsam anfingen zu zittern.
„Die Hölle trifft das von eben schon ganz gut.“ , Evelin musste sich anstrengen um die gemurmelten Worte Edens zu verstehen. Aber den Sinn dahinter sah sie noch nicht. „Das war Alexej“, nun wurde Edens Stimme lauter. „er ist so etwas wie ein alter Freund von mir. Ich wusste nicht, dass er noch hier ist, sonst hätte ich alles versucht um dieses Treffen zu verhindern.“
Die sonstige Leichtigkeit in Edens Stimme blieb auf der Spur, es war ihm ernst und so wie er sprach schloss Evelin darauf, dass es sich nicht wirklich um eine alte Freundschaft handeln konnte, wenn sie das nicht schon vorher gewusst hatte.
„Ich meine nicht nur diesen Alexej, Eden. Ich meine, diese ganze Show vorhin. Ich denke, Alexej wird ein kleines Problem werden. Aber die Prophezeihung oder wie auch immer du das nennen willst, was Madam Kath und da erzählt hat, macht mir ein bisschen mehr Angst. Dir nicht?“
Edens linker Fuß schrabte über den Asphaltboden und er folgte der Bewegung mit seinen Augen. Er wollte Evelin nicht die Augen schauen, er konnte es nicht.
„Es wäre wirklich schön, wenn du mir auch irgendwann mal antworten würdest. Woher kennst du Alexej überhaupt?“
Als Eden immer noch nicht antwortete, schaffte er es mal wieder Evelin zur Weißglut zu bringen. „Okay gut, dann behalt es für dich! Erzähl mir einfach nichts mehr. Du bist ja nur mein BESTER Freund, wenns weiter nichts ist..
Weißt du was? Rede einfach gar nicht mehr mit mir! Bleib einfach im Motel und lass mich in Ruhe! Du kotzt mich an, Eden! Diese ewige Geheimnisskrämerei um deine Vergangenheit. Das macht mich krank!“ Mit diesen Worten stapfte sie sichtlich genervt an Eden vorbei. „Ich tue das nicht um dir weh zu tun. Es ist nicht einfach, dass alles ist nicht einfach.“ Wieder murmelte er das nur. „Aber weißt du was Evelin? Ich bin nur wegen Dir mitgekommen, weil ich dich nicht allein lassen kann! Und du hast doch auch Geheimnisse. Oder was war das heute morgen? Drauf ansprechen wollte ich dich nicht, aber mein Gott, hat nicht jeder von uns Geheimnisse?“
Evelin hatte sich nicht umgedreht, aber immerhin blieb sie stehen. Natürlich hatte er recht. Aber was sollte sie ihm sagen? Er würde sie dann nie wieder wie vorher behandeln. Es gab mehr als nur einen Grund, warum sie hinter dieser Story her ist.
„Hast du dich je gefragt, wohin du gehörst?“, diesmal was es Evelin die flüsterte. „Hast du dich je so falsch an einem Ort gefühlt, obwohl du nicht sagen könntest warum? Es gibt Tage, da ist dieses Gefühl stärker als an anderen Tagen. Und mit diesem Gefühl kommt die Einsamkeit, eine geborene Abwechslung, wenn du mich fragst. Und diese Einsamkeit frisst alles in dir, jedes noch so kleine bisschen Glück, bis nichts mehr da ist. Bis du nur noch eine leere, unvollkommene Hülle bist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du das nicht kennst.“
Eden stand einfach nur da, den Blick auf Evelin gerichtet, nicht wissend, was er tun oder sagen sollte.
>Tut mir leid.<, würde nichts bringen, denn es war nicht seine Schuld.
>Ich kenne dieses Gefühl.<, eine reine Lüge, denn so etwas hatte selbst er noch nie gespürt.
>Du bist nie allein, du hast mich.< Lüge. Er hatte sie schon oft versetzen müssen, oft belügen müssen, oft hintergehen müssen.
Stattdessen irgendetwas zu sagen blickte er still auf ihren Rücken. Keiner der Beiden gab einen Ton von sich, bis Evelin den ersten Schritt nach vorn macht und dann plötzlich um die nächste Ecke bog und aus seinem Blickfeld verschwand.
Evelin wollte zurück zum Motel und sich wie so oft in letzter Zeit einfach heulen, doch anstatt das zu tun, lief sie in die entgegen gesetzte Richtung. Aus der Richtung aus der sie zuvor mit Eden kam. Ob es eine gute Idee war blieb abzuwarten.
Es wurde schon langsam dunkel und auf den Straßen waren kaum noch Leute. Die Musik, die zuvor vom Marktplatz herüberschallte, war nun nicht mehr zuhören und die Kerzen, die am Rande der Straßen brannten, waren kurz davor zu erlöschen.
Die Nacht brachte eine angenehme Kühle mit sich und der aufgehende Mond war riesig. Die Straßen wurden einem wundervollen Lichtermeehr erhellt, denn die Fenster der Häuser schnitten Schneisen in die kommende Nacht.
Irgendwo, weit in der Ferne, vernahm Evelin eine Melodie, die sie noch nie zuvor gehört hatte. Wunderschön und melancholisch zugleich und irgendwie auch sehr verführerisch.
Von dem Musikern auf dem Markt konnte sie nicht stammen, denn diese Musim war schon längst verklungen und zudem war es eine Frauenstimme, die dort summte.
Das Merkwürdigste an der ganze Geschichte war, obwohl Evelin sich sicher war, diese Melodie nicht zu kennen, kam sie ihr mysteriöser Weise bekannt vor und an einigen Stellen konnte sie mitsummen; wie eine alte Erinnerung, die langsam zurück kam.
Anstatt ihrem rationalen Denken zufolgen, welches ihr sagte, dass sie besser zurück zum Motel und zu Eden gehen sollte, lief sie weiter der mysteriösen Stimme nach.
Eden. In einer der Ecken in ihrem Gehirn machte es Klick. Er hatte schon Recht damit, dass sie immer ihrem Herzen folgte, wenn sie etwas Irrationales tat. Ihr Verstand war intelligent und wusste, dass es Konsequenzen hat aber ihr dummes Herz wollte nun einmal,was es eben wollte.
Er hatte nunmal Recht, wie so oft in ihrer beider Leben.
Und nun lief sie doch der Stimme hinterher, an den beleuchteten Häusern vorbei bis zum Rand des Dorfes.
Doch als sie dort stand und die Stimme immer lauter wurde, bis Evein das Gefühl hatte die Stimme würde ihren Verstand vollkommen ausfüllen, konnte sie nicht weiter gehen, so als würde sie gegen eine unsichtbare Wand laufen.
Evelin starrte stur in die Dunkelheit, in der Hoffnung etwas zu erkennen, aber in der Ferne war nichts zu sehen.
Sie hörte Schritte hinter sich, dennoch drehte sie sich nicht um.
„Du solltest nach Hause gehen, mein Kind.“, Eve vernahm die bekannte Stimme hinter sichund als eine zierliche Hand ihre Schulter berührte, löste sich der Bann auf und Evelin konnte sich zu der Frau umdrehen.
„Oh du bist es. Wo ist denn... dein Begleiter?, warum lässt er dich denn allein durch einen fremden Ort laufen?“ Es war Madam Kath und diese schaute die junge Frau mit einem besorgten Blick an.
„Ehm, Eden und ich haben uns gestritten und ich wollte ihn erstmal nicht mehr in meiner Nähe haben.“
Madam Kath fing an beruhigend zu lächeln, aber ihr Blick huschte immer wieder in die Dunkelheit als würde dort etwas lauern und abwarten.
„Sie haben es auch gehört, nicht wahr? Die Stimme, diese Melodie. Sie haben sie auch gehört.“ Madam Kath antwortete nicht, sondern schaute weiter in die Dunkelheit. Aber Evelin ließ nicht locker.
„Was war das? Oder wer war das?“, in ihrer Stimme war ihre Verzweiflung schon fast mit den Händen greifbar. Sie brauchte eine Antwort, obwohl sie wusste, dass sie mit keiner Einzigen davon zufrieden wäre.
„Das war kein Mensch, meine junge Freundin. Wir bezeichnen sie als Dämonin, du wirst dieses Wesen eher als Sirene kennen. Eine Helferin des Teufels um Seelen zu fangen.
Aber nun komm, ich bringe dich zurück. Es isr nicht gut für so ein hübsches Mädchen hier draußen allein herum zu laufen.“ So ähnlich hatte es auch Alexej formuliert als sie ihn traf, aber zu dieser Erkenntnis kam sie erst viel später.
Madam Kath zog Evelin an sich und legte beschützend einen Arm um ihre Schultern. Sofort umgab Eve eine wohltuende Wäre, denn in ihrer Trance hatte sie gar nicht mitbekommen, wie kühl es mittlerweile geworden war und zudem trug sie nur ein luftiges Kleid, welches nicht dazu gemacht war, sie in einer solchen Nacht zu wärmen.
Auf dem Weg zurück zum Motel sprachen die beiden Frauen nicht miteinander. Erst als sie vor ihrem Motel stand, ergriff Evelin das Wort.
„Warum konnte ich am Rand nicht weitergehen? Und warum waren sie nicht auch in einer solchen Trance wie ich?“ Madame Kath lächelte liebevoll. „Ach, mein Kind, das wirst du noch früh genug allein herausfinden Es steht nicht in meiner Macht, dir das jetzt schon zu erklären. Gute Nacht, Evelin.“
Mit diesen Worten drehte Madam Kath sich um und wurde eins mit der Dunkelheit. Für einige Sekunden blieb die junge Frau noch stehen und schaute der Wahrsagerin hinterher, aber dann drehte sie sich um und lief rasant ins Motel hinein.
An ihrem Zimmer angekommen schloss sie verwundert die Tür, denn Eden war noch nicht zurück.
Das Mondlicht brach durch die Fenster und verlieh dem Zimmer etwas märchenhaftes.
Evelin wusste noch nicht genau, wie sie mit dem Geschehenden umgehen sollte, aber bevor ihr Verstand mit der Arbeit anfangen konnte, übermannte sie die Müdigkeit und Eve schlurfte hinüber zum Bett. Keine Minute später schlief sie schon tief und fest.
Nach Stunden kam Eden zurück ins Zimmer, wo Evelin schon lange schlief. Er war müde, aber wollte sich nach diesem Streit oder eher Auseinandersetzung nicht zu Eve legen, eben weil er somit den Kluft zwischen ihnen noch größer gemacht hätte. Doch genauso wollte er sie nicht wecken, denn wenn sie sich nur noch mehr zanken würden, dann könnte Eden sie nicht vor Alexej beschützen und solange er in dem Dorf war, durfte Eve nie allein irgendwo hingehen.
Es war zu gefährlich. Alexej sehnte nach Rache und das wusste Eden.
Auch ihm lag ein Ereignis schwer im Magen. Auch er hatte die seltsame Melodie in der Nacht gehört. Aber was ihm zum Nachdenken brachte war eigentlich gar nicht möglich.
Diese Melodie dürde nicht mehr existieren, dürfte niemand mehr singen. Das war vollkommen umöglich und doch hatte er sie gehört.
Auch das war ein Geheimnis, welches er Eve nicht erzählen konnte.
Eden's Geist war wach, aber sein Körper sehnte sich nach Schlaf und auch wenn er es nicht wirklich wollte, legte er sich an den äußersten Rand des Bettes und schloss, mit besorgtem Blick in Richtung Evelin, die Augen.
Hustend und Schweißgebadet wachte Evelin auf und war kurz komplett desorientiert. Doch als sie eine Hand auf ihrem Rücken spürte, wurde sie ins Hier und Jetzt zurück geholt.
Sie drehte ihren Kopf zur Seite und sah einen verschlafenden Eden. Er strich ihr beruhigend über den Rücken, während sie anfing zu frieren und zu zittern. Mit unruhigen Fingern zog sie die Becke wieder zu sich hoch.
Keiner der beiden Freunde sagte etwas, weil es nichts zu sagen gab; doch mit dieser Stille trafen sie auch eine Abmachung nicht über das gestrig Geschehende zu sprechen.
Evelin hatte einen Albtraum, aber nicht von der Schauergeschichte, sondern den immer wiederkehrenden Traum, der sie seit endlosen Jahren verfolgt.
Eine traumatische Erinnerung an Feuer, Rauch und merkwürdigen Gestalten. Schemenhaft, aber doch irgendwie klar.
Eden wusste von den Albträumen, natürlich so oft wie die beiden schon in einem Raum geschlafen hatten. Aber er wusste nichts über die Hintergründe dieser Geschichte oder über Eve's Vergangenheit allgemein. Aber er wollte auch nichts wissen, was sie ihm nicht von allein erzählen wollen würde.
Er fragte auch nicht nach, wie schlimm es diesmal war. Eden strich nur ruhig über die zitternde Evelin, legte irgendwann einen Arm um sie und zog sie zurück.
Zuerst wollte sie sich von ihm lösen, aber diese Geste beruhigte und wärmte sie, dass sie gar nicht weg wollte.
„Eden? Wo warst du gestern? Ich bin irgendwann eingeschlafen, aber selbst nach Stunden warst du noch nicht zurück.“
Eve's Blick wanderte zur Seite, sie wollte ihm nichts von dieser merkwürdigen Begegnung erzählen. Verdammt, sie glaubte doch selbsr nicht an diese Schauergeschichte. Denn nichts anderes war es. Eine Schauergeschichte, um die Kinder am Abend im Haus zu behalten.
„Ich bin durchs Dorf spaziert. Ich musste einfach den Kopf frei kriegen.“ Edens Gesichtsausdruck verriets nichts davon, was er gestern gehört oder gesehen hatte. Und so ließ Eve es auch dabei.
Sie wollte sich einreden, dass sie alles nur geträumt oder sich alles nur eingebildet hatte, auch wenn sie genau wusste, dass es passiert ist.
Nach kurzer Zeit stand die junge Frau auf und machte sich für den Tag bereit.
Ihr schwarzes Kleid schmeichelte ihr und in Kombination mit dem Halsband, welches sie gefühlt schon seit Ewigkeiten trug, mit einem Anhänger in Form eines Pentagrames, verlieh es ihr etwas mystisches.
Eden blickte sie verwirrt vom Bett aus an: „ Wo willst du denn hin?“ - „Ich? Oh ich will in die Bibliothek. Ich habe gestern eine gesehen und hatte gehofft, dass ich dort etwas für den eigentlichen Grund unserer Reise finden würde. Und da du sicherlich nicht mit möchtest...“
Sofort wurde sie unterbrochen: „ Klar komme ich mit. Ich bin ja nicht umsonst hier.“ In Evelins Ohren klang er ein bisschen zu hibbelig und motiviert, aber sie wollte es nicht zu einem Streit kommen lassen, also lächelte sie und insgeheim freute sie sich, dass er mitkam. Aber das würde sie nicht zugeben. Ein bisschen von ihrem Stolz wollte sie noch behalten.
Als Eden endlich fertig war, er braucte meist sehr viel länger als jedes Evelin bekannte Mädchen, gingen sie hinaus in die gleißende Sonne.
Die Sonne brannte auf der empfindlichen Haut der jungen Frau, trotzdessen dass diese noch nicht hoch am Himmel stand.
Um diese frühe Uhrzeit waren kaum Menschen auf den Straßen und nichts ließ darauf schließen, was letzte Nacht geschehen war.
„Bist du dir sicher, dass du weißt, wo es lang geht, Eve?“, sie konnte den sarkastischen Ton in Edens Stimme hören, sagte dazu aber nichts. Auch wenn, und das wusste Evelin, ihr Orientierungssinn nicht der Beste war; in diesem Dorf fand sie sich sehr gut zurecht.
Es dauerte nicht lange, bis sie die große verzierte Holztür wiedererkannte.
„Eve? Die Tür geht nicht auf. Ist das auch Teil deines Plans?“ Sie hörte das Lachen in seiner Stimme und wollte ihm schon einen Schlag auf den Hinterkopf verpassen, doch als sie dazu ansetzte öffnete sich die Tür mit einem Mal.
„Wie hast du das gemacht?“ „Ich... Ich hab gar nichts gemacht, sie ging einfach plötzlich auf.“ Verwundert und verunsichert traten beide durch die schwere Tür, die hinter ihnen wieder ins Schloss fiel.
Tag der Veröffentlichung: 30.08.2016
Alle Rechte vorbehalten