Cover

Kapitel 1

 Die Menge schreit meinen Namen.

Ich gehe raus.

Die Blitzlichter der Paparazzi blenden mich.

 

„Los geht’s kleine. Zeig denen was du kannst.“

Ich drehe mich um und hinter mir steht niemand anderes als mein Vater. Mein Manager. Ihm verdanke ich es, dass ich so berühmt bin.

 

Mein Name ist Seline.

Seline Cass.

Ich habe lange blonde Haare und grüne Augen.

Jeder der mich sieht und kennt, bezeichnet mich als perfekt. Das stimmt nur leider nicht im Geringsten. Jedenfalls nicht innerlich.

Aber ich bin ein Star. Da zählt nur das äußere.

Und das habe ich alles meinem Vater zu verdanken.

 

„Dad“, sage ich leise, damit mich niemand hört. „Ich hab Angst.“

Er nimmt mich in den Arm. „Das brauchst du nicht. Ich bin ja da. Und Jake auch. Wir unterstützen dich. Und außerdem ist das ja nicht dein erster Auftritt.“

Und mit diesen Worten schiebt er mich auf die Bühne. Es stimmt. Es ist nicht mein erstes Konzert. Aber ich bin immer wieder total aufgeregt.

 

Ich sehe noch ein letztes Mal hinter mich. Dad lächelt mich an, aber ich achte nicht richtig auf ihn. Hinter ihm steht nämlich Jake. Mein „Freund“.

Niemand weiß, dass wir nicht mehr zusammen sind. Noch nicht mal Dad.

 

Die ersten Töne des Vorspiels beginnen und ich blende alles aus.

Jetzt gibt es nur noch mich und meine Musik.

Und für die lebe ich.

 

Ich setze zu den ersten Tönen an, aber die kommen nur sehr gekrächzt und eingeschränkt raus. Auch bei den nächsten wird es nicht besser und mein Hals fängt an zu brennen wie Feuer. Was ist nur mit mir los?

Aber da es anscheinend niemand zu bemerken scheint, überstehe ich die erste Hälfte des Konzertes ganz gut.

Die Menge jubelt. Aber ich kann noch nicht einmal mehr einen anständigen Satz hervorbringen, ohne dass mein Hals kratzt.

Hinter der Bühne kommt Dad sofort auf mich zu. „Das war super. Wie immer“, lobt er mich.

Da ich kaum noch sprechen kann, nicke ich lächelnd und gehe in meine Kabine. Jetzt heißt es erst mal eine halbe Stunde Pause, wo ich nachgeschminkt und frisiert werde.

 

„Klopf klopf.“ Jake kommt rein und setzt sich auf einen Stuhl neben meinem. „Was ist los Sel. Du hast dich ohne ein Wort hier verkrochen. Sonst meckerst du immer jeden voll, dass du für fünf Minuten mal deine Ruhe willst. Hm?“

Er durchschaut mich immer. Wir sind zwar nicht mehr zusammen, aber uns stört das nicht im Geringsten. Schon früher waren wir die besten Freunde, und sind dann nur ein Paar  geworden, weil unsere Väter das am Besten fanden. Zwei Prominente zusammen. Sie haben schon früh angefangen uns zu verkuppeln, natürlich so unauffällig wie möglich, aber Jake und ich sind ja nicht dumm.

Natürlich haben wir das gemerkt, haben aber schnell eingesehen, dass wir wohl für immer nur die besten Freunde bleiben werden.

Warum wie unsere Trennung geheim halten? Keine Ahnung.

 

„Hey. Erde an Seline: Bitte kommen.“ Jake fuchtelt mir  mit der Hand vorm Gesicht rum.

„Jake bitte. Lass es. Du nervst.“ Ich versuche so normal wie möglich zu klingen, aber jetzt klingt meine Stimme auch noch rauchig.

Er sieht mich komisch an. „Ist was mit deiner Stimme? Du klingst so komisch. Bist du heiser? Brauchst du ein Wasser?“

Er ist so süß. „Nein alles gut. Das Konzert war bis jetzt nur so anstrengend. Es geht gleich wieder.“ Mein bester Freund scheint nicht ganz überzeugt, lässt es dann aber. „Na gut. Aber ich hole dir wenigstens ein Wasser. Du musst doch am Verdursten sein.“ Ich lächle ihn nett an und nicke dann ergeben. „Na gut. Aber kannst du mir noch was reinmischen? Ich brauche jetzt nicht nur klares Wasser, sondern zum Beispiel noch ein Bier oder so.“

Das machen wir immer so. Er holt mir was zu trinken, und ich mache mich in der Zwischenzeit schon fertig. Mein Vater hasst Alkohol und verbietet mir, ihn jemals zu trinken, aber das ist mir egal. Ich bin schließlich sechzehn. Da darf man das.

Jake nickt und verschwindet zur Bar. Ich frage mich immer noch, wie da Alkohol stehen kann, und Dad das toleriert.

 

Es klopft wieder und Clarissa, meine Stylistin, kommt ins Zimmer. „Hey Sel. Das war mal wieder ne super erste Hälfte. Deine Fans sind ja komplett ausgetickt. Aber was wird dann, wenn sie die Überraschung erfahren? Oh mein Gott. Aber jetzt machen wir dich erst mal fertig. Schließlich kannst doch SO nicht rausgehen.“ Clarissa ist wie eine Schwester für mich. Ist sie schon immer gewesen. Sie ist zwar fünf Jahre älter, aber benimmt sich immer wieder wie ein pubertierender Teenager.

Ich muss lachen. Jap. Sie kann reden wie ein Wasserfall. Deshalb liebe ich sie auch so sehr. Ich muss nicht viel sagen, weil sie nichts bemerkt, wenn sie einmal angefangen hat zu sprechen.

„Übrigens. Weißt du was heute ist? Ich meine ganz abgesehen davon, dass deine Welttournee heute gestartet ist, und du dich wahrscheinlich eh nicht dafür interessierst, ich meine….“ „Komm endlich mal zum Punkt. Ich bin ja jetzt schon aufgeregt“, unterbreche ich sie schmunzelnd. Sie sieht mich an und grinst wie ein Honigkuchenpferd. Ihre blauen Augen strahlen nur so. „Ich hab heute ein Date.“ Sie wird vor Aufregung ganz rot.

In meinem Kopf rattert es. „Und wer ist der Glückliche?“

Jetzt schaut sie aus mir unerklärlichem Grund empört. „Was denkst du denn? Ich strahle hier rum und fühle mich wie auf Wolke sieben und du weißt nicht, wer mich eingeladen hat? Hast du mir in den letzten Jahren überhaupt zugehört?“

Mein Kopf arbeitet und arbeitet und bleibt plötzlich bei jemandem stehen. „Nein. Sag, dass das jetzt kein Scherz war.“ „Denkst du, ich würde damit Scherze machen? Aber ja. Du hast recht.“ Sie quietscht vor Freude auf. „Jack hat mich endlich gefragt.“

Jack ist der Stylist von Jake. Und weil wie schon oft zusammen aufgetreten sind, gehört er bei jedem Auftritt irgendwie dazu. Und seit Clarissa ihn das erste Mal gesehen hat, ist sie unsterblich in ihn verliebt. Okay. Vielleicht übertreibe ich es. Aber ich freue mich so für sie. Die beiden passen so gut zusammen.

Ich stehe auf und nehme meine Stylisten alias beste Freundin in den Arm. „Das ist ja wundervoll. Ich freu mich so für dich. Jack ist so ein lieber. Aber, wenn er irgendwie zu weit geht, also deine Grenzen überschreitet, oder dich jemals betrügen sollte, kannst, nein musst du mir das sagen. Du weißt, ich habe die Mittel  ihm sein Leben zur Hölle zu machen.“

Clarissa nimmt drückt mich fest. „Ich weiß. Auf dich ist doch immer Verlass. Aber jetzt hopp hopp vor den Spiegel. Schließlich reißt dein Vater mir den Kopf ab, wenn du nicht bereit bist.

Ich seufze, setze mich aber brav auf den Stuhl und lasse Clarissa ihre Arbeit machen. Wenn sie da ist, fühle ich mich immer wie in normales Mädchen, weil sie mich auch so behandelt.

 

Es klopft und Jake kommt rein. „Ich hab dein Getränk Sel. Lass es dir schmecken.“ Er drückt es mir in die Hand und will schon wieder verschwinden, doch er bleibt in der Tür stehen und dreht sich noch mal um.

„Dein Vater lässt übrigens ausrichten, dass du in zwanzig Minuten fertig sein sollst.“ Damit verschwindet er. Ich verstehe ihn manchmal einfach nicht. Wenn wir alleine sind, ist er mein bester Freund, aber sobald jemand anderes im Raum ist, distanziert er sich von mir.

Die nächsten zwanzig Minuten schweige ich. Clarissa übernimmt das Reden für uns beide.

Zwischendurch trinke ich immer mal aus meinem Glas und bin dabei so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht merke, wie Clarissa mir was gesagt hat.

„Hallo. Bist du noch da Seline? Ich rede mit dir?“ Ich schrecke auf. „Was? Ähh ja. Bin da.“ Meine beste Freundin schüttelt den Kopf. „Was ist denn heute mit dir los?“ 

„Hab nur nachgedacht“, murmle ich.

Clarissa muss nur noch mehr lachen. „Na wenn du NUR nachgedacht hast. Aber ich muss dich jetzt bitten, schnell auszutrinken, damit ich deine Lippen machen kann.“ Ich nicke und schütte das Mischgetränk in einem Zug runter. Hoffentlich war es nicht zu stark.

Nachdem ich endlich fertig gestylt bin, gehe ich auf direktem Weg zu Dad.

Er wartet wie jedes Mal bei den Technikern auf mich, damit ich mitentscheiden kann, ob das Licht in der ersten Hälfte gut war, und ob man noch etwas verbessern kann.

Aber heute konnte ich mich beim Singen nur auf meine Halsschmerzen konzentrieren, und deshalb weiß ich jetzt nicht, was wir am Licht noch verbessern können.

„Was sagst du dazu Seline?“ Ich schrecke auf. Hat mich jemand gerade angesprochen?

„Hm? Was ist los?“, frage ich in die Runde.

Mein Vater sieht mich komisch an. „Ich habe dich gefragt, was du von meiner Idee hältst, bei deiner Ankündigung ein paar Special Effects einzubauen. Also. Was ist?“

Ich muss gar nicht lange überlegen, sondern stimme sofort zu. „Klar. Können wir gerne machen.“ Dad schaut besorgt. „Alles in Ordnung mit dir? Du bist so abwesend.“

Abwesend? Ich?

„Ja klar. Warum sagst du denn, dass ich heute abwesend bin?“

Jetzt guckt Dad noch besorgter. „Geht’s dir gut? Du hast heute noch nicht einmal gesagt, dass die Lichter nicht perfekt sind, oder dass irgendetwas anderes nicht perfekt war.“

Okay. Jetzt verstehe ich seine Sorge. Ich bin Perfektionistin. Deshalb muss bei mir immer alles stimmen. Und ich finde immer irgendwas, was nicht perfekt ist. Manche würden sagen, ich wäre eingebildet, aber das bin ich nicht. So bin ich eben nun mal. Es muss immer alles perfekt sein. Nicht, dass das jetzt rüberkommt, als wäre ich nicht dankbar, für meine Chancen. Das bin ich auf jeden Fall.

„Ja. Warum sollte es mir nicht gut gehen? Nur weil ich einmal nicht meckere?“ Ich sehe Dad verletzt an. So denkt er also über mich. Mein verletzter Ausdruck ist zwar nur gespielt, aber das merkt mein Vater nicht.

Stotternd versucht er seine Worte rückgängig zu machen.

„N…nein so meinte…ich das nicht…Seline bitte…ich finde es schön, dass du nichts auszu…setzten hast.“ Ich lieb meinen Dad zwar, aber jetzt macht er sich zum Affen. Als ob ich wegen seiner Worte beleidigt, oder sogar verletzt wäre.

„Dad. Es ist alles gut.“

Toby, der Manager von Jake, kommt und klatscht in die Hände. „Also Leute. Kommt. Es geht gleich weiter. Und Seline, mit gleich meine ich in fünf Minuten. Also los. Auf die Bühne mit dir.“ Ich nicke und freue mich so abnormal auf diese Hälfte, wie schon lange nicht mehr.

Vielleicht liegt es daran, dass mein erster Song ein noch unveröffentlichter ist, und meine Fans ihn heute zum Ersten mal hören. Oder es liegt an der Bekanntmachung, die ich heute loswerde.

 

„Fünf…vier…drei…zwei…eins…und los geht’s.“ Dad schickt mich raus und schon stehe ich wieder im Scheinwerferlicht und ich höre meine Fans schreien.

Ich fühl mich frei. Das Lied beginnt, und ich schließe für einen kurzen Moment die Augen. Wie die Fans es wohl finden? Schließlich singe ich das erste Mal auf meinen Konzerten einen unveröffentlichten Song. Ich fange im perfekten Moment an, und sofort fangen meine Halsschmerzen wieder an.

Mist. Die habe ich ja total vergessen.

Aber schon wie bei der ersten Hälfte versuche ich sie so gut wie möglich zu ignorieren. Das gelingt mir auch ganz gut. Das erste Lied ist am besten von allen angekommen.

Ich vergesse wie immer für die nächste Zeit, dass ich ein Konzert gebe und verliere mich in meiner Musik. Das war schon immer so. Und ich liebe es.

 

Die letzten Töne meines Liedes „Good Bey“ verklingen.

Tosender Applaus erklingt und ich werde wieder in die Realität zurückgezogen.

Ich lächle meinen Fans zu und eine Sekunde später kommt Jake an meine Seite. Jetzt ist es also so weit.

Ich nehme Jakes Hand. Für alle anderen anwesenden muss es so aussehen, als ob wir glücklich verliebt wären und auch in der Öffentlichkeit Händchen halten würden, aber ich mache das nur, weil mir seine Präsenz Kraft und Selbstvertrauen gibt.

Jake nimmt sein Mikro in die Hand und fängt an zu reden. Dafür bin ich ihm unendlich dankbar, denn mein Hals brennt höllisch und ich habe das Gefühl, dass ich kein Wort mehr rauskriege.

„Hi. Ich schätzte ihr wisst ja alle wer ich bin.“ Das Publikum kreischt als Antwort. „Also. Jetzt fragt ihr euch bestimmt, was das hier soll, weil es ja nicht üblich ist, dass ich auf der Bühne und nicht hinter ihr stehe. Natürlich bis auf die paar wenigen Songs bei denen ich Seline unterstütze.“ Ich habe das Gefühl, dass mein Hals in Flammen steht. „Und jetzt stehe ich hier, und wir beide haben etwas zu verkünden. Viele von euch haben uns auf Instagramm, Facebook und den ganzen anderen Sozial Media Plattformen immer wieder nach einem Privatkonzert gefragt. Und jetzt könnt ihr euch sicher denken, dass wir nicht einfach in eurem Garten auftreten können. Das würde sofort Fragen aufwerfen. Deshalb haben wir mit unseren Managern über eine Alternative gesprochen. Und da kam Seline hier eine großartige Idee.“

 Mein Name fällt und jetzt ist es wohl an mir, die Schmerzen zu vernachlässigen und meine Idee preisgebe. Deshalb sehe ich meine Fans lächelnd an, bevor ich anfange zu erklären.

„Genau. Mir kam die Idee, wir könnten einen Wettbewerb machen. Zwischen den Schulen auf der ganzen Welt. Wenn die Schule zustimmt, könnt ihr uns Videos zuschicken, wo ihr einen Song von mir oder Jake singt. Wir werden alles auf verschiedenen kleinen Zetteln aufschreiben und am Ende dieses Jahres alles in einen Topf schütten und losen, in welcher Schule wir auftreten. Wichtig ist aber, dass jeder nur ein Lied singt. Je mehr Schüler mitmachen, desto größer ist die Gewinnchance. Aber damit die Schule überhaupt teilnehmen kann, brauchen wir vor der ersten Einsendung eine Einverständniserklärung des Schulleiters.

Am Ende dieses Jahres werden Jake und ich je einen Zettel ziehen. Somit können zwei Schulen gewinnen. Wir freuen uns auf eure Einsendungen.“

Und mit diesen Worten gehen wir winkend von der Bühne runter. Die Menge jubelt uns hinterher.

 

Hinter der Bühne werde ich sofort von Dad in die Arme genommen. „Das war super Seline. Wirklich. Toll gemacht.“

Ich sehe ihn dankend an und mache mich dann auf den Weg in meine Kabine. Dort ziehe ich mir als allererstes etwas Gemütliches an. Ein dunkelblaues T-Shirt mit der Aufschrift LA und meine schwarze High-Waist Hotpants. Dann mache ich mir meine Haare auf, nur um sie später wieder zu einem unordentlichen Dutt zu frisieren. Meine übermäßige Schminke wasche ich mir schnell ab und schminke mich dann naturell. Das heißt Mascara, Lippenstift und Liedstrich. Fertig.

 

Es klopft an der Tür. Ich will gerade „Herein“ sagen, da geht die Tür auch schon auf. Es ist Jake, der mich besorgt mustert. „Und jetzt mal ehrlich. Was ist mit deiner Stimme los? Du klingst gar nicht gut.“ Er redet nie um den heißen Brei rum. Ich schlucke.

„Naja…keine Ahnung was los ist. Gestern war ich noch total fit und heute tut mein Hals plötzlich weh und ich kann kaum noch singen.“ Lügen bringt bei ihm genauso wenig wie rausreden. Jake durchschaut mich schon seit ich denken kann. „Und du bist sicher, dass es erst heute angefangen hat? Das kommt doch nicht einfach von einem Tag auf den anderen.“

„Jetzt wo du es sagst… ich habe schon seit einiger Zeit Schwierigkeiten beim Singen. Immer wieder habe ich Halsschmerzen und meine Stimme kratzt auch.“

Ich sehe schuldig zu Boden. „Was?! Warum hast du das nicht schon früher gesagt? Hast du auch mal dran gedacht, dass es was Ernstes sein könnte?“ Natürlich…nicht. Es ist doch auch normal, dass, wenn die Stimme jeden Tag zum Singen genutzt wird, sie irgendwann mal kratzig klingt.

Jake sieht mich an. „Weiß dein Vater davon?“ Ich schüttle nur mit meinem Kopf.

„Warum wundert mich das nicht“, stöhnt er. Er greift nach meiner Hand. „Na komm. Am besten wir sagen es ihm jetzt gleich. Du weißt doch nur zu gut wie er ist, wenn er es von jemand anderem erfährt.“

Weil ich mich noch genau an das letzte Mal erinnern kann, stimme ich meinem besten Freund zu.

Zusammen gehen wir meinen Vater suchen. Er steht beim Inhaber des Gebäudes, wo ich mein Konzert hatte und unterhält sich mit ihm.

Wir warten brav bis sie fertig sind. Jedem Kind wird schließlich beigebracht, dass, wenn Erwachsene sich unterhalten, man nicht reinsprechen darf.

Als sie fertig sind, gehe ich auf Dad zu.

Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und fange an.

„Dad. Ich muss dir was sagen…“

 

Kpitel 2

Jetzt sitzen wir also alle drei im Auto. Dad, Jake und ich. Sofort als ich es meinem Vater gesagt hatte, dass ich kaum noch singen kann wegen der Schmerzen, hat er uns beide ins Auto gescheucht.

„Dad, wo fahren wir hin? Unser Haus liegt in der anderen Richtung.“ Dad gibt mir keine Antwort. Er starrt stur aus dem Fenster.

Diesen Blick kenne ich nur zu gut.

Mein Vater sieht um Jahre gealtert aus. Das letzte Mal als ich so sah, war vor ein paar Jahren, als meine Mutter uns verlassen hatte.

Jake stöhnt auf. „Sel. Wie bringen dich zum Arzt. Nicht, dass es irgendwas Schlimmeres ist.“ Ahh. Aber Stopp. „Und warum kommt Dr. Anderson nicht wie immer zu uns?“ Er kommt immer zu uns nach Hause, wenn mal was sein sollte.

„Weil wir nicht zu Dr. Anderson fahren. Wir fahren zu einer speziell ausgebildeten Ärztin für die Stimme. Sie hat schon vielen Sängern helfen können. Aber wir hoffen natürlich, dass sie dir nicht helfen muss“, unterbricht Dad die Stille.  

Natürlich. Wahrscheinlich ist das so eine große schlanke, die total streng ist und irgendeine Krankheit diagnostiziert, von der noch kein Schwein gehört hat.

Jake merkt, wie meine Laune immer weiter sinkt und stupst mich mit dem Knie an. „Na komm schon. Du wirst schon nichts Ernstes haben. Dann kann die Tour ohne Probleme weiter gehen und du wirst deine Fans nicht enttäuschen.“

Er lächelt mich aufmunternd an. „Und was wenn nicht? Was ist, wenn ich nie wieder so singen kann wie früher? Eine Sängerin ohne Stimme. Wie scheiße ist das denn bitte?“

Ich will die Worte vor lauter Verzweiflung schreien, aber es kommt nur als leises flüstern heraus. Zu mehr bin ich nicht im Stande.

 

Die restliche Autofahrt schweigen wir. Dad starrt weiter aus dem Fenster, genauso wie ich. Die Landschaft von LA zieht an uns rasend schnell vorbei.

„Sir. Wie sind angekommen.“ Unser Chauffeur John steigt aus dem Wagen aus, nur um meinem Dad die Tür zu öffnen. Dieser steigt ebenfalls aus, ohne sich bei John zu bedanken. Das ist immer so. Ich liebe meinen Dad wirklich, aber ich finde, er könnte etwas netter zu unseren Angestellten sein. Aber er meint immer, dass sie nur zum Arbeiten da sind, und nicht, um Freundschaft zu schließen.

Ich kenne John schon mein ganzes Leben. Zwar bin ich erst seit ein paar Jahren so berühmt wie heute, aber reich ist unsere Familie schon immer gewesen. Mum hatte hier in LA eine eigene Kosmetikkette, die immer noch steht. Nur wird sie nicht mehr von unserer Familie geleitet.

„Dad.“ Ich sehe meinen Vater mahnend an. Er seufzt und murmelt ein leises „Vielen Dank John.“ John lächelt leicht. Und ich auch. Schließlich hat ein kleines Danke noch nie jemanden umgebracht.

 

Jake nimmt meine Hand in seine. Er ist noch nervöser als  ich. Das sieht man ihm an.

Dad kommt an meine andere Seite und sieht mich ermutigend an. „Das wird schon Seline.“ Und so gehen wir in das riesige Gebäude, das vor und steht.

Jake an meiner linken und Dad an meiner rechten Seite.

Wir betreten die Eingangshalle und gehen zur Rezeption. Während Dad mich anmeldet, sehe ich mich neugierig um. Die Wände sind in einem schlichten weiß gehalten, mit schönen Sprüchen. Da stehen welche, die einen ermutigen sollen, die anderen aber sprechen die bittere Realität aus.

„Vielen Dank. Na komm schon Seline.“ Wait. What? Ich sehe Jake fragend an. Was soll ich jetzt machen? Mein bester Freund muss sich ein Lachen unterdrücken. Dad ist schon voraus gegangen. „Wir gehen jetzt ins Wartezimmer“, flüstert er mir ins Ohr.

 

Das Wartezimmer ist toll. Nicht so wie ein stinknormales mit Plastikstühlen und in paar Zeitschriften. Nein. Die Wände sind in hellblauen Tönen gehalten. Es hängen viele Bilder von den Ärzten, die hier arbeiten und den bekanntesten Patienten an der Wand. Anstatt der Plastikstühle gibt es schwarze Ledersessel mit je einem Tisch davor. Auf den Tischen, die übrigens aus Glas sind, steht immer ein Laptop. Auf ihnen laufen Filme, oder Live-Übertragungen von verschiedenen Konzerten auf der ganzen Welt.

„Wow. Das nenne ich mal ein Wartezimmer“, schwärme ich. Jake lächelt mich von der Seite an. „Hier kommen nur die reichsten der Reichen hin Sel. Da sollten nicht nur die Ärzte super sein, sondern auch die Innenausstattung.“

Ich sehe mich um und kann gerade mal fünf Leute ausmachen, die hier warten müssen. Also kann es ja eigentlich nicht lange dauern, bis ich dran bin.

Ein kleines Mädchen, was so circa zehn Jahre alt ist, sieht sich gerade um, bis ihr Blick auf mich fällt. Ihre Augen weiten sich. „S…Seline? A…aber was ma…machst du denn hier? D…du warst doch ge…gerade auf deinem Konzert. Ich habe es von hier aus gesehen…“ Ich schaue sie lächelnd an. „Ja das stimmt. Sie war gerade noch dort. Aber…Seline kann jetzt kaum noch reden und deshalb mussten wir hier her kommen“, antwortet Jake für mich. Dafür bin ich ihm unendlich dankbar. Denn wie er schon richtig gesagt hat, ich kann wirklich kaum noch sprechen.

Das kleine Mädchen sieht mich schüchtern an. „Bekomme ich vielleicht ein Autogramm?“ Oh, wie süß! Ich fühle mich geschmeichelt. Es kommt zwar jeden Tag vor, dass ich nach einem Autogramm gefragt werde, aber das ist einfach nur…voll niedlich, wie sie mich so schüchtern ansieht und leicht lächelt.

Ich nicke und gehe auf sie zu. „Für wen soll es denn sein, Süße?“, frage ich sie flüsternd. Jap. Lauter kann ich wirklich nicht mehr reden.

„Für Sophie. Bitte.“ Sie gibt mir ihr Buch, das sie gerade gelesen hat. „Kannst du darin unterschreiben? Es ist mein absolutes Lieblingsbuch.“ „Natürlich.“ Ich nehme einen Kuli, den mir Jake reicht und fange an zu schreiben.

Für Sophie.

Dann sehe ich sie an. „Warum bist du denn hier?“ Sie sieht schüchtern nach unten. „Ich habe Knötchen, weil ich zu viel spreche.“

Die Arme. Knötchen sind das Schlimmste. Dann fällt mir was ein. Ich mache ihr Buch wieder auf und schreibe weiter.

Dafür, dass du dein ganzes Leben so viel reden und singen kannst wie du willst und deine Träume irgendwann alle erfüllt werden.

Deine Seline

 

„Sophie McMorty?“ Das Mädchen wird aufgerufen. Sie ist die Vorletzte im Raum. Jetzt muss nur noch ich dran kommen. „Die nächsten sind wir.“ Jake umarmt mich zärtlich. Ja. Die Nächste bin ich. Ich fange unwillkürlich an zu zittern. „Hey. Es wird alles gut. Du hast schon nichts Ernstes.“

Wir sitzen so noch etwa zehn Minuten, bis auch ich endlich aufgerufen werde.

Als wir zum Zimmer gehen, nimmt Jake meine Hand.

 

„Hallo Seline. Ich bin Mrs. Bennet. Wie schön dich endlich mal kennen zu lernen. Meine Tochter ist ein sehr großer Fan von dir. Aber natürlich hätte ich gehofft, wir hätten uns unter freundlicheren Umständen kennen gelernt“, beendet sie ihren kleinen Redeschwall. Sie lächelt mich an. Mrs. Bennet ist eine kleine, etwas rundlichere Frau, mit rot gefärbten Haaren und einer runden Brille vor ihren blauen Augen. Ich schätze sie so auf Mitte vierzig bis fünfzig.

„Aber das ist jetzt Nebensache. Also, warum genau bist du heute hier?“

Sie sieht mich auffordernd an. „Seit einiger Zeit habe ich Schwierigkeiten beim Singen. Heute ist es dann besonders schlimm gewesen. Ich habe meine Welttournee begonnen und mein Hals hat höllisch gebrannt. Und jetzt kann ich kaum noch sprechen“, beende ich meine Erklärung. „Hmmm. Wie lange geht das schon so? Ich brauche eine ungefähre Zeit“, erklärt sie mir.

Ja. Wann hat das begonnen…

„Ich denke, vor etwa einem Monat. Vielleicht aber auch zwei. Ich bin mir nicht sicher.“

Sie fragt mich noch etwas aus und bittet mich am Ende, etwas zu singen. „Ich habe eine vage Vermutung, was es sein könnte, aber dafür müsste ich noch einmal höre, wie deine Stimme klingt, wenn du sie beim Singen gebrauchst.“ Ich nicke und fange an, mein wohl bekanntestes Lied zu singen. „…How to love.“, ende ich. Mein Hals steht förmlich in Flammen.

„Ich denke, ich weiß ganz genau was du hast Seline. Hast du schon mal etwas von Knötchen gehört?“ Ich nicke unsicher. „Sie werden auch Stimmlippenknötchen genannt. Bei Sängern gibt es eine besondere Form. Die so genannten Sängerknötchen. Du hast sie schon ziemlich lange. Ich weiß nicht, ob da eine normale Stimmtherapie noch hilft.“ Jetzt schaut sie meinen Vater an. „Ich würde einen chirurgischen Eingriff empfehlen. Und danach darf sie erst mal eine Zeit lang nicht singen. Wenn sie Knötchen nicht so schnell wie möglich loswird, besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass Seline sonst nie wieder singen kann.“

 

Ich bin geschockt. „A..aber warum habe ich denn Knötchen? Wie können die entstehen?“ Nie wieder singen. Das wäre die Hölle. Ein Albtraum für jeden Sänger.

„Stimmbandknötchen können entstehen, wenn man die Stimme zu oft benutzt. Bei Sängern besteht immer eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie Knötchen bekommen können. Das passiert leider sehr häufig.“

Jetzt meldet sich auch Dad zu Wort. „Würden sie uns irgendeinen besonderen Arzt empfehlen Dr. Bennet?“

Er sieht mich besorgt an. Dad weiß, wie viel mir das Singen bedeutet.

„Ein guter Bekannter hat sich auf dieses Fachgebiet spezifiziert. Ich könnte ihnen einen sofortigen Termin besorgen, dass könnte sonst etwas dauern. Allerdings arbeitet und wohnt er in New York.“

 

New York. Was für ein Zufall. Da wohnt meine Mum mit ihrer neuen Familie.

„Wir würden gerne einen Termin haben.“ Warte. Was? Das heißt ja, dass ich nach Ney York muss!

„In Ordnung. Ich würde mich morgen bei ihnen melden, wann sie den ersten Termin haben. Ich denke, dass er gleich an diesem Tag operieren wird. Seline, deine Knötchen sind sehr stark ausgeprägt, deshalb ist es besonders wichtig, dass du sie so schnell wie möglich losbekommst. Aber danach darf man erst einmal ein paar Tage überhaupt nicht sprechen. Genauere Informationen kann ich ihnen leider nicht geben.“

Dr. Bennet sieht meinen Dad lächelnd an. „Ich wünsche ihnen eine gute Heimreise und viel Erfolg.“

Sie schüttelt uns allen noch die Hand und wir verlassen die Arztpraxis.

 

Im Auto lehne ich mich an Jake an.

Meine Augen werden immer schwerer aber ich versuche, nicht einzuschlafen.

Jake, der meine Gedanken wohl erraten hat flüstert mir ins Ohr: „Es war ein harter Tag Sel. Du kannst ruhig schlafen. Und morgen früh können wir alles besprechen.

Er gibt mir noch einen Kuss auf meine Stirn und ich schlafe ein.

 

In der Nacht träume ich von meiner Mum. Wie sie mich in die Arme genommen hat, als ich noch klein war, wie sie mir immer versichert hat, für mich da zu sein und dann von dem Morgen, an dem sie plötzlich nicht mehr da war.

Sie hatte mir einen Brief hinterlassen, indem sie mir alles erklärte.

Sie hatte einen Mann gefunden, den sie über alles liebte und deshalb mit Dad nicht mehr zusammen sein konnte.

Mum schrieb, dass sie von nun an in New York wohnen würde, wo ich sie immer besuchen konnte. Bis heute habe ich sie nicht wieder gesehen.

 

Mit dieser Erkenntnis werde ich wach. Tränen fließen mir die Wangen hinunter und ich wische sie schnell weg. Jetzt bloß nicht sentimental werden. Sie hat mich verlassen und mich nie gefragt, ob ich sie mal besuchen möchte.

 

Am Morgen sitze ich mich Dad beim Frühstück, als es plötzlich klingelt. Ich sehe ihn an, aber mein Vater regt sich nicht. Also stehe ich seufzend  auf und gehe selbst. Mein Armes Frühstück.

Ich mache die Tür auf und stocke. Vor mir steht ein Postbote. Zum Sonntag!

„Sind sie Seline Cass?“, fragt er mich. Ich nicke verwirrt. Was will der denn hier? Haben nicht eigentlich alle an einem Sonntag frei?

Ohne ein weiteres Wort überreichter mir ein kleines Päckchen, das mir gar nicht aufgefallen ist, und geht.

 

Ich gehe verwirrt wieder in die Küche zurück. Dad blickt von seiner Zeitung auf. „Wer war das?“ „Ein Postbote. Jedenfalls nehme ich das an, denn er hat mir das Päckchen gegeben.“ Ich halte es unschlüssig hoch. „Zu einem Sonntag? Was ist denn drin?“ Jetzt habe ich Dads volle Aufmerksamkeit. „Ich weiß nicht. Hast du etwas bestellt Dad?“ Er schüttelt den Kopf.

Jetzt werde ich aber auch neugierig. Ich hole ein Messer, damit ich das kleine Päckchen aufmachen kann.

 

„Was ist das?“ Dad hat sich zu mir gestellt und sieht ungläubig auf den Inhalt runter.

„Sieht aus wie eine ganze Sammlung von Briefen. Aber von wem sind die?“

Ich sehe auf den Absender. Collin Black. „Wer ist das?“ Ich zeige auf den Absender. „Ich weiß es nicht Seline. Aber wir werden es rausbekommen. Versprochen. Du kannst ja einen der Briefe mal aufmachen und schon lesen, während ich mich über diesen Collin schlau mache. In Ordnung?“ Ich nicke und mein Vater geht aus der Küche. Wahrscheinlich in sein Arbeitszimmer.

Ich nehme den obersten Brief. Darauf steht eine Zahl. Zwei. Auf dem nächsten ist eine Drei. Ich suche die Eins. Es sind sechs Briefe. Von zwei bis sieben durchnummeriert. Nur die Eins fehlt. „Was soll das?“, frage ich mich.

Ich nehme alle Briefe aus dem Karton. Vielleicht ist er ja an die Seite gerutscht. Ich sehe noch einmal genau hin. Erst jetzt bemerke ich den kleinen Zettel mit der fein säuberlichen Handschrift. Ich nehme ihn heraus und fange an zu lesen.

 

Liebe Seline.

Ich bin mir sicher, du wunderst dich, warum du diese sechs nummerierten Briefe von mir bekommen hast. Und warum die eins fehlt. Aber den ersten hast du schon vor so langer Zeit von mir bekommen. Erinnerst du dich daran? Wahrscheinlich nicht. Da warst du Zehn Jahre alt. An deine Karriere als Sängerin war noch nicht einmal zu denken mein Liebling. Und jetzt bist du schon sechzehn und weltweit berühmt. Ich sehe mir jeden Auftritt, jedes Interview von der aus der Ferne an. Aber nun wieder zu den Briefen. Ich war die letzen Jahre nicht bei dir. Und das tut mir leid. Ich war nicht dabei, als du deinen ersten Freund hattest, und danach konnte ich dir nicht bei deinem ersten Liebeskummer helfen, ihn zu überwinden. Du musst wissen, dass ich dich vermisse. Aber ich bin glücklich mit meinem Leben hier. Ich habe einen Mann gefunden, der mich über alles liebt und habe mir en neues Leben aufgebaut. Nur du fehlst, um dieses Leben perfekt zu machen. Ich habe versucht dich zu kontaktieren, aber ich habe dich nie erreicht. Dein Vater sagte, du willst mich nie wieder sehen, und das habe ich respektiert. Aber ich habe dir zu jedem deiner Geburtstage einen Brief geschrieben. Diese habe ich dir mitgegeben.

Aber jetzt fragst du dich bestimmt, warum ich dir sie schicke. Du musst wissen, dass ich mir nichts sehnlicher wünsche als dich in meine Arme zu schließen. Und jetzt bist du schon sechzehn Jahre alt. Ich lade dich, nach all den Jahren, zu uns nach Hause ein. Außerdem würde ich mich freuen, wenn du an einem ganz bestimmten Tag bei mir wärst. Ich weiß es ist ungerecht, es dir in einem Brief zu erzählen, aber ich werde bald heiraten. Vor einem halben Jahr habe ich einen Antrag bekommen und Ja gesagt. Mir fehlt immer noch ein Kleid, und ich wünsche mir, dass du es mit mir aussuchen kommst. Ich weiß es ist viel verlangt. Aber du bist meine Tochter. Und ich habe nie aufgehört an dich zu denken.

In Liebe, Mom.    

 

Und jetzt? Tränen fließen mir die Wange entlang und tropfe auf den Zettel in meiner Hand. Ich wische sie schnell weg, aber es kommen unaufhörlich neue. Meine Mutter wird heiraten. Und sie hat mich eingeladen, zu ihr zu kommen. Und mit ihr ein Kleid auszusuchen.

Aber warum meldet sie sich jetzt? Jetzt, wo ich ja sowieso nach New York muss.

Ich höre hinter mir Schritte und gleich darauf werde ich von hinten umarmt.

Es ist Jake. Jetzt brechen bei mir alle Dämme. Ich fange an leise zu schluchzen.

„Hey Sel. Nicht weinen. Was ist denn passiert?“

Er dreht mich um und versucht mir in die Auge zu sehen, aber ich weiche seinem Blick aus. Stattdessen reiche ich ihm den Zettel und setze mich auf einen der Stühle.

Mein bester Freund lässt seinen Blick aufmerksam über die Zeilen gleiten. Dabei verfinstert sich sein Blick immer mehr. Als er fertig ist sieht er auf.

„Und was willst du jetzt machen? Ich meine du musst nicht zu ihr, das ist dir klar, oder?“  

Ich nicke.

 

In diesem Moment kommt Dad wieder ins Zimmer.

Er sieht mich fragend an. Ich weine immer noch, nur dass das Schluchzen aufgehört hat.

„Was ist los?“

Ich sehe starr an ihm vorbei, also wendet er sich an Jake. „Jake, was ist los?“, wiederholt er seine Frage. Jake fährt sich durch die Haare, was darauf hindeutet dass er ziemlich ratlos ist. „Bitte, Mr. Cass, rasten sie jetzt nicht aus.“ Jake atmet einmal tief durch und fängt dann an zu erzählen. „Seline hat eine Einladung von ihrer Mutter bekommen. Sie wird heiraten und wünscht sich, dass Sel dabei ist…“

Am Ende seiner Erklärung setzt sich Dad neben mich. „Du weißt, dass du nicht zu deiner Mutter musst, oder Seline? Sie hat sich seit dem nicht einmal bei ihr gemeldet und jetzt möchte sie, dass du zu ihrer Hochzeit gehst? Ich wusste ja schon immer dass deine Mutter ein…“ Er räuspert sich. „Na ja ist ja auch egal. Ich möchte, dass du deine eigene Entscheidung triffst. Wenn du nicht hingehen willst, dann gut. Aber ich werde dich auch nicht zwingen hier zu bleiben.“ Er klopft mir auf die Schulter und fügt dann noch hinzu: „Jetzt wissen wir auch, was es mit diesem Collin zu tun hat. Aber ich habe jetzt noch einen Termin mit der Presse. Heute Abend gehen wir alle zusammen essen. In Ordnung?“ Er gibt mir noch einen Kuss und verlässt das Zimmer. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen ist sieht Jake mich an. Und dieses Mal erwidere ich seinen Blick. Dad hat Recht. Warum sollte ich zu einer Frau gehen, die mich so viele Jahre allein gelassen hat? ich habe meinen Entschluss getroffen.

 

Jake, der offenbar meine Gedanken gelesen hat, sagt: „Du hast deine Entscheidung bereits getroffen, oder?“

Ich nicke entschlossen. „Ja. Jake, wir werden eine tolle Zeit in New York haben. Aber mit Dad. Zu meiner Mom bringen mich keine zehn Pferde.“

Und damit fängt ein wundervoller Tag mit Jake und der Promenade von LA an.  

    

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 24.06.2018

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /