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Wütend stand Maxim vor dem Stuhl, worauf seine ehemalige Freundin saß. Er hatte gestern heraus bekommen, dass sie ihn schon eine Zeit lang mit einem Anderen betrog.
„Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“, knurrte er sie an. Doch sie schien das alles kalt zu lassen.
„Warum sollte ich mich rechtfertigen?“, schnappte sie.
Maxim wusste, worauf er sich eingelassen hatte, sie war hübsch, sie war beliebt, sie war berüchtigt dafür Fremd zu gehen. Und doch hatte er ihr eine Chance gegeben. Idiot!
Sie warf ihr blondes, langes Haar lässig über die Schulter und sah ihn fragend durch die viel zu getuschte Wimpern an. Dahinter verbargen sich die blauen Augen, in die er sich in dem ersten Moment, indem er sie sah, verliebte. Doch nun war die Liebe der Wut gewichen.
Blind vor Wut riss er eine Vase vom Tisch, die am anderen Ende des Zimmers an der Wand zerschellte. Nun sah Sue ihn doch etwas erschrocken an.
„D-Du willst doch nicht als Mädchenschläger enden oder?“, fragte sie beinah schon herausfordernd. Ihre Stimme war fest, doch er wusste genau, dass sie Angst hatte. Das hatten alle, wobei er es lieber so sah, dass alle Respekt vor ihm hatten.
„Wer ist er?“, knurrte er. Ängstlich sah sie auf den Boden, knetete ihre Hände.
„Wer ist er?“, wiederholte er erneut und kam ihrem Gesicht näher. Ganz langsam hatte er es ausgesprochen, der leichte russische Akzent, der in seiner dunklen, rauen Stimme lag, machten seine Worte nur noch Ausdrucksvoller. Er wollte Antworten. Wie, war ihm egal.
Nun biss sich Sue auf die roten, vollen Lippen. Warum rückte sie nicht endlich mit der ersehnten Antwort raus?! War er ihr denn so wichtig?
Sie wusste natürlich, was auf den Kerl zukommen würde. Nur ein Zischen kam über ihre Lippen, doch Maxim hatte den Namen sofort verstanden.
„Léon?“, er schnurrte den Namen vor Vorfreude. Ja, das passte zu Léon. Maxim hatte sich schon des Öfteren mit dem Rothaarigen in den Haaren gehabt.
Maxim sah verachtend auf Sue herunter.
„Verschwinde“, zischte er dann. Sue nickte, stand auf und stöckelte davon. Ihr sonst so erhobenes Haupt, sah stur grade aus. Er schüttelte den Kopf. Er sollte einfach aufhören sich dauernd zu verlieben...
Doch das mit Léon amüsierte ihn. Dachte der Kerl wirklich, er hatte eine Chance gegen IHN?!
Kichernd ließ er sich in den Stuhl fallen und legte die Beine auf den Schreibtisch. Léon also…

Inzwischen ahnte Léon noch nicht, was auf ihn zu kam. Das Basketball Training war anstrengend gewesen, und so schlenderte er mit seinen Teamkollegen verschwitzt über den Rasen, zu den Umkleideräumen.
Doch grade als er in den Raum schlüpfen wollte, um dort von einer kalten Dusche empfangen zu werden, da räusperte sich jemand neben der Tür. Es war die Kleine, mit der er sich seit zwei Wochen nun schon traf. Sie sah auf den Boden, wirkte bedrückt. Seufzend wandte er sich an sie. „Was machst du denn hier?“, seine Stimme klang nicht sehr erfreut.
Sue blickte ihm nicht ins Gesicht.
„Léon..ehm…ich weiß nicht wie ich sagen soll“
Genervt blickte Léon zu ihr.
„Wie wär’s mit schnell? Ich will unter die Dusche“, drängelte er erwartungsvoll.
Wortlos streckte sie ihm einen Zettel entgegen, doch sobald Léon diesen entgegen genommen hatte, suchte sie das Weite. Mit einer Augenbraue nach oben gezogen sah er auf den Zettel. Ein Teamkollege kam an ihm vorbei, schlug ihm auf die Schulter.
„Nah, noch n Liebesbrief? Aber lass von der lieber die Finger! Die gehört Maxim“, witzelte er und verschwand auch unter den Duschen.
Léon faltete den Zettel auseinander. Nein, kein Liebesbrief, dies war eindeutig die Schrift eines Jungen. DES Jungen.
Es war eine Drohung. Léon lachte kurz auf, steckte den Zettel in die Hosentasche und ging unter die Duschen.
„Er wollte also einen Kampf“, dachte Léon, während das kalte Wasser seinen Körper hinunter rann. „Niedlich“.
Vergnügt las er sich den Brief im Laufe des Abends noch dreimal durch. Es war inzwischen schon dämmrig geworden und Léon lag auf seinem Bett, die Arme hatte er hinter dem Kopf verschränkt. Sein Raum war noch kahl, und Kartons stapelten sich in jeder Ecke. Sie waren erst neu hier her gezogen.
Sein Vater war der Meinung, dass sie ab und zu, wegen seinem Job umziehen müssten. Wieder schaute er ungeduldig erst auf den Zettel, dann auf die Uhr, nur um enttäuscht festzustellen, dass es noch eine Stunde bis zu dem Treffen war.


Maxim war zehn Minuten zu früh bei dem Treffpunkt. Léon diese miese Ratte, er war zwar noch nicht lang hier, hatte aber schon jegliches Mädchen gehabt. Er hatte Maxim bloß gestellt, einfach sein Mädchen zu nehmen. Das gehörte sich nicht. Das war unausgesprochene Regel bei ihnen. Wie kam also der „Neue“ darauf, genau Maxim das Mädchen auszuspannen?!
Aufgeregt tigerte er hin und her. Auf dem Rasen hatte sich schon erster Tau gebildet.
„Super Idee von mir, sich um Mitternacht auf dem Sportplatz zu treffen“, knurrte Maxim und kratze sich am Hinterkopf. Nein, dies war nicht wirklich einer seiner besten Ideen gewesen. Doch immerhin hatte er den Brief unter einer Minute geschrieben, dabei konnte ja nichts Gutes raus kommen, oder?
Wieder fuhr er sich durch das blonde, strubbelige Haar.
Wollte sich der Typ etwa noch länger Zeit lassen? Maxim lachte trocken auf und scharrte mit dem Schuh auf dem Rasen.
Da endlich tauchte eine schwarze Gestalt am Ende des Rasens auf. Grinsend drehte sich Maxim in die Richtung, in der der Rothaarige auf ihn zu gestapft kam. Er ballte die Fäuste und spuckte neben sich, als Léon kurz vor ihm zum Stehen kam. Der grinste ihn fröhlich und anscheinend gut gelaunt an. Maxims Wut stieg ins unermessliche. Was bildetet sich dieser Heini eigentlich ein?!
Er packte Léon am Kragen, doch der wusste sich zu wehren. So entstand ein kleines Handgemenge. Maxim teilte zwar gut aus, musste dennoch gut einstecken. Schließlich traf Léon ihn in der Seite, worauf beide umfielen.
Maxim kam unter Léon zum liegen, doch der sah das gar nicht ein. Mit Schwung rollte er sich auf seinen Feind. So befand er sich auf Léon, der ihn schelmisch angrinste. Anscheinend machte er mit Maxim mit Leichtigkeit fertig, denn sein Atem hatte sich nicht einmal beschleunigt, wobei Maxim schon hektisch die Lungen voll sog.
Eine Umdrehung später befand sich Maxim wieder unten und durch Léons Gewicht wich sein ganzer Sauerstoff aus den Lungen.
Keuchend versuchte er Léon von sich runter zu stoßen, doch der zwang beide Hände über Maxims Kopf auf den Rasen und hielten siedort fest. Böse funkelte Maxim seinen Mitschüler an.
Plötzlich beugte sich Léon zum Ohr des Blondschopfes runter und schnurrte vergnügt: „Hast du Genug?“.
In Maxims Kopf schrien die Alarmsignale.
„Ich bin hier nicht derjenige der die Freundin des anderen stiehlt“, fauchte er und verpasste Léon eine Kopfnuss. Der darauf anfing zu kichern, doch zurückwich.
„Du bist wirklich zu naiv, Maxim“. Grade wollte Maxim nachfragend, was das zu bedeuten hatte. Da zuckte Léons Kopf wieder vor. Erstaunt fühlte Maxim die heißen Lippen, die von seinem Ohr hinab zum Hals strichen. Dort auf einer bestimmten Lage verweilten und sich dann plötzlich zwei Nadeln in seinen Hals bohrten. Erschrocken zischte Maxim, versuchte Léon von sich runter zuwerfen. Doch dieser nagelte ihn unter sich fest. Dann überkam Maxim ein komisches Glücksgefühl. Gelassen ließ er seinen Kopf in das Gras plumpsen und beobachtete die Sterne über sich. Dass Léon schmatzende Geräusche von sich gab, störte ihn nicht. Viel eher hatte er damit zu kämpfen, dass ihn diese Situation erregte. Und genau diese Tatsache, verwirrte ihn. Sehr sogar.
Doch viel mehr verwunderte ihn, als er den Hals zur anderen Seite beugte, um Léon mehr Freiheit zu geben und ihm dann auch noch in das Rote Haar griff um ihn an sich zu ziehen. Dass es seinem Feind ziemlich zu gefallen schien, merkte er sofort. Es war, als würde er die Gefühle des anderen mitbekommen.
Erst als Léon über die Stelle des Schmerzes mit der Zunge fuhr, war Maxim wieder Herr über sich selbst. Angewidert stieß er Léon von sich und rutschte ein wenig weiter weg von ihm. Dann griff er sich an den Hals und erstarrte, als er sah, dass Léon ein wenig Blut in seinem Mundwinkel kleben hatte. Der grinste ihn natürlich wieder schelmisch an.
„Du Hundesohn! Was soll die Scheiße?!“, fauchte er den Rothaarigen an, der darauf nur auf allen Vieren und wie eine Raubkatze auf ihn zu schlich. Anmutig, wunderschön und doch so gefährlich. „Tut mir leid dir das sagen zu müssen, doch an dieser blonden Tussi war ich nie interessiert. Es war etwas anderes an ihr, dass ich haben wollte und nun sitzt genau dies vor mir“.
Maxim schluckte. Was hatte Léon eben von sich gegeben?
„Bist du schwul oder was?!“, fauchte Maxim herausfordernd. Die Situation ängstigte ihn. Er wollte
einen Scherz machen,die Situation auflockern. Doch noch in dem Moment wusste er, dass er damit genau ins Schwarze getroffen hatte. Nun saß Léon genau vor ihm, beugte sich langsam zu ihm. „Und was, wenn es so wäre?“, hauchte er gegen die Lippen des Blondschopfes, der sichtlich mit dieser Situation überfordert fühlte. Verwirrt schüttelte Maxim den Kopf und versuchte Léon wieder von sich zu stoßen, doch der fing die Hände ab, leckte Maxim über die sinnlichen Lippen, küsste ihn kurz.
Maxim sah Rot vor Wut. Mit aller Kraft stieß er den Rothaarigen von sich, stand auf. Und machte sich davon, bloß weg von Léon.
„Und wehe du tust das nochmal, Schwuchtel!“, warf er gekonnt über die Schulter, bevor er hektisch in der Dunkelheit verschwand.

Léon blieb auf dem nassen Rasen sitzen, ein Lächeln umspielte seine Lippen. Dann leckte er sich gedankenverloren einen Tropfen Blut vom Daumen. Wenigstens hatte er nun keinen Durst mehr, für die nächsten Tage würde das Drücken im Kiefer also fort bleiben. Was eine Erleichterung!
Er ließ sich nach hinten umfallen und beobachtete die Sterne, die fern am Horizont zu glitzern schienen. Léon musste an die erste Begegnung der Beiden denken. Wie Maxim mit zwei Kumpels am Rand des großen Sportplatzes gesessen hatte. Den Mädchen beim Volleyball spielen zu geguckt hatten. Léon selbst hatte Basketball gespielt, hatte seinen Blick aber nicht von Maxim nehmen können. In just diesem Moment, hatten sich seine Fangzähne ausgefahren und er hatte mit hoch rotem Kopf den Platz verlassen. Sein Herz raste, als würde es gleich aus ihm springen und davon rennen. Vorzugsweise in Maxims Arme.
Auf die Fragenden Blicke seiner Kollegen hatte er nur den Kopf geschüttelt. Durch die Aufruhr hatten Maxim und seine Freunde zu ihm hinüber gesehen. Und da hatten sich die Blicke von Léon und Maxim das erste Mal getroffen. Schnell hatte Léon den Blick wieder abgewandt und sich in einer der Umkleideräume verzogen. Doch in genau diesem Moment, in dem sich ihre Blicke gekreuzt hatten, wusste Léon, dass dies sein Blutpartner werden würde. Der Partner, den er für immer lieben würde.
Und so schnell würde er auch nicht aufgeben!

Maxim kam mit hochrotem Kopf in sein Haus gestürzt. Seine Mutter hatte ihn sofort besorgt gemustert, doch Maxim hatte sie weggestoßen und war hoch ins Bad gerannt, hatte sich dort eingesperrt und war unter die Dusche. Heiß lief das Wasser an ihm herab. Die kleinen Tropfen rannen an seiner hellen Haut entlang. Wie ein Wettrennen. Den Kopf hatte er an die kühle Wand gelehnt. Die Szene von eben, spielte sich nun zum fünften Mal in seinem Kopf ab. Was war da eben passiert?!
Hatte er wirklich einen Jungen geküsst?! Und hatte dieser Junge ihm auch noch seine Liebe gestanden?
Doch die Frage der Fragen war eher, warum ihm das alles nicht mehr aus dem Kopf zu gehen schien. Natürlich war er verwirrt. Doch auch einer seiner Freunde war schwul. So gesehen hatte er nichts gegen Homosexuelle. Solange sie ihn nicht antaschten, natürlich. Und das hatte Léon eindeutig getan. Ein kalter Schauer glitt über seinen Rücken.
Maxim knallte seinen Kopf gegen die Wand, zuckte dann vor Schmerz zurück und stieg schließlich aus der Dusche. Vor dem Spiegel machte er halt. Zornig blickte er sich an. Das blonde Haar tropfte, es ging ihm bis zu den Schultern. Darunter lugten zwei hellblaue Augen hindurch. Seine Lippen waren ein wenig geschwungen. Blonde Bartstoppeln zogen sich über sein Kinn. Plötzlich wanderte sein Blick etwas weiter runter, verharrte an seinem Hals, an dem sich zwei kleine Einstichlöcher sichtbar machten. Ungläubig strich er drüber und zuckte vor Schmerz zusammen. Nein, das war keine Illusion. Leicht fröstelte es ihn, und eine Gänsehaut überzog ihn, als er sich daran zurück erinnerte. An das war vorgefallen war. Wie sollte er nur morgen in der Schule..
Nein, darüber wollte er nun gar nicht nachdenken. Wütend schlug er mit seiner Faust auf das Marmor, welches weiß, das Waschbecken umrahmte.

Die Nacht, die darauf folgte verlief unruhig. Schlaf bekam er keinen oder wenig. Viel zu sehr musste er an das Geschehen auf dem Sportplatz denken. Seufzend wälzte er sich von der einen Seite zur Anderen, auf der Suche nach Schlaf. Doch Gott war nicht mit ihm auf einer Seite, genervt drehte er sich wieder zur anderen Seite und fiel schließlich aus seinem Bett. Ein Grollen erklang aus seiner Kehle. Wütend rappelte er sich auf, es hatte keinen Sinn nun wieder ins Bett zu klettern, Schlaf würde er eh nicht bekommen. Und wenn, dann wettete er, dass er von dem Abend träumen würde! Es war zum Haare raufen. Und genau das tat Maxim. Er raufte sich die blonden Haare.
Schnell, um auf andere Gedanken zukommen, zog sich Maxim eine Jogginghose an, ein frisches T-Shirt fischte er sich auch aus dem Schrank. Wenn schon kein Schlaf, dann wenigstens Bewegung, das lenkte ihn fast immer ab.
Auf leisen Sohlen schlich er sich aus dem Haus.
Die Morgenluft war frisch und ziemlich kühl. Doch beim Joggen würde es ihm warm werden.
Die ersten Zehn Minuten waren wirkliche Qualen. Seine Füße fühlten sich an, als würden sie soeben absterben, unterkühlen, erfrieren, zu Eisklumpen mutieren.
Nun, vielleicht lag es daran, dass der Winter sich nur langsam verabschieden wollte, und der Wetterbericht immer noch von Schnee erzählte, und so was mitten im April. Lächelnd schüttelte Maxim den Kopf und stoppte bei dem kleinen Park. Wenn er hier durch gehen würde, wäre er schneller zu Hause, doch…
Unsicher starrte er in die Dunkelheit, die sich hinter dem kleinen Tor über alles verbreitet hatte. Die Bürger hatten sich schon des Öfteren beim Bürgermeister beschwert, er sollte endlich in diesem Park Laternen anbringen. Doch passiert war bis jetzt noch nichts. Wie immer.
Die Kälte nagte an seinem Körper, ließ ihn Müde werden. Shit, und das genau hier. Die Augenlider wurden schwerer. Vielleicht sollte er einfach den Weg, den er gekommen war zurück? Nein, vorhin war ein komischer Kerl aus einer Seitenstraße getaumelt. Doch Maxim war eigentlich kein Angsthase. Aber dennoch redete er sich ein,dass genug Komisches zeug passiert war.
Angst!? Pah! Das hatte doch nichts mit Angst zu tun! Nein, so jemand wie Maxim hatte vor nichts und niemandem Angst, außer eben…vor der Dunkelheit.
Es hatte alles mit einem Kindheitstrauma zu tun. Damals hatte er Todesängste durchgestanden, nur weil sein Vater noch einmal in einen Laden wollte, ließ er den damals Vier jährigen Maxim draußen stehen.
Nun sollte man sich in seine Lage versetzten und vorstellen, dass es kalt ist, und dunkel. Unter diesen Umständen können Zwanzig Minuten leicht zu einer vollen Stunde werden. Und dann noch diese angst einflößenden Geräusche. Stimmen, Fauchen, Klirren.
Maxim schüttelte sich, das war Vergangenheit. Vergangenheit. Nur noch in seiner Erinnerung. Es knackte hinter ihm. Panisch drehte er sich um, doch dort war niemand, nur eine Katze, die die Mülltonnen durchforstete.
Erleichtert drehte er sich wieder um und stieß das Tor, das ihn und den unheimlichen Park trennte, auf.
Wenn er einfach ganz schnell rennen würde, wäre es bestimmt nicht so schlimm. Mit neuem Mut erklomm er bald schon ein hohes Tempo. Er war einfach nur noch Froh, als er wieder Zuhause im Bett lag. Nur einschlafen konnte er immer noch nicht.
Als er vor Müdigkeit anfing weg zu dämmern, träumte er Zusammenhangloses Zeug. Rote Augen. Seinen ganzen Nachttrip von anderen Augen, über ihm? Vielleicht.

Am Morgen erwachte er schweißgebadet und fuhr aus dem Bett hoch. Das konnte einfach nicht wahr sein. Was sollte das alles. Auch war es ihm, als wäre grade eben jemand an seinem Fenster gewesen. Wurde er jetzt auch noch Paranoid? Maxim lachte. Er lachte sich selbst aus und ging Kopfschüttelnd ins Bad, um sich fertig für die High School zu machen.
Nach einer kalten Dusche, zog er sich an, packte seine Tasche und ging nach unten. Dort saßen seine Mutter und sein Vater am Tisch und tranken Kaffee. Der Vater vertieft in seine Zeitung. Wie in einer ganz normalen Familie.
„Geht’s dir Besser? Was war denn Gestern los? Und wo warst du so spät noch?“, hakte natürlich seine Mutter gleich nach, das war auch normal für Mütter, oder?
„Ehm… Mum, ich muss los. Sonst komm ich zu spät“, vertröstete er sie. Maxim grinste scheinheilig, schnappte sich noch einen Apfel und verschwand aus der Haustür. Was war eigentlich los mit ihm? Es war doch alles normal, alles wie immer eben!

Auf dem großen Schulhof der High School ging es ebenfalls nicht anders vor als sonst. Die Streber verkrümelten sich in eine Ecke und gingen noch mal sämtlichen Stoff, vor dem Unterricht, durch. Die Cheerleader sprangen in knappen Röckchen umher. Die Footballspieler tummelten sich auf einer Bank und „chillten“. Maxim steuerte seine Clique an und begrüßte jeden mit einem Handschlag und einem Rumpeln an die Schulter. Ganz Proletenhaft. Wie immer
Nachdem er sich auch den neusten Tratsch über sich ergehen lassen hatte, schielte er in die Richtung, in die Léon meistens mit seinen Leuten stand. Tatsächlich, als wäre nichts gewesen stand er da, quatschte und hielt sogar ein ziemlich attraktives Mädchen in seinen Armen. Eine steile Falte bildete sich auf der Stirn des Russen. Maxim konnte es einfach nicht glauben. Gestern noch, hatte Léon ihm da nicht noch seine Liebe gestanden? Nein, er hatte ihn überfallen und abgeknutscht, doch…war das nicht so ziemlich dasselbe? Maxim schüttelte kurz den Kopf. Was sollte die Denkerrei, er war ja nicht eifersüchtig oder so. Bloß.. wütend. Genau.
Er war ja nicht Schwul, das war ja fast lachhaft! Er und Schwul.
Vielleicht hatte Léon ihn auch nur Ärgern wollen. Ja, das hatte es sein müssen, redete sich Maxim ein. Doch dann gleich so einen Körpereinsatz zu zeigen? Genervt stöhnte Maxim auf, starrte missmutig in eine andere Richtung. Sein Kopf tat jetzt schon weh.
Er hoffte einfach mal, dass der Unterricht bald anfing, und er so keine Zeit mehr hatte, mehr darüber nachzudenken.
Doch als wollte das Schicksal ihn ärgern, fielen die ersten zwei Stunden aus. Ausgerechnet der Kurs, den er mit Léon zusammen belegte. Seine Freunde waren in einen anderen Kurs gegangen, eigentlich wunderte er sich heute noch darüber, warum er als einziger in den Kurs gegangen war.
Nervös wischte er nicht vorhandene Krümel von dem Tisch, den er ergattert hatte. Da es draußen warm war, hatte er sich auf einen der Tische niedergelassen, die ein wenig abseits auf einem großen Rasen standen. Das Wetter war schon eine Sache für sich. Erinnerte er sich an die Kälte der Nacht, so konnte er jetzt im T-Shirt gemütlich draußen sitzen.
In den Pausen waren die Tische alles gerammelt voll und immer belegt. Doch jetzt, wo alle in einem anderen Kurs steckten, herrschte hier nur gähnende Leere. Außer ihm war hier niemand, wie er mit einem Blick feststellte. Niemand außer ihm und der Junge mit den roten Haaren, der zwei Tische vor ihm Platz genommen hatte. Maxim wusste genau, dass es Léons Absicht gewesen war, sich vor ihn zu setzten, so konnte Maxim den Blick nicht abwenden, und musste ihn ohne Pause mustern. Mistkerl!
Der Blonde musste sich eingestehen, dass Léon gar nicht mal so schlecht aussah. Seine blauen Augen fixierten sich nur allzu gerne auf dem muskulösen Rücken. Er beherrschte Ausdauersport, und dem hatte er es auch zu verdanken einen durch trainierten Körper in der Gegend herum zu kutschieren.
Die roten Haare standen wild gestylt in alle Richtungen, er trug eine Jeans, die ihm locker auf der Hüfte hing und ein Muskelshirt, das wohl die Absicht hatte, dass man das Sixpack, das sich darunter befand, deutlich sehen zu können.
Maxim schluckte, wie gerne würde er ihm das Shirt vom Körper streifen. Gleich darauf landete sein Kopf mit einem lauten Knall auf dem Tisch vor sich. Was dachte er da nur?!
Ein Hand die seinen Nacken rauf fuhr, durch seine Haare, die andere Hand des Fremden glitt von seinem Oberschenkel an die Seite, um dann auf den Bauch zu gleiten. Plötzlich wurde er gepackt.
„….MAXIM!“.
Er fuhr hoch. Léon saß neben ihm, die Besorgnis deutlich ins Gesicht geschrieben. Maxim ergriff die Gelegenheit ohne wirklich darüber nachzudenken. Er beugte sich vor, dicht zu Léon. Dann ließ er seine Arme in Léons Nacken gleiten und zog ihn an sich heran. Kurz lagen ihre Lippen aufeinander. Léon starrte ihn verzückt an. Doch Maxim ließ ab und lehnte sich an Léons Halsbeuge, der darauf sofort bemerkte, was hier eigentlich los war.
„Mensch, du hast Fieber!“.
Maxim kicherte leise. Léons Gesichtsausdruck fand er schön, dass er so überrascht gewirkt hatte, Léon stieß den Russen weg und packte ihn an den Schultern.
„Komm ich bring dich nach Hause“, sagte er in strengem Ton, der keinen Widerstand duldete.
Maxim sträubte sich erst, als er merkte, dass er auf die Arme des Rothaarigen genommen werden sollte. Eine Hand landete direkt in Léons Gesicht, und Maxim fauchte ihn an, dass er ihn gefälligst los lassen sollte. Léon seufzte bedrückt und hob Maxim umständlich auf seinen Rücken, der Blondschopf hielt darauf die Klappe.
Acht Straßen weiter, hatten sie sich zweimal verlaufen, da Maxim Léon immer in eine andere Richtung kommandierte. Auf die Frage, warum Léon denn wüsste, wo es lang gehe, hatte der sich geschlagen gegeben und auf den Blonden gehört. Das hatten sie nun davon.

Einerseits hätte Léon ihm jetzt gerne an den Kopf geworfen, dass er eben doch recht mit der Richtung hatte, aber andererseits, fehlte ihm der Grund, warum er das wusste und hörte sich: „Hey hör zu, ich hab mich in dich verknallt und seit dem stalke ich dich“, als Grund nicht grade gut an.
Schmunzeln betrachtete er den Blonden, der soeben auf seiner Schulter ein geschlummert war.
Die nächste Hürde war ins Haus reinzukommen. Da Maxim so niedlich sabbernd auf Léons Schulter schlief, wollte dieser ihn nicht unbedingt wecken, war ihm doch klar, dass Schlaf für Fieber gut war. Maxims Eltern waren beide Berufstätig, das wusste Léon. Jeden Morgen um acht verließen beide das Haus und fuhren jeder mit einem anderen Auto davon. Was sie arbeiten, wusste Léon nicht, war aber auch nicht darauf aus, es zu erfahren. Die Eltern erschienen ihm im gegensatz zu Maxim recht langweilig, und so auch uninteressant.
Nachdem er Maxim auf dem Rücken gehalten hatte und gleichzeitig in seinen Taschen nach dem Hausschlüssel gefischt, hielt er schließlich triumphierend den Schlüssel hoch. Schnell war die Haustür aufgeschlossen und die Beiden in dem kühlen inneren verschwunden. Léon staunte nicht schlecht, als er das Haus von innen sah, bisher hatte er es nur von draußen gesehen und ab und zu mal einen Blick durch ein Fenster erhascht. Doch was sich hier vor seinen Augen befand, sah ziemlich edel, und auch ziemlich teuer aus. Der erste Raum war eine Art Eingangshalle, sie war in Weiß gehalten, Wände, Teppiche, so wie auch die Möbel. Drei Säulen aus Marmor schienen den Oberen Stock zu halten. Hätte Maxim Léon nicht eine Kopfnuss verpasst, hätte er ihn glatt vergessen, losgelassen und der schlafenden Russe wäre unsanft auf dem Marmor Boden gelandet. Auf die kleine weiße Kommode, rechts neben der Tür schmiss Léon den Schlüssel.
Dann machte er sich daran die riesige weiße Treppe zu erklimmen. Das Maxim hinter ihm ein glucksendes Geräusch von sich gab, irritierte ihn.
„Was ist?“, fragte er irgendwann genervt.
„Du guckst, als hättest du noch nie n Haus gesehen“, gluckste der Gefragte. Léon schüttelte schmunzelnd den Kopf.
„Halt deine Klappe und schlaf weiter“, wies er ihn zurecht und stieg seufzend weiter die Treppen hinauf.
„Rechte Seite, das hinterstes Zimmer“, murmelte Maxim müde. Léon kicherte.
„Ich weiß“, rutschte es ihm raus. Doch handelte es ihm nur einen fragenden Blick von Maxim und darauf ein Schulterzucken ein. Léon schlug die angegebene Richtung an und endete in dem letzten Zimmer, wie ihm angewiesen. Vor dem Bett ließ er Maxim vom Rücken runter und schmiss ihn darauf. Mit einem grunzen landete der Blondschopf darauf, drehte sich auf den Rücken und krabbelte etwas unbeholfen zu seinem Kopfkissen.
Léon unterstützte ihn natürlich, zog die Decke weg, damit Maxim richtig in sein Bett schlüpfen konnte, auch deckte er ihn danach liebevoll zu. Verliebt schenkte er ihm einen Blick.
„Starr mich nicht so an!“, knurrte Maxim müde und klatschte ihm eine Hand zum wiederholten male ins Gesicht.
Léon seufzte. „Naja, okay. Ich geh dann mal“, schnurrte Léon, drückte noch einmal sanft seine Lippen auf die seines Geliebten und prompt klatschte Maxim ihm ein weiteres Mal die Hand ins Gesicht.
„Hör auf damit, ich bin nicht schwul!“. Léon grinste verzückt, dann wandte er sich an die Tür. „Warte“, mühsam setzte sich Maxim auf, streckte eine Hand nach ihm aus. „Lass mich nicht alleine…“
Er nickte und ging wieder zurück zu Maxims Bett, setzte sich auf dessen Bettkante und grinste höhnend. Maxim wurde rot, und drehte sich mit einem gespielt genervtem Seufzen auf die andere Seite. Léon verstand das falsch, legte sich neben den blonden Russen und kuschelte sich an ihn. Wütend drehte sich Maxim um, rot bis an die Haarspitzen.
„Was glaubst du, was du da tust?!“, herrschte er ihn an. Doch Léon blieb cool, den einen Arm legte er um den Nacken des Blonden die andere brauchte er um mit der Hand über dessen Wange zu streichen. Dann lächelte er und hauchte Maxim ein: „Ich dachte du wolltest mich hier behalten“. Nun wurde Maxim sauer.
„ Das heißt ja nicht, dass du mich gleich begrabschen sollst!“, knurrte er und holte zu einem neuen Schlag aus, wurde an den Handgelenken gepackt und Léon drängte ihn Rücklinks auf das Bett.
Schnurrend stupste Léon Maxim mit seiner Nase an, doch der schien keinen Spaß zu verstehen. Wütend sah er ihn an und zischte, ganz langsam, gefährlich langsam: „Lass mich, sofort los!“.
Léon machte keine Anstalten ihn los zu lassen, kurzerhand verpasste Maxim eine Kopfnuss, die es in sich hatte. Stöhnend wich Léon zurück, ließ Maxims Handgelenke los und hielt sich stattdessen seinen Kopf. Teuflisch grinsend richtete sich Maxim auf.
„Hab doch gesagt, lass mich los“, kicherte er.
„Und ich dachte, ich solle hier bleiben!“, rief Léon gespielt aufgebracht und knuffte Maxim in die Seite. Maxim knuffte zurück, das Spiel ging so lange weiter, bis Léon schräg auf Maxim zum liegen kam, und beide erschöpft keuchten. Léon grinste, es amüsierte ihn zu sehen, wie Maxim sich gegen alles zu wehren schien. Tief sahen sie sich in die Augen. Maxim versuchte zur Seite zu schauen, dem Blick auszuweichen. Doch schon schnellte Léons Hand nach vorn und hielt ihn am Kinn fest.
Langsam wanderten seine Lippen über das Kinn hin zu Maxims Lippen, die der Russe sich gierig leckte.
Millimeter davor stoppte Léon, sah Maxim wieder tief in die Augen, kurz tippte er die Lippen mit seinen eigenen an, ging aber sofort wieder auf Millimeter Abstand. Wieder und wieder stupste Léon seine Lippen gegen die des Blonden, bis Maxim ihn am Kragen packte und Léons Lippen auf seine presste. Maxim hielt es nicht mehr aus, es war Folter für ihn! Diese süße Versuchung...
Schmunzelnd gab sich Léon dem Kuss hin, wollte der Blonde also doch was von ihm!
Als Maxim endlich begriff, was er grade tat, stieß er Léon von sich und wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. Dann drehte er sich von ihm weg und begründete es damit, dass das Fieber schuld sei und er Müde war.
Léon ließ ihn, legte sich neben ihn und betrachtete den Rücken, den der Blonde ihm eiskalt zugedreht hatte.
Als nur noch ruhige Atemzüge von dem Blonden zuhören waren, fing Léon an die Muskeln und Knochen auf dem Rücken vor ihm nach zufahren. Léon merkte, wie ein Schauer Maxims Rücken hinunter jagte. Léons Hand strich den Rücken hinauf, an den Rippen entlang, die Brust hinauf bis zur Stirn. Sie war immer noch heiß, auch schwitzte Maxim. Das war nicht gut, hatte er sich gestern zu sehr an seinem Liebling bedient? Besorgt glitt seine Hand wieder runter zur Brust, der Arm legte sich schützend um Maxims Körper. Léon rutschte ein Stück näher, und schlief selbst ein. Die verlockende Wärme, solange hatte der Vampir nach ihr gesucht.

Geweckt wurden beide durch ein Aufschreien, was von der Tür kam. Wütend schmiss Maxim ein Kissen in die Richtung. Verdammt! Sein Kopf bebte, sein Hirn war völliger Matsch. Wem fiel hier ein so herum zu schreien?!
Léon dagegen schenkte der Person an der Tür einen kurzen Blick. Maxims Mutter…
Er grinste, wie es wohl auf sie wirkte, wenn sein Sohn mit einem anderen Jungen im Bett lag und kuschelte? Anscheinend hatte er schon des Öfteren Freundinnen mitgebracht, so wie die Mutter reagierte.
Maxims Mutter schrie herum, bis Maxim ihr endlich die gewünschte Aufmerksamkeit schenkte. „Maxim! Dein Vater kommt bald heim. Ich denke dein Schulkollege sollte jetzt besser gehen!“, herrschte sie ihren Sohn an und betonte das Wort, Schulkollege extra.
Maxim verstand nicht ganz, warum sollte er jemanden nach Hause schicken, nur weil sein Vater kam? Erst da bemerkte er den Arm, der immer noch um ihn geschlungen war. Irritiert drehte er sich um und blickte in zwei warme braune Augen, die ihn anzulächeln schienen. Ein Stück weiter unten, blitzen zwischen den Lippen, an denen er sich fest guckte, zwei Dolch artige weiße Spitzen hinaus.
„Mach ich dir Angst?“, fragte Léon, die Mutter vollkommen ignorierend.
„Ehrlich gesagt…“, murmelte Maxim, sah wieder in die braunen warmen Augen.
„Ja!“, rief er aus und schubste Léon vom Bett runter.
„Was fällt dir kleiner Hundesohn eigentlich ein! Einfach so in mein Bett zu steigen?!“, schrie Maxim ihn an. Verdattert sah Léon ihn an, dann schmunzelte er.
„Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht!“, neckte ihn Léon, der aufstand und sich sein schmerzendes Hinterteil rieb. Schnippisch wandte sich Maxim an seine Mutter, die dem Dialog nur mit großen, aufgerissenen Augen gefolgt war.
„Mutter, und dir hatte ich schon tausendmal gesagt, dass du verdammt nochmal anklopfen sollst!“, wies er seine Mutter zurecht und schickte sie hinaus. Dann besah er sich seinen ungewünschten Besuch.
„Léon, du solltest jetzt auch besser gehen“.
„Das glaub ich nicht“, schnurrte dieser, stützte sich mit den Händen auf das Bett und beugte sich dicht zu Maxim. Maxim wurde rot, als sich ihre Lippen zu einem sanften Kuss trafen, doch um Léon von sich zu stoßen fehlte ihm die Kraft. Ein kleiner Stich in die Lippe, und Léon saugte genüsslich daran.
Maxim wurde der weil schon wieder sauer.
„Wenn du nur Blut willst, dann hol dir n Eichhörnchen!“, nuschelte er an Léons Lippen. Der Angesprochene lächelte nur kurz und saugte still vor sich hin. Maxim ließ ihn, bis seine Lippe anfing zu pulsieren, dann gab er Léon einen Klaps auf den Hinterkopf.
„Genug jetzt!“, raunte er ihm zu. Léon nickt und ließ Maxims Lippe aus seinen Fängen.
„Du hast mich aber dran gelassen“, stichelte Léon, worauf er sich nur noch einen Klaps einhandelte. „Nur, damit du keine unschuldigen Leute anfällst“, versicherte Maxim ihm.
„Ich würde keinem Menschen etwas antun, außer dir. Bei dir ist es etwas anderes. Dein Blut schmeckt anders als, das der anderen Menschen.“, raunte Léon, dann stand er auf und küsste Maxim erneut.

Maxim blieb wie erstarrt im Bett sitzen. Damit wäre seine Ausrede dahin…
Doch Léon wollte ihn nicht hetzen, lieber würde er jetzt gehen. Maxim Zeit zum Nachdenken lassen. Die der auch dringend nötig hatte. Stapelten sich jetzt schon tausende von Fragen in seinem Kopf.
Warum hatte er den Vampir einfach so an sich ran gelassen?
Und wieso machte es ihm scheinbar nichts aus, dass Léon ein Vampir war? Seufzend ließ er sich nach hinten ins Bett fallen und legte einen Arm über die Augen. Was war bloß mit ihm los?

Die Nacht hatte er wieder nicht geschlafen, müde wälzte sich Maxim aus der blauen Bettwäsche. Wenn das so weiter ginge, dann würden seine schulischen Leistungen auch noch drunter leiden und dann würden seine Eltern etwas davon mitbekommen. So weit dürfte es nicht kommen.
Der blonde Russe fühlte sich, als war er im Schlaf von mindestens acht Vampiren überrollt worden. Schleppend war sein Gang zur Dusche.
Doch auch das kalte Wasser, was sonst so belebend auf ihn wirkte, ließ diesmal seine Wirkung aus. Sein Kopf stellte auch nicht für eine Sekunde dieses ewige Nachgefrage ab.
Er hatte einen Vampir enttarnt. Er hatte ihn von sich trinken lassen und küssen... und..
Maxim stoppte seine Gedankengänge.
Warum konnte Léon in die Sonne? Half so etwas wie Weihwasser gegen ihn? Konnte er Kirchen betreten, oder ging er dann in Flammen auf?
Grummelnd trat er aus der Dusche und zog sich an. Warum fragte er Léon nicht einfach selbst?
Weil er mit diesem Kerl nichts mehr zu tun haben wollte, genau.
Das redete er sich zumindest ein. In Wahrheit fand er Léon interessant. Immerhin war er nicht so durchschaubar, wie der Rest der Menschen auf seiner Schule.
Die Schule. Irritiert bemerkte Maxim, wie er keine Lust hatte in die Schule zu gehen. Wie er Léon aus dem Weg gehen wollte. Das durfte nicht sein!
Mies gelaunt zwang er sich in die Schule. Seiner Mutter ging er jedoch aus dem Weg. Wenn die es wagte herumzustochern, wer das gestern in seinem Bett war, musste Maxim eine bessere Ausrede einfallen, als die, dass er krank war und sein „Schulkollege“ ihn nach Hause gebracht hatte.
Vielleicht war er vor dem Bett ausgerutscht und danach neben ihm eingeschlafen? So passierten doch viele Unfälle, oder nicht?
Kopfschüttelnd betrat er den Schulhof. Seine Freunde begrüßten ihn, prahlten mit ihren neusten Eroberungen. Sie fragten nicht, ob es ihm besser ging. Das interessierten sie schließlich auch nicht.
Schweigend ließ er die Wörter über sich ergehen. Wer mit wem geschlafen hatte. Wen sie diesmal endlich rum bekommen hatten.
Schweigend saß er auch im Unterricht. Der Unterrichtsstoff prasselte an ihm vorbei. Seit wann war er so geworden? Seit wann schubste er hilflose herum, zwang Mädchen mit ihm zu schlafen?
Und seit wann hatte er Freunde, die sich nicht für ihn interessierten?

Immer wieder ertappte er sich in der nächsten Zeit, dass er Léon ansah. Was ja nicht falsch wäre, wenn er ihn wütend angesehen hätte, oder missbilligend.
Doch er sah ihn verträumt an und genau das passte ihm nicht. Seine Freunde merkten nichts davon, denn es waren ja nicht einmal Freunde.
Irgendwann schlenderte Léon zu ihm rüber.
„Was hast du eigentlich für ein Problem?!“, knurrte er Maxim an. Der darauf nur verdattert gucken konnte.
„Willst du Stress? Wieso guckst du die ganze Zeit zu mir herüber“, rief er herausfordernd. Maxims Augen verengten sich zu schlitzen. Was hatte er vor?
„Bist du zum Homo geworden? Starrst du mir auf den Arsch? Rede gefälligst!“
Doch was sollte Maxim antworten? Dass sein schönes Proletenhaftes Heteroleben sich mit einem Mal verabschiedet hatte. Zu spät merkte er, dass ihn alle anstarrten.
Sogar Léons Blick veränderte sich. Alle warteten sie auf eine Antwort. Eine Antwort, die Maxim ihnen nicht geben konnte und nicht wollte.
Schweigend drehte er sich um und lief in Richtung Schulgebäude, Léon hinter ihm her.
„Was ist?“, fauchte Maxim ihn an.
„Das sollte ich eher dich fragen“, sanft streichelte diese verlockende Stimme um sein Ohr. Mit den Nerven am Ende ließ sich Maxim an einer Wand runter gleiten.
„Was soll schon sein?“
„Du hattest eben die Möglichkeit mich fertig zu machen, und du hast sie nicht genutzt“, warf Léon ihm schon beinah vor. Hatte er sich grade verhört? Maxim soll die Chance gehabt haben ihn, Léon fertig zu machen?
Wenn er recht überlegte. Hatte er diese Chance gehabt. Warum hatte er sie nicht genutzt?
Schutz suchend schlang er seine Arme um die angezogenen Beine und legte seinen Kopf auf die Knie.
Eine Hand strich seinen Rücken rauf und runter. Sie wirkte beruhigend. Hypnotisierend.
„Was hast du bloß getan?!“, fragte Maxim kläglich. Die Hand stoppte kurz, setzte jedoch nach einer Weile wieder ein.
„Wie meinst du das?“
„Sind Vampire wirklich so dumm?! Was du mit mir angestellt hast, frag ich dich!“, blaffte Maxim ihn an, traute sich nicht den Blick zu heben.
Schweigen breitete sich aus.
„Was hab ich denn mit dir getan?“, fragte Léon leise. Konnte Maxim da so etwas wie Hoffnung heraushören?
„Diese schrecklichen Gefühle. Dass ich mich einsam fühle, wenn du nicht da bist! Was soll der Scheiß? Ich bin doch kein Mädchen! Dass mich in letzter Zeit alles so schrecklich verwirrt. Und dass ich.. es nicht schlimm finde, wenn du mich küsst“, die letzten Worte hauchte er nur noch. Hatte Angst, sie laut auszusprechen.
Die Hand auf seinem Rücken stoppte wieder. Dann wurde Maxim dicht an einen kalten Körper herangezogen.
„Und das tu ich? Bist du sicher, dass du das nicht selbst getan hast?“, flüsterte Léon ihm ins Ohr, strich mit der Nasenspitze den Hals entlang.
„Denkst du mir geht es anders? Nie hat mich jemand freiwillig von sich trinken lassen. Nie hatte ich so köstlichen Blut vor mir.“
Maxim musste grinsend mit den Augen rollen. „Und wieder redest du nur von Blut“
Entschuldigend sah Léon ihn an. Doch grade als Maxim der Verlockung nicht widerstehen konnte und die weichen Lippen vor ihm küssen wollte, wurde es ihm bewusst, wo sie sich befanden.
Mitten auf dem Schulareal. Mit Blicken, die an ihnen klebten.
Seufzend wandte er sich um und starrte in Leere. Léon steckte ihm einen Zettel zu, strich noch mal kurz über die blonden Haare und verschwand dann.
Verwirrt sah der Russe ihm nach. Dann entdeckte er den Zettel in seiner Hand. Neugierig begann er zu lesen.

14 Uhr.Gebäude 6



Mehr war darauf nicht zu finden. Enttäuschend. Moment? Warum enttäuschte es ihn so?
Frustriert aufstöhnend stopfte er den Zettel in die Hosentasche und stand selbst auf. Der Unterricht wartete auf ihn.

Die Stunden glitten an ihm vorbei. Doch für Maxims Geschmack konnten diese Stunden nicht schnell genug vorbei sein. Warum freute er sich eigentlich so?
Er gab zu, dass es ihn quälte, dass er nicht wusste was mit ihm los war. Vielleicht, so dachte sich der Russe, sah er in Léon einen Freund? Einen Freund, der sich für ihn interessierte. Vielleicht freute er sich einfach ihn zu sehen?
Gelangweilt schielte er auf die Uhr. Ungeduldig rutschte er auf seinem Stuhl hin und her. Die fragenden Blicke seiner Freunde ignorierte er. Die dachten wahrscheinlich dass es sich um ein Mädchen handele.
Es klingelte. Endlich! Freiheit.
Mit einem Rutsch schob er sämtliche Schulsachen in seine Tasche und machte sich aus dem Klassenzimmer. Gebäude 6 war nicht allzu weit entfernt.
Plötzlich stoppte Maxim. Was sollte das werden?!
Er konnte doch nicht mit einem fetten Grinsen im Gesicht zu Léon rennen. Das ging doch nicht! Immerhin war es Léon, der ihm die Freundin ausspannte!
Sofort verzog sich das Grinsen aus seinem Gesicht. Besser! Trotzig setzte er seinen Weg fort.
Wie schon gedacht, erwartete ihn Léon mit einem verschwörerischen Lächeln auf den sinnlich geschwungenen Lippen.

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Tag der Veröffentlichung: 09.04.2011

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