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Prolog

 

Gehenna war zu einem Ort geworden, welchen ich nicht wiedererkannte. Unser aller Herr und Meister, Lucifer, war schon seit einer Ewigkeit verschwunden. Von Amon, dem Boten Gottes, welcher zuletzt bei ihm war, war ebenfalls keine Spur mehr. Er war in den Himmel zurückgekehrt. Da Lucifer verschwunden war und Lucifera, seine geliebte Braut und Mutter, sich der Stabilität des Weltgefüges annehmen musste, war es Decus gelungen die vorläufige Macht über Gehenna zu erringen. Als Bruder Lucifers hatte er das Recht dazu. Nicht einmal Lucifera hatte gedacht, nachdem er eine traurige Ansprache zum verschwinden Lucifers an das Volk gerichtet hatte, dieser alles geplant hatte. Lucifera war ihrem ältesten Sohn nicht wohlgesonnen, dennoch hatte sie es ihm erlaubt, anstelle von ihres Liebsten, die Geschicke der Unterwelt zu lenken, während sie im Hintergrund agierte. Diese gewährte Freiheit war eines der ausschlaggebenden Ereignisse warum ich sie traf...

Wie eine Blume im Wind

Es waren 1500 Jahre vergangen und ich war weiterhin für die Truppen Lucifers verantwortlich. Man nannte mich Cain. Biblisch war ich der erste Mörder der Menschheit. Vielleicht war dieser Name nicht all zu falsch. Ich war der erste Soldat der Dämonen. Doch der erste Mörder im Himmelsreich war Lucifera. Dennoch stand ich meinen beiden 'Eltern' in nichts nach. Ich war ein Mann des Krieges. Mein Name war im Dämonenreich, aber auch im Himmelsreich wohl bekannt. Meine rot-schwarze Rüstung machte den Kindern in Geschichten Angst. Mein Auftauchen war das Zeichen für Tod und Zerstörung. Die Hände waren gefärbt mit Blut und meine roten Augen schienen dies wieder zu spiegeln. Die Augen, die ich von Lucifer und Lucifera bekam. Mein Haar war ein Misch aus Schwarz und dunklem Rot. Als würde das Blut meiner zahlreichen Opfer, sich in meinen Haaren wiederfinden. Hinten kurz, vorne mit bis zur Brust gehenden Strähnen versehen. Lucifer hatte mich nicht nur mit Kraft und einem geschärften Geist gesegnet, sondern auch mit Schönheit.

Auch wenn die Dämonen für Decus kämpften und ich sie dazu ausbildete ihrem Herren treu zur Seite zu stehen, war meine Treue immer bei meinem einzigen Herren und Meister Lucifer. Egal wie viel Zeit vergangen war und wie sehr Decus die Macht an sich gerissen hatte und neben seiner Mutter regierte, mein Herz gehörte einzig und alleine Lucifera und Lucifer. So hatte ich nie vor Decus gekniet. All die Jahrhunderte warf ich mich nicht auf die Knie vor ihm. Anfangs hatte er es mich spüren lassen wie sehr er dies verabscheute, doch Luciferas Wort schützte mich. Eigentlich war dieser ungehorsam gegenüber des Herren ein Grund zu sterben, aber Lady Lucifera hatte ihre schützende Hand über mich gehalten.

Doch dies brachte mir auch nichts als Decus mir einen Auftrag erteilte. Diesen hatte ich zu befolgen. Als Heeresführer der dämonischen Armee war es meine Pflicht das Schlachtfeld zu betreten. Oft gab es Zwist zwischen den Reichen. Besonders seitdem Lucifer nicht mehr hier war. Decus hatte den Nichtangriffspakt hinter Luciferas Rücken gebrochen. Als diese es erfuhr und ihn zur Rede stellte, wehrte er sich mit den Worten, dass der Engel Amon ihren geliebten Lucifer und seinen Bruder versiegelt hatte. Ein ebenso hartes Vergehen gegen den Angriffspakt, welchen Lucifer mit Gott, nach dem gescheiterten ersten Armageddon, schloss. So konnte auch die dunkle Lady nichts dagegen sagen. Decus hatte Recht. Innerlich grollte auch sie dem Herren für diese Tat. Nur das er uns allen verschwiegen hatte das dieser im Hintergrund die Fäden gezogen hatte.

Aber nun hatte ich eine Aufgabe bekommen. Erneut gab es eine Auseinandersetzung mit dem Himmelsreich. Da Michael dieses mal mit an der Front war, hatte Decus mich ausgesandt, um diesem entgegen zu treten. Michael und ich waren Kontrahenten. Schon Ionen von Jahren. Anbeginn des Tages, wo Lucifer selbst gegen Gott rebellierte. Wir hatten aufgegeben die Schlachten zu zählen in denen wir uns Gegenüber standen. Doch nie konnte einer den Sieg gänzlich für sich erringen. So war es auch dieses mal. Michael und ich standen uns gegenüber. Unser Kampfplatz war dieses mal der Platz über den Wolken von Assiah. Dort wo das Gehenna Gate und der himmlische Eingang sich auf Assiah trafen. Man konnte es als Verbindungspunkt sehen. Eine große Säule ragte durch Assiah und an ihrer riesigen Plattform die Bannkreise, welche den Durchgang erschaffen würden. Nur Gott, sowie Lucifer und seine Frau konnten diese Durchgänge öffnen. Die Säule war für jene die auf Assiah lebten unsichtbar. Erst nach ihrem Tod konnten sie diese sehen, da ihre Seelen zu dem Turm wanderten, wo Uriel sie empfing und über sie richtete. Denn Uriels Reich, war die erste Station, die eine Seele betrat, bevor sie in den Himmel einfahren durfte, oder in die Unterwelt verbannt.

Der Kampf war im vollen Gange. Michael und ich schenkten uns nichts. Unsere Klingen prallten ohne Gnade aufeinander ein. Immer mit dem Wunsch die Verteidigung zu Durchbrechen und den Gegenüber zu besiegen. Unsere Schläge waren schnell und präzise. Doch unser Schlagabtausch dauerte dieses Mal leider nicht so lange. Als Dämon liebte ich den Kampf, lebte als Heeresführer dafür. Doch die Schlacht wurde nicht durch uns und unsere Armee beendet, sondern durch ein grelles Licht. Wir spürten eine riesige Energie auf uns zukommen. Dies ließ sogar Michael und mich, in unserem Kampfrausch, innehalten. Wir sahen nach oben. Es traf mitten auf der Plattform in die kämpfende Menge. Von welchem Reich diese unbändige Kraft kam konnte ich in diesem Moment nicht sagen. Natürlich hatte ich das Himmelsreich in Verdacht. Immerhin: Warum sollte aus Gehenna eine Kraft kommen, die mich und die Dämonen töten sollte? Das ein riesiger, schwarzer Blitz und all die weiteren, die kamen, alles auslöschten was sich auf der Plattform befand, konnte ich durch das grelle Licht nicht sehen. Michael konnte sich und ein paar seine Leute retten. Ich wurde jedoch getroffen, hatte aber das Glück einem weiteren Einschlag ausweichen zu können, indem ich durch den ersten Treffer nach hinten taumelte und Ohnmächtig von der Plattform fiel. Durch die Wucht der einschlagenden Energie wurde ich weit weg vom Turm geschleudert.

Wie und wo ich aufkam bemerkte ich nicht mehr da meine Ohnmacht tief war. Jedoch landete ich nicht gerade sanft. Ich landete in einem Wald, welcher auf einem Berg war. Die Anwohner des im Tal befindlichen Dorfes hielten mich für einen Kometen, da ich mich solch einer Schnelligkeit in den Wald einschlug, dass man nichts genau erkennen konnte.

Dies war der Grundstein für eine folgenschwere Begegnung...

Gemächlich lief ein junges Mädchen durch den Wald. Nicht älter als achtzehn, oder neunzehn. Während des Laufens, nahm einmal zwei Schritte gleichzeitig und lachte befreit. Dieser Wald war so schön, befand sie. Sie liebte es hier zu sein. Das blaue Haar, welches ihr bis zur Mitte des Rückens ging, wehte im Wind. Sicher war Blau eine ungewöhnliche Farbe, jedoch nicht für diese Frau. Sie war etwas besonderes, auch wenn sie sich in Bescheidenheit übte, so konnte auch die Blauhaarige nicht bestreiten, dass sie jemand war, zu der fast alle Gläubigen aufsahen. Der Grund war, sie war eine Talin. Geboren als heilige Priesterin, mit Engelsblut in den Adern. Ein Nachfahre des großen Amons, dem ersten Talin und Begründer dieses Familiengeschlechts. Die Talin wussten um die Geheimnisse, welche diese Welt umgab. Wussten um ihren wirklichen Namen, >>Assiah<<. Ebenso um Gehenna und das Himmelsreich. Ein Wissen welches ihnen erlaubte Gottes Botschaft, Gottes Weisheiten an die Gläubigen zu bringen.

Dies war sie, die Erbin Amons, Selina Talin.

Doch auch wenn Selina die rechtmäßige Nachfolgerin war, so konnte ich das heilige Amt des Paters nicht Antreten. Es war ihr sogar verboten einen Fuß in das Kloster zu setzen, was Vorfahr erbaut hatte. Alles nur, weil sie das falsche Geschlecht hatte. So wurde ihr schon als Kind eingeschärft, sie solle einen würdigen Partner finden, welcher dazu in der Lage war, das Erbe der Talin fort zu führen. Trotz diesen Umstandes und ihrer wiederkehrenden Trauer darüber, wusste Selina, dass sie Gott, auch ohne ein Pater zu sein, nahe sein konnte. Solange ihr Herz rein war und der Glaube stark, würde auch Gott wohlwollend auf sie Blicken. Auch wenn sie eine Frau war. Nach diesem Prinzip lebte und unterstützte Selina den amtierenden Pater, Joshua Talin, ihren Mann, im Hintergrund, da dieser keine 'Wunder' vollbringen konnte. Dennoch liebte Selina ihn und auch er zeigte ihr seine Liebe, trotz das er jedes Mal weniger erfreut war, wenn Gläubige einen Pater mit blauen Haaren sehen wollten und nicht ihn. Es kratzte an seiner Ehre, besonders da der Familienring ihm keine blauen Haare verpasst hatte und somit gnadenlos zeigte das er nicht der rechtmäßige Besitzer war. Der Ring des Paters, angefüllt mit unbekannter Macht, war der Ring des Engels Amon. Jeder Talin, welcher würdig war die Nachfolge anzutreten als heiliger Pater, bekam blaue Haare und blaue Augen sobald sie den Ring anlegten. Haare und Augen, welche Amon hatte. Sie waren das Zeichen der absoluten Heiligkeit auf Assiah. Joshua hatte diese Haare nicht bekommen, erhob dennoch niemals seine Stimme gegen seine Frau. Dennoch konnte sie es in seinen Augen sehen, dass es ihn beschäftigte, sogar wütend werden ließ. Er versuchte dennoch alles, um liebevoll gegenüber Selina zu sein. Der Beweis seiner Liebe war auch deutlich unter ihrem Herzen zu sehen. Sie war schwanger und kurz davor zu entbinden. Den nächsten Erben der Talin.

Sanft streichelte Selina über ihren runden Bauch, nachdem sie die zwei Schritte gegangen war. Das Baby mochte es wohl nicht so übermütig. So lächelte die junge Mutter nur etwas. „Ist schon gut. Ich werde nicht mehr so wackeln. Versprochen mein Schatz“ war ihr Versprechen. Solange sie noch nicht entbinden würde, wollte Selina noch spazieren gehen. Ihr Mann hatte sie immer wieder gebeten es nicht zu übertreiben, wenn seine Frau auf Wanderschaft ging. Mit einem sanften Kuss und dem Versprechen dies nicht zu tun, hatte sie sich jedes Mal verabschiedet und ihren Gatten besänftigt. So wie dieses Mal.

Es war ihr Plan Kräuter zu sammeln. Dafür hatte sie einen Weidenkorb dabei welcher seitlich unter ihrem Arm hing. Dort waren schon ein paar Gräser, die sie für Abführmittel benutzen konnte. Die Tatsache als Schwangere hin und wieder derartige Probleme zu haben war zwar natürlich, dennoch nicht angenehm. Jedoch würde es ihr nie in den Sinn kommen fremde Pülverchen zu sich zu nehmen. Alle Medikamente und Salben fertigte sie selbst. Rein natürlich. So wie es vor vielen Jahrhunderten getan wurde, ebenso im Himmel und in der Unterwelt. Man konnte Selina als Heilerin bezeichnen, denn ihre Medizin heilte zuverlässig. Joshua verteilte diese an die Leidenden auf Selinas Wunsch. Diese freute sich innerlich, dass ihre Medikamente den anderen halfen, auch wenn sie selbst dafür niemals ein Lob bekommen würde, da niemand den wahren Hersteller dieser heilenden Medizin kannte. Das Lob ging an den Pater des Klosters, Joshua Talin. Selina begnügte sich mit dem Wissen, dass es einen Kranken weniger gab und erfreute sich an dessen Gesundheit. Etwas anderes blieb ihr auch nicht übrig.

Während diese gerade dabei war vorsichtig ein Kraut zu pflücken, war ein Surren zu vernehmen. Überrascht von dem Geräusch wich ihr Blick vom Kraut und wanderte nach oben, wo sie etwas am Himmel vorbeifliegen sah, was mit einem lauten knall, nicht weit weg, einschlug. Der Knall war Laut. Das Herz rutschte ihr in die Hose. Sie hatte nicht einmal etwas Vergleichbares gehört. Erschrocken hielt die Schwangere ihren Bauch, als würde das Baby sich selbst erschrocken haben. Dieser Knall war so unglaublich laut, als wäre etwas explodiert. War es eine Sternschnuppe? Ein Flugzeug? Sie hatte keine Ahnung, doch eines wusste sie sofort in ihrem barmherzigen Denken, Menschen in Not zu helfen. Selina wollte dem Ursprung auf dem Grund gehen und wenn es Verletzte gab, ihnen helfen.

Wie gut das sie so neugierig war. Dies war der Anstoß unserer Veränderung...

Selinas Füße flogen förmlich über die Gräser. Würde man sie rennen sehen, hatte man unweigerlich den Gedanken, sie würde Verfolgt. Eine Hand auf ihrem Bauch, innerlich das Kind um Verzeihung für ihre Hast bittend. Die andere Hand versuchte vergeblich den Kräuterkorb festzuhalten. Doch dieses Unterfangen war spätestens ab dem nächsten Ast,welcher sich nicht so biegen lassen wollte wie sie es sich wünschte, hoffnungslos. Der Korb blieb hängen. Erst wollte Selina anhalten und diesen zurück holen, aber dann ließ sie ihn doch dort hängen. Der Wunsch zur Einschlagstelle zu kommen war größer, schon fast unbändig. Es war schon fast so als würde etwas dort die junge Dame hinziehen. Ein Verlangen. Ein Verlangen welches sie die ganze Zeit unterdrückt hatte. Während Selina sich durch das enge Gestrüpp kämpfte, hatte neben dem bloßen Wunsch zu helfen, sich auch noch ein anderer Gedanke eingeschlichen. Das dieser Einschlag ein Zeichen Gottes war, worauf die Frau seit Ewigkeiten gewartet hatte...

So oft hatte sie heimlich zu Gott gebetet, aber danach selbst getadelt dafür. Ihr Gebet an Gott, den sie darum bat, dass sie selbst doch der Pater sein konnte und nicht Joshua. Sei es nur um Amons Gemäuer zu betreten und die heiligen Bücher zu lesen. Mehr von sich und ihrer Familie zu erfahren. Selina sehnte mich nach ihren Wurzeln, doch diese waren fest hinter den steinernen Mauern des Klosters verschlossen. Mauern welche schier unüberwindbar vorkamen und der suchenden Frau keinen Einlass gaben. Ein kleiner Teil von Selina hoffte, dass Gott endlich dem Wunsch nachgekommen war. Sei er auch noch so egoistisch.

~
Ich würde weiterhin für euch beten.
Ich wollte doch nicht viel.
Mir war das Amt egal, das Ansehen und der Ruhm.
Ich wollte nur für mich und mein Kind wissen, wer ich war.
Wissen wohin ich gehörte.
Amon...
~

 
Doch das, was die werdende Mutter fand,... es war mehr als nur ein Zeichen!
Es veränderte unser Leben.

Der Dämon im Wald


Begegnung...

 

Ein fahles Licht kämpfte sich durch die Bäume. Die Lichtung glich einem Trümmerfeld. Sonst hatte sie Tiere beherbergt welche sich am nahegelegenen Fluss das Wasser schmecken ließen, doch nun war hier keine Seele mehr. Bäume wurden umgerissen, selbst schwere Äste geknickt, das Grün gewaltsam weggerissen und in Mitten dieser Zerstörung, war ein Krater. Die junge Talin hatte den Ort der Zerstörung erreicht. Schockiert über das Ausmaß der Zerstörung, hielt sie sich die Hände vor den Mund. Nur ein leiser, schockierter Laut verließ ihre Lippen. Zu mehr war sie nicht im Stande. Zu mehr hatte sie nicht die Kraft. Sie war schwanger, dennoch hatte sie den ganzen Weg rennend zurückgelegt. Selbst wenn sie wollte, hätte sie sich nicht gebremst. Das Verlangen in ihr hatte ihren Körper übernommen, ihre Füße dazu angespornt schneller zu werden. Ihr Atem ging schnell und unregelmäßig. Erschöpft musste sie sich an einen Baum festhalten, um nicht zu Boden zu sinken. Nur einen kurzen Moment Ruhe wollte sie sich gönnen um dann dem Grund der Zerstörung auf die Schliche zu kommen. Vorsichtig, gar so, als würde der Boden aus Federn bestehen, setzte sie einen Fuß nach den anderen. Sie spürte es. Eine unheimliche Aura hatte diese Lichtung eingenommen. Eine Aura dessen Ursprung in diesem Krater zu finden war. Ihr Engelsblut ließ sie es spüren. Eine unheimliche Energie kam aus diesem Krater. Etwas was sie noch nie gespürt hatte. Angst schlich sich in den Körper der werdenden Mutter, doch sie schluckte einmal fest und legte mehr Entschlossenheit in ihre Schritte. Denn die Angst war nur ein kleiner Teil. Das Verlangen zu sehen was in dem Krater war, war viel größer. War es Gottes Zeichen? War es etwas irdisches? Ihr Puls schlug auf Hochtouren, jede Faser ihres Körpers war angespannt. Schnell hatte sie den Abstand zwischen sich und dem Kraterrand überwunden, sah dort etwas, was sie sich niemals gedacht hatte. Aber etwas, was die Aura erklärte...

Vorsichtig, dann doch aber mutiger, hatte Selina sich dem Krater genähert. Schockiert über das was sie sah, riss sie ihre Augen auf. Fast so als würden die blauen Augen von selbst herausspringen wollen. In dem Krater lag ein Mann, nein... Es war viel mehr als das...

Diese Gestalt lag bewusstlos in dem Krater. Sie hatte eine dunkelrote Rüstung an, verziert mit allerlei eingeritzten Symbolen. Einige Symbole erkannte Selina. Auch wenn sie kein Pater war, so hatte sie gelernt. Über die Symbole, Schriften, Legenden. Es waren gotteslästerliche, dämonische Symbole. Es waren die Symbole der Unterwelt. Die Rüstung selbst, sah in ihrem Rot aus wie Blut. Die junge Frau war sich sicher, dass diese Rüstung auch schon selbiges oft abbekommen hatte. Doch nicht nur die Rüstung war etwas ungewöhnliches. Auch die Person die in ihr Steckte. Zwar konnte Selina nur sein halbes Gesicht sehen, da ich einen Mundschutz trug, doch dieses Gesicht hatte Male. Unter dem linken Auge war ein rotes Mal. Was genau das für eines war konnte jedoch auch sie nicht sehen und erkennen. Dazu waren ihre Kenntnisse doch zu wenig. Das dunkelrote, schon fast schwarzen Haare, war verklebt mit Blut und Erde. Sie musterte mich. Ihr Blick glitt auf und ab. Sie wusste was ich sein konnte, ahnte es. Sprach es aber nicht aus. Die Faszination gegenüber dem Unbekannten war zu schwer als das sie Worte herausbringen konnte.

Während eines erneuten Blickes entdeckte Selina ein Blutrinnsal am Kopf. Die Patersfrau fackelte nicht lange und war aus ihrer vorherigen Starre erlöst. Mit festem Willen zu Helfen, kletterte sie über den Rand des Kraters, rutschte an der Wand des Kraters leicht hinunter – der Krater war höchstens halb so tief wie sie – und rannte zu dem Verletzten. Vielerlei Gedanken prasselten auf sie ein. Was war nur geschehen? Wieso war dieser Mann hier und warum war er verletzt? Was bedeutete das alles?

Fragen welche bei dem näheren Anblick verschwunden waren. Das einzige woran sie gerade dachte war, dass ich verletzt war. In ihren Augen Hilfe brauchte und zwar Dringend. Egal was vorher geschehen war, oder wer dafür verantwortlich war. Es war für Selina nicht weiter von Belang. Es war nur wichtig für sie zu helfen! Schnellen Schrittes war sie bei mir und beugte sich zu dem verletzten Körper herunter. Vorsichtig strich ich durch das Haar, welches sich als ungewohnt weich herausstellte, trotz des Blutes und dem Dreck. „Hey... alles in Ordnung?“, flüsterte Selina leise, da sie nicht ungewollt laut sein wollte. Ihre Stimme drang jedoch nicht zu mir durch, meine Augenlider blieben regungslos und die Lippen stumm.

~ Selina ~

 

Es gab nur eine Möglichkeit für mich: Ich musste ihn mitnehmen! Doch wie? Ich probierte ihn anzuheben, doch er war viel zu schwer für eine schwangere Frau wie mich. Doch nicht einmal wenn ich nicht schwanger war würde ich ihn hochbekommen. Als erstes kam mir in den Sinn ihn von seiner Rüstung zu befreien. Da ich jedoch nicht alles ablegen konnte ohne den Mann großartig bewegen zu müssten, konnte ich ihm nur seine Beinteile entfernen und seine Armrüstung. Ich musste aufpassen bei dieser, da an den Schulterteilen spitze, mindestens zwanzig Zentimeter große Klingen waren. Es waren drei auf jeder Seite. Sie waren der Größe nach angereiht, wie die Federn eines Flügels. So wirkten diese auch. Die kleinste Klinge war unten, gefolgt von den zwei größeren Klingen oben. Alle waren in der Mitte miteinander verbunden. Diese waren so scharf, dass ich mich aus versehen an ihnen Schnitt mit meinem Zeigefinger, da ich ihm die Schulterteile abnehmen musste, um an die Armrüstung und dessen Verschluss dran zu kommen. Doch ich ignorierte den Schmerz des Schnittes. Der Mann hier musste hier sicher viel mehr Schmerz erleiden. Immerhin war er von irgendwo her, direkt nach hier unten gelandet. Ich fragte mich natürlich im ersten Moment ob er tot wäre. Eigentlich wäre jeder bei diesem Aufprall zerschellt worden. Doch als ich das Blutrinnsal entdeckt hatte und über seine Haar strich, hatte ich einen Luftstoß aus seiner Nase gespürt. Er atmete also noch.

Nach einer anstrengenden Kleinstarbeit, hatte ich die Armteile ebenfalls entfernen könnten. Ebenso wie die schweren und gefährlichen Schulterteile. Auch den Mundschutz hatte ich entfernen könnten. Alle Teile waren unendlich schwer und ich fragte mich wie dieser Mann überhaupt damit laufen konnte, geschweige denn irgendwo kämpfen. Ich legte die ganzen Rüstungsteile auf den Boden und sah sofort wieder zu dem Mann, hoffte ihn nicht verletzt zu haben beim meinem Tun. Da ich nicht auf die Teile sah, bemerkte ich auch nicht wie sie im Schatten des Kraters versanken. Erst als ich zur Seite sah und keine Teile mehr da waren wunderte ich mich wo diese waren. Ich hatte sie doch hier hingelegt! Es war auch in der kurzen Sekunde niemand anderes da!

Ein schmerzhaftes Stöhnen, welches von dem Mann kam, riss mich aber aus meiner Verwunderung und erinnerte mich daran das etwas anderes viel wichtiger war. Erneut versuchte ich ihn hochzuheben, doch ohne Erfolg. Was machte ich nur? Oh Herr! Was sollte ich tun um diesem armen, leidenden Person zu helfen? Eine Verzweiflung machte sich breit. Wenn ihm nicht geholfen wurde, dann... Nein. Das wollte ich mir nicht ausmalen! Doch dann hörte ich auf einmal eine Stimme nach mir rufen. Erst ganz leise, dann immer klarer und lauter. Es war Joshua! Dem Himmel sei Dank! „Ich danke euch Herr...!“, wisperte ich leise, rief dann nach Joshua. Dieser folgte meinem Ruf und fand mich nach einem kurzen Marsch. Als er neben mir den Verletzten sah, sprang er in den Krater und fragte mich was passiert war. Mit bestem Wissen und Gewissen erzählte ich ihm alles was ich wusste, auch wenn das nicht viel war. Doch wir waren uns erst einmal einig, dass dieser Mann behandelt werden musste. Joshua gab mir meinen Kräuterkorb zurück, den er am Ast hängend gefunden hatte. So hatte er auch meine Spur entdecken könnten. Während ich den Korb trug hob Joshua den Unbekannten aus dem Krater. Er war stark genug dafür und zusammen mit diesem gingen wir nach Hause.

Es war ein kleines Haus im Wald. Abseits vom Kloster, jedoch immer noch in dessen Wald. Das Haus bestand aus einem einzigen Stockwerk. Darin war eine Küche, das Schlafzimmer von mir und Joshua, ein Wohnzimmer sowie ein Gästezimmer. Im Dach war noch der Dachboden. Es war nicht viel, doch der Platz reichte und ich wollte auch nicht mehr. Dieses Haus war das Geburtshaus der Talin und stand schon seit fast 1500 Jahren. Es war ein altes Haus mit Geschichte. So war dieses Haus auch noch aus Stein und die Einrichtung nicht auf den modernen Stand, den sich unsere Zeit schon leisten konnte. Wir hatten kein Fernsehen, auch kein Strom. Das einzige was wir hatten und an dem ich mich auch erfreute, war das fließend Wasser. Gekocht wurde über der Feuerstelle oder im Ofen. Ich konnte meine Medizin herstellen, Kochen und Leben. Zusammen mit meinem Mann, der dennoch zu den Messezeiten im Kloster war und meinem bald neugeborenem Kind. Doch wenn das Kind geboren wurde, dann konnte Joshua für die ersten Monate ganz zuhause bleiben. Ein Umstand auf den ich mich jetzt schon freute.

Doch diese Freude würde nicht lange währen...

Ich ging voraus und hielt Joshua die Tür auf, ebenso die des Gästezimmers. Dieser legte den Verletzten auf das Bett. „Woher er wohl kommt? Er sieht sonderbar aus.“ „Ich weiß es nicht.“, entgegnete ich ihm, machte mich dann aber an die Arbeit. Zuerst holte ich eine Schüssel mit Wasser und einem Lappen. Joshua hatte mir noch geholfen die restlichen Rüstungsteile zu entfernen, da ich den Verletzten nicht hochheben konnte. Doch mehr Hilfe konnte ich leider nicht mehr erwarten, da es bald Zeit für die Abendmesse war. Die Schüssel mit dem Wasser und den Lappen darin, legte ich auf das kleine Holztischen im Gästezimmer, um dann Joshua zu verabschieden. Er bat mich aufzupassen nachdem wir uns mit einem zärtlichen Kuss verabschiedet hatten. „Natürlich passe ich auf. Immerhin möchte ich weder dich, noch meinem Kind Sorgen bereiten“ versprach ich ihm und wir streichelten zärtlich über meinen runden Bauch. Sorgen hatten wir schon genug. Besonders Joshua. Es war schon fast wie ein Familienfluch. Oftmals überlebten die Väter nicht einmal bis zum ersten Jahr des Sohnes. Wir Talin waren die direkten Pater Gottes, somit ein Dorn im Auge der Dämonen. Wir waren sozusagen Gottes Streitmacht auf Assiah und verkündeten Gottes Güte und Gnade. Die Talin waren auch im Exorzismus tätig und somit eine Gefahr für die Dämonen. Da war es nicht verwunderlich, dass diese versuchen würden die Nachfolger in ihre Klauen zu bringen. So gut wie alle Talin starben durch die Hand der Dämonen. Die restlichen starben nachdem das Kind das Erbe annehmen konnte. Denn es gab nur einen Pater, einen der Gottes Worte verkündete. So wie Amon damals. Doch selten ist ein Vater so lange am Leben geblieben um selbst den heiligen Familienring, den Ring Amons, in den Hände des Sohnes zu legen um danach friedlich zu sterben.

Als Joshua gegangen war widmete ich mich sofort wieder dem Mann im Gästezimmer. Als ich zu ihm ging musste ich kurz innehalten. Das Baby in meinem Bauch strampelte. „Ganz ruhig mein Süßer. Wir helfen gemeinsam dem Mann ja? Sch sch sch...“, tröstete ich mein Kind und streichelte immer wieder über den Bauch. Dieses schien sich wohl auch tatsächlich zu beruhigen sodass ich meiner Arbeit nachkommen konnte. Ich wusch den Mann, verband seine Wunden und zog ihm etwas neues an. Beim Waschen jedoch hatte ich mich erschreckt. Unter dem Hintern des Mannes hatte ich etwas seltsames ergriffen. Vorsichtig zog ich es hervor und als ich es sah, ließ ich es vor Schreck fast fallen. Es war ein Schwanz! Ein schwarzer, langer Schwanz mit rot-schwarzem, schon fast kuscheligem, Fell besetztem Ende! Wo gab es denn so etwas? Doch nicht nur dieser Schwanz erregte mein aufsehen. Nun erkannte ich auch die Fingernägel welche so anders waren. Sie waren länger und spitz. Fast wie Krallen. Seine Ohren, die ich durch das Waschen der Haare hatte freilegen können, waren spitz und seine Fangzähne ebenfalls. Nun dämmerte es mir so langsam, warum dieser Mann auf so unnatürlichem Wege in den Wald fiel.

Er war ein Dämon! 

Überrascht von dieser Erkenntnis musterte ich ihn. Er war ein Dämon... Das erste Mal hatte ich einen Dämon erblickt. Mein Vater starb durch die Hand eines Dämons. Ich erinnerte mich noch genau an diesen Tag. Mutter und ich versteckten uns im Wald, unter den Wurzeln eines Baumes, die gerade groß genug waren um einer Frau und ihrem damals etwa vierjährigem Kind Zuflucht zu bieten.

„Ein Dämon...“, wisperte ich und sah auf das Blut. Er war verletzt. Dieser Dämon war verletzt. Die Erkenntnis was dieser Mann war, schob ich in den Hintergrund. Wichtig war es, diesem Dämon zu helfen. Er war verletzt gewesen. Aus welchem Grund auch immer. Damals hatten Dämonen meine Eltern getötet, aber ich wollte nicht grollen. Doch dieser Dämon war bewusstlos und verletzt. Er konnte nichts dafür, er hatte nichts getan.

~
Selbst wenn ich gewusst hätte das ich den mächtigen Heeresführer Cain persönlich vor mir liegen hatte, so hätte ich ihm geholfen. Ich wollte diesem verletzten, leidenden Mann helfen....
~

Ich reichte jedem die Hand. Selbst mein Mann hatte sich schon beschwert, doch ich hatte nie gehört. Für mich war es normal einem die Hand zu reichen, sollte er diese brauchen. Mir ging es doch gut. Ich hatte doch alles und einen gesunden Körper. Wieso sollte ich diese Gaben die mir mein Herr gab nicht dafür einsetzen um anderen zu helfen die sich nicht an diesem Glück erfreuen konnten?

Ohne Umschweife verband ich die Wunden des Dämons, nicht merkend das diese sich unter dem Verband schon lange geschlossen hatten. Aus dem Schrank von Joshua suchte ich ein lockeres Hemd. Ich nahm eines der Pater-Gewänder für die Nacht. Sie waren locker und lang genug. Dieses weiße Gewand zog ich dem Dämon über, passte auch schön auf das ich seinen Dämonenschwanz nicht einklemmte und deckte ihn dann sanft zu. „Ruhe friedlich und genese schnell“, wünschte ich ihm und löschte das Licht indem ich die Nachtkerze ausblies. Als Joshua wieder nach Hause kam und ich ihm eröffnete das unser Gast ein Dämon war, war er erst schockiert, doch auf meine Bitte hin willigte er ein diesen hier zu behalten. "Er ist doch so verletzt und weiß nicht wo er hin soll. Bitte lass ihn uns hierbehalten.", waren meine Worte. Zugegeben, diese Worte waren weniger passend, doch sie wirkten bei meinem Mann. Besonders wenn ich ihm mit diesem einem, bittenden Blick ansah. Mir alles Recht, solange der Mann hierbleiben durfte, bis seine Wunden verheilt waren und er wieder wohlauf war.

Täglich wachte ich an dessen Bett, salbte seinen Körper ein, auch wenn ich überraschend festgestellt hatte das seine Wunden verschwunden waren. Dennoch kümmerte ich mich weiter um ihn. Ich wusste nicht wieso. Doch wenn ich diesen Dämon ansah, im Schein des Kerzenlichtes, wie er so dalag und schlief... Ich konnte nicht glauben das er böse war. Sein Gesicht sah so friedlich aus, so entspannt. Anfangs hatte er noch vor Schmerz etwas gestöhnt und sein Schlaf war unruhig, doch durch meine Kräutersalben und dessen Düfte war dies vergangen. Das von Schmerz geplagte Gesicht hatte sich in ein friedliches, schlafendes Gesicht gewandelt.

~
Für einen Moment dachte ich, dass dieser Dämon wunderschön sei....
Er zog mich an...
~

Es verging eine ganze Woche bis der Dämon mit den rot-schwarzen Haar erwachte.

Ansichten

Nicht bemerkend, was man mit mir anstellte, schlief ich eine Woche lang durch. Zuerst hatte ich ziemliche Schmerzen, da diese Kraft, die auf das Schlachtfeld auf mich zugerast kam, sich tief in mich gefressen hatte. Wie ein Gift den Körper überfallen wollte. Doch auf einmal war der Schmerz wie weggeblasen. Tief im Unterbewusstsein konnte ich wohltuende Kräuter riechen. Aber nicht nur Kräuter. Ein süßlicher Duft vermischte sich mit diesen. Was genau das war, konnte ich in meiner Ohnmacht nicht deuten. Doch dieser Duft ließ meinen Schlaf angenehmer werden.

Selina war die ganze Zeit nicht von meiner Seite gewichen. Nicht nur ihr Interesse an meiner unbekannten Person war der Grund, sondern auch eine, ihr unbekannte, Anziehungskraft. Das was sie tat , verrichtete sie mit Hingabe. Ihren schwangeren Zustand vergaß sie dabei und pflegte mich mit bestem Wissen gesund. Das meine Wunden im Laufe von Sekunden geheilt waren, hatte sie bemerkt, jedoch nicht davon abgehalten zur Sicherheit ihre Salben anzuwenden. Sie wusste was ich war, wusste aber nicht wie es um unsere Heilung stand. Gerade deswegen, wollte sie kein Risiko eingehen. Immer wieder hatte sie meinen Körper gereinigt, die ehemals verwundeten Stellen neu eingerieben, nur um sie danach wieder zu verbinden. Die meiste Zeit verbrachte sie bei mir. Nicht nur wenn sie mich pflegte. Nicht nur in der Hoffnung, ich würde bald erwachen, sondern sie schien meine Nähe zu genießen. Sie wusste selbst nicht wieso. Ich war nicht ihr erster Patient, doch der Erste, der so viel Aufopferung bekam.

Nach einer Woche, es war morgens, wachte ich auf. Plätschernde Geräusche drängten sich in meine Ohren. Es fühlte sich an, als hätte ich ewig nichts mehr gehört. An sich war es die Wahrheit. In der Woche hatte ich gar nichts gehört. So empfindlicher waren meine Ohren, besonders da ich als Dämon allgemein besser hören konnte als die Menschen. Doch was war das für ein Plätschern, , welches sich penetrant in meine Ohren hielt? War ich in einen See gefallen? Langsam öffnete ich meine Augen. Die Augenlider fühlten sich so unsagbar schwer an. Das Öffnen der Augen kam mir noch nie so schwer vor. Oft hatte ich mich mit Michael duelliert und wir lagen beide schon fast halbtot nach einer Schlacht zuhause im Bett und wurden versorgt. Doch selbst da war es für mich nicht so schwer vorgekommen meine Augen zu öffnen. Aber als ich ihnen doch einen Spalt abringen konnte traf mich helles, gefühlt gleißendes Licht, direkt in die Augen sodass ich sie wieder zukniff. Was war das für ein Licht? War ich immer noch in diesem Blitz? Ein solches Licht kannte ich in Gehenna nicht. Doch während ich dalag und die Augen so geschlossen hatte spürte ich ich noch etwas weiteres. Die Aura passte nicht zu Gehenna, aber auch nicht zum Himmelsreich. Die Kraft war so minimal, schon fast gar nicht existent. Wo war ich hier? Des weiteren gesellte sich eine zweite Aura hinzu. Sie war keine der Auren die ich kannte. Dennoch ging von dieser das geschäftige Treiben und das plätschern aus. Ich konnte es atmen hören, den Duft riechen. Neben mir war jemand! Jedoch keine Dämonin und auch kein anderes himmlisches oder höllisches Wesen. So schloss ich die Krankenschwestern , welche sich um unsere Verletzungen kümmerten ebenfalls aus.

„Huh?“, hörte ich eine weibliche, sich wundernde Stimme. Selina hatte bemerkt das ich mich bewegt hatte und sah meine Augen leicht zugekniffen. Mit dem Lappen in der Hand kam sie näher zu mir, streckte ihre Hand nach mir aus um mir die Stirn zu waschen. Doch bevor sie mich anfassen konnte, packte ich ihren Arm, setzte mich leicht auf und sah ihr direkt in die Augen. Geschockt und nicht damit rechnend das ich wach war, oder sie packen würde, quiekte sie auf und hatte dabei den Lappen fallen lassen. Dieser landete mit einem klatsch auf dem Boden, da dieser Nass war. Jedoch regte der Lappen mein Interesse nicht, sondern eher diese fremde Frau. „Wer bist du?“, verlangte ich zu wissen. Meine Stimme war noch etwas leise und rau, da ich diese seit einer Woche nicht mehr benutzt hatte. Wer war diese Frau? Was war nur passiert? Dieses helle und alles vernichtende Licht. Es schmerzte. Ich war von der Plattform gefallen und ab da wusste ich nichts mehr. War ich etwa in Assiah? Ein paar Mal war ich erst in Assiah gewesen, jedoch nur auf der Plattform, oder über den Wolken fliegend. Nie hatte ich einen Fuß auf den Boden dieser Welt gesetzt.

Verlangend zu wissen wer sie war, sah ich zu der Frau. Immer noch hielt ich ihr Handgelenk fest. Sie hatte es aufgegeben sich zu befreien, da mein Griff ohnehin stärker war als ihre vergebliche Mühe sich zu befreien. Mein Blick glitt über ihre Erscheinung. Sie hatte lange, blaue Haare und blaue Augen. Ihre Aura war nicht ganz die eines Menschen. Sie hatte noch etwas anderes. Etwas was nach Himmel stank. Fest sah ich ihr in die Augen, dann erkannte ich es. Wie dumm musste man auch sein um es nicht zu erkennen? Diese Farbe, dieser Geruch und diese Aura. Sie war eine Talin und ihrem runden Bauch zu urteilen schwanger. Ich hatte doch tatsächlich Glück im Unglück. Der Kampf mit Michael war durch eine, mir unbekannte, Einmischung unterbrochen worden. Doch dafür war ich bei denen gelandet die die ganze Zeit gesucht wurden. Decus Leute konnten, nachdem der letzte Talin getötet wurde, nicht dessen Brut finden. Doch ich hatte sie sozusagen gefunden. Eine reine Talin hatte ich am Handgelenk gepackt.

Diese machte dann auch endlich Anstalten sich zu regen. Erst dachte ich das sie schreien, gar nach mir schlagen würde, aber nichts dergleichen geschah. Immer noch in meinem Griff befindend nahm sie mit der freien Hand den nassen Lappen vom Boden und setzte sich auf den Stuhl , welcher neben dem Bett stand in dem ich lag. „Keine Sorge.“, sprach sie dann im sanften Ton und streckte die freie Hand nach mir aus so das der Lappen meine Wange erreichte, welche sie abwischte. „Du musst geschockt sein nicht?“, fragte sie und sah mich mit ihren reinen, blauen Augen an. Perplex sah ich zu ihr. Alles hätte ich erwartet, nur nicht diese Aktion. Waren denn alle Talin so Lebensmüde wie sie? Dann war es kein Wunder das sie leichte Beute für uns waren. Wischte sie einfach weiterhin die letzten Bröckchen der Salbe von meiner Wange, als wäre nichts. Ihr Blick war fragend. „Hm?“ „Na wegen dem Licht. Soweit ich weiß ist dieses Dämonenreich, wie hieß es noch mal? Ah... Gehenna! Also in den Geschichten in der Bibel wird es als dunkles Reich betitelt. Da ist doch so viel Licht sicher ein schock für dich. Wenn du möchtest werde ich die Vorhänge wieder zuziehen. Es tut mir wirklich leid. Ich dachte nur, weil heute so ein schöner Tag ist und Gott uns solch wunderbar warme Sonnenstrahlen schenkt, dass ich diese hier rein lassen wollte. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du auf einmal aufwachst.“, erklärte sie mir und entschuldigte sich zeitgleich für ihr Handeln.

Während sie gesprochen hatte wusste ich nicht wirklich was ich darauf Antworten sollte. Immer noch saß ich, halb aufgesetzt, mit meiner anderen Hand stützend und hatte Selinas Handgelenk fest umschlossen. Sie hatte jedoch nichts besseres zu tun, als mir mit dem Lappen weiterhin meine Wange abzuwischen und dabei zu reden. Ich dachte mir, diese Wange war noch nie so sauber gewesen, so lange wie sie dabei war sie zu wischen.

„Ehm?“ „Ja?“ "Ich würde dir gerne etwas zu Essen bringen, doch...“, fing sie an und sah etwas zur Seite, zu meinem Griff. Erst da merkte ich, dass ich die ganze Zeit in dieser Pose verharrt hatte während ihres Redeschwalls. Warum wusste ich nicht, doch ich ließ sie los. Als sie jedoch aufstand und weggehen wollte, packte ich erneut ihr Handgelenk und sah sie grimmig an. Ich konnte doch die Braut eines Talins nicht einfach gehen lassen, ohne sie getötet zu haben! Wer wusste schon ob sie nicht selbst schon eine Waffe hatte, mit der sie mich töten wollte. Schließlich war ich in ihrem Heim, in ihrem Bett. Als erfahrener Krieger wusste ich in welch ungünstigen Position ich war. Auch wenn es sich nur um eine Schwangere handelte. Als sie jedoch auf das Fenster deutete, dessen Vorhänge sie zuziehen wollte, ließ ich sie dann doch verstehend los. Während das Licht im Zimmer weniger wurde, setzte ich mich richtig auf, da die Pose auf Dauer nicht nur dämlich aussah, sondern auch unbequem war. Im Augenwinkel beobachtete ich sie wie sie die Vorgänge zuschob. Da sie Schwanger war und ihr runder Bauch es ihr nicht gerade einfach machte, brauchte sie etwas. So glitt mein Blick von ihr, blieb aber wachsam und schweifte durch den Raum. Er war spärlich eingerichtet. Außer dem Bett und dem Tisch, gab es nur noch einen kleinen Schrank. Mehr nicht. Ich sah auch keine Waffen. Ob sie diese vielleicht bei sich trug? Ein weiser Krieger hatte immer seine Waffen bei sich. Doch als ich sie vorhin gepackt hatte, hatte ich nichts gesehen. Selina hatte auch nur ein knielanges, cremefarbenes Kleid an. Sie hatte auch nichts unter dem dünnen Stoff. Das hätte ich sofort gemerkt. Alles lag richtig an ihrem Körper ohne auffällige Erhöhungen. Damit hatte sie auch keine Waffe bei sich. Wirklich seltsam. Aber vielleicht wollte sie mich auch nur täuschen und ihr Mordwerkzeug war in einem anderen Raum. Gar dort wo sie mir das 'Essen' holen wollte. Normale Gifte wirkten bei uns Dämonen nicht, doch da sie eine Talin war, kannte sie sich sicher mit Exorzismus aus. Ob sie jedoch wusste, dass ich kein niederer Dämon war? Das der gewöhnliche Exorzismus bei mir nichts brachte? Sicherlich. Immerhin war ein weiser Krieger stets informiert. Doch sie machte mir irgendwie nicht den Eindruck eines Kriegers. Nein..., eher...

Sie drehte sich zu mir um nachdem sie den Vorhang, nach für sie gefühlten Stunden, richten konnte. Nun war das Licht nur noch gedämpft, da die Vorhänge, mit ihrem weißen Stoff, eben doch noch etwas reinließen. „Ich bin für Dämonenbesuch nicht vorbereitet. Aber ich verspreche dir bessere Vorhänge zu machen in Ordnung?“, kam es von ihr und sie stellte sich wieder an mein Bett. Offen lächelte sie mich an. „Es tut mir Leid das ich mich nicht früher habe vorstellen können. Mein Name ist Selina Talin!“ hatte sie mit einer Vorstellung fortgefahren, da ich ihr zu keiner Zeit geantwortet hatte. Sie offenbarte mir frei ihren Namen, ihre Identität?

Nein.. sie war keine Kriegerin. Sie war... dumm? Naiv? Sorglos? Und doch, die rechtmäßige Nachfolgerin und Amons Urururenkelin.

Und dennoch war sie anders. 

Weiterhin stand sie vor mir. Sie stand vor mir mit einem so hellen und reinen Lächeln wo jeder Dämon gleich sein Schwert zücken würde. Doch ich riss mich zusammen und tat dies nicht. Immerhin: Das Haus des Feindes. Während ich schwieg, stand sie weiter lächelnd da, als würde sie auf etwas warten. Dann räusperte ich mich. Wo blieben nur meine Manieren? Natürlich hatten auch Dämonen diese. Als Dämonenfürst hatte ich sogar sehr gute. Ebenso war ich ein ehrbarer Krieger und behandelte meine Mitstreiter, aber auch meine Gegner mit Respekt. Niemals würde es mir einfallen feige und hinterrücks meinen Gegner anzugreifen.

„Cain.“
„Wie?“

~Das Kennenlernen und sein Name legten sich tief in mein Herz. Tiefer als es sein sollte...~

Nach ein paar Verständigungsschwierigkeiten hatte Selina meinen Namen erhalten. Cain... Ein passender Name für einen Dämon. Der erste Mörder der Menschheit. Dennoch schockten sie mein Name und meine Ausstrahlung nicht mehr. Ihr kam es eher so vor, nun wo Selina meinen Namen hatte, dass sie sich in meiner Nähe gleich viel näher fühlte.

~Diese Nähe drängte alles andere in den Hintergrund. Dieser Dämon...~

Überlegte sie nun wie sie mich am besten töten konnte? Aber dem war nicht so. „Freut mich dich kennen zu lernen Cain.“ Ich hob eine Augenbraue. War sie denn...? Ich sollte wohl aufhören den Sinn hinter diesem zu hinterfragen... „Ich werde dir nun etwas zu Essen bringen. Schließlich hast du seit einer Woche nichts mehr zu dir genommen. Bleib liegen und ruhe dich aus.“ So verließ sie den Raum und ließ mich alleine. Etwas perplex sah ich ihr nach, dann stand ich jedoch auf. So weit wollte ich es dann doch nicht kommen lassen, Befehle von einer Talin anzunehmen. Das Einzige was ich von ihr hören wollte, war ihr flehen um Gnade, wenn ich meine Krallen durch ihren Leib schlagen würde.

Nachdem ich erfolgreich mich aus dem Bett schälen konnte, wo sich die Decke und die zwei Wärmedecken als sehr resistent zeigten, aber dann doch doch im Bett zurück blieben, sah ich etwas schockiert an mir herunter. Das was ich trug, war doch ein kleiner Kulturschock für mich. Seit wann bitteschön hatte ich Nachthemdchen an? Und dann auch noch weißes Nachthemd eines Paters! Innerlich dankte ich Lucifer dafür, dass mich gerade keiner sah der mich kannte und machte mich, zwar etwas torkelnd, aber dann bestimmten Schrittes aus dem Zimmer. Ich sah Selina wie sie an der Feuerstelle etwas kochte und ein paar Kräuter hineinwarf. Als ich dann im Schein des Feuers etwas funkeln sah, dachte ich es sei eine Klinge. Dieses Weib wollte mich also doch umbringen! Nun ja. Sie war mein Feind. Doch hätte ich ihr eine etwas edlere Variante zugetraut.

Entschlossenen Schrittes ging ich zu ihr, drehte sie mit einer Hand an der Schulter zu mir um wo ich sie gegen die Wand drückte. Erschrocken hatte sie aufgeschrien und sah mich mit großen Augen an, während ich mit der anderen an ihren Hals packen wollte um meine Krallen dort reinzurammen. „Was fällt dir ein!“, knurrte ich dunkel und sah zu ihr herunter. Mit einer Edelstahlkelle in der Hand sah sie erschrocken zu mir hoch, hob die Kelle dann etwas. „Ähm... Kartoffelsuppe?“, war die etwas weniger intelligente Antwort von ihr. Mein Blick ging etwas irritiert zur Kelle, in der noch ein paar Reste Suppe schwammen. Leicht sah ich zur Seite, wo der Kessel über der Feuerstelle hing und auf dem Holzboden davor Kartoffelsuppe verteilt war, wegen meines rüden Handelns.

Diese Situation war dann doch etwas peinlich, für uns beide. Immerhin hatte ich mich an sie gedrückt, was ich immer noch war und hielt ihren Körper an die kalte Steinwand gedrückt. „Kartoffelsuppe...“, wiederholte ich dann aber verstehend und ließ ab von ihr. „Verzeih...“ Auch wenn es nicht meine Art war, mich bei einem Menschen und schon gar nicht bei einer Talin zu entschuldigen, aber ich hatte die Sache falsch verstanden und sogar noch ihr Essen verschüttet. Mit einem Fingerschnippen bewegte sich das Feuer der Feuerstelle, auf das Verschüttete zu und verbrannte es. Zwar war ich ein Feuerbändiger, doch so wie bei meinem Herr Lucifer, war es nie. Das heilige, blaue Höllenfeuer, das selbst das Feuer Michaels verschlang, blieb für jeden, außer Lucifer, verwehrt. Für dieses Anliegen reichte mein Feuer allemal. Jedoch durchfuhr mich ein leichter Schmerz, sodass ich auf die Knie sank. „Cain!“, hörte ich Selina rufen und sie kniete sich direkt zu mir, legte ihre Hände an meine Schultern. „Cain! Du musst dich hinlegen!“ „Hüte dich!“ „Später! Doch nun ist deine Genesung wichtiger!“ In dem Moment schien mir Selina unglaublich stark, so das ich mich für meine jetzige Schwäche schämte. „Ich bin nicht mehr Verwundet. Vergiss nicht. Ich bin ein Dämon. Wunden heilen.“ „Dies sagst du mir, während du auf dem Boden kniest?“ Sie hatte Recht. Dem hatte ich dem nichts hinzuzufügen und tat Ausnahmsweise wie sie es wünschte. Sie brachte mich zum Bett und deckte mich zu. „Möchtest du etwas Suppe?“, fragte sie besorgt, da sie dachte ich hätte Hunger.

„Nein. Ich wünsche nichts. Das Essen aus Assiah begehre ich nicht. Es ist Nutzlos und eine Zeitverschwendung, deswegen sind die Menschen so schwach.“ Selina lächelte nur nachsichtig, schloss dann aber die Augen. Es war wirklich ruhig hier. Schon fast angenehm. Während einem in Gehenna, seit Decus Machtergreifung, keine Ruhe gegönnt war, war dies hier das Paradies der Ruhe. Es war anders als Zuhause. Selbst in meinem eigenen Anwesen waren hier und da Diener, die sich um das leibliche Wohl von mir kümmern wollten. Dies war nicht verwerflich und nach einer schweren Schlacht war es sogar Angenehm, sich ein wenig mit einer schönen Dienerin den Tag zu versüßen. Dennoch genoss ich diese Ruhe. Der Duft der Suppe erfüllte das Haus und ich hörte ein leises Summen, , welches ich Selina zuordnen konnte. Dieses Summen war irgendwie beruhigend. Während ich diesem lauschte, ließ es mich in den wohlverdienten Tagesschlaf sinken. Das erste mal seit langem, das ich wieder wirklich tief schlief. Normalerweise war ich stets in einem Zustand des halben Schlafes. Schließlich wollte ich ja nicht im Schlaf schutzlos sein und Gefahr laufen, während meiner Ruhe nicht mehr aufwachen zu können. Doch nun war ich komplett Eingeschlafen und selbst der Geist ruhte. So bekam ich auch nicht mehr mit wie Joshua nach Hause kam und nach dem befinden seiner Frau erkundigte. Diese jedoch äußerte sich nicht über den kleinen Zwischenfall in der Küche, meinte nur das ich kurz wach war, aber nun wieder ruhte. Als Joshua sie wegen der Brandflecken im Holz fragte, da sie ihm auffielen, hatte sie es als Missgeschick abgetan. Sie war Rein und log nicht. Noch nie und dieses Mal nicht. Ihr Mann gab sich mit der Erklärung zufrieden und so konnte das Paar in Ruhe essen. Dennoch hatte er bemerkt, wie liebevoll und aufopfernd sich seine Frau um einen Fremden wie mich kümmerte und sich auch nicht durch seine Worte abbringen ließ.


~
Dieser Dämon hatte mich von Anfang an in seinen Bann gezogen.
Als ich ihn im Krater gefunden hatte und es mich zu ihm hingezogen hatte...
Ich bemerkte nicht , welche Gefühle sich für diesen Mann nach und nach einschlichen.
~

Es mochte seltsam wirken, doch sie hatte das Gefühl mich etwas besser kennengelernt zu haben. Das ich sogar die Suppe auf dem Boden, wenn auch auf etwas unkonventionelle Weise, entfernte, sprach doch für sich und den Angeblich guten Kern. So Selinas Gedanken.

Gefährliches Interesse


Ich... fühle mich wohl...

Es vergingen einige Tage, nachdem Cain wachgeworden war. Auf Selinas Drängen hatte er das Bett nicht verlassen, damit er sich erholen konnte. Der stolze Dämon wusste selbst nicht, warum er auf diese Frau hörte und sie nicht einfach umbrachte, um den Kopf der Blauhaarigen, vor die Füße seiner angebeteten Herrin zu legen. Er verstand sich selbst nicht. Das er auf ihre Worte etwas gab, wenn auch nur minimal. Die einzige Frau, von der sich der Krieger etwas sagen ließ, war seine Herrin. Cain dachte vieles zu Wissen dank seines langen Lebens. Doch nun drängte sich nach Jahrtausenden erneut das Gefühl der Unwissenheit auf. In den Tagen in denen Cain in seinem Bett lag hatte die junge Talin ihm Gesellschaft geleistet. Zwar hatte Cain ausdrücklich darauf bestanden sie nicht sehen zu wollen, doch Selina erwies sich als sehr Stur und Hartnäckig. So überging sie die ablehnenden Worte des Dämons mit einem Lächeln und hatte sich immer auf den Stuhl, welcher am Bett stand, gesetzt. Wenn ihr Ehemann nicht da war, hatte sie in dem Zimmer von Cain gespeist. Jedes Mal hatte sie ihm auch einen Teller mit Speisen mitgebracht, doch er hatte nie Hand an diese gelegt. Erst dachte sie, ihn Beleidigt zu haben, doch Cain hatte sie danach aufgeklärt, dass Dämonen nicht aßen. Jedenfalls nicht solches Essen, sondern Blut, Seelen, aber auch Fleisch. Doch alles war kein Muss, wenn sie in Gehenna waren.

Auf die Frage weswegen sie sich diesem sinnlose Unterfangen hingab, immer wieder erneut seine Nähe zu suchen, nur um dann erneut abgewiesen zu werden, hatte sie nur geantwortet, gemeinsame Speisen würden Leib und Seele erwärmen und sie sich nicht wünsche, dass er Einsam sei. Cain hob dabei nur eine Augenbraue, schwieg darauf,wandte seinen Blick ab und hörte im Hintergrund die werdende Mutter speisen.

Er selbst konnte es nicht wahrhaben das die Anwesenheit dieser Menschenfrau, diesem Abkömmling von Amon, ihn immer weniger störte...


~ Cain ~

 

Es waren ein paar Tage vergangen und das Alltagsleben schien sich in diesem Haushalt abzuspielen. Selina wollte mich unbedingt darin eingliedern. Ich jedoch schwieg sie meistens an, da ich der Meinung war, es war Unnötig. Immerhin wollte ich als Dämon nichts damit zu tun haben. Bei jedem Besuch redete sie mit mir, auch wenn es sehr einseitig war, da ich ihr nicht antwortete. Doch es schien sie nicht im Geringsten zu stören. Sie redete einfach weiter. Sei es über das Wetter, über das, was sie gesehen hatte, Dinge die sie einmal kochen wollte, Ansichten und vieles mehr. So wie in diesem Augenblick. „Wieso?“, fragte ich dann als Stille herrschte und erntete einen fragenden Blick der Blauhaarigen. „Du bist eine Talin. Ich ein Dämon. Ihr seid unsere Feinde. Du solltest dir sicher sein, dass ich jederzeit meine Krallen in deinen Leib schlagen kann. Wieso bringst du dich und dein Kind in Gefahr? Oder hast du es darauf abgesehen zu sterben?“

Sie hatte zu mir gesehen und wir sahen uns lange in die Augen. Gefühlte Stunden in der die Fragen unbeantwortet im Raum schwebten, doch es waren höchstens ein paar Sekunden bis Selina die Antwort fand und nicht zögerte sie mir mitzuteilen. „Weil du es nicht tust. Du wirst mir kein Haar krümmen.“, waren ihre überzeugten Worte. „Bitte?“ „Du wirst mir nichts antun.“ „Du beliebst zu scherzen Weib! Solch anmaßende Worte. Du weißt nicht mit wem du es zu tun hast.“ „Natürlich.“ Überrascht sah ich auf. Sie lächelte mich an, als sei nichts gewesen. „Du bist der Dämon Cain. Joshua hat über dich Forschen lassen. Du wirst ziemlich oft in den Schriften erwähnt.“, eröffnete sie mir die Wahrheit, stand auf und ging ein paar Schritte zu meinem Bett. Sie beugte sich über mich und unsere Gesichter kamen sich Nahe. „Du bist Lucifers Speerspitze. Nicht wahr?“ Ich sah zu ihr auf, da sie nun über mir war. „Du...wusstest es?“ Sie nickte. „Aber ich denke du solltest dich nicht aufregen. Das tut deinem Körper nicht gut“, hatte sie es abgetan und wollte sich Abwenden. Doch so schnell wollte ich sie nicht entkommen lassen.

Erneut packte ich sie am Handgelenk und zog sie herunter, so dass sie fast auf mich landete. „Dann frage ich dich erneut Weib. Wieso?“, verlangte ich zu Wissen und kam mir nicht ernst genommen vor. Ich hatte die Position gewechselt und Selina lag nun unter mir. „Ist es nicht normal jemanden zu helfen wenn er verletzt ist?“ war ihre Gegenfrage. Ein wenig blinzelte ich. War sie so naiv oder tat sie nur so? Egal was, sie machte mich wütend. Wie konnte nur jemand so anmaßend sein, selbst in so einer Position? In meiner Rage spürte ich eine warme Hand auf meine Wange. „Ich weiß nicht wieso... Vielleicht ist es, weil ich denke, dass du mir trotz meiner Abstammung kein Haar krümmen wirst? Vielleicht aber auch weil du Interessant bist...“ Das letzte hatte sie leiser ausgesprochen, dennoch hatte ich es genau Verstanden. Wir sahen uns lange und tief in die Augen. Sie fand mich interessant? Es war nichts Neues das Menschen Dämonen interessant fanden. Wir zogen die Menschen an, verführten sie, stürzten sie in die Sünde. Jedoch..., sie ahnte wohl nicht, dass sie diejenige war, , welche ebenfalls Interesse weckte. Ich musste mir eingestehen, sie interessierte mich. Wie sonst konnte ich mir erklären, nicht schon lange ihre Leiche meiner Herrin zu überreichen? Ohne es zu wollen schlich sich der Gedanke ein, es sei eine Verschwendung, sie jetzt zu töten.

 
Sie war interessant...
Sie war nicht wie all die anderen Frauen...
Sie interessierte mich
Zum ersten Mal interessierte ich mich für ein anderes weibliches Wesen, als meine Herrin...

Egal was sie tat, es war neu für mich. Sie verrichtete es mit absoluter Hingabe. Sei es, wenn sie dieses Essen kochte, oder hier bei mir saß und für ihr zukünftiges Kind etwas häkelte, oder gar mit mir sprach. Dieses nervige Wesen, Selina Talin, hatte mein Interesse geweckt. Mit so vielen Frauen verkehrte ich, doch interessiert hatten sie mich nicht. Nie hatten sie meine Aufmerksamkeit erregt, nicht in irgendeiner Weise. Doch diese Frau war anders. Ich hatte nicht mit ihr geschlafen, hatte sie nicht unsittlich berührt und dennoch dachte ich an sie.

Ich lies sie los. Erst wollte sie fragen, doch die Antwort kam schon durch die Tür hinein: Joshua. Er war vom Kloster zurück und betrat die Wohnung. Selina setzte sich auf und war so schnell es ging aufgestanden. Joshua kam in das Zimmer, da er schon vermutet hatte wo seine Frau war und sah fragend zu uns. Es musste ein seltsames Bild für ihn sein. Seine Frau mit leicht verrutschten Kleidern und ich auf dem Bett sitzend. Doch Selina umschiffte die sonst kommende Fragerunde, indem sie zu ihrem Mann ging und ihn sanft küsste. „Ich hoffe dein Tag war angenehm.“ Joshua nickte, bedachte mich kurz mit einem Blick, ging dann aber mit seiner Frau ins Wohnzimmer. Ich hörte sie reden, über alltägliche Dinge. Dann klapperte Geschirr. Es wurde gegessen. Es wurde ziemlich viel gegessen in diesem Haushalt. Die Meinung eines Wesens das noch nie viel gegessen hatte. War das typisch für Menschen? Ich wusste: Menschen mussten essen um zu Überleben. Jeden Tag hörte ich Selina summend, schon freudig das Essen zubereiten. Diese schwachen Menschen schienen sich schon fast rührend um diese Zeitverschwendung zu kümmern...

Ich wusste nicht was es war. Neugierde? Auch wenn ich bestreiten würde das jemand wie ich und in meinem Alter solch eine Neugierde hatte auf etwas so Niederes. Lust es zu Probieren? Oder gar weil ich das sehen wollte, was Selina jeden Tag ihrem Mann gab, gekocht mit Hingabe. Etwas in mir wollte von dieser Hingabe bedacht werden. Nicht von irgendeiner Frau, sondern von dieser.

Es war dunkel und ich spürte wie ihre Auren ruhten. Eigentlich wollte ich nach Hause zurück, da ich dachte, dass ich hier noch eher Krank oder Wahnsinnig werden würde, bei all den Gedanken, die ich hatte. Doch als ich ins Wohnzimmer ging, dabei den Topf auf der Feuerstelle der angrenzenden Küche sah, stellte ich mir vor wie sie davorstand und summte. Etwas grimmig sah ich weg, ging zur Tür. Den Türgriff in der Hand und jedoch hielt ich inne. „Warum nicht...“ Den Griff loslassend, ging ich in die Küche und sah herunter, in den Topf hinein. Dort war noch ein Rest der Sahnesoße. Erst zögerte ich, dann aber ließ ich den Zeigefinger an den Rand des Topfes entlang gleiten, um diesen dann mit der sahnigen Fingerkuppe in den Mund zu nehmen. Als die Soße in meinem Mund war zerfloss der Geschmack förmlich auf meiner Zunge und es machte sich ein gutes Gefühl breit. Es schmeckte zu meiner Überraschung... Es schmeckte gut.

Ein Rascheln! Sofort drehte ich mich um, kampfbereit wie immer. Doch hinter mir war kein Gegner, sondern sie. „Ich wollte dich nicht erschrecken.“, waren ihre flüsternden Worte, da sie ihren Mann nicht wecken wollte. „Ich habe dich kommen gehört“ meine knappe Antwort. Ihr Blick ging zur Seite, zu Topf und dann zu mir. Sie ergriff meine Hand, an dessen Finger noch etwas Sahne klebte. „Du hast es probiert?“ Sie war erstaunt. „Bilde dir nichts drauf ein. Ich denke nur das es besser ist seine Umgebung und dessen Früchte zu kennen.“ Doch sie lächelte nur selig was mich zu ihr sehen ließ. Weiterhin hielt sie meine Hand, erwiderte den Blick. „Du hast es probiert...“, wiederholte sie sanft. Was sollte ich da erwidern? Was sollte ich auf diesem Blick antworten? In ihrem Blick lag Freude, unglaubliche Freude.


~
Wieso war dieser Moment so schön?
Die Erkenntnis, dass er es aß...
Wieso...
...konnte ich seine Hand nicht einfach loslassen?
~

Selinas Gefühl sagte ihr, dass die Zeit mit mir eine Schöne war. Joshua war aufgefallen das seine Frau in letzter Zeit noch mehr lächelte als sonst. Sie selbst wusste nicht wirklich viel darauf zu sagen. Dennoch kannte Selina tief im Inneren die Antwort die sie ihrem Mann niemals darbieten konnte. Es bereitete ihr Freude mit mir zusammen zu sein.

Mehr als mit Joshua...

Immer wieder erschrak die junge Ehefrau vor diesen Gedanken, fühlte sich schlecht. Schließlich war Joshua ihr Mann und doch dachte sie an einen anderen. An diesen fast schon unnahbaren Dämon. Joshua hatte auf ihren Wunsch hin nachgeforscht wer ich sein könnte. Die Erkenntnis traf die Talin hart. Natürlich war ihr klar das ich kein Unschuldiger war, aber Lucifers Heeresführer? Damit hatte Selina nun doch nicht gerechnet und doch war sie fest der Meinung das ich, trotz meines Standes und meiner Vergangenheit, ein guter Mann war. Sie dachte sich das ich sie und ihr Kind schon lange hätte töten können, aber es nicht getan hatte, ein gutes Zeichen war. Sie hatte Recht. Oft hatte ich die Chance gehabt, doch nie genutzt. Ich war mürrisch und forsch zu ihr, dies schreckte sie jedoch nicht ab erneut meine Nähe zu suchen. Es war für sie sogar ein kleines Erfolgserlebnis, wenn sie diesem mürrischen Dämon eine Antwort abringen konnte. Egal wie sie ausfiel. Egal wie schlecht gelaunt. Es war die Antwort, die für sie zählte. Dies, so hoffte sie, zeigte das die junge Dame mir nicht ganz egal war.

~Wieso war dieser Gedanke so schön? Verfiel ich einem Dämon?~ 

Wir standen ein paar Minuten in dieser Position, bis sie sich dann wieder besann und von mir abließ. Sie hätte ruhig noch etwas länger meine Hand halten können. „Ich werde dir etwas zubereiten.“ entschied sie jedoch, während ich mich für meinen Gedanken tadelte. Da vom Mittagessen nichts mehr übrig war, außer diese Reste, wollte sie etwas neues kochen. Wenn ich mich schon für ihr Essen zu interessieren schien, so wollte sie nicht das mein erstes Mahl in diesem Haus Reste waren. Ich willigte ein, da sie eh nicht davon abzubringen war und setzte sich auf einen der Stühle um die Frau beim der Tat zu beobachten. Es war das erste Mal, obwohl ich schon so lange hier war. Sonst hatte ich nur lediglich gelauscht, aber nun beobachtete ich sie wie sie sich liebevoll um das Mahl kümmerte. Dabei nahm ich ihr die Frage ab ob sie das alte oder neue Brennholz benutzen sollte. Ich entfachte einfach ein Feuer unter dem Topf damit Selina kochen konnte. Überrascht, dann aber dankend Lächelnd sah sie zu mir.

Sie kochte eine Suppe , welche cremig und sahnig war. Das konnte sie besonders gut und sie hatte den Wunsch, mir etwas besonders wohlschmeckendes zu kochen. Man konnte es ihr Ansehen. Sie war noch hingebungsvoller als sonst in ihrem Tun. Dabei kreisten ihre Gedanken um die Frage, ob es mir schmecken würde. Es war ihre stille Hoffnung, weswegen sie ihr ganzes Herzblut in die Zubereitung legte. Währenddessen beobachtete ich sie. Hatte mich falsch herum auf den Stuhl gesetzt und die Arme auf die Rückenlehne gelegt. Ich ertappte mich bei dem Gedanken dieses Bild zu mögen. Diese Frau, die am heimischen Herd kochte. Nur für mich. Es war ein Bild, ein Gedanke, der mich versteckt lächeln ließ. Selina selbst war mit ihren Gedanken ganz woanders. Dabei bemerkte sie nicht wie ihr langsam die Kelle entwich und drohte in den Topf zu rutschen. Erst als ein Griff um ihre Hand spürbar war, wachte sie aus ihrer Traumwelt auf und sah überrascht zu ihrer Hand. Ich hatte sie ergriffen und damit auch das Ende der Kelle. „Pass auf Frau.“ warnte ich sie wegen ihrer Nachlässigkeit etwas forsch, als würde ich einen meiner Männer wegen Konzentrationsmangel tadeln. Selina jedoch überging diese scharfe Tonart und sah leicht beschämt zu mir hoch. Ob es wirklich Scham war oder einfach nur der Schreck, konnte man nicht erahnen. Nicht einmal sie wusste es. Das was sie wusste war: Ich umarmte sie. Die Hitze stieg in ihren Kopf und färbte ihre Wangen in einem zarten Rosa. Im Schein des Feuers konnte man es jedoch nicht sofort erkennen, aber auch mir war unsere Position klar. Um ihre Hand zu greifen, musste ich sie von hinten umarmen. Eine Hand lag um ihre Hand, die andere war aus Reflex um die Taille gewandert, ruhte auf dem Bauch. Ich spürte ihren warmen Körper an meinen und der Augenblick schien wie in Zeitlupe zu vergehen. Er war so magisch und verboten. Von beiden Seiten. Dieser Gedanke beschlich auch Selina als sie meine Hand auf dem Bauch spürte in dem das Kind ihres Ehemannes wuchs. Es war dennoch nicht Joshua mit dem sie umarmend am Feuer stand. Es war meine Wenigkeit, ein Fremder. Wir blieben dennoch in dieser Pose, als hätte man uns in Wachs gegossen. Weder Selina noch ich taten etwas Gegenteiliges und auch ich hatte meine Gedanken. An mir ging es nämlich ebenfalls nicht spurlos vorbei. Ihre Wärme durchdrang mich. Ihr Anblick, ihr Gesicht was so nah an meinem war. Die vollen Lippen, ihr Mund der leicht geöffnet war, die weichen Haare dessen Duft in meine Nase drang. Ihr Duft. Im Schein des knisternden Feuers. Aufkeimende, verbotene Gedanken.

Selina musterte mich und ihre Gedanken waren nicht anders als meine. Ihr Blick glitt über meine nackte Brust an die sie sich langsam schmiegte. Die Kelle hatte sie losgelassen und war in meiner Hand geblieben, während ihre sich sanft auf meine Haut legten. Mit einem Hauch von Faszination strich sie mit den Fingerkuppen über die Muskeln. Mein Körper war trainiert, da ich jeden Tag trainierte. Trotz Selinas mahnende Worte ich solle mich ausruhen. Dennoch war keine riesige Gebirgskette an Muskeln an mir zu sehen wie bei einem Bodybuilder, der aus nichts anderem bestand. Die Muskeln waren angemessen und Zeuge von einem Mann, welcher täglich angemessen seinen Körper trainierte um Fit zu sein. Ich stellte mir es auch ziemlich unpraktisch vor auf dem Kampffeld, wenn man vor lauter Muskelbergen nicht laufen konnte.

Ihre sanften Berührungen hinterließen ein angenehmes Kribbeln auf der Haut, wie es nicht einmal mein Feuer schaffte. Leicht senkte ich die Augenlider, gewährte es ihr die Neugierde zu stillen. Gewährte mir das wohlige Gefühl, was sich in mir ausbreitete. Selina hatte ihren Rundgang über meinen Oberkörper beendet und lag immer noch in meinen Armen, beschwerte sich auch nicht darüber. Im Gegenteil. Sie hatte ebenfalls die Augen geschlossen und atmete meinen Duft ein, wie ich ihren. Leider kehrte die Vernunft nach ein paar Sekunden wieder zurück. Ließ mich realisieren, was ich hier gerade tat. Sofort löste ich mich von ihr, wobei auch sie endlich ihre Vernunft wieder fand. Wir standen leicht abgewandt voneinander. Fühlte mich nicht wie ein großer Krieger, sondern wie ein beschämter Schuljunge. Ich hasste dieses Gefühl. Das Gefühl mich lächerlich zu fühlen. All dies wegen ihr! Dieser Talin!

Selina kämpfte ebenfalls mit ihren Gefühlen, nur das diese in eine andere Richtung gingen. Sie hatte nach mir verlangt, meinen Körper weiterhin berühren wollen. Sie hatte Gedanken, die eine verheiratete Frau und werdende Mutter nicht haben sollte. Gedanken, unangemessen einer Talin. Unwürdig einer Frau des Abtes. Doch sie waren da, stachen wie ein Dolch durch das Herz der Verwirrten. Nie hatte sie daran gezweifelt ihrem Mann treu zu sein. Beschenkte er sie auch sonst nie mit vielen Berührungen, hatte nur intime Berührungen mit ihr geteilt um sie zu schwängern. Sie redete sich ein, dass ein guter Pater so sein müsse. Der Fleischeslust widerstehen musste und zuallererst seinem Gott die Liebe schenken sollte. Dennoch! Kein liebevolles Wort kam über die Lippen Joshuas. Keine Worte, die einem Ehemann angemessen waren. Alle Worte, die an sie gerichtet waren, wurden von dem Vater ihres Kindes gesprochen. Die Vorsicht, die sie walten lassen sollte. Ihre Gesundheit auf die er bedacht war. Die Worte waren zum Schutz des Kindes gesprochen, nicht zur Liebe an die Ehefrau.

Selina sehnte sich nach der Sicherheit zweier starker Arme, die sie sanft empfingen. Sie sehnte sich nach den normalen, menschlichen Bedürfnissen, auch wenn sie es lange verdrängt hatte. Doch ihre Sehnsucht war ungebrochen. Ihre Gedanken schwirrten umher. Zu ihrem Ehemann, den Werten, nach denen sie ihr ganzes Leben lang lebte und erzogen wurde, bis hin zu mir und der Verführung. Sie wusste, sie musste etwas tun, da sie sich fühlte, als würde bald ihr Kopf platzen vor lauter Fragen und Gefühlen. Tief atmete sie einmal ein und aus, drehte sie sich zu mir, hatte sich mit Kelle, Besteck und Teller bewaffnet. „Lass uns Essen!“, war ihr Versuch alles zu überspielen und zur Normalität zurück zu kehren. Kurz sah ich sie an, dann willigte ich ein. Es war die beste Idee. Ich durfte es nicht an mich herankommen lassen. Es war einem Dämon unwürdig. Auf eine Talin durfte man sich nicht einlassen. Dennoch fühlte ich immer noch ihre Fingerkuppen auf meiner Haut. Die Stellen an denen sie entlang gestrichen hatte. Das Gefühl versuchend zu verdrängen, setzte ich mich, ließ mir das Essen servieren und griff zu dem Besteck. Sie hatte sich mir gegenüber gesetzt und tat das Selbe. Kurz hielt ich noch inne, dann aber tauchte ich den Löffel in die Suppe...

„Guten Appetit.“, kam es leise von ihr.
„Guten Appetit...“

 
Es fühlte sich so alltäglich an...
Wie eine richtige Familie...

Von da an fühlte nicht nur ich mich ihr näher, sondern fing an mich an dem Leben der Blauhaarigen zu beteiligen, auch wenn ich an meinem Standpunkt festhielt. Meine Ansichten über das Leben und das Werk Gottes nicht mit den ihren teilte. Gleichwohl war unser Zusammenleben schon fast als alltäglich zu bezeichnen...

Doch die Zeit rann wie Sand zwischen unsere Finger ...

Der Dämon in meinem Herzen


Ich lasse dich nicht gehen...

 

Mir kam es so vor, als hätte ich noch nie so ein erfülltes Leben gehabt wie jetzt. All die Jahrtausende waren, im Vergleich zu dem hier, nichts. Dabei war es doch nur Assiah und diese Frau. Ich verstand mich langsam selbst nicht mehr. Auch als meine Wunden verheilt waren, war ich hiergeblieben. Ich lebte in dem Zimmer welches mir Selina gegeben hatte, aß mit ihr und ihrem Mann zu Mittag, vorher stand ich nicht auf da wir Dämonen nachtaktiv waren. Ich beobachtete sie bei den alltäglichen Dingen, wie sie immer wieder sanft über ihren Bauch streichelte, wenn ihr Kind trampelte, sah wie sie lebte, auch wenn mit ihrem Mann und nicht mit mir. Dieser war jedoch selten hier, sondern im Kloster. Anfangs hatte ich noch gesehen, wie Selina traurig über diesen Umstand war, doch nun war davon nichts mehr zu sehen. Sie fühlte so wie ich. Sie wusste wie gefährlich dieses Gefühl war, da sie ihrem Mann zugehörte. Dennoch hatte sie nicht den Blick von mir abgewandt. Mir machten diese Blicke nichts aus, ertappte mich sogar einmal wie ich versuchte ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu bekommen. Doch, diese hatte ich. Selbst wenn Joshua aus dem Kloster, hier her zu seiner Frau kam, galt ihre Aufmerksamkeit nur mir. Das schlimme: Joshua schien es zu merken...

So geschah es eines Nachts...
Etwas, was Selina und mich verbunden hatte...Trotz dieser Not...

Joshua war vor zwei Tagen ins Kloster gegangen. Er versprach seiner Frau am dritten Tage zurück zu kommen, da sie merkte, dass es nicht mehr lange dauern würde. Ihr Sohn würde bald kommen. Auch ich konnte es nicht übersehen. Normalerweise war dies etwas, was mich weniger Interessierte. In meinem Leben hatte ich schon vielen schwangeren Frauen das Lebenslicht genommen, Familien ausgelöscht, oder ihnen den Mann genommen. Doch nun wollte ich es erhalten. Meine Hände um das Licht schützend legen. Für Selina...


Immer wieder hallte ein Geräusch durch den Wald. Das Geräusch von Holz was entzwei geschlagen wurde. In der Zeit wo ich bei Selina war, hatte ich alle Aufgaben übernommen welche für einen Mann üblich waren. Darunter zählte das Hacken des Holzes für den Ofen und der Feuerstelle. Ebenso das Tragen von schweren Körben, das Gewähren von Schutz wenn Selina im Wald Kräuter sammelte und vieles mehr, was ich tat für sie. Ich war ein Dämonenlord und ein Heeresführer. Doch hier fungierte ich als Ehemann einer Sterblichen. Zwei Welten, welche sich normal niemals treffen würden, doch hier taten sie es und es war gut. Die Tage waren friedlich, die Nächte entspannend. Selina war oft wach geblieben, oder wachte Nachts auf, um mit mir zu reden oder einfach nur um mich zu beobachten. Meistens wenn ich Holz hackte oder trainierte, was ich meist Abends oder Nachts tat. Diese Nacht hatte sie den Plan gehabt es wieder zu tun, doch die Schmerzen hatten sie geweckt. Instinktiv kam sie zu mir und als ich sie hörte, geplagt von Schmerz, ließ ich das Beil sinken und lief zu ihr.

Sie hatte es nur bis zur Tür geschafft, dann sackte sie zusammen. Bevor sie auf dem harten Boden stürzte, hatte ich sie jedoch schon gefangen. Ich hob sie hoch und drückte sie sanft an meine nackte Brust. Sie schmiegte sich an und sah von Schmerz geplagt zu mir. „Ich habe Angst...“, gestand sie flüsternd. Es war leise, doch ich konnte sie hören. Instinktiv drückte ich sie fester an mich, als wollte ich sie vor etwas schützen. Es dauerte nicht lange und ich hatte sie in ihr Zimmer gebracht, um sie auf das Bett zu legen. Doch sie ließ mich nicht los. Sie hatte ihre Arme um meinen Hals geschlungen und wollte nah bei mir sein. Ich gewährte ihr dies. Immerhin wünschte ich mir das Selbe, legte meine Arme um sie so weit es ging. Auch wenn sie schwanger war, so war sie kleiner und zierlicher. Es war nicht schwer sie in meine Arme zu schließen.

„Sprich... warum quält dich die Angst.“, fragte ich dann leise in die Stille hinein. Meine Stimme war so sanft wie noch nie. Sonst sprach ich mit Strenge, oder erhaben, zu meiner Herrn demütig. Doch zu Selina war es sanft. Diese Frau war die erste, die dies zu Gehör bekam. Doch ich schämte mich nicht dafür. Ich wollte es so und Selina ließ sich darauf ein. Wir sahen uns in die Augen. Gerade jetzt kam sie mir so klein und schwach vor. Ein typischer Mensch, hätte ich sonst gesagt. Gewürm. Doch dieses Mal wollte ich diesem Menschen einen Halt geben. „Werde ich alles richtig machen? Mein Sohn wird in mächtige Fußstapfen treten. Vielleicht sogar von Trauer beseelt sein. Sein Leben dem Kloster verschreiben.“, sprach sie aus Sorge um ihr noch Ungeborenes. „Sein Leben dem Herren zu schenken ist eine edle Sache, dennoch... Joshua... Er ist so...“ Sie wagte es erst nicht auszusprechen. „...verändert. Ich möchte meinem Sohn ein gutes Leben bieten. Mit Gottes Licht in seinem Herzen und der Familie an seiner Seite.“, sprach sie weiter, wobei ihr die Tränen kamen. Sie wusste selbst nicht warum, doch eine unbekannte Trauer wuchs in ihr. „Wieso? Wieso Cain...? Wieso fühle ich bei dem Gedanken eine Familie für meinen Sohn zu haben, für Joshua keinen Platz? Er ist sein Vater, doch er ist nicht in meinem Bild. Doch... du bist es.“ Sie schluchzte bei dieser Erkenntnis. Das so etwas ihr passieren würde, dass sie so untreu denken würde. Sie hätte es nie für möglich gehalten und fühlte sich unendlich Schuldig.

Ihre Worte drangen tief in mein Herz. Hatte ich doch gedacht, dies vor langer Zeit verloren , oder erst gar nicht von meinem Herren geschenkt bekommen zu haben. Aber es war da, ganz deutlich. Die Worte dieser schwachen Frau drangen in mir und verfehlten ihre Wirkung nicht. Meine Arme waren immer noch um sie geschlungen, wollten sie auch nicht gehen lassen. Sie sollte für immer so bleiben. Bei mir. Meine Gedanken ziemten sich nicht für einen Dämon, schon gar nicht meines Standes. Doch diese Gedanken ließen sich nicht abschalten. Wollte ich das überhaupt? Müsste ich darauf antworten, so wäre es eine verneinende gewesen. Kreisten meine Gedanken doch schon seitdem ich hier war, nur um sie.

 
Diese törichte Frau, die mich fand und wagte mich zu belehren.
Die es wagte mich Dinge tun und fühlen zu lassen.
Diese törichte Frau...
...die ich liebte.

Wie von selbst fanden meine Lippen die ihren. Legten sich auf diese und gaben sie nicht mehr frei. Doch es kam keine Gegenwehr. Selbst wenn welche kam, so wüsste ich nicht ob ich diese überhaupt zugelassen hätte. Zu sehr wollte ich sie küssen. Ihren Speichel mit meinen vermischen. Ihren Geschmack mit meinen teilen. Ihren Geruch in mir aufnehmen und ihr meinen schon fast aufzwingen. Diese junge werdende Mutter, ganz zu meinem ernennen.

 
„Selina...“
„...Cain“

Klirr!!

Das Geräusch schreckte uns aus unserer kleinen Welt. Ich blieb in meiner Position, hatte ihn doch schon lange gespürt. Doch interessiert hatte es mich nicht. Selina drehte den Kopf und sah zur Quelle des Geräusches. Sie riss die Augen auf, Reste ihrer Tränen kullerten die Augenwinkel herab, ihre Wange entlang. Ihr Blick war starr und schockiert auf die Tür gerichtet. Mit einem mal krampfte ihr Herz sich zusammen und sie Begriff ihr Tun. Langsam öffnete sie den Mund, ihre Stimme war leise, kaum zu hören.

„J..osh...ua...“

Sein Blick war auf uns gerichtet. Er war gemischt mit Schock, Verletzlichkeit und Wut. Nicht mal Joshua wusste was er gerade am Meisten fühlte. Er wollte früher nach Hause kommen und hatte uns gesehen. Langsam nahm Selina ihre Hände von mir und legte sie sich vor den Mund. Selbst das Treten des Kindes nahm sie gerade nicht wahr. Zu sehr war sie gebannt von dem was hier passierte. Während Selina ihre Hände von mir genommen hatte, hatte ich sie um sie gelassen. Ich ging sogar noch weiter und sank meinen Kopf, platzierte einen Kuss auf ihren schlanken Hals und kratzte mit meinen spitzen Dämonenzähnen die unschuldige Haut. Während ich dies tat, hatte ich meinen Blick zu Joshua gewandt. Er war herausfordernd. Ein starker Wind ließ die Kerze in Selinas Raum erlöschen, doch mein Blick blitze immer noch in der Dunkelheit und drang in Joshua ein. Es war der Blick eines Dämons, welcher seinen Besitz an einer Frau beansprucht hatte. Eines Dämons welcher sich nicht darum kümmerte, ob diese schon jemand anderem gehörte.

Es hatte angefangen zu regnen. Immer wieder erhellten Blitze des Gewitters, welches draußen anfing zu toben, den Raum. Es war als würde die Umwelt das wiedergeben was in unserem inneren gerade stattfand. Eine lange, schneidende Stille lag im Raum. Doch dann ballte Joshua die Hände kurz zu einer Faust. Er sah zu uns. Ich hatte immer noch die Dreistigkeit, so nah an seiner Frau zu sein, sie nicht loszulassen. Doch das würde ich auch nicht von alleine. Ich sah keine Veranlassung darin. Joshua sah Selina verletzt an, wandte sich dann ab und rannte aus dem Haus. Er rannte und rannte, als würde ein wildes Tier hinter ihm her sein. Mein Blick ging ihm nicht aus den Kopf. Es hatte sich tief in ihn hinein gebrannt. So wie das Bild zwischen mir und seiner Frau. Er hatte alles mitbekommen. Von Selinas Geständnis, bis hin zum Kuss. Die ganze unverblümte Wahrheit. Während er ziellos durch den Wald rannte, kamen ihm immer mehr und mehr Gedanken hoch. Der Regen hatte derweil sein Priestergewand durchnässt. Seine Haare klebten förmlich an seinen Kopf. Doch egal wie schwer seine Kleidung war, wie schwer es ihm der durchnässte Waldweg machte, er rannte weiter. Beseelt von Gedanken. Gedanken die ein Pater nicht haben durfte. Gedanken des Zorns. Verfluchende Gedanken.

Hass!

Er hasste Cain...
Der Abt verfiel seinem Hass. 

Irgendwann waren seine Glieder schwer geworden. Er war noch nie so viel gerannt in seinem Leben wie jetzt. Erschöpft sank er auf die Knie und vergrub seine Hände in seinem nassen Haar. Sein Blick hatte etwas Wirres. So wie er dort im Matsch saß, sein Blick das Nichts fixierte, würde man nicht auf die Idee kommen, er sei der heilige Talin. Er bemerkte in seinem Wahn nicht wie sein Ring, das Erbe der Talin, sich verfärbte. Der blaue Edelstein verfärbte sich schwarz. So wie seine reinen Gedanken sich schwarz verfärbten. „Cain...“, flüsterte Joshua wie ein Mantra. „Cain...Cain...CAIN!“, wurde es immer lauter und er riss die Augen auf, sah hinauf in den Himmel. „Gott verfluche diesen Dämon!“ schrie er. Als er dies aussprach, leuchtete der Ring auf. Joshua sah schon fast panisch auf seine Hand, nahm sie vom Kopf weg. Wie von Zauberhand rutschte der Ring von seinem Finger. Der Ring hatte seinen Meister abgelehnt...

Nie hatte Joshua den Ring für lange tragen können. Seine Wut darauf, dass Selina diejenige war welche so heilig und mächtig war, kam zum Vorschein. Joshuas Haare hatten sich nie verfärbt, auch wenn er den Ring trug. Selina war es, die die blauen Haare und Augen hatte, obwohl sie den Ring nicht trug. Es machte ihn rasend, immer wenn er sie sah. Er konnte dies immer gut verbergen. Die Wut und den Neid auf seine Frau. Er hatte sie schon immer Beneidet und war zornig. Hatte es immer verheimlicht das sie für die ganzen Wunder zuständig war, hatte ihre Medikamente und Salben als seine ausgegeben. Nie hatte er Hand an sie angelegt, doch nun war es so als würde es mit ihm durchgehen. „Diese Schlampe! Diese verfluchte Schlampe!! Ist das deine Antwort Gott?? Ich diente dir! Und dennoch akzeptierst du mich nicht als Talin!! Aber eine die mit einem Dämon hurt!,“ schrie Joshua und stand auf. Er wollte nach dem Ring greifen, doch es wurde ihm verwehrt. Der Ring stieß ihn ab, so das er erneut im Matsch landete. Mit festem Griff krallte er sich in den Matsch, sah nach oben. „Ist das... deine Antwort...?“, kam es flüsternd von ihm. Langsam ließ er sich zu Boden sinken, wollte einfach nur die Augen schließen. Doch ein gehässiges Lachen ließ ihn innehalten.

Panisch sah Joshua hin und her. Sein Blick wanderte ziellos durch zwischen die Bäume, in der Hoffnung dieses Lachen zu enttarnen. Doch es identifizierte sich selbst. Dunkle Schatten kamen zwischen den Bäumen hervor. Doch nicht nur dort, sondern auch vom Himmel herab und vom Boden empor. Der dichte Nebel im Wald wurde noch dichter. Es wurde dunkler. So dunkel das man nicht einmal seine Hand mehr vor Augen sehen konnte. Joshua kroch ängstlich zurück. Versuchte aufzustehen und wegzurennen, aber als er los rennen wollte stieß er gegen einen großgewachsenen Mann. Dieser stieß ihn zurück zu Boden, ehe er selbst aus der Dunkelheit heraustrat. Sein Haar war so weiß wie der Schnee, die Augen hatten ebenfalls eine weiße Farbe mit einem gelben Stich. Doch der Mann war nicht Blind, auch wenn er so aussah von den Augen her. Er konnte sogar sehr gut sehen. Der Weißhaarige sah zu dem gefallenen Pater herab. Ein abschätziger Blick und ein gehässiges Lachen. Joshua wollte verschwinden, da er sich nicht schützen konnte, doch um ihn herum erschienen, aus den Schatten heraus, weitere Männer. Sie hatten alle etwas gemeinsam: Sie waren Dämonen. Das konnte auch Joshua erkennen an ihren spitzen Fangzähnen, ihren spitzen Ohren und dem Dämonenschwanz. Ihre waren zwar nicht so wohlgeformt und die Haare daran etwas abstehend, doch sie peitschten gefährlich zu Boden. Joshuas Angst und Panik war kaum zu übersehen. Der Weißhaarige, welcher der Anführer war, lachte darüber nur und streckte die Hand aus. Seine Krallen waren scharf und wollten reißen. Reißen in des Menschlein Haut. „Sieh an. Ein Talin, ein gefallener noch dazu. Das bekomme ich nicht alle Tage zu sehen. Meister Cain habe ich nicht entdeckt, doch dafür dieses Exemplar. Mein Gebieter wird begeistert sein wenn ich ihm den Kopf des aktuellen Talins bringe.“ Doch bevor er etwas derartiges machen konnte, schrie Joshua auf. Als sie meinen Namen genannt hatte machte es beim ihm Klick. Die Heiligkeit war eh über Bord geworfen und im Angesicht seines drohenden Todes schmiss er auch noch das letzte bisschen Stolz von Board. „Nicht mich solltet ihr zerfetzen! Ihr sucht Cain? Diesen Bastard? Den könnt ihr haben! Nimmt mir meine Frau weg!“, waren seine hasserfüllten Worte. „Er ist hier. Hatte sich die ganze Zeit versteckt, das feige Stück! Nur um meine schwangere Frau zu bezirzen!“ Joshua öffnete einladend die Arme. „Ich zeige euch den Weg! Deine Krallen können sich in seinen Leib schlagen!“

„Joshua!!“

Er hielt inne. Sein Name, welcher gerufen wurde. Langsam, als würde er sich in Zeitlupe bewegen, wandte er sich zum Besitzer dieser Stimme. Es war seine Frau...

Als Joshua das Haus verlassen hatte und in den Wald rannte, blieb Selina für einige Sekunden starr sitzen. Doch dann kam sie mit ihren Gedanken wieder in der Realität an. Sie versuchte sich aus meinen Armen zu befreien. Ich packte sie an den Handgelenken. „Cain! Lass mich! Ich muss hinterher!“ „Wieso? In deinem Zustand! Er ist es nicht wert! Er hat dich nie geliebt! Ihm nachzulaufen ist eine Verschwendung deiner kostbaren Zeit!“, kam es aufgebracht von mir, doch Selina legte nur ihre Lippen auf meine und sah mich dann erst lächelnd, dann ernst an. „Ich weiß...“ Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. Das Selina es die ganze Zeit wusste. Das ihr Mann sie nur wegen seines Amtes wollte und nicht, weil er sie aufrichtig liebte. „Sein Herz war schon lange von Eifersucht zerfressen. Doch..., ich kann ihn nicht im Stich lassen! Er soll es aus meinem Mund hören!“ Sie lehnte sich kurz an mich. „Wie sehr ich dich liebe...“ Mit diesen Worten löste sie sich von mir und verließ das Haus, rannte so schnell sie konnte in den Wald. Ihr Atem ging schwer, die Füße schmerzten schon nach ein paar Sekunden und ihr Ungeborenes zeigte deutlich, was er von diesem Marsch hielt. Doch sie biss die Zähne zusammen und rannte weiter. Immer tiefer in den Wald.

Auch ich blieb nicht untätig. Wenn sie diesen Menschen konfrontieren wollte, dann sollte sie es. Solange wollte ich hier warten, doch meinem Vorhaben wurde vereitelt. Ich spürte die ansteigende, schwarze Magie. „Dämonen!“ Ich spürte sie im Wald. Dort, wo Selina im Begriff war hinein zu rennen. Kurz zögerte ich, dann rollte ich mit den Augen. „Das ist der Grund warum es heißt das Menschen nur Ärger machen!“, murmelte ich genervt und machte mich auf den Weg. Ich teleportierte mich direkt zur schwarzen Magie und erschien neben Selina, die schwer atmend neben mir stand. Ich hielt sie und sah zu den Dämonen und Joshua. Auch sah ich den Ring, welcher im Matsch funkelte. Er hatte also seinen Ring verloren. „Joshua...“ Selbst ein Dämon wie ich wusste was dies bedeutete. Das Joshua dem Licht den Rücken gekehrt hatte. Selina sah geschockt zu ihrem Mann und sah dann auch den Ring. „Joshua... nein...“, hauchte sie.

Joshua sah zu ihr und als er mich bei ihr sah, verengten sich seine Augen. Wut zierte sein Gesicht. „Das du es wagst vor mir zu erscheinen! Mit diesem Mann! Du-“ Doch weiter kam er nicht. Der weißhaarige Dämon lachte nur auf und rammte seine Klaue durch die Brust Joshuas. Dieser keuchte erschrocken auf. „Aber...“, Weiter kam er nicht. Der Dämon hatte die Klauen um das Herz des sterbenden gelegt und es mit einem Ruck aus dem Leib gerissen. Nicht nur das. Der Dämon hatte seinen Leib zerfetzt, so das nur noch Körperteile zu Boden fielen. Selina riss die Augen auf, schockiert von diesem brutalen Schauspiel was sich vor ihren Augen bot. Sie hatte aufgeschrien als man ihrem Mann das Herz raus riss und sank ebenfalls auf die Knie. Der feindliche Dämon leckte amüsiert über das Herz, biss hinein und labte sich daran. „Ahn~“ kam es von ihm, als wäre er in einem sinnlichen Akt. Die anderen Dämonen wollten sich über die Körperteile des Toten hermachen, sich ebenfalls an ihm laben. Doch dies vereitelte ich. In meiner Hand erschien ein Feuerball, welcher sich dann zu einem Schwert formte. Mit unmenschlicher Schnelligkeit war ich bei den Dämonen, welche unvorsichtig waren und gar nicht mehr, vor lauter Gier, auf ihre Umgebung achteten. Bevor sie auch nur eine Klaue an Joshuas zerfetzten Leib legen konnten, hatte ich ihnen diese abgeschlagen. Ein lautes Schreien und Zischen ging durch die Reihen, doch lange mussten sie sich nicht damit quälen. In der nächsten Sekunde hatte ich ihnen die Köpfe abgetrennt und mein Feuer verschlang ihre toten Leibe. Der Weißhaarige drückte vor Wut seine Klaue zu und zermatschte das, sich darin befindende, Herz. Blut lief aus seiner Handinnenfläche, herab zum Boden. Mit dem Blut Klumpen, welche nur noch abstrakt an das vorherige Herz erinnerten. „Cain!!“, schrie er wütend. Er kannte mich, aber das war Verständlich. Der Dämon kam aus meinen eigenen Reihen. Ein guter Soldat, ein gnadenloser Krieger. So wie ich ihn gelehrt hatte. Wütend sah er zu mir, funkelte dann Selina an, die leise nach Joshua Winselte und sich die Hände vor den Mund hielt, da ihr von dem Anblick des Schlachtfeldes so schlecht wurde, dass sie sich übergab. Sie war nur ein einfacher Mensch und hätte sich nie erträumen lassen so etwas schreckliches jemals zu Gesicht zu bekommen. Es war natürlich das es ihr auf den Magen schlug. Ich wollte zu ihr, doch als ich erkannte was der Dämonenkrieger vorhatte, musste ich dies verschieben. Keiner würde Hand an Selina anlegen. Ich würde ihn töten. Es blieb keine andere Wahl. Würde er lebend nach Gehenna zurück kehren, würde er den anderen über den Aufenthaltsort der Talin Bescheid geben. Sie würden kommen und Selina, sowie das Baby töten. Mit dem Töten der Dämonen hatte ich sowieso schon Gehenna verraten, so schreckte ich nicht zurück weiteren Verrat auf meinen Schultern zu lasten. Ich hatte nicht nur Dämonen getötet, was nicht so schlimm wäre. Mein Wort wäre gegenüber Lady Lucifera stärker gewesen, doch ich hatte einen anderen Verrat begangen. Mein Herz, welches meine Herrin gehören sollte, gehörte nun einem Talin. Ich hatte Selina verschont, sogar mit ihr zusammengelebt. Sie geküsst, für sie gefühlt und für sie getötet. Ein Hochverrat an meinem Herren Lucifer und der Herrin Lucifera.

Ich wollte sie schützen, so stürzte ich mich auf den weißhaarigen Dämon, kreuzte meine Klingen mit ihm. Ich musste unweigerlich etwas lachen. Während des Kampfes verwandelte ich mich in meine Dämonenform. In Assiah hatte ich Hörner, Rüstung, Klauen und die Ohren verstecken können. Doch nun stand ich vor meinem ehemaligen Heeresmitglied als sein Meister. Meine Hörner waren groß, meine Klauen scharf und tödlich. Die Rüstung strahlte die Würde und Kraft eines wahren Heeresführers aus. Es würde erneut Blut an ihr kleben, doch dieses mal das von einem meiner Männer. Einer meiner besten Männer sogar. Varya, so der Name des Weißhaarigen, würde sein Ende durch mich finden. Ich leckte mir über meine spitzen Fangzähne und kämpfte mit ihm. Immer wieder hörte man die Klingen unbarmherzig aufeinandertreffen. Es war kein Übungskampf, sondern ein Kampf um das Überleben. Entweder er oder ich. Unsere Blicke sagten genau dies aus, wofür dieser Kampf stand. „Ich habe euch immer bewundert, dass ich jemals meine Klingen in diesem Sinne mit euch kreuzen würde!“, rief Varya und schlug von Oben. Mit einer eleganten Drehung wich ich aus und parierte den Schlag. „Du hast recht. Du warst mein bester Mann. Ich hatte große Stücke auf dich gesetzt, hätte Lucifer von dir berichtet und dafür gesorgt das an dich adelt. Doch das ist nun alles Geschichte. Varya! Ich erweise dir die letzte Ehre! Mein Schwert wird dich durchbohren und ich werde deinen Leib vollständig verbrennen. Sei unbesorgt. Kein Stück wird mehr von dir übrig sein. Mein Feuer wird alles von dir aufnehmen. Deine Existenz wird von mir nie vergessen. Du wirst eingehen in die Geschichte als großer Krieger, welcher ehrenvoll gestorben ist!“ Mit diesen Worten parierte ich einen weiteren Schlag, stieß ihn zu Boden und rammte mein Schwert tief in sein Leib, direkt durch sein Herz. Er schrie gequält auf, spuckte Blut. Mein Schwert hatte ihn am Boden fest gepinnt. „Lebe wohl~“, wisperte ich und zeitgleich umschloss eine Feuerwelle mein Schwert und verbrannte seinen Körper. „Decus!!!!!“, schrie Varya, bis seine letzten Worte im Feuer verschluckt wurden..

Das Feuer hatte den ganzen Körper verbrannt, nicht einmal Asche blieb zurück. Es wurde alles aufgenommen. Es war so, als wäre er niemals hier gewesen. Als mein Feuer langsam abebbte und verschwand, stand ich immer noch gebeugt, mit dem Schwert welches im Boden steckte und hatte den Kopf gesenkt. Ich hatte gerade, um das Leben dieser Frau zu retten, einen Dämon getötet welcher seit vielen Jahrhunderten an meiner Seite war. Für diese Frau, hatte ich Hochverrat begangen. Mein Blick ging zu dem matschigen Boden, auf dem mein ehemaliger Freund vor kurzem noch seine letzten Worte geschrien hatte. Doch Selinas dumpfer Aufschrei ließ mich wach werden. Ich verwandelte mich zurück und ging zu ihr. Das Schwert war verschwunden, die Rüstung wieder abgelegt. Ich war jetzt nur noch Cain, an der Seite von Selina. Ich kniete neben ihr in den Matsch. Sie krallte sich in meine nackten Schultern und schrie auf. Schnell bemerkte ich was los war. Nicht der Schock über all das ließ sie so schmerzvoll schreien, sondern er. Ihr Sohn. Durch das Rennen hatte sie die Geburt beschleunigt. Immerhin sollte ihr Kind in den nächsten Stunden zur Welt kommen, weswegen Joshua nach Hause kommen wollte. Doch all dies hatte es wohl beschleunigt. Der Schock und der Stress. Ich konnte sehen wie ihr Fruchtwasser ihre Beine herunterlief. Selbst ich wusste, das es nun höchste Zeit war. „Ahhh! Cain!! Joshua!!!“, schrie sie vor Schmerz. Sie wusste nicht an was sie als erstes denken sollte. An den Tod ihres Mannes, an die Schmerzen die sie hatte, an die bevorstehende Geburt, oder an das Gemetzel. Alles schwirrte in ihren Gedanken, doch der Schmerz übertraf alles. Ich hatte sie in meine Arme genommen und sie zu ihrem Haus gebracht.

Ich behielt einen klaren Kopf, auch im Angesicht dieser, für mich, sehr bizarren und befremdlichen Situation. So hatte ich weder eine Frau geschwängert, noch war ich bei einer Geburt dabei. Nach einem Heiler zu rufen war ebenso sinnlos, da hier keiner war. Doch glücklicherweise konnte sich Selina etwas konzentrieren. Als ich sie ins Bett gelegt hatte, hatte sie freundlicherweise ihre Nägel aus meinen Schultern genommen. Sie hielt meine Hand, welche sie bei jeder aufkommenden Wehe erneut schmerzhaft zudrückte. Selbst ich, der in so vielen Schlachten dabei war und schon so viele Verletzungen hatte, fand es ziemlich unangenehm. Innerlich dankte ich jedoch Lucifer, dass er mich nicht als Frau erschaffen hatte. Denn so etwas wie Selina gerade durchmachte, wollte ich nun wirklich nicht. Aber nun musste jeder sein eigenes Schlachtfeld bestreiten. Selina sagte mir was zu tun war. Wo ich welche Salben und Medikamente in dem Haus fand. Ich folgte ihren Worten und anhand ihrer Beschreibung der kleinen Fläschchen, fand ich die gewünschten Mittel. Am Ende hatte ich zwei kleine Fläschchen mit einer Flüssigkeit und eine Salbe mitgebracht. Dann ging alles ganz schnell. Ich ließ ihr ein Bad ein, nahm die Flüssigkeit, welche Entspannend und Schmerzstillend wirkte. Die ganze Prozedur und Quälerei für Selina, dauerten ein paar gute Stunden. Ich hatte ihre Seite nicht verlassen, opferte sogar eine Hand für sie, damit sie zudrücken konnte. Dann ertönte nach ein paar Stunden auch schon ein Kinderschrei...

 
Dies war das erste Mal, dass ich ein Wesen mit zur Welt brachte und nicht dessen Existenz von dieser Welt tilgte.
Das erste Mal, indem ich einen kleinen Menschen schützend empfing und zu seiner Mutter gab...

Ein Junge mit blauen Augen kam auf die Welt. Sie nannte es Godric, drückte ihn an sich, nachdem ich ihn von der Schnur befreite und die Stelle salbte. Dann fing sie an zu weinen. Sie saß in dem Wasser und weinte. Das Kind war bemerkenswert ruhig. So als würde es für seine Mutter da sein wollen. Es hatte sich an sie geschmiegt, suchte Schutz bei seiner weinenden Mutter. „Joshua...“, konnte ich unter dem Weinen verstehen. Nun wo ihr Sohn auf der Welt war, wurde ihr erst bewusst, dass der Vater Tod war. Vor ihren Augen brutal zerfetzt. Sie hatte den Vater ihres Kindes die Liebe zu mir verheimlicht und konnte sich nicht einmal entschuldigen. Sie fühlte sich Schuldig, an dem Tod von Joshua. Ich senkte den Blick, hatte die Augenlider leicht gesenkt. So viele ich auch schon getötet hatte, so viele Hinterbliebene damit entstanden waren. Es interessierte mich nie. Doch nun kam etwas hoch. Etwas was sich Mitleid nannte...

Der kleine Junge hatte den Blick auf mich gelegt, sah mich an als würde er sich wünschen das etwas getan wurde. Das ich etwas tat. Das Baby musste nicht lange auf diese Erfüllung warten. Von Hinten umarmte ich Selina und das Neugeborene. „Du bist nicht allein...“, flüsterte ich in ihr Ohr, strich sanft mit einer Hand unter ihr Kinn und führte ihren Kopf leicht zur Seite. Sie sah mit Tränen in den Augen zu mir. Tief sahen wir uns in die Augen. „Cain...“ Ja... Ich würde sie nicht alleine lassen. So wie ich es bei der Geburt nicht getan hatte, würde ich es auch ihr weiteres Leben nicht tun. „Sei mein...“, verlangte ich flüsternd. „Das... bin ich doch schon lange.“ Wir legten unsere Lippen aufeinander, küssten uns innig. Das kleine Baby lachte etwas und klatschte seine Hand lachend an meine Wange, als würde er sagen wollen, „Hallo Papa!“, fing dann aber nach ein paar Sekunden doch an zu weinen, da er nun endlich seine Milch haben wollte. So geduldig war der kleine Mann dann nun auch wieder nicht.

Selina lachte etwas und ließ sich von mir aus der Wanne heben. Mit einem Tuch eingewickelt und ihr Baby an die mütterliche Brust gedrückt, trug ich sie in ihr Bett. Doch dieses mal würde sie nicht alleine darin liegen, sondern ich mit ihr. Ich saß hinter ihr und angelehnt in meinen Armen. Ein Arm um ihre Taille, die Hand auf dem Bauch. Die andere Hand auf dem Rücken des Babys. Selina nannte ihn Godric, ein passender Name für den Nachfolger der Talin Der Ring hatte sofort auf ihn reagiert. Er war der würdige Nachfolger, auserwählt von Amons Geist, um Gottes Streitmacht auf der Erde anzuführen. Dennoch...

Es war nicht mein biologisches Baby, nicht einmal ein Dämon, doch ich ein Dämon, würde Godrics Vater sein und dessen Mutter meine Braut...

 

Auf schwarzen Schwingen


Für immer...


Die Monate zogen ins Land und ein das Rad der Jahreszeiten hatte sich zweimal gedreht. In dieser Zeit hatte Selina für Joshua gebetet und ihm zu Ehren ein Grab auf dem Klosterfriedhof errichten lassen. Joshuas Paterschüler wurde nun der neue Abt und führte das Kloster. Die Nachricht das Selina einen gesunden Jungen zur Welt gebracht hatte, der durch den Ring anerkannt wurde, ging wie ein Lauffeuer durch die Reihen der Eingeweihten. Der Abt bot Selina an, mit Godric und mir im Kloster zu wohnen. Doch diese lehnte überraschend ab. Sie meinte, dass es damals ihr größter Wunsch war, doch nun war es ihr größter Wunsch mit ihrer Familie zusammen zu leben, in dem Haus der Talin Der Abt respektierte ihren Wunsch und bot seine Hilfe an. Im Gegensatz zu Joshua, war der neue Abt mit einer reinen Seele gesegnet. Das hatte ich sofort gespürt. Reine Seelen waren für uns Dämonen ein Festmahl.

Wir verbrachten glückliche Momente in dem Haus der Talin Jeder Moment war so kostbar und mit Gefühlen versehen wie ein ganzes Jahr. Für ein Wesen, welches so eine lange Lebensspanne hatte, wie ich eines war, war das Leben meist nur eine andauernde Aneinanderreihung von Jahren. Doch nun war ich zum ersten Mal wirklich glücklich, so lange zu Leben. Ich konnte dadurch Selina kennen lernen und durch sie und Godric erkannte ich, dass jeder einzelne Moment kostbar war, egal wie lange man lebte. Jahre waren sonst nur wie ein Wimpernschlag an einem vorbei gezogen. Nichts Bedeutendes, nichts worüber man großartig sinnieren würde. Doch nun fühlten sich einzelne Tage an, wie Jahre. Momente wurden kostbar, gefüllt mit tiefen Gefühlen und kostbaren Erinnerungen. Ich lernte das Leben, was man mir gab, zu schätzen. Den Moment zu genießen und bei sich behalten zu wollen.

Selina und ich heiraten. Da ich keinen Nachnamen hatte, nahm ich ihren an. Eigentlich eine absolut abstrakte Vorstellung das jemand wie ich, ein Dämon und Lucifers rechte Hand, den Namen der verhassten Talin annahm. Dennoch tat ich es mit Stolz, Würde und Freude. Sie gehörte zu mir und ich zu ihr. Selina und Cain Talin. Der Abt selbst hatte uns getraut. Auf einem Blumenfeld, unter einem Kranz aus Rosen welche in voller Blüte waren. So wie meine Braut. Unsere Hochzeit war klein und wir hatten keine Gäste, da sie anonym war. Keine prunkvolle Veranstaltung wie ich sie in Gehenna gewohnt war. Wo anlässlich meines Geburtstages tagelang gefeiert wurde, das reich in freudiger Aufruhr war und ein üppiges Festmahl die Tafeln deckte. Frauen und Männer in edlen Gewändern bedeckt sich den Köstlichkeiten hingaben und große Reden gehalten wurden.

Dies gab es hier nicht. Die einzige Rede hielt der Abt, danach Selina und ich. Unser Treuegelübde. Lange hatte ich nicht mehr über Worte so intensiv nachgedacht, wie über diese. Worte von denen ich so überzeugt war, hinter denen ich hundertprozentig stand und mein Leben für diese geben würde. Worte welche nur an sie gerichtet waren. Meiner schönen Braut. Godric, welcher die Ehre hatte an diesem Ereignis in den Armen seiner Mutter zu sein, hatte fröhlich gebrabbelt, als wir uns das Ja-Wort gaben und uns küssten. Als würde er selbst uns alles Gute wünschen. Seiner Mutter und seinem Vater.

Wir hatten sogar ein Schild an der Tür gehangen, wo man meinen und Selinas Namen, sowie unseren Nachnamen lesen konnte. Auch wenn es nur etwas kleines war, so waren wir stolz darauf. Denn es zeigte jedem, der an diesem Haus vorbei gehen würde, dass hier ein verheiratetes Paar lebte. Auch wenn die Zahl der Vorbeikommenden sich auf Null belaufen würde, da dieses Haus gut versteckt im Wald lag, auf dem riesigen Berg des Klosters. Keine Menschenseele würde sich hier her verlaufen, doch das machte nichts. Wir waren glücklich und Godric wuchs unter den Augen seiner Eltern auf. Ich lernte in dieser Zeit neue Sichtweisen, neue Gefühle. Einen Stolz welcher über alle erhaben war: Vaterstolz. Kein noch so großer Kriegerstolz war annähernd damit zu vergleichen, wie stolz ein Vater auf sein Kind war, in dem Moment wenn es Laufen lernte, oder seine ersten, noch leicht undeutlichen Worte von sich gab. Ich hatte meinem Sohn das Laufen beigebracht und war glücklich wenn er lachend, mit ausgestreckten Armen zu mir lief, auch wenn er Unterwegs ein paar mal hinfiel, da seine kurzen Beinchen noch unkoordiniert waren. Doch für mich war dieser Anblick perfekt und ich war stolz auf meinen Sohn. Selbst wenn er mir spielerisch am Dämonenschwanz zog, konnte ich es ihm verzeihen. Nachts, wenn ich in einem Schaukelstuhl saß mit Godric im Arm, in dem Selina oft saß wenn sie Godric stillte, erzählte ich ihm Geschichten über mutige Krieger, schöne Prinzessinnen, spannende Kämpfe und große Heldentaten. Seine Augen funkelten glücklich und seine Aufmerksamkeit galt vollkommen mir, während ich die Geschichten lebhaft überbrachte, für einige Situationen meinte Stimme veränderte, oder mit ihm ihm im Arm aufgestanden war und einige Kampfbewegungen nachmachte, nur um dann lachend mit ihm in den Stuhl zurück zu sinken und ihm langsam beim Einschlafen zuzuschauen. Selina hatte mich oft dabei beobachtet, stand manchmal extra leise am Türrahmen und beobachtete Vater und Sohn und wollte nicht stören. Doch ich wusste immer das sie dort stand und wenn es ein Happy End gab, wo die holde Lady einen Kuss bekam, nahm ich ihre Hand und hauchte sanft dort einen hinauf. Für meine Lady, welche mein Herz besaß.

Unser Glück wurde nach einem weiteren Jahr komplettiert. Selina gebar ihr zweites Kind, unseren gemeinsamen Sohn, welchen wir Aaron nannten. Man konnte sehen das er mein Sohn war. Seine dämonisches Blut war deutlich. Er hatte einen Dämonenschwanz, ebenso spitze Zähnchen und Ohren. Doch auch das Blut seiner Mutter war in ihm. So waren seine Augen blau und seine Haare dunkelblau, die leicht ins Rot überliefen. Die Aura eines Dämons, aber auch eines Engels und eines Menschen war bei ihm zu spüren. Doch egal was er war, er war unser Sohn und Godrics Bruder. Dieser war vor kurzem Zwei geworden und kam glücklich zu uns, als es hieß, er dürfe seinen Bruder nun endlich sehen. Ich legte die Arme um Selina und meine beiden Söhne, fühlte mich nun mit ihnen komplett.

Doch leider währte das Glück nicht lange...
Das junge Familienglück zerbrach, wie ein Spiegel, in tausend Teile.
Ich war ein Dämon, Lucifers Vertrauter.
Die Zeit holte uns ein, ER holte uns ein...

Ich ahnte nicht das Varyas letzte Worte noch Gehör fanden. Das dieser die Dreistigkeit besaß im Zuge seines Todes eine Nachricht nach Gehenna zu übermitteln. Doch sie war angekommen. Dort wo sie den größten Schaden anrichtete: Bei dem gerade im Amt befindlichen Herren der Unterwelt. Decus. Als bei diesem eine kleine, schwarze Kugel erschien, gespickt mit Jafars letzten Gedanken, die seinem Herren alles verrieten über meine Taten, über den Aufenthaltsort der Talin, legte sich ein kaltes Grinsen auf sein Gesicht. Er saß alleine im Thronsaal und als die Energie Jafars erlosch blitzen seine Augen förmlich auf.

„Endlich habe ich dich Verräter~“

Es war Winter. Aaron war nun drei Monate alt, während sein Bruder auf stolze zweieinhalb Jahre kam. Oft hatte ich sie zu Kräuter pflücken mitgenommen, wobei Godric immer im selben Busch hängen blieb. Da ich im Winter nichts riskieren wollte und Selina sich Sorgen machte, dass die Kinder vielleicht Krank werden könnten, ließ ich sie dieses Mal daheim. Hätte ich geahnt was passiert wäre, dann hätte ich Selinas Wunsch nachgegeben und wäre selbst nicht gegangen. Doch ich hatte ihr widersprochen und sie an die Wichtigkeit der Kräuter erinnert, da Godric letztens eine Grippe hatte und dadurch die letzte Medizin verbraucht wurde. Ich wollte neue holen, da der Winter noch nicht einmal richtig angefangen hatte. Dennoch war es hier in den Bergen schon weiß und der Schnee hoch. Während im Dorf noch kaum eine Flocke liegen blieb, hatten wir hier die ganze Masse. Aber ich ließ mich nicht von dem Wetter einschüchtern, hatte mir den Weidenkorb genommen und auf den Rücken gebunden und watete durch den Schnee. Ich kannte noch einen Platz, wo noch ein paar Kräuter waren und nicht vom Schnee erdrückt wurden. An diesem Platz wuchs es immer üppig. Dort hin ich öfters hin. Es war ein etwas weiterer Weg, doch sich durch den Schnee zu kämpfen und der Natur zu trotzen, war ein gutes Training. Natürlich war ich in all der Zeit nicht faul geworden und trainierte weiterhin meinen Körper und meine Kampffähigkeiten. Einmal Krieger, immer Krieger.

Während ich unterwegs war, waren Selina und die Kinder alleine zuhause. Sie wollte etwas warmes Kochen, Kartoffelsuppe, solange ich weg war. Zwar hatte ich es nicht nötig zu speisen, dennoch bereitete sie mit viel Liebe für Vier das Essen zu und wollte mich mit einer warmen Suppe Willkommen heißen. Fröhlich summte sie ein Lied, während Godric auf dem Boden saß und spielte. Aaron schlief oben im Zimmer und bekam von allem nichts mit. Dies war sein Glück...

Während Selina kochte, wurde auf einmal das Feuer ihrer Feuerstelle durch einen heftigen Wind angefacht. Erschrocken wich sie zurück, konnte sich gerade noch in Sicherheit bringen, bevor sie sich verbrannt hätte. „Mami?“, hörte sie ihren Sohn aus dem Wohnzimmer rufen. „Keine Sorge mein Schatz. Spiel weiter.“ entgegnete sie nur. Was sie nicht ahnte war, dass Schatten unter der Tür hindurch krochen. Wie eine Schlange, schlängelte sich der dunkle Nebel über den Holzboden. Godric saß dort und beobachtete den Nebel. „Mami?“ „Gleich mein Schatz. Die Suppe verbrennt sonst.“, kam es von der beschäftigen Mutter. Godric sah kurz zur Küchentür, dann lehnte er sich mit seinem kleinen Körper nach vorne, fasste mit der Kinderhand in den Schatten. Ein erschrockener Laut kam von ihm und er zog seine Hand zurück. Der Schatten war kalt wie hundert Wintertage gewesen und fühlte sich so unangenehm auf der Haut an wie tausende von Nadeln. Es wurden immer mehr Schatten und ein Spiegel, welcher auf einem Schrank stand, bekam Risse und zerbrach. Die Wärme in dem Raum verschwand und der Schatten schien alles einzunehmen und seine bedrohliche Ausstrahlung auszubreiten. Angst kroch in dem kleinen Jungen hoch und er fing an zu weinen.

„Godric? Was ist denn los?“ Selina war mit der Kelle in der Hand ins Wohnzimmer gekommen. Als sie sah, wie der schwarze Schatten den Raum verdunkelte, ließ sie die Kelle fallen und rannte zu ihrem Kind um es schützend in ihre Arme zu drücken. „Alles wird gut Godric. Schsh...~ Mama ist ja da.“, versuchte sie ihn zu beruhigen und wiegte ihn sanft hin und her. Doch Selina selbst war innerlich aufgebracht. Der Schatten machte natürlich auch ihr Angst. Das letzte Mal als sie so einen Schatten sah, war bei Joshuas Tod. Die Erinnerung kam in ihr hoch und die Schluckte einmal hart, versuchte jedoch weiter für ihren Sohn so zu tun als sei alles in Ordnung. „Nichts wird dir passieren...“, flüsterte sie ihm zu, wich zurück als der Schatten zu ihnen kam.

„Bist du dir da so sicher Weib?“, hallte es in dem Raum. Selina drückte Godric fester an sich, ließ ihren Blick schnell immer wieder hin und her huschen. Wo kam diese Stimme her? Wer war hier?? Sie wollte fliehen, doch der Ausgang war schon längst von den Schatten eingenommen. Sie drehte sich um und wollte mit ihrem Sohn nach Oben fliehen um Aaron ebenfalls zu Schützen, doch sie rannte direkt in die Arme eines Mannes hinein. Mit großen Augen sah Selina hoch. Der Unbekannte war gut zwei Köpfe größer als sie, hatte imposante Hörner auf dem Kopf und hüftlanges, weißes Haar. Seine Augen waren blutrot und seine Statur war kräftig. Ein rotes Mal war auf der hellen Haut des Fremden. Er trug eine weiße Hose und darüber ein langes, dunkelblaues Gewand mit langen Ärmeln. Sein Auftreten war Vergleich zu den Kriegern, welche Selina damals gesehen hatte. Der Dämon strahlte etwas bedrohliches aus, etwas, was Selinas Herz unweigerlich krampfen ließ. Ihr flaues Bauchgefühl verriet ihr, dass dieser Mann vor ihm kein gewöhnlicher sei. Sie sollte damit Recht behalten...

Als Decus die verängstige Frau, welche ihr Kind schützend bei sich trug, musterte, lachte er kühl auf. Er konnte sich nicht Vorstellen warum jemand wie ich, mein Leben für jemanden wie sie weggeworfen hatte. In seinen Augen hatte Selina sogar einen niedrigeren Stellenwert als ein Wurm. Ein Wurm welchen er zerquetschen wollte, aus Hass und Rache gegenüber mir. Decus und ich hatten uns noch nie gut verstanden. Es kratzte an seiner Ehre, dass ich ihm nicht den selben Respekt entgegenbrachte wie ich bei Lucifera tat. Ebenso störte es ihn, dass seine Mutter ihre schützende Hand über mich hielt und somit mich nicht einmal so in die Schranken weisen konnte, wie er es gerne hätte. In seinen Augen sollte ich für die Respektlosigkeit sterben. Ebenso war er eifersüchtig, dass Lucifera, seine Mutter, solch ein Wort des Schutzes für mich aussprach. Der Erstgeborene war eifersüchtig auf jeden, der Luciferas Aufmerksamkeit bekam, egal wie gering sie auch war. Jeder, außer mein Bruder und ich, wurde von Decus getötet, welcher es sich, in seinen Augen erdreistete, Luciferas Aufmerksamkeit von ihn wegzulocken. Decus war besessen von ihr. Er wollte dies, was nur Lucifera geschafft hatte: Diese Frau besitzen.

Er war besessen von dem Gedanken sie zu seiner Braut zu machen, ihre Liebe zu gewinnen, sie zu berühren. Kein Mann, außer Lucifer, durfte sie berühren. Nicht einmal Decus, als ihr Sohn, wurde von ihr mit einer solchen Geste beschenkt. Als Kind hatte sie ihm nur die nötigsten Berührungen geschenkt, die nötigsten Blicke. Ihr Augenmerk lag ganz alleine auf Lucifer, ihrem zweiten Sohn und einzigem Gemahl. So war er um so mehr davon besessen sie nun zu besitzen, da Lucifer verschwunden war. Er wünschte sich nicht nur Luciferas ungeteilte Liebe und Aufmerksamkeit, sondern wollte auch, im Falle das Lucifer jemals wieder kam, auf ihn herabblicken und ihn demütigen mit der Tatsache, dass Lucifera sich mit ihm vereinigt hätte. Aber dies war sein Wunschdenken und entsprach in keinster Weise der Realität, da die Herrin genauso über Decus dachte, wie Decus in diesem Moment über Selina. 

„So, so! Du bist also Cainis Frau~“, säuselte er amüsiert und er streckte die Hand nach ihr aus. Selina reagierte, nahm die Kelle vom Boden und wollte dem weitaus stärkeren Dämon damit eines Überbraten, da sie sich nicht anders zu Helfen wusste. Decus wich aus und knurrte ungehalten auf. „Unverschämtes Weib!“, zischte er und holte aus. Ein lautes Knacken war zu hören. Er hatte Selina seine Faust ins Gesicht geschlagen und die Blauhaarige flog durch die Wucht seines Schlages ein paar Zentimeter nach hinten und landete auf dem Boden, wo sie nach kurzem Rollen zum stehen kam. Sei Schlag war kräftig und ohne Gnade gewesen. Dies sah man nicht nur an die Weite, die Selina gefallen war, sondern auch an ihrem Gesicht, welches mit ihrem Blut bedeckt war. Decus hatte ihr nicht nur die Nase gebrochen, sondern mit seinen Krallen ihre Haut aufgerissen. Doch trotz des Schmerzes, hatte sie ihr Kind an sich gedrückt um es zu Schützen. Godric schrie und weinte. Er zappelte im Arm seiner Mutter, hatte sich erschrocken bei ihrem Anblick und auch vor Decus, welcher so brutal zu seiner Mutter war. „Go...dric...“, kam es schwer von Selina, welche beim Sprechen Schmerzen hatte. Es hatte wohl auch ihren Kiefer ein wenig getroffen.

Doch bevor sie weiter auf ihr Kind einreden konnte, kam Decus zu ihr. Mit festem Griff, krallte er seine Klaue in ihre Haare und zog sie hoch. Scharf zog sie die Luft ein, wollte nicht schreien, da Godric sonst noch aufgebrachter wäre. Doch es war schwer. Decus Krallen waren nicht sanft und gruben sich leicht in die Kopfhaut, so dass Blut an den Nägeln vorbei quoll und in die Haare sickerte. Selina kniff die Lippen zusammen und wimmerte leise. „Nun kann ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Nicht nur den zukünftigen Erben werde ich ihr bringen, nein! Auch dessen Mutter und Grund für Cains Hochverrat. Sie wird erfreut sein!“, freute sich der weißhaarige Dämon und schüttelte Selina mit der Hand am Kopf ein wenig. Schmerzvoll stöhnte sie, da die Krallen sich so weiter in ihre Haut bohrten. Durch das kräftige Schütteln, konnte sie Godric nicht mehr halten und er fiel zu Boden. „Godric! GODRIC!!!“, kam es panisch von der Mutter, welche verzweifelt nach ihrem Kind die Hände ausstreckte. Sie wies ihm an zu rennen, doch bevor dieser den mütterlichen Befehl ausführen konnte, hatte Decus ihn gestoppt. Godric konnte nicht einmal aufstehen, da hatte der überlegene Dämon seinen Fuß auf seinen Rücken gedrückt und ihn so an der Flucht gehindert. Der kleine, blauhaarige Junge fing an zu schreien und zu weinen. Er hatte fürchterliche Angst und Decus hatte nicht gerade wenig Gewicht auf das junge Kreuz verteilt. Fest drückte er den Fuß in den Rücken, so das sogar ein leises Knacken zu hören war, wobei Godric aufschrie. Selina versuchte verzweifelt sich zu befreien, doch sie kam mit ihren kürzeren Armen nicht an den Dämon heran. Auch das Kratzen am Arm brachte nichts, da dieser von Stoff geschützt war. Die Tränen waren nun auch in die Augen der Mutter geschossen. Jedoch nicht aus Schmerz, sondern aus Verzweiflung, da sie ihre Kinder nicht schützen konnte. „Bitte!! Bitte töte mich und verschone meinen Sohn!“, flehte sie und hoffte das Decus Aaron noch nicht gespürt hatte. Dieser war sichtlich angetan von dem Bild was sich bot. „Herrlich! Einfach nur herrlich!“, freute er sich wie ein kleines Kind, was gerade mit seinem neuen Spielzeug spielte. „Wenn Cain jetzt nur hier wäre! Dann wäre es perfekt! Obwohl~“ sinnierte der Dämon und ließ die flehenden Worte der Mutter auf taube Ohren stoßen. Mit kühlen Blick sah er zu ihr, ließ sie wie einen Gegenstand einfach zu Boden fallen. Selina hielt sich den schmerzenden Kopf, während der Dämon seine Hand ausstreckte und ein paar leise Worte murmelte. Es war eine Beschwörung. Als diese fertig gesprochen war, erschien in seiner Hand ein brauner, langer Wurm mit langen Fühlern und Maul, welches an eine Zecke erinnerte. Ängstlich sah Selina zu ihm und dem Wesen in seiner Hand. „Los! Biete mir und Cain eine Show!“, befahl Decus seinem Wurm, welcher nach diesen Worten sofort zu der Mutter sprang. Diese schrie auf, doch der Wurm schlängelte direkt in ihr Ohr. Es war ein schmerzhaftes Drücken und ein brennender Schmerz im inneren. Selina schrie auf, krallte sich in ihre Haare und schlug vor lauter Schmerz und Panik ihren Kopf gegen den Boden. Der Wurm machte sie Wahnsinnig und sie hoffte das dieser dadurch herauskam. Doch dies geschah nicht. Decus lachte nur über das Leid der Mutter und nahm seinen Fuß von Godric, trat ihn etwas von sich weg. Dann verschwand er und wollte das Spektakel von Weitem beobachten, durch seinen magischen Spiegel, welcher ihm Einblick verschaffte durch das Auge eines normalen Spiegels, der auf dem Schrank stand.

Bei dem Tritt hatte Godric aufgeschrien und lag weinend auf dem Boden. Immer wieder schrie er nach seiner Mutter und seinem Vater. Doch ich konnte ihn nicht hören. Decus hatte vorgesorgt. Seine Schatten verdeckten seine Aura und seine Kraft, so das von seiner Existenz in Assiah nichts zu spüren war. Er war nicht umsonst der Bruder Lucifers.

Seine Kräfte waren meinen Überlegen. Hätte ich gewusst was in meinem Heim passierte, hätte ich den Rückweg weitaus schneller angetreten. Nicht noch diesen fast herzförmigen Stein aus dem Fluss gefischt, welchen ich dort zufällig gesehen hatte. Eigentlich war ich kein Mann von Kitsch. Doch heute war unser Hochzeitstag. Ich wollte ihr etwas besonderes geben und hatte mich in das eisige Wasser begeben und den roten, herzförmigen Stein herausgenommen. Er war wie wir. Hatte Ecken und Kanten, so wie wir keine normale Familie waren. Doch dieser Stein war fest und unnachgiebig, trotze dem kalten Wetter. So wie wir allem trotzen und ein glückliches Leben hatten. Ein Herz für mein Herz. Doch dieses wurde mir genommen... Ich bemerkte erst das etwas nicht stimmte, als ich das Haus von weitem sah und die Kälte der Schatten nun spürbar war. Sofort ließ ich alles stehen und liegen, rannte zu dem Haus und trat die Tür ein. Dort sah ich Godric auf dem Boden, weinend und ängstlich an die Küchenwand gedrückt. Die Person die ihm Angst machte, war direkt vor ihm, bewaffnet mit einem Beil. Es war Selina. Der Wurm hatte die Kontrolle übernommen, so wie Decus es wollte. Ich sollte sehen wie meine Frau erst ihr Kind und dann versuchen sollte mich zu töten, wobei ich sie töten sollte, wenn ich überleben wollte. Doch er wusste, dass ich Selina nicht freiwillig töten würde. Entweder würde er sie selbst töten wollen nach ihrer Arbeit oder sie in dem Wissen, ihre Familie abgeschlachtet zu haben, auf Ewig als seine Gefangene weiter leben ließ. Eine grausame Art der Bestrafung, jedoch passend zu seinem sadistischem Charakter.

Als ich hinein gekommen war, sah Godric zu mir. Er hatte ein paar Schnittwunden. Auch Selina sah zu mir. „Was... was ist hier los?“ Ich ahnte ja nicht das Decus dahinter steckte. Schließlich wusste ich ja nicht, dass Varyas Ruf gewirkt hatte. Ich rannte zu meiner Frau, wollte sie aufhalten. Doch sie holte mit dem Beil aus, so dass ich auswich, mir aber noch Godric nehmen konnte. Dieser war in Ohnmacht gefallen, da alles zu viel für ihn war. Er hatte zu viele Schmerzen und zu viel Stress prasselte auf den kleinen Kinderkörper ein. Aber man konnte es ihm nicht verübeln, nach allem was er durchgemacht hatte. Selina ging auf mich zu, mit dem Beil in der Hand. Erneut wich ich einem Schlag aus, konnte ihr mit Leichtigkeit das Beil entwenden, welches in die Ecke flog. Ich hatte eines von Selinas Handgelenken gepackt und es nach hinten zum Rücken geführt, so das sie in meinem Griff war. „Selina! So beruhige dich doch!“, sprach ich auf sie ein, doch als ich etwas aus ihrem Ohr, an dem Blut raus quoll, bemerkte, ahnte ich was los war. Ich ließ sie los und brachte mich auf Abstand. Diese Würmer kannte ich, hatte sie immerhin auch schon benutzt um Gefangene zu foltern welche sich dann gegenseitig abschlachteten.

„Aber... wie...“ Selina drehte sich zu mir um und wollte ein Küchenmesser nehmen um auf mich einzustechen, doch kurz bevor sie mich traf, hielt sie inne. „Selina?“, fragte ich, da diese Reaktion unüblich war. Normalerweise müsste sie in einem völligen Mordrausch verfallen sein. War dies ihr Engelsblut das sie zu schützen versuchte? Mit Tränen in den Augen sah sie zu mir. „Cain... mein Cain...“ Es war tatsächlich ihre Stimme! Nicht jene, von der besessenen Selina. „Selina! Ich-“, doch weiter kam ich nicht. Sie hatte sich in mein Oberteil gekrallt. „Bitte..., ich weiß nicht mehr wie lange ich mich wehren kann... bitte...“, flehte sie. Sie war bereits so am Ende das sie nicht mehr richtig sprechen konnte. Ihr Körper war Blutüberströmt, da der Wurm dafür Sorgte das ihre Haut aufriss und ihr Körper langsam dahinvegetierte. Egal wie, der Tod war dem Besessenen sicher.

„Bitte...“ flehte sie. „Solange ich noch ich selbst bin...“ trug sie ihre Bitte an mein Gehör, drückte sich an mich. Das Messer hatte sie fallen lassen und ihre Hand strich sanft über das Köpfchen ihres Kindes. Dann sah sie mit festem Blick zu mir. „Töte mich... Sonst werde ich ihn töten...“ „Was verlangst du da von mir! Ich dich töten?!“ Doch sie legte ihren Zeigefinger an meine Lippen. „Dies ist meine letzte Bitte an dich. Ich liebe dich Cain. Ich liebe dich über alles. Das Leben war so schön mit dir.“, fing sie an, unterbrach jedoch und griff sich wimmernd an den Kopf. Der Wurm wollte seine Kontrolle wieder, doch sie hielt sich tapfer. „...Es.... es war alles und viel mehr, was ich mir je hätte erträumen können! Solange... ich noch ich selbst bin..., solange ich noch Selina bin, deine Frau... Töte mich... Ich wusste immer das du mich überleben würdest. Immerhin bist du ein Dämon. Ich war gefasst vor dir zu sterben. Deswegen... bitte... Ich möchte als ich selbst von dir gehen..., nicht als mordlüsternes Wesen...“

Jedes einzelne Wort von ihr sickerte tief in mir, dann nickte ich. Godric hatte ich auf das Sofa gelegt, dann wandte ich mich meiner Frau zu. Sie kämpfte mit sich und ich spürte wie langsam immer mehr und mehr von ihrer reinen Seele eingenommen wurde. Sanft zog ich sie in meinen Arm und legte ihr den vorher gefundenen Stein in die Hand. „Alles Gute zum Hochzeitstag...“ wisperte ich in ihr Ohr und schloss die Augen. Meine Hände lagen an ihrem Rücken, die spitzen Krallen spürbar an ihrer Haut.

„Ich liebe dich, für alle Ewigkeiten...“, fing ich an das Treuegelübde erneut zu wiederholen, während Selina den Stein fest umgriff und in meine Arme gesunken war.
Ich schenke dir mein Herz...“
Langsam hob ich meine Hand.
„...meine Seele, mein Stolz und mein Sein.“
Meine Stimme war flüsternd, beruhigte die junge Frau in meinen Armen.
„Für alle Ewigkeit bin ich dein und du mein.“
Ich ließ meine Finger knacken.
„Für die Ewigkeit des irdischen Seins.
Wir schlossen gemeinsam die Augen, nachdem wir letzte, zärtliche Blicke ausgetauscht hatten.
„Vertrauen, Liebe und Glück. Zusammen in Ewigkeit.“

 

Die Krallen wurden länger, fast so lang wie meine Hand. Sie bohrten sich durch ihre Brust, durch ihr Herz. Selina atmete scharf ein, ein erstickter Schrei. Ich hatte ihr in den Hals gebissen, um das letzte Mal von ihrem Blut zu kosten, sie aber auch durch einen gekonnten Biss in die richtigen Nerven zu beruhigen. Ich konnte ihr Herz in meiner Hand spüren. Es schlug aufgeregt und wild. „Du... hattest schon immer mein Herz in deiner Hand...“, drangen ihre letzten Worte an mein Ohr. Ich kniff die Augen zu, hatte meinen Kopf an ihrem Hals gelassen. Ich spürte etwas nasses meine Wangen entlanglaufen. Tränen... Nie hatte ich welche vergossen, doch nun war es das erste Mal soweit. „Wir werden uns wiedersehen...“, wisperte ich mit Trauer in der Stimme, doch eine Antwort bekam ich nicht mehr. Sie war tot. Meine Hand hatte ich wieder aus ihrem Körper gezogen und auch von ihrem Hals ließ ich ab, legte beide Hände an ihre Ohren und ließ den Wurm von Innen, durch meinen Magieeinfluss zerplatzen.Hätte ich das getan, während sie am Leben war, wäre ihr Hirn ebenfalls durch die Kraft zerfetzt worden.

Auch nach ein paar Minuten war ich in der Position verharrt. Ich mit ihr nun kniend auf dem Boden. Sie in meinen Armen. Tot. Ihre Hände waren an ihrer Brust. Die Krallen hatten nicht nur ihre Brust durchbohrt, sondern auch der Stein war entzwei und die Teile lagen blutverschmiert am Boden. Ein Herz. Sie und ich. Getrennt. Ich vergoss Tränen. Kein Anflug von Stolz, oder Freude, jemanden Erlegt zu haben kam in mir hoch. Nicht wie sonst. Gefühle von tiefer Trauer erfüllten mich. Gefühle über den Verlust meiner ersten, wahren Liebe. Meiner Selina.

Die Schatten waren verschwunden und Decus hatte sich wohl etwas anderes überlegt, da ihm diese 'Show' wirklich gefallen hatte. Doch das ahnte ich nicht. Während er sich zurück gezogen hatte, nach Gehenna, hatte ich Selina auf den Boden gelegt. Gemächlich ging zum Sofa und wollte Godric greifen, der noch schlief. Auf dem Tisch sah ich zwei Briefe. Schon die ersten Zeilen verrieten, in welchem Umstand Selina den geschrieben hatte. Sie hatte nach Decus Verschwinden lange gekämpft, um ihre Fassung zu bewahren. So lange, dass sie ihren Söhnen eine letzte, kurze Nachricht geben konnte. In dem Wissen, dass ihre Mutter in der Zukunft nicht mehr an ihrer Seite sein wird. In dem Wissen vielleicht selbst daran Schuld zu sein, dass ihre Söhne kein Morgen mehr erleben würden. In der Hoffnung, dass ich sie töten würde, für das Leben unserer Kinder.

Ich nahm die Briefe und Godric. Diesen hatte ich in den Weidenkorb gelegt und zugedeckt. Mein Weg führte nach oben in das Kinderzimmer, wo Aaron in seinem Bettchen lag und die ganze Zeit weinte, weil er durch den Überlebenskampf im unteren Stock wach geworden war. Sanft lächelte ich zu dem unwissenden Kind. Er war so unschuldig, hatte keine Ahnung was da unten mit seinem Bruder und seiner Mutter passiert war. Es war gut. Seine Kinderseele sollte noch nicht beschmutzt werden. Auch wenn er ein Dämon war und es sicher bald soweit kommen würde, dass er Dinge sah, welche ihn auf Ewig verfolgen würden. Sanft strich ich über seinen Kopf bis er sich beruhigte. Als er dies tat, lachte er mich an. Ich lächelte zurück, als würde ich nicht wissen das meine beiden Kinder gerade ihre Mutter durch mich verloren hatten. Mein Blick ging verloren aus dem Fenster, wo ich einen Teil des Klosters von weitem sah.

Auch wenn es schmerzhaft war, wenn es eine Trennung für Ewig bedeuten würde. Es war das Beste für ihn. Für meinen kleinen süßen Sohn. Unsere Familie war nicht mehr. Nun wo Selina Tod war und die Dämonen den Standort der Talins gefunden hatten, würde es hier nicht mehr sicher sein. Andernorts konnte ich auch nicht auf Assiah Leben, da ein Dämon nicht ewig in dieser Welt leben konnte. Ich war kein Teil dieser Welt, auch wenn ich es mir zu der Zeit wo Selina gelebt hatte, wirklich wünschte. Ein Teil ihrer Welt zu sein. Doch ich gehörte nach Gehenna und Aaron war ein Dämon und durfte ebenfalls nach Gehenna. Aber Godric..., ihm war der Zutritt verwehrt. Kein Mensch, kein Halbengel und schon gar kein Nachfolger der Talin kam nach Gehenna. Das Tor würde sie nicht durchlassen. Selbst wenn, Godric würde meine zwei Tage überleben an einem Ort, angefüllt mit schwarzer Macht und dunklen Gedanken, einem Ort an dem jeder die Talin hasste. Er würde auffallen. So fasste ich einen Entschluss...

Cain



Selbst heute, wenn ich an die Zeit zurück denke, so wird mir das Herz schwer. Meine Selina war nun bei ihrem Herren. Unerreichbar für mich. Das Einzige was mir blieb, war Godric in dem Körbchen, zusammen mit einem Brief und der Bitte sich um ihn zu kümmern, sowie Stillschweigen über meine Existenz zu bewahren, vor die Stufen des Klosters zu legen und ihn durch den damaligen Abt finden zu lassen. Ich hatte solange im Verborgenen gewartet bis dies geschah. Er wurde mit hinein gebracht und ich schenkte meinem Sohn einen letzten, väterlichen Blick. Ohne noch einmal zurück zu schauen hatte ich mich abgewandt. Auf meinem Rücken war in Leinentüchern die Leiche meiner Frau und in meinem Arm lag ein drei Monate altes Baby, das schlief und nichts von alle dem mitbekam. 

 Meine Weg führte mich nach Gehenna, in mein altes Anwesen, in dem ich fortan lebte. Dank meiner Herrin war meine Strafe milde. Die Existenz meiner Kinder und meiner Frau hatte ich verschwiegen, so dass es nur hieß, ich hätte wahllos Dämonen abgeschlachtet.
 Ich wurde großzügig von Decus Willkommen geheißen, anfangs nicht ahnend das er es war, welcher meine Familie auf dem Gewissen hatte.

So verging die Zeit...
Eine sinnlose Aneinanderreihung von Tag, Monat und Jahr.
Sinnlos ohne Selina.
Jedoch erfüllt von Aaron, dem einzigen Familienmitglied was mir geblieben war.

 


 Godric wurde der neue Pater, erzogen mit dem Wissen, dass seine Eltern von Dämonen getötet wurden. Wuchs auf ohne dem Wissen wen er sein erstes Wort, seine erste Bastelei, gar sein Lachen geschenkt hatte. Wer seiner Mutter Glück schenkte und wer bei seiner Geburt dabei war.

Doch dies war alles nicht mehr wichtig...

Selina, bitte wache über unseren Sohn, vom Himmel aus. Ich werde es nie wieder dürfen...

Cain

 

Impressum

Bildmaterialien: von Heise
Tag der Veröffentlichung: 06.01.2013

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