Ramona Stolle
Das
Christstraßenhaus
1. Auflage
Ebookausgabe 2014
Copyright © RamonaStolle
Coverdesign: Pixabay
Covergestaltung: Ramona Stolle
Verlag: BookRix
Inhalt
Acht Kinder
Keine Sterne
Doofer Regen
Bei Oma
Schuhgröße 46
Timos Geschenk
Im Weihnachtszimmer
Sternenhimmel
Umtausch ausgeschlossen
Geruch von Schnee
Niemals!
Nummer 24
Die Christstraße ist eine kleine Straße in einer großen Stadt. Sie ist so klein, dass nur ein einziges Haus in ihr steht. Und das ist für eine große Stadt schon recht ungewöhnlich! Aber das Haus mit der Nummer 2 liegt eben gerade noch am Rand der Stadt. Nur wenige Meter weiter und die Stadt ist zu Ende. Das sieht man natürlich nicht, aber alle Menschen, die in dem Haus wohnen, wissen es. Und der Briefträger weiß es natürlich auch, denn die Häuser, die hinter der Wiese und dem kleinen Wald stehen, bekommen ihre Post nicht mehr von ihm. Herr Bäcker, so heißt der Briefträger, bringt kleine und große Briefe, Zeitungen und manchmal auch kleine Päckchen für die Bewohner der Christstraße Nummer 2.
Warum das einzige Haus in einer Straße voller Bäume und Büsche nicht die Nummer 1 hat, weiß niemand so genau, aber für die Kinder, die dort wohnen, spielt es sowieso keine Rolle. Sie leben gerne in dem Haus mit den grünen Fensterläden und den roten Dachziegeln.
„Ich wohne in dem schönsten Haus der Welt“, hatte Pauline einmal in ihrem Klassenaufsatz geschrieben.
Und genau dieser Meinung sind auch Hanna, Timo, Niklas, Maya, Marie und Felix. Bei Oskar weiß man das nicht so genau, denn er ist noch zu klein und gibt nur komische Laute von sich. Diese geheime Babysprache kann nur seine Mama verstehen, doch alle Kinder sind sich sicher, dass Oskar genauso denkt wie sie.
Jedes Jahr Ende November beginnt Herr Rimpel, der Hausmeister, das Haus und den Garten mit Sternen und Lichterketten zu schmücken. Er stellt Rentiere und Wichtel auf die Wiese, verteilt Kugeln in den Sträuchern und verlegt ein Kabel mit vielen hundert Lämpchen in den Ästen der riesigen Tanne, die genau vor dem Fenster seiner Wohnung steht.
Wenn man das Haus betritt, dann wohnt Herr Rimpel gleich links. Sein Name steht auf einem silbernen Schild mit ganz verschnörkelter Schrift. Die Wohnung auf der anderen Seite steht leer und wird zum Abstellen der Gartenmöbel und Fahrräder benutzt. In der ersten Etage wohnt Felix mit seinen Eltern und seinem braunen Zotteldackel Luzie. Seine Nachbarn sind Maya, Marie und Oskar. Natürlich wohnen auch die Eltern in der gemütlichen Wohnung. Unter dem Dach wohnen noch die Brüder Timo und Niklas auf der einen Seite und die Schwestern Hanna und Pauline auf der anderen Seite mit ihren Familien.
„Die Christstraße Nummer 2 ist ein ganz besonderes Haus, weil es so voller Leben ist“, hatte Timos Vater einmal geschwärmt. Der Junge hatte ihn mit großen Augen angesehen und gefragt:
„Ist das denn etwas Besonderes?“
„Ja“, hatte da Papa Hofer gerufen und seinen Sohn fest an sich gedrückt, „denn es ist ein Haus voller Kinder!“
Tja, und das ist doch wirklich etwas ganz Wunderbares.
In diesem Jahr fällt der erste Advent auf den 30. November. Den ganzen Tag verbringt Herr Rimpel im Keller. Es rumpelt und poltert und klappert den lieben langen Tag! So ein ganz geheimnisvoller Zauber liegt in der Luft.
Luzie bellt ab und zu und wedelt mit dem Schwanz. Obwohl sie ein kleiner Hund ist, hat sie eine tiefe Stimme, fast wie ein Bernhardiner.
„Du weißt genau, was Herr Rimpel macht“, sagt Felix und streichelt das braune Zottelfell seines Hundes, „aber du musst ganz überrascht sein, wenn wir morgen früh runter gehen!“
Und so passiert es dann auch.
Pünktlich um halb acht gehen die Türen auf. Es hat den Anschein, als hätten alle sieben Kinder auf einen stummen Gongschlag gehört. Nur Oskar schläft noch. Es trippelt und trappelt auf den Stufen und das Treppenhaus ist plötzlich voller Leben.
„Ah“, haucht Hanna.
„Oh“, flüstert Timo.
„Traumhaft“, staunt Maya.
Im Kreis stehen Timo und Niklas, Maya und Marie, Hanna und Pauline und sie starren voller Bewunderung zur Decke. Endlich öffnet Herr Rimpel die Tür. Marie kichert leise, weil sie doch ein bisschen aufgeregt ist.
„Einen ganz besonders wunderschönen ersten Dezembermorgen wünsche ich euch“, sagt Herr Rimpel. „Ich hab die Kerze Nummer 1 schon angezündet.“
Herr Rimpel hatte am Abend vorher ein riesiges Wagenrad mit einer eisernen Kette an der Decke aufgehängt. Auf dem Holzrahmen hat er gleichmäßig 24 Kerzen verteilt.
„Ist das unser Adventskranz?“, fragt Maya.
Sie ist die Jüngste im Christstraßenhaus. Nur Oskar ist noch jünger.
„So ist es“, antwortet Herr Rimpel stolz. „Ein Kranz mit zwanzig weißen und vier roten Kerzen.“
„Für jeden Tag in der Woche gibt es eine weiße Kerze“, mischt sich Niklas ein.
„Und die vier roten Kerzen brennen jeweils an den Sonntagen“, ergänzt Timo schnell.
„Dann hast du aber gestern geschlafen, Herr Rimpel“, juchzt Maya, „mein Papa hat gestern schon die erste Kerze angezündet.“
„Da hast du recht“, stimmt Herr Rimpel ihr zu, „da hab ich nicht aufgepasst. Nächsten Sonntag brennen dann gleich zwei rote Kerzen.“
Nun knirscht das Holz im Treppenhaus. Mama Schatz kommt mit Oskar auf dem Arm zu den anderen gelaufen. Der Kleine hat seinen Schnuller im Mund und sieht noch sehr, sehr müde aus. Als er jedoch den Adventskranz entdeckt mit der einen brennenden Kerze wird er munter. Er hebt seinen Arm und zeigt in die Höhe.
„Oh!“ Er strampelt mit den Beinchen und fängt an zu kichern. Ganz aufgeregt ruft er:
„Pitsch! Pitsch!“
Die Kinder sehen zu Oskar, und wenn man Gedanken in der Luft hätte sehen können, dann wäre dort ein mächtiges Fragezeichen zwischen den Kerzen aufgetaucht.
„Ja, mein Schätzchen“, murmelt Frau Schatz und nickt mit dem Kopf.
„Was sagt er denn?“, will Timo schließlich wissen. Auch Herr Rimpel sieht jetzt ganz erwartungsvoll zu Frau Schatz. Er möchte schon wissen, ob auch der jüngste Bewohner seinen Adventskranz schön findet.
„Licht!“, lacht Mama Schatz. „Er bewundert das Licht!“
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Maya ist sehr aufgeregt, als sie aus dem Kindergarten nach Hause kommt. Sie rennt die Christstraße entlang, reißt erst das Gartentor und dann die Haustür auf und bleibt im Hausflur stehen. Sie blickt nach oben. Der hölzerne Adventskranz hängt zwar an der Decke, aber die Kerze ist aus. Sie stellt sich ein bisschen auf die Zehenspitzen, aber das ändert nichts. Keine Flamme, kein Feuer, nicht mal ein kleiner Funke glimmt an der Kerze. Sie sieht nur den schwarzen Docht. Zwar hängt der Adventskranz hoch oben, sodass man ihn nicht anfassen kann, aber eben doch so niedrig, dass alle Kerzen zu sehen sind. Das hat Herr Rimpel wirklich prima gemacht. Nur die Sache mit dem Feuer scheint er nicht so gut zu können. Maya ist enttäuscht.
„Man kann doch die schönsten Weihnachtssachen nicht einfach wieder abbestellen“, schimpft sie, „schließlich ist doch den ganzen Tag lang ein Weihnachtstag.“ Dann fällt ihr etwas Entsetzliches ein. Sie fragt sich nämlich, was wohl wäre, wenn jetzt der arme Oskar hier ins Treppenhaus käme und das Pitsch wäre aus.
„Das allererste Weihnachten für Oskar“, schnauft sie und geht die Treppen nach oben, dabei schaukelt sie hin und her und ihr langer, brauner Zopf wippt im Takt von links nach rechts. „Das allererste Weihnachten und schon ist das Pitsch verschwunden!“
Mama Schatz erklärt Maya, dass es einfach zu gefährlich wäre, die Kerze brennen zu lassen, wenn niemand darauf
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 10.12.2014
ISBN: 978-3-7368-6333-0
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