Zu unserem Top-Thema
Herz-Diamanten: überall in unserem Leben begegnen wir ihnen, manchmal in freudiger Überraschung, dann wieder in tiefster Trauer. Wie das Leben selbst haben sie verschiedenste Schattierungen.
Begleitet uns, liebe Leser, durch unser Magazin, dessen Hauptthema"Herz-Diamanten" sich wie ein roter Faden durch die unterschiedlichen Beiträge zieht. Es wird von Freud und Leid die Rede sein, von Lichtseiten und Schattenseiten. Unsere Autoren haben ganz verschiedene Themen angepackt, ihre Interpretation unseres Arbeits-Mottos in Wort und Bild umgesetzt. Jede auf ihre Art spannend und interessant. Herzlich willkommen ...
Unser Magazin ist in mehrere Rubriken aufgegliedert. Vergleichbar ist dies mit Kapitel-Titeln, nur mit einem einzigen Unterschied: Innerhalb einer Rubrik werden ähnliche Texte in eine „Schublade“ gesteckt und gebündelt dem Leser zur Verfügung gestellt.
Anbei nun also unsere einzelnen Abteilungen und was sie enthalten:
Poetische Wort-Diamanten im wahrsten Sinne des Wortes zeigt Bild-Wort-Kompositionen und zwei Themen, die es in sich haben. Sowohl bei „Unbekanntes Sternenkind“ als auch in „Die Puppe“ blutet das Herz aufgrund der Tragik der zugrundeliegenden reellen Situationen.
Unser Herz-Diamant Wissen ist eine kleine Hommage an Christian Barnaard und … an das Herz als Organ.
In der Rubrik Unter uns gesagt kommt so einiges auf den Tisch, was unsere Autoren beschäftigt hat.
Der Herz-Diamant der Gesellschaft: Die Rubriken Wirtschaft und Finanzen werden von unserem Autor H. Bessler belegt, mit zwei hochinteressanten Sichtweisen, die zudem ein bisschen Aufklärung bieten.
Auch eine Ratgeber-Rubrik weisen wir vor. In Der Weg nach vorn kommt eine waschechte Rhetorik-Dozentin in Person von Enya Kummer zu Wort. Ihr Beitrag: Die Substantivierung von Verben.
Richtig zur Sache geht es ab: We are Independent! Angefangen mit einem Essay zum Thema „Märchen früher und heute“ geht es weiter mit einem Talk zwischen zwei ambitionierten und erfahrenen Autoren. Rede und Antwort steht uns Homo.Nemetiensis alias Dr. Andreas Fischer. Zudem stellen wir zwei Bände von „Die Andersnacht“ vor.
Ab Herz-Diamant Forum erfahrt Ihr ein bisschen über unsere Autorengemeinschaft. In Auszügen wird das liebste Kind unserer aushäusigen Homepage gezeigt.
Die Ausgabe wird abgeschlossen mit einem übergreifenden Thema: Was ist für uns Heimat?
Wir wünschen viel Spaß!
Auf besondere Art und Weise hat unser Autor Rene Deter das Bildmotiv unseres Arbeitsmottos "Herz-Diamanten" umgesetzt und auf dessen Basis poetische Wort-Diamanten geschaffen. Als weitere Highlights folgen zwei Poeme mit den Titeln "Unbekanntes Sternenkind" und "Die Puppe".
© Rene Deter
Das vorliegende Gedicht hat einen realen Hintergrund. Es war Anfang Dezember 2011, als an einem kleinen mecklenburgischen Fluss ein toter Säugling gefunden wurde. Das Kind hatte vermutlich eine Woche lang gelebt, bevor es am Ufer abgelegt worden war. Anfang Januar 2012 wurde es schließlich mithilfe öffentlicher Finanzierung und Spenden beigesetzt.
Kurz darauf entstand schließlich das vorliegende Gedicht, da das Schicksal des Neugeborenen viele Menschen der Region tief bewegt hat. Das Werk wurde kurz darauf von Rene Deter auf BookRix publiziert und erhielt eine immense Resnonanz in vereinter Trauer über das Schicksal. Im Jahr 2014 hat der Autor das Gedicht der zweiten Ausgabe von Mixed Pixles zur Verfügung gestellt und bereichert damit unser Arbeits-Motto: "Herz-Diamanten".
***
Oh Du, mein Sternenkind
Ruhe sanft in der Mutter Erde Schoß
Steig als ein Englein auf
Zu bewachen all jene
Kleine Wesen dieser Welt
Die all das Glück brauchen
Das Dir versagt worden ist
Gebe ihnen die Kraft
Die Du selbst nicht haben durftest
Gebe ihnen das Leben
Das Du nicht leben durftest
Gebe ihnen die Liebe
Die Dir versagt worden ist
Oh Du, mein Sternenkind
Möge Dein Schicksal aufrütteln
Und allen bewusst machen
Wie viel jedes Leben zählt
Und wie furchtbar es ist
Abgelegt zu werden
Als ein unbekanntes
Sternenkind
Text: © Rene Deter
Bild: © Eiskristall/Christa Philipps
Nirgends wird so viel Schrecken für ein Kind erfahren, wenn es einen grausigen Krieg erlebt. Ganz egal, wann oder wo, in einem Krieg gibt es selten Gewinner. Das folgende Gedicht von Rene Deter nähert sich dem Thema "Krieg" aus einer ganz speziellen Sicht an.
Siehst Du die alte Puppe liegen?
So verschmutzt, kaum sauber zu kriegen!
Ein Mädchen sie im Schrecken verlor,
dunkler Zeiten düst´rem Trauerflor.
Es musste aus der Heimat ziehen,
die Freundschaft war zum Hass gediehen,
die Liebe an den Krieg verloren,
durch falschem Glauben auserkoren.
Das kleine Mädchen verstand dies nicht.
So viel Düsternis statt reinem Licht.
Warum sollte es hier fortgehen,
nicht mehr der Heimat Schönheit sehen?
Niemand konnte es beantworten,
doch zog man hier weg allerorten.
Die Puppe blieb dem kleinen Mädchen,
einst gekauft im schönen Dorflädchen.
Der Weg war lang und auch reichlich schwer,
in dem Krieg gefangen, immer mehr.
Durch Soldaten wurd´ es weggedrängt,
in den Graben der Gosse gelenkt.
Bei einem Flugangriff es geschah,
die Bomben, sie schlugen ein so nah.
Das Mädchen ließ die Puppe fallen,
um sich an die Mutter zu krallen.
So blieb sie achtlos im Schlamm stecken
Fing an, zusehends zu verdrecken
Was zählt denn eine Puppe hier schon,
wenn das nackte Leben winkt als Lohn?
***
Verloren ist des Mädchens Schicksal
untergegangen in Schreckensqual.
Nur die Puppe erinnert daran,
zieht in ihren so traurigen Bann.
© Rene Deter (2013)
Unsere Autorin Clary hat sich Christian Barnaard vorgenommen und über ihn recherchiert. Der Artikel "Herz-Transplantationen" begleitet in der Folge ihren Bildbeitrag zum Thema "Herz-Diamanten".
© Clary
Christiaan Barnard – der Name ist wohl allgemein bekannt. Dahinter steckt der Mann, dem am 3.12.1967 in Kapstadt (Südafrika) die erste Herztransplantation gelang. Tragischerweise verstarb der Empfänger, Louis Washkansky, nur wenige Wochen später an einer Lungenentzündung. Auch in den folgenden Jahren starben die Empfänger von Herztransplantationen schon nach wenigen Tagen oder Wochen, bis man Anfang der 1980er ein neues Immunsuppressivum entdeckte. Da das Immunsystem das „neue" Herz als Fremdkörper einstuft, müssen Medikamente verabreicht werden, damit es nicht abgestoßen wird.
Mittlerweile sind die Überlebenschancen relativ gut; nach einem Jahr leben noch ca. 86%, nach 10 Jahren noch ca. 50% der Patienten. In Deutschland wurde die erste Herztransplantation übrigens 1969 vorgenommen. In der Zwischenzeit sind es hier ca. 300 – 400 Transplantationen pro Jahr. Die Wartelisten sind ungefähr doppelt so lang!
© Clary
In der Rubrik "Unter uns gesagt" kommen unsere Autoren mit mancher ungeschminkten Meinung zu Wort. Diesmal geht es um die "Generation Zukunft": Kinder und Jugend. Zu Wort kommen Gamefreak - eine jugendliche Autorin aus unseren Reihen - und Ute-Annemarie Schuster. Letztere hat von Berufs wegen viel mit Kindern zu tun und ist eine warmherzige Frau. In jeder Zeile, die sie verfasst, spürt man die Liebe zu dem, was sie tut, und zu ihrem Umfeld. Wo immer wir ihr begegnen, lesen wir ihre Worte mit Freude. Und fast immer regen sie zum Nachdenken an.
In den Medien ist immer mal wieder vom Fachkräftemangel die Rede. Überall sucht man fähige Arbeiter. Doch warum bildet niemand aus? Das Arbeitsamt führt massenhaft Berufsberatungen durch, doch ohne fruchtbare Ergebnisse. Dabei werden jedoch völlig falsche Dinge vermittelt.
So spielen Noten angeblich eine große Rolle. Bei genauerem Hinsehen lässt sich jedoch feststellen, dass Betriebe weniger auf Schulnoten als auf persönliche Kompetenzen (Stichwort Teamarbeit) und Auswahltests ihren Fokus legen. Um Bankkaufmann zu werden, wird lediglich eine Drei in den Kernfächern sowie ein Realschulabschluss benötigt. Einfach ist es jedoch noch lange nicht. Man schreibt hundert Bewerbungen und wenn man Glück hat, erhält man zehn Einladungen zum Bewerbungsgespräch.
Außerdem spielen Ausbildungsmessen eine immer größere Rolle. Jedoch sind die dort gegebenen Information teilweise lückenhaft. So sagte mir eine der größten deutschen Banken, man müsse sich für ein duales Studium 1 ½ Jahre vorher bewerben. Sucht man im Internet, findet man jedoch keine Stellenausschreibung und auch sonst keine weiteren brauchbaren Infos. Mittlerweile ist die Situation so „kritisch", dass die Agentur für Arbeit rät, sich über die Eltern eine Lehrstelle zu suchen. Doch kann das eine Lösung sein?
Wie soll ein Berufsanfänger so einen selbstständigen Charakter entwickeln?
Wie soll man einen Beruf finden, an dem sein Herzblut hängt? Geht man so nicht nur faule Kompromisse ein?
Lehrer am Gymnasium hingegen raten einem gänzlich davon ab, etwas Praktisches zu tun. Als Abiturient solle man schließlich studieren. Doch mit vielen Studienrichtungen kann man nichts anfangen. Der praktische Bezug fehlt. Man ist also keine Fachkraft, und da die Betriebe ja keine Zeit mehr haben, jemanden einzuarbeiten, wird man eher arbeitslos als jemand mit Berufsabschluss.
Die Theorie ist also schön, aber auch kein Allheilmittel für planlose Abiturienten. Nur: Was soll man tun?
Es gibt viele Möglichkeiten, nur leider auch wenig Chancen den Beruf zu seinem Herzdiamanten zu machen. Ich denke, ein Betrieb sollte sich die Zeit nehmen und ausbilden. Was in dieser Zeit vermittelt wird, bekommt der Arbeitgeber später in vielfacher Weise wieder zurück. Im Schnitt wird schließlich über 40 Jahre gearbeitet!
© Text: Gamefreak
Du lernst das schon noch!' Ja, nun bin ich ein bisschen am Grübeln. Begonnen hatte ich - zwecks Aufgabenstellung - die Geschichte in der Dritten Person. Dann jedoch hatte ich mir überlegt: Es ist keine andere Person, die was zu sagen hat, die ihre Lebensweisheit, ihre eigenen Kindheitserfahrungen und auch ihre Minderwertigkeitskomplexe hier aufblättert. Nein, das bin ich!
Um was geht es hier? Nun, es geht um Herz-Diamanten. Und es geht um Kinder! Detaillierter: Um Erziehung von Kindern. Wir merken oft gar nicht, was wir Kindern antun, mit unserem vorlauten Erwachsenengehabe und dem Drang, alles richtig machen zu wollen. Welche Verunsicherung wir anrichten, ist uns kein bisschen bewusst. Wir sind so erhaben und meinen, den Kindern permanent sagen zu müssen, wie sie sich richtig verhalten. Dabei verhalten sich diese Herzerln richtig, nur wir leider nicht immer.
Gestern kam ich zu den Nachbarn. Der kleine Kim riss die Tür auf und strahlte mich an, dass mein Herz butterweich wurde. Er ging neben mir her, und als wir dann in der Bauernstube waren, stellte er sich vor mich und schaute mich mit großen Augen an. „Meinst ...“ sag' ich zu ihm, „ich hab was für Dich?“
Seine Augen werden noch größer und strahlender. Er kneift den Mund ein bissel zusammen, um ihn dann lachend wieder aufzureißen. Zuckersüß, sag ich nur.
Ich hole so eine kleine Minitüte Gummibärli aus der Tasche, halte sie ihm hin. Er hat die Tüte noch nicht in der Hand, da kommt schon ein ganz leises DANKE. Ich bin natürlich gerührt, weil der kleine Zwerg grad mal drei Jahre ist. Drei Jahre und einen Tag, um es ganz genau zu sagen. Aus dem Wohnzimmer und aus dem Büro kommen eine tiefe und eine etwas schrillere Stimme: „WIE SAGT MAN???“
Ich sage sofort: "Kim hat DANKE gesagt." Hätt ja nun reichen müssen, oder?
Nein natürlich nicht, es geht weiter. „Das muss er und er muss das lernen und das gehört sich so, das geht nicht, dass er nicht danke sagt!“
„ER HAT DANKE GESAGT,“ sage ich noch einmal.
Genug??? Nein!!! „Ja Du nimmst das nicht so ernst, aber er muss es lernen!!“
Der Kleine ist inzwischen so verunsichert, dass er glaubt, etwas falsch gemacht zu haben. Toll, oder?
Nun versuche ich meine Gefühle als Kind zu beschreiben. O ja ich erinnere mich noch an: "Utchen, gib das schöne Händchen", "Utchen, sag der Tante laut und deutlich Guten Tag", "Utchen, man schaut die Leute an, wenn man mit ihnen spricht.", "Utchen, wie sagt man?"
Ja, nun hat Utchen sich jedes Mal überlegt (sie ist ein Mädchen und kann rechts und links bis heute nicht auseinander halten), welches denn nun das schöne Händchen sei. Vielleicht das, wo die Fingernägel sauberer oder wo weniger Schrammen drauf sind oder doch das, wo der Lakritzstern draufklebte?
Ja, und "Guten Tag" sollte das Utchen natürlich auch sagen, nur was bedeutete denn "Guten Tag" nun? Was war, wenn es regnete oder wenn man vorher den Po versohlt bekommen hatte? War das ein guter Tag?
An solchen Tagen wurde im Kopf ganz tief gegraben: 'Was soll ich hier sagen, was soll ich da sagen, wo sage ich hüh, und wo sage ich hott!' Da ja bekanntlich früher leichte Schläge auf den Hinterkopf das Denkvermögen erhöhen sollten, gab es meistens noch zwei oder drei auf den Kopf. Nun wusste ich gar nichts mehr, stand mit Tränen in den Augen vor der Tante oder irgendwem anders. Bis meine Mutter irgendwann meinen Arm nach vorn zerrte und der Tante hinstreckte.
„Guten Tag sagen“ war also nichts als eine Floskel. Nicht besser war es, wenn man die Leute anschauen sollte. Geht, denkt Ihr?
Nun ja: Nicht immer. Schaute ich jemanden an, hieß es: "Das macht man nicht, man schaut die Leute nicht so an." Wenn ich nicht schaute, dann hieß es: „Benimm dich und schau den Leuten ins Gesicht“. Wann sollte ich nun was machen? Ja, und dann kommt noch „Wie sagt man?“.
Immer wenn ich den Mund öffnete und Danke sagen wollte, keifte schon jemand dazwischen „Und Utchen, wie sagst DU?“ Lag es an der Betonung, das mein Danke nicht richtig klang, was war falsch an meinem Danke und wie sollte das DANKE sein, welches man von mir erwartete?
Ich war so verunsichert, dass ich gar nichts mehr sagte. Fazit war: „Unser Utchen ist verstockt, hat immer schlechte Laune und lachen kann es schon gar nicht." Betonung auf ES. Ich war nicht verstockt, ich war traurig, weil ich nichts richtig machte. Und ich hatte auch keine schlechte Laune. Mir saßen die Tränen im Hals, und wie soll man da lachen?
Nein das soll keine Lebensbeichte sein, ich möchte nur versuchen, meine Erfahrung als Kind an die Erwachsenen weiterzugeben. Die ja alle auch mal Kind waren: Vielleicht haben sie diese Maßregelungen nicht so schlimm empfunden. Es kann auch sein, dass ich es heute nur so deutlich spüre, weil ich als Kind so traurig darüber war, dass ich nie was richtig machen konnte.
Eigentlich ist mir ziemlich egal, was andere über mich denken. Meine Meinung ist: Lebt den Kindern genau das vor, was ihr von euch selbst erwartet. Kinder eifern ihren Eltern nach, weil sie versuchen, ihre Vorbilder nachzuahmen. Also seid auch Vorbilder.
Wer also das nächste Mal dieses „Wie sagt man“ oder „Gib das schöne Händchen“ im Mund hat, der sollte selbst einmal nachdenken, ob er weiß was es bedeutet. Und vor allen Dingen, ob dieses DANKE und das HAND GEBEN von ihm selbst immer so deutlich kommt, wie von dem Kind erwartet wird!
Beobachtet mal, wie fest die Hände in der Hosen- oder Rocktasche sind, wenn ihr einem anderen gegenübersteht.
© Ute AnneMarie Schuster
Früher war Alles besser: Noch vor ein paar Jahren nervte mich dieser Satz. Ich dachte mir: Wenn früher alles besser war, wieso ist es dann jetzt anders? Schließlich ist die DDR gescheitert und auch sonst ist nichts beständig. Dinge müssen sich verändern, um besser zu werden. Doch mittlerweile ändert sich meine Denkweise. Ich weiß, ich bin erst 16 Jahre alt, habe aber trotzdem das Gefühl, unser Bildungssystem in Sachsen-Anhalt hat sich verschlechtert.
Bereits im Kindergarten brachte man mir bei, was Respekt ist, und dass man sich diesen verdienen muss. Doch heute? Die Kindergärtner sind gestresst, und die lieben Kleinen tanzen ihnen auf der Nase rum.
Dann wurde ich eingeschult. In der Grundschule musste ich bereits im jungen Alter von sechs Jahren bis um eins oder halb zwei zur Schule gehen. Doch heute?
Die Kinder haben bereits um 12:00 Uhr Schulschluss und gehen dafür den Rest des Tages in den Kinderhort, wo sie wieder einmal nicht auf die Betreuer hören wollen!
Ich kam in die vierte Klasse und wurde am Ende des Schuljahrs fast nicht auf das Gymnasium gelassen, da ich beinahe eine Drei in Englisch bekommen hätte. Doch heute?
Die Zulassungsbeschränkungen sind abgeschafft. Ein Jeder kann auf das Gymnasium gehen, ganz egal ob man die vierte Klasse gerade so bestanden hat oder Klassenbester war. Jetzt entscheiden die Eltern, welche leider dazu neigen könnten, ihr Kind als hochbegabt einzustufen.
Ich kam in die fünfte Klasse, und man verbat mir, mich den Abiturienten zu nähern, da diese ihre Ruhe brauchen, um für ihre Prüfungen lernen zu können. Doch heute?
Ich werde geschupst, und über meinem Kopf spielt man Ball. Über Abstand brauchen wir erst gar nicht zu reden. Manche Kinder wissen nicht, was eine Klospülung ist, andere habe keine Ahnung von Respekt.
Ich kam in die sechste Klasse und beschädigte die Sporttasche eines Mitschülers. Dafür erhielt ich einen Eintrag ins Hausaufgabenheft, und meine Eltern mussten ihn unterschreiben. Sie schimpften kurz und belehrten mich, dies nicht mehr zu tun. Doch heute?
Da kommen die Eltern und beschimpfen das Kind, welchem der Schaden zugefügt wurde. Es kann ja nicht sein, dass sich dieses beschwert. Außerdem muss es einen Grund haben, warum ihr absolut liebes hochbegabtes Kind so reagiert. Dies kann natürlich nur daran liegen, dass ihr Sohn oder ihre Tochter provoziert wurde.
Gerade deshalb muss dass geschädigte Kind einen Tadel erhalten und nicht der Schuldige. Wenn nötig, hilft auch der Anwalt nach. Man hat ja sonst nichts zu tun.
Ich kam in die siebte Klasse und musste langsam beginnen, meinen Schulweg jeden Morgen alleine zu laufen. Doch heute?
Heute fahren die Eltern mit ihrem Auto auf den Schulhof, um ihre Kinder in die Schule zu bringen oder abzuholen. Da ändert auch ein Schild an der Einfahrt nichts. Beschwert sich ein Lehrer oder der Hausmeister und weist freundlich darauf hin, dass man auch draußen auf das Kind warten könnte, fangen die Eltern an, zu schimpfen und mit ihrem allen bekannten Anwalt zu drohen. Sie müssten schließlich ihr Kind abholen, denn gerade in der heutigen Zeit könne man das Kind nicht unbeaufsichtigt lassen.
Ich kam in die achte Klasse, und ca. die Hälfte meine Klasse war bereits sitzen geblieben. Doch heute? Heute wollen sie das Sitzenbleiben abschaffen. Alle können auf das Gymnasium gehen und keiner kann mehr sitzen bleiben. Toll! Sachsen-Anhalt kann sich schon einmal auf eine große Menge fauler Studenten einstellen. Sie haben es nicht mehr gelernt mit Wissen zu glänzen, nein sie haben einen Anwalt und Eltern, die wirklich alles für die lieben Kleinen machen würden. Wenn die Abinote nicht stimmt muss man natürlich dagegen anklagen. Doch wohin führt uns das Alles? Da kann einfach nichts Gutes rauskommen.
Mittlerweile bin ich froh, nächstes Jahr mein Abitur zu machen. Und dann kann ich endlich weg. Weg von diesen Zuständen und hin zu etwas Neuem.
Wenn ich eins gelernt habe, dann dass ich wohl kein Lehrer werden möchte. Denn ein solch sonniges Gemüt besitze ich leider nicht. Beim Blick auf unser heutiges Bildungssystem kann ich nur sagen: Früher war alles besser!
Text: © Gamefreak
Der Überfluss einer Wohlfühl-Gesellschaft
Die Natur lebt im Überfluss, sehen wir uns kurz das Überleben an. Ein Baum produziert Millionen an Samen, die wahllos verstreut werden, und einige finden den richtigen Platz. Der Mann erzeugt Millionen von Spermien, damit eines davon seinen Weg zum Ei findet. Ist die Natur sparsam?
Beileibe nicht, vieles wird im Überfluss produziert und dient dem Überleben. In der Natur können ALLE Überleben, jede Rasse auf ihre Weise. Dies ist bekannt.
Dann kam der Mensch mit seiner Intelligenz. Jetzt sind wir im Industiezeitalter, und wir tun unser Bestes, um zu überleben. Dabei beuten wir alle Stoffe gierig aus, um Waren zu produzieren, die zum Großteil nicht zum Überleben notwendig sind, uns jedoch von der Werbung suggeriert werden, dass wir sie kaufen. Durch den Erwerb fühlen wir uns besser, denn wir können damit die Menschen beeindrucken, die wir zwar nicht mögen, aber von denen wir dennoch abhängig sind. Zumindest glaubt dies die Mehrheit.
Hurra, hurra, wir produzieren Ware, wir kaufen Ware, der Handel blüht. Wirtschaft nennen das die Intelligenten von uns. Wir brauchen Wachstum in der Wirtschaft, tönt es aus allen Ecken. Also kauft Leute, kauft! Wirklich?
Die Gewinnmaximierung blüht, gespart wird überall. Alles dient nur dem einen Zweck: Um zu überleben. Aber hilft das wirklich? Wenn dem so wäre, so müsste ja der Gewinn, den ein Unternehmen macht, wieder in die Firma zurückfließen, um sie stabiler und beständiger zu machen. Doch das wird seit einiger Zeit nicht mehr so gehandhabt. Der Gewinn wird entweder gehortet, oder man sucht nach günstigen Ertragsmöglichkeiten, die da wären: Wertpapiere, Anleihen, Fonds und so weiter.
Jedenfalls wird das Geld zu Spekulationszwecken verwendet. Ein Großteil davon wird indessen einfach nur gehortet, weil die Risiken bei Spekulationsgeschäften sehr groß sind und immer mehr zunehmen, oder weil zu geringe Erträge erwirtschaftet werden.
Viele zerbrechen sich den Kopf darüber, wo und in welcher Form sie ihren Firmengewinn nutzbringend anlegen können. Irgendwie ist es aus der Mode gekommen, in den eigenen Betrieb zu investieren, wahrscheinlich deshalb, weil es von der staatlichen Seite Förderungen gibt, Subventionen genannt. Was wird denn heute nicht subventioniert? Alles und jedes. Man braucht ja nur jemanden zu kennen, der jemanden kennt, der genug Einfluss hat. Der Subventionswahnsinn greift um sich. Und bekomme ich keine Subvention, dann gibt es mehr Arbeitslose, so einfach ist das.
Eigenes Geld investieren? Das war gestern!
Mit der Ausbildung verhält es sich genauso. Wozu sollte man teuer ausbilden? Man holt sich die benötigten Facharbeiter halt aus dem Ausland. Die sind sowieso billiger und einfacher zu händeln als inländische, und die Politik spielt wieder munter mit.
"Und was haben wir für Chancen am Arbeitsmarkt?", begehren die heranwachsenden jungen Leute auf. "Lernt und bewerbt euch", so der Tenor. Die Wirklichkeit schaut jedoch anders aus als die realitätsfremden Meinungen derjenigen, die es eigentlich wissen sollten, aber zu bequem sind, sich ein eigenes Bild zu machen und dies auch umzusetzen.
Vor einigen Jahrzehnten galt die Arbeit als Herzdiamant, so wie eine Familie Halt und Sicherheit gibt. Wo früher Herzblut einfloss, wird dieses heuer durch Geld ersetzt. Doch Geld ist vergänglich! Der Wert der Arbeit sinkt. Viele suchen ganz einfach nur einen Job, um zu überleben. Vorbei sind die Möglichkeiten, sein Talent der Gesellschaft anbieten zu können, zumindest für die meisten von uns. Obwohl die Schulen Talente fördern, bleibt noch sehr viel zu tun, dass die potentiellen Berufsanfänger auch eine Arbeit finden, von der sie leben können.
Viele Begabungen werden zwar in der Schule gefördert, auf der psychologischen Seite auch dem jungen Menschen erklärt, sein Herzblut in der Arbeitssuche einzubringen, doch die Realität schaut oft ganz anders aus.
Der Herzdiamant verschwindet, und die Unlust macht sich breit, was sich in der Arbeitsleistung sowie auch in der niedrigen Bezahlung auswirkt. Das geht heute schon so weit, dass man kaum über die Runden kommt mit seinen Verdienst, ja, und der Staat springt schon ein, um diesen Menschen das Überleben zu sichern. Weit sind wir gekommen. Der Wert der Arbeit sinkt und sinkt. Unser Herzdiamant, falls noch vorhanden, wird kleiner und kleiner und wir fühlen uns so hilflos.
Gibt es Wege aus diesem Dilemma? Ja, sie sind hier und brauchen nur umgesetzt zu werden, doch dazu braucht es Mut und Vertrauen, nicht nur seitens der Politiker, sondern von uns allen. Wenn wir aufhören wegzuschauen, die Realität als ein Problem des Anderen sehen, dann wird uns auch hier der Durchbruch gelingen.
Wenn die Betriebe erkennen, dass Gewinnmaximierung nicht das Wichtigste ist, und wieder in die eigene Firma investieren, sind wir schon einen gewaltigen Schrit vorwärts gegangen. Die Natur macht es uns vor: nicht sparen, sondern den Überfluß des Geldes reinvestieren!
© H. Bessler
Das Pferd von hinten aufgezäumt
In der heutigen Zeit ist die Welt zusammengerückt. Wir beziehen Waren aus allen Ecken der Welt, kommunizieren in Echtzeit mit jedem Menschen auf der Welt. Dadurch verbreiten sich die Informationen wesentlich schneller als noch vor einigen Jahrzehnten. Dadurch wird es den großen und Mächtigen Firmenkonzernen immer leichter gemacht, sich die preiswertesten Waren und Dienstleistungen aus der ganzen Welt zu holen.
War es früher Taiwan, so ist es heute China, welche in den Besten Zeiten ein Wirtschaftswachstum von über 18% hatten. Heute liegen sie auf der Hälfte.
Die großen Konzerne lassen halt in Billiglohnländern produzieren, so denken viele . Das ist schon richtig, jedoch muss man beachten, dass dazu eine ungeheure Anzahl von diversen Zulieferern gehört. Alleine in der Autoindustrie gibt es mehr als 50.000 Zulieferer. In anderen Branchen ist es ähnlich. Und wer sind die Zulieferer? Nun: die mittelständischen und kleinen Betriebe, bis hin zu den Ein-Mann-Betrieben. Die Konzerne haben die Macht, sie besitzen die Aufträge, die aufgeteilt allen zugute kommen. Wenn man bedenkt, dass es 10% Konzerne und 90% Mittelstand und Kleinbetrieb gibt, do braucht es einen nicht wundern, wenn Ersterer schrumpft, weil die Arbeit nicht mehr regional vergeben wird, sondern in Billiglohnländer.
Die Preise werden gedrückt an allen Ecken, nur um ein Produkt billiger verkaufen zu können. Wer dabei unter die Räder kommt, hat halt Pech gehabt.
Dies sind die Gründe warum unser Mittelstand schrumpft und oft schon ums Überleben kämpft.
Natürlich sind die Konzerne nicht allein Schuld! Dazu kommt noch die Finanzwirtschaft, welche die Industrie in eisernen Klauen hält. Niemand entkommt ihr, und gibt es einmal Probleme weil sie zu gierig waren, na dann kommt ein Rettungsschirm, und der Steuerzahler bezahlt.
Die Finanzindustrie macht munter weiter bis zum nächsten Crash. Die Politik unterstützt dieses Treiben noch, denn die halten ihre Maßnahmen für den Stein der Weisen. Sie sehen aber nicht, dass der nächste Crash bereits vor der Haustüre steht. Und was dann? Ein neuer Schirm? Währung retten? Oh, die armen fast ohnmächtigen Politiker, die trotz der ungeheuren Begabung Steuergelder um die Ecke zu bringen, nicht über den eigenen Tellerrand schauen. Sie haben einfach keine Lösung, weil die meisten von ihnen die wirklichen Zusammenhänge nicht verstehen.
Wer den Film „Let's make Money" gesehen hat, weiß, wie die Finanzindustrie arbeitet. Darin wurden auch Zahlen genannt, wobei ich mir nur eines gemerkt habe: Die Summe an Geld, welches weltweit GEPARKT (also NICHT angelegt) wird, ist so groß, dass JEDER Erdenbürger (vom Baby bis zum Greis) Multimillionär wäre.
Na, ist das was? Wir wären alle Millionäre. Das wissen die wenigsten von uns. Noch einmal, um das auf der Zunge zergehen zu lassen: GELD in riesigen Mengen wurde dem natürlichen Kreislauf entzogen, um darauf zu warten, es gewinnbringend einsetzen zu können. Was wiederum die Abwärtsspirale in Gang setzt.
Spekulation ist im Grunde nicht falsch, doch es gehören ihr Grenzen gesetzt. Der Finanzindustrie gehören Grenzen gesetzt, doch das traut sich keiner, diese Lobby ist eine der Stärksten der Welt, und lässt sich nichts dreinreden. Sie bestimmen sowieso über uns – und wenn sie merken dass man Geld nicht essen kann: Dann ist es zu spät.
Nur wenn es uns gelingt, dieses brachliegende Geld in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen, wird es JEDEM von uns gut gehen. Keine Arbeitslosigkeit, keine Armut. Davon träumt ein jeder! Jetzt drängt sich nur mehr eine Frage auf: Ist das so gewollt? Dennoch nicht den Kopf hängen lassen, sondern die klügsten Köpfe von uns sollten sich dieses Problems annehmen und Lösungen durchsetzen. Alles ist machbar!
Text: © H. Bessler
Die Rubrik "der Weg nach vorn" ist unsere Ratgeber-Abteilung. In dieser Ausgabe erklärt die Autorin Enya Kummer die Substantivierung von Verben. Als Lehrerin ist sie eine Koriphäe auf diesem Gebiet, und sie hat schon so manchen Autor über viele Durststrecken geleitet. Ein Lektorat aus ihrer Hand ist definitiv ein "Herz-Diamant".
von Enya Kummer
Ob mir die Leidenschaft zum Lesen in die Wiege gelegt worden ist, kann ich nicht sagen, ich weiß aber, dass ich eine Leseratte bin, seit ich die Schriftsprache erworben habe. Ich lese also gern und viel, am liebsten natürlich gebundene Bücher. An E-Books habe ich mich inzwischen gewöhnt, und so konsumiere ich auch die vielen Beiträge im Netz, speziell in diversen Bücherforen. Beim Lesen stoße ich immer wieder auf so manches Problem, das die deutsche Rechtschreibung mit sich bringt. Niemand ist perfekt, und nach der Rechtschreibreform tun sich viele, besonders ältere Menschen schwer, all die Neuerungen zu verinnerlichen. Auch ich als Deutschlehrerin habe lange gebraucht. Es gibt Rechtschreibprogramme, die eine gewisse Hilfe bieten. Dennoch können diese nicht alle Fehler ausmerzen, denn einiges wird schlichtweg nicht erkannt.
Aufgefallen ist mir, dass viele Probleme haben mit dem Phänomen der Großschreibung von Verben. Wir haben gelernt, diese klein zu schreiben. Leider aber werden Verben manchmal zu einem Substantiv, das dann natürlich groß geschrieben werden muss. Nur dies erkennt ein Rechtschreibprogramm nicht, da es ja beide Schreibweisen für ein und dasselbe Wort gibt und solch ein Programm in dieser Hinsicht „dumm“ ist. Hier muss man also selbst überlegen. Zugegeben, das macht Mühe, aber wenn man ein paar Regeln beachtet, ist es gar nicht so schwer. Ich habe daher versucht, im Folgenden diese wenigen Regeln anhand von Beispielen zu erklären. Vielleicht mag es dem einen oder anderen helfen, in Zukunft Fehler zu vermeiden.
***
Und plötzlich wird das Verb groß geschrieben:
- Die Sonne scheint zum Fenster herein und ich schreibe.
- Während ich schreibe, stört mich mein Kater.
- Er stört mich also beim Schreiben.
- Das ärgert mich, denn wenn er fressen will, darf ich ihn auch nicht stören.
- Im Fressen sieht er eine Art heilige Handlung.
=> Im jeweils zweiten Satz ist das Verb schreiben/ fressen plötzlich zum Nomen (Substantiv/Namenwort) geworden und muss dementsprechend groß geschrieben werden.
Wie nun erkennt man, ob es sich um ein Verb handelt oder um ein Nomen? Nicht immer ist dies ganz einfach zu entscheiden, aber es gibt ein paar Regeln, die helfen.
Ich werde im Folgenden versuchen, diese zu erklären (so mein Kater mich lässt) und an Beispielen deutlich zu machen. Bleiben wir also erst einmal bei meinem Kater.
der, die, das, ein, eine...
=> Wir alle wissen, dass man Nomen u.a. auch an dem vorausgehenden Artikel erkennt. Dies gilt nun auch, wenn ein Verb zum Nomen wird.
- Das Schreiben stört meinen Kater
dieser, jener, welcher, mein, dein... kein
- Mein Schreiben (Dieses Schreiben) stört meinen Kater.
- Beim Schreiben (bei dem Schreiben) habe ich keinen Blick für meinen Kater.
- Im Schreiben (in dem Schreiben) gehe ich völlig auf.
- Am Schreiben (an dem Schreiben) verzweifelt so mancher.
- Durchs Schreiben (durch das Schreiben) werde ich ruhiger.
- Schnelles Schreiben macht mich müde.
=> Hier kann man auch wieder den Artikel einsetzen:
- Das schnelle Schreiben macht mich müde.
- Mit langsamem Schreiben vermeidet man Fehler.
- Sie ist traurig, aber Schreiben erleichtert sie.
(Wer oder was erleichtert sie? - das Schreiben)
- Dem Schreiben misst sie keine Bedeutung zu.
(Wem miss sie keine Bedeutung zu? - dem Schreiben)
- Ich habe Schreiben erlernt.
(Wen oder was habe ich erlernt? - das Schreiben)
z.B.: allerlei, alles, etwas, genug, nichts, viel, wenig
- Alles Schreiben nützt ihr nichts.
- Das viele Schreiben strengt an.
- Etwas Schreiben tut gut.
=> Verben werden immer klein geschrieben, wenn „zu“ dabeisteht oder wenn das Verb in einem Nebensatz auftaucht.
- Es fällt mir schwer, diesen Brief zu schreiben.
- Es sollte ruhig sein, wenn wir schreiben.
- Ich habe gelernt, zu schreiben.
- Es strengt mich an, viel zu schreiben.
- Etwas zu schreiben tut gut.
- Es erleichtert sie, zu schreiben.
=> Die Substantivierung von Verben hilft auch, komplizierte Nebensätze zu vermeiden.
- Beispiel: “Sie ärgert sich immer, dass der Kater sie stört, wenn sie schreibt.“
- „Ich habe festgestellt, dass ich ruhiger werde, wenn ich schreibe.“
- Sie ärgert sich immer, dass der Kater sie beim Schreiben stört.
- Ich habe festgestellt, dass ich durchs Schreiben ruhiger werde.
Dies sind zwei einfache Beispiele.
=> Exkurs: Kompliziert wird es, wenn es sich um Substantivierungen handelt, die aus einem Verb und mehreren anderen Wörtern handelt.
Grundregel: Hier werden die einzelnen Wörter zusammengezogen, manchmal auch mit Bindestrichen getrennt.
Beispiele:
- Das Zustandekommen der Gruppe ist fraglich.
- Ein Sichärgern bringt nichts.
- Das Aus-der-Haut-Fahren hat ihm geschadet.
=> Allerdings sind diese Verbindungen stilistisch nicht unbedingt schön und man sollte sie vermeiden.
So, nun hat mein Kater mich doch tatsächlich beim Schreiben in Ruhe gelassen. Jetzt bekommt er natürlich etwas Leckeres.
Übung (aus einem Grundschulbuch): Groß oder klein?
- Sie (spielen) am liebsten mit den Hunden.
- Beim (angeln) hat er keinen Fisch gefangen.
- Peter mag nicht mehr (angeln).
- Ihre liebste Beschäftigung ist (malen).
- Am Morgen konnte ich dem (zwitschern) der Vögel lauschen.
- Im Schwimmbad ist (springen) vom Beckenrand verboten.
- Es ist nicht erlaubt, in der Einfahrt zu (parken).
- Warum ist (parken) in der Einfahrt verboten?
- Jeden Tag vermisst sie das (kuscheln) mit Teddy.
- Die Hunde des Nachbarn (bellen) oft.
- Manches (bellen) macht mich verrückt.
- Gemeinsames (singen) macht Freude.
- Es macht Spaß, gemeinsam zu (singen).
Lösungen: klein, groß, klein, groß, groß, groß, klein, groß, groß, klein, groß, groß, klein
© Enya Kummer
Independent Writers - klingt das nicht wie ein Traum? "Unabhängige Autoren" auf Deutsch. Keinen Verlagslaunen unterworfen zu sein, zu schreiben, wie es grad passt. Wie die Autoren der Tintenfass AG dies so sehen und was Selfpublisher bieten: Siehe wie folgt!
Gestern und Heute
eine subjektive Betrachtung
Märchen, diese uralte Form von Fantasy, einst wie die Sagen, mit denen sie häufig eng verwandt sind, mündlich über Jahrhunderte tradiert, faszinieren bis auf den heutigen Tag vor allem Kinder. Aber auch Erwachsene lassen sich immer wieder gerne in die phantastische Welt der Märchen hineinziehen.
Spätestens wenn die eigenen Kinder geboren werden, ist die Welt der Märchen wieder aktuell. Nicht zuletzt ist es ein Verdienst der großen Märchen- und Sagensammler wie den Brüdern Grimm, Heinrich Pröhle, den Brüdern Zingerle oder Ludwig Bechstein der romantischen Zeit, dass Märchen uns bis heute erhalten geblieben sind und sich ungebrochener Beliebtheit erfreuen. Und wenn wir ehrlich sind, so ist auch die moderne Fantasy nichts anderes als Märchen. Allerdings wurde der Kontext in vergangener Zeit anders verfasst und interpretiert als heute. Oftmals erfüllten sie erzieherischen Zweck. Wir sehen sie heute als Geschichten für Kinder, die von fantastischen Wesen erzählen, von verwunschenen Prinzessinnen, bösen Zauberern oder hilfreichen Tieren. Mal geht es unheimlich zu, mal herzallerliebst.
Zuweilen findet man auch gläubige Grundgedanken in Märchen. Abgesehen davon, dass diese bis in die heutige Zeit abgeschliffen wurden, verwerfliche Stellen und sogar ganze Exponate keinen Weg mehr in die Sammlungen fanden, sollten die Märchen früher häufig warnen und ein sittsames und tugendreiches Leben anpreisen (z. B. die Märchen um Frau Holle), wenngleich es auch Ausnahmen gibt und gab. Die Kern-Aussagen: Nur wer hilfsbereit ist und seine Tugend bewahrt, wird dafür belohnt.
Wer jedoch verwerflich handelt, faul ist, sich dem Teufel verschreibt oder böse ist, wird bestraft, und das meist nicht gerade zimperlich. Man erinnere sich nur an die Hexe, die von Gretel in den Ofen geschoben wird, damit sie dort verbrennt (Hänsel und Gretel). Aus heutiger Sicht mag das moralisch fragwürdig sein. Damals jedoch war es eine eindringliche Warnung, die nicht nur Kindern galt.
In der Vielschichtigkeit der Volksmärchen drückt sich aber auch die Sehnsucht nach Geborgenheit und Reichtum aus, denn häufig wurden diese Geschichten eher in ärmeren Bevölkerungsschichten erzählt. Man wünschte sich ein geborgenes Leben, vielleicht auch etwas mehr als das, was man besaß. Ein Märchen konnte zumindest im Traum diese Illusion erzeugen.
Ein anderer Gesichtspunkt ist, dass Märchen damals nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen erzählt wurden. Geselligkeit wurde großgeschrieben, um die oftmals harten Arbeitsbedingungen erträglich zu machen. Dementsprechend wurde zuweilen eine derbe und allgemein verständliche Sprache verwendet. Man redete Klartext und benannte die Dinge beim Namen.
In den heutigen Fassungen sind diese Wildheit und Ursprünglichkeit nicht mehr spürbar. Man mochte Kindern, auf die sich die Märchen immer mehr zuschnitten, nicht mehr diese Derbheit zumuten. Wenn man sich jedoch die heutige Sprache der Jugend betrachtet, so ist sie häufig wesentlich derber als die der alten, mündlich erzählten Märchen. Da hat sich insgesamt ein deutlicher Sprachwandel vor allem in den letzten Jahrzehnten vollzogen.
Bereits die Brüder Grimm hatten im Laufe der 7 zu Lebzeiten erschienenen Fassungen reichlich an den Märchen geschliffen, um die groben Volksmärchen zu „Kinder- und Hausmärchen" zu machen. Deshalb ist es erstaunlich, dass immer noch die Hexe verbrannt wird, das Rumpelstilzchen sich explosionsartig in Luft auflöst oder die Pechmarie mit flüssigem Pech übergossen wird. Das würde sicher kein Mensch überleben. Das gilt natürlich auch für den Wolf bei Rotkäppchen und diversen anderen Gestalten aus den Märchen alter Zeit.
Aus heutiger Sicht wirkt dies zwar eher lächerlich, denn die Märchen unserer Zeit in Form großer Fantasy-Epen bieten da viel mehr Erotik und Gewalt. Man denke nur an den Serienerfolg „Game of Thrones", in dem es nicht nur in Sachen Sex zur Sache geht, sondern auch reichlich Köpfe rollen. Die Verfilmung des großen episch angelegten Werkes von George R.R. Martin ist aber nur ein Beispiel. Was ist dagegen schon eine verbrannte Hexe?
Zurück zu den Märchen. Natürlich gibt es heute zahlreiche Fassungen, die offline als Buch oder online als unzählige Ebook-Fassungen erhältlich sind. Vor allem die Sammlungen Grimms sind da zu erwähnen, während andere Werke ins Hintertreffen geraten sind. Das zeigt eine ungebrochene Beliebtheit an. Nach wie vor träumen sich Menschen gerne in fremde Welten, in denen das Gute siegt und das Böse verliert. Und manches Märchen ist auch heute noch ein Lehrmärchen, um Sitten und Tugend zu zeigen. Ob diese Lehren dann in der heutigen Zeit angenommen werden, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.
Vielen Kindern und Jugendlichen sind die Werke alter Zeit zu lahm und unspannend. Es muss mehr Action geben oder die Liebe breiter erzählt werden. Und spätestens ab einem gewissen Alter sind dann Märchen komplett out .Schlussendlich müssen dann schon Werke wie „Harry Potter", „Twilight - Biss zum...", „Vampir-Academy", „Eragon" oder die bereits oben erwähnte Reihe von George R.R. Martin (dt. „Das Lied von Eis und Feuer") her. ... © Rene Deter
Zwei interessante Autoren haben sich zu unserer Talkrunde gefunden. Als Interviewer steht uns Rene Deter zur Verfügung, einer der vielseitigsten Independents aus unseren Reihen. Von Märchen bis Poemen bis Vampir-Sagen bis Erlkönig-Eigeninterpretationen ist nichts vor ihm sicher.
Sein Gesprächspartner ist Dr. Andreas Fischer, Administrator der größten Gruppe auf BookRix und Verfasser der Trilogie "Die Andersnacht" - ein etwas anderer Epos im wahrsten Sinne des Wortes. Leseproben aus seinen Werken folgen im Anhang, inklusive einer Rezension.
Viel Spaß nun beim Talk ...
Ihre und Eure: Tintenfass AG
Einleitungs-Frage: "Sehr geehrter Dr. Fischer, es freut uns sehr, dass Sie sich zu einem Interview zur Verfügung stellen. Wie wir wissen, haben Sie als Linguist promoviert. Könnten Sie uns und unseren Lesern etwas über das Berufsbild des Linguisten erzählen? Warum haben Sie diesen Beruf für sich ausgewählt?"
Dr. Fischer: "Die Sprachwissenschaft ist, salopp formuliert, die Physik der Sprache. Sprache wird in ihren Naturgesetzen (Satzbau, Formenlehre, Lautbildung) untersucht, ihre Bestandteile (Texte, Sätze, Wörter, Wortteile, Silben, Laute, Lauteigenschaften) werden in ihrer Art und Beschafenheit bestimmt, ihre Entwicklungsgeschichte wird durchleuchtet und einige waghalsige Forscher wollen sogar ihren Ursprung ergründen. Die Sprachwissenschaft hat also wie die Physik naturwissenschaftliche Grundzüge und beherbergt diverse Unterdisziplinen. Man kann sich beispielsweise mit dem Erwerb der Muttersprache bei Kindern beschäftigen, mit Übersetzungstheorie oder bei der Kripo anonyme Anrufer auf ihre Dialektzugehörigkeit und Beschaffenheit ihres Vokaltraktes untersuchen. Linguistik ist also ein sehr weites und äußerst spannendes Feld. Zur Sprachwissenschaft gekommen bin ich eigentlich durch unseren damaligen Lateinlehrer. Der hat nämlich immer wieder Texte in verschiedenen Sprachen mitgebracht und uns die Unterschiede erläutert. Da hats mich gepackt."
Rene Deter: "Sie sind ja auf der Self-Publishing Plattform BookRix sehr engagiert. Was treibt Sie dazu an, sich mit anderen Autoren und werdenden Autorenauszutauschen?"
Dr. Fischer: "Als Autor ist es einfach wichtig, sich austauschen zu können, und dafür bietet eine so große Plattform wie BookRix nunmal sehr gute Bedingungen. Es bringt ja nichts, nur für die Schublade zu schreiben. Irgendwann möchte man ja auch wissen, welche Wirkung die eigenen Ideen und Texte erzielen. Dazu kommt, dass eine Plattform dieser Art auch Synergien hervorbringt. Das ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil."
Rene Deter: "Wie sehen Sie die Zukunft von Self-Publishing? Sehen Sie das Selfpublishing als die Publishingform der Zukunft an? Wird es das traditionelle Publizieren verdrängen können?"
Dr. Fischer: "Ich denke, dass das Self-Publishing weiter an Bedeutung gewinnen wird. Dennoch werden klassische Verlage bestehen bleiben. Im Grunde widersprechen sich die beiden Konzepte ja auch nicht. Bei der weiteren Entwicklung des Self-Publishings kommt es natürlich sehr darauf an, wie sich das Internet als tragendes Medium verändert und was es zukünftig an verfügbarer Hardware geben wird. Das Self-Publishing ist also dynamischer in seinem Wesen, was Vorteil, aber auch Nachteil sein kann."
Rene Deter: "Über BookRix haben Sie mittlerweile einige Bücher in den Ebook-Verkauf gebracht, darunter die Andersnacht-Trilogie, deren erste beiden Teile bereits vorliegen. Was hat Sie als Linguisten dazu inspiriert, diese außergewöhnliche Trilogie über das Anderssein zu verfassen?"
Dr. Fischer: "Ganz einfach: Mein eigenes Anderssein. Ich lebe mit einer Sehbehinderung und erfahre dadurch die Welt anders als meine Mitmenschen. Dazu kommen auch noch ein paar Mobbing-Erfahrungen während der Schulzeit. Alles zusammen hat letztlich meine Perspektive auf die Welt geschaffen. In "Andersnacht" geht es hauptsächlich darum, etwas, das die Umwelt als Makel auffasst, als eigenen Vorteil wahrzunehmen. Das Buch ist insofern autobiographisch, als dass ich eigene Erfahrungen verarbeite. Ich möchte damit aber auch anderen Menschen Mut machen, sich selbst nicht abzuwerten. Jeder von uns ist einzigartig und das ist ein Umstand, der nun einmal die Natur des Menschen ausmacht. Wir sind einfach nicht dafür geschaffen, im Gleichschritt zu marschieren."
Rene Deter: "Wann ist mit dem abschließenden dritten Teil zu rechnen?"
Dr. Fischer: "Vermutlich wird er Anfang Juni zu haben sein. Es ist allerdings noch einiges dran zu machen, aber das wird schon."
Rene Deter:
"Die Andersnacht Trilogie verbindet Fantasy mit Gesellschaftsdrama und lyrischen Beschreibungen und lässt sich auf diese Weise in keine gängige Schublade pressen. Welchem Genre würden Sie selbst die Trilogie zuordnen?"
Dr. Fischer: "Für mich ist es ein Fantasy Gesellschaftsdrama. Es ist weder eindeutig Fantasy, noch eindeutig Drama, weshalb auch Band 1 in die Kategorie Fantasy, Band 2 aber in Drama eingeordnet ist. Die Kernaussage der Trilogie ist ja, dass die eigene Individualität etwas sehr Wertvolles ist, und dieser Umstand wird auch in der Genrezuordnung des Buches ersichtlich, nämlich dadurch, dass es sich nicht einordnen lässt."
Rene Deter: "Sie haben eben schon über die Inspiration zu Andersnacht gesprochen. Welche Gedanken und Gefühle hegen Sie, wenn Sie sich den fertigen Text ansehen? Was wünschen Sie sich vom Leser der Trilogie? Was sollte er für sich aus der Geschichte um Anders mitnehmen?"
Dr. Fischer: "Der fertige Text ist etwas, das über Jahre hinweg gewachsen ist. Daher ist es für mich ein wichtiger Schritt gewesen, das Buch jetzt abzuschließen und vorzustellen. Die Leserinnen und Leser sollten sich einfach nur auf die Geschichte einlassen und nicht von den einleitenden eher lyrischen Kapiteln abschrecken lassen. Ich möchte niemandem eine bestimmte Lesart der Handlung vorschreiben. Ich denke aber, dass die meisten Menschen zum selben Ergebnis kommen werden, wenn sie die Geschichte lesen."
Rene Deter: "Die Cover zu den den Andersnacht-Bänden sind ja sehr mysteriös gehalten. Welche Beweggründe gab es, gerade diese Cover gestalten zu lassen?"
Dr. Fischer: "Da muss ich zunächst mal hervorheben, dass die Covers von Bonnyb gestaltet worden sind, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Sie ist eine kreative Künstlerin, die die Stimmung der Geschichte gut eingefangen hat. Auf den Darstellungen sind stets Symbole aus der Handlung eingefangen. Wichtig ist dabei, dass der Protagonist auf dem Cover mit sich selbst und all seinen Schwächen und Handicaps im Reinen ist. Er verheimlicht nichts von sich selbst, daher die Kleiderwahl. Natürlich wird er dadurch angreifbar und verletzlich, aber das ist Teil der Kernaussage des Buches."
Rene Deter: "Die Andersnacht Trilogie ist nicht Ihr erstes veröffentlichtes Werk. Bereits zuvor haben Sie die Novelle „Das Haus der Eulen" veröffentlicht sowie einige BookRix-interne Werke. Wann hat Sie die Lust am Schreiben gepackt?"
Dr. Fischer: "Ach, das ist schon während der Schulzeit passiert. Damals habe ich kleine Science-Fiction-Episoden in Schulhefte geschrieben. Von Zeit zu Zeit kommt die Leidenschaft dann wieder und ich schreibe, was mir gerade einfällt."
Rene Deter: "Wann schreiben Sie am liebsten? Sind Sie da mehr nachtaktiv oder bevorzugen Sie den Tag? Hören Sie Musik dabei oder schreiben Sie in aller Stille?"
Dr. Fischer: "Da ich sehr emotional auf Musik und ihre Stimmungen reagiere, kann ich nicht schreiben, während etwas im Hintergrund läuft. Das würde mich zu sehr ablenken und es ist auch schwer, zu jeder Szene die passende Musik zu finden. Ansonsten schreibe ich eher bei Nacht."
Rene Deter: "Lassen Sie in ihren Texten auch linguistische Ansätze einfließen oder trennen Sie das strikt voneinander?"
Dr. Fischer: "Ich trenne es mittlerweile ganz strikt. Ich habe leider bemerkt, dass zu viel Nachdenken beim Schreiben ziemlich hinderlich ist. Die linguistisch korrekte Form kann man dem Text später bei der Überarbeitung ja immer noch geben. Beim Schreiben geht es zunächst um das Einfangen der Ideen, da sind Konzepte jeglicher Art im Weg."
Rene Deter: "Was macht mehr Spaß? Die Arbeit als Sprachwissenschaftler oder das Schreiben als Autor?"
Dr. Fischer: "In beiden Bereichen ist Kreativität gefragt. Daher macht mir beides großen Spaß."
Rene Deter: "Welche Literatur bevorzugen Sie privat? Haben Sie bestimmte Lieblingsautoren oder Bücher?"
Dr. Fischer: "Privat lese ich vorrangig Sachbücher, natürlich auch über Sprachwissenschaft."
Rene Deter: "Können Sie uns etwas über Ihre nächsten Projekte erzählen. Sind weitere Romane geplant? Wie sehen Sie Ihre Zukunft als Autor?"
Dr. Fischer: "Derzeit ist ein weiteres Buch in Arbeit, das ins Genre Humor gehört. Es handelt sich um eine Sammlung von drei heiteren Krimiparodien in einem Buch. Außerdem ist ein weiterer Roman geplant, der sich inhaltlich an die "Andersnacht" anschließt, allerdings in seinem Aufbau ganz eigene Wege geht."
Rene Deter: "Welchen Rat würden Sie angehenden Jungautoren geben, die gerne einmal etwas veröffentlichen möchten, sei es intern auf der BookRix-Plattform oder als Verkaufsbuch im Ebook-Handel?"
Dr. Fischer: "Wenn man noch eher am Anfang steht, sollte man noch nicht gleich in den Handel gehen, sondern erst ein wenig Kritik und Meinungen einholen, was sich auf BookRix ganz gut bewerkstelligen lässt, denn es gibt hier sehr viele hilfsbereite und kompetente Autoren und Coverdesigner. Man sollte nicht vor Kritik zurückschrecken, sondern überlegen, ob man sie umsetzen kann. Wenn man in den Handel gehen möchte, dann sollte das Buch ein gewisses Qualitätsniveau vorweisen, Rechtschreibung und Grammatik sollten ordentlich sein, die Handlung möglichst wenig an bereits vorhandene Werke erinnern. Dazu ist es wichtig, das Werk ausreifen zu lassen. Mal eben in drei Monaten einen Roman zu schreiben, ist völlig unrealistisch, denn ein Text sollte im Anschluss an das Schreiben ja auch noch überarbeitet und korrigiert werden."
Rene Deter: "Zum Abschluss würden wir gerne Ihre Meinung als Linguist einholen. Zunehmend beobachtet man in der deutschen Sprache die Verwendung von Anglizismen, verrohter und häufig verkürzter Ausdrucksweise oder auch die Verwendung von Abkürzungen im schriftlicher Sprachgebrauch. Das zieht sich zunehmend auch in die Literatur hinein und gestaltet neue Formen von literarischen Texten. Wie sehen und beurteilen Sie diese aktuellen Entwicklungen?"
Dr. Fischer: "Da muss man sehr stark differenzieren. Fremdwörter aus dem englischen sind, sofern sie sinnvoll eingesetzt werden, z.B. einen neuartigen Gegenstand bezeichnen, nichts Schädliches. Die deutsche Sprache hat seit Jahrhunderten Fremdwörter aus allen möglichen Sprachen bezogen, was teilweise auch von den jeweiligen Moden der Epoche abhängig gewesen ist. Problematisch sind Anglizismen aber da, wo sie etwas verdrängen, das nicht verdrängt zu werden bräuchte. Werbeslogans sind so ein Fall.
Es gibt keinen linguistischen Grund, einen vollständigen Satz in einer anderen Sprache zu verwenden, denn das Deutsche kann ja vollständige Sätze bilden. Bei Werbeslogans und Produktnamen würde ich mir schon etwas mehr Fingerspitzengefühl seitens der Texter wünschen.
Allerdings muss man sagen, dass die Gesamtsituation der deutschen Gegenwartssprache recht gut ausschaut. Es gibt nämlich ein Phänomen, das für eine Sprache sehr viel bedrohlicher ist als eine Ansammlung von Fremdwörtern, nämlich den Umstand, nicht mehr benutzt zu werden.
Wir als Sprecherinnen und Sprecher des Deutschen haben massenhaft Medien in unserer Sprache zur Verfügung. Wir werden also nicht so schnell Gefahr laufen, für entscheidende Lebenssituationen eine andere Sprache benutzen zu müssen. Das ist nicht in allen Ländern Europas der Fall. Dennoch muss man auch hier ein warnendes Wort anbringen: Es gibt Bereiche, in denen sich das Deutsche zurückdrängen lässt.
In der Wissenschaft beispielsweise ist die Zahl der Neuveröffentlichungen in deutscher Sprache rückläufig. Auch in verschiedenen Stilrichtungen der Musik wird es eher selten gebraucht. Da läuten derzeit zwar noch keine Alarmglocken, aber es könnte sich in ein paar Jahrzehnten durchaus zu einem Problem auswachsen. Daher ist die beste Empfehlung, die Sprache weiterhin zu benutzen und sich auch mal zu trauen, sie auf Bereiche auszudehnen, in welchen sie eher unterrepräsentiert erscheint.
Als Beispiel sei die Musik angeführt: Es wäre doch schade, wenn wir in zwanzig Jahren nur noch 08/15-Schlager auf Deutsch hätten. Die Sprache sollte auch in Pop, Rap, Metal etc. vorhanden bleiben. Als Autor ist man in der glücklichen Lage, dass man die Entwicklung der Sprache mitbestimmen kann. Daher lautet mein Wunsch an die Leserinnen und Leser, seid kreativ!
Nutzt die vielfältigen Mittel und Ausdrucksformen der Sprache, bildet etwas Neues, Einzigartiges und Unverwechselbares!
Sprache ist etwas Wundervolles, also nutzt sie!"
Rene Deter: "Herzlichen Dank für Ihre ausführlichen Antworten."
Klappentext: Anders ist ein Außenseiter. Er weiß nicht, warum die meisten Menschen ihn nicht akzeptieren. Eines Tages jedoch verändert sich sein Leben schlagartig. Als ein Sturm aufkommt, wird Anders aus seiner Welt gerissen und begibt sich auf eine Reise an einen ihm fremden Ort. Dort lernt er Menschen kennen, denen er vertrauen kann. Doch bald erfährt er, dass sich seine neuen Freunde in großer Gefahr befinden.
Band 1 - "Südwind" bildet den Auftakt zu einer ungewöhnlichen Trilogie, in der sich tiefe Emotionen, haltlose Phantasie und die Symbolik der Natur auf unvergleichliche Weise miteinander verbinden und etwas erschaffen, das größer ist als die Summe seiner Teile. "Die Andersnacht" enthält Elemente der Genres Fantasy und Gesellschaftsdrama, die eine neuartige literarische Symbiose eingehen.
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Südwind
Die Seitenstraße wand sich in mehreren engen Schlingen durch den Wald. Ich benutzte meistens diesen Weg. Er war mir lieber, da er nicht durch die Wohngebiete der Stadt führte, in denen um diese Zeit viel zu viel Trubel herrschte. Vor ihren unnachgiebigen Blicken war ich dort nicht sicher. Hier jedoch war es ruhig. Nur der Wind war zu hören, der mich heute begleiten wollte.
Mein Name war Anders. Und so schien ich auch für die Menschen zu wirken, denen ich bisher begegnet war; anders. Es hatte schon in meiner frühen Kindheit begonnen und sich seither immer weiter ausgebreitet. In der Schule wurde ich nur geduldet, oftmals auch offen angefeindet, aber nie einbezogen. Hinter meinem Rücken tuschelten sie über mich, wildfremde Leute, die mich überhaupt nicht kennen konnten. Woran das lag, hatte ich nie in Erfahrung bringen können.
Mit der Zeit war es für mich zu einer traurigen Gewohnheit geworden, abgelehnt und abgesondert zu werden.
Vom Waldrand hatte ich es nicht mehr weit, doch ich musste mich beeilen. Es sah nach Regen aus; der Himmel war grau in grau und schon den ganzen Morgen hatte sich die Sonne nicht blicken lassen. Zudem wurde der Sturm merklich stärker. Er war keineswegs kalt, nur recht heftig. Er verhieß nichts Gutes, bestimmt Gewitter.
Ich war froh, als ich zu Hause ankam, denn ich hatte ganz und gar nicht die Absicht gehabt, in einen Schauer zu geraten. Nachdem ich mich noch einmal nach dem unheilvollen Gewühl am Himmel umgeschaut hatte, stieg ich die Treppe hinauf bis zur Tür. Erst dort suchte ich den Schlüssel. Ich war ein bisschen müde. Das kam wohl davon, dass ich mich auf dem Heimweg so beeilt hatte.
Als ich dann endlich in der Wohnung war, ließ ich mich erschöpft in einen Sessel fallen und blickte durch das Fenster nach draußen. Die Büsche und Sträucher zitterten im Wind, der heute aus dem Süden wehte. Das war das Ungewöhnliche daran, denn meistens kam er aus dem Westen, aber Südwind - da würde bestimmt eine gehörige Ladung Sand aus der Sahara mitkommen.
Der Himmel wurde immer schwärzer, doch der Regen ließ auf sich warten. Stattdessen nahmen die Sturmböen an Heftigkeit zu. Ich hörte die Zugluft durch die Türritzen pfeifen und sah, wie ein paar Papierfetzen und Plastiktüten über den Rasen fegten.
Dann war für einen Augenblick Stille. Die Büsche richteten sich wieder auf, so als würden sie schon nach dem nächsten Windstoß Ausschau halten. Es dauerte allerdings eine Weile, bis dieser eintraf. Er kam mit einer solchen Wucht heran, dass zahllose Blätter und manchmal auch ganze Zweige weggerissen wurden und davontrieben.
Staub und Erde wurden aufgewirbelt und ließen die vielen Sträucher für kurze Zeit wie hinter einer dichten Nebelbank verschwinden. Als die Sicht sich wieder aufklarte, hatte der Himmel eine andere, merkwürdige Färbung angenommen. Er war nun nicht nur schwarz, sondern auch ein wenig grünlich. Der Wind beruhigte sich für kurze Zeit, bis die nächste Böe heranbrauste. Zuerst sah ich gar nichts, weil wieder eine Menge Staub aufstieb. Danach jedoch erkannte ich einige kleine Gegenstände, die über den Boden huschten. Und da fiel mir ein, dass ich meine Tasche draußen liegen gelassen haben musste. Hoffentlich war sie noch da und nicht schon weggeweht, denn darin befand sich noch meine Geldbörse. Gleich sprang ich aus meinem Sessel, zog den Schlüssel ab und eilte hinunter in Richtung Haustür. Ich wartete noch, bis das Zischen der Zugluft etwas nachließ, dann traute ich mich ins Freie.
Der Wind war angenehm warm, aber recht forsch, sodass ich zuerst überhaupt nichts sehen konnte, weil er mir die Haare ins Gesicht blies. Doch dann erblickte ich endlich meine Tasche, die der Sturm unter einen Baum gejagt hatte, wo sie am Stamm festgehalten wurde. Als ich sie aufheben wollte, hörte ich hinter mir plötzlich ein Poltern. Das klang so wie das Umkippen eines Containers. Ein wenig erschrocken drehte ich mich um.
Was ich dann erblickte, sah so aus wie das Auge eines Hurrikans oder eines schwarzen Lochs, auf jeden Fall drehte es sich unglaublich schnell. Seine grüngraue Färbung umgab mich auf einmal und dann wurde ich irgendwie weggetragen.
Es war ein ganz anderes Gefühl als zu fliegen - es war eigentlich gar kein Gefühl, oder besser gesagt, kein gewöhnliches; es war warm und kalt, hell und dunkel, schnell und langsam gleichermaßen. Und es war unheimlich und ebenso bedrohlich. Die Drehbewegung wurde unermesslich schnell und immer schneller, bis zu einem Ausmaß, bei dem man die Geschwindigkeit nicht mehr wahrnehmen konnte. Dann wurde es auf einmal ganz dunkel.
Ich vernahm den sanften Wind und ein Rauschen. War das ein See? Ich schlug die Augen wieder auf. Ich lag neben einem schmalen Waldweg im Gras. Mir bot sich der wunderbare Blick über eine weite Lichtung innerhalb eines hohen, schwarzen Forstes. Ganz langsam und ungläubig setzte ich mich auf. Was war nur geschehen? Wo war ich hier? Ich hatte diese Gegend noch nie zu Gesicht bekommen, da war ich mir sicher. Während ich mir noch so viele Fragen stellte, fasste ich im Unterbewusstsein einen Entschluss und erhob mich endlich. Ich wusste zwar nicht, wo ich war, aber hier gab es ja einen Weg, und der musste irgendwohin führen. Also ging ich los.
Später fragte ich mich, warum ich mich ausgerechnet für die Richtung entschieden hatte, in die ich jetzt wanderte. Ich hatte mich am Wind orientiert und lief ihm entgegen. Er war schwächer geworden, doch es war immer noch bewölkt.
Mein Schritt war nicht besonders schnell; ich war noch zu verwirrt, um ein konkretes Ziel zu haben. Meine Verwunderung steigerte sich noch, als mir auf meiner Irrfahrt durch den fremden Wald weder eine Menschenseele noch irgendein Haus begegnete. Trotzdem ging ich weiter, immer weiter, bis es dunkelte. Glücklicherweise zerrissen die Wolken darauf und der weiße Vollmond kam zum Vorschein, in dessen Licht ich meinen Marsch fortsetzen konnte. Immer wieder gab es aber vereinzelte, schwache Regenschauer, sodass ich meinen Schritt beschleunigte.
Kurz darauf erreichte ich einen schmalen Fluss, über den eine Brücke führte. Um mich auszuruhen, setzte ich mich auf einen großen Stein, der am Rande des Weges lag.
Als die Wolken endlich wieder den Mond freigaben, entdeckte ich am anderen Ufer etwas; da war jemand, eine Gestalt, die sich auf den Fluss zubewegte. Langsam stand ich auf. Als ich die Brücke betrat, sah ich, dass mein Gegenüber eine Frau war.
"Hallo!", rief ich. "Hallo, können Sie mir vielleicht sagen, ..." Es war der plötzlich einsetzende Regen, der mich unterbrach und die Fremde aus meinen Augen verlieren ließ. Sie war auf einmal verschwunden, doch ich wusste, dass sie in die andere Richtung weggelaufen war. Ich tappte hinterher, bis der Schauer aufhörte. Dann drang nämlich ein Geräusch an meine Ohren. Ich vernahm das fröhliche Geplapper einiger Männer und dazu das Klirren von Gläsern. Als ich dann um eine Kurve bog, erblickte ich vor mir ein Gasthaus, dessen Fenster hell erleuchtet waren.
© Dr. Andreas Fischer
Klappentext: Ingolf und Franziska sind zwei Menschen, die durch ihre Behinderung am Rande der Gesellschaft stehen. Werden die zwei Vögel sie entdecken? Wird Anders ihnen begegnen? Oder kommen ihm bedrohliche Mächte zuvor, die es bereits auf die beiden abgesehen haben?
Band 2 - "Das silberne Licht" ist die Fortsetzung der ungewöhnlichen Trilogie, in der sich tiefe Emotionen, haltlose Phantasie und die Symbolik der Natur auf unvergleichliche Weise miteinander verbinden und etwas erschaffen, das größer ist als die Summe seiner Teile. "Die Andersnacht" enthält Elemente der Genres Fantasy und Gesellschaftsdrama, die eine neuartige literarische Symbiose eingehen.
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Das silberne Licht
Schon wurde es dunkel. Mit schnellen, unsicheren Schritten eilte Ingolf durch das unwegsame, holprige Unterholz, das durch die hereinbrechende Schummrigkeit wie ein endloses, gigantisches Spinnennetz wirkte. Die Düfte der sich schließenden Blüten berührten ihn wie der klebrige Stoff einer übergroßen Falle. Der Junge brachte all seine Kräfte auf, um aus ihr herauszukommen, bis er endlich den Pfad erreichte. Sich anfangs sicher fühlend, widerfuhr es ihm hier aber, dass er in seiner unkontrollierbaren Hast über einen Stein stolperte und zu Boden fiel. Es bereitete ihm viel Mühe, mit seiner schmerzenden Hand einen dünnen Baumstamm zu umfassen, sich erst richtig hinzusetzen und dann aufzurappeln, worauf sein zügiger Weg weiterging.
Ausgerechnet heute war er zu spät dran, wobei "zu spät" überhaupt kein Ausdruck war. Das Pflegepersonal sah es nie sehr gerne, wenn man um diese Zeit erst eintrudelte, und was der Sportlehrer Peter zu diesen Waldspaziergängen sagen würde, das konnte sich Ingolf nur allzu gut vorstellen, wo doch morgen dieses Turnier stattfand, an dem so viele andere Heime teilnahmen und für das so viele Vorbereitungen getroffen worden waren. Der Junge zweifelte nie an dem Sinn einer solchen Veranstaltung, auch wenn seine Leistungen keinesfalls an die eines durchschnittlichen Gesunden heranreichen konnten. Doch da er in den meisten Fächern nicht besonders veranlagt war, musste er sich eben an etwas Anderem versuchen.
Ingolf blieb plötzlich stehen; bis hierher hatten ihn seine blinden Füße unbekümmert getragen, doch nun erschraken auch sie; am gegenüberliegenden Hügel erblickte der Junge durch das Geäst der vielen Bäume zuerst flackernd doch schließlich stetig ein glitzerndes, silbernes Licht, das auf ihn einen unerklärbaren Eindruck machte. Obwohl er ziemlich weit von seinem Ausgangspunkt entfernt war, wusste er doch genau, dass dieses Leuchten nicht von einer Taschenlampe oder gar von einem Scheinwerfer kam; etwas Anderes war der Grund dafür und Ingolf vermochte nicht zu erahnen, was dies sein konnte. Vielmehr starrte er wie gebannt auf dieses Gefunkel, dessen klare, blitzende Unheimlichkeit ihn auf einmal ängstlich werden ließ, sodass er letzten Endes die Flucht ergriff, um in den Schatten zu gelangen. Jetzt aber, wo er vor ihm floh, begann das Licht wieder zu flimmern, was Ingolfs Schritte noch beschleunigte. Noch hektischer als zuvor schnellte und hastete er über die vielen kleinen Steine; er trippelte und eilte geschwind dem Pfad folgend, obgleich er selbst nicht wusste, was ihn zu solch einem Handeln veranlasste. Ein letzter Blick zu jenem sonderbaren Blinken, das nun schwächer zu werden schien, ließ Ingolfs Fuß umknicken und ihn straucheln.
Jetzt war es dunkel und still; Ingolfs T-Shirt war zerrissen und er selbst zitterte. Er wusste nicht mehr, warum er sich vor dem silbernen Licht so gefürchtet hatte, nun fühlte er sich müde und wollte nur noch nach Hause. Also raffte er sich wieder auf und tappte etwas langsamer als zuvor den Waldweg entlang.
Viel später als geplant traf er schließlich im Heim ein. Die Schwester, die eigentlich schon lange vorgehabt hatte, schlafen zu gehen, war sehr unangenehm überrascht über den Anblick des Jungen und verwies ihn deshalb sofort auf die Badeetage. Dort fand er sich dann ein paar Minuten später, seinen Schlafanzug mit beiden Händen vor sich hertragend, ein.
»Wie siehst du denn aus?«, begrüßte ihn eine Stimme, die er sehr gut kannte.
»Was machst du denn noch hier draußen um diese Zeit?«, entgegnete Ingolf aber, während er selbst auf einem der Sessel, die neben dem großen Fenster am Flurende standen, Platz nahm.
»Wir haben eine neue Nachtschwester«, war die Antwort des Mädchens, das ihm gegenüber von ein paar Kissen unter dem Kopf gestützt auf dem Sofa lag, »sie hätte mir den Tee nicht in die Hand geben sollen. Tja, jetzt brauchen wir eine neue Tasse und haben stattdessen eine neue Schwester; beides hätte sich das Heim sparen können, von dem neuen Bettbezug ganz zu schweigen.«
Er bewunderte immer dieses Mädchen, Franziska war ihr Name; Ingolf bewunderte ihr schulterlanges, schwarzes Haar, ihre großen, dunkelbraunen Augen und die Gewissheit, dass er ihr so vertrauen konnte wie niemandem sonst; doch ganz gleich, wie er diesen Menschen betrachtete, er war für ihn immer ein Rätsel gewesen; nie konnte er richtig einschätzen, was sie fühlte und dachte, denn es schien ihm so, als wären Franziskas Worte eine Maske, hinter der sie sich verkroch, jedes Mal wenn sie Lust dazu verspürte, und das tat sie auch in Situationen, in denen es dieses Verstecks überhaupt nicht bedurfte.
»Außerdem bekommt sie kaum einen Satz raus«, meinte sie und schaute dabei ganz verschwörerisch, »eine Austrahlung wie ein Eisklotz!«
Die beiden waren hier im Heim die einzigen ihres Alters. Schon alleine deshalb verstanden sie sich gut. Auf die übrigen Kinder schienen sie hingegen wie Fremde zu wirken, die bei vielen Anlässen außen vor blieben. Ingolf ahnte jedoch, dass das wohl andere Gründe hatte. Wirklich erklären konnte er es sich nicht.
»Du bist doch nicht etwa aufgeregt wegen morgen?«, wollte sie jetzt wissen, nachdem sie bemerkt hatte, dass er gar nicht reagierte.
»Eigentlich nicht«, antwortete er nur, »es wird schon irgendwie gut gehen.«
Schließlich erschien die Nachtschwester, und während sie Franziska wortlos in ihr Bett zurücktrug, rief diese noch: »Schlaf gut, Ingolf, damit Peter morgen nicht enttäuscht ist.«
Der Junge riss schwitzend das Fenster auf, nachdem er sich die Dusche zu heiß eingestellt hatte. Vom Bad aus sah man auf den Wald, in dem Ingolf immer spazieren ging. Die Schwärze, die jetzt über den Bäumen lag, ließ ihn still und stumm werden; zu gerne hätte er noch einmal dieses Licht gesehen, auch wenn er überhaupt nicht wusste, was er davon halten sollte und um was es sich dabei handelte. Er wusste nur eins, und zwar, dass er sich nicht getäuscht hatte; dieses Leuchten hatte es wirklich gegeben. Doch im Gegensatz zu seiner einstigen Angst, die er vor dieser mysteriösen Erscheinung gehabt hatte, erfüllte ihn die Erinnerung daran nun mit einer gewissen Sehnsucht nach jenem Glitzern, jener Helligkeit und jener Unheimlichkeit, die sich ihm wahrscheinlich zum ersten und letzten Mal offenbart hatten.
Nach einer kurzen Weile, in welcher er die kühle Luft, die vom Wald herwehte, über sein Gesicht und seine Haare hatte streichen lassen, schloss er mühevoll das Fenster und wankte erschöpft und unbeholfen in sein Zimmer, um sich endlich schlafen zu legen.
* * *
Schwarz waren die Wolken, schwarz und schwer; sie ritten auf dem Wind und schwebten und ballten sich zusammen zu einer Farbe, die noch schwärzer war als schwarz, die kein Licht mehr in sich hielt und nichts Anderes war als Finsternis und Stille. Die Augen aber waren leer und müde, und das Herz schlief auf einem Kissen aus schillernden Nebeln und flüsternden Stimmen, die nichts kannten als die verlassenen Zimmer einer zitternden Nacht; ein Morgen aber starb vor Schmerz.
* * *
»Hoffentlich macht uns das Wetter heute keinen Strich durch die Rechnung«, murmelte der Sportlehrer Peter, während er seine vollgepackte Tasche zum nahegelegenen Stadion trug. Eine enge, eben verlaufende Straße führte ihn bis zu dessen Toren, wo der größte Teil der Heimbelegschaft darauf wartete, dass er ihm Einlass gewährte.
»Guten Morgen!«, begrüßte er die Schwestern und Pfleger, Lehrer und Kinder, die ihm auf die verschiedensten Weisen antworteten.
Dann zog er den Schlüsselbund aus der Tasche und öffnete die Pforte, worauf alle mit fröhlichem und aufgeregtem Geplapper in das Innere strömten.
»Okay, ihr macht euch alle noch ein bisschen warm, ich komm noch mal zu jedem«, rief der Sportlehrer darauf, und dann wandte er sich an eine der Schwestern: »Die anderen Heime müssen gleich da sein.«
Während er sich dann zuerst um die jüngeren Kinder kümmerte, begann Ingolf schon einmal mit einer Konzentrationsübung. Diesmal musste alles klappen. Er machte sich bewusst, dass er nur schnell sein konnte, wenn er seine Arme parallel zur Laufrichtung bewegte und sie ihm nicht während des Sprints außer Kontrolle gerieten. Jedes Mal wenn er einen Schritt tat, musste er darauf achten, dass er mit dem Fuß gerade auf dem Boden aufkam und sich die Knie nicht nach außen drehten. So hatte er eine echte Chance, allen zu beweisen, dass er auch zu etwas taugte. Wie er so die Aschenbahn entlangtrippelte, merkte er gar nicht, dass auf einmal Franziska neben ihm herfuhr.
»Ich hoffe, du bist fit«, begann sie mit einem verschmitzten Lächeln, »nicht dass du uns hier zusammenklappst.«
»Mir gehts ganz gut«, antwortete er nach einem kurzen Blick neben sich. »Und dir?«
Nachdem Franziska ihren Rollstuhl mit ihrem Kinn um die Kurve der Bahn gelenkt hatte, meinte sie: »Heute bin ich schneller als alle; ich habe meine Peripherie nämlich ein bisschen frisieren lassen.«
Ingolf lächelte zu ihr herüber und blieb dann stehen. Das Stadion hatte sich mittlerweile gefüllt; es waren nicht nur die Mitglieder der anderen Heime eingetroffen, sondern auch noch eine Menge Publikum.
»Was sind denn das für Typen?«, wollte das Mädchen wissen.
»Was für Typen?«, fragte Ingolf.
»Die mit den Lederjacken und Ketten«, erklärte Franziska, als sie eine Gruppe Jugendlicher betrachtete, die sich neben der Tribüne genüsslich ihren Zigaretten widmeten.
»Die kenn ich nicht«, entgegnete der Junge, »hier sind überhaupt lauter Leute, die ich noch nie gesehen habe.« Während er dies sagte, fixierte er einen ihm Fremden, der ebenfalls etwas abseits, aber auf der anderen Seite der Zuschauerränge stand. Er schien sich immer wieder nach den hohen Fichten umzuwenden, die dort das Stadiongelände säumten. »Was macht er da nur?«
»Hm«, brummte sie ratlos, »sieht fast so aus, als würde er etwas suchen.«
»Okay, ihr zwei wisst auch, was ihr zu tun habt«, keuchte da der Sportlehrer Peter, als er zu den beiden gespurtet kam.
»Immer richtig aufkommen und Arme in Laufrichtung bewegen«, bestätigte Ingolf gleich.
»Nicht mit dem Kopf schütteln«, entgegnete Franziska kichernd, »auch wenns mir schwer fällt, wenn ich dich wieder schreien höre.«
»Scherzbold!«, brummte Peter und fuhr kurz durch ihr glattes, schwarzes Haar. Dann fügte er noch etwas eilig hinzu: »Tut mir leid, ich muss noch schnell zu den Organisatoren. Viel Glück!«
So begann also das Sportfest. Es war ein buntes, turbulentes Durcheinander von aufgeregten Gemütern, ein Gewirr von unvorstellbarer Schnelligkeit und Hektik. Ingolf verweilte die ganze Zeit neben Franziska, bis seine große Stunde herangerückt war. Zusammen mit den anderen Wettkampfteilnehmern fand er sich am Beginn der Aschenbahn ein. An deren Ende warteten die jeweiligen Sportlehrer. Die Absprache am Start war kurz, oder vielleicht war es Ingolf auch nur so vorgekommen. Dann wurde es ernst.
»Auf die Plätze...«, ertönte es laut.
© Dr. Andreas Fischer
*Anmerkung von Rene Deter: Als Zusatzangebot zum Interview mit Dr. Andreas Fischer möchte ich gerne meine beiden originalen Amazon-Kritiken beifügen.
*Interview-Führer und Artikelverfasser
Rezension zu Andersnacht 1:
Das vorliegende Buch, der Auftaktband einer Trilogie, besticht durch seine Andersartigkeit. Was zunächst wie eine ganz gewöhnliche Fantasygeschichte anmutet, entpuppt sich letztendlich als Trip in die eigene Seele.Das Innere wird zur Realität und verdrängt die Tatsächlichkeit zur einer fremden Welt. Dabei spielt der Südwind, der den Protagonisten auf seinem ganzen Weg begleitet, eine entscheidende Rolle. Was folgt, ist der Kampf zwischen stark und schwach, ausgefochten in der Manifestation einer Fantasywelt, in der schließlich das Schwache vor dem Starken flieht und doch der Sieger bleibt.Der Protagonist findet zu sich selbst, die Schwäche stellt sich als Stärke heraus. Er begreift seinen Platz in der Welt, der sich schon in der Symbolik der fremden Welt andeutet.
Dr. Andreas Fischer schreibt in einem flüssigen und sehr gut lesbaren Stil. Doch zeigt sich auch eine kunstvolle Sprache, die zuweilen poetische Ausmaße annimmt.
Das Werk ist absolut empfehlenswert. Es verlässt eingetretene Pfade und überzeugt durch den Handlungsaufbau, der auf ein Ziel hinarbeitet, das sich jedoch erst am Ende des Textes dem Leser offenbart. Bravo!
© Rene Deter
**Rezension zu Andersnacht 2:
Auch der zweite Teil der Trilogie besticht wieder durch seine wunderbare, teils poetische Sprache, das Verweben von Natur und Gesellschaftsdrama in einer wunderbaren Story, in der auch die Liebe eine Rolle spielt.
Erzählt wird die Geschichte von Franziska und Ingolf, die beide körperlich stark behindert sind. Erfolg und Misserfolg kreuzen ihre Wege und stürzen sie in emotionale Spannungen. Sie scheinen sich zu verlieren und fortan getrennte Wege zu gehen.
Doch das ist noch lange nicht alles, denn da gibt es noch das silberne Licht, dass Ingolf in einer Nacht gesehen hat. Es ist schwierig, etwas über die Handlung zu schreiben, ohne zu viel zu verraten. Doch auch dieses Mal zieht Dr. Andreas Fischer den Leser in seinen Bann und fokussiert noch stärker auf das Thema stark und schwach, gepaart mit Angst und das Problem, sich dem stellen zu müssen. Das Schicksal der Protagonisten verknüpft sich schließlich mit dem von Anders. Am Schluss steht die Erkenntnis, nicht allein zu sein. Das Buch macht neugierig auf den abschließenden dritten Teil.
Wie auch der erste Band eine absolute Kaufempfehlung!
**Hinweis: Die Bücher sind in den einschlägigen Ebook-Shops erhältlich. Band 3 erscheint in Kürze.
© Rene Deter
Die Schaltzentrale der Tintenfass AG ist eine Community-Seite außerhalb der vorliegenden Literaturplattform BookRix. Wir sind zur Zeit nicht allzu viele. Doch sind wir ja flexibel und arbeiten überregional mit den zur Verfügung stehenden Netzwerken zusammen. So entstehen auch die verschiedenen Beiträge im Magazin: Zum Teil über Facebook, zum Teil über BookRix oder über unser eigenes Forum.
Der Harte Kern besteht aus fünf allzeit bereiten Mitgliedern, die stets darauf brennen, etwas zu tun. So wandelt sich unsere Autorengemeinschaft von Zeit zu Zeit und ist mal kleiner, mal größer. Wir haben Durststrecken und Erfolgszeiten gleichermaßen.
Unsere Communityseite bietet eine kleine Besonderheit: Wir haben ein Feature, mit dessen Hilfe eigene Nickpages kreiert werden können. Die Möglichkeiten dieser Unterseiten, die von den Mitgliedern selbst erstellt werden, sind nahezu unbegrenzt und benötigen nur ein bisschen Kreativität und etwas Pfiffigkeit. Eines unserer Paradestücke sind die Sites von Eiskristall, und eine solche stellen wir unseren Lesern gern einmal vor. Doch zuerst kommt die Autorin selbst zu Wort. Siehe wie folgt!
Mein Name ist Christa Philipp, ich nenne mich jedoch „Eiskristall". Dieses Pseudonym habe ich angenommen, weil ich denke, dass es zu mir passt. Fast von Anfang an bin ich Mitglied der Autorengemeinschaft Tintenfass AG. Unsere Sina hat dieses Forum ins Leben gerufen.
Wir sind eine kleine, aber feine Gemeinschaft. Hier kann man sich mit anderen Mitgliedern austauschen, wenn man es dann möchte. Wenn man Rat oder Hilfe braucht, steht Sina - aber auch andere Mitglieder wie unser Rene - mit Rat und Tat zur Seite.
Was ich persönlich besonders schätze, ist die Möglichkeit, sich selbst eine kleine Website erstellen zu können. Ich habe mir mittlerweile vier Homepages in unserem Forum gebastelt. Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, wie ich es am besten machen kann. Sina gab mir Tipps, sie hat mir sehr geholfen, und nun kann ich schon lange selbst meine Sites bearbeiten.
Meine erste Site hat den Namen „Eiskristalls Sternenstaub-Träume". Ich liebe diese Seite, denn sie ist mein Baby. Sie ist für mich sehr wichtig, denn hier kann ich meine Gedanken ausleben. Anfangs hatte ich alles Mögliche in die Seite getan, was aber nicht unbedingt so schön war. Also baute ich weitere Sites auf. So habe ich die „Gedanken-Splitter" ins Leben gerufen. Hier schreibe ich meist kurze Texte, untermalt mit passenden Gifs oder Bildern. Es sind Splitter meiner Gedanken.
Gerne wollte ich Märchen auf meiner Seite veröffentlichen. Ich nenne sie „Eiskristalls-Märchengarten". Diese Märchen sind nicht unbedingt nur für Kinder gedacht, sondern sie möchten auch Erwachsenen ansprechen. Diese Seite liebe ich auch sehr. Besonders mein erstes Märchen, es entstand nach der letzten vollen Sonnenfinsternis. Ich war damals so beeindruckt davon. Und so schrieb ich das Märchen: „Als die Sonne streikte".
Und nun ist noch eine Seite hinzu gekommen. Ich nenne diese Seite: „Die vielen Gesichter meiner Bilder". Es sind Bilder, die ich, auf Leinwand, oder am PC gemalt habe. Es sind Zeichnungen Fotos, auch bearbeitete Fotos dabei, und es kommen immer wieder neue dazu.
Ich möchte hier aber nicht nur auf meine Sites hinweisen, sondern auch auf unser kleines feines Forum:
© Eiskristall
*Mit Klick auf die Bilder gelangt Ihr zu Eiskristalls Website
Klick aufs Bild ...
Klick aufs Bild ...
Last but not least schließen wir unser Magazin mit etwas Besonderem ab: Unser aller Herz-Diamant "Heimat". Zustande kamen die verschiedenen Beiträge durch unsere frischgebackene Adminin Gamefreak, die einen kleinen Wettbewerb zu diesem Thema auf BookRix ins Leben gerufen hat. Von Kurzgeschichten bis Poesie ist alles dabei.
Heimat ist
Wo du den Schlaf erwischst.
Sei es im Schnee in den Bergen
oder im Wasser am Strand
Wo du dich wohl fuehlst, ist deine Heimat.
Denn Heimat ist, wo dein Herz vergisst.
© Lave
***
Fühlt sich wohl dein liebes Herz
Verspürst du gar keinen Schmerz
Genießt du dieses Leben
Wie es dir hier gegeben
So kannst du ganz sicher sein
Das ist der Heimat Glücksschein
© R.D. 2014/Datore
***
Heimat
Heimat ist da,
wo deine Freunde sind,
die denen du vertraust,
auch blind.
Heimat ist da,
wo du willkommen bist.
Heimat ist da,
wo es am schönsten ist.
Heimat ist da,
wo es Orte gibt,
die du einfach nur liebst,
weil sie dir Ruhe und Kraft geben,
verschönern einfach dein Leben.
Heimat ist da,
wo du Spaß haben kannst,
dort wo du deinen Hobbys nachgehen kannst.
Heimat ist da,
wo du bist,
wie du bist,
weil du nur so perfekt bist.
Heimat ist da,
wo du Tränen laufen lassen kannst,
da wo du über alles lachen kannst.
Heimat ist da,
wo du ehrlich bist,
egal wie schwer es für dich ist.
© Emotionsboy
***
Heimat
Heimat wächst -
es kommt auf die Entfernung an.
Wenn Du als Astronaut zurückkehrst,
den Planeten siehst:
Was hab ich Dich vermisst!
Erde? Seh vor allem Wasser.
Wolkencreme.
- Weitwinkel -
habe alles ins Herz geschlossen!
Welchen Abstand benötigte man,
damit Welt einem Heimat ist?
Vertrautheit,
man ist gerne dort,
ich wünsche jedem solch einen Zauberort.
Heimelig - heimisch - Heimat
bist stets bei mir.
Trage Dich in mir.
Vergleiche andere Orte stets mit Dir;
Du bist noch immer mein Favorit.
Nicht weil Du schöner wärest,
illustrer.
Wir sind uns sehr ähnlich,
ich stamme von Dir.
© Phil Humor
***
HEIMAT!
Ich lausche Deinem Klang ...
Ich spüre Deinen Ruf.
Ich sehne mich nach Dir!
Langsam packe ich mein Hab,
mein Gut;
starre in die Nacht ...
Verfolge mit flehendem Blick
den Zug der Wolken:
HEIMAT!
An warmen, milden Tagen
mit Regen aus Melancholie
und tiefer Liebe
taste ich zu Dir hin
... Wann werde ich Dich endlich
- Endlich! -
wiedersehen?
Ich erkenne die Fußspuren
auf meinem Pfad:
Heimat!
HEIMAT!
Mit dichten Wäldern
an der grünen Ruhr,
schwüler Wärme,
unendlicher Weite
unter dem Größten Himmel der Welt:
Wandersfrau, die ich bin,
großäugig, kleinschrittig;
mehr Mut im Herzen als im Kopf,
lenke ich den müden Geist,
tief entschlossen,
zu Dir hin:
Heimat!
Ich habe Deinen Ruf
vernommen!
Mein Herz erzittert,
ich muss folgen!
Es gilt mein Leben,
und nichts gilt mehr
als mein Heim,
meine Wurzeln,
mein Herz,
all mein Vertrauen,
meine Seelenruhe:
Süßer Friede
zuhaus in Deinen Armen:
Heimat!
© Helene Elis, 1997
Heimat ist für mich da wo ich mich geborgen fühle, angekommen. Heimat ist dort wo ich geliebt werde. Wo ich, ich selber sein kann. Ein Ort voller liebe und Freude. Ich bin überall zuhause wo du bist, du der mir das gibt was ich brauche. Das Gefühl daheim zu sein, sicher zu sein und niemals mehr woanders sein zu wollen. Daheim sein bedeutet für mich, dort zu sein wo ich geliebt werde. In die Arme genommen zu werden, wenn es mal schwer wird, Hilfe zu finden. Doch Heimat bedeutet für mich auch nicht zu gehen selbst dann wenn es mal schwierig wird, wenn es weh tut zu kämpfen denn es ist wichtig, wichtiger als alles andere für mich. Ohne Heimat da bin ich einsam habe keinen Ort an den ich zurück kehren kann also kämpfe ich in Stürmischen Zeiten darum sie zu behalten. Heimat ist also auch ein Ort um den es sich zu kämpfen lohnt. Heimat ist aber auch ein Ort an dem man für mich kämpft in Stürmischen Zeiten ein Ort, eine Person, die Familie oder auch Freunde . Daheim sein ist soviel mehr als ein Ort wo man wohnt. Daheim sein können bedeutet zu leben.
© Pelikan
Heimat ist für mich da wo ich zu Hause bin, wo ich mich wohl fühle und Menschen sind die mich mögen. Es muss nicht unbedingt mein Geburtsland sein oder da wo ich aufgewachsen bin. Heimat ist für mich auch erinnerungen an meine Kindheit, an früher. An Zeiten und Momente, an die ich gerne denke. Heimat ist etwas, wo man sich wohlfühlt und sich " zu Hause angekommen" fühlt. Heimat ist überall und in jedem, wenn man so will.
© Natti01
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Heimat ist für mich der Geruch nach frisch gemähtem Gras. Sie ist der Windzug im Frühling und der Geruch nach Autoabgasen. Heimat ist, wenn ich durch eine Stadt laufe und die Sonne scheint. Die Luft ist noch durchtränkt vom Geruch des morgendlichen Regens.
Heimat ist für mich das sonntägliche Frühstück mit meiner Familie. Sie ist der Geruch nach frischgebackenem Kuchen und Kaffee. Heimat sind Generationskonflike das Fernsehprogramm betreffend. Das Wohnzimmer hallt im Klang unserer Stimmen.
Heimat ist für mich ein Nachmittag mit meinen Freunden. Sie ist das gemeinsame Lachen. Heimat ist das wöchendliche Basketballspielen und ein gemeinsamer Kinobesuch. Die Stimmung ist ausgelassen und alle sind glücklich.
Heimat ist für mich ein Gang durch meine Heimatstadt. Sie ist die Fassade der mir bekannten Gebäude und der Gang um den Gotthardsteich. Heimat ist, wenn ich Jeden kenne, egal ob ich ihn mag. Das Kopfsteinpflaster dämpft meine Schritte.
All das ist für mich Heimat. Sie ist überall und nirgends. Letzten Endes liegt Heimat in der Erinnerung an schöne Momente, welche unser Leben nachhaltig prägen.
© gamefreak
Da wo meine Leute sind, die mich mit offenen Armen und in Liebe willkommen heißen ...
Da wo meine Hunde auf mich warten und sich freuen wenn ich zu ihnen komme ...
Da wo JB schnüffelnd durch die Gegend trottet um meine Fährte aufzunehmen ...
Da wo ich mich sicher und geborgen fühle und mich wirklich entspannen kann ...
Da wo ich mich auch mal verkrieche, wenn ich erschöpft oder krank bin ...
Da wo sich die wirklich wichtigen Ereignisse in meinem Leben abspielen ...
Da wo wir etwas aufgebaut haben, das worüber ich schreibe ...
Das ist meine Heimat!
© k.hansen
PS. JB = Jan Bär, JB ist ein Grizzlybär (er ist etwas zu klein geraten und wiegt 'nur' 450 Kg, normal wären 600-650 Kg), der uns in Kanada zugelaufen ist - das ist kein Witz, die Hunde haben ihn angeschleppt! So etwas ist hier auf Vancouver Island gar nicht sooo selten.
Dreißig Jahre lebe ich nun schon auf St. Lucia, eine kleine Insel in der nördlichen Karibik. Ich hatte mich als junger Mann dorthin zurückgezogen, weil ich das hektische Großstadtleben hasste. Stattdessen suchte ich Ruhe und Entspannung. Ich wollte in den Tag hinein leben, Obst und Gemüse anbauen, und das, was ich davon nicht selber aß, verkaufen, um Dinge zu erwerben, die ich eben so brauchte: Nähgarn, Kleidung, Kerzen oder gelegentlich Fisch.
In meiner kleinen Hütte mitten im Regenwald lebte ich glücklich und fern jeder Gefahr. Nur die alljährlichen Hurrikans machten mir und meiner Behausung zu schaffen. Aber das wurde alles schnell wieder repariert. Einmal in der Woche kamen die Touristen von den Kreuzfahrtschiffen in ihren Jeeps vorbei. Ich galt als „Sehenswürdigkeit", der schrullige Kerl aus Deutschland, der sich zurückgezogen hat. Die Guides brachten mir dann auch meine Post, im Laufe der vielen Jahre wurde das immer weniger. Meine Mutter schrieb mir aber noch regelmäßig, bis vor vier Monaten ein Brief des Amtsgerichtes eintraf. Ich erfuhr, dass Mutti einen Schlaganfall hatte und sie einen Betreuer zugewiesen bekam.
Herr Wallmann, der Betreuer, sorgte dafür, dass meine Mutter in ein Pflegeheim kam und löste ihre Wohnung auf. Mein Vater war gestorben, als ich noch ein Kind war, weitere Verwandtschaft gab es nicht. Wenn ich meine Mutter noch einmal sehen wollte, bevor sie starb, musste ich nach Deutschland zurückkehren, natürlich nicht für immer. Allerdings war das leichter gesagt, als getan, denn mein Pass war seit vielen Jahren abgelaufen. Im Regenwald scherte das niemanden, aber für den Flug benötigte ich schon gültige Ausweispapiere. Und da war noch ein Problem: mit Ananas oder Bananen würde ich sicherlich nicht zahlen können.
„Du guckst so traurig, Elias. Was ist denn?", stellte Barbara, die Fremdenführerin, bei ihrer allwöchentlicher Stippvisite fest. „Ach, Babsi, es ist alles so schrecklich", antwortete ich. Ich erzählte ihr die ganze Geschichte. Danach standen ihr Tränen in den Augen. „Ich werde dir helfen, ganz bestimmt", sagte Barbara und drückte mich. Das hatte sie in den vielen Jahren, in denen wir uns kannten, noch nie getan.
„Schau, was ich hier habe!", rief sie vier Wochen später aus. Sie drückte mir einen Pass und ein Flugticket in die Hand. Schon in vier Tagen wäre ich wieder in Hannover, meiner Heimatstadt. Aber war das noch meine Heimat? Eigentlich war sie doch hier, im echten Dschungel, wo die Papageien krächzten und die Frösche quakten. Stattdessen musste ich mich in den Großstadtdschungel begeben. Ich spürte Angst. „Barbara, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Wie soll ich das jemals wieder gut machen?", fragte ich. Es fiel mir schwer, zu sprechen. „Das musst du gar nicht, mein Lieber, wirklich nicht", antwortete sie.
Nun war es soweit, ich war auf dem Flug von La Romana, einem kleinen Flughafen in der Dominikanischen Republik, nach Düsseldorf. Mit meinen langen Haaren und meiner zerfetzten Kleidung war ich ein echter Hingucker für die übrigen Passagiere, natürlich nicht im positiven Sinn. Ich schämte mich. Schon allein die Blicke bei der Abfertigung waren mehr als peinlich, aber das hier war noch schlimmer.
Der Flug war daher mehr als unangenehm, ich war froh, als wir landeten. Nun musste ich aber noch umsteigen, in den Flieger nach Hannover. Zum Gepäckband musste ich nicht, eine kleine Tasche war mein ganzes Gepäck, mehr hatte ich nicht. Die musste ich nicht aufgeben.
In dem anderen Flugzeug saßen keine Touristen, nur Geschäftsleute. Diese waren noch intoleranter, was ich deutlich spürte. In Hannover angekommen suchte ich vergeblich nach dem Shuttle-Bus zum Hauptbahnhof. „So etwas gibt es schon lange nicht mehr, Sie müssen die S-Bahn nehmen!", erklärte die junge Dame an der Information wenig freundlich. Wieder spürte ich Verachtung.
Nach langem Suchen entdeckte ich das moderne Transportmittel, das mich in zwanzig Minuten in die Innenstadt bringen sollte. Das war alles sehr verwirrend, nichts war mir vertraut. „Kann ich dir irgendwie helfen?", fragte ein junges Mädchen mit blonden Haaren, das mir im Zug gegenüber saß. „Ich bin übrigens die Jenny", ergänzte sie. „Ja, das können Sie wirklich", sagte ich. Aus lauter Angst vermied ich es, zurück zu duzen. „Du kannst ruhig du sagen. Du bist nicht von hier, ne?" „Eigentlich schon, aber ich war lange nicht hier." „Und wo warst du, im Urwald?"
Sie hatte den Nagel auf dem Kopf getroffen, ich erzählte ihr meine ganze Geschichte, soweit das in der kurzen Fahrtzeit möglich war. Jenny war sehr interessiert, das erste Mal seit Antritt der Reise spürte ich so etwas wie menschliche Wärme. Als ich fertig war, sagte das Mädchen: „Das erinnert mich an einen Roman, den ich neulich las. Er war von einem Aldous Huxley, glaube ich." Ich nickte. In all den Jahren im Regenwald hatte ich viele Bücher gelesen. „Schöne neue Welt" war eines meiner Lieblingsbücher. Ja, es stimmte, ich war so wie „der Wilde" in Huxleys Geschichte, Jenny hatte Recht.
„Und du weißt nicht, wie es bei uns aussieht, mit Computern und so?", wollte sie wissen. Ich gab zu, dass ich wenig wusste. Natürlich war mir bekannt, dass in Deutschland die Mauer fiel und der Euro eingeführt wurde, aber wie es heutzutage in der modernen Welt war, konnte ich nur erahnen. Dreißig Jahre waren eine verdammt lange Zeit. „Jedenfalls fühle ich die Kälte in diesem Land", antwortete ich. „Na klar, wenn man so lange Zeit in der Karibik war, friert man hier, Elias." „Das meine ich nicht. Ich meine die menschliche Kälte, die Verachtung, wenn mich ansieht. Das ist wirklich schlimm." „Meine Mutter hat mir immer beigebracht, dass man jeden Menschen achten soll, egal wie er aussieht. Na, ja, in Wirklichkeit ist sie gar nicht meine richtige Mutter, ich bin adoptiert worden."
In diesem Moment fuhr der Zug in den Bahnhof ein, wir mussten aussteigen. „Weißt du schon, wo du heute Nacht pennst?", wollte Jenny wissen. „Ich werde wohl einer meiner zahlreichen Visitenkarten nehmen und mir ein schönes Hotel suchen." Das Mädchen lachte. „Nein, ehrlich gesagt weiß ich es nicht, Jenny. Ich..." „Du kannst bei mir schlafen. Bezahlen musst du nichts, es reicht, wenn du mir noch mehr erzählst, von deinem Leben im Regenwald und warum du ausgestiegen bist und alles hingeworfen hast."
Wir fuhren mit der Straßenbahn nach Linden, dem Stadtteil, in dem Jenny wohnte. Unterwegs fielen mir die vielen Veränderungen auf, man hatte die alte Hauptpost abgerissen und durch ein riesiges Einkaufszentrum ersetzt. In der Limmerstraße war kein vertrautes Geschäft mehr vorhanden. An der Haltestelle Leinaustraße stiegen wir aus. Endlich sah ich etwas, das ich kannte. Das gute alte Apollo-Kino gab es noch, stellte ich fest. Gleich um die Ecke war Jennys Wohnung. Sie wohnte im zweiten Stock.
„Schön hast du es hier", sagte ich. Das war mein Ernst, denn hier fehlte jeglicher Schnickschnack, stattdessen lagen Unmengen Bücher herum. Die Kleine hatte offenbar Sinn für das Wichtige im Leben. „Meine Freundinnen halten mich alle für bescheuert, die haben alle mehr Schuhe als Bücher. Das kann ich nicht verstehen. Ich gucke auch kaum Fernsehen, das hemmt die Fantasie. Hingegen wenn man liest..." „... reist man im Kopf an alle Plätze dieser Welt", ergänzte ich. „Ganz genau. Wir verstehen uns. Hast du Hunger? Ich bin aber Veganerin." „Das passt schon. Ich habe schon lange kein Fleisch mehr gegessen, Fisch aber schon."
Jenny bereitete eine köstliche Reis-Gemüse-Pfanne zu. Es schmeckte großartig. Nach dem Essen setzen wir uns auf ihr Sofa. „Ich habe übrigens ein Foto von meiner richtigen Mutti. Es war keine anonyme Adoption, ich war zwei Jahre alt, als sie mich weggab. Ich habe mir immer gewünscht, sie mal kennen zu lernen. Aber das wird wohl nie geschehen, sie lebt irgendwo im Süden", erzählte sie und kramte in einer Schublade herum.
Als ich die Fotografie sah, erstarrte ich und rief: „Barbara, das ist Barbara!" „Ja, so heißt sie, aber woher weißt du das?" „Das ist die Frau, der ich zu verdanken habe, dass ich hier bin. Sie lebt auf St. Lucia und arbeitet als Guide." Jenny wurde blass und fiel mir um den Hals. „Das ist der Hammer, das ist der Hammer!", widerfuhr es ihr.
Ich musste ihr noch viel von Barbara erzählen, es wurde ein langer Abend. Niemals zuvor in meinem Leben hatte ich einen Menschen in so kurzer Zeit so glücklich gemacht. „Es gibt keine Zufälle im Leben, alles ist vorbestimmt", so heißt es. Das ist wohl war.
Zwei Wochen blieb ich bei Jenny, ich besuchte meine Mutter jeden Tag, bis sie starb. Nach der Beerdigung sagte Jenny zu mir: „Du hast deine Mutti noch einmal gesehen, ich hatte dazu noch nie Gelegenheit, jedenfalls nicht bewusst. Weißt du was, ich begleite dich nach St. Lucia."
Der Rückflug verlief wesentlich angenehmer, ich trug mittlerweile normale Kleidung und meine Haare waren geschnitten, so fiel ich nicht auf. Die anderen Männer in der Maschine dachten wohl, Jenny wäre meine Freundin und guckten neidisch. Na ja, in gewisser Weise stimmte es ja, aber nicht so, wie sie es vermuteten.
Ich war froh, wieder zurückgekehrt zu sein, hier im Regenwald war meine richtige Heimat. Am Tag, als die Touristen kamen, hielt sich Jenny in meiner Hütte versteckt und war mucksmäuschenstill. Barbara war überrascht, als sie mich sah und rief: „Wow, da hat sich jemand verändert." Darauf ging ich nicht ein. Stattdessen sagte ich: „Babsi, ich habe vor ein paar Wochen gesagt, dass ich nicht weiß, wie ich das alles wieder gut machen soll. Jetzt weiß ich es." Jenny trat aus der Hütte und ich rief: „Barbara, das ist deine Tochter."
Sekunden des Schweigens, dann fielen sich die beiden Frauen um den Hals. Diesmal hatte ich gleich zwei Menschen. glücklich gemacht.
© Katerlisator
Heimat? Hin und her gebeutelt hat mich mein Leben. Als ich geboren wurde, tobte der zweite Weltkrieg über mein Vaterland Deutschland. Weil ein größenwahnsinniger Mann mit einer Oberlippenbürste, der nicht einmal deutsch war, glaubte, er müsste die Weltmacht erkämpfen. Und genau zu dieser Zeit kam ich in Niederschlesien, dem heutigen Polen, zur Welt.
War dies meine Heimat? Ganz und gar nicht. Denn ich kenne bis zum heutigen Tag meinen Geburtsort, eine kleine Stadt, die damals Lauban hieß, überhaupt nicht. Meine Mutter ging mit mir nach Berlin, da dort ihre Eltern lebten und sie auch hier geboren wurde.
Weiter lebten wir bis zu meinem vierten Lebensjahr in Hindenburg Oberschlesien, bei der Schwester meiner Mutter und ihrem sechsjährigen Sohn. Ihre Männer und unsere Väter waren auf dem Feld, wie man so sagte: sie waren an der Front. Dann kam unsere erste Flucht. Wir flüchteten im letzten Augenblick wieder nach Berlin, zu meinen Großeltern. Ich erinnere mich noch heute daran, wie die Bomben auf die Stadt fielen, wie fast unsere ganze Straße ein einziges großes Feuer war, wie wir ständig in den Luftschutzkeller rannten. Mein Großvater riet unseren Müttern, raus aus Berlin zu gehen, denn der damalige Feind, wie man ihn nannte, der Russe war im Anmarsch. So flohen wir nach Niedersachsen, das ist in Norddeutschland.
Wir kamen in ein kleines Heidedorf. Eine Bäuerin, deren Mann auch im Krieg war, nahm uns auf. Meine Mutter und meine Tante mussten fürs Wohnen in zwei winzigen Kammern, in denen es auch noch rein regnete, und wo die Mäuse im Strohsack von unserem Bett lebten, mit ins Teufelsmoor, zum Torfstechen helfen. Da meine Mutter gehbehindert war, konnte sie dies bald nicht mehr tun. Nun musste sie Kühe melken, Essen kochen und vieles mehr.
Auch hier flogen immer wieder Kampfflieger über unser Dorf. Dann hieß es: ab in den Bunker! Das war ein tiefes Loch im Boden, abgedeckt mit Brettern und Erde drauf. Lange wusste ich nicht, weshalb ich immer diese Platzangst hatte, bis es mir dann wie Schuppen von den Augen fiel: Schuld war dieser Bunker.
Hier in Reessum kam ich in die Schule, und ich hatte meine Freunde hier gefunden.
Heimat? 1947 kam mein Vater aus der russischen Gefangenschaft zurück. Mein Onkel, der Mann meiner Tante, kam niemals wieder. Dieser Mann, mein Vater, war mir so fremd, und es brauchte lange, bis wir zueinander fanden. Wir zogen in eine ehemalige Mühle, die mein Vater etwas ausbaute. Doch mein Vater brauchte dringend Arbeit, die fand er außer als Knecht hier nicht. So malte er Ölbilder in Auftrag, meist waren es Halbakte. Als ich einmal in seine Werkstatt kam, hatte er gerade eine „Liegende" in Arbeit, es war nach einem Foto. Mein Vater wollte nicht, dass ich - damals acht Jahre alt - dies Bild ansah. Dennoch tat ich dies, und ich war damals begeistert.
"So will ich einmal malen, wie du", sagte ich zu meinem Vater. Irgendwie sehe ich auch heute noch in Gedanken dieses Bild, eine wunderschöne Frau, mit bloßem Busen, und eine Hand über der Scham, auf einer Ottomane liegend.
Auch fotografierte er immer wieder die Landschaft, meist war es die Heide. Er machte aus seinen Fotos Postkarten, die er in den Läden anbot, und die er auch meisten verkaufen konnte. Er schnitzte Kinderspielzeug. Dies alles hielt uns über Wasser.
Als ich acht wurde bekam ich ein kleines Brüderchen. Wie sehr hatte ich mir ein Geschwisterchen gewünscht. Meine Freude war riesig. Mein Bruder bekam den Namen Jörg. Es war ein süßer blonder Lockenkopf. Er war noch kein Jahr alt, da bekam er Meningitis, eine tuberkulöse Hirnhaut Entzündung. Er kam ins Krankenhaus.
Mein Vater versprach sich, in Süddeutschland mehr Chancen in seinem Beruf zu haben. So siedelten wir um, wie man damals dazu sagte. Mit so gut wie keinem Gepäck, nur was uns lieb und teuer war, kam mit.
Unser Umzugswagen war die Eisenbahn, damals mit Dampflock, keine Einzelabteile, und mit Holzbänken. Wir waren wirklich drei Tage und drei Nächte mit diesem Bummelzug unterwegs. Das war für uns die einzige Möglichkeit, denn etwas anderes konnten wir uns nicht leisten.
In Ettenheim kamen wir in eine Art Übergangslager. Dies waren zwei riesige Hallen. In der einen Halle waren die Männer untergebracht, und in der anderen die Frauen mit ihren Kindern.
Etwas mehr als eine Woche hielten wir uns dort auf. Dann kamen wir nach Sulz, wir sollten im evangelischen Pfarrhaus unterkommen. Doch der „Herr Pfarrer", weigerte sich, uns aufzunehmen. Er wollte keine Kinder und keinen Hund, denn wir hatten unseren kleinen Foxel auch mitgenommen. Nun wohnten wir in einem Gasthaus. Wir hatten ein winziges Zimmer mit Aussicht bekommen. Die Aussicht ging direkt auf das Schlachthaus, denn die Wirtsleute schlachteten selbst.
Niemals vergesse ich das wahnsinnige Wehgeschrei der Schweine und Kühe. Ewige Zeit danach habe ich kein Fleisch gegessen, ab und zu mal ein Stückchen Wurst. Erst in meiner Ehe fing ich an, etwas Fleisch zu essen. Der „Herr Pfarrer" besuchte uns. Er lud uns zu seinen Gottesdiensten ein.
Meine Mutter, eine gläubige Protestantin lehnte dies ab: „Nee, nee Herr Pfarrer zu einem Mann, der von seiner Kanzel Liebe predigt, selbst aber keine Familie mit Kind und Hund bei sich im Haus aufnehmen will, zu so einem gehe ich niemals in die Kirche."
Entgeistert sah der Pfarrer meine Mutter an. „ Sind Sie etwa die Familie?", wollte er wissen.
Einige Tage später zogen wir in die obere Etage unterm Dach vom Pfarrhaus ein. Fast zwei Jahre lebten wir in Sulz im Pfarrhaus. Es hatte sich zwischen meinen Eltern und der Pfarrfamilie eine nette Freundschaft entwickelt.
Mein Vater fand in Freiburg i. Breisgau eine Stellung als Grafiker und Graveur (sein Beruf). Und so zogen wir nach Freiburg, gerade, als ich mich hier endlich im Dorf heimisch fühlte. Ich wurde eben zehn Jahre.
Heimat? In Freiburg zogen wir in ein Reihenhäuschen in einer kleinen Siedlung. Hier ging ich auch in die Schule. Ich hatte viele nette und auch liebe Freunde und Freundinnen gefunden. Wir holten nach einem Jahr meinen kleinen Bruder aus dem Bremer Krankenhaus zu uns. Er war schon etwas älter als zwei Jahre, aber er war wie ein Säugling. Wir weinten sehr, weil er nicht gesund wurde. Er lebte bis zu seinem siebzehnten Lebensjahr. ER wurde nie mehr gesund.
Hier in Freiburg bekam ich auch endlich noch ein Schwesterchen, ich war überglücklich. Und ich liebte und liebe sie, heiß und innig. Wir sind altersmäßig dreizehn Jahre auseinander. Hier in Freiburg fühlte ich mich wohl, hier war ich zuhause. Doch leider nicht lange: Ich machte meinen Schulabschluss und ging auf die Kaufmännische Handelsschule. Ich hatte Berufspläne, die sich zerschlugen, weil mein Vater wieder einmal weg wollte. Eine besser bezahlte Stellung fand er in Basel in der Schweiz.
Heimat? Meinen ganzen Freundeskreis musste ich wieder hinter mir lassen. Wir zogen nach Kandern in Baden. Da ich nicht schüchtern war, fand ich auch schnell Freundinnen. Ich war im Turnverein, ich sang im gemischten Chor.
Ich war sechszehn, als mir mein Vater in Basel eine Lehrstelle als Verkaufstochter besorgte, wie man dort zu einer Verkäuferin sagte. Grundbedingung war: ich musste Schweizer-Dütsch lernen. Es war schrecklich für mich. Gerne hätte ich dasselbe gelernt, was mein Vater von Beruf ist, leider war es damals nicht möglich. Mädchen konnten diesen Beruf nicht lernen.
Ich bekam auch noch einen Bruder. Doch der Altersunterschied war damal fast zu groß. Dann, ich war grad siebzehn, trat ein junger Mann in mein Leben. Wir verliebten uns, wir verlobten uns. Ich war neunzehn, als wir heirateten. Damals war es schwer, eine Wohnung zu finden, In Weil am Rhein verbrachten wir ein halbes Jahr in einem möblierten Zimmer.
Schließlich zogen wir zurück nach Kandern. Wir lebten zwei Jahre in einem Gartenhaus, mit zwei kleinen Kindern, ein Jahr und zwei Jahre alt. Mein Mann fand in Denkendorf BW eine neue Arbeit, mit - was das wichtigste für uns war - einer Wohnung. Hier kam mein Jüngster auf die Welt.
Heimat? Nein, wir zogen zwei Jahre später wieder um, mein Mann fand eine Stelle bei der Bundesbahn, natürlich mit Wohnung. 26 Jahre lebten wir nun in Stuttgart. Endlich: Hier fühlte ich mich zu Hause.
Heimat? Mein Mann wollte schon immer aufs Land. Ich nicht, ich war eine Städterin geworden. Doch was soll's: wir zogen nach Schlat, ein schönes Dorf am Fuße der Alb. Ich musste meine Arbeit aufgeben, doch die Landschaft belohnte mich. Ich machte täglich stundenlange Ausflüge mit meinem kleinen Dackel. Ich genoss die Landluft.
Nie hatte ich geglaubt, dass Ruhe sooo laut sein kann. Und soooo wunderbar.
Ich schien angekommen, obwohl ein Dorf nicht mein Ding war. 27 Jahre lebten wir in diesem schönen Dorf.
Heimat? Nun sind wir vor einem dreiviertel Jahr wieder einmal umgezogen, in den Ort, in dem unsere Tochter lebt: Weil wir nun nicht mehr wirklich jung, besser in ihrer Nähe aufgehoben sind. Es war nicht wirklich schön, der Umzug. Es war der Wahnsinn. Doch langsam fasse ich hier Fuß.
Heimat? Das Wort Heimat ist ein dehnbarer Begriff für mich. Man kann es auslegen, man kann sagen, so wie Personen, die immer in ihrem Geburtsort leben, dass das ihre Heimat ist.
Ich stelle fest, Heimat ist für mich kein Ort. Heimat ist mein Leben, unser Leben. Heimat ist, mit den Menschen die ich liebe, zusammen zu sein. Auch mein neuer kleiner Hund ist ein Stück Heimat. Heimat ist: Alles was ich liebe.
© Eiskristall 13. 04. 2014/ Christa Philipp
Unter dem Hintergrund des Arbeitsmottos "Herz-Diamanten" kamen einige schöne Bildbearbeitungen zustande. Diese haben wir für euch in der Sonder-Edition "Diamond Dancers" zusammengestellt. Durch Klick auf das nachfolgende Cover gelangt Ihr zum Buch!
Texte: Tintenfass AG/die vertretenen Autoren
Bildmaterialien: dito
Lektorat: Rene Deter und Sina Katzlach
Tag der Veröffentlichung: 14.05.2014
Alle Rechte vorbehalten