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Die Zeit läuft..




Im Winter vor ein paar Jahren, hab ich es gesehen.
Es hat nicht geschneit, es war nicht kalt aber ich habe geweint.
Geweint um das Glück, dass ich in diesem Augenblick verloren hatte.Das es nie wieder möglich war es zurück zu bekommen. In dieser Nacht konnte ich all die unendlich vielen Sterne zählen und das Blut spüren, dass zärtlich an meinen Wangen mit den Tränen herunter rann.. Es war nur ein Augenblick, ich würde ihn im nächsten Moment vergessen. Ich sehe noch alles vor mir. Der Mond, den schneebedeckten Weg, die schwarzen Silhouetten, das hektische Lachen und das knirschende Eis unter meinen Fußsohlen. Etwas das als ein ganz normaler Abend begann hat mir alles genommen. Meine Zukunft, meine Vergangenheit, mein Leben.



Klatsch. „Wach endlich auf Celty..“ . Noch einmal Klatsch. „Wir kommen wieder zu spät wegen dir!“, versuchte mich Jocke offensichtlich genervt zu wecken.
„Ich gebe es auf, hol den Eimer Lydi“ schrie er weiter.
Im nächsten Moment wurde ich mit Eiskalten Wasser übergossen.
„AAAHHH“, kam es aus meinem Mund. Ich starrte Jocke schlecht gelaunt an und hoffte er bekäme ein schlechtes Gewissen. Dieser wandte sich ab und verließ immer noch genervt mein unordentliches Zimmer. Lydi hingegen kicherte fröhlich vor sich hin als ich mich klitschnass aus dem Bett schob. Der Tag hat schon mal gut angefangen. Ich lief barfüßig in das Bad und stellte mich unter die Dusche. Das Wasser strömte erst kalt dann warm aus der Brause und prasselte mir auf die Haut. Meine Wange schmerzte, warum musste Jocke immer gleich gewalttätig werden? Ohrfeigen um jemanden auf zu wecken war nicht gerade die feine englische Art. Lydi hatte ihren Spaß. Ich hatte nie vermutet das meine kleine Schwester eine Sadistin sei. Mein Gott sie ist erst zwölf! Vielleicht lag das ganze seltsame Benehmen einfach daran das wir keine Eltern mehr hatten, wie andere Kinder.
„Tröste dich Celty, du bist nicht die Einzige, die nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.“, flüstert mir immer eine Stimme in meinem Kopf.
Ich stellte das Wasser ab und nahm das nächste Shampoo von der Ablage das mir in die Augen stach. Lydis pinkes Erdbeershampoo.
Klopf klopf... . „Celty? Du hast noch Zehn Minuten.“ kam es von der anderen Türseite. Schon klar, war das nicht jeden Morgen so? Jocke versucht mich vergebens zu wecken, Lydi kam mit dem Wassereimer, ich ging unter die Dusche und zum Schluss verpassten wir drei doch den Bus. Weil ich mich mit meinem Spiegelbild auseinander setzen muss, weil Lydi ihre Voodoo Puppe nicht finden konnte und Jocke seinen Tee nicht zu ende getrunken hatte bevor die Zehn Minuten um waren. Wir sind drei Chaoten unter einem Dach aus einer Familie.
Mit tropfenden Haaren stand ich nun vor dem Spiegel und stritt mich darum ob ich das weiße oder das schwarze Oberteil anziehen sollt. Ich sagte das schwarze, die Stimme in meinem Kopf das weiße, Kompromisse gab es nicht. „Schwarz passt besser zu roten Haaren.“, argumentierte ich gegen die Stimme, die nicht locker lassen wollte. Ich zog den mausgrauen Pullover aus dem Schrank und schlüpfte in eine blue Jeans. Dann zog ich einen weißen Schal aus der Schublade und legte ihn mir lässig um den Hals. „Kompromiss?“, fragte ich mein Spiegelbild. Keine Antwort.
„Also ja!“ hüpfte ich zufrieden auf und ab. Bevor ich nach unten in die alte Küche stürmte, richtete ich kurz meine Schultasche und nahm Lydis Puppe vom Regal. Am Tisch saß Jocke immer noch mit seiner Tasse Tee und der Zeitung in der anderen Hand. „Ich dachte ich habe nur noch zehn Minuten?“, fragte ich skeptisch.
„Ist es zu viel verlangt, das du nur ein mal pünktlich bist?“, gab er gleichgültig zurück.
Ich verdrehte die Augen und warf Lydi die gesuchte Puppe zu als sie die Treppen runterkam.
Dann zog ich die zwei im Schlepptau aus der Tür und schloss ab. Jocke protestierte nicht einmal wegen seinem Tee, als wir alle zusammen pünktlich beim Bus waren.
Es war Herbst und am Morgen alles andere als warm. Die Blätter färbten sich bunt wie im Frühling alles grün wurde. Es würde bald wieder schneien, wir hatten bereits mitte Oktober.
Seit Anfang letzten Jahres besuchte ich schon die neue Schule und hatte mich gut eingelebt. Jocke besuchte die Universität in der Nähe und Lydi war einige Klassen unter mir an der gleichen Schule.
„Celty! Hast du die Hausaufgaben gemacht?“ fragte mich Mina. Liebenswürdig, zuverlässig, intelligent. Alles was man sich unter einer zukünftigen Abiturientin vorstellte. Aber in mancher Hinsicht genauso verrückt wie jeder andere auch.
„Was für Hausaufgaben?“, erwiderte ich nervös. „Die von letzter Woche,“ antwortete sie sich Kopf kratzend, „ da als Herr Raizen geworden ist.“
Sie sah mich amüsiert an. Ich hatte keine Ahnung wovon sie sprach.
Genau so einen Gesichtsausdruck musste ich wohl gerade machen.
Klatsch. Der Schlag kam von hinten. Irene hatte ihren Block gezückt und mir auf den Hinterkopf gehauen. Ein schallendes Lachen ging durch die Klasse. Irene der Klassenclown. Ihre Kommentare brachten alle Lehrer zum schmunzeln, ihre Aktionen die Klassenkameraden in endloses Lachen.
Vor allem die Deutschlehrerin hatte sich einen Narren an ihr gefressen.
„Schreib sie ab bevor Barbie kommt“, lachte sie laut. Frau Bambine war die Vertretungslehrerin Für Raizel, in der Klasse war sie nur unter Barbie bekannt. Ihre blonden Haarverlängerungen und die pink geschminkten Augen waren einfach Puppenhaft. Ebenso ihr dauerhaftes unheimlich Grinsen und ihre Art wie sie Schüler anstarrte wenn sie auf eine Antwort wartete.
Jedes mal wenn sie den Raum betrat spielte Horrormusik in meinem Kopf ab und ich stellte mir vor wie sich das Bild Stück für Stück an ihr Gesicht heran zoomte. Dann dreht sie den Kopf zur Seite und plötzlich schreite jemand.
Aber ich war nicht die Einzige die sich das Vorstellte.
Man musste nur die anderen Schüler beobachten und man konnte das gleiche von ihren Gesichtern ablesen. Die Tür schloss sich lautstark. Warum jetzt ich bin noch nicht fertig mit abschreiben!
Alle verstummten und starten Richtung Tür. Jenny stand davor und grinste in die Klasse.
Erleichtertes Gelächter und wirre Gespräche gingen wieder ihre Runde.
„Schreibt sie wieder Hausaufgaben ab?“, fragte Jenny immer noch grinsend, an Mina gewandt.
„Jetzt nicht mehr“, antwortete ich und im selben Moment wurde mir der Block unter der Nase weggezogen. „Gut dann schreib ich jetzt ab.“ , kicherte sie.
„Iri, Jenny schreibt mal eben deinen Text ab“ schrie ich durch die Klasse. Irene saß in der Ecke und unterhielt sich mit einigen Mitschülern. Keine Reaktion. „Sie hört dich wohl nicht.“, sagte Mina lächelnd. Ich saß da und lauschte in die Klasse.
Es wurde über das Wochenende geredet, die nächste Stufenparty, der Schullandheim Ausflug und über sinnlose Witze gelacht. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf die Uhr hinter der Tafel.
Fünf Minuten vor acht. Wir hätten bereits seit 15 Minuten Unterricht gehabt.
Ding, Dong, Dang. „Durchsage Crush Holder Gymnasium, für Heute und Morgen entfällt der gesammte Unterricht für alle Schüler. Verlasst Augenblicklich das Schulgelände. Ich wiederhole durchsage Crush Holder Gymnasium, für Heute und Morgen entfällt der gesamte Unterricht für alle Schüler. Verlasst Augenblicklich das Schulgelände.“ Völlige stille im Zimmer.
Etwas irritiert packten die Schüler ihre Sachen und verschwanden vereinzelt durch die Tür.
Die Stimmung war drückend. Was war passiert das die ganze Schule evakuiert werden musste.
Ich packte meinen Block wieder ein und schob den Kugelschreiber in eine Seitentasche. Jenny verzog missmutig das Gesicht.
„Da hat sich das abschreiben gar nicht gelohnt.“, brummte sie.
„Wenn wir schon alle hier sind, sollen wir dann nicht etwas zusammen unternehmen?“, schlug Mina vor. „Klar, bin dabei“, sagte Jenny und auch Irene schloss sich ohne zu zögern der Gruppe an.
„Ich kann nicht, ich muss vorher meine Schwester suchen. Vielleicht Morgen.“ verabschiedete ich mich bei Mina. „Gut, wenn du meinst. Du kannst auch gerne nachkommen. Wir sind im Café.“
rief sie mir hinterher.
„Warum willst du Lydi suchen? Ich meine wir reden von Lydi! Du kennst sie doch!“, maulte die Stimme in meinem Kopf.
Ja, sie ist wie sie ist. Viel zu unheimlich für ein Kind in ihrem Alter aber trotzdem ist sie nur ein zwölfjähriges kleines Mädchen. Sie hat angst im Dunkeln und zündet deswegen schwarze Kerzen in ihrem Zimmer an, anstatt einfach das Licht an zu machen. Alles andere würde ihrem Zimmer nicht die richtige Atmosphäre verleihen.
Ganze Schülermassen verließen das Schulgelände. Es waren drei Jahrgangsstufen und zwei Sonderklassen für hoch begabte Schüler. Dazu gab es noch die Halbtagesklassen und die Technikklassen.
Ich lief zügig durch die Treppen hinab in den ersten Stock und warf einen Blick in Lydis Klassenzimmer. Leer. Herr Stolz kam mir entgegen. Ich machte auf dem Absatz Kehrt und wollte gerade den Weg zurück gehen. Sprich mich nicht an, Sprich mich bitte nicht an! „Wohin so eilig Fräulein Boltens?“ sprach er bedächtig. Bestimmt mit hochgezogener Augenbraue. Ich drehte mich um und staunte wie sehr ich recht hatte.
„Ich.. öhm.. Ich habe meine kleine Schwester gesucht.“, murmelte ich vor mich hin. „Hast du nicht gehört, alle Schüler sollen Augenblicklich das Schulgelände verlassen!“, sagte er streng. Natürlich habe ich das gehört, wie alle anderen auch, sonst wäre hier noch jemand.
„Ja.. ich gehe sofort..“, murmelte ich weiter und schlich mich leise den Gang entlang. Die Frage warum wir keinen Unterricht hatten verlief sich in meinen Gedankengängen. Als ich das Schulgebäude verließ schien die Sonne und ich verfluchte meine Flammen roten Haare für ihre Auffälligkeit. Auf der anderen Seite der Straße gafften ein paar Jungs zu offensichtlich in meine Richtung. Ich war noch nie der Mensch der gerne im Rampenlicht stand. Die rot gefärbten Haare sollten auch nicht als anzeige Schild dienen, im Gegenteil. Ich kannte so viele Mädchen mit roten Haaren und nun bin ich ein Laufendes Leuchtschild. „Seht her, hier rennt Celty Boltens durch die Gegend!“, schienen meine Haare zu schreien. Ich eilte in den Schatten des nächst größeren Gebäude und setzte meine suche nach Lydi fort. Sie war nicht mehr auf dem Schulgelände, noch im Park oder an der Bushaltestelle.
Lydi war wahrscheinlich schon zuhause. Die Suchaktion war Sinnlos Celty, du hättest einfach mit den anderen in das Café gehen können.
Ich stellte mir vor wie ich in die Runde platzen würde. Alle würden ihre Tassen beiseite stellen und mich anstarren. Dann würde Mina fragen wo meine Schwester sei. Ich würde keine antwort geben, bis Irene mir einen Klapps auf den Hintern geben würde das alle lachten. Dannach würde Jenny mir einen Stuhl zu schieben und die Sache war vergessen. Wir konnten dann über den größten Schwachsinn der Welt diskutieren.
So spielte sich das ganze Geschehen in meinem Kopf ab als ich die Straße entlang ging und vor der Tür unseres Stammcafés stand. Es hatte geschlossen.


- * -

„Lauf! Lauf um dein Leben.. finde SIE koste es, was es wolle!“, schrie ihm Tasha hinterher. Eine dichte Wand schloss sich zwischen ihnen. Ihr Blick sagte es sei alles in Ordung und er wollte ihr glauben. Aber die Wahrheit lies ihn nicht los als er durch den dunklen Tunnel stolperte.
Es war kalt und er dachte daran zurück was gerade eben geschehen war.
„Ich muss hier weg“, flüsterte er. Kalte Schauer durchliefen seinen Körper. Seine Hände waren taub und die Angst saß tief in seinen Knochen. Das Mal an seinem Hals pochte und er wagte es nicht einmal daran zu denken. Er trat auf etwas schleimiges, eine Kröte. Vor Erleichterung fiel er auf die Knie nachdem er einen halben Meter vor dem Tier zurück gewichen war.
Er saß zusammengekauert an der Tunnelwand. „Beweg dich. Du musst hier weg!“, Ging es ihm ein weiteres mal durch den Kopf. Vor seinen Augen wiederholte sich wieder und wieder das Chaos. Celine war gefallen. Der Rat stand kurz vor dem Untergang. Seine schwarzen Haare klebten ihm im Nacken. Er musste weiter. Mühsam richtete er sich auf und tastete sich an der Wand weiter Richtung Ausgang.
Es regnete. Kleine Bäche flossen an den Wänden in den Tunnel und das Wasser stand ihm bereits bis zu den Knöchel. Er konnte nicht umkehren. Sie waren alle Tod. Auch Tasha, seine geliebte Cousine. In seinen Gedanken stand er im Garten vor einem großen Anwesen.
„Du musst lieb zu ihr sein. Sie ist immerhin die Enkelin von Celine“ sagte Tasha strahlend als sie mir eine Blume in die Hand drückte und auf das kleine blonde Mädchen deutete. Sie ging zu dem Mädchen und redete fröhlich mit ihr bis das kleine Mädchen begann in meine Richtung zu laufen. Tasha verschwand und ließ mich mit der Fremden alleine. „Hier! Ich soll dir das geben“, stotterte ich und hielt ihr die Blume entgegen. Sie Lächelte seelig. Was für ein bezauberndes Lächeln. Sie steckte sich die Blume in das geflochtene Haar und begann freudig um mich herum zu tanzen.
Sie rannte aus dem Garten den Hügel hoch. Ich musste die Augen zusammen kneifen, die Sonne blendete. Sie winkte. Es war fast wie ein Abschied.
Er stolperte ein letztes mal aus dem Ausgang und fiel in feuchtes Moos. Sofort richtete er sich auf und blickte sich um. Es war bittere Nacht und unter den dichten Tannen und Fichten verirrte sich nur selten ein bisschen Mondlicht. Es tröpfelte noch immer aber er war froh aus dem kalten Tunnel zu sein, der in die Unterirdische Stadt führte. Einen Moment lang überlegte er einfach sitzen zu bleiben. Sich einfach finden zu lassen. Wer weiß was mit ihm geschehen würde. Er konnte nicht. Äste und dünne Zweige knackten dumpf als er sich durch das Unterholz kämpfte. Alles war Moos bewachsen, ein seltsamer Anblick. Seine Muskeln verkrampften sich und er sank an einem Baum zu Boden. Einige Meter von ihm entfernt raschelte es. Er zuckte zusammen und drehte seinen Kopf langsam nach links. Zwischen dem Gebüsch wurde weißes Fell sichtbar. Ein Hase hüpfte hervor nur um ebenso schnell wieder zu verschwinden. Wie lange war er im Tunnel umher geirrt? Die nächste Stadt sollte nicht allzu weit weg sein doch er fand nicht mehr die Kraft erneut aufzustehen.


Ketten der Königin..




noch in Arbeit ;D

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 17.10.2011

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