Cover

Unsere Autoren:

Moderne Philosophen:

Benny Mayer, Gamefreak

 

Historisches:

Sina Katzlach, Jennifer Klein

 

Unter uns gesagt:

Signe Winter, Birgit Kinder

Sina Katzlach

Leahnah Perlenschmuck

 

Themen-Projekte:

Phil Humor, Matthias März

Renè Deter, Marlies Lüers

Leahnah Perlenschmuck

Gamefreak

 

Aphorismen:

Signe Winter, Phil Humor

Leahnah Perlenschmuck

H.N. Parder, Jennifer Klein

 

Der Weg nach vorn:

EINsamer wANDERER

 

We love Independent:

Bernd Stephanny

Leahnah Perlenschmuck

 

Mixed Pixles empfiehlt:

XNebelparderX

 

Autoren unter sich:

Sina Katzlach

XNebelparderX

 

In the House:

Susanne Leuders alias Susymah

Unsere Musikjournalistin

 

Bebilderung:

Sina Katzlach

Renè Deter

Jennifer Klein

Titelblock

 Mixed Pixles 03/2014

 

Back to the House

 

***

Literatur-Magazin

 

***

© Die Tintenfass AG

 

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Gewidmet:

 

unseren Autoren und Lesern

 

der Vergangenheit

 

doch vor Allem:

der Zukunft

Rubriken-Verzeichnis

 Editorial

 

Moderne Philosophen:

Luftblasen-Illussion

Der Retro-Trend

 

Historisches:

Wie alles begann ...

25 Jahre Mauerfall

 

Unter uns gesagt:

Ausgerechnet Bananen!

Vorsicht Abzocke!

Der Fall der Mauer

 

Themen-Projekte

 

 Klassische Literatur neu interpretiert:

Der Taucher von Friedrich Schiller

Stern-Taler der Gebrüder Grimm

 

Heimat:

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

 

Moderne Philosophen Teil II:

Fremd in der Heimat

Zurück aus der Ewigkeit

Zurück

Urlaubsgraus

 

Aphorismen:

Heimat

 

Der Weg nach vorn:

Das Agieren der Antagonisten

(Tutorial)

 

We love Independent:

Warum Verlag?

Gedanken-Tattoos

 

Mixed Pixles empfiehlt:

Der Mann, der im Regen tanzte

Rain

 

Autoren unter sich:

XNebelparderX/Sina Katzlach

Ein Interview

 

In the House

Die Geschichte der "House"- Musik

 

Top Ten of the House

Charts

 

Frei sein

Gedicht von Jennifer Klein

Back to the House

 Back to the House

verschlungen und doch gradaus

rennt eine Maus

inmitten der Welt in mir zuhaus

zum Ausgang hinaus

 

Back to the House

Zufall bringt es ins Haus

manchmal auch Graus

denn dann ist es aus

 

Das dachte sich die Maus

und flitzte ins Loch, ihr Haus

und man will raus

aus diesem Irrenhaus

 

wo war der Käse? Oh Graus

er lag doch noch VOR dem Haus

Applaus, Applaus

für die Maus

 

Sie linst aus dem Haus

Das ist auch kein Schmaus

Sie muss noch mal raus

aus dem Haus

 

Zum Kumpel Klaus

der lebte im Hexenhaus

Ein Kater, er liebt die Maus

ER Vegetarier, sie kein Schmaus

 

Auf dem Tisch eine Laus

lebte in Saus und Braus

da dachte die Maus:

die ist aber winzig, die Laus

 

und tanzt mit Kater Klaus

die beiden rocken das House

mit DJ Krallenraus

wackelt alles, oh welch ein Haus!

 

die Musik verstummt, das Licht geht aus

Klaus und die Maus tanzen zum Fenster hinaus

selbst der Regenbogen schläft aus

Und nun ist es aus!

Editorial

Back to the House

 

Die Heimat von Mixed Pixles war und ist BookRix. Unter diesem Aspekt gaben wir vor Beginn der Schreibarbeit für die dritte Ausgabe im Jahr 2014 das Arbeitsmotto „Back to the House“ heraus, weil die Tintenfass AG wieder nach Hause zurück gekehrt ist. Lange sind wir gewandert, im Versuch, etwas Besseres als diese Plattform zu finden. Es ist uns nicht geglückt.

Einige Autoren der Tintenfass AG sind während der Wanderung vollends auf der Strecke geblieben, von ehemals dreißig sind wir nur noch eine Handvoll Schreiberlinge, die Mixed Pixles nicht ganz vergaßen.

Eigentlich sollte Mixed Pixles 03/2014 eine Hommage an BookRix werden, doch es ist etwas ganz Anderes daraus geworden: Eine wertvolle Edition mit aussagekräftigen Artikeln, Kolumnen und sogar voll Poesie, die sich rund um das Thema „Heimat“ rankt – und zudem um den Mauerfall. Hier hat die Tintenfass AG ganze Arbeit geleistet.

Hinzu kommt noch der aktuelle Fall eines ganz offensichtlichen Betrugs, der unseren Lesern zeigen soll, was geschehen kann, wenn das Ding mit dem Urheberrechtsschutz zu sehr auf die leichte Schulter genommen wird. In unserem Bericht geht es um ein berühmtes Bild an den verbliebenen Trümmern der Berliner Mauer: einem gesprühten Trabbi, der durch die Wand bricht. Zu Wort kommt die Künstlerin selbst, indem die gesamten Fakten zum Fall recherchiert worden sind.

Wir hoffen, unserem Anspruch an uns selbst und an das Magazin im Gesamten gerecht zu werden und unsere Leser begeistern zu können. Wir wünschen viel Spaß!

 

Mit herzlichen Grüßen

 

Eure Tintenfass AG

Moderne Philosophen

 

Luftblasen-Illussion

 

Die Rückkehr nach Hause, in die Sicherheit. Was ist Sicherheit heute noch? Ist sicher gleich sicher? Man sagt ja auch, dass man sich in seinem Freundeskreis „sicher“ fühlt, bis man bemerkt, dass es doch nicht der Fall ist. Also stellt sich mir die Frage, ob Sicherheit nicht einfach eine Illusion ist, die wir uns selber machen, um einfach so zu leben, wie wir es wollen. Die Rückkehr in eine von uns selbst geschaffene „Sicherheit“.

Was sagt uns das? Nur um den Wortlauf zu entschlüsseln würde das ja heißen, dass wir uns von etwas abwenden, da es uns nicht gefällt, uns widerspricht oder gar uns bedroht, um uns eine Festung aus Luftblasen zu erbauen.

 

Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht.

 

Joachim Ringelnatz

 

Wenn man diese Theorie weiterspinnt, hat man nun das „Individuum“ gesehen. Was sagt uns das über die Masse aus? Wenn jeder sein kleines Reich absteckt und mittels brillantem Verstand alles hineininterpretiert, was es sicher macht und alles ignoriert, was dagegen sprechen kann. Wenn wir dicht an dicht mit Festungen aus Luftblasen herumstolzieren und lessez faire alles bewältigen, was es zu bewältigen gibt, so lassen wir anderen Stück für Stück die Luftblasen platzen. Eine nach der anderen.

Selten bekommt man das mit, denn es ist ja „sicher“ und damit ignorieren wir das. Ich meine sogar so weit gehen zu können, dass unsere Generation eine Generation ist, die das Ignorieren perfektioniert hat.

Leider kann ich mir keine Meinung bilden, ob dies nun gut oder doch eher traurig ist, dies sei jedem selber überlassen. Aber was ist, wenn man es nicht mehr ignorieren kann, wenn die letzte Blase zerplatzt ist? Es ist genauso wie der eine Sinn des Lebens für die meisten: Glücklich sein. Nun stellen sie sich mal vor sie seien traurig. Hat ihr Leben nun keinen Sinn mehr?

Das würde ja bedeuten, wenn jeder leicht traurig sei, dass er schon das Messer halb in der Hand hätte.

Was ich damit sagen möchte: Wie den Sinn des Lebens gibt es auch nicht die Sicherheit.

Ja, es ist erst einmal schockierend, was man alles ignorieren konnte, man will erst einmal wissen, wie es so kam. Die einen früher, die anderen später kehren doch zurück nach Hause in die Sicherheit.     © Benny Mayer

 

***

 

Der  Retrotrend

 

Wir lieben sie: die alte Kommode unserer Oma, den Schmuck unserer Mutter oder den alten Wartburg des Vaters. So kaufte sich zum Beispiel erst neulich Tom Hanks einen Trabi. Dita von Teese schwört schon seit Jahren auf den klassischen amerikanischen Stil.

Doch was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Retro? Warum ist dieser Stil so beliebt? Welche Auswirkungen hat der Trend auf unsere Gesellschaft? Und wie sieht es in der Literatur aus?

Wikipedia definiert Retro als eine „Modewelle, deren Inhalt eine rückwärts-orientierte Mode ist“. Kurz: Aus alt mach neu. Momentan sind zum Beispiel die 90er wieder in Mode. Immer häufiger sieht man junge Frauen mit bauchfreiem Top („Cropped Top“).

Was vor ein paar Jahren noch verpönt wurde, ist nun allseits beliebt. Der Begriff Retro geht jedoch weit über die Mode hinaus. Retro ist zu einer Lebenseinstellung geworden. Flohmärkte werden immer stärker frequentiert.

Doch warum ist das so? Nun, es hängt mit der zunehmenden Individualisierung innerhalb unserer Gesellschaft zusammen. Die Menschen streben danach, sich von anderen zu unterscheiden. Sie möchten als Charakter wahrgenommen werden und nicht nur als Teil eines Ganzen. Deshalb kaufen Viele auf Flohmärkten oder bedienen sich bei älteren Verwandten. Sie wollen sich nicht uniformieren und lassen somit alte Zeiten wieder aufleben.

Meist hängen an den alten Dingen auch Erinnerung an Kindheit und Jugend. So spielen zum Beispiel wieder mehr Leute Gameboy und fahren Trabbi. Dabei fühlen sie sich jung und frei.

Doch auch junge Leute sind angetan von dem Trend. Sie wollen damit rebellieren.

Ein weiterer Vorteil des Trends ist, dass alte Sachen günstiger sind. So zahle ich beim An-& Verkauf für ein Markenkleid nur einen Bruchteil dessen, was das Kleid in der Boutique kostet. Das kommt dem Geldbeutel natürlich zugute und man kann das Geld für andere wichtigere Dinge ausgeben.

Auch für unsere Umwelt hat der Trend einen entscheidenden Vorteil: Wir gehen sparsamer mit unseren Ressourcen um. In unserer schnelllebigen Zeit werden Rohstoffe leicht fertig verschenkt. So sparen wir bei dem Retrotrend Edelmetalle, in dem wir den alten Schmuck verwenden, anstatt Neuen zu kaufen.

Auch Baumwolle wird durch Wiederverwerten alter Kleidung gespart, genauso wie Holz für Möbel. All dies trägt zum Aufrechterhalten unseres Naturkreislaufs bei. Den Retrotrend finden wir in allen Kulturrichtungen: vom Remake alter Filmklassiker, über Musik der 70er bis zur Literatur. Hier tritt der Trend jedoch nicht sehr stark in Erscheinung. Zwar werden Werke wie „Kabale und Liebe“, „Nathan, der Weise“ oder „Die Leiden des jungen Werthers“ gern in der Schule gelesen, privat nimmt allerdings kaum einer die alten Werke in die Hand. Nur wenige Literaten werden noch von der Jugend gelesen.

Zu den am liebsten gelesenen deutschen Autoren zählen Kafka, Heine und die Gebrüder Mann. Für viele der damaligen Schriftsteller fehlt einem jedoch das Verständnis. Meist muss man die geschichtlichen Hintergründe kennen, um das Werk komplett verstehen zu können.

Geschichte gilt leider oft als langweilig und angestaubt. Ein älteres Werk wirkt somit unattraktiv. Antiquariate finden kaum noch Zulauf. Zum Ende kann man sagen, dass der Retrotrend in allen Lebensbereichen angekommen ist und ich hoffe, dass auch alte Literatur aufleben wird. Weil die damaligen Autoren Helden ihrer Zeit waren.

 

© Gamefreak

Historisches

Wie alles begann ...

 

 Am 09. November 2014 ist ein Jubiläum der besonderen Art, eines, das der ganzen Welt bekannt ist: 25 Jahre Mauerfall. Viele Artikel unserer Autoren gedenken dieses ganz besonderen Tages, welcher nicht nur für Deutschland das Symbol der Hoffnung bereit halten hätte sollen.

Meine Generation – Baujahr 1961 – war mit dabei, wobei: Die Anfangszeit der geschichtlichen DDR ist vielen von uns zwar in der Schule gelehrt worden, doch hatten wir uns damals wirklich Gedanken gemacht? Manche assoziieren Honecker mit der Teilung von Deutschland, was sage ich: Vermutlich viele. Wer von uns denkt indessen noch an Hitler, außer jenen, die meinen, sein Schandwerk heute noch fortführen zu müssen?

Dieser Mensch aus Österreich hatte so vieles verbrochen, wobei ich mich manchmal frage, ob er nicht selbst nur eine Marionette seiner Gefolgsleute war. Er war Rhetoriker, konnte die Massen begeistern, belügen, verblenden, auf seine Seite ziehen, Hoffnungen erwecken, die sich nie erfüllten. Mehr noch: Die Hoffnungen, die er erweckt hatte, entwickelten sich zu einem grausamen Albtraum. Es waren nicht nur die Juden, die seinem ethnischen Verständnis zum Opfer fielen. Alle, die in seinen Augen Nicht-Arier waren, sah er als Geschöpfe, welche die Natur zwar hervor gebracht hatte, jedoch nicht als Mensch anerkannt werden konnten. Behinderte Menschen sah er als Mutanten, die bestenfalls unter seinen KZ-Ärzten als Versuchstiere für grausamste Experimente herhalten durften. Alles, was nicht blond und blauäugig war, schien ebenfalls gegen die Natur zu sein und durfte deshalb ungestraft ausgemerzt werden.

Jude: In Zeiten des Nationalsozialismus war dies ein Schimpfwort und beschränkte sich nicht auf die Religion „Judentum“. Jude zu sein, bedeutete in erster Linie, Nicht-Arier zu sein. Hatte ein Mensch in unserem Land nur einen Hauch zu dunkle Haare oder eine andere Augenfarbe, setzte das NS-Regime ohne Nachfragen voraus, dass jüdische Vorfahren ihr Erbgut in dessen DNA hinterließen.

Arbeitslosigkeit in Zeiten Hitlers war undenkbar: Wer keine Arbeit hatte, wurde für den Staat zum Arbeiten geschickt – Widerstand zwecklos. Wohlbekannt dürfte sein, dass der Autobahnbau bereits zu damaligen Zeiten begann.

 

Hitler und der Nationalsozialismus, der Holocaust und so vieles mehr: Selbst ohne geschichtliches Wissen kommt man an der deutschen Historie nicht vorbei. Die Anti-Hitler-Koalition, der Weltkrieg, um dessen Regime zu bekämpfen. Amerika, Russland und England waren daran maßgeblich beteiligt. Die Teilung Berlins in vier Sektoren, die amerikanische Luftbrücke gen Westen, weil Russland sämtliche Landwege blockierte. John F. Kennedys Worte: „Ich bin ein Berliner.“ Große Momente im Fernsehen durch seine Worte.

 

Und doch, liebe Leserinnen und Leser, gilt es ein Fazit zu ziehen: In Weltkriegen gibt es keine Verbündete, nur Feinde. Während unsere heutige Regierung mit den damaligen Gegnern zusammen versucht, die Welt zu regieren, herrschen auf der anderen Seite des Globusses ähnliche Verhältnisse wie damals bei uns. Rassismus ist dummerweise nicht nur ein deutsches Problem, sondern ein globaler Missstand.

Das Gleiche gilt für die Diktaturen in den afrikanischen und arabischen Ländern: Wir Deutschen hatten ebenfalls unseren Diktator, der uns unter der Knute hatte. Wir hatten Besatzer im Land - unsere heutigen „Freunde“.

Amerikanismus hielt dadurch Einzug bei uns, mitsamt der amerikanischen Sprache, deren Produkte und deren Regierungssystem. Romantische Nachkriegsfilme wurden gedreht, mit „Frolleins“, die sich für Nylons prostituierten.

 

Klischees wurden geschaffen.

 

 Das schlimmste Klischee jedoch zog sich quer durch Berlin, forderte viele Todesopfer und besteht noch heute in unseren Köpfen: Die Mauer.

Und während mancher vielleicht mit leicht nostalgischem Herzweh des Falls der Berliner Mauer gedenkt, setze ich ein neues Denkmal in meinem Herzen: Wie alles begann!

 

© Sina Katzlach

 

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***

25 Jahre Mauerfall

 

Vor 25 Jahren, am 09. November 1989, fiel in Berlin die Mauer, die West- und Ostdeutschland für Jahre getrennt hatte. Seit 1961 wurden die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik durch eine scharf bewachte Grenze und die Mauer getrennt.

Doch die Mauer teilte nicht nur Ost von West, West von Ost, nein, sie trennte auch ganze Familien, die sich durch den Bau der Mauer nur noch selten sehen durften.

Ob der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 18. März 1986 bereits wusste, dass die Mauer dreieinhalb Jahre später fallen würde? Als er an jenem Tag sagte: „Die Mauer in Berlin ist eine Realität; aber realistisch ist sie nicht, denn sie ist nicht vernünftig, nicht human. Deshalb wird sie in der geschichtlichen Perspektive keinen Bestand haben.“

Der US-Präsident Ronald Reagen forderte am 12. Juni 1987 am Brandenburger Tor: „Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer ein!“

Erich Honecker hingegen sagte noch im Januar 1989: „Die Mauer wird auch in 50 oder 100 Jahren noch bestehen.“ Nur 10 Monate später war die Mauer Geschichte.

„Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört!“, so sprach Altkanzler Willy Brandt am 10. November 1989, einen Tag nach dem Mauerfall.

Doch ist in den letzten 25 Jahren wirklich alles zusammen gewachsen? Sind Ost und West wirklich zu einem Gesamtbild geworden?

Gibt es nicht immer noch „Ossis“ und „Wessis“ anstatt einem „WIR“?

Schaut man sich heute Statistiken an, stößt man immer noch auf Vergleiche zwischen „alten“ und „neuen“ Bundesländern. Aber warum? Sollte man nicht langsam anfangen, Deutschland als eins zu betrachten? Doch zurück zu Tag X, dem Tag, an dem die Mauer fiel.

„Was hast du am 09. November 1989 gemacht?“ Diese Frage kann sicher fast jeder beantworten, der irgendwie aktiv oder auch nur über den Rundfunk dabei war.

„Wir sind sofort, nachdem wir vom Mauerfall gehört haben, nach Berlin gefahren. Jetzt konnten wir endlich unsere Verwandten in West-Berlin besuchen.“ So sagte neulich ein guter Bekannter in einem Gespräch. Wie genau wir auf das Thema Mauerfall gekommen sind, kann ich nicht mehr sagen, aber auf einmal war es da.

Die Mauer grenzte fast drei Jahrzehnte lang auf ungefähr 160 km Länge West-Berlin von der DDR ab.

Mindestens 138 Menschen verloren ihr Leben, 98 davon waren Ostflüchtlinge, 8 im Dienst getötete Grenzsoldaten und 30 Personen, die ohne Fluchtgedanken erschossen wurden oder verunglückten.

Lieder wie „Wind of change“ von den Scorpions, „I've been looking for Freedom“ von David Hasselhoff oder „Another brick in the wall“ von Pink Floyd gehören heute zu den absoluten Klassikern und lassen wohl des öfteren bei dem ein oder anderen kalte Schauer über den Rücken laufen. Obwohl ich selbst mich wirklich absolut nicht an den 9. November 1989 erinnern kann, dafür war ich da noch zu klein um alles bewusst zu erleben, berühren mich gerade diese drei Lieder immer wieder.

Was ich bei dem 9. November als Datum an sich allerdings irgendwie verdrängt hatte, war, dass genau 51 Jahre zuvor, am 9. November 1938, die Reichspogromnacht war.Ob das Datum 9.11.1989 wohl bewusst so gewählt wurde, dass dieser Tag nicht mehr nur negative Erinnerungen weckt? Wirklich erfahren werden wir das wohl nie, aber es war einer der Gedanken, die mir beim Schreiben dieses Textes zum Mauerfall kamen.

Dieses Jahr, am 09. November 2014 jährt sich also der Mauerfall zum 25. Mal. In Berlin soll der Verlauf der Mauer durch eine „Lichtgrenze“ dargestellt werden. 8.000 leuchtende, weiße Ballons werden auf einer Strecke von circa 15 Kilometern erstrahlen und sollen sowohl an die Brutalität der Mauer als auch an die friedliche Revolution erinnern. Es wird sicher ein beeindruckender Moment, wenn so viele Lichter auf einmal die Erinnerungen wachrufen.

Die Mauer in Berlin ist gefallen, und auch wenn sie nun durch die Ballons noch einmal visuell erwacht: sie ist zumindest weg. Und auch wir sollten so langsam anfangen, „Ost“ und „West“ nicht mehr getrennt voneinander zu betrachten, sondern als eine Einheit zu sehen. Denn was bringen uns Vergleiche zwischen West- und Ostdeutschland? Wem nützt es zu wissen, dass im „Westen“ die Arbeitslosigkeit geringer ist als im „Osten“, wenn man auch in Westdeutschland die Jobs nicht auf der Straße findet?

© Jennifer Klein

Unter uns gesagt

Ausgerechnet Bananen!

 

oder

 

Кому это нужно?

 

 Wir Ossis wollten immer nur dies: Freiheit UND Bananen. Schublade auf; Schublade zu. Jetzt haben wir einen Ossi, der uns als großer Redner etwas von Freiheit vorgau(c)kelt, ein Bundes-Chame(rke)leon und die Bananen in Form einer Republik.

Glauben Sie nicht? Dann lassen Sie es mich erklären:

 Es ist eine Crux mit der Journaille, und mit den Journalisten auch. Darüber, scheint mir, sind wir einig. Sie, die Journalisten, schreiben ihren Einheitsbrei - einer schreibt von dpa und die anderen voneinander ab. Es gab Zeiten, da wurde so etwas "Gleichschaltung" genannt; heute werden Worte wie „investigativer Journalismus“ benutzt und dann bekommt der investigative Journalist einen Preis - Henri-Nannen sei dank ... Früher hieß dieser Preis Egon-Erwin-Kisch-Preis, aber der Kisch war für derlei Namensgebung mit seiner kommunistischen Vergangenheit ... Schreib das auf, Kisch! Nee, lieber nicht ...

 Gebetsmühlenartig die Erkenntnis vor sich her tragend, dass die Medien uns manipulieren, ist eine Möglichkeit, sich als kritischer Mensch zu be(s)tätigen. Aber es muss auch die Frage gestattet sein: Wem nützt es? Кому зто нужно?

 

Das fragte schon ein Russe. Das vollständige Zitat geht so: „Ist nicht sofort ersichtlich, welche politischen oder sozialen Gruppen, Kräfte oder Größen bestimmte Vorschläge, Maßnahmen usw. vertreten, sollte man stets die Frage stellen: Wem nützt es?“ Nee, nicht der Putin hat's erfunden. Der Lenin war's. Der Wladimir Wladimirowitsch hat's vom Wladimir Iljitsch gelernt: In alter Zeit durften 16 Millionen Deutsche von den Russen lernen. Sie erinnern sich? „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen!“ Im Lernprogramm waren Anleitungen zum Umgang mit der Freiheit und zum Verzehr von Bananen nicht enthalten; und *Russe* sagte man auch nicht, denn die sogenannten Sowjetmenschen waren für kurze Zeit die Guten, und zwar bedingungslos. Zu sehr erinnerte der Satz: „Der Russe kommt!“ an Diktatur und musste getilgt werden. Heute dürfen wir lernen oder auch nicht, von wem auch immer. Кому это нужно?

 

Кому это нужно?, dass Muslime, die sich als Gotteskrieger betätigen, gerne und fast ausnahmslos in den Medien als *IslamISTEN* bezeichnet werden. Dieses Wort gibt es laut Duden jedoch gar nicht. Richtig müsste ein wie gearteter Anhänger des Islams heißen: IslamIT. Die Mehrzahl ist dann folgerichtig: Islamiten. ISLAMITEN! Klingt zu harmlos und wird dem Glaubenskrieg in keiner Weise gerecht. Na ja ... Es geht nicht um den einen oder anderen Glauben, das ist im Grunde klar. Es geht um Öl, um Pfründe ... Und zwar auf beiden Seiten. Das wird so jedoch nicht gesagt. Dann lieber sprachlich zuschlagen, denn der sogenannte Islamist reiht sich wunderbar ein in: Terrorist, Kommunist, Dschihadist, Separatist ... Dadaist ... Nee, Moment. Dadaisten sind die Guten. Also, die, die keiner versteht … Aber wer gibt schon gerne zu, dass er Kunst nicht versteht? „Was will der Dichter uns damit sagen“, fragten sinnloser Weise Generationen von Deutschlehrern. Кому это нужно?

Ein einziges Mal war zu erleben, dass ein Nachrichtensprecher das Wort *islamisch* in einem Bericht über Muslime verwendete. Eine Sternstunde des deutschen Fernsehens. Oder ein Fehler? Eine Nachlässigkeit? Wir werden es wohl nie erfahren. Soviel sei gesagt: Es ging um eine wohlwollende Aussage über Muslime.

Doch zurück zu den Journaliten, nee ... Journalisten. Die Journalisten leisten jedenfalls ganze Arbeit und machen sich gerne zum Steigbügelhalter von Politik. Deshalb dürfen Sie auch liebevoll Journaille genannt werden. Reimt sich nicht nur zufällig auf Kanaille.

Sie denken: Das geht zu weit?! Mir geht es zu weit, dass unser derzeitiger Bundespräsident im Februar 2014 auf der 50. Münchner Sicherheitskonferenz uns vorgau(c)kelte, die Bundesrepublik müsse bereit sein, „mehr zu tun für jene Sicherheit, die ihr von anderen seit Jahrzehnten gewährt wurde“. Und Ursula traute sich sogar diesem Gedanken Ausdruck zu verLeyen: „Wenn wir über Mittel und Fähigkeiten verfügen, dann haben wir auch eine Verantwortung, uns zu engagieren.“ Von einer Kriegsministerin ist mehr nicht zu erwarten, als dass sie sich zum Bombenträger von Heckler & Koch macht. Aber Jochen? Ein ehemaliger Pastor?

„Frieden schaffen, ohne Waffen - Schwerter zu Pflugscharen“ ist wohl zu lange her. „Du sollst nicht töten“ ... predigt man als Pastor, nicht im politischen Amt. Damit wurde unser Bundespräsi, wie er auch liebevoll genannt wird, wobei *Präsi* die absurde Abkürzung von Präsident, nicht von Präservativ ist ... kein Verhüter.

 

 

Während der Blätterwald über das Problem „Krieg und Frieden“ am Rande berichtet, breitet man sich über Anderes minutiös aus. Pünktlich NACH der Information via Medien, dass Uli Hoeneß nicht nach Landsberg wollte, kam die Information, er ist erpresst worden. Der Täter hatte „ ... in einem mehrseitigen Erpresserschreiben [...] Hoeneß mit erheblichen Schwierigkeiten bei seiner bevorstehenden Haft gedroht. Dabei gab der Verfasser des Briefes nach Polizeiangaben an, er habe Einfluss auf den Haftverlauf ...“

 

Nach gut recherchierten Informationen der Medien sitzen in Landsberg NUR Ersttäter ein, so dass die Presse mutmaßte, der Einfluss des Täters könne wahrscheinlich gering sein. Puhh ... Glück gehabt, Uli!

Der Uli wollte nicht nach Landsberg. Vielleicht hinderte ihn seine allseits bekannte Bescheidenheit daran, den berüchtigten Promibonus dieser Haftanstalt in Anspruch nehmen zu wollen. Ist im Grunde auch egal ... Interessant, was der Uli meint, alles in Anspruch nehmen zu dürfen ... Riecht nach Soziopath … Interessant auch, was die Presse meint alles berichten zu müssen … Dann passt besser: ES STINKT!

 

Der Uli wird zum Opfer stilisiert. Journaille-Kanaille, warum verHOENEßt du uns? Das fragt ein besorgter Passinhaber der BRD, also der BananenRepublikDeutschland. Warum wurde der Uli nicht nach Sibirien geschickt? Ach, Mist, geht ja nicht - Putin ist ja momentan der Böse ... Schlage nunmehr Bützow in Mecklenburg vor. Ist auch eine Haftanstalt mit laaanger Tradition.

Am Ende des Tages bleibt die Frage: Кому это нужно?

 

© Signe Winter

 

 

Vorsicht, Abzocke!

 

oder

 

Das Ding mit dem Urheberrecht

 

 

 

Hier spricht der Mauer-Trabbi:

 

"Wie Sie sehen, habe ich meinen Platz im Bild vorübergehend fiktiv verlassen. Warum?

2013 habe ich zufällig von Dritten erfahren, dass ich seit 14.12.2010 eine eingetragene und geschützte WORT-BILD-MARKE beim Deutschen Patentamt bin. Somit bin ich "entmündigt" und darf über mich selbst nicht mehr entscheiden.

Meine Schöpferin Birgit Kinder hat sofort eine Löschung dieser WORT-BILD-MARKE beim DPA beantragt. Ihr Anwalt Herr Volker Lehmann von der Kanzlei Breuer und Lehmann in München hat sie dabei sehr engagiert vertreten. Auf seiner Webseite können Sie darüber mehr erfahren:

 

www.breuerlehmann.de

 

Leider wurde dieser Löschungsantrag in 1. Instanz zurückgewiesen. Ich, der Mauer-Trabbi, wohnhaft an einem Denkmal für alle, gebe mich nicht damit zufrieden!

Wichtig ist noch zu erwähnen: Nicht nur mir ist das passiert, sondern auch anderen Motiven an der ESG. In der Hoffnung bald wieder frei zu sein, kehre ich an meinen Platz fiktiv wieder zurück. Es grüßt Sie: Ihr Mauer-Trabbi.

© Birgit Kinder

Hintergrund: Auf den Fall Birgit Kinder stieß ich im Rahmen der Arbeit am Magazin durch Zufall. Ich suchte ein Cover-Motiv, das zum Thema "Mauerfall" passt, weil etliche Beiträge unserer Autoren sich darum rankten. Ich fand das Motiv eines Trabbis von vorn, der von Birgit Kinder auf das Trümmerdenkmal der Berliner Mauer gemalt worden war. Die Signatur der Künstlerin war deutlich zu sehen.

Ich wollte vorsichtig sein und keinen Bilderklau betreiben. Also schrieb ich die Künstlerin an, ob sie mir erlauben würde, das Bild als Covermotiv fürs Magazin zu verwenden.

 

Ehrlich gesagt rechnete ich nicht mit einer Antwort, weil mir das schon öfters so gegangen war. Doch tatsächlich lag am nächsten Tag eine Mail in meinem Postfach, mit dem Kontext: Sie würde mir dies gerne erlauben, wenn sie dies dürfte. Dann erzählte sie mir, dass eine Firma IHREN TRABBI als Marke angemeldet hätte, angeblich mit ihrem Einverständnis. Es handelt sich um eine angebliche Merchandising-Agentur, die den Trabbi für das Promoten verschiedener Produkte verwenden wollte.

Alles, was sie mit diesem Motiv jedoch tun: Sie stellen das Bild ins Web und warten darauf, dass es jemand verwendet. Wer dies tut, der hat anschließend eine Klage am Hals. Birgit Kinder versicherte mir, nichts davon gewusst und auch nur durch Zufall von einer dritten Person davon erfahren zu haben, und sie habe die sofortige Löschung der Marke bereits arrangiert. Der Antrag wurde abgewiesen, und mehr noch: Die Künstlerin hatte plötzlich selbst eine Klage am Hals und sollte einen bestimmten Betrag zahlen, weil sie sich widerrechtlich dem Vertrieb der Marke in den Weg stellen würde.

Schließlich landete der Fall Birgit Kinder vor Gericht, aufgrund der Weigerung des DPA, eine Marke zu löschen, die widerrechtlich dort angemeldet worden war. Die Firma - die Markenhalterin - hatte laut ihren Rechtsanwälten gleich gegen mehrere Gesetze verstoßen: Zum Einen widerrechtliche Aneignung eines Motivs, das durch Copyright und Urheberrecht geschützt sein sollte. Zum Anderen unterliegen Motive an öffentlichen Gebäuden noch einem zusätzlichen Schutz vor Urheberrechtsklau: Diese können nicht so ohne weiteres als Marke angemeldet werden.

Dummerweise gibt es das Motiv des Trabbis auch in digitalisierter Version, und diese geistert nun schlussendlich durchs Web. Wie im Vorbericht ersichtlich ist, scheiterte Birgit Kinder mit ihrer Klage gegen das Deutsche Patentamt in erster Instanz. Freundlicherweise stellte sie mir dafür das Gegenmotiv des Streitobjekts zur Verfügung: Ein Trabbi von hinten, der als unser Cover-Motiv herhalten durfte.

 

 

***

 Ich mailte ihr: "Das hat was. Der Trabbi von hinten zeigt allen den Auspuff." Dann erzählte ich ihr, was es mit dem Ausspruch "Den Auspuff zeigen" auf sich hat. In der Hoffnung, dass Birgit Kinder ihre Ziele erreicht, ohne Unsummen für den Rechtsstreit ausgeben zu müssen, wünscht Mixed Pixles der Künstlerin alles Gute und drückt ihr die Daumen, dass sie ihren gegnerischen Parteien den Auspuff zeigt.

© Sina Katzlach

 

Der Fall der Mauer

 

Eine andere Sicht

 

Ende November 1989 lag ein besonderer Geruch über Wolfenbüttel: Der Geruch der offenen Grenze, der einen Namen hatte: Trabbi – Geruch. Die knatternden Zweitakter waren überall mit ihrem Geruch wahrzunehmen, der an faule Eier erinnerte.

Durch die Stadt zu gehen, das machte derzeit einfach keinen Spaß mehr. Jeder freie Platz, selbst die Feuerwehrzufahrt, war mit Trabbies und Wartburgs vollgestellt. Es stört sich niemand daran.

Nein, ich möchte nicht alle über einen Kamm scheren: Die Kollegin, die über die polnische Botschaft vor der Maueröffnung herkam, die nur das, was sie am Körper trug und in einer kleinen Tasche hatte, gehört nicht zu denen.

 

Bin ich zu empfindlich? Will ich die Grenze wieder?

 

Mir wäre ein langsameres Zusammengehen lieber gewesen, mit mehr Bedachtsamkeit. Nicht dieses Überstülpen. Nicht alles war falsch. Aber es musste wohl erst abgeschafft werden, um es dann neu zu erfinden: Erst weg mit den Polikliniken, dann plötzlich sind die “Ärztehäuser“ groß angesagt.

Erst wird die gemeinsame Kinderbetreuung verteufelt, heute wird lautstark nach mehr Betreuungsplätzen gerufen. Jetzt, Jahrzehnte später, kommen langsam die Plätze für die Jüngsten und der Anspruch kann eingeklagt werden.

Was ist aus denen geworden, die etwas ganz anderes in der Politik erreichen wollten? Wo sind die Wünsche und Ziele geblieben? Ich vermute, dass auch die friedliche Revolution ihre Kinder gefressen hat. Alles im Machtüberhang der Mauerfallbesessenen im West – Mark - Nebel entschwunden. Geeint bin ich noch lange nicht, mir fehlen auch die vielen Musikläden von damals. Die Instrumente aus dem VEB Markneukirchen. Die Materialien, die zeigen, wie aus wenig richtig viel geschaffen wird.

Ich vermisse nicht die Umwege, die zu Treffen mit meiner Cousine gemacht werden mussten. Auch nicht die Grenzübertritte unter Aufsicht grimmig blickender Grenzer, die immer ein flaues Gefühl bewirkten.

Doch ich vermisse die Spaziergänge mit meinem damaligen Freund Wolle am Grenzverlauf mitten durch den Harz.

 

©Leahnah Perlenschmuck

 

Nach Hause

 

Ende 2013 waren 51,2 Millionen Menschen auf der Flucht. Das ist die höchste Zahl nach dem zweiten Weltkrieg. Die Gründe dafür sind vielfältig; Kriege, Naturkatastrophen, Belagerungen und religiöse Auseinandersetzungen.

In Ländern wie z.B. Syrien, Südsudan, Ukraine, Homs, Jarmuk, Zentralafrikanische Republik, Philippinen, Somalia, Afghanistan ist ein normales Leben nicht mehr möglich, weswegen die Menschen sich entscheiden, ihre Heimat zu verlassen. Dabei nutzen sie in ihrer Verzweiflung meist radikale und gefährliche Methoden.

Aus Nachrichten kennt man Bootsflüchtlinge, die ihr letzten Geld dafür geben, von Schleuserbanden nach Europa verschifft zu werden. Oftmals misslingen diese Versuche und die Menschen sterben elendlich.

Die, die es schaffen, erwartet aber auch kein normales und sicheres Leben. Selbst Flüchtlinge, die offiziell und legal in Europa ankommen, stoßen bei den Einwohnern auf Ablehnung und Wut. Wieso sollte man sie aufnehmen, wenn es Europa doch eh so schlecht geht? Die wollen sich doch nur in unserem Sozialstaat ausruhen! – Solche Vorwürfe werden immer lauter und es bleibt nicht nur bei Worten.

Wie es vor ein paar Wochen in die Öffentlichkeit kam, wurden mehrere Flüchtlinge in deutschen Asylantenheimen auf brutalste Art und Weise misshandelt. Weil der Staat nicht genug Geld zur Verfügung stellte, engagierten die Asylantenheime gering bezahltes und nicht qualifiziertes Personal. Meist handelte es sich um Bürger mit rechtsradikalem Hintergrund, die in der Machtposition als Heimaufseher ein Ventil für ihren Hass gegen Ausländer suchten. Dieser Vorfall feuerte die bereits seit Monaten anhaltende Debatte über die Flüchtlingspolitik an. Dabei wird über Geld und Platz diskutiert. Menschen, die auf der Flucht sind und ihrer Heimat beraubt wurden, sind dabei statistische Zahlen. Keiner sieht die einzelnen Schicksale dahinter.

Als ich 1998 mit meiner Familie nach Deutschland kam, wurden wir ebenfalls in einem Asylantenheim untergebracht. Wir lebten zu viert in einem Zimmer, mit Toilette und Bad, die Küche war auf dem Flur.

Als 9-jähriger verstand ich damals noch nicht, was es hieß, in einem fremden Land zu leben, aber ich spürte, dass meine Familie und andere Heimbewohner anders behandelt wurden. Es war keine offene Feindlichkeit. Vielmehr war es ein Misstrauen, eine versteckte Aggression, die man nicht offen zeigen wollte. Die Sprachbarriere tat das Übrige. Oftmals profilierten sich Deutsche mit ihrer Sprache. Wörter wurden extra laut ausgesprochen, manche Satzkonstruktion und grammatikalische Regel vernachlässigt, weil man meinte, so den Fremden besser klar machen zu können, was man meint.

Sicherlich kann ich die Umstände, in denen ich mein Land verlassen habe, nicht mit denen vergleichen, die viele Flüchtlinge heute zur Flucht zwingen.

Menschen, deren Häuser zerstört wurden, die alles verloren haben und nie wieder das Leben führen werden, wie sie es zuvor kannten, kommen in ein fremdes Land, um Schutz und Zuflucht zu finden.

Keiner von ihnen ist zum Spaß geflohen, keiner nimmt freiwillig ein solch einschneidendes Ereignis in Kauf, gibt seine Heimat, seine Kultur, seine Sprache und sein ganzes Leben auf, um in ein fremdes Land zu gehen.

Für viele wird es nie ein Rückkehr geben. Weil nichts mehr übrig ist.

Für sie ist Deutschland das neues Zuhause und wir sollten sie nicht als Feinde, sondern als ganz normale Menschen begrüßen. Damit auch sie irgendwann sagen können: "Ja, ich komme gerne nach Hause."

 

© Koollook

Themen-Projekte

 

 Klassische Literatur neu interpretiert

 

„Der Taucher“ ist eine im Jahr 1797 vom deutschen Dichter Friedrich Schiller im Balladenjahr verfasste Ballade. Sie erschien erstmals im Musenalmanach für das Jahr 1798, der von Schiller herausgegeben wurde. Sie beschreibt den Wagemut eines Edelknaben, der sich nach Aufforderung seines Königs in einen Gezeitenstrudel stürzt, um einen vom König hinein geworfenen goldenen Becher wieder zu holen.

Es gelingt, und er berichtet davon (Es freue sich, wer da athmet im rosichten Licht. / Doch der Mensch versuche die Götter nicht …).

Die Hybris des Königs, der es ein zweites Mal sehen und seine Tochter dafür geben will, steckt auch den Jüngling an, und er versucht es abermals, ohne Wiederkehr.

 

Der Taucher - von Friedrich Schiller

 

»Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp,

Zu tauchen in diesen Schlund?

Einen goldnen Becher werf ich hinab,

Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund.

Wer mir den Becher kann wieder zeigen,

Er mag ihn behalten, er ist sein eigen.«

 

Der König spricht es und wirft von der Höh

Der Klippe, die schroff und steil

Hinaushängt in die unendliche See,

Den Becher in der Charybde Geheul.

»Wer ist der Beherzte, ich frage wieder,

Zu tauchen in diese Tiefe nieder?«

 

Und die Ritter, die Knappen um ihn her

Vernehmens und schweigen still,

Sehen hinab in das wilde Meer,

Und keiner den Becher gewinnen will.

Und der König zum drittenmal wieder fraget:

»Ist keiner, der sich hinunterwaget?«

 

***

Doch alles noch stumm bleibt wie zuvor,

Und ein Edelknecht, sanft und keck,

Tritt aus der Knappen zagendem Chor,

Und den Gürtel wirft er, den Mantel weg,

Und alle die Männer umher und Frauen

Auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen.

 

Und wie er tritt an des Felsen Hang

Und blickt in den Schlund hinab,

Die Wasser, die sie hinunterschlang,

Die Charybde jetzt brüllend wiedergab,

Und wie mit des fernen Donners Getose

Entstürzen sie schäumend dem finstern Schoße.

 

Und es wallet und siedet und brauset und zischt,

Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,

Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,

Und Flut auf Flut sich ohn Ende drängt,

Und will sich nimmer erschöpfen und leeren,

Als wollte das Meer noch ein Meer gebären.

 

Doch endlich, da legt sich die wilde Gewalt,

Und schwarz aus dem weißen Schaum

Klafft hinunter ein gähnender Spalt,

Grundlos, als gings in den Höllenraum,

Und reißend sieht man die brandenden Wogen

Hinab in den strudelnden Trichter gezogen.

 

Jetzt schnell, eh die Brandung wiederkehrt,

Der Jüngling sich Gott befiehlt,

Und – ein Schrei des Entsetzens wird rings gehört,

Und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült,

Und geheimnisvoll über dem kühnen Schwimmer

Schließt sich der Rachen, er zeigt sich nimmer.

 

Und stille wirds über dem Wasserschlund,

In der Tiefe nur brauset es hohl,

Und bebend hört man von Mund zu Mund:

»Hochherziger Jüngling, fahre wohl!«

Und hohler und hohler hört mans heulen,

Und es harrt noch mit bangem, mit schrecklichem Weilen.

 

Und wärfst du die Krone selber hinein

Und sprächst: Wer mir bringet die Kron,

Er soll sie tragen und König sein,

Mich gelüstete nicht nach dem teuren Lohn.

Was die heulende Tiefe da unten verhehle,

Das erzählt keine lebende glückliche Seele.

 

Wohl manches Fahrzeug, vom Strudel gefaßt,

Schoß gäh in die Tiefe hinab,

Doch zerschmettert nur rangen sich Kiel und Mast

Hervor aus dem alles verschlingenden Grab. –

Und heller und heller wie Sturmes Sausen

Hört mans näher und immer näher brausen.

 

Und es wallet und siedet und brauset und zischt,

Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,

Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,

Und Well auf Well sich ohn Ende drängt,

Und wie mit des fernen Donners Getose

Entstürzt es brüllend dem finstern Schoße.

 

Und sieh! aus dem finster flutenden Schoß

Da hebet sichs schwanenweiß,

Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß,

Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiß,

Und er ists, und hoch in seiner Linken

Schwingt er den Becher mit freudigem Winken.

 

Und atmete lang und atmete tief

Und begrüßte das himmlische Licht.

Mit Frohlocken es einer dem andern rief:

»Er lebt! Er ist da! Es behielt ihn nicht.

Aus dem Grab, aus der strudelnden Wasserhöhle

Hat der Brave gerettet die lebende Seele.«

 

Und er kommt, es umringt ihn die jubelnde Schar,

Zu des Königs Füßen er sinkt,

Den Becher reicht er ihm kniend dar,

Und der König der lieblichen Tochter winkt,

Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande,

Und der Jüngling sich also zum König wandte:

 

»Lang lebe der König! Es freue sich,

Wer da atmet im rosigten Licht!

Da unten aber ists fürchterlich,

Und der Mensch versuche die Götter nicht

Und begehre nimmer und nimmer zu schauen,

Was sie gnädig bedecken mit Nacht und Grauen.

 

Es riß mich hinunter blitzesschnell,

Da stürzt’ mir aus felsigem Schacht

Wildflutend entgegen ein reißender Quell,

Mich packte des Doppelstroms wütende Macht,

Und wie einen Kreisel mit schwindelndem Drehen

Trieb michs um, ich konnte nicht widerstehen.

 

Da zeigte mir Gott, zu dem ich rief

In der höchsten schrecklichen Not,

Aus der Tiefe ragend ein Felsenriff,

Das erfaßt’ ich behend und entrann dem Tod,

Und da hing auch der Becher an spitzen Korallen,

Sonst wär er ins Bodenlose gefallen.

 

Denn unter mir lags noch, bergetief,

In purpurner Finsternis da,

Und obs hier dem Ohre gleich ewig schlief,

Das Auge mit Schaudern hinuntersah,

Wie’s von Salamandern und Molchen und Drachen

Sich regt’ in dem furchtbaren Höllenrachen.

 

Schwarz wimmelten da, in grausem Gemisch,

Zu scheußlichen Klumpen geballt,

Der stachligte Roche, der Klippenfisch,

Des Hammers greuliche Ungestalt,

Und dräuend wies mir die grimmigen Zähne

Der entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne.

 Und da hing ich und wars mir mit Grausen bewußt,

Von der menschlichen Hülfe so weit,

Unter Larven die einzige fühlende Brust,

Allein in der gräßlichen Einsamkeit,

Tief unter dem Schall der menschlichen Rede

Bei den Ungeheuern der traurigen Öde.

 

Und schaudernd dacht ichs, da krochs heran,

Regte hundert Gelenke zugleich,

Will schnappen nach mir; in des Schreckens Wahn

Laß ich los der Koralle umklammerten Zweig,

Gleich faßt mich der Strudel mit rasendem Toben,

Doch es war mir zum Heil, er riß mich nach oben.«

 

Der König darob sich verwundert schier

Und spricht: »Der Becher ist dein,

Und diesen Ring noch bestimm ich dir,

Geschmückt mit dem köstlichsten Edelgestein,

Versuchst dus noch einmal und bringst mir Kunde,

Was du sahst auf des Meeres tiefunterstem Grunde.«

 

Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl,

Und mit schmeichelndem Munde sie fleht:

»Laßt, Vater, genug sein das grausame Spiel,

Er hat Euch bestanden, was keiner besteht,

Und könnt Ihr des Herzens Gelüsten nicht zähmen,

So mögen die Ritter den Knappen beschämen.«

 

Drauf der König greift nach dem Becher schnell,

In den Strudel ihn schleudert hinein:

»Und schaffst du den Becher mir wieder zur Stell,

So sollst du der trefflichste Ritter mir sein

Und sollst sie als Ehgemahl heut noch umarmen,

Die jetzt für dich bittet mit zartem Erbarmen.«

 

Da ergreifts ihm die Seele mit Himmelsgewalt,

Und es blitzt aus den Augen ihm kühn,

Und er siehet erröten die schöne Gestalt

Und sieht sie erbleichen und sinken hin,

Da treibts ihn, den köstlichen Preis zu erwerben,

Und stürzt hinunter auf Leben und Sterben.

 

Wohl hört man die Brandung, wohl kehrt sie zurück,

Sie verkündigt der donnernde Schall,

Da bückt sichs hinunter mit liebendem Blick,

Es kommen, es kommen die Wasser all,

Sie rauschen herauf, sie rauschen nieder,

Den Jüngling bringt keines wieder.

Der Taucher

 

 

Story zur Ballade von Friedrich Schiller

 

von Phil Humor

 

"Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp, zu tauchen in diesen Schlund?"

Ich schaue mir den Becher an - Schund. Ist ja klar, dass der König nicht sein bestes Geschirr verscherbelt.

Aber seid beruhigt, die Show ist inszeniert. Ich habe vorher wochenlang geübt: Ich bin jetzt per Du mit Charybdis.

Kenne ihre Gemeinheiten, weiß, was sie will, wonach es sie verlangt. Sie will ein berühmter Mahlstrom sein.

Aber sie ist zu treuherzig - das hat sie mit mir gemeinsam - wir haben vieles gemeinsam. Oder identifiziere ich mich mit ihr, weil ich sie besiegen will? Dann sollte ich mich mit mir identifizieren, denn ich müsste mich selbst besiegen. Wirklich mutig sein.

Wahrscheinlich geht diese Show-Einlage in die Balladen-Geschichte ein: Der Taucher. Imponierend, wie ein Edelknappe sich beherzt in die Wogen stürzt - von Klippe herab - das, was sich keiner der anwesenden Ritter traut - warum sollten sie auch, man muss schon genau wissen, wo die Felsen sind und wo es ungefährlich ist: Ist wie bei Hofe - die Zacken und Kanten vermeiden.

Die Zähmung der Charybdis* - bin ja wie Dompteur oder ein Pferdeflüsterer. Die Prinzessin schaut zu mir - ich habe mich entkleidet; ist noch zu früh? Hat der König schon seine dreimalige Aufforderung den Anwesenden hingeschleudert, als sei es ein Fehdehandschuh? "Wer mir den Becher kann wieder zeigen, er mag ihn behalten, er ist sein eigen."

"Oh, goldener Becher, was reizt mich Dein Wert. Zum Golde drängt es den Jüngling, ich springe in die Fluten - Moment noch - in ein paar Minuten."

Ich umarme leidenschaftlich die Prinzessin. Ist im Skript nicht vorgesehen - aber Improvisieren belebt mein Gemüt und andere Teile von mir. Ich versuche, den Lendenschurz wieder glatt zu ziehen. Die Prinzessin erwidert meinen Kuss - hah! Überrumpelungstaktik. Außerdem hatten meine Flirt-Sensoren ihr Okay gegeben. Das tun sie eigentlich immer - müsste ich mal neu justieren.

"Junker Friedrich, möge dieses Siegel Euch den Lebenshauch bewahren, wenn Ihr mit Charybdis buhlt. Odysseus hielt sich fest am Feigen-Baum, der dort noch steht so trutzig auf Charybdis' Felsen. Uns verbinden die Jahrtausende, die gleiche Absicht macht uns ja zu Geist-Verwandten." Ich widerspreche ihr nicht, soll sie schwelgen im Dichterischen.

"Prinzessin Gwendolina, auch wenn es wallet und siedet und brauset und zischt, bis zum Himmel sprützet der dampfende Gischt - und Ihr Vater mich gerade verdrischt - das goldene Becherlein, das hole ich jetzt, mit Schwung stürze ich mich in die Fluten, bereits in wenigen Minuten."

Der König packt mich und wirft mich über seine Schulter. "Contenance. Der Becher kann warten, ist ohnehin nur Blattgold. Analysieren wir doch mal, worum es hier eigentlich geht: Da traktiert ein König seine Ritter mit einer angeblichen Mutprobe. Ist das unterhaltsam? Die Grillen eines Königs zirpen hören? So springe er selbst, wenn ihn Mut berauscht, wenn es ihn gelüstet, zu erfahren, was die Geheimnisse des Meeres sind, was man nicht sogleich erkennen kann, wenn man oberflächlich ist, über den See gleitet und sich in die Tiefe nicht traut. Was würde man in des Königs Seelen-Meer finden? Kauert da bei jedem inmitten eines Mahlstroms ein Seeungeheuer? Charybdis begegnen. Den Mut haben. Hat der König den?"

Mein Gott, was wage ich hier? Ich schockiere den König mit bohrenden Fragen und fuchtel ihm mit dem Zeigefinger vor der Nase, als sei ich sein Lehrer. Ui, das gibt Nachsitzen für mich - aber wohl nicht im Karzer, er denkt da eher an Kerker. Obwohl, er sieht nachdenklich aus. Ich spiele mit dem Gedanken, ihn zu umklammern und einen gemeinsamen Sprung vorzuschlagen.

Wieso erwacht in mir gerade jetzt der Revoluzzer? Das kann doch unmöglich Stoff geben für eine Ballade. Da will man was Belehrendes, etwas, woran Schüler noch nach Jahrhunderten Freude am Auswendiglernen haben. Keinen ausgeflippten Junker, der den Moment seiner Wichtigkeit über Gebühr in Anspruch nimmt.

Ich spüre, wie ich Funktion werde. Ich trete an den Klippenrand. "Und Flut auf Flut sich ohn' Ende drängt, und will sich nimmer erschöpfen und leeren, als wollte das Meer noch ein Meer gebären."

Ich bin beeindruckt. Aber ich kann es, habe den Sprung zigmal geübt - aber ist es nicht so, dass, wenn man etwas vorführt, einen das Schicksal vorführt? Die Zweifel springen mit Dir, sie sind Deine Begleiter. Und sie fühlen sich stärker, wenn sie Nahrung von außen bekommen. Nicht zu den Rittern hinüberblicken? Was ist der Lohn? Ein Blattgold-Becher. Wie eine Blattlaus lasse ich mich melken.

"Charybdis wartet! Sie bechert bereits ohne Dich", ruft einer der Ritter. "Ich werde ihr den Ganymed machen, sie soll sich über meine Dienste als Mundschenk nicht beklagen. Vermutlich bleibe ich einige Jahre bei ihr." Es dramatisch machen.

Der König sieht zufrieden aus. "Es werden noch Wetten angenommen! Die Quote ist 7000 zu 1 für Charybdis."

Er will sich bei den Rittern bereichern? Er setzt auf mich. Na, das kann ich noch Reporter-mäßig aufpeppen: "Grundlos als ging's in den Höllenraum, und reißend sieht man die brandenden Wogen, hinab in den strudelnden Trichter gezogen." Ich steigere mich da gut rein, ist gut für die Quote.

Prinzessin Gwendolina robbt sich zu mir. Der Sturm hat zugenommen; ihr rotbraunes Haar wirft die Spangen von sich, ich erbitte mir ihren Haarreif. "Ich liebe es, wenn Ihr Euer Haar offen tragt, vom Wind zerzaust, als ob das Hofzeremonielle vom frechen Wind gelockert würde. Innerhalb der Standesordnung wäre mir ein solcher Sprung nicht möglich - hoch hinauf zu Euch - doch hier inmitten der Naturgewalten gelange ich vielleicht mit einem beherzten Sprung mitten in Euer Herz?" Autsch, da ist mir die Metapher verrutscht.

Sie sieht darüber hinweg? Ihr blaues Kleid bläht sich und wird gegen ihren Körper gepresst vom verspielten Wind. Ach, hätte ich jetzt die Freiheit des Sturmes, die Zartheit des Windstoßes, ich ziehe sie an mich; der König schimpft. Zum Glück kreischen die Möwen so laut, dass ich vorgeben kann, alles andere zu überhören außer unseren pochenden Herzen. "Du hast ein Date mit Charybdis. Junge, komm bald wieder." Sie duzt mich! Privileg desjenigen, der im Helden-Status weilt.

Noch mal rekapitulieren: Die Wurfbahn - ah ja, der Becher müsste direkt neben den Tentakeln des Seeungeheuers und der Wal-Fontäne sein. Hat der König den herbeigelockt, hat es sich in Poseidons Reich herumgesprochen, dass hier was los ist?

Richtig, eine Delphin-Formation; meine Ehrengarde? Wahrscheinlich wollen die auch mit in die Ballade.

Unten dümpelt das Boot, was uns zur Klippe gebracht hat. Der Hofgesellschaft was bieten. Der König hatte erfahren, dass mein Vater Fischer ist und ich ein Meister im Tauch-Sport bin.

Ich habe bei unserem Gespräch vielleicht ein wenig übertrieben - aber hey, es handelt sich um meinen Schwiegervater, das ist beschlossene Sache, seit ich die Prinzessin das erste Mal getroffen habe.

Es war ein Versehen mit der Armbrust. Zum Glück ein Streifschuss. Beim Verbinden konnte ich die ersten Liebes-Bande so knüpfen, dass nicht jeder dahergelaufene Ritter sie wieder lösen würde. Gut, Liebesbande sind kein Gordischer Knoten und ich muss mich ranhalten, sie von meiner Trefflichkeit zu überzeugen - zumal ich selber berechtigte Zweifel an meinen guten Absichten hege. Bin nur im Liebesrausch? Was weiß ich von echter Liebe? Vielleicht kann eine größere Anzahl von Küssen mir da die nötige Gewissheit verschaffen? Aber nach jedem Tête-à-Tête mit ihr wäscht der König mir den Kopf.

"Jetzt schnell, eh die Brandung zurückekehrt, der Jüngling sich Gott befiehlt, und - ein Schrei des Entsetzens wird rings gehört, und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült, und geheimnisvoll über dem kühnen Schwimmer schließt sich der Rachen, er zeigt sich nimmer."

Ich nehme das Künftige vorweg, sehe es vor mir - und will ja auch springen - aber Prinzessin zu küssen ist oberste Pflicht. "Wie soll es gelingen, wenn Du nicht endlich springst!"

Der König trampelt auf seiner Krone herum. Nein, das denke ich mir nur, sähe aber witzig aus.

"Ich habe noch eine Rede vorbereitet. Liebe Ritter, ..." Einige Hofdamen kichern. "Schon in wenigen Minuten ..."

Der König rast auf mich zu wie ein Stier; wenn ich jetzt zur Seite trete, eröffnet das für ihn die Möglichkeit, selber nach seinem Becher Ausschau zu halten. Ich lasse mir doch nicht von ihm die Show stehlen. Ich mache einen Rückwärtssalto und drehe mich zweimal um meine Längsachse - dann treffe ich auf der Wasseroberfläche auf - nutze den Schwung und schieße auf den Ort zu, wo ich den Becher vermute.

Richtig, an einer Koralle hängt der Becher; ich schaue mich um; einige Delphine grinsen mich an - ich mache mein Smiley Gesicht - bin sehr happy. Das muss man in der Ballade aber später dramatisieren - irgendetwas von Drachen und so. "Was die heulende Tiefe da unten verhehle, das erzählt keine lebende glückliche Seele." Ja, das passt.

Charybdis heult. "Wie's von Salamandern und Molchen und Drachen sich regte in dem furchtbaren Höllenrachen."

Nö, ein paar Seepferdchen. Mache ich es mir im Leben zu leicht, vielleicht sollte ich Charybdis um stärkeren Wasserwirbel bitten?

Prinzessinnen-Küsse machen immun gegen Gefahr. Alles erscheint mir in rosigem Licht. Einem Hai gebe ich einen Tritt in den Bauch.

Gut, dass mir ein Delphin zu Hilfe kommt. "Und dräuend wies mir die grimmigen Zähne der entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne." Ich hämmere mit dem Becher gegen seinen Kopf - er, als Hammerhai, wird das wohl eher als Begrüßungsritual deuten und nicht als Angriff.

"Gleich fasst mich der Strudel mit rasendem Toben, doch es war mir zum Heil, er riss mich nach oben." Das muss ich dem König und der Hofgesellschaft anders präsentieren - gewaltiger. Kann ja so tun, als obwalte bei mir der Tiefenrausch und bläst mir Fantastereien zu.

Jetzt noch die Klippe raufklettern, vielleicht einen Kuss von der Prinzessin ergattern; ach, was müsste ich vollbringen, damit der König sie mir wirklich zur Frau gäbe? Nochmals springen? Es steigern? Noch tiefer hinab? Oder wie das tapfere Schneiderlein mit selbst gewählter Lüge Karriere machen?

Ich stand immer dazu, dass ich der Sohn eines Fischers bin. Petrus war auch Fischer. Der Fels.

Ich klettere einen Felsen empor - bin der Einzige, der es gewagt hat, Charybdis meine Aufwartung zu machen. Ist was Seltenes. Fühle mich wie Orpheus. Nur dass für mich die Unterwelt nicht so unerfreulich ist - ich kenne sie ja, so als Fischerssohn. Ich bin: der Taucher.             © Phil Humor

 

***

*Charybdis (griechisch Χάρυβδις) ist ein gestaltloses Meeresungeheuer aus der griechischen Mythologie, das gemeinsam mit der Skylla an einer Meerenge gelebt haben soll.           Quelle: Wikipedia

 

***

 Sterntaler von den Gebrüdern Grimm

 

***

Die Gebrüder Grimm haben viele Märchen gesammelt. Dort geht es oftmals brutal oder betrügerisch zu. Es gibt reichlich Verstöße gegen das Strafgesetzbuch und viele ordnungswidrigkeitenrechtliche Verstöße!

Wenn Hänsel und Gretel für ihre Taten belangt werden könnten, müssten sie sich mindestens so warm anziehen, wie es der Hexe im Ofen wurde.

Und Schneewittchen hat sich bestimmt nicht ordnungsgemäß bei den sieben Zwergen angemeldet. Haben diese den Lohn der schwarzhaarigen Schönheit richtig versteuert? Das darf bezweifelt werden. Fangen wir aber mal mit „Sterntaler“ an: Ein armes Waisenkind, das außer einem Stück Brot nichts besitzt, geht in die Welt hinaus.

Unterwegs verschenkt es sein Brot, dann seine Mütze, sein Leibchen, sein Röckchen und schließlich auch sein Hemdchen an andere Bedürftige. Da fallen die Sterne als Silbertaler vom Nachthimmel, und es hat ein neues, feines Leinenhemdchen an, in das es sie aufsammelt.

 

 

Ich hasse Donnerstage

 

Neu-Interpretation von Matthias März

 

Ich hasse Donnerstage! Mit Sicherheit würde heute ein schlechter Tag werden. Als Polizist hat man es heutzutage ohnehin nicht leicht. Ein junger Mann namens Klaus Taler sollte von mir verhört werden. Das würde mir bestimmt keinen Spaß machen.

Er war schlaksig und hatte langes, blondes Haar. Im Verhörraum begann das Gespräch: „Dann schildern Sie mir doch einmal, was passiert ist, Herr Taler“, sagte ich.

Er antwortete: „Nun, ich hatte gerade meine Wohnung verloren, kein Bett und nur noch die Kleider, die ich am Leib trug. Von meinem letzten Geld hatte ich mir ein Döner gekauft. Ich war dennoch frohen Mutes und ging so die Fußgängerzone entlang. Da begegnete mir ein armer, alter Mann, dem es wirklich schlecht ging. Er war hungrig. Also schenkte ich ihm mein Döner.“

„Nun Herr Taler, das ist alles gut und schön. Aber kommen wir zu den wichtigen Dingen.“

„Nach zwanzig Minuten kam mir ein Skinhead entgegen. Der tat mir leid. Es war ja so kalt, und er schien zu frieren, vor allem am Kopf. Daher gab ich ihm mein Basecap und …“

„Moment mal. Sie wissen schon, dass es nach Paragraph 55 der Gewerbeordnung eine Reisegewerbekarte bedarf für denjenigen, der gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung Waren feilbietet?“

„Ich tat das doch aber unentgeltlich. Es war sozusagen eine Spende.“

„Da kommen wir später darauf zurück. Fahren Sie fort.“

 

„Also nach weiteren zehn Minuten war ich am Steintor angelangt. Da stand eine junge Dame in einem dünnen Kleid, und wollte wissen, ob ich Zeit hätte und mitkommen wollte. Stattdessen gab ich meine Flanelljacke, damit ihr warm wurde.“

„Herr Taler, hatten sie diese zuvor gereinigt?“

„Natürlich nicht, Herr Polizeiobermeister. Ich trug sie ja am Leib.“

„Also ein weiterer Verstoß, und zwar gegen die Hygieneverordnung. Wir werden gleich noch den Paragraphen heraussuchen. Was geschah dann?“

„Ich ging weiter in Richtung Linden. Am Goetheplatz begegnete mir ein weiterer Mann. Er trug eine zerrissene Hose. Aus Mitleid gab ich ihm meine und ging weiter.“

„Nur in Unterhosen bekleidet?“

„Nein, ich trug ja noch mein Hemd. Doch als am Ihmeufer ankam traf ich auf ein altes Mütterchen, das vor Kälte zitterte. Der gab ich mein Hemd, weil ich mir dachte, dass es so dunkel sei, dass mich keiner sieht. Nun hatte ich fast gar nichts mehr. Doch auf einmal fielen die Sterne vom Himmel und es waren lauter blanke 2-Euro-Stücke, als sie auf den Boden ankamen.“

„Das klingt aber nicht sehr glaubwürdig. Ich würde sagen, dass Sie Geld in der Absicht nachgemacht haben, es als echt in Verkehr zu bringen oder sich falsches Geld in dieser Absicht verschafft haben. Ein Verstoß gegen Paragraph 146 Strafgesetzbuch. Was machten Sie mit dem Geld?“

„Ich habe es ausgegeben.“

„Aha. Nach Paragraph 147 des Strafgesetzbuches wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft, wer falsches Geld als echtes in Verkehr bringt!“

„Ich war davon ausgegangen, dass es echt ist.“

„Dann haben Sie gegen den Paragraphen 246 des Strafgesetzbuches verstoßen. Ich zitiere: Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.“

„Das tut mir alles unendlich leid. Das wollte ich nicht.“

„Das wird der Richter beurteilen. Aber sagen Sie mal, Herr Taler. Sind Sie so, wie Sie hier erscheinen sind auf der Straße herumgelaufen? Nur mit der Unterhose bekleidet?“

„Ja, mir blieb ja nichts anderes übrig. Die Geschäfte hatten ja schon zu.“

„Dann kommt noch ein Verstoß gegen Paragraph 183 des Strafgesetzbuches zu, denn das war ja wohl eine exhibitionistische Handlung. Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

„Aber ich habe niemanden belästigt.“

„Das wird sich noch herausstellen. Herr Taler, Sie sind vorläufig festgenommen.“

Der junge Mann wurde abgeführt. Als nächste sollte ich eine junge Frau mit einer roten Mütze verhören. Sie musste sich wegen eines Verstoßes gegen das Tierkörperbeseitungsgesetzes verantworten. Ich hasse Donnerstage!

 

© Matthias März

 

 Themen-Projekt "Heimat"

 

 

 Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

 

oder

 

Das Lineal

 

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,

Ein Birnbaum in seinem Garten stand,

Und kam die goldene Herbsteszeit,

Und die Birnen leuchteten weit und breit,

Da stopfte, wenn’s Mittag vom Thurme scholl,

Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,

Und kam in Pantinen ein Junge daher,

So rief er: „Junge, wist’ ne Beer?“

Und kam ein Mädel, so rief er:

„Lütt Dirn, Kumm man röwer, ick hebb’ ne Birn.“

 

So ging es viel Jahre, bis lobesam

Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.

Er fühlte sein Ende. ’s war Herbsteszeit,

Wieder lachten die Birnen weit und breit,

Da sagte von Ribbeck: „Ich scheide nun ab.

Legt mir eine Birne mit in’s Grab.“

Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,

Trugen von Ribbeck sie hinaus,

Alle Bauern und Büdner, mit Feiergesicht

Sangen „Jesus meine Zuversicht“

 

Und die Kinder klagten, das Herze schwer,

„He is dod nu. Wer giwt uns nu ’ne Beer?“

So klagten die Kinder. Das war nicht recht,

Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht,

Der neue freilich, der knausert und spart,

Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt,

Aber der alte, vorahnend schon

Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,

Der wußte genau, was damals er that,

Als um eine Birn’ in’s Grab er bat.

 

***

Und im dritten Jahr, aus dem stillen Haus

Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gehen wohl auf und ab,

Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,

Und in der goldenen Herbsteszeit

Leuchtet’s wieder weit und breit.

Und kommt ein Jung’ über’n Kirchhof her,

So flüstert’s im Baume: „wiste ne Beer?“

Und kommt ein Mädel, so flüstert’s:

„Lütt Dirn, Kumm man röwer, ick gew’ Di ’ne Birn.“

 

So spendet Segen noch immer die Hand

Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

 

© Theodor Fontane

 

Zur Sache: Ein Lineal aus Birnbaumholz liegt vor. Es ist seit über 20 Jahren in Familienbesitz und war die Schenkung einer alten Dame, die leider schon vor Jahren verstorben ist. Es ist kunstvoll auf der Vorderseite verziert und echte Schnitzarbeit. Leider ist die eine Seitenkante im Verlauf vieler Jahre seines Bestehens etwas kaputt gegangen. Schließlich wurde es, was auch eine schwer lesbare Schrift auf der Rückseite beweist, benutzt. Dieses Lineal* wird jetzt gut behütet und nicht mehr verwendet, denn es ist ein ganz besonderes Stück, dass auf eine Geschichte hinweist, die zur Weltliteratur gehört (Abbildung nicht das Original).

 

 

 * Digitalisierte Kohlezeichnung, © Sina Katzlach

 

Die Geschichte des Lineals fängt mit einer Sage an, die verbürgt bis heute ist und auf den historischen Hans Georg von Ribbeck (1689 - 1759) zurückgeht, der sehr großzügig Birnen aus seinem Garten an Kinder verschenkte.

Die bekannteste Version des Stoffes lieferte schließlich Theodor Fontane mit seiner bis heute berühmten und beliebten Ballade „Herr Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ (Siehe Einleitung).

Der Birnbaum auf der Gruft der von Ribbecks existierte tatsächlich, bis 1911 der alte Baum, schwer durch einen Sturm getroffen, brach.

Den Stumpf des Baumes kann man bis heute in der Ribbecker Kirche bewundern, an dessen Flanke er gestanden hatte. Danach wurden mehrfach neue Birnbäume gepflanzt, zuletzt im Jahre 2000.

Fontanes Gedicht entstand 1889. Zumindest eine weitere Fassung des Stoffes als Gedicht gibt es, verfasst von Hertha von Witzleben, ein Jahr vor Fontane.

Doch was hat nun das Lineal mit dem Baum zu tun? Mancher wird es erahnen. Mein altes, kunstvoll geschnitztes Lineal stammt aus dem Holz des alten, originalen Birnbaums, der auf der Gruft neben der Kirche stand. Ich kann es nicht hundertprozentig nachweisen, aber eine kaum noch lesbare Schrift auf der Rückseite des Lineals deutet darauf hin.

© Das Lineal : René Deter/© Gedicht: Theodor Fontane

Das Origin - Line - al

 

 

 

© Renè Deter

Moderne Philosophen Teil II

 

 

  Fremd in der Heimat

 

Kennst du das Gefühl?

 

Wieder da und doch ist alles fremd.

Die Leute wissen bestens über dich Bescheid

und doch wissen sie nichts.

 

Wo warst du nur so lange?

 

Jahre sind vergangen,

Jahre in denen du versucht hast,

dich selbst zu finden.

 

Durch die Welt bist du gereist,

Bangladesh war genau wie Calgary dein Zuhause

und dennoch bist du wieder hier.

Zurück zu deinen Wurzeln.

Erkennst du sie wieder?

 

Die Schule steht noch, genau wie die kleine Eisdiele,

wo du als Kind so gern mit deinen Freunden gesessen hast.

Und doch ist alles anders.

 

Die Schule ist nun bunt gestrichen,

nicht so hässlich grau wie früher.

Die Kletterbäume wurden wegen Altersschwäche gefällt.

 

Und du?

 

Du stapfst einsam über den Schulhof,

auf der Suche nach Erinnerungen an eine längst vergessene Zeit.

Und du sitzt vor der Eisdiele,

die nur noch Sonntags geöffnet hat – an einem Dienstag.

 

Du fühlst dich wie ein Fremder in der Heimat.

Ein Mensch, der dachte, die ganze Welt zu kennen

und doch dabei so viel verpasst hat.

 

© gamefreak

 

Zurück aus der Ewigkeit

 

Waren es

Acht Monate

Oder

Neun?

Unerheblich!

Es war

Eine Ewigkeit.

Dann

Der erlösende

Tag.

Tag der

Heimkehr.

Ist es wahr?

Der Moment

Als er durch die Tür kommt.

Der heißersehnte

Moment!

Träumt er?

Der Rollstuhl

Quietscht leise

Und wispert:

Es ist wahr!

Seine Hand

Streckt sich aus.

Berührt die Wände.

Ist es wahr?

Er glaubt nicht

Was er sieht.

Er muss fühlen.

Berührt die Wände

Mit Zärtlichkeit.

Dies ist

Sein Zuhause.

Dies ist seine Familie.

Alles noch da!

Er war eine Ewigkeit.

Fort.

Gewesen.

Niedergestreckt

Durch krankes Gewebe.

In eine kalte Welt des

Chirurgenstahls

Geworfen.

Eine Ewigkeit.

Auch Ewigkeiten

Finden ein Ende.

Er ist zuhause!

Sein Hund läuft ihm

Freudig entgegen.

Er streckt seine

zitternde Hand

aus.

Will berühren

Das Fell.

Er glaubt nicht

Was er sieht.

Er muss berühren.

Der Hund

Weicht zurück.

Er riecht Gift

In seinen Adern.

Er riecht Gefahr und

Tod.

Ist dies mein Herrchen?

Der Hund

Glaubt nicht

Was er riecht.

Er sieht seinen

Freund.

Doch ist er es

In Wirklichkeit?

Eine Ewigkeit

War er fort.

 

 

Kommt verändert heim.

Ein letztes Mal

Kam er heim.

Abschied.

Er ist

Fünfzehn Jahre alt.

 

© Marlies Lüer, September 2014

Zurück

 

Neubeginn wird sein

Tür zu

Schritte verhallen

Reisen bildet

bildet zurück

den Schmerz

befreit sein

vom Ertragenen

 

Wellenspiel Melodie

an der Mole

buntes Licht

zarte Berührung

im Innern verwandelt

wird Sehnsucht zum Wort

Gelassenheit erfasst

jede Faser

 

Fenster auf

Luft und Lärm

Gewitter drückt ins Zimmer

fort das Meeresrauschen

die salzgeschwängerte Luft

der Möwenruf

wieder hier und noch nicht da

 

 

Poststapel liegt beleidigt

während Kaffee sich bemüht

rauscht der Großstadtlärm

die Häuserschlucht empor

 

 

© Leahnah Perlenschmuck

 

 

Urlaubsgraus

 

Der Weg ist so weit,

doch weit und breit

Auto an Auto gereiht.

 

Die Hitze flimmert,

der Asphalt schimmert,

das Schild glimmert.

 

Warum nur, warum

Nehmt es nicht krumm,

ich steh mich dumm.

 

Es geht nicht voran

in dem Hitzewahn,

meterweise mal dann.

 

 

***

 

Ach wie wär es schön,

würd es weitergeh´n

statt still zu stehn.

 

Yes, back to house!

 

Was für ein Graus!

Sieht so Urlaub aus?

 

©  R. Deter

Aphorismen

 

 

 

 

 

Der Weg nach vorn

 

 Tutorial:

Das Agieren der Antagonisten

 

Viele Autoren wissen es. Wenn du eine gute Story hinlegen willst, musst du einen guten Antagonisten haben. Mit ihm entsteht der Konflikt, der sich meist über die gesamte Geschichte hinzieht. Natürlich ist sein Charakter wichtig sowie seine Motivation. Allerdings bringt der beste konstruierte Antagonist nichts, wenn wir ihn nicht vernünftig handeln lassen. Aber wie lässt man eine solche Figur richtig agieren, damit es spannend bleibt?

Um diese Frage zu beantworten, schrieb ich dieses Tutorial. Natürlich wird es jetzt dutzende Besserwisser geben, die mir sagen werden, dass es die verschiedensten Arten von Antagonisten gibt und man unmöglich eine allgemeingültige Lösung nennen kann. Was natürlich stimmt. Deshalb werde ich drei Schurkentypen ausgraben und ihre Herangehensweise bei der Vernichtung ihrer Feinde erläutern.

 

Natürlich ist nicht jeder Antagonist ein Schurke, aber es vereinfacht einfach meine Beispiele. Selbstverständlich will ich auch nicht verschweigen, dass es gewisse Antagonisten gibt, bei denen man die Herangehensweise nicht wirklich kontrollieren oder groß in Szene setzen kann. Wer hat denn auch sonst schon mal im Abenteuerroman gelesen, wie ein Hurrikan bewusst zuerst die Funkanlagen zerstört, bevor er sich voller Boshaftigkeit auf den Helden stürzt? Unglaubwürdig, aber wer weiß was alles möglich ist.

Wie immer gebe ich denen, die keine Zeit haben, den wertvollsten Tipp zuerst. Wenn ihr wissen wollt, wie ein Antagonist richtig handeln soll, so lasst ihn Konter geben und noch mehr Konter und noch mehr. Am besten sind die aktivsten Antagonisten. Und wichtig ist auch dass er aktiv am Geschehen teilnimmt und nicht ständig nur darauf wartet, dass sein Plan vom Helden vereitelt wird.

Nein, er muss ihm ständig zwischen die Beine grätschen. Und das jedes Mal, wenn der Held ihm ein Stückchen näher kommt oder einen Plan gegen ihn ausheckt. Und nun kommen wir zu unseren drei Beispielen.

Der gerissene Antagonist: Dieser Zeitgenosse ist für die meisten wirklich eine Herausforderung, denn er muss Pläne schmieden und seine Feinde mit diesen besiegen. Nehmen wir doch mal an, wir haben eine magische Gesellschaft mit einem Ältesten Rat, einer Exekutive und noch einigen anderen Schlüsselfiguren in einer Urban-Fantasy-Welt oder ähnliches. Das tolle an diesem Antagonisten ist, dass er meist allein oder in einer kleinen Gruppe operiert.

Jetzt ist sein Feind jedoch ziemlich mächtig, und selbst wenn er nicht allein ist, so steht er doch einer Übermacht gegenüber. Wie soll er sie aber nun aufhalten? Dafür geben wir diesem Knaben interessante Attribute. Gerissenheit, Tücke etc. Also geistige Fähigkeiten. Mit denen analysiert er die Gegner nach Schwächen.

Wenn er einer Art Armee - also der Exekutive - gegenübersteht, sät er Zwietracht und zettelt eine Revolte an, damit die erst einmal mit sich selbst beschäftigt sind. Wer weiß, wozu das noch gut sein kann. Der Gegner erstickt also an seiner eigenen Stärke.

Danach kommen die Schlüsselfiguren. Sie werden weggelockt. Mit einem falschen Alarm oder ähnlichem, während man dies den Feinden jener Individuen sagt. Natürlich ganz nebenbei. Danach ist der Ältestenrat dran. Jener wird vergiftet oder sonstiges.

Wenn man die Beziehungen unter den Figuren gut genug kennt, ist es sogar machbar sie gegeneinander auszuspielen. In einem Satz zusammengefasst, stürzt dieser Antagonist gesamte Gesellschaftssysteme ins Chaos.

Wenn man gut ist, kommt er gar nicht erst vor, sondern hält sich im Hintergrund.

Was auch noch dringend erforderlich ist beim Analysieren, dass man die Stärken, Schwächen, Feinde und Freunde der Opfer ebenso gut kennt wie die Motive und Einstellungen. Er weiß einfach wie der Gegner handeln wird, und dementsprechend geht er vor.

Meistens werden die Guten ja so dargestellt, dass sie für alle Notfälle vorgesorgt haben. Diese Informationen sind dann meist bereits griffbereit, damit auch ja jeder informiert ist. Dieser Kandidat besticht durch seinen Intellekt, und das er eigentlich wenig tut und dafür viel anrichtet.

Ganz anders als der nächste Kandidat.

 

Der monströse Antagonist: Meist wird dieser Kandidat erst gegen Ende zum unbesiegbaren Superkrieger/Monster oder sonst was. Zuerst intrigiert er, um Macht zu erlangen. Das ist meist ziemlich langweilig gemacht. Der Held macht die Arbeit, und er selbst gibt sich als Guter oder Freund aus und hilft ihm. Dann plötzlich heißt es: „Ätschi-Bätsch, ich bin der Böse.“ Er reißt die Macht an sich oder enttarnt sich selbst und dann muss er aufgehalten werden.

Meist ist dieser Rohling vom simplen Gemüt. Er verwüstet alles was sich ihm in den Weg stellt und hinterlässt nichts anderes als eine Schneise der Verwüstung, was die Verfolgung eigentlich ganz leicht macht. In manchen Fällen hat er dann auch noch eine Armee im Rücken oder ähnliches. Oftmals besticht dieser Typ durch rohe Kraft und einen unverwundbaren Körper. Ist vor allem nett, wenn es in der Geschichte etwas mehr zur Sache geht, was Brutalität anbetrifft. Aber lasst uns zum dritten Kandidaten kommen.

 

Der körperlose Antagonist: Kaum ein Antagonist ist so schwer darzustellen wie das unterschwellige Böse, das in der Luft hängt und nach und nach den Menschen das Fürchten lehrt. Oftmals findet man diesen Vertreter im Horror - Genre. Aber wie geht dieser vor? Es ist eher ein subtiler Verlauf am Anfang, der mit der Zeit immer mehr an Fahrt aufnimmt. Nehmen wir doch einfach mal als Beispiel einen Vampir, der sich meist im Hintergrund aufhält und dessen Ziel es ist, eine ganze Kleinstadt auszusaugen.

Okay, am Anfang ist er nicht mehr als eine Präsenz. Er tut gar nichts. Er sieht sich vielleicht um und plant, aber er handelt nicht.

Zuerst beeinflusst er diejenigen, die am empfänglichsten für diese Figur sind. Einfach weil er da ist. In Horrorfilmen sind das meist bestimmte Tiere, wonach dann verrückte Menschen folgen. Teilweise passieren dann auch unscheinbare sowie sonderbare Dinge, die meist eher mit einem kleinen Fragezeichen oder einem Schulterzucken versehen sind. Während die Verrückten natürlich versuchen, alle zu warnen, aber weil sie labil sind, wird ihnen nicht geglaubt.

Danach tritt der Antagonist in Erscheinung. Natürlich nur im Hintergrund. Er tut wieder gar nichts. Der Vampir ist einfach nur da und starrt vor sich hin und dann ist er auch schon wieder weg. Jeder merkt und spürt, dass er da ist, aber man will es nicht wahrhaben und/oder verdrängt es.

Nach ein paar Mal verschwindet der erste Bewohner. Alle suchen nach ihm, doch sie werden keine Spur finden. Danach holt er sich noch einen und dann noch einen, und plötzlich ist die Kleinstadt so gut wie ausgestorben. Dieser Antagonist ist ein einsamer Schatten in der Dunkelheit, der mehr durch Präsenz besticht und nur schwer greifbar ist. Er schleicht sich leise an und gibt dem Protagonisten keine Gelegenheit, ihn zu finden oder sich zu wehren.

Das schwierige ist natürlich, ihn aktiv handeln zu lassen, ohne ihn wirklich physisch in der Geschichte vorkommen zu lassen. Das ist klar.

Und das war dann auch schon mein kleiner Beitrag zu diesem Mächtigen. Wieder sei erwähnt, dass dies nur drei Beispiele sind. Andere Antagonisten haben die Intelligenz einer Naturkatastrophe oder eines wilden Tieres. Ebenso sieht die Auswahl der Typen und Herangehensweise aus. Es ist ganz unterschiedlich. Manches Mal ist der Antagonist auch der eigentliche Held und der Protagonist der Schurke. Das sei natürlich auch noch einmal erwähnt.

Jedenfalls sei noch mal zusammengefasst, dass das wichtigste beim Antagonisten ist, ihn aktiv handeln zu lassen und dass er dem Protagonist heftig kontra gibt.

Falls jemand wichtige Ergänzungen hat, so schreibe er mir diese bitte in die Comments. Besten Dank.

 

© EINsamer wANDERER

 

 

We love Independent

 Warum Verlag?

 

Schreiben kann man lernen. Diese Meinung vertritt nicht nur Thomas Pletzinger vom Schreiblabor Hamburg, sondern auch eine große Anzahl von Autoren. Aber nur wer solides Schreibhandwerk beherrscht, über dramaturgische Kenntnisse verfügt und Figuren spannend schildern kann, ist ein professioneller Autor. Schlecht geschriebene Geschichten gibt es zuhauf, und ihre Inhalte paaren sich mit grammatikalischen Schlachtfeldern. Solcherart literarisches Machwerk dann noch mit einem epub selbst verpackt in die virtuelle Öffentlichkeit gebracht, generiert den Eindruck, als gehe es Autoren nicht mehr um reines, solides Handwerk, sondern nur ums Geld verdienen.

An Schreibideen mangelt es nicht, nur sie umzusetzen, ist für die Schreibwilligen ein Kraftakt, der oft scheitert, weil ihr Text nur ein Konglomerat aneinander gereihter Satzinhalte ist und sich als solches im Auge des Lesers manifestiert. Der gemeine Leser der – wenn auch nur für 1,99 €, oder gar mehr - das Buch in einem der zahlreichen Shops kauft - will nach wie vor gefesselt werden und ein regelrechtes Fortissimo an Gefühlen erleben. Ein solches ist bei den wenigsten Büchern, die als E Pubs eingestellt sind, vorhanden.

Ins Auge fällt, wie sehr Autoren bei zu geringem Umsatz ihrer Bücher auf clevere Werbestrategien setzen, um Verkäufe hoch zu puschen. Wenn Verwandte und Freunde über FB und andere Netzwerke abgemolken sind, Sonderaktionen wie Preisausschreiben und kostenlose Downloads nicht mehr greifen, sinken die Verkaufszahlen allerdings ganz schnell wieder.

Der Tatsache, dass zu viele schlechte Texte selbstveröffentlicht und in Form von E Pubs publiziert werden, ist es unter anderem zu verdanken, dass Verlage zurückhaltender geworden sind. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Dafür sprechen die Bestsellerränge, in denen nach wie vor Autoren, die von den etablierten Verlagen als Garant für solides schriftstellerisches Handwerk und demnach auch für Erfolg gehandelt werden, gelistet sind.

Weder Indie-Autoren noch sonstige Selfpublisher können derzeit die Phalanx guter Verlagsautoren durchbrechen. Trotzdem befindet sich die Buchbranche im Umbruch. Auch Verlage haben finanzielle Einbußen hinnehmen müssen und sie beobachten den epub-Markt mit Argusaugen, denn selbst Dan Brown und Dona Leon können sich nicht ewig in Printform halten.

Verlage agieren und reagieren betriebswirtschaftlich. Somit sind sie ständig auf der Suche nach neuen Trends, Ideen und vor allem Autoren. Es gibt einige vielversprechende Kooperationen zwischen etablierten Verlagen und Selfpublisher-Plattformen, die für die Zukunft und für beide Seiten Erfolg versprechen. Das moralische Unrecht, welches Verlagen angetan wird, wenn Autoren auf sie schimpfen, weil sie der Meinung sind, zu wenig Resonanz auf gute Texte zu bekommen, ist daher unberechtigt.

Wessen Geschichte 50 mal von Verlagen abgelehnt wurde, der sollte sich überlegen, was bei seinem Text falsch ist. Oft entscheiden die ersten vier Normseiten darüber, ob in einem Manuskript das Potential steckt, welches einen gut verkaufbaren Roman ausmacht.

Sebastian Fitzek erklärte kürzlich in einem Interview, dass er sein erstes Manuskript viermal umschrieb, bevor sein Agent mit dem Text so zufrieden war, dass er ihn einem Verlag anbieten konnte.

Ein unbekannter Autor ist betriebswirtschaftlich gesehen bei geringen Verkaufszahlen wie ein Tanz auf dem Eis. Man bricht sprichwörtlich ein, und mit ihm auch diejenigen, die den Autor in der Lektorenkonferenz durchgebracht haben.

 

Somit ist einem Werk vielleicht nur eine kurze sprichwörtliche Lebensspanne beschieden. Aber der Autor hat immerhin schon mal den Fuß in eine Verlagstüre gesetzt. Und war der Schritt auch noch so klein, es ist ein Anfang. Er konnte sein Manuskript in die professionellen Hände von Korrektoren und Lektoren geben.

Was der Autor in der Tasche hat, das hat er und nimmt ihm niemand mehr weg. Die Rede ist vom Vorschuss, welchen der Verlag für das jeweilige Werk bezahlt. Damit garantiert sich der Verlag auch ein eventuelles Nachfolgeprojekt mit dem Autor. Natürlich werden die Abverkäufe damit verrechnet. Betriebswirtschaftlich betrachtet ist es mehr als der Autor mit Selfpublishing verdient. Bei der Eigenabrechnung über die Shops muss er 2 – 3 Monate warten, bis die Verkaufszahlen übermittelt werden. Wenn er Pech hat, muss er ständig bei der Selfpublisherplattform und den Shops nach haken. Das ist alles sehr mühsam.

Obwohl einige Verlage mittlerweile dazu übergegangen sind, den Autor in das Marketinggeschehen selber mit einzubinden, liegt es doch vorwiegend in den Händen der Verlage – immer unter der Voraussetzung, der Autor rechnet sich.

 

Für Sebastian Fitzeks ersten Roman wurden vom Verlag aus  überhaupt keine Marketingstrategien entwickelt, das kam erst mit seiner Popularität bei den nachfolgenden Büchern. Beim Selfpublishing geht viel Zeit für Eigenmarketing drauf, welche man für Schreiben nutzen könnte. Die eigenen Seiten auf den Portalen, auf denen die Bücher eingestellt werden, müssen durch Werbung bearbeitet werden, ferner müssen FB und die eigene HP auch gepflegt werden. Rechnet man diesen Aufwand mit dem tatsächlichen Gewinn aus der Selbstvermarktung eigener Bücher auf, gelangt man schnell in die Miesen. Nicht zu reden davon, dass computertechnisch in den wenigsten Fällen alles so läuft, wie man sich das vorstellt. Hat man schon alleine einen Ausfall des Computers durch eine defekte Leitung, oder einen defekten PC, dann ist der Zeitaufwand enorm, den man hinterher für die Aufarbeitung aufwenden muss.

Auslieferung und Vertrieb werden von den Verlagen übernommen. Wenn der Verlag epubs publiziert, dann werden diese als Solche vom Verlag ins Netz gestellt. Das hat in der Regel auch Hand und Fuß, weil sich auch Verlage mittlerweile auf virtuelle Erscheinungen eingestellt haben.

Derzeit gibt es bei Selfpublishing-Portalen keine Systeme, die dem Autor die Gewähr geben, sein epub im Shop so erscheinen zu lassen, wie er es gerne hätte. Dafür gehen die Vorstellungen zwischen den Portalbetreibern und den Autoren noch zu sehr auseinander. Auf lange Sicht gesehen wird es wohl keine einheitliche Programmierung für das Konvertieren von Texten, Hochladen von Coverbildern und Formatieren der Schrift geben, so dass sich Indie-Autoren mit dem zufrieden geben müssen, was die Selfpublishing-Portale anbieten. Wobei diese Technik nicht die Schlechteste ist.

Dateien an sich – wie auch immer ins Netz bzw. als epub hochgeladen - sind relativ unsicher, was die Urheberrechte angeht. Es gibt keine einheitliche Regelung, wie das eigene Copyright vor Missbrauch geschützt werden kann. Die oft langwierigen Ermittlungen im Fall von Urheberrechtsverletzungen kosten den davon Betroffenen Zeit und Nerven.

Als sinnvoll hat sich in den letzten Jahren die Zusammenarbeit mit Verlagsagenturen erwiesen. Ein cleverer Agent weiß ganz genau, wie er seinen Klienten lukrativ unterbringt. Verlagsagenten arbeiten mittlerweile auch mit Lektoren zusammen, die das eingereichte Manuskript akribisch prüfen. Der Autor kann sich in allen Belangen an den Agenten seines Vertrauens wenden und wird in der Regel bestens betreut.

Auf Dauer gesehen werden die renommierten Verlage wohl auf dem virtuellen eBook-Markt Fuß fassen und durch Kooperationen mit Selfpuplisherportalen interessante Autoren herausfischen.           © Bernd Stephanny

 

Gedanken-Tattoos

 

Ein Buch selbst erstellen, veröffentlichen, als Self-Publisher: Absoluter Selbstmord, kein "richtiger" Verlag nimmt dann jemals Kontaktaufnahmen ernst.

Der eBook-Markt wird überschwemmt mit Massen an unlesbaren Werken. So tönt es auf verschiedenen Wegen. Vielfältige Möglichkeiten gibt es für Independent-Autoren. Auch direkte Print-Ausgaben können erstellt werden. Die Voraussetzungen sind sehr unterschiedlich.

Wie immer muß sehr genau das "Kleingedruckte" beachtet werden. Es gibt, wie immer, auch "Schwarze Schafe". Inwieweit sich ein Autor vor diesen schützen kann, ist durch die Informationsquellen innerhalb der Social Networks jedoch schnell zu erahnen.

Erfahrungsaustausch mit anderen Autoren hat schon vor unnötigen Ausgaben bewahrt. Sich dafür Zeit zu nehmen, ist also keine Verschwendung. Ebenso kann ein gesunder Geiz davor bewahren, in Kostenfallen zu tappen, und auch das viel gepriesene Bauchgefühl.

In Eigenverantwortung zu publizieren, hat seinen gewissen Reiz, bringt jedoch nicht nur Gutes mit sich. Nachteile sind zum Beispiel ein fehlendes Lektorat, die der Grundidee oft den Lesegenuss nimmt. Eigenwerbung ist ebenfalls notwendig, die ein breites Netzwerk des Autors voraussetzt.

Ein Vorteil wiederum ist, Nebennischen nutzen zu können, sich nicht im Mainstream befinden zu müssen. Leserschaft zu bedienen, die ebensolches mögen. Unabhängig von den Launen der Verlage zu sein. Independent.

Die "richtige" Plattform zu nutzen beziehungsweise die richtige für sich zu finden, ist nicht ganz so einfach, doch es ist möglich. Zuerst sollte genau durchdacht werden: was will ich und wie will ich dieses erreichen. Was bin ich bereit zu geben, sei es Zeit, Geld, Reisen, Öffentlichkeit. Nutze ich spezielle Plattformen oder gebe ich alles in die Hände eines Spezialisten.

Danach die einzelnen Möglichkeiten einander gegenüber stellen und sich für eine entscheiden.

 

 

In welcher Art und Weise auch die Wege des Independent-Autors beschritten werden, es gibt Schreiber, die werden entdeckt und es gibt Schreiber, die weiter für sich und ein paar Freunde und Bekannte ihre Kunst geben.

© Leahnah Perlenschmuck

 

 

Mixed Pixles empfiehlt

Im Rahmen der Rubrik "Mixed Pixles empfiehlt" haben wir einmal mehr ein junges Talent, das wir unseren Lesern gern vorstellen würden.

Auf der Plattform BookRix ist die Autorin als XNebelparderX ein Begriff. Kennengelernt habe ich als Verfasserin der Rubrik die Userin durch ihren Roman "Rain", dessen Einstieg mich bereits neugierig machte.

Philosophisch, poetisch, fantasievoll, und sehr talentiert im Aufbau interessanter Protagonisten. Diese vier Attribute fallen mir ein zu der jungen Autorin.

Interessant für mich war ihre offensichtliche Affinität zum Regen. Ein eigentlich natürlicher Vorgang, über den man sich im Allgemeinen nicht sehr viel Gedanken macht - außer besagte Autorin. Auf dieser Grundlage entsteht gerade ein weiterer Roman, der wiederum ganz anders ist.

 

Während "Rain" in das Genre Fantasy einzuordnen ist, unterscheidet sich ihr neues Werk "Der Mann, der im Regen tanzte" im Wesentlichen dadurch, dass er zwar fiktiv ist, aber jederzeit so geschehen könnte. Beide Romane werden wir vorstellen. Des Weiteren warten wir in der Rubrik "Autoren unter sich" mit einem Interview mit der Autorin auf. Dabei wird sich alles um die hier geschilderten Werke ranken, die ich unseren Lesern wärmstens ans Herz legen will.

© Sina Katzlach

 

 

* Ein Klick auf die beiden Cover führt direkt zum Profil der Autorin. Dort befinden sich nicht nur die beiden beschriebenen Werke, sondern auch andere Titel.  Mixed Pixles ist hocherfreut, XNebelpardersX Werke vorstellen zu dürfen.

Leseproben

 Aus dem Roman "Rain" von XNebelparderX

 

Erstes Kapitel: Regen



Egal was mir jemals passiert war, der Regen war schon immer da gewesen. Kalte, eisige Pfeile, die aus dem Himmel schossen und sich an mir brachen, zischende Geschosse, die die Kälte in meine Glieder schickten und es unmöglich machten, sich irgendwo Zuhause zu fühlen.

Tropfen fielen von meiner Kapuze, als ich mich bückte, und Wasser schwemmte in meine Stiefel, so dass sie die Schächte in Seen verwandelten.

Regen. Ich kannte ihn schon immer, er war eine fester Bestandteil meines Lebens, ich war mit ihm aufgewachsen und ich hatte ihn schon immer gehasst. Meine Finger waren bereits wieder kalt und blau, trotz der fingerlosen Handschuhe, die wenigstens meine Handrücken ein bisschen warm hielten. Tropfen rieselten mir in den Kragen und ließen mich erschauern, trotzdem stand ich nicht auf. Wenn ich meine Arbeit nicht ordentlich machte, würde das böse ausgehen. Da waren Fußspuren im Matsch, kleine Vertiefungen. Mit eingeübten Blicken kontrollierte ich ihre Form und die Tiefe der Abdrücke. Keine Höheren ...

Erleichtert schickte ich einen Blick in das dunkle Unterholz. Heute ließen sie sich nicht blicken... noch nicht.

Ich besah mir die Spuren erneut und stellte fest, dass der Schwarzelch, von dem die Spuren stammten, erst vor kurzem hier gewesen war. Schnell schnappte ich mir meinen Bogen und folgte ihnen möglichst leichtfüßig. Die Dunkelheit legte sich wie ein Umhang um meine Schultern, verbarg mich vor Blicken und schützte mich vor Raubtieren, die in der Nacht schnell leichtsinnig wurden.

'Du musst ein Teil des Waldes sein, Rain. Du musst ihn atmen hören und dich der Lautlosigkeit anpassen, bis man dich nicht mehr von den Tropfen unterscheiden kann'.

Stimmen meiner Kindheit, verschwommene Erinnerungen an Tage, an denen ich langsam begriffen hatte, dass dieses Leben eine grausame Treibjagd ohne Sinn und Zweck war.

Der Bogen schmiegte sich eng an meine Hand. Ja, jetzt war ich der Jäger, derjenige, der die Beute überwältigte, doch in der Realität sah das völlig anders aus. Höhere ... alleine bei dem Gedanken verzog ich angewidert das Gesicht.

Der Schwarzelch graste am Rande einer Lichtung. Seine mächtigen, buschigen Ohren zuckten unruhig hin und her, doch er hörte mich nicht. Vorsichtig huschte ich von Baum zu Baum, darauf bedacht, die Rinde nicht zu berühren. Manchmal verbargen sich Rindenfären unter dem Holz, und die bissen leicht einmal zu. Auch die Baumgeister, die in diesen Wäldern wild und unberechenbar waren, sahen es nicht gerne, wenn man sich an ihre Bäume schmiegte.

Als ich meine ideale Schussweite erreicht und einen Pfeil eingelegt hatte, lächelte ich siegesgewiss. Heute Nacht würde ich sicher eine gute Mahlzeit haben und noch dazu das Geweih eines Schwarzelchs - Feuerholz, das bei einer der seltenen Regenpausen vielleicht sogar rauchfrei brennen würde. Ich spannte die Sehne an.

Im nächsten Augenblick surrte ein Pfeil durch die Nacht und bohrte sich in die Brust des Elches. Nur leider war es nicht meiner, denn dieser traf zwei Sekunden später den Kopf des Tieres.

Schnell fuhr ich herum und sprang hinter einen Baum. Keine Sekunde zu früh: Ein zweiter Pfeil bohrte sich dumpf in das Holz des Stamms.

Standhaft ignorierte ich meinen anschwellenden Herzschlag und huschte mit nachgeladenem Bogen hinter einen Busch, um von dort nach dem Schützen zu spähen. Der Elch war nun nebensächlich, ich konzentrierte mich einzig und allein auf den anderen Jäger. Ein weiterer Pfeil schlug neben mir ein, doch diesmal war ich schneller. Ein gurgelndes Geräusch drang hinter dem bemoosten Baumstamm zehn Meter weiter - ich hatte getroffen.

Langsam näherte ich mich dem Baumstamm, doch meinen Bogen ließ ich gespannt. Die Blauen waren Meister darin, sich zu verstellen und in mir dominierte immer noch das Misstrauen, das ich nie verlieren würde.

Als ich mit einem lautlosen Sprung hinter den Baum setzte, war das Leben bereits aus dem Gesicht des Mannes gewichen. Ich konnte nichts mehr tun, als meinen Pfeil aus seiner Kehle zu ziehen und ihm die Augen zu schließen. Sicher tat ich das nicht gerne, aber er hätte mich ebenso gnadenlos getötet, wäre ich nicht den Pfeilen ausgewichen.

Er war jung gewesen. Ich kannte den Jäger nicht, doch er schien zu den Schwarzen gehören, denn auf seinem Gesicht thronte eine nachtfarbene Kappe, die seine auffällig blonden Haare verbarg.

Mit einem schnellen Griff überprüfte ich, ob das rote Tuch um mein Bein noch unter dem Stiefelschacht saß. Die anderen Stämme hausten zwar in einem ganz anderen Teil des Waldes, aber ich würde nicht darauf wetten, dass ein vorlauter Grauer sich nicht hierher verirrt hatte und nun nur noch auf der Suche nach einem Indiz war, dass ich zu seinen Feinden gehörte. Kurz verharrte ich in meiner Position und sah mich um. Finstere Schwärze war alles, was ich sah. Selbst der Himmel barg nichts außer dunklen, grauen Regenwolken, aus denen unerbittlich der Regen prasselte.

Der Wald. Für die Höheren ein Fluch, für mich die Hölle. Die Einzigen, die sich hier wirklich wohl zu fühlen schienen, waren die Tiere. Füchse, Elche, Eichhörnchen ... Ihr Fell hatte immer die selbe Farbe, wie die Nacht.

'Es gab einmal Zeiten, da waren die Höheren noch keine Höheren und das Leben war gut'.

Egal, wie viel Mühe ich mir gab, ich konnte den Geschichten der Alten einfach keinen Glauben schenken. Es schien mir zu abstrakt, dass da jemals etwas Anderes gewesen war außer Regen und Schatten.

Mein Blick wanderte die dunklen Baumkronen hinauf, bis hin zu den schwarzen Skeletten ihrer Äste. Vielleicht stimmte die Sage ja, und der ewige Regen und die dunklen Wesen stammten von diesem Fluch.

Vielleicht spielte die Natur hier aber auch einfach nur einen Streich. Wer konnte das schon wissen? Ich hatte schon vor Jahren aufgehört, mir über diese Frage Gedanken zu machen und widmete mich einer wichtigeren Sache: Dem Überleben. Denn auch wenn die Höheren viele unwahren Geschichten über den Wald erzählten, in unserer Barbarei lagen sie vielleicht richtig. Täglich herrschte hier gnadenloser Kampf um Essen und Leben. Ein Herz hatte niemand und wenn doch, zeigte es keiner. Liebe existierte schon lange nicht mehr, trotzdem starb unser Volk nicht aus.

Nachdenklich betrachtete ich den toten Schwarzelch. Wenn die Sagen stimmten und man immer wieder kam, dann könnte es gut sein, dass ich gerade einen ehemaligen Stammesgefährten getötet hatte.

Mit gerunzelter Stirn betrachtete ich die glasigen, braunen Augen und schüttelte entschlossen den Kopf. Nein, auch diesen Humbug glaubte ich nicht. Tot war tot, und selbst wenn ich in meinem früheren Leben ein Wolf gewesen war, dann änderte das am Jetzt und Hier auch nichts mehr.

Ich hockte immer noch neben der Leiche des jungen Mannes, und mir wurde bewusst, dass es bald tagte. Wenn mich die Grauen oder Blauen erwischen würden, hätten sie keine Gnade, denn immerhin gehörte der Wald am Tag ihnen. Also griff ich den Elch beim Geweih und schleifte ihn durch den halben Wald, zurück zum Lager. Den Pfeil des Schwarzen zog ich zwar aus der Brust des mächtigen Tieres, legte ihn aber neben den ehemaligen Besitzer.

Auch, wenn ich es nie verstanden hatte, der Tod schien die einzige, heilige Angelegenheit in diesem Wald zu sein. Als ich endlich bei den großen, vertrauten Felsen ankam, wechselte der Himmel bereits von einem schwarzgrau in ein hellgrau; ich war gerade noch pünktlich gewesen. Zena stand auf einem großen Vorsprung und nickte mir kurz zu, dann richteten sich ihre Bernsteinaugen wieder in die Ferne.

Wenn ich früher ein Wolf gewesen war, dann war Zena eine Raubkatze gewesen. Ein Leopard vielleicht. Die natürliche Anführerin. Sie brauchte keine Zustimmung, die Roten würden ihr immer folgen, bis in den Tod.

Aufrecht stand sie wie eine Königin auf dem Vorsprung und musterte die Kronen der Bäume, die in allen möglichen Größen vor ihr standen. Irgendwo in diesem Wirrwarr aus Grün und Schwarz hausten die Grauen, die immer ein Auge auf unser Lager hatten.

Ein wenig wehmütig dachte ich an die großen Verluste, die wir beim letzten Kampf hatten einstecken müssen. Es waren viele gute Leute drauf gegangen, damals.

Ich schleppte den Elch in eine geschützte Ecke und schlitzte ihm das Fell auf. Erst musste er ausbluten, damit ich ihn morgen zubereiten konnte.

Zenas Augen verfolgten mich, als ich zu meinem angestammten Schlafplatz stapfte. Er war etwas abseits der Anderen, unter einem kleinen Stein. Ich warf noch einen letzten Blick zu ihr hinauf, dann ließ ich mich in der sichtgeschützten Kuhle nieder. Natürlich war es hier nass und unterkühlt, aber was brauchte ich einen trockenen Schlafplatz, wenn ich nachts auch nur im Regen stand?

Die Kälte kroch unter meine Kleidung. Ich war froh, wenigstens ein Fell zu besitzen, dass mich vor dem matschigen Untergrund schützte.

Mit schmutzigen Fingern löste ich meinen Waffengürtel und legte ihn neben meine Schlafstätte. Als die ersten Lichtfetzen zu mir drangen, war ich bereits eingeschlafen.

 

***

Viertes Kapitel: Angst

 

Angst ist relativ. Man kann Angst nicht fassen, man kann sie nur fühlen. Und doch ist sie nur ein Erzeugnis des eigenen Bewusstseins.

Ich war immer der Ansicht gewesen, Angst wäre Quatsch, nichts von Bedeutung. Ich hatte es für eine unnötige Regung gehalten, nichts weiter als eine eingeredete Panik, gesteuert von unseren Gedanken.

Ich dachte, Angst könne man unterdrücken. Vermutlich hatte ich noch nie wirklich Angst gehabt, zumindest bis zu diesem Zeitpunkt. Zitternd hockte ich in einer Höhle und wartete auf mein Schicksal. Dabei ließ ich mir die vergangenen Momente noch einmal durch den Kopf gehen. Sie waren in der Nacht gekommen. Die Regenwolken waren dünn gewesen, und nur leichter Nieselregen hatte die Krieger der Grauen behindert. Ich hatte am Rande des Lagers gehockt, um meine Hüften einen dicken Strick.

Ich war an einen Pfahl gefesselt worden, damit ich während des Kampfes nicht abhaute oder Probleme machte. Dazu kam noch ein alter, dreckiger Fetzen Stoff, den man vielleicht irrtümlich als Knebel bezeichnen könnte. Sein erdiger, scharfer Geschmack biss sich in meinen Rachen und ich konnte nicht einatmen, ohne einen Würgereiz zu unterdrücken.

Vielleicht war die Angst dort schon gekommen, aber ich glaube, die Höheren hatten sie mitgebracht, als eine Art Gastgeschenk.

Es hatte harmlos angefangen, wie bei jeder Schlacht. Ein paar Pfeile, die lustlos über die Wand geschickt wurden, und von denen nur wenige ihr Ziel fanden. Ich hatte ihre Stimmen gehört, nur wenige Meter von mir entfernt, nur eine Palisade hinter mir.

Ihre Stimmen waren seltsam. Irgendwie ... reiner und höher als unsere. Sie hießen nicht umsonst die Höheren, denn so ziemlich alles wirkte höher an ihnen, außer ihre Größe. Wenigstens darin waren wir Jäger ihnen ebenbürtig. Sie hatten in einer seltsamen Zunge geredet, zwar unsere Sprache, doch verwirklicht mit einem seltsamen Akzent. „Kommandongt“, sagten sie zum Beispiel, was mich vermuten ließ, dass sie mit ihrem Kommandant sprachen. Auch die anderen Wörter wurden oft mit einem „ng“ verändert.

Sie sprachen die Worte weicher aus als wir. Aber wie konnte man seine Sprache auch weich gestalten, wenn man als verflucht galt und täglich ums Leben rang? Ihre Zungen waren von Weichheit geprägt, von Sauberkeit und Liebe im Heimatland, unsere von Dreck, Härte und Tod. Es war nur verständlich, wie die Sprachen sich entwickelt hatten.

Als Nachfolge der Pfeile waren ein paar Krieger über die Wand geklettert, doch ich hatte irgendwie gespürt, dass das noch nicht alles war. Sie hatten bessere Waffen als wir, und doch hielten sie sich zurück.

Die Roten hätten es längst bemerkt, doch die Grauen freuten sich anscheinend, dass der Kampf für sie doch nicht ganz so schlecht aussah. Und genau das schien das Ziel der Höheren gewesen zu sein.

Blut floss viel in dieser Nacht, auf beiden Seiten gleichermaßen. Ich wurde nicht bemerkt und musste zusehen, wie Leute fielen und starben.

Einer direkt vor meine Füßen. Es war ein Höherer. Seine blauen, eiskalten Augen stachen kalt und starr aus der Dunkelheit hervor und es schien, als würde er mich selbst im Tod noch anklagen. Mir wurde schlecht, und die Kriegsgeräusche um mich herum vermischten sich zu einem, ekeligen Hintergrundgeräusch. Und dann vernahm ich das Poltern.

Ich öffnete meine Augen schlagartig und fuhr herum, so gut es gefesselt ging, doch ich konnte nichts erkennen. Da war etwas hinter der Palisade.

„Ach, mein gutes Mädchen. Wer hätte gedacht, dass dein erster Mord an Bastarden begangen wird?“, fragte einer der Höheren beinahe zärtlich, und schallendes Gelächter erschallte. Augenblicklich hielten alle Kämpfenden inne und starrten zur Palisade.

Ich konnte nichts erkennen, nur das Geräusch eine gespannten Seils und das Rollen eines schweren Dings. Vermutlich ein Felsbrocken. Was in Teufels Namen ...?

 Dann hörte ich ein Zischen. Etwas großes, schwarzes flog durch die Dunkelheit und schlug krachend weiter hinten im Lager ein. Bäume splitterten, Leute schrien und Knochen knackten. Ich riss meine Augen weit auf, und Blut rauschte in meinen Ohren.

Bei der ewigen Hölle der Wiedergeburt! Sie hatten tatsächlich ein Katapult konstruiert und es den ganzen Weg durch unseren Wald geschafft! Ich wollte nicht wissen, wie sie es vor den Spähern verborgen hatten. Immer mehr Felsbrocken sausten durch die Luft, immer mehr Jäger ließen ihr Leben unter den gewaltigen Geschossen.

Die Höheren hatten sich zurück gezogen, weshalb sich wenige Graue in den Schutz der Bäume retten konnte. Ich schätzte sie auf ungefähr acht Mann. Nur einen Einzigen fingen sie ein. Es war Anlar.

Binnen kürzester Zeit war das Lager zerstört und die Grauen vernichtet. Ihre Palisade kam den Grauen zu Schaden, denn sie konnten weder die Leute abschießen, die dahinter standen, noch die, welche das Katapult bedienten.

Urplötzlich herrschte Stille im Wald. Kein Ästchen knackte, kein Verwunderter stöhnte, niemand sagte auch nur einen Ton.

Dieses unerwartete Nichts erschien mir fast schon unheimlich, und mein Herzschlag sauste in die Höhe, als ich Anlars Stimme hörte. „Bitte... bitte, ich weiß nichts davon!" Er klang verzweifelt und völlig aufgelöst, gar nicht mehr cholerisch und unausstehlich.

Sein Wimmern wurde von den stummen Baumstämmen verschluckt, und alles, was folgte, war dumpfe Stille, einzig unterbrochen von meinem eigenen, rasenden Puls. Dann sprach ein fremder Mann. Er war älter und wirkte autoritär, vermutlich der 'Kommandongt'. Seine Stimme war nicht so weich wie die der Soldaten, sie klang rau und benutzt, wie seine eingefurchte Haut.

„Lüg nicht, du kleiner, stinkender Bastard! Wir wissen, dass Ihr ihn habt! Wo. Ist. Der. Kris. Tall?!“

Der Kristall! Mir war nicht klar gewesen, dass der Feldzug der Höheren ein Ziel gehabt hatte.

Der Kristall - ein Bild ging mir durch den Kopf. Eine Karte. Ein Vers. Zenas Stimme. 'Gib gut acht auf sie, Rain ... sie sind entscheidend für uns alle'.

„Ich habe keinen Kristall... ich weiß nichts von einem Kristall...“, jammerte Anlar mit Tränen getränkter Stimme.

„Gibt es noch andere Bastarde in diesem Wald? Sprich!!“ Ich hielt den Atem an. 'Bitte, Anlar, sei wenigstens dieses eine Mal vernünftig!'

Es wurde still. Anlar zögerte, schien nachzudenken, dann antwortete er: „Keiner, der nicht von unserem Stamm ist. Bitte, bitte lasst mich gehen!“

„Was ist dein kleines, erbärmliches Leben schon noch wert? Wir könnten dich genau so gut den Hunden zum Fraß vorwerfen, es würde keinen interessieren!“

Mir blieb die Luft weg und ich verabscheute die Höheren vom ganzem Herzen. Ich musste hier weg, bevor sie mich auch noch in ihre Hände bekamen. Mein Blick fiel auf die Leiche vor meinen Füßen. Der Mann hatte sein Schwert noch in der Hand. Mit meiner Fußspitze kam ich an die Klinge und schob sie zu mir.

Hastig sah ich mich um - niemand hatte etwas bemerkt. Mit einem gekonnten Kick schoss ich das Schwert hoch in die Luft und bekam es mit meiner linken Hand zu fassen. Ich verrenkte mich akrobatisch und begann, meine Fesseln aufzuschneiden. Nach wenigen Minuten, in denen ich versuchte, nicht auf Anlar und die Höheren zu achten, war ich frei. Nun hieß es handeln.

Ich steckte das Schwert des Soldaten in meinen Gürtel und huschte lautlos wie ein Schatten zur Seite. Vielleicht würde ich ihnen wirklich entkommen.

Doch das Schicksal schien sich meiner nicht zu erbarmen, im Gegenteil: Kaum hatte ich die Lichtung verlassen und mich aufatmend an einen Baumstamm gelehnt, spürte ich eine kräftiges Paar behandschuhter Hände. Eine legte sich auf meine Schulter, die Andere auf meinen Mund.

Aber so leicht würde ich meine wieder gewonnene Freiheit nicht wieder hergeben, nein!

Ich holte aus und rammte meine Ellenbogen mit aller Wucht in den Körper hinter mir. Ich hörte ein Stöhnen und stellte fest, dass mein Gegner glücklicherweise keinen Panzer trug, an dem ich mir sicherlich die Knochen eingeschlagen hätte. Blitzschnell duckte ich mich unter seinem Griff weg und rannte, so schnell ich konnte. Leider dämmerte es gerade und die Sonnenstrahlen, die ausnahmsweise mal durch die Wolken brachen, blendeten mich so dermaßen, dass ich kurz stehen bleiben musste, um mich neu zu orientieren. Sofort spürte ich Metall an meiner Kehle.

„Bleib stehen“, zischte jemand, und ich stellte fest, dass mein Verfolger weiblich war. Ich versuchte, mich erneut aus seinem, nein, ihrem Griff zu winden, aber diesmal funktionierte es nicht. Sie legte mir erneut die behandschuhte Hand auf den Mund und drückte fester mit dem Messer zu. Ergeben hielt ich still und ließ mir eine Augenbinde umlegen.

„Kommondongt!“, rief sie. „Ich habe hier einen Morgenschwärmer aufgegriffen, der sich aus dem Staub machen wollte!“

Ich schluckte und presste die Lippen zusammen. Warum hatte ich auch angehalten? Natürlich stellten die Höheren Wachen auf, immerhin hatten sie noch nicht jeden Verstand verloren.

Ich wurde nach vorne geschubst, und da ich damit nicht gerechnet hatte, fiel ich zu Boden, direkt in den Schlamm. Ich hörte verächtliches Lachen und wurde, wie so oft in den letzten Tagen, am Kragen gepackt und auf die Beine gezogen. Dann lichtete sich die Dunkelheit um mich, und brennendes Licht stach in meine Augen. Geblendet blinzelte ich ein paar Mal, bis sich aus den verschwommenen Gestalten um mich herum Gesichter bildeten.

Ein großer, breiter Mann stand vor mir. Er war älter, hatte schwarze Haare und einen Bart. „Lynnea! Wo hast du den denn aufgegabelt?“

Dann wandte er sich an mich. „Kennt ihr euch?“ Dabei deutete er zu Boden, und mein Blick fiel auf einen wimmernden Haufen vor meinen Füßen.

Ich brauchte kurz, um Anlar zu erkennen. Das schockte mich so sehr, dass mir kurz der Mund aufklappte.

„Also?“ Der Hauptmann machte einen Schritt auf mich zu. Ich entschied mich zu einer Antwort, denn das hier war etwas Anderes.

„Ja, Sir. Ich ... war Gefangener“, stammelte ich.

„Gefangener!" Der Kommandant strich sich über den Bart. „Fesselt ihn. Zu ihm kommen wir später!“ Dann drehte er sich wieder zu Anlar.

Ich wurde in eine Höhle gestoßen, in der einst wohl die Vorratskammer der Grauen gewesen war. Und nun saß ich hier und wartete auf mein Schicksal, während von draußen immer noch das Flehen von Anlar tönte.

Es war grausam!

Niemand beachtete mich, aber es rechnete wohl auch kaum einer damit, dass ich einen Fluchtversuch starten würde. Aus dem Verhör des Hauptmannes vernahm ich, dass er tatsächlich auf der Suche nach einem Kristall war.

Der Kristall! Angeblich wäre dieser von höchster Wichtigkeit, so wiederholte er immer wieder, als sie Anlar weiterhin ausquetschten.

Irgendwann krümmte ich mich in einer Ecke zusammen und schloss die Augen. Gegen Abend fand ich zurück in klarere Gedanken. Das rote Abendlicht strahlte mir ins Gesicht und langsam begann ich, über meine Lage nachzudenken.

Mein Stamm war so gut wie ausgerottet, genau wie die Grauen. Alle, die ich kannte, waren tot, und ich war ein Gefangener der Wesen, denen ich niemals in meinem ganzen Leben begegnen wollte.

Abwesend starrte ich in die roten Regenwolken, ließ mir Wasser ins Gesicht spritzen, war mit meinem Kopf völlig woanders. Anlar erlebte den Sonnenuntergang nicht mehr.

Vielleicht war es die Angst, die die Höheren zu Höheren machten. Nicht ihre eigene Angst, sondern die der Anderen. Vielleicht war sie nicht berechtigt, vielleicht auch mehr als das. Keiner wusste viel über sie, aber alle fürchteten sie. Diese Angst gab ihnen Befriedigung, man sah es in ihrem Blick. Überall sah ich ihre Augen, in seltsamen Farben. Vor allem Braun war oft vorzufinden.

Ich hatte noch nie braune Augen gesehen, so fesselten sie mich einen Augenblick länger, als sie es sollten. Ich stand steif und gerade da, ließ mir nichts anmerken und schwieg eisig.

Der Kommandant musterte mich eingehend und neigte sich zur Seite, zu einem großen, schlanken Soldaten. Er war noch jung und hatte kurzes, blondes Haar. Seine blauen Augen strahlten Intelligenz und Wachsamkeit aus.

Ich lauschte angestrengt und konnte tatsächlich verstehen, worüber sie sich berieten. „Kommandongt, denkt Ihr, er hat gelogen?“, fragte der Blonde, worauf der Kommandant brummte: „Ich weiß es nicht. Und wir werden es wohl auch nicht mehr erfahren.“

„Vielleicht weiß der Gefangene ...“

„Er wird wohl kaum etwas wissen, was der Anführer des Stammes nicht wusste.“

„Aber wäre es denn nicht einen Versuch ...“

„Nein. Wir sind sicherer, wenn so wenige Leute wie möglich von dem Kristall wissen!“

Da war er wieder, dieser Kristall. Ich erinnerte mich an meinen Verdacht, und plötzlich erschien er mir logischer als zuvor. Man munkelte, der König der Höheren wäre ganz verrückt nach Gold und Geschmeide. Und der Kristall war weit mehr als nur Schmuck, zumindest wenn man den verlaufenen Buchstaben auf dem Pergament glaubte, die Zena mir damals gegeben hatte.

Der Kommandant riss mich aus meinen Gedanken. „Hey! Bastard! Dir ist klar, was dein Schicksal ist?!“

Ich hatte keine Ahnung, doch ich nickte ergeben.

„Dann schlagt ihm den Kopf ab!“

Ich zuckte zusammen und sah mich verstört um. Das konnte doch nur ein Scherz sein?

Aber ich wurde wirklich auf die Knie gedrückt. Zwei Soldaten pressten mein Gesicht auf einen Baumstumpf. Ich drückte mir die Nase ein und roch den süßen Duft von nassem Holz.

Ich schielte zur Seite und sah, wie jemand ein Schwert zog. Anscheinend würden das hier wirklich meine letzten Gedanken sein!

Egal, wie makaber es war, in diesem Moment konnte ich mich nur darüber ärgern, wie sinnlos alles gewesen war.

Zena hatte den Stamm geopfert, so viele Leben, nur, damit ich gerade mal ein paar Tage später starb als die Anderen. Die Alten hatten mal gesagt, der Tod ist nur der Eingang zu einem neuen Leben, aber eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, mein bisheriges zu verlassen. Also versuchte ich, mich freizuschlagen.

Dabei fing ich mir einen Tritt in die Seite ein. Er war härter als die, die die Grauen mir verpasst hatten und mir wurde unwillkürlich klar, dass dieser Mann Eisenplatten in seine Schuhe eingelassen hatte.

Ich hörte, wie jemand über mir ausholte und dann das Pfeifen eines länglichen Gegenstands, der mit Wucht durch die Luft zischte.

Meine Gedanken rasten: 'Was jetzt? … Gleich wäre es vorbei … Wenige Momente, kaum noch etwas … Es konnte nicht hier enden … Zena konnte sich nicht irren.'

Ich wusste gar nicht wirklich, was ich tat, als ich meine Stimme zum letzten Mal erhob. „Ich weiß, wonach ihr sucht!“

Kurze Zeit herrschte Stille und alles ging wie in Zeitlupe vonstatten. Der Soldat schlug zu, die Klinge sauste auf mich hinab. Der Kommandant brüllte: „Stopp!“, doch das Schwert stoppte nicht. Anscheinend konnte der Soldat nicht so schnell reagieren.

Der Blonde starrte erst mich, dann den Soldaten an und schmiss sich zu Boden … Nein, tat er nicht …

Er griff nach etwas - einem dicken Ast! Der Stock schoss auf mich zu. Dann spürte ich einen Schlag im Nacken, und alles wurde schwarz.

© XNebelparderX

 

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Aus dem Roman "Der Mann, der im Regen tanzte"

 

Erstes Kapitel

 

"Hallo! Würden Sie mit mir tanzen?“

Sie war schon vieles gefragt worden in ihrem Leben. Auch mitten auf der Straße. Auch im Regen.

'Wie spät ist es?' … 'Darf ich mit Ihnen über Gott und die Welt reden?' … 'Mögen Sie Katzen?'

Alles Fragen, die mehr oder weniger verständlich waren, oder über die man zumindest schmunzeln konnte, weil die Münder, aus denen sie kamen, ähnlich verrückt aussahen.

Aber diesmal war es anders. Der Mann vor ihr sah sie so ernst an wie noch nie jemand zuvor. Sein Haar klebte klatschnass an seinen Schläfen, sein Mantel sah zerschlissen und abgenutzt aus, trotzdem nicht ungepflegt.

Sie zögerte. Was sollte man in so einer Situation schon antworten? 'Vier Uhr fünfundzwanzig' … 'Nein, kein Bedarf' oder 'Zu viele Haare' erschienen ihr keine passenden Antworten, obwohl der Gedanke, sie auszuprobieren, seinen Reiz hatte.

„Miss?“ Er wartete auf eine Antwort. Das angedeutete Lächeln auf seinen Lippen sah freundlich aus, nicht verrückt oder unberechenbar. Er war ein ganz normaler Mann. Mit unnormal roten Augen und unnormalen Fragen, vielleicht, aber sie spürte keine Angst, als sie seinen Blick erwiderte.

Ein Tanz. Was sollte daran schon verkehrt sein? Also nickte sie. Der Regen traf sie im Gesicht, als sie den Regenschirm einklappte und zur Seite stellte. Der Platz war leer, abgesehen von dem Mann und ihr.

Wieso nicht ein kleines Tänzchen? Sie hatte noch Zeit, und der Mann sah so erfreut aus, dass sie jetzt keinen Rückzieher mehr machen konnte.

Er ergriff ihre Hände und trotz der Kälte waren sie angenehm warm, als er sie schwungvoll an sich zog. Wie von selbst legten sich ihre Finger um seine, sein Arm um ihre Hüfte. Von irgendwo her ertönte Musik.

Und dann tanzten sie. Er war nicht besonders gut darin, nicht besser als sie, trat ihr mehrmals auf die Füße, aber sie fühlte sich wohl in seinem Arm. Er war älter, schon klar, außerdem verliebte sie sich nicht gleich in den nächstbesten Verrückten, aber sie bereute nicht, auf sein Angebot eingegangen zu sein. Er tanzte … Und sie tanzte mit ihm, wirbelte über den menschenleeren Platz und vergaß den Regen und alles Andere.

Und dann hörte der Regen auf. Irgendwo schlug eine Turmglocke. Sie musste nach Hause. Als die letzten Töne des Lieds verklungen waren, löste sie sich von ihm und sah ihn an. Er lächelte. Sie lächelte auch. „Das war schön, Miss!“

Sie nickte. Er auch. Die ersten Menschen kamen zurück auf den Platz. Ihr Regenschirm lehnte noch immer an der Straßenlaterne. Es dämmerte.

„Möchten Sie nicht öfters mit mir tanzen?“ Seine Frage überraschte sie.

Kurz dachte sie nach. Ob sie noch öfters durch den Regen tanzen wollte, mit ihm? Öfter alles vergessen? Sie war ehrlich. Und nickte.

Er lachte. Es war so ein herzliches, offenes Lachen, dass ihr ganz warm wurde. „Sie gefallen mir. Wie ist Ihr Name?“

Sie redete nie besonders viel, aber ihn schien das nicht zu stören. Sie lächelte unsicher. „Polly.“

„Polly“, wiederholte der Mann. „Ein schöner Name. Hören Sie, Polly, hätten Sie Lust auf ein Abenteuer?“

Ein Abenteuer. Das Angebot klang verheißungsvoll, sein Lächeln sprach die selbe Sprache. Ein Abenteuer.

Aber sie verlor nicht völlig das Misstrauen, das in ihr nagte. Ein Tänzer im Regen. Konnte man so jemandem trauen? Ihr Blick schweifte zu ihrem Regenschirm, der still auf sie wartete.

Er bemerkte ihr Zögern. „Kommen Sie mit mir, Polly. Tanzen sie mit mir. Tanzen Sie mit dem verrückten Mann, fort von hier, über die Berge und weg. Sie müssen nicht wiederkommen. Aber Sie können. Ich würde mich freuen, wenn Sie dieses Abenteuer mit mir bestreiten würden.“

Sie neigte den Kopf. Eine Reise? Darauf war sie doch gar nicht ausgelegt … so, wie er es aussprach, klang es nach einer längeren Unternehmung.

Es schien, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Sie brauchen nichts, Polly. Kommen Sie einfach mit mir, so wie Sie sind. Sie müssen keine Angst haben. Denken Sie nicht so viel nach. Tun Sie's einfach. Ich würde mich sehr über Ihre Gesellschaft freuen“. Dann drehte er sich um und ging. Er schien sich ganz sicher, dass sie ihm folgen würde.

Sie konnte nicht anders. Sie musste lächeln. Dieser Mann war verrückt. Genau so sehr wie der verwirrte Kerl, der sie gefragt hatte, ob sie Katzen mochte, wenn nicht sogar noch schlimmer. Aber er hatte etwas Reizvolles, sein Auftreten, sein Angebot ... wie nicht von hier.

'Denken Sie nicht so viel.' Wahrscheinlich hatte er Recht. Nachdenklich sah sie ihm hinterher. Und dann griff sie ihren Regenschirm und folgte ihm. Weg aus der verregneten Stadt, in ein Abenteuer.

 

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Zweites Kapitel

 

„Ist das Ihr erstes Abenteuer, Polly?“, fragte der Mann, als er die große Bahnhofshalle betrat. Er sah sie gar nicht an, ließ seinen Blick über die leuchtenden Anzeigetafeln schweifen und schien nach etwas zu suchen, das er nicht fand.

Sie zögerte. Abenteuer. Was war das überhaupt? Hatte sie schon einmal eins erlebt? Sie erinnerte sich daran, wie sie vor vielen Jahren als kleines Kind einmal im Einkaufszentrum verloren gegangen war. Überall waren Menschen gewesen. Dicke, dünne, große, kleine Menschen.

Sie war untergegangen in dem Strudel und hatte geweint, bis sie keine Tränen mehr hatte. Dann endlich war ihre Mutter wieder da gewesen, hatte ihre nassen Wangen getrockent und sie in den Arm genommen.

Sie wachte immer noch manchmal schweißgebadet auf, wenn sie von dem Gedränge träumte. Sie hasste Menschenmengen. Selbst die halbleere Bahnhofshalle war ihr zu voll. Nein, das war kein Abenteuer gewesen. Zumindest kein Gutes. Also nickte sie, zum vierten Mal, an diesem Tag.

Der Mann schien es zu sehen, obwohl er noch immer fortsah. „Dann will ich Ihnen erklären, wie ein Abenteuer funktioniert: Wir brauchen ein Ziel. Einen Ort, wo wir hin wollen. Haben Sie einen Vorschlag?“

„Das Meer!" Die Antwort kam schnell, aus dem Innersten ihres Herzens und sie legte all ihre Leidenschaft in die beiden Worte.

Das Meer. Ihre Mutter hatte ihr oft davon erzählt, nur gesehen hatte sie es nie.

„Das Meer ... Polly, Sie sind wundervoll.“ Der Mann lächelte erneut, und diesmal sah er sie dabei an. Sie musste schon wieder mitlächeln, sie konnte gar nichts dagegen tun.

„Das Meer. Mir hätte nichts Besseres einfallen können. So beginnen sie doch alle, die großen Filme und Romane, nicht? Das Meer. Alle wollen das Meer sehen. Waren Sie schon einmal am Meer, Polly?“

Sie schüttelte den Kopf. „Und Sie?“

„Nein.“ Plötzlich klang seine Stimme wehmütig, und sein Blick hing ein paar Sekunden in der Ferne. „Ich bin nie dazu gekommen.“ Polly schwieg, der Mann auch. Kurz wurde es still in der Halle, als würden alle auf etwas warten. Die Schritte verstummten, die Züge hielten. Polly hielt den Atem an, und in der nächsten Sekunde war der Moment wieder vorüber.

Die Massen bewegten sich wieder. Die Züge ratterten über die Gleise. Ihr Herz begann wieder, zu schlagen.

„Na gut. Kommen Sie, Polly. Lassen Sie uns ans Meer fahren!“

Beschwingt hielt er ihr die Hand hin und sie ergriff sie, ohne darüber nachzudenken. Er war der Mann, der im Regen tanzte, und sie war die, die mit ihm tanzte.

 

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Siebtes Kapitel

 

„Ich liebe das Leben, wissen Sie, Polly?“ Der Mann sagte es beinahe beiläufig, doch die Art, wie er auf der Hügelkuppe stehen blieb und auf die Stadt hinab sah, die vom schläfrigen Sonnenlicht betastet wurde, gab seinen Worten eine Bedeutung, die sie nicht ganz greifen konnte.

„Ich liebe es, zu lachen. Ich liebe es, zu weinen. Ich liebe es, zu fühlen.“

Woher kam der wässrige Ausdruck in seinen Augen? Sie fragte nicht und griff nach seiner Hand, so wie er es getan hatte. Sie lächelte. Nicht so eindrücklich wie er, nicht so unvoreingenommen, aber sie lächelte. Er auch. Doch der Glanz seiner Pupillen blieb und brannte sich in ihrem Gedächtnis ein, nahm Platz neben dem Bild der Psychologin und dem einsamen Briefumschlag, den sie damals auf der Tischplatte gefunden hatte. 'Leb dein Leben.'

Das erste Mal hatte sie das Gefühl, den Wunsch ihrer Mutter wirklich zu erfüllen. Seine Finger fühlten sich gut zwischen ihren an. „Lassen Sie uns Kreide kaufen ...“, murmelte der Mann abwesend. „Kreide zum Malen.“

Zu ihrer eigenen Verwunderung überraschte sie sein Wunsch nicht. Straßenmalkreide. Was sonst? Also nickte sie, ließ seine Hand nicht los und zog ihn die Wiese hinab, in Richtung Stadt.

Das letzte Geld ging für Kreide drauf. Aber was sollte daran seltsam sein? Der Hunger in ihrem Bauch, der Durst in ihrem Hals, alles Nebensache. Er wollte Kreide, also kauften sie welche.

Die Fußgängerzone war noch leer und verlassen, als sie das Geschäft verließen, doch den Mann schien das wenig zu stören. Den Eimer Kreide trug er in der freien Hand, die nicht Pollys Finger umschloss, und sein Lächeln war so selbstzufrieden wie eh und je.

Fort die Trauer, fort das Wasser. Der kleine Junge war wieder da und er war es auch, der sich auf die Straße hockte und begann, zu malen. Nun stockte sie doch. Er konnte doch nicht ... mitten in der Fußgängerzone ...

Er stellte das Radio wieder auf und zog schwungvoll weiter seine Striche über den Asphalt, sich um sich selbst drehend und so in sich selbst vertieft, dass sie das Gefühl hatte, er hätte sie vergessen.

'Ich liebe das Leben, Polly.' Oh ja, er liebte es und das war ihr nun klarer denn je. Er hatte eine Sonne auf das Pflaster gezaubert. Sie lächelte ein bisschen wie er selbst, als Polly sie betrachtete. 'Ich liebe das Leben.'

Ein paar frühe Passanten blieben stehen und taten es ihr gleich, sie betrachteten den Mann und seine eigene, kleine Welt, die er um sich herum schuf, ohne von der realen Notiz zu nehmen.

Es fielen viele Worte. Verrückt. Fabelhaft. Süß. Ihr ging nur eins durch den Kopf: sonnig.

Bald fielen die ersten Münzen. Sie klimperten wie eine Begleitung zur Musik, und plötzlich wurde ihr klar, was sie zu tun hatte.

Binnen kürzester Zeit war es Mittag und der leere Kreide-Eimer voll geworden. Sie hatte mehrmals Nachschub geholt, an die Passanten verteilt, und nun erstreckte sich durch die gesamte Straße ein Kunstwerk aus allen möglichen Farben und Formen, von unzähligen Händen geschaffen und fortgeführt. Die Sonne war das Zentrum des Chaos geblieben, lächelnd und standhaft, während sich um sie herum alles verändert hatte. Fotografen waren gekommen. Reporter auch.

Dann ertönten Stimmen. Sie drehte sich um und stand vor zwei uniformierten Männern, die beide sehr grimmig dreinblickten.

„Haben Sie eine offizielle Bescheinigung?“, fragte der eine. Er war klein und dick, wie sein Schnauzbart.

Ihr war, als hätten die Männer den Zauber des Moments zerstört, mit ihren grimmigen Gesichtern in der lächelnden Flut. 'Natürlich nicht!'

Ihr wurde heiß und sie brachte kein Wort über die Lippen, also schüttelte sie nur beschämt den Kopf.

„Ich muss Sie bitten, die Versammlung umgehend aufzulösen und die Beschmutzung zu beseitigen. Es tut mir sehr Leid.“

Beschmutzung. So nannte er das Werk. Der Mann saß mitten auf seiner Sonne und lächelte abwesend. Er hatte noch nichts bemerkt.

Sie wollte protestieren, aber die Polizei schien ihr zu mächtig, um sich zu weigern. Polizei war groß. Das Gesetz.

Bedrückt beobachtete sie, wie die Männer die Passanten fort schickten und schließlich stirnrunzelnd neben dem Mann standen, der noch immer abwesend am Boden saß. Wolken zogen auf.

„Bitten sorgen Sie dafür, dass die Kreide von der Straße kommt!“, wies der größere Polly an, als sie sich neben den Mann hockte.

„Das tut der Regen schon“, murmelte der Mann. Auf einmal schien es, als wäre er aus einem langen Schlaf erwacht. Er lachte fröhlich. „Los Polly, spannen Sie Ihren Schirm auf! Jetzt wird getanzt!“

Nun fielen tatsächlich die ersten Tropfen. Die Polizisten schauten noch grimmiger .„Sie sind gerade so um eine Strafanzeige herum gekommen. Sehen Sie das als Verwarnung an!“

„Ich danke Ihnen, dass Sie sich Zeit genommen haben!“, rief der Mann. „Kommen Sie gut nach Hause! Werden Sie nicht nass!“

Dann zog er Polly an sich, nahm das Geld, den Schirm und das Radio und tanzte, wie er es immer tat, während die Farben unter ihnen verliefen und die Sonne wieder grau wurde wie ihr Zwilling zwischen den Wolken.

„Sind Sie gar nicht traurig?“, fragte Polly, nachdem sie mehrere Minuten im Weiß seines Hemdes versunken war.

„Es wird nicht das letzte Bild gewesen sein. Alles Gute hat ein Ende. Anstatt traurig zu sein, dass es fort ist, sollten Sie sich lieber freuen, es gesehen zu haben.“

Sie drehten sich weiter durch die verlassene Fußgängerzone, und Polly dachte über seine Worte nach. „Wollten Sie nicht, dass es bleibt?“

Der Mann schwieg kurz und starrte auf die farbigen Schlieren an seinen Schuhen, die über die Straße wirbelten. „Wenn es so gewesen wäre ...“, sagte er dann, „hätte ich dann mit Kreide gemalt?“

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Vita einer jungen Autorin

Wann genau es mit meiner Faszination für Wörter und Buchstaben los ging, kann ich gar nicht so genau sagen. Irgendwann im Kindergarten habe ich mir das Lesen beigebracht, und dann ging es auch ziemlich schnell los mit dem Schreiben, damals allerdings eher in Form von selbstgebastelten Zeitungen oder Comics.

Unter meinen Aufsätzen der ersten Klasse stand im Grunde immer der selbe Kommentar: „Tolle Geschichte, aber achte doch auch Mal mehr auf Rechtschreibung!“

Das war mir damals aber ziemlich egal, die Geschichten zu erfinden fand ich immer spannender. Das allererste Buch kam dann in der 3. Klasse. Es wurde durch Black Beauty inspiriert und handelte (natürlich) von einem Pferd.

Ich habe es damals geliebt, mich in den Pausen auf den Schulhof zu setzen und meinen Freundinnen die Geschichte vorzulesen, obgleich es die meisten gar nicht interessiert hat.

Mein zweiter Roman, und damit auch der Erste, den ich beendet habe, wurde ebenfalls durch eines meiner Lieblingsbücher inspiriert. Sword hieß das gute Stück und hatte leichte Parallelen zu "Herr der Ringe". Um genau zu sein, war es ziemlich genau die selbe Geschichte, nur mit anderen Figuren. Denn bereits in dieser Zeit war ich fasziniert davon, einen Charakter zu schaffen, der sich irgendwann von selbst weiterentwickelt.

Das Gefühl, wenn einem die Handlungen aus der Hand gleiten und man sieht, was für ein intensives Eigenleben die Figuren führen, ist das eines der besten Gefühle überhaupt. Ich glaube, spätestens in der Sekunde, in der ich das Wort Ende unter die 463 Seiten vollgestopft mit eineinhalb Jahren Arbeit geschrieben habe, bin ich dem Schreiben für immer verfallen.

 In der folgenden Zeit hatte ich auch zwei Praktika bei der Zeitung und hatte die Möglichkeit, ein bisschen was von meinem Können zu beweisen.

Als ich in die 6. Klasse kam, bin ich dann auf Bookrix gestoßen. Ein Mädchen aus meiner Stadt hatte einen der großen Wettbewerbe gewonnen und ich war sofort Feuer und Flamme, das auch einmal zu probieren. Meine Kurzgeschichte Fire, die auch meine erste veröffentlichte Geschichte ist, hat damals beim Newbie-Wettbewerb den 3. Platz gemacht, Freedom zwei Monate später Platz 4.

In dieser Zeit habe ich unglaublich viel gelernt. Die Community hat fleißig kommentiert, bewertet, ausgeholfen, und in den nächsten Jahren bin ich wohl weiter gekommen als in meinem ganzen Leben davor. Mit dem Update der Plattform sind leider viele alte Freunde abgesprungen, aber mich hat das nicht abgehalten, weiterzumachen. Durch die zahlreichen Wettbewerbe und vielen guten Freunde habe ich geschrieben, geschrieben und geschrieben.

Ich kann mir ein Leben ohne das Hobby inzwischen nicht mehr vorstellen. Gruppenprojekte, das Gefühl, etwas erreicht zu haben und die zahlreichen Diskussionen haben mich extrem weiter gebracht. Wenn ich nicht schreibe, bin ich mies drauf.

Wenn ich nachts noch bis tief in die Nacht mit Buchstaben gepuzzlet habe, bin ich am nächsten Morgen glücklich, egal wie müde ich bin. Ich freue mich jedes Mal wieder, wenn ich positives Feedback bekomme und kann immer noch nicht wirklich glauben, dass meine Geschichten von Leuten gelesen werden. Denn Fakt ist: Ich würde sie zwar auch ohne die Leser schreiben; aber mein Stil und meine Erfahrungen wären heute komplett anders und bestimmt nicht einmal halb so fördernd gewesen.

© XNebelparderX

 

Autoren unter sich

Talkrunde Sina Katzlach/XNebelparderX

 

Gesprächsführung: Sina Katzlach

 

Einführung: XNebelparderX ist eine junge Autorin, auf die ich durch ihren Roman "Rain" aufmerksam wurde. Was sie von der Masse abhebt: Ihre poetische Sprache, ausgefallene Ideen und eine philosophische Ader, die eine faszinierende Reife aufweist.

Ihre Vita in unserer Ausgabe erzählt viel davon, wie sie zum Schreiben kam. Die Fragen, die offenblieben, versuchen wir, innerhalb der Talkrunde mit der Autorin zu klären.

 

***

Sina: "Hallo Nebel, danke dafür, dass du dich für ein Interview zur Verfügung stellst. Dann beginnen wir gleich mal mit Frage eins:

Du trittst auf BookRix unter dem Pseudonym XNebelparderX auf. Hast du dir bereits Gedanken über einen eventuellen Autorennamen gemacht, unter dem du irgendwann auf dem Markt geführt werden willst?"

Nebel: "Liebe Sina, danke, dass ich hier sein darf. Bisher hat sich die Frage noch nicht gestellt, da XNebelparderX zwar nicht wirklich ein Name ist, den ich heute noch schön finde, dessen Wiedererkennungswert aber einfach für sich spricht. Allerdings bin ich tatsächlich schon öfters darauf angesprochen worden, und der Vorschlag "N. Parder" spricht mich von allen Ideen am meisten an. Es wird wohl in irgendeiner Weise mit diesem Tier, dem Nebelparder, zusammen hängen, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass viele Leute diese Katze inzwischen als mein Markenzeichen anerkannt haben."

Sina: "Es trifft sich gut, dass du über den Ursprung deines Nicks sprichst. Erzähle uns bitte mehr über dieses Tier. Wir werden auch das Bild dazu zeigen."

Nebel: "Ich als totaler Katzenfan bin wirklich wählerisch, was meine Lieblingskatzen angeht, aber der Nebelparder hat mich von Anfang an verzaubert. Leider kennt kaum jemand diese wunderschönen, eleganten Katzen aus Südostasien und das ist wohl auch der Grund, weshalb es kaum noch Exemplare gibt. Inzwischen gelten sie als so gut wie ausgestorben und das, obwohl (oder genau weil) sie einen selten schönen Pelz besitzen. Auf englisch heißt er auch "Clouded leopard" - der bewölkte Leopard. Wahrscheinlich habe ich schon ein gutes Stück Aufklärung betrieben, so oft wie ich darauf angesprochen wurde." *lacht*

Sina: "Mir war dieses faszinierende Tier bisher nicht bekannt, und ich war ganz verdattert. Im Anhang des Magazins wird ein Bild davon zu sehen sein. Doch kommen wir zur nächsten Frage:

In welchem Literatur-Genre bewegst du dich beim Schreiben am Liebsten, und warum?"

Nebel: "Freut mich, dass ich überraschen konnte. Der Drang zum Schreiben kommt bei mir meistens durch Bücher und Filme, mit denen ich mich beschäftige, und so habe ich in meinem Leben überwiegend Fantasy-Romane geschrieben. Mein allererstes Buch war zwar eine Pferde-Geschichte, ist allerdings nach 5 Seiten ins Fantastische abgedriftet.

Da ging es dann plötzlich um Feen, Elfen und magische Portale, eben alles, was man sich als kleines Mädchen wünscht. Von diesem Genre bin ich wirklich ewig nicht los gekommen, erst im Mai habe ich mein letztes Fantasy-Projekt beendet.

Zurzeit mache ich aber eine Art Neustrukturierung durch und versuche mich in neuen Feldern aus.

"Der Mann, der im Regen tanzte" ist zum Beispiel ein kleines Alltagsmärchen, mit "Das zerrissene Universum" habe ich mich in skurriler Science Fiction versucht. Es macht mir Spaß, mich auszuprobieren und auch einmal etwas Neues zu kreieren."

Sina: "Somit sind wir auch schon bei der nächsten Frage: Zwei Romane von dir haben mit dem Regen zu tun. Woraus ziehst du deine diesbezügliche Inspiration?"

Nebel: "Oh, das ist eine schwere Frage. Lustigerweise ist mir die Parallele der Hauptthemen erst sehr spät aufgefallen, weil ich bei "Rain" damals die Intention hatte, mal wieder ein größeres Fantasyprojekt zu schreiben, und bei "Der Mann, der im Regen tanzte" die, ein Herzensprojekt zu verwirklichen. Das hatte auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam - auf den zweiten dann schon.

Vielleicht liegt es daran, dass ich unter dem Dach wohne und es beide Male ein eher spontanes Losschreiben war, mit dem ich gar nicht gerechnet hatte. Wenn der Regen auf die Fenster prasselt und man seine Ideen improvisiert aus seiner Umwelt zieht, passiert das anscheinend. Allerdings sollte ich vielleicht auch dazu sagen, dass "Rain" niemals so groß angelegt war.

Um genau zu sein war dieses Buch nur ein Schreibblockadenlöser, der dann irgendwie heimlich zum Hauptprojekt gewachsen ist. "Der Mann, der im Regen tanzte" entstand ähnlich spontan, aber der Charakter des Tänzers spukte mir zu dieser Zeit schon länger im Kopf herum."

Sina: "Als ich 'Der Mann, der im Regen tanzte' kennengelernt hatte, dachte ich automatisch an das Musical "Singing in the Rain" mit Gene Kelly und Fred Astaire. Ich habe es so sehr geliebt. Es war äußerst romantisch. Kennst du es?"

Nebel: "Nein, davon habe ich noch nie gehört, aber es passiert tatsächlich sehr oft, dass mir Leute sagen, die Geschichte würde sie an eine Andere erinnern. Da haben Leute schon an den "Hobbit" von J.R.R. Tolkien, übrigens einer meiner absoluten Lieblingsautoren, gedacht oder an "Nachtzug nach Lissabon" von Pascal Mercier.

Ich freue mich immer wahnsinnig, wenn man mir so etwas sagt, weil ich dann das Gefühl habe, es kommt etwas von dem an, was ich schreibe. Vor allem, wenn Bücher oder Filme dabei sind, die ich selber liebe. Da rettet ein netter Kommentar schon einmal den ganzen Tag."

Sina: "Du hast großes Talent, so wie ich das sehe. Hast du einen Traum für die Zukunft?"

Nebel: "Ich habe ganz viele Träume für meine Zukunft, aber für den einen großen ist es glaub ich noch zu früh. Ich würde gerne weiter schreiben, ob hauptberuflich oder als Hobby nebenbei, aber ich glaube, den Traum habe ich mir längst erfüllt.

Es gab noch nie eine Zeit in meinem Leben, in der ich nicht geschrieben habe und anders könnte ich es mir auch nicht vorstellen. Ansonsten lehne ich mich zurück und lasse mich von der Zukunft überraschen."

Sina: "Nun bin ich gespannt! Unabhängig von deinem Alter: Was würdest du sagen, welche Autorengeneration du vertrittst?"

Nebel: "Ich habe mich vor dieser Frage gefürchtet ... Denn da stellt sich mir eine weitere: Gibt es Autorengenerationen überhaupt? Und was genau ist das?

Von meiner "realen" Generation gibt es ja keine besonders hohe Meinung. Die angebliche Lustlosigkeit, die Demotivation, das Desinteresse. Aber meine Autorengeneration?

Es gibt viele Mädchen in meinem Alter, die schreiben, meistens werden sie ebenfalls merklich inspiriert von den heutigen, populären Franchises. Die Dystopien, die Vampir-Lovestories ...

Nicht unbedingt das, was ich lese oder schreibe, aber es ist ein Trend, und jeder Trend hat seine Anhänger. Ich selbst würde mich wohl eher zu den Nerds und Pseudo-Melancholikern zählen *lacht*.

In meinem Alter wird man oft belächelt, wenn man sagt, dass man schreibt. Ich habe manchmal das Gefühl, man wird erst ernst genommen, wenn man sagt, dass man schon einmal etwas fertig geschrieben hat. Aber selbst das spare ich mir manchmal, weil ich es nicht verstehe, mich in meinem Hobby beweisen zu müssen. Wenn jemand Sport macht, wird er ja auch nicht erst ernst genommen, wenn er seine Pokale aufzählt.

Wenn ich so darüber nachdenke, gehöre ich wohl wirklich zu der Generation, die aufgrund ihres Alters einfach schnell belächelt wird. 'Jaja, die träumt noch vom großen Glück', lese ich aus vielen Gesichtern, 'Aber die wird auch noch ihre Motivation verlieren.'

Das ist auch der Grund, warum ich hier bewusst mein Alter nicht angebe. Ich will keinen "Kinder"-Bonus, ich möchte eine ehrliche und unabhängige Bewertung. Und bisher hat das auch ganz gut geklappt.

Im Fazit würde ich vielleicht sagen, ich gehöre zu der Generation, die sich beweisen will. Die jungen, motivierten. Vielleicht sogar die, die noch vom großen Glück träumen.

Und selbst wenn: Ist doch schön, dass wir es noch können, oder?"

Sina: "Deine Antwort gefällt mir. Der Begriff "Jung" hat viele Bedeutungen und hat nicht zwingend etwas mit Lebensalter zu tun. Es gibt junggebliebene Menschen, und es gibt ältere Autoren, die erst anfangen zu schreiben, weil sie nach einem gelebten Leben jetzt erst dazu Zeit finden, ihren Traum zu verwirklichen. Auch das sind "junge Autoren", im Sinne des Anfangs. Ein frisch verheiratetes Paar wird auch gern als "junges Brautpaar" bezeichnet, selbst wenn sie schon siebzig sein sollten.

Kommen wir zur nächsten Frage: Wenn du schreibst: Worauf legst du Wert? Wie streng bist du mit dir selbst?

Nebel: "Da stimme ich dir voll und ganz zu. Ich sehe, wir verstehen uns.

Mein Hauptaugenmerk liegt beim Schreiben meistens auf realistischen und glaubwürdigen Charakteren. Die Charakterentwicklung macht mir von allem am meisten Spaß, denn meiner Meinung nach kann ein Plot noch so gut sein, ohne die richtigen Protagonisten macht er nichts aus. Dazu lege ich Wert darauf, nur zu schreiben, wenn ich die nötige Inspiration habe und nicht, wenn ich das Gefühl habe, ich muss es tun. Deshalb brauche ich auch immer relativ lange für Fortsetzungen, weil ich einige Bücher auch nur zu bestimmten Zeiten schreiben kann.

"Rain" ist ausschließlich nach Mitternacht entstanden. Beim Schreiben überarbeite ich meistens so lange, bis jedes Wort sitzt, dann lade ich es hoch und bin eigentlich zufrieden mit mir ... aber nur so lange, bis ich es mir später irgendwann durchlese. Im Nachhinein denke ich mir eher selten: "Ja, genau so soll das sein", auch wenn es manchmal vorkommt. Gerade bei meinen älteren Werken finde ich immer wieder Dinge, die mir nicht zusprechen, deshalb gebe ich mir Mühe, schon beim Schreiben alle Fehler auszumerzen und dann später einfach nicht mehr reinzuschauen, es sei denn, ein fleißiger Leser hat doch etwas anzumerken."

Sina: "Um nachzuhaken: Wie wichtig ist dir die Rechtschreibung, sowohl aus der Sicht des Lesers als auch aus der Sicht des Autors gesehen? Wie gehst du vor, um ein möglichst perfektes Werk abzuliefern?"

Nebel: "Da habe ich sowohl als Leser als auch als Autor die selbe Meinung: Ein Rechtschreib- oder Tippfehler passiert immer mal wieder und ist zu akzeptieren, aber das Ganze sollte schon noch lesbar sein. Ich gebe mir Mühe, alles herauszufiltern, aber natürlich sind immer ein paar Flüchtigkeitsfehler dazwischen, die mir nicht auffallen. Da bin ich umso dankbarer bei Lesern, die sich die Mühe machen und mich auf eben diese Fehler hinweisen. Ein besonderes Vorgehen habe ich eigentlich nicht, weil ich es in vielen Fällen auch einfach nicht besser weiß. Trotzdem bemühe ich mich immer, alles mitzunehmen, beim Korrekturlesen."

 

Sina: "Angenommen, du willst den professionellen Schriftstellerweg einschlagen. Wie würdest du vorgehen, und wo läge dein literarischer Schwerpunkt?"

Nebel: "Ich glaube, ich würde darauf achten, immer den Kontakt mit meinen Lesern zu halten, denn das ist es, was mir an Bookrix so gut gefällt. Man bekommt mit, wie die Werke ankommen, man hat die Möglichkeit, unverbindliches Feedback zu kommen und ich habe wirklich sehr viel gelernt, in den letzten Jahren. Mein literarischer Schwerpunkt? Ich denke, ich werde so weiter machen, wie bisher, indem ich alle möglichen Genre ausprobiere und das schreibe, worauf ich Lust habe. Wichtig ist mir bloß, dass ich mir selbst treu bleibe und mich nicht mitreißen lasse, von der Möglichkeit, schnelles Geld und Trend-Genres zu machen, obwohl ich auch vor diesen Autoren großen Respekt habe. Denn die Autoren können ja auch nichts dafür, ob ihr Genre gerade angesagt ist oder nicht. Trotzdem wäre es mir einfach wichtig, immer das zu schreiben, was ich möchte und mich nicht an den aktuell angesagten Themen zu orientieren."

Sina: "Aus der Sicht eines Lesers gesehen: Welche Bücher magst du am Liebsten? Hast du bestimmte Autoren als Vorbild?"

 Nebel: "Mein größtes Vorbild war und ist Cornelia Funke. Ihr Schreibstil hat mich schon immer am meisten gefesselt und geprägt und ich lese heute noch unglaublich gerne ihre Bücher, vielleicht auch weil sie einfach extrem viel von meiner Kindheit beinhalten. Zum Fantasy-Thema hat mich wohl J. R. R. Tolkien inspiriert, weil ich ungefähr ein Jahr meines Lebens mit nichts Anderem als "Der Herr der Ringe" verbracht habe. Es hat mich selten eine Geschichte so sehr inspiriert wie seine. Zu "Rain" wurde ich durch die "Schatten"-Reihe (Schattenwanderer/Schattentänzer/Schattenstürmer) von Alexey Pehov motiviert, weil mich der neuartige und kreative Schreibstil sehr angesprochen hat. Ansonsten lese ich alles gerne, was ein bisschen extravagant ist und nicht selten beeinflusst mich das auch in dem, was ich selber schreibe. Insgesamt ist dieser Kessel aus Inspirationen aber so voll und bunt gemischt wie meine Schreibgewohnheiten und deshalb auch relativ schwer zu definieren."

Sina: "Eine Frage habe ich noch: Was hältst du von den heutigen Trends? Würdest du als Profi eher mit den Trends gehen, oder dich davon entfernen?"

 Nebel: "Oh, ich weiß nicht, ob ich mich als Profi bezeichnen würde *lacht*. Zurzeit ist es immer noch nur ein Hobby. Wie ich in der letzten Frage sagte, ich kümmere mich nicht großartig um die Trends. Das ist ja das tolle am Indie-Autor-Dasein: man ist an nichts gebunden, solange man finanziell nicht auf das Schreiben angewiesen ist. Ich schreibe das, wozu ich Lust habe und manchmal fällt es in die Trends, manchmal nicht. Ich verkaufe keines meiner Bücher und so freue ich mich über jeden Klick, allerdings ohne an ihnen den Spaß zu messen. Denn ich würde auch ohne das öffentliche Feedback schreiben. Vielleicht nicht so viel und vielleicht nicht mit so viel Fortschritt, aber ich bin in jedem Fall ungebunden, unabhängig und mein eigener Boss. Es ist eine Freizeitaktivität zum Alltagsausgleich, mehr nicht. Und wenn etwas dabei raus kommt, das andere Leute anspricht, ob in den Trends oder nicht, ist das ein toller Nebeneffekt."

Sina: "Nun ja, ich meinte eher, falls du den professionellen Weg einschlagen würdest. Meine Neugierde ist nun befriedigt, und ich bedanke mich für diese lebendige Unterhaltung. Mixed Pixles und die Tintenfass AG wünscht dir alles Gute, und dass sich all deine Träume erfüllen. Es war einfach toll, mit dir zu plaudern."

Nebel: "Vielen Dank für die Chance, einen Gastauftritt in eurem Magazin zu bekommen! Ich hatte großen Spaß bei unserem Gespräch und bedanke mich für die netten Wünsche."

© XNebelparderX/Sina Katzlach

 

In the House

120 bis 130 Beats per minute, die Bassdrum „Four to the Floor“, auf jeder zweiten Viertelnote die Snare oder Handclaps und die offene Hi-Hat auf der Zwischen-Achtel.

Nach einer Weile bewegt sich dein Körper ganz von allein zu dem eingängigen Rhythmus und dein Geist hebt ab. Tanzt du in der Menge, lässt du dich in ihr treiben, wie in einem Ozean aus Beats und Piano-Loops .

Genau das war es, was Frankie Knuckles Ende der 1970er beobachtete, während er im Warehouse, einem Chicagoer Szeneclub, Musik auflegte.

Wer noch wie ich sein Taschengeld für Maxi-Singles ausgegeben hat, kann sich sicher noch an die Disco-Maxis Club-Mixes erinnern, die dadurch geprägt waren, dass die normale Single-Version eines Songs durch rhythmische und basslastige Sequenzen ergänzt wurden und sie noch tanzbarer und energetischer machten.

Knuckles Beobachtung, dass genau solche Instrumentalpassagen die Gäste in seinem Club in Ekstase versetzen und die Lust auf etwas Neues brachten ihn auf die Idee, die auf den Rhythmus konzentrierten Parts ineinander zu vermischen und die Reste der Platten einfach wegzulassen. Darüber hinaus vermischte er Soul, Funk und elektronische Musik (insbesondere ist hier die Musik der deutschen Band Kraftwerk zu erwähnen) zu immer kreativeren Mixes, die gut bei den Gästen ankam.

Die House music war geboren. Der Name ergibt sich aus der Geburtsstätte dieser populären, elektronischen Tanzmusik, nämlich dem Warehouse und die Urfassung nennt man wegen der Heimatstadt auch Chicago House. Der Urspruch dieses Stils liegt in der Disco-Musik der späten 1970er und hat sich in den 80er Jahren verbreitet. Als weitere DJs aus Chicago wären Marshall Jefferson, Chip E und Farley "Jackmaster" Funk & Jesse Saunders zu nennen.

Unter der Rubrik "Top Ten of the House" sind einige tolle Beispiele für Knuckles Mixes und Weiterem zu finden.

Durch die Detroiter Produzenten Juan Atkins, Derrick May und Kevin Saunderson entwickelte sich aus dem Chicago House der Detroit Techo und in New Yorker Clubs, wie der Paradise Garage und The Loft, die disco-orientierte Garage House music. Weitere Beriffe aus jener Richtung waren Deep House und Acid House.

In den 1990er wurde der Begriff House als Obergriff für sämtliche elektronischen Musikstile verwendet. Selbst die heute als eigenständiger Musikstil angesehene Techno music hat ihre Wurzeln hier. Allerdings unterscheidet diese sich u.a. insbesondere durch seinen typischen schnellen, harten Bass-Beat von dem House.

Anfang der 2010er entstand ein ganz eigener Musikstil, der sich Bigroom nennt.

Ein eingängiger, harter Drop, der mit einer gleichschlagenden Bassline unterlegt ist, ist das charakteristische Merkmal dieser elektronischen Musikrichtung.

© Susanne Leuders alias Susymah

 

Top Ten of the House

Stand vom 28.10.2014

 

  1. CALVIN HARRIS FEAT. JOHN NEWMAN Blame
  2. KUCHO ! & GREGOR SALTO Cant Stop Playing
  3. IDA CORR Jungle Fever
  4. GUENTA K No No No (please Dont Go)
  5. MARC REASON Sandstorm 2k15
  6. ELLEN PITCHES Puttin´ On The Ritz
  7. OLIVER S & JIMI RULES Pushing On
  8. DAMON PAUL FEAT. DANIEL SCHUHMACHER Lose Control
  9. ALEX MEGANE FEAT. CVB Tide Is High
  10. SVEN & OLAV FEAT. PHIL HAYWOOD Better Than This

 

 

 

 

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Frei sein

 

Ich möchte frei sein

Wie ein Vogel.

Die Flügel ausbreiten.

Dem Himmel entgegen

Einfach nur loslösen

Von der Erde,

Die mich festhält

Mit ihren Händen.

Auf und davon

Wie ein Vogel.

Den nichts festhält.

Der einfach losfliegt

Ohne zu schauen

Was verlassen wird.

 

Ich möchte frei sein

Wie ein Wanderer.

Einfach drauflosgehen.

Nur weg vom alten Platze.

Neues entdecken.

Mit offenen Augen

Die Natur genießen

Ruhe finden.

Auf und davon

Wie ein Wanderer.

Die Erde erleben.

Irgendwann zurückkommen

Wenn’s mir passt.

Irgendwann ...

 

© Jennifer Klein

Ausklang

Mit dem freilyrischen Poem "Frei sein" von Jennifer Klein verabschiedet sich die Tintenfass AG für diesmal von euch, liebe Leserinnen und Leser. Wir hoffen, Ihr hattet viel Spaß. Mehr noch hoffe ich als Redakteurin, dass wir noch einige weitere Ausgaben auf die Beine stellen können. Es war nicht einfach, und alles braucht seine Zeit.

Wieder einmal bin ich beeindruckt, wie gut sich alles eingefügt hat. Wenn es so gut läuft wie dieses Mal wieder, macht es auch Spaß, ein Gemeinschaftswerk wie "Mixed Pixles - das eMagazin" zu organisieren.

Im Anhang findet Ihr noch die Originalfassung zum Fall Birgit Kinder, von der Seite ihrer Rechtsanwälte entlehnt. Des Weiteren stellen wir noch einige Bilder aus dem Magazin in Originalgröße zur Schau, da sie innerhalb der Texte vom System recht komprimiert wurden. Um einige ist es es schade, und so zeigen wir, wie sie richtig aussehen.

 

Als Mitglied der Tintenfass AG grüßt

 

Sina Katzlach

Anhang

Löschungsantrag gegen Marke “Test the Rest”, von Birgit Kinder gestellt:

Im Auftrag unserer Mandantin, Frau Birgit Kinder, haben wir einen Antrag vor dem Deutschen Patent- und Markenamt gestellt, um die Marken “Test the Rest” (Eintragung von 2010 und Eintragung von 2011) löschen zu lassen.

 

Die ESG East Side Gallery Merchandising GmbH hatte diese zuvor angemeldet und für zahlreiche Merchandising Artikel (Papierwaren, Schmuck, Bekleidung, Spiele etc.) als Marke schützen lassen. Die Marken erschöpfen sich in der Widergabe des berühmten Mauerbild von Birgit Kinder: der Trabant, der scheinbar die Berliner Mauer durchbricht.

Leider geschah die Anmeldung als Marke ohne Zustimmung der Künstlerin. Und leider wurde die Marken nach bisherigem Kenntnisstand nur verwendet, um Dritte abzumahnen. Nachdem auch Dritte abgemahnt wurden, denen die Künstlerin an sich die Nutzung ihres Bildes z.B. für die Erstellung von Postern erlaubt hatte, wurde Frau Kinder erst aufmerksam auf die Markenanmeldung. Der Aufforderung an die East Side Merchandising GmbH, dies zu unterlassen und die Markenanmeldungen zurückzunehmen, kam diese nicht nach. Im Gegenteil liess sie die Künstlerin abmahnen, weil diese sich der Verwertung der Marken angeblich unrechtmäßig in den Weg stellte. Das ist paradox, da die Künstlerin niemals ihr Einverständnis gab, dass ihr eigenes Bild als Marke angemeldet wird.

Überdies besteht an Bildern, die dauerhaft z.B. an öffentlichen Plätzen oder an öffentlich zugänglichen Bauwerken angebracht sind, die so genannte Panoramafreiheit, § 59 UrhG. Die Rechte des Urhebers sind dort stark eingeschränkt und er kann sein Werk nur schwerlich selber wirtschaftlich verwerten. Wie das Urteil des Bundespatentgerichts “Hooschebaa” ( BPatG, Beschluss vom 21.08.2008 – 27 W (pat) 30/08) zeigt, ist die Anmeldung eines solchen Werkes als Marke in der Regel nicht möglich. Man spricht dann von der Bösgläubigkeit einer Markenanmeldung. Insbesondere natürlich auch dann, wenn sich die Marke gegen den eigentlichen Urheber oder deren Erben wendet und im Ergebnis nur zum Zwecke der Abmahnung verwendet wird.

So sehen wir das auch im vorliegen Fall des Mauerbildes “Test The Rest” von Birgit Kinder. Das Kunstwerk hätte ohne Zustimmung der Künstlerin gar nicht als Marke eingetragen werden dürfen, da es dem Urheberrecht unterliegt. Und darüber hinaus darf ein Kunstwerk, welches der Panoramafreiheit unterliegt, nicht über den Umweg der Markenanmeldung letztlich von Dritten monopolisiert werden.

Ohne Gestattung durch den oder die Inhaber des Urheberrechts greift die Monopolisierung an der bildlichen Wiedergabe der urheberrechtlich geschützten Figur, die mit der Begründung des Markenschutzes als einem neben dem Urheberrecht stehenden eigenen Schutzrecht zwangsläufig verbunden ist, aber in die Rechte Dritter – nämlich des Inhabers oder der Inhaber des Urheberrechts – ein, was für sich genommen bereits eine Bösgläubigkeit i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG begründet. (BPatG “Hooscheeba”)

Nicht zuletzt ist die wahre East Side Gallery mit seinen Künstlern mittlerweile ein starkes Stück deutscher Kultur- und Kunstgeschichte. Sie muss erhalten werden. Und sie muss geschützt werden, gegen solche Versuche “feindlicher Übernahmen”.

Daher engagieren wir uns mit und für unsere Mandantin, die Marken löschen zu lassen, damit ihr Mauerbild “Test The Rest” wieder frei ist.

Ein Beispiel, dem weitere folgen könnten…*

 

*Originaltext auf der Seite von Breuer und Lehmann

 

 

 

 

 

   

Impressum

Texte: Die vertretenen Autoren
Bildmaterialien: dito
Lektorat: Sina Katzlach, Renè Deter, Leahnah Perlenschmuck
Tag der Veröffentlichung: 05.10.2014

Alle Rechte vorbehalten

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