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Einsamkeit,
Wenn ich meine Mutter so sehe, wie sie nur noch betrunken ist. Meinen Vater, der sie für eine Jüngere hat sitzen lassen. Meine Schwester, die letzten Endes doch noch ausgezogen ist.
Einsamkeit…macht es den Menschen denn so unglücklich? Treibt es sie manchmal sogar bis zum Tod? Zu tiefster Verzweiflung?

Warum ist dies dann nicht bei mir so? Ich liebe die Einsamkeit. Sie gab mir immer das Gefühl von Sicherheit. Einsamkeit…
Gedankenverloren starrte ich aus dem Fenster. Die Bäume wogen sich im Wind, langsam begannen sie die bunten Blätter von sich zu schütteln.
„Es wird bald Winter!“, seufzte ich. Für einen kurzen Moment, hatte ich vergessen wo ich wirklich war, doch die Wirklichkeit holte mich schnell wieder ein. „Deamon?“, meine Mutter packte mich an der Schulter. Anscheinend hatte ich wieder diesen glasigen Blick aufgesetzt. Sofort griff sie nach dem Messer, das auf dem Tisch lag und kam näher. „Du bist mir unheimlich! Wer bist du? Und wo hast du meinen Sohn gelassen?!“, schrie sie. Ich zuckte kurz zusammen. Meine Mutter packte meinen Arm und schnitt mit dem Messer einen langen Strich. Sofort fing es an zu Bluten. Warum war ich nicht ihr Sohn? Wo war ihr Sohn? Ich war er jedenfalls nicht und deshalb musste ich bestraft werden! Sie schnitt weiter. Ich ließ es über mich ergehen.
Die süße Qual. Der Schmerz, der sofort durch meinen Körper schoss. Ich nahm es nicht wahr. War in meiner eigenen, kleinen Welt.
Nachdem sie endlich fertig war, waren meine Arme blutig und über meine Wangen kullerten Tränen. Sie hatte endlich Erbarmen mit mir gehabt und ließ mich in mein Zimmer gehen. In solchen Momenten war meine Schwester immer für mich da, nahm mich in Schutz, verband meine Wunden, und sagte, dass alles wieder gut werden würde. Ich vermisste sie schrecklich. Sie sagte mir, sie würde mich immer beschützen!
Aber wie konnte sie? Sie lebte nun weit weg von mir. Unerreichbar für mich selbst!
Ich wischte das Blut von den Schnitten ab. Es waren viele und manche davon erstreckten sich über den ganzen Unterarm.
„Muss wohl morgen Sport schwänzen!“, murmelte ich und leckte mir ein bisschen Blut von meinem Daumen. An meinem Schreibtisch brach ich dann schließlich zusammen. Ich merkte wie mir langsam die klebrige rote Flüssigkeit, warm an meinem Armen entlang lief. Zu viel Stress hatte ich in den letzten Tagen, zu viel Streit mit meinen Freunden, die lediglich nur besorgt waren. Zu viele Gedanken um mein eigenes Leben gemacht und schließlich zu viel Blut verloren, von der brutalen Strafe meiner Mutter.
Das Schwarz färbte sich langsam grau und vor meine Augen wurde es heller. Ich blinzelte ein paar Mal, bevor ich durch den Nebel sehen konnte. Draußen war es schon Stockdunkel. Mein Wecker zeigte mir, dass es schon 1 Uhr morgens war. Etwas in mir brachte mich dazu zur Tankstelle um die Ecke zu gehen. Mein Magen bejahte dies knurrend. Ich zog mir also schnell alles Blutverschmierte aus und stieg in eine Jogginghose, das T-Shirt hatte nichts abgekriegt.
Und so trottete ich los. Kurz vor der Tankstelle, ich war schon eine Weile unterwegs gewesen, fiel mir auf, dass ich kein Geld bei mir trug. Auf meinen Schnitten hatte sich Kruste gebildet und nun waren diese nicht zu übersehen. Mein Magen forderte mich knurrend auf etwas zu essen. Ich ignorierte ihn und drehte mich um, um den Weg nach Hause einzuschlagen. Plötzlich lief ich in einen Jungen hinein. Erschrocken blinzelte ich unter meinen schwarzen Haaren hervor.
„S-sorry“, murmelte ich und wollte schon wieder gehen, als er mich am Arm packte. Ich zuckte zusammen, Tränen schossen mir in die grünen Augen. Flehend lugte ich unter meinem Schwarzen Pony hervor, der über mein eines Auge ging an.
„Lass los...Bitte!“, winselte ich. Fragend sah er mich an, dann musterte er meine Arme. Ich sah wie sich seine Augen weiteten. Langsam lockerte er den Griff. Doch richtig los lassen tat er nicht. Seine Arme waren kräftiger als meine und ausgeprägte Muskeln zogen sich daran entlang. Tief blickte er mir in die Augen. Ich konnte ein eisiges Blau erkennen, doch zu mehr war es zu dunkel.
Dann störte mein Magen den Moment, in dem er mich wieder daran erinnerte das ich verflixt noch mal was essen sollte. Ein schiefes Grinsen legte sich auf die Lippen des Anderen. Vorsichtig nahm er meine Hand und zog mich zwei oder drei Straßen weiter. Wir kamen in ein lichtdurchflutetes Viertel und er steuerte direkt auf ein kleines Restaurant zu. Behutsam schob er mich in das warme Café, weiter zu einem Tisch. Ganz vorsichtig drückte er mich auf das rote Polster der Bank. Dann rief er die Bedienung, die auch so gleich kam. Es war eins dieser vierundzwanzig Stunden Restaurants, nicht teuer aber auch nicht wirklich lecker.
Während er mit der Bedienung sprach starrte ich nur in die Dunkelheit, die draußen herrschte. Als ich mich im Restaurant umsah, war die Bedienung schon wieder in der Küche verschwunden. Ich klappte meinen Mund auf um ihm zu sagen, dass ich doch kein Geld hatte, doch er grinste mich nur wieder mit diesem schiefen Grinsen an. Erst jetzt im Licht sah ich ihn genau. Er war groß, seine Haut etwas gebräunt und muskulös, blonde Haare und wunderschön eisblaue Augen.
„Was ist? Hab ich was im Gesicht?“, neckte er mich. Mir war nicht aufgefallen, dass ich ihn die ganze Zeit anstarrte und das mit offenem Mund, sah bestimmt ziemlich dämlich aus. Blut schoss mir ins Gesicht und ich blickte schnell zu Boden. Er lachte, es war ein angenehmes Lachen. Er hatte eine tiefe Stimme, was mich nicht wunderte, denn das sollten Jungen in meinem Alter eben so haben. Außer ich. Ich quiekte immer noch munter wie ein Meerschweinchen, weshalb ich auch nicht viel sprach.
Bald darauf folgte seine Bestellung. Ich beobachtete wie sich langsam aber sicher Teller um Teller vor uns auf dem Tisch stapelten. „I-ich kann das nicht bezahlen!“, sagte ich kleinlaut. Die Bedienung sah den Jungen unhöflich an. „Keine Angst ich lade dich ein“, sagte er lächelnd und die Bedienung verschwand, mit einem hochnäsigem Blick. Unhöfliches Ding...
Er nahm vorsichtig meine Hand, mit der anderen stopfte er mir eine Waffel in den Mund. Wollte er mich jetzt etwa knebeln?
Er zog meine Hand sanft in seine Richtung. Kauend sah ich ihm zu. Was hatte er vor? Dann endlich begriff ich, dass er meine Schnitte am Arm musterte. Ich wollte den Arm wieder unter den Tisch ziehen, doch er umklammerte mein Handgelenk.
„Wer hat dir das angetan?“, fragte er mit ernster Miene. Doch ich blieb still, senkte nur wieder den Blick. Er griff nach einer Waffel und schob sie mir erneut in den Mund. Dann sprach er mit ruhiger Stimme weiter: „Du musst es mir nicht erzählen. Immerhin bin ich nur irgendein Fremder“. Skeptischer Blick meinerseits.
„Der sich mehr um mich kümmert als meine eigene Mutter“, murmelte ich kaum hörbar. Tränen kullerten mir die Wangen entlang. Als würde es mich trösten schob er eine dritte Waffel hinter her. Heulend kaute ich auf der Masse in meinem Mund herum. Ich schmeckte nichts. Genauso gut, hätte er mir eine Schuhsohle hinhalten können.
„Wie heißt du eigentlich?“, murmelte ich, als ich endlich runter geschluckt hatte. Er lächelte.
„Drac!“, sagte er schließlich. Meine Gedanken rasten nur so durch meinen Kopf. Und ich war dankbar dafür, dass er nicht nach meinem fragte.
Warum hilft er mir? Er kennt mich doch überhaupt nicht! „Weil du mir sofort sympathisch warst“, sagte er wieder mit diesem Grinsen auf den Lippen.
„Was? A-Aber..wie? und warum? A-Aber ich…und“, ich brach ab.
„Wie hast du?“, brachte ich schließlich raus. Er grinste fröhlich vor sich hin und aß eine Waffel. Ich nahm den Becher mit Cola und sog die süße, bräunliche Flüssigkeit durch den Strohhalm, dabei ließ ich ihn aber nicht aus den Augen. Doch er schien meinen Blick auf sich zu spüren und sah mich fragend an. Ich starrte ihn weiter an und ließ mich nicht verwirren. Stille herrschte. Unruhig kaute ich auf dem Strohhalm herum.
Der Anstarr-Wettbewerb zwischen uns ging unbeirrt weiter. Schließlich zuckte sein Mundwinkel. Dann prusteten wir beide los. Wie lang? Irgendwann zog sich mein Magen zusammen. Forderte mich auf, das alberne Lachen sein zu lassen und weiter Nahrung aufzunehmen.
„S-Seit Monaten h-hab ich nicht mehr so gelacht“, rief Drac lachend. Ich nickte zustimmend und wischte mir die Tränen aus den Augenwinkeln. Dann stopfte er mir eine weitere Waffel in den Mund und schmunzelte. Er schaute auf die Uhr.
„Naja, ich muss dann los!“, sagte Drac. Wir tauschten Handynummern aus. Dann blickte ich auch auf die Uhr. „4 Uhr“, murmelte ich. Erschrocken rannte ich los und ließ einen verwirrten Drac zurück.
Warum ich mich nicht eine Sekunde fragte, was ein Junge meines Alters um diese Uhrzeit draußen zu suchen hatte, wusste ich nicht. Er hatte mich sofort mit seiner netten Art verschlungen. Mein Vertrauen erobert.
So schnell ich konnte rannte ich zu unserem Haus. Keuchend krallte ich meine Nägel in den rechten Arm. Der Schmerz, der mich durchzuckte lenkte mich von der Angst ab, die mich jetzt überkam. Ich erreichte die Tür, einmal noch sog ich tief die kalte Nachtluft ein, dann schloss ich die Tür auf und verschwand in der Dunkelheit.
Meine Mutter stand vor mir, die Pupillen weit aufgerissen, Tränen in den Augen.
„Wo warst du?“, fragte sie mich langsam mit tiefer Stimme. Ich biss mir auf die Lippen.
„Wo warst du?!“, schrie sie mich ungeduldig an. Wieder blieb ich stumm.
„Wo ist mein Deamon, was hast du mit ihm gemacht? Wo nur?!“ Weinend fiel sie auf den Boden.
„Wo nur?“, murmelte sie. Tränen überdeckten ihr Gesicht. Zögernd ging ich zu ihr. Ließ mich neben ihr nieder.
„Wo?“, murmelte sie, weitere Tränen rollten über ihre Wangen. Langsam schloss ich meine Arme um sie. Zu meiner Verwunderung tat sie es mir gleich. Zog sich ganz nah an meinen Nacken heran. Ich spürte ihren Atem auf meiner Haut. Dann durchzuckte mich ein stechender Schmerz. Wieder biss ich mir auf die Lippe, diesmal so fest, dass das Blut austrat. Das Gesicht meiner Mutter tauchte blutverschmiert vor mir auf. Böse funkelte sie mich an.
„Gib mir meinen Deamon wieder!“, schrie sie mich an. Das Blut lief mir den Hals herunter, warm und klebrig. Ihr Biss war tief gewesen. Meine Hand glitt zum Hals und legte sich auf die Wunde.
Aggressionen stiegen in mir auf. Konnte ich etwas dafür, dass Deamon damals im Feuer starb? Nein! Sie zündete es, nicht ich! Sie tötete meinen Zwillingsbruder. Sie, sie und nochmal sie! Ich war unschuldig. Damals 6 Jahre alt gewesen. Aber ich konnte nicht MEIN Leben leben! Ich war ein unehrliches Kind. Deamon dagegen ein Wunschkind. Hochbegabt, klug, hübsch und er war geplant! Auch wenn ich von einem anderen Vater stammte, ich und Deamon waren Zwillinge. Er war der einzige der mich nicht behandelte wie Dreck. Sogar meine angebliche Schwester hatte mich so behandelt, noch heute lebte sie in dem Glauben ich sei der richtige Deamon, weshalb sie mir half, geholfen hatte! Doch ich war auf ihre Hilfe angewiesen gewesen.
Und der, der ich einmal war, verbrannte in dem Feuer. Wie ich hieß? Das wusste ich nicht mehr… Immer war ich nur Deamon. Ich war wie er… war ein Klon von ihm geworden.
Die ganze restliche Nacht lag ich wach auf dem Bett. Meine ganzen Gedanken drehten sich um Drac! Auch er mochte Deamon, jeder mochte ihn. Außer mir. Ich wäre lieber Ich. Doch, konnte ich das überhaupt noch sein? Wenn ja, wie wäre ich dann? Würde ich meinem Bruder ähneln, würde mich auch jeder mögen?
Ein klingeln riss mich aus den Gedanken.
„Schon Zeit zum aufstehen?“, murmelte ich müde. Ich schälte mich aus dem Bett und schlich ins Bad. Im Spiegel funkelte mich jemand mit stechend grünen Augen an. „Sogar mein Spiegelbild hasst mich!“, murmelte ich. Die Dusche befreite mich von der Müdigkeit. Wie jeden morgen, duschen und stylen. Meine schwarzen Haare wild in jegliche Richtung, meinen Pony über das linke Auge. Die Augen unterstrich ich mir mit Kajal.
Meine Haut war hell und mein Körper schmächtig. Ich war klein, sagten jedenfalls alle anderen. Dabei gab es viel kleinere als mich. Ich fand meine Größe normal. Doch was war schon normal...?

Ein neuer Tag eine neue Chance. Das war mein Lebensmotto. Ich schnappte mir das Glätteisen und machte mich ans glätten meines Ponys. Hatte ich eigentlich nicht nötig meine Haare waren glatt, doch wenn sie noch nass waren, fingen sie sich immer an zu wellen. Ich hasste das.
Drei verbrannte Finger und fünfzehn Minuten später klingelte plötzlich mein Handy. Ich sprang auf mein Bett und folgte dem klingeln solange bis ich halb unter dem Bett lag. Da endlich hielt ich triumphierend mein Handy in der Hand. Tatsächlich hatte ich eine SMS bekommen.

„Hey, guten Morgen. Ich fand den Abend gestern echt super, müssen wir unbedingt wiederholen! Du bist echt ein netter Typ ;) Naja…konnte die ganze Nacht nicht schlafen und du?
Liebe Grüße
Drac“

Schnell tippte ich ihm eine Antwort:
„Hey, dir auch guten Morgen. Konnte auch nicht schlafen und das mit dem Treffen müssen wir echt wiederholen. Nächstes Mal lade ich dich ein
LG Deamon“

Mit einem zufriedenen Lächeln schickte ich die SMS ab. Kurze Zeit später klingelte es erneut.

„Ich komm heute neu an deine Schule! Sehn uns ja vielleicht ;)“

Ich erstarrte. An meine Schule? Ich blickte zum Spiegel. Jogginghose und ein schlabber Shirt. Ich rannte zu meinem Schrank und durchsuchte ihn hektisch. Dann richtete ich mich auf.
„Was tu ich denn grade?!“ ich schlug mir die Hand gegen die Stirn.
„Wieso mache ich mir Gedanken wie ich aussehe?“
Ganz langsam ging ich zu meiner Tasche und dann aus meinem Zimmer. So etwas war mir noch nie passiert!
Auf der Treppe hielt ich meinen Atem an und schlich so leise ich nur konnte die knarrende Treppe herunter. „Bitte, lass meine Mutter nicht aufwachen“, betete ich im Stillen vor mich hin. Auf der letzten Stufe angekommen zog ich gierig den Sauerstoff ein. Das schwierigste war geschafft! Ich schlüpfte in meine Schuhe. Dann öffnete ich die Tür. Plötzlich quietschte die Tür. Ich zuckte zusammen. Mich nicht bewegend wartete ich einige Minuten ab. Dann wollte ich gehen, doch auf einmal stand da meine Mutter hinter mir. Ich zitterte am ganzen Körper.
„Du wirst heute nicht zur Schule gehen! Du hast es nicht verdient!“, schrie sie mich an.
„D-doch das werde ich!“, flüsterte ich.
„Wie war das?!“ Sie blickte mich entsetzt an. Dann nahm sie den schnellsten Griffbereiten Gegenstand. Eine Vase. Sie schmiss sie auf den Boden. Meine Knie wurden weich. Sie nahm eine große Scherbe und kam drohend auf mich zu.
„Es tut mir leid!“, piepste ich. Dann rannte ich durch die offene Tür ins Freie. Dies war das erste Mal, dass ich mich meiner Mutter widersetzte! Immer noch zitternd über das, was grade geschehen war, stand ich am Schultor. Es war schon reger Betrieb auf dem großen Schulgelände. Ich schlängelte mich an den ganzen Gruppen durch zum Schulgebäude. Jeder lächelte mich an, jeder begrüßte mich. Sie mochten Deamon und nicht mich…! Ich ignorierte sie. Wie immer. Alle liebten sie Deamon, nur…ich, ich der Deamon zurzeit war, ich mochte sie nicht, ich hasste sie!
Am Gebäude angekommen, schritt ich durch die große Eingangstür. Dann zweimal rechts, eine große Treppe hoch und noch mal links. Ich stand vor meinem Klassenraum.
Als ich grade rein gehen wollte, griff eine Hand nach meinem Arm. Erschrocken fuhr ich herum um zu sehen wer mich da anpackte. Ein bekanntes Lächeln lag in dem Gesicht dieser Person. Ich mochte dieses Lächeln… Es ließ mich schmelzen wie Butter.
„Hey“, begrüßte mich Drac, mit seiner wundervollen tiefen Stimme.
„Hey“, piepste ich nur zurück, immer noch nicht in der Lage normal zu sprechen. Dann gaben meine Knie nach und ich saß auf dem Boden, die Tränen kullerten mir über die Wangen. Warum brachen meine inneren Dämme immer, wenn er in meiner Nähe war?! Was machte das für einen Eindruck? Falscher Deamon heult nur rum?
„Was ist los?“, fragte er besorgt und kniete sich neben mich.
„N-nix“, stammelte ich. Er nahm mich in den Arm. Sofort hörten meine Tränen auf und mein Kopf wurde heiß.
„Alles okay?“, fragte er erneut.
„mhm…“, presste ich heraus. Dieses Gefühl. Geborgenheit und Nähe. Glücklich kuschelte ich mich an ihn heran. So eine Nähe hatte ich noch nie genießen dürfen, es fühlte sich einfach wunderbar an. Ich sog seinen Duft ein. Dann stockte ich. Was tat ich hier?! Ich schob ihn zurück und sagte: „Danke“.
Dann stand ich auf. Mit den Nerven am Ende. Was passierte hier nur mit mir?!
„Ey, warte mal. Du kannst mir helfen!“
Ich hatte nicht bemerkt, dass ich weg gelaufen war und drehte mich um. Fragend blickte ich in die wundervollen blauen Augen, in denen ich mich sofort verlor.
„Ich weiß nicht wo meine neue Klasse ist, also mein Klassenzimmer“, er grinste mich an. Ich konnte mich einfach nicht von seinen Augen wegreißen, deshalb fragte ich: „Klar, welche Klasse bist du denn?“
„11 b“
„Das ist die Klasse zwei Türen weiter von dir. Da wo ich vorhin davor stand“
„Also sind wir in der gleichen Klasse?“, fragte er mich. Ich nickte. Dann endlich konnte ich mich losreißen und drehte mich um.
„Und…wo gehst du jetzt hin?“, fragend blickte er in meine Richtung. Ich konnte seinen Blick förmlich auf meinem Rücken spüren und ich konnte nicht behaupten, dass es mir nicht gefiel. Aber wohin wollte ich eigentlich?
„A-Aufs Klo“, stammelte ich.
„Achso, okay“ Er lächelte, ich zurück.
In der Toilette angekommen, ließ ich mich mit dem Rücken an der Wand runter gleiten. Da saß ich, rätselte was mit mir los war und fand einfach keine Antwort. Ich zog die Beine an und schloss meine Arme darum. Legte das Kinn auf meine Knie. Dann ließ ich mir alles nochmal im Schneckentempo durch meinen Kopf gehen. So schnappte ich auch wieder das Geschehen von heute Morgen auf. Angst überkam mich Panik machte sich in mir breit.
„Sie wird mich töten!“, murmelte ich.
„Wer?“ Kam eine Frage von weiter oben. Ich blickte auf. Sah Drac, war er mir gefolgt?
„Warum bist du hier?“ Ich blickte wieder nach unten. „Weil ich mir Sorgen um dich mache! Du willst mir immer noch nicht erzählen, was da an deinen Armen geschehen ist?“, sagte er sanft und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ich genoss die Berührung, dann sah ich ihn wieder an.
„Genau“, piepste ich leise. Ich unterdrückte die Tränen, ich hasste es, dass ich nah am Wasser gebaut war. Er zog meine Ärmel nach oben und betrachtete die Wunden. „Mann! Du musst das desinfizieren sonst entzündet es sich!“, besorgt blickte er mich an. Die Wunden waren richtig Rot geworden, was mir jetzt erst auffiel.
„Ist doch egal“, sagte ich trotzig und zog den Ärmel wieder nach unten.
„Wieso sollte es egal sein? Deine Mutter wird sich bestimmt um die Wunden kümmern, du solltest nach Hause gehen, du wirkst sehr blass“.
Sein besorgter Blick lag immer noch auf mir.
Meine Mutter? Als er das Wort erwähnte zuckte ich zusammen. Ja sie würde sich um mich kümmern…aber eher im negativen Sinne. Tränen stiegen in meine Augen und zu allem übel stieg nun auch noch ein hysterisches Lachen meine Kehle hinauf.
Drac starrte mich an. Dann nahm er mich in den Arm, er schien es zu begriffen haben.
„Deine Mutter?“, hauchte er. Ich nickte und schloss die Augen. Er drückte mich an sich. Ich grub meine Fingernägel in seine Schulterblätter. So verharrten wir einige Minuten, bis ich mich wieder abreagiert hatte.
„A-Aber warum?“ Er wollte Klarheit, die ich ihm geben würde, doch jetzt noch nicht. Ich konnte noch nicht. Er würde mich hassen. Wie alle mein wahres Ich hassten..
Es klingelte und wir beeilten uns in die Klasse zu kommen.
Der Unterricht verlief so wie immer, langweilig und trocken wurde uns der Stoff ins Gehirn gequetscht. Immer wieder musste ich zu Drac starren, er saß nur vier Tische weiter vorne als ich. Irgendwann musste er meine Blicke gespürt haben, denn er drehte sich abrupt um so dass er mich erwischte wie ich ihn anstarrte, mein Gesicht wurde rot.
„Deamon, alles okay? Geht es dir nicht gut?“, fragte mich der Lehrer. Ich schüttelte meinen hochroten Kopf, dann endlich erlöste uns das Klingeln der Schulglocke. Ich nahm meine Schultasche und schlich aus dem Klassenraum. Wieso verstand er mich so gut, auch ohne Worte? Fühlte genau, wann ich seine Arme um mich brauchte und wann er einfach nichts sagen sollte?

So langsam ich konnte setzte ich einen Fuß vor den anderen. Ich fürchtete mich davor nach Hause zu gehen, die Tür zu öffnen und im dunklen inneren verloren zu gehen. Vielleicht für immer...?
Eine Hand legte sich auf meine Schulter.
„Du zitterst“, stellte Drac fest. Ich zuckte mit den Schultern. Dann sah ich ihm in die Augen, in diese wundervollen blauen Seen. Lange musste ich so da gestanden haben und einfach nur seine Augen bewundert haben. Irgendwann fragte er mich: „Hast du auch so hunger? Ich jedenfalls schon! Und du schuldest mir eh noch ein Essen“.
Er grinste mich an und ich lächelte zurück. Nur bei ihm konnte ich solche Glücksmomente erleben. Mich wohl und geschützt fühlen. Ich schmiegte mich noch einmal an ihn, sog seinen lieblichen Duft ein. Meine persönliche Droge... Dann drückte ich ihn sanft weg.
„Verschieben wir das…“ Es würde alles schlimmer machen, wenn ich nicht pünktlich nach Hause kam.
„Verstehe…“, traurig blickte er mich an.
„Dann lass mich dich wenigstens noch ein Stück begleiten“. Ich wollte zwar nicht, doch mein Kopf nickte wie von selbst. Doofer Kopf...
Und so liefen wir dicht neben einander die Straße entlang. Irgendwann stoppte ich. Dann sah ich ihn an und schüttelte den Kopf. „Nicht weiter“.
Er drückte mich noch einmal an sich und zögerte. Fragend sah ich ihn an. Wollte er noch etwas sagen? Plötzlich zog er meinen Kopf zu sich heran und küsste mich. Zarte Lippen strichen über meine. Verlockend, und Hunger auf mehr machend.
Erschrocken versuchte ich mich von seinem Griff zu befreien, doch er war zu stark. Ich ließ es geschehen und am Ende genoss ich es dann doch. Viel zu kurz, so fand ich, war der Kuss. Am Ende. Am Anfang...wollte ich doch eher nicht.
Er schmeckte so gut, dass ich mich am liebsten nie wieder von ihm getrennt hätte. Doch irgendwann mussten wir wegen Sauerstoffmangel dann doch den Kuss lösen. Er grinste mir noch mal aufmunternd zu und ging dann langsam in die Richtung, in die er musste. Kurz starrte ich ihm noch hinterher, dann riss ich mich zusammen und schlug auch meine Richtung ein.
Er hatte Deamon geküsst. Natürlich. Oder hatte er mich geküsst? Noch nie hatte ich vor einem Menschen so viel meines wirklichen Ichs offenbart.
Vor dem Haus stoppte ich und meine Gedanken die, die ganze Zeit nur Dracs Namen vor sich hinmurmelten, schlugen abrupt um. Ich begann zu zittern. Würde ich jemals noch mal die Sonne zu Gesicht bekommen? Ich sog die angenehme wärme der Sonne in mich auf, genoss sie vielleicht zum letzten Mal.
Mit zitternden Fingern schloss ich die Tür auf.
Im Haus war es eiskalt und stickig. Dazu war es noch so dunkel, dass ich nicht mal meine Hand vor Augen sah. Es roch schrecklich, muffig, mein Magen drehte sich um. Ich rannte zum Bad, rutschte doch auf dem Weg dorthin aus und übergab mich auf den Teppich. Hier stimmte etwas nicht. Ich tastete mich vorsichtig voran. Berührte etwas eiskaltes, etwas was mich sofort zurück zucken ließ. Da lag etwas! Nein…JEMAND!
Ich stand auf und so schnell ich konnte, rannte ich zur Tür. Stolperte über Dinge, die anscheinend überall im Raum verteilt waren. Ich hämmerte auf den Lichtschalter. Keine Reaktion, nichts veränderte sich. Glücklich darüber, dass das Licht nicht ging, riss ich die Tür auf und floh aus dem Haus.
Ich rannte, ohne Ziel. Tränen rannen mir in Strömen die Wangen runter. Was war das grade gewesen? Was sollte ich tun? Polizei? Genau!
Auf dem Revier erzählte ich alles und hyperventilierte. Die Polizisten lachten, doch sahen sie trotzdem nach. Mit dem Streifenwagen wurde ich zurück gebracht. Die Polizei brachte mich in meine persönliche Hölle.
Die Gesetzeshüter waren schon ausgestiegen.
Ich wehrte mich, ich wollte nicht, nicht noch einmal darein.
Angst stieg in mir hoch. Mein Magen verkrampfte sich schlagartig. Was wenn ich mir das vorhin nur eingebildet hatte? Wenn alles okay wäre? Wie wütend würde dann meine Mutter werden, wenn ich plötzlich mit Uniformträgern anrücken würde?...
Wie ein geschlagener Hund stieg ich aus und folgte ihnen bis an die Haustür. Artig klingelten die Polizisten. Doch es passierte nichts. Meine Mutter machte nie auf, wenn es klingelte. Warum auch? Schließlich hatte ich einen Schlüssel...
Nach einer Weile dann, forderten die Polizisten mich auf den Schlüssel zu benutzen. Mit einem ungutem Gefühl im Magen, schloss ich auf.
Die Polizisten traten ein. Mit Taschenlampen bewaffnet gingen sie ins Haus. Sie hätten natürlich auch einfach die Rollläden hochziehen können, doch, so glaubte ich, fühlten sie sich auch endlich mal, wie die Polizisten im Fernsehen! Die Lichtstrahlen tasteten sich im Dunkeln vor, wie knochige Finger erstreckten sie sich durch den Raum. Doch das Ereignis, welches sich im Haus abgespielt haben musste, war schrecklich.
Es sah aus wie auf einem Schlachthof. Ein Massaker. Überall Blut. Mir kam das Essen erneut hoch und ich rannte in den Vorgarten, nur um mich dort auf dem Rasen zu übergeben. Was ich da brach, wusste ich nicht genau. Jedenfalls war es nicht das nicht vorhandene Frühstück.. Mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen, verlangte zu meinem verwundern nach Nahrung. Wahrscheinlich um da weiter zu machen, wo ich grade aufgehört hatte. Doch genug von Nahrung, die man eigentlich nicht gewillt ist, wieder hinaus zu würgen.

Während ich stöhnend und nach Luft hechelnd auf dem Rasen stand, hatten die Polizisten den Lagebericht per Funk raus gegeben. Auch sie waren blass geworden.
Kurz darauf trafen vier weitere Wagen ein.
Ein Krankenwagen, und drei die einfach nur schwarz waren. Und wie hätte es anders sein können? Die ersten Nachbarn streckten ihre Giraffen Hälse aus den Fenstern.
Leute mit weißen Plastikanzügen stiegen aus. Spurensicherung? Sie traten in das Haus ein. Die Rollläden wurden aufgezogen. Licht wurde herein gelassen. Ich lag immer noch auf dem Rasen und schnappte nach Luft. Ich schloss die Augen, die Bilder von dem was ich gesehen hatte schossen mir durch den Kopf. Ich riss die Augen wieder auf. Dann wurde ich in eine Decke gewickelt und sollte mich einem Test unterziehen. Bei dem sie klipp und klar feststellen würden, dass ich in eine Klapse kommen sollte. Pah..von wegen.
Das ganze Geschehen erinnerte mich an eine Krimiserie, nur das ich leider mitten drin war. Ich hatte diese Serien noch nie ausstehen können.
„Alles okay mit dir Junge?“, fragte eine Ärztin. Ihr langes blondes Haar war zu einem Zopf zusammen gebunden, nur einzelne Strähnen waren zu kurz und fielen in ihr ovales Gesicht. Ihre braunen, warmen Augen verzauberten mich mit einer überwältigenden Freundlichkeit.
Ich schaute etwas komisch, entschied mich dann aber leicht zu nicken. Was war denn das für eine Frage gewesen? Da lag eben noch ein Junge verkrümmt auf dem Boden und hielt sich den Magen…und dann so eine Frage?
Ich setzte mich in ein Auto, ließ aber die Tür offen und streckte die Beine raus. Ich beobachtete alles ganz genau, es schien trotzdem alles an mir vorbei zu rauschen. Was war mit mir los? Unwillkürlich musste ich an Drac denken, mein Herz begann zu rasen. Eine Nachwirkung vom Schock? Ja, das wird es sein...
Ein Leichensack mit Inhalt wurde aus dem Haus geführt. Ich zog an dem Ärmel des einen Polizisten.
"...W-Wer ist da denn drin?", fragte ich mit zitternder Stimme.
"Wir kennen die Frau nicht... Vielleicht kannst du bei der Identifizierung helfen. Aber nicht jetzt...später!", sagte der Polizist und drückt mir die Schulter.
Ich nutzte den unbeaufsichtigten Augenblick und huschte ins Haus. Alle Möbel waren voller Blut und zum Teil auch nicht mehr ganz. An der Wand stand dick und mit Blut geschrieben: "Du Schlampe tust ihm nicht mehr weh!" Als ich aus dem Haus trat, hatte sich schon eine Menschenmenge darum versammelt. Die Nachbarn waren schon immer sehr hellhörig gewesen. Ich hasste sie.
Eine Gestalt lief auf mich zu. Ich erkannte sie nicht, hob nicht mal den Kopf, starrte nur ins Leere und grübelte über diese Nachricht an der Wand nach. Jemand küsste mich auf die Stirn. Ich starrte die Person an.
"Drac!", piepste ich, dann hielt mich nichts mehr. Ich schmiss mich in seine Arme und heulte mich aus. War er ja langsam schon gewohnt von mir..
Drac nahm mich am Arm und ging in das Haus. Wir gingen in mein Zimmer. Dort schmiss er eine Tasche auf das Bett und warf alle möglichen Klamotten von mir rein. Dann nahm er die Tasche und mich und wir gingen wieder raus. Die Polizisten warfen uns nur einen fragenden Blick zu. Drac ging zu ihnen und sie flüsterten etwas, sahen aber immer wieder zu mir, dann nickte der eine Polizist. Drac kam wieder auf mich zu und zog mich mit. Das alles ging so schnell, dass ich einfach nur zu sah.
Eine lebende Hülle, mehr war ich nicht mehr. Mein Körper war zwar hier, doch meine Seele, mein Bewusstsein, waren ganz weit weg.
Am nächsten Morgen wachte ich in einem sehr gemütlichen Bett auf. Die ganze Nacht wurde ich von Albträumen gequält. Durchgeschwitzt setzte ich mich auf. Neben mir schlief Drac ruhig atmend. Ich musste lächeln, als ich ihn schlafend sah. So friedlich guckte er drein. Wie ein Kind sah er aus, ich strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Nein, sein Gesicht wies markante Züge auf, fast wie ein erwachsener Mann. Langsam schlug er die Augen auf, ich zuckte zurück. „sssht…ist ja gut“, beruhigte er mich sanft und legte mir seine Hand auf die Wange. Seine Finger glitten langsam über meine Haut. Mein Gesicht errötete, meine Haut heizte sich auf. Langsam, als wäre ich ein verängstigtes Tier, nahm er die Hand wieder von meiner glühenden Wange, sah mir tief in die Augen. Für einen Augenblick hatte ich einfach nur noch das Bedürfnis meine Lippen auf seine zu pressen, doch dann stand er auf und sagte im gehen: „Ich mach Frühstück, hast doch bestimmt Hunger“ Er zwinkerte mir zu und ging aus dem Zimmer. Er hielt mich für eine immer Hunger habende Heulsuse...
Ich drehte mich auf die Seite und wartete. Auf was wusste ich nicht. Ich war anscheinend wieder weg gedämmert, denn ich wurde von einem sanften Kuss geweckt. Natürlich erwiderte ich sofort und zog Drac zu mir aufs Bett.
„He, nicht so stürmisch mein kleiner“, wisperte mir Drac ins Ohr und knabberte an meinem Ohrläppchen. Ich verkniff mir ein Stöhnen und drehte mich so, dass ich ihm direkt in die Augen sah. Was war bloß mit mir? Hatte ich letztens noch Angst vor diesem Gefühl, wollte ich es nun nie mehr missen.
„Ich muss jetzt zur Schule, aber du nimmst dir frei! Ich hab dir Frühstück gemacht“
Mit diesen Worten stand er auf und nahm seine Sachen. Ich ging im hinterher, bis zur Tür. Kurz bevor er in der morgendlichen Kälte verschwand, drehte er sich noch einmal kurz um. Ich legte meine Hand in seinen Nacken und zog ihn dicht an mich. Eng umschlungen standen wir in der Tür. Unsere Atmung war schneller geworden und die Erregung uns ins Gesicht geschrieben. Ich wollte ihn noch dichter an mich ziehen, ihn küssen und Liebkosen. Doch dann wurde mir bewusst, zu wem, oder eher zu welchem Geschlecht, ich mich hier eigentlich hingezogen fühlte. Ich ließ ab und lächelte noch einmal schwach. Dann zog er die Tür zu. Ich verkrümelte mich erst mal ins Bad. Ich wollte endlich den Schweiß von mir waschen. Achja..er hielt mich dann eher für eine immer Hunger habende Heulsuse mit Schweißdrüsen, wie ein Elefant. Schwitzten Elefanten eigentlich?
Ich stieg in die Dusche und ließ das warme Wasser an meinen Körper hinunter laufen. Es ließ meine Lebensgeister erwachen. Den Dreck endlich los zu sein, steigerte sogar meine Laune.
Nachdem ich ausgiebig geduscht hatte, schlang ich mir locker ein Handtuch um die Hüften und tapste zum Spiegel. Auf das Waschbecken stützend beobachtete ich mich im Spiegel. Plötzlich wurde alles schwarz. Blut, überall war Blut. Da war etwas, nein jemand. Blutverschmiert. Es ist eine Frau. Meine Mutter! Sie…sie wollte mir etwas sagen. Sie schritt auf mich zu. Sie grinste, dieses teuflische Grinsen und die verrückt weit aufgerissenen Augen. Sie machte mir Angst.
„Ich komme! Ich komme um dich zu töten!“
Sie machte noch einen Schritt auf mich zu.
„Er konnte dich vor mir retten, in deiner Welt. Doch ich werde dich quälen“
Noch einen Schritt kam sie auf mich zu.
„Jetzt kann er dich nicht beschützen, dich mir nicht weg nehmen“
Sie stand nun direkt vor mir und hielt ein Messer in der Hand. Meine Hände rutschten von Waschbecken ich knallte auf den Boden. Kniend und zitternd saß ich da. Meine Mutter vor mir. Ich wusste nun war es so weit. Nun würde sie mich kriegen. Nun war alles vorbei.
Die Badtür ging auf und in einem hellen Licht erschien eine Person. Zitternd schlossen sich meine Hände um die Person. Auch sie schien mich zu umklammern und mich damit beruhigen zu wollen. Und es klappte die Vision von meiner Mutter verschwand ich war wieder im Bad und nach kurzer Zeit schlief ich in den Armen des Fremden ein.
Ich träumte von meiner Kindheit…vom einem Jungen, den ich aber noch nie gesehen hatte. Er war anscheinend ein guter Freund gewesen. Doch…nachdem was damals geschah. Nach dem großen Brand. Kam er nie mehr. Ich sah mich. Heulend saß ich dort am Fenster und rief nach jemandem. Was sagte ich? Wie war sein Name?
Plötzlich legte sich eine große Hand auf meine Stirn. Ich riss die Augen auf.
„Gehen sie weg!“, schrie ich verzweifelt und trat um mich. „Shitsuji, es ist doch alles gut.“ Sanft streichelte mir ein Fremder über mein Haar.
„Ich heiße Deamon. Lassen sie mich jetzt los!“
Er lächelte. „Ist okay“
Er ließ mich los. Ich kniete auf einem fremden Bett. Nur in Boxershort. Mein Gegenüber war genauso wenig bekleidet wie ich selbst. Was würde euch diese Situation sagen?
Erstaunt und verängstigt, starrte ich mein Gegenüber an. „Es ist nicht so wie du…ich mein du…“ Ich stand auf packte meine Klamotten unter den Arm und rannte. Ich rannte durch die kleine, dreckige Wohnung. Raus aus der Tür. Passanten glotzen mich an. Klar ein Junge, nur mit Boxershort bekleidet ist schon was. Ich ignorierte die Blicke und rannte. Auf einem Bahnhofsklo schaffte ich es dann endlich auch meine restlichen Sachen anzuziehen. Doch was jetzt? Ich war hier, hier…ja wo war ich eigentlich? Irgendwo bei einem Bahnhof ohne Geld, ohne Essen…ohne Ideen. Ich schlenderte aus der Toilette und begutachtete den Bahnhof.
„Wo zur Hölle bin ich hier nur?“, murmelte ich wie zu mir selbst. Zu jemand anderem konnte ich auch nicht wirklich sprechen?!
„In Venedig“, grinste mich ein alter Mann an.
„Venedig?!“. Ich glaubte mich verhört zu haben. Doch der alte Mann bestätigte mit einem Nicken. Langsam torkelte ich aus dem Bahnhof und auf eine befahrene Straße zu. Ich hörte Reifen quietschen und ein Autofahrer trat kräftig in die Bremse. Er stieg aus. „Hast du sie noch alle, Junge?! Du kannst doch nicht einfach vor mein Auto laufen?“, herrschte mich eine Frau im mittleren Alter an. „Entschuldigen sie“, flüsterte ich, so dass sie es grade noch so mitbekam. Ihr Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig.
„Deamon?“ Ich sah zu ihr auf.
„Ja?“, fragte ich verunsichert. Sie grinste dreckig.
„Sehr gut“ Sie packte mich am Arm und wollte mich grade ins Auto schubsen, als hinter uns, mir eine sehr bekannte Stimme ertönte.
„Lassen sie ihn los!“ Es war dieser Junge von vorhin. „Nein, ich werde das beenden, was meine Schwester angefangen hat!“, schrie die Frau.
Schwester? Zu Ende bringen? So langsam verstand ich gar nichts mehr. Die Frau zerrte kräftiger an meinem Arm, ich verlor das Gleichgewicht und stürzte auf den Boden. Die Frau nutzte die Chance und griff nach etwas im Wagen liegendem.
„Eine Waffe?“, fragte ich bestürzt, als ich einen Kolben erkennen konnte. Urplötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf, dass meine Mutter vielleicht doch nicht die Irre aus der Familie sei. Wer fuhr schon mit einer Pistole im Handgepäck herum?!
„Ja, mein lieber Neffe! Was hast du nur meiner lieben Schwester angetan?! Dafür wirst du büßen!“
Sie richtete die Waffe auf mich, doch bevor sie den Abzug betätigte, stand schon der Junge hinter ihr und rang mit ihr um die Waffe. Ein Schuss ertönte. Tauben flogen aufgeregt von den Dächern. Von weiter weg hörte man Polizeisirenen. Wen hatte es getroffen? Die Frau sackte zusammen.
„Was habe ich nur getan? Es tut mir so leid. Ich war von Hass zerfressen“ Tränen liefen an ihren Wangen herunter. Nun konnte ich sogar eine Ähnlichkeit zwischen meiner Mutter sehen.
„Wie kann ich das nur jemals wieder gut machen?“, murmelte sie. Der Junge stand immer noch vor ihr. Langsam kippte er und landete auf dem Boden. Schmerzverzerrt war sein Gesichtsausdruck. Es hatte ihn getroffen?! Ich robbte zu ihm hin. Krampfhaft hielt er sich die Flanke. Blut floss in Strömen. Sein mittellanges blondes Haar färbte sich Rot.
„Halte durch!“ Mir kamen die Tränen. Egal wie viel Wasser ich im Körper gehabt hatte, so langsam müsste ich daran sterben, nicht mehr genug im Körper zu haben. „Bitte sterbe nicht!“
Warum weinte ich um einen Jungen, den ich nicht mal kannte und der mich anscheinend letzte Nacht…Nein, darüber jetzt nach zudenken wäre unpassend. Endlich kamen die Polizeiwagen näher. Auch ein Krankenwagen war dabei.
„Alles wird gut, Hilfe kommt gleich“, ermutigte ich mich. „Alles wird gut“, wiederholte ich immer und immer wieder. Die Polizisten nahmen die Frau mit. Der Krankenwagen den Jungen.
„Ich möchte mit“, sagte ich zu einem nett aussehenden Arzt.
„Tut mir leid Junge. Aber der Krankenwagen ist voll. Aber fahr doch per Anhalter ins Krankenhaus“, sagte dieser und stieg ein. Ich sah noch lange dem Krankenwagen hinter her. Per Anhalter? Sollte ich mir da nicht gleich ein Schild an den Rücken kleben. „Bitte einmal vögeln“? Die rot leuchtende Sirene verschwanden irgendwo am Horizont.
Enttäuscht sah ich hinterher. Venedig also...
Was sollte ich hier? Warum war ich hier? WIE WAR ICH HIER HER GEKOMMEN?!
Wütend schnaubend starrte ich in die Richtung, in die der Kerl, der meine Fragen sicher beantworten konnte, verschwunden war.
Immerhin war ich doch heute Morgen noch bei Drac gewesen. Oder war es gestern? Mein ganzes Zeitgefühl war gestört. Und so fiel es mir auch nicht auf als die Sonne begann schon unter zu gehen. Das Krankenhaus war immer noch nicht in Sicht, denn aus lauter Frust war ich einfach drauf los gelaufen. Nicht mal sicher, ob das die richtige Richtung war.
Dieser Junge ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Warum hat er das alles getan? Sein Leben für mich geopfert?
Dabei kannte ich noch nicht mal seinen Namen. Das war es! Er verwechselte mich, er hatte mich heute Morgen auch anders genannt. Wie war das doch gleich? „Shitsuji“, murmelte ich vor mich hin.
Plötzlich stand ich vor einem riesigen weißen, hässlichen Gebäude. Das Krankenhaus.

„Was kann ich für sie tun?“, riss mich eine Frau an der Rezeption aus den Gedanken.
„Ehm…ich suche nach einem…“, ich stockte. Ich kannte doch den Namen gar nicht.
„…Jungen“, beendete ich meinen Satz. Die Frau betrachtete mich skeptisch.
„Ehm…er wurde vorhin hier eingeliefert. Mit…Mit einer Schusswunde“, stotterte ich weiter. Die Frau schien zu verstehen, behielt jedoch den skeptischen Blick.
„Zimmer 145“, sagte sie und wendete sich wieder einem Haufen Papiere zu. Ich bedankte mich freundlich und machte mich auf die Suche nach Zimmer 145. Nach einer Viertelstunden Suche hatte ich erfolgreich mein Ziel erreicht. Zufrieden öffnete ich die Tür. Da lag der Junge, und schlief. Langsam ging ich zu seinem Bett und setzte mich ans Fußende.
Am liebsten hätte ich mich auf ihn gestürtzt, ihn geschüttelt und gefragt, was die ganze Scheiße sollte?!
Doch ich tat es nicht. Immerhin musste ich mich hier benehmen.
„Warum hast du das für mich getan?“, fragte ich also patzig.
„D-Das wirst du noch herausfinden“, sagte er mit zittriger Stimme. Ich erschrak als er auf einmal antwortete, hatte doch gedacht dass er schläft. Entnervt rollte ich mit den Augen.
„Warum willst du es mir nicht sagen?“, hakte ich weiter nach. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Mund aus. Dann schien er eingeschlafen zu sein. Missmutig stieg ich vom Bett und machte mich auf den Weg nach draußen. Doch den Geldbeutel des Jungen hatte ich mit gehen lassen. Zufrieden schnitt ich eine Grimasse und ging aus der Tür.
Ich machte den Geldbeutel auf und entdeckte seinen Pass.
„Sam“, murmelte ich. So hieß er also…
“Sam? Nein, noch nie gehört“
Verwundert ließ ich meine Hand durch die Haare gleiten, bevor ich dann das Geld fach aufmachte. Drei 50 Euro Scheine lächelten mir entgegen. Verlangten, dass ich sie ausgab.
„Damit schaff ich es doch bestimmt locker wieder nach Hause zu Drac?“
Ich lächelte und bestellte mir ein Taxi, das mich zum Bahnhof bringen sollte. Der Taxifahrer war sehr nett zu mir gewesen und bejahte die Aussage, dass ich mit dem Geld nach Hause könnte. Glücklich stieg ich aus und lief in den Bahnhof rein. Es war ziemlich schwer ein Ticket zu kriegen…und das auch noch auf einer mir unbekannten Sprache. Und da fiel mir erst auf. Der Mann, der mir sagte, wo ich mich befand. Sam..und meine „Tante“, alle hatten auf meiner Sprache geredet. Die Frau im Krankenhaus, sowie der Taxifahrer, eher mit Akzent. So dass man daraus schließen konnte, dass es nicht ihre Heimatsprache war.
Rätselnd stieg ich in den Zug und klebte die ganze Fahrt über nur am Fenster. Die Landschaft war überwältigend. Zudem war ich noch nie Zug gefahren. Immer wieder hatte ich bedenken, dass der Zug von den Gleisen rutschen könnte, aber da es nicht geschah, zerbrach ich mir nicht weiter den Kopf darüber.
Als ich endlich aus dem Bahnhof trat, sog ich die kühle Stadtluft ein. Es hatte erst geregnet und die erhitzten Straßen dampften. Von dem Geld war nicht mehr viel übrig und ich hoffte, dass es für ein Taxi zu der Wohnung von Drac reichte. Ich rief also ein Taxi und stockte. Ich wusste ja nicht mal, wo Drac wohnte. Ich stand mit dem Taxi also vor der Schule.
„Hier“, sagte ich freundlich und gab dem Taxifahrer sein Geld.
„Moment mal Junge! Da fehlen noch 10 Euro“, herrschte mich der Fahrer an. Ich war verblüfft über die hohen Preise.
„T-Tut mir Leid…aber ich hab nicht mehr“, gab ich schließlich zu. Jetzt wurde die Miene des alten Fahrers wirklich ungemütlich.
„Mach das du hier raus kommst!“, schrie er mir hinterher und ich machte, dass ich so schnell wie möglich aus dem Taxi raus kam, rannte über den Schulhof, die Treppen hoch zu unserem Klassenzimmer. Von drinnen schallten Geräusche her.
Ich setzte mich also brav neben die Tür. Wartete, bis es klingelte. Alle kamen aus der Klasse, bis auf Drac.
„Drac!“, rief ich quer durch den Klassensaal, der sich weiter leerte. Er war nicht hier.
„Suchst du Drac? Der war heute nicht da“, meinte ein Mädchen aus meiner Klasse und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. „Aber ich weiß wo er wohnt“. Ich sah sie mit großen Augen an, und ließ mir die Adresse geben.
Ich nickte und bedankte mich. So schnell wie ich konnte rannte ich zu der Adresse. Es war eine Wohnung in einem Hochhaus. Keuchend stand ich vor seiner Tür. Sie war nur angelehnt.
„Darc!“, rief ich in die Wohnung. Es machte keinen Mucks. „Drac?“, wiederholte ich nochmal. Ein ungutes Gefühl schnürrte mir den Brustkorb zu. Mit den Nerven am Ende schritt ich in die Wohnung. Endlich hörte ich Geschirrgeklapper in der Küche.
„Drac!“ Mein Herz machte einen Salto, als ich ihn endlich unter der Spüle bemerkte.
„Deamon?“, Er war so schnell aufgesprungen dass er sich den Kopf stieß, trotz der Schmerzen zog er mich in seine Arme.
„Wo warst du bloß? Ich hab mir solche Sorgen gemacht“ Den letzten Satz flüsterte er mit so viel Sehnsucht, dass mir fast die Knie versagten.
„Ich dich auch“, flüsterte ich sanft zurück und Freudentränen kullerten mir an den Wangen entlang. Schon wieder heulte ich! Doch diesmal sah ich es auch verdächtig in Dracs Augen schimmern.
Ich war zu Hause, endlich wusste ich wo ich hin gehörte. Ich wollte ihn nie wieder los lassen.
Er zog mein Kinn zu sich hoch und küsste mich fordernd. Es dauerte nicht lange bis seine Zunge über meine Lippen leckte. Bereitwillig öffnete ich sie und seine Zunge drang in mich ein. Ein Gerangel von Zungen entstand und man konnte ein Stöhnen hören. Von wem es kam, wusste ich nicht. Doch es gefiel mir, es sagte mir, der Kuss zeigte genauso viel Wirkung wie bei mir.
Doch als er die großen Hände besitzergreifend auf meinen Hintern legte,überkam mich ein wenig Panik. Mir war sicher, dass ich hier die Frauenrolle übernehmen musste. Immerhin heulte ich auch wie eine.
Doch da war alles schon zu spät. Verführerisch zog er mich ins Schlafzimmer, aus dem ich für längere Zeit auch nicht mehr raus kommen sollte und wollte.
Als er dann endlich von mir abließ, war ich so erschöpft, dass ich sofort in einen tiefen Schlaf fiel. Glücklich bei ihm zu sein kuschelte ich mich in seinen Arm und träumte…..von diesem „Sam“!
Am Morgen war ich so sauer auf mich, dass ich mich nicht richtig auf meine Tasse Kaffee konzentrieren konnte und sie schließlich in tausend Scherben zerbrach.
„Morgen mein Schatz“, trällerte Drac, der grade nur mit einem Handtuch um die Hüfte durch das Wohnzimmer lief. Ich liebte seine Wohnung. Die offene Küche, das geräumige Wohnzimmer. Auch das kuschelige Schlafzimmer, von dem ich und mein Hintern seit gestern erst mal genug hatten.
„Morgen“, murmelte ich und machte mich daran die Scherben aufzusammeln und ihn somit nicht die ganze Zeit an zu schmachten. Doch immer wieder wanderte mein Blick automatisch zu ihm rauf. Er merkte es und grinste zu mir runter. Meine Blicke glitten an ihm rauf und runter und umso mehr ich mich dagegen wehrte, merkte Drac alles. Schließlich warf ich die Scherben in den Müll und rannte schon fast panisch ins Wohnzimmer, Drac hinter mir her.
„Ich hab deine Blicke bemerkt! Jetzt wehre dich nicht so dagegen. Gestern war es doch schön!“ Ja das war es gewesen. Doch nun musste ich wieder in den Alltag kommen. Die Schulzeit hatte ich fast ganz verpasst. „Deamon. Ich liebe dich“.
Prompt bremste ich ab und Drac lief in mich rein. Ich drehte mich zu ihm um uns sah ihm ins Gesicht.
„Ich liebe dich“, wiederholte er, wusste er doch, dass ich genau das jetzt hören wollte. Das ich über mein Schwul sein noch sehr verunsichert war. Er gab mir Sicherheit. Er liebte mich. Er liebte mich, und ich glaubte ihm, dass er wirklich nur MICH liebte. Und nicht Deamon...
„Ich dich auch“, hauchte ich ihm entgegen. Lächelnd lagen wir uns in den Armen. Meine Hände fuhren wie von selbst über seine mit Wassertröpfchen verzierter Brust.
„Du bist wunderschön“. Ich musste grinsen, war das doch grade mega peinlich, was ich vor mich hin brabbelte. Auch er tat es mir nach und fuhr über meine Brust. Meine Nippel wurden schon von seinen Berührungen hart und schrien nach Liebkosungen. Er ließ seine Hände ganz langsam unter mein T-Shirt gleiten. Ich leckte genüsslich über seine Nippel die genauso schnell hart wurden wie meine. Dann glitt ich seinen Körper hinunter bis zu dem Handtuch. Das genau das verdeckte was ich wollte. Doch als ich zu ihm hoch schielte und sah ich sehr er schon meiner Aktion alles andere als abgetan war, konnte ich mich nicht mehr halten. So schnell würde er mich nicht bekommen. Ich ließ prompt von ihm ab, küsste ihn noch mal leidenschaftlich auf den Mund und verschwand kichernd im Bad. Ich hüpfte gut gelaunt unter die Dusche und nach eine Weile hörte auch das Schimpfen und ärgerliche an die Badezimmertür getrete auf.

Unter der Dusche ließ ich mir das warme Wasser über den Rücken laufen. Ich liebte es zu duschen. Besonders wenn das Wasser kalt über den Kopf lief. Doch dafür hatte ich jetzt keine Zeit. Ich wollte heute unbedingt wieder in die Schule. In mein normales Leben zurück finden, so eins wie ich es mir schon immer gewünscht hatte. Also entledigte ich mich auch gleich dem kleinen Problem, welches doch ziemlich groß war, und welches ich Drac zu verdanken hatte.
Nachdem ich also rund um sauber war, wickelte ich mich in ein Handtuch und trat vor den Spiegel. Mein Haare hingen klitsch nass in mein Gesicht und verdeckten die grünen Augen. Mein Pony war lang geworden. Früher hatte meine Mutter immer meine Haare geschnitten, doch als ich dann am nächsten Tag erklären musste wo die ganzen Schnitte an meiner Stirn herkamen, übernahm ich auch dies selbst. Ihr hatte es immer Spaß gemacht mich bluten zu sehen. Sie ergriff jede Möglichkeit. Jetzt wo ich so drüber nachdachte, war ich froh, dass sie Tod war. Meine Mutter…
„Was wohl mit diesem Sam ist?“ Ich schloss die Tür auf und marschierte kurzer Hand ins Wohnzimmer. Immer noch in Gedankenversunken setzte ich mich hin und bemerkte dann erst das Drac einen Gast hatte. Ich schaute erst ihn, dann die zwei Fremden, dann an mir runter. Ich saß, nur mit einem Handtuch bekleidet vor den beiden Männern in Uniform!
Ich wurde erst blass, dann plötzlich rot und stammelte etwas vor mich hin und lief dann so schnell ich konnte in Richtung Schlafzimmer. Drac mit seinen Blicken immer an mir geheftet. Ich glaube wenn die Polizisten nicht hier wären, dann hätte er sich sofort die Kleider vom Leibe gerissen und so war mir das ganz recht, dass sie hier waren. Ich zog mir schnell Jogginghose und ein T-Shirt an und ging wieder ins Wohnzimmer, wo sich anscheinend nichts geändert hatte.
„Guten Morgen“, murmelte ich und setzte mich wieder neben Drac auf das rote Sofa, die Polizisten auf den roten Sesseln uns gegenüber. Der etwas kleinere Polizist räusperte sich und sagte dann in einer rauen, kratzigen Stimme: „Wir sind gekommen…wegen dem Vorfall mit ihrer Mutter.“
Mein Herz beschleunigte ein wenig, als sie das Wort „Mutter“ erwähnten, beruhigte sich aber sofort, als Drac seine Hand auf meine legte.
„Also, es scheint sich um Mord zu handeln“, beendete er seinen Satz. Mord...?
Nun schaltete sich der etwas dickere, Rotschopf ein. „Niko, ich denke das weiß der Kleine schon. Immerhin hat er das alles gesehen!“, quietschte er zu dem braun haarigen Kleineren.
„Sei ruhig, Mario! Wir gehen hier richtig Professionell vor!“, herrschte ihn „Niko“ an.
„Sei doch nicht immer gleich so fies zu mir Niko“, heulte nun Mario rum. Niko fuhr sich durch die braunen Haare und murmelte irgendwelche Flüche.
„Mario, es…ich hab es doch nicht so gemeint. Jetzt sei nicht gleich sauer auf mich“ Niko gestikulierte dabei so sehr mit den Händen, dass ich schon Angst um das Wasserglas auf unserem Glastisch hatte. Auf „unserem Glastisch“ hach, es hörte sich zu herrlich an.
Drac und ich fühlten uns wie im Kino und ich war schon drauf und dran das Popcorn zu holen, als Drac die beiden unterbrach.
„Meine Herren!“ Er räusperte sich. Mario und Niko schauten auf und kriegten sich endlich ein. Mario fing sich als erster und sagte: „Ja. Nun, wir wollten wissen ob ihre Mutter vielleicht Feinde oder ähnliches hatte?“ Ich schüttelte schweigend den Kopf. Nein, Feinde nicht. Noch nicht einmal Freunde oder Bekannte, sie war nie draußen gewesen… Wie sollte sie jemanden kennen gelernt haben...? Die Polizisten sahen sich gegenseitig an, dann nickten sie.
„Also…dann entschuldigt wegen der Störung“, sagte Niko „Sie hatte eine Schwester!“, bemerkte ich und die beiden setzten sich wie auf Kommando wieder.
„Eine Schwester so, so... Könnte sie es getan haben?“
Ich schüttelte den Kopf und die beiden standen wieder auf.
„Ich hab jemanden namens Sam kennen gelernt...“, die Beiden setzten sich wieder.
„Das ist...schön? Was soll er mit dem Mord zu tun haben? War er verdächtig?“, die Augen des Uniformträgers glitzerten.
„Nein“
Die beiden Standen wieder auf. Ich wollte schon den Mund aufmachen, als der kleine, dicke Polizist mich warnend ansah. Nochmal würde er sicher nicht wieder aufstehen. Die Beiden gingen.
Auf einmal stand Drac hinter mir und schlang die Arme um mich. „Zieh nicht so ein Gesicht“, bat er mich und küsste mir auf den Hinterkopf.

Der Alltag holte uns schnell ein und nach ein paar Wochen waren wie eine richtige kleine Familie, von zwei Leuten...versteht sich.
Zwar waren wir den Tag über getrennt, Drac jobbte, da er fertig mit der Schule war, und auf mich noch ein Jahr wiederholen musste. Doch das Wiedersehen am Abend war das schönste am ganzen Tag. Alles war wie ich es mir immer ersehnt hatte, oder nicht?
Ich leerte grade den Briefkasten als mir ein roter Brief in die Hand fiel. Ich klappte ihn auf. Wieder ein Drohbrief, das ganze ging jetzt nun schon zwei Wochen, in denen ich jeden Tag so einen Brief im Briefkasten gefunden hatte. Doch sollte ich das wirklich ernst nehmen?
Ich ignorierte es lieber, und Drac hatte ich erst gar nichts davon erzählt. Ich ging die Treppen zur Wohnung hinauf. Die Wohnungstür war geöffnet und von drinnen schallten zwei Männerstimmen, die anscheinend stritten. Vorsichtig lugte ich um die Ecke ins Wohnzimmer, die Wohnung sah ziemlich zerwühlt aus, die Lampe kaputt und überall lagen unsere Sachen herum. Dann sah ich die zwei Männer, das eine von ihnen war Drac, doch wer war der andere?
„Du dachtest wohl du kannst mich einfach so verlassen oder was?!“, schrie nun der Fremde.
„Ich hab dir doch gesagt, dass ich es tun musste!“, schrie nun Drac zurück. Die Konversation bestand fast nur aus schreien und die Stimmung war erdrückend.
„Du hättest das nicht tun sollen! Sie war auch meine Mutter!“, schrie nun der Fremde wieder. Wortfetzen.
„Du hast doch nie etwas unternommen! Wolltest ihn weiter so Leiden sehen!“
„Nein!“
Ich beugte mich weiter nach vorne und rutschte aus, fiel aus meinem Versteck. Nun sahen mich die Zwei doch etwas erstaunt an.
„H-Hallo“, stammelte ich und richtete mich wieder auf. Alarmstufe Rot. Verpiss dich aus der Wohnung. Laaauf! „Deamon…du..bist schon zu Hause?“
Drac kam auf mich zu und umarmte mich, sah mich kurz an und küsste mich.
„Du musst die Unordnung entschuldigen“, sagte er schnell und drückte seine Nase an meine Wange.
„W-Wer ist das?“, fragte ich zögernd. Drac sah auf den Fremden und sagte:
„Nicht wichtig…er wollte grade gehen“. Der Fremde schnappte theatralisch nach Luft, schlug aber die Richtung zur Tür ein. Doch ich versperrte ihm den Weg. „Ich will wissen war hier los war…“, sagte ich, blickte Drac aber nicht an. Der seufzte nur und ging zur Küche. „Ich mach Tee, das wird bestimmt etwas länger dauern“

Ich und der Fremde gingen ins Wohnzimmer und setzten und auf die Sessel, die wir davor erst einmal frei räumen mussten. Die Zeit schien wie eine Unendlichkeit, unruhig kaute ich an meinen Fingernägeln. Der Fremde lächelte. „Machst du das etwas immer noch?“
„Was machen?“, fragend sah ich zu ihm auf. Doch er machte nicht die Anstalt etwas zu sagen und lächelte nur weiter vor sich hin. Er erschien mir unheimlich...
Da endlich kam Drac mit drei Bechern Tee. Ich nahm dankend die Tasse an und nahm einen Schluck, grüner Tee. Er wusste wie sehr ich ihn liebte. Also konnten es nur gravierende Nachrichten sein.
„Also…?“ Fragend sah ich die Zwei an.
„Deamon…das ist mein alter Mitbewohner…er…ähm wollte nur ein paar alte Dinge holen“, sagte Drac ruhig, man merkte ihm trotzdem an wie nervös er war.
„Willst du dem Kleinen nicht die ganze Wahrheit sagen?“, grinste der Fremde. Drac sah ihn warnend an. Abwartend musterte ich Drac. Der sich daraufhin geschlagen gab. „Okay…also…ich weiß nicht genau wie ich anfangen soll“, murmelte Drac.
„Am Anfang…“, meine Stimme war eiskalt, wollte ich doch jetzt endlich Klarheit haben. Ich hatte es schon früher bemerkt, dass Drac mir irgendwas zu verheimlichen versuchte. Betreten sah Drac auf seine Füße.
„Vor 10 Jahren…erinnerst du dich an den Brand?“ Ich stockte…wie konnte er von dem Brand wissen, nie hatte ich ihm davon erzählt? Vorsichtig nickte ich.
„Du weißt…das nicht deine Mutter ihn legte…sondern dein Vater? Er wollte damals schon ein neues Leben ohne euch alle beginnen…“ Ich schluckte, doch der riesige Kloß im Hals wollte nicht verschwinden. Ich konnte mich nicht mal mehr an meinen Vater erinnern. Am liebsten hätte ich „Stop“ gerufen, denn ich wusste was er mir jetzt erzählen würde, würde alles zwischen uns kaputt machen.

„Dein Bruder…starb damals nicht. Er war ein guter Freund von mir und kam zu mir…Zusammen haben wir dich damals oft beobachtet, fanden es lustig wie deine Mutter dich behandelte“ Mir schossen Tränen in die Augen. Er fand es LUSTIG? Lustig dass sie mich immer wieder versuchte zu Töten?
„..Die Jahre vergingen und dann endlich lernte ich dich Richtig kennen…“ Sei Still! Hör auf! Sag nichts mehr! All dies wollte ich schreien, doch der Kloß verhinderte, dass irgendein Laut entwich. Deshalb war er um vier Uhr nachts in der Nähe meines Hauses!
„Ich dachte es wäre viel lustiger dich selbst zu verletzten und so entwickelte ich mit deinem Bruder einen Plan um an dich heran zu kommen“ Meine Welt zerbrach…hieß das…All dies, war nur ein Scherz?!
Ungläubig schüttelte ich den Kopf.
„Und das hier“, er zeigte auf den Fremden.
„Ist dein Bruder…“

Einsamkeit…macht es den Menschen denn so unglücklich? Treibt es sie manchmal sogar bis zum Tod? Zu tiefster Verzweiflung?
Warum ist dies dann nicht bei mir so? Ich liebe die Einsamkeit. Sie gab mir immer das Gefühl von Sicherheit. Einsamkeit…

Jetzt ist alles aus! Mein Verstand spielte nicht mehr mit und mein Körper bewegt sich von ganz allein. Ich stand auf, trat vor Drac und schlug ihm mitten ins Gesicht. Tränen rollten über meine Wangen, hatte ich das aus irgendeinem Grund verdient?! Ich sah aus den Augenwinkeln wie mein „Bruder“ mich entsetzt ansah. Dann rannte ich ins Schlafzimmer, warf irgendwelche Sachen in eine Tasche und ging zur Haustür. Drac stand immer noch da, nicht in der Lage etwas zu sagen. Mit offenem Mund starrte er einfach in meine Richtung. Ungläubig schüttelte ich den Kopf.
„Und ich hab dich wirklich geliebt!“, flüsterte ich, doch er schien genau gehört zu haben was ich gesagt hatte. Mit einem Mal brach er zusammen, schluchzend. Mein Herz krampfte sich zusammen, wollte zu ihm rennen. Doch mein Verstand und mein Wille vereinigten sich und lenkten mich aus dem Haus raus. Meine Schritte wurden immer schneller, bis ich rannte. Ich rannte die Straße runter, ohne Ziel. Wollte einfach nur davon rennen. Wollte das alles nicht wahr haben. Wie konnte er… Meine Gedanken flogen nur so in meinem Kopf umher.
Plötzlich lief ich in eine Frau rein.
„Es..tut mir Leid“, sagte ich und half ihr schnell auf.
„Ach…Deamon schön dich zu sehen, na wie geht’s dir?“, sagte die Frau und lächelte mich an. Doch ich konnte mich beim besten Willen nicht an sie erinnern.
„Ehm…es tut mir leid, aber…“,
„Ach du kannst dich bestimmt nicht mehr an mich erinnern, ich bin die Schwester deines Vaters, deine Tante“, unterbrach sie mich. Meine Tante? In meinem Kopf rührte sich nichts. Dafür lächelte ich sie freundlich an.
„Willst du nicht auf eine Tasse Tee in mein Haus kommen?“, fragte sie mich. Ich wusste, dass das etwas naiv war, aber ich wollte doch wissen ob sie wirklich meine Tante war und ob sie was von meinem Vater wusste.
Es waren zu viele neue Eindrücke in den letzten Wochen auf mich niedergeprasselt. Zu viele Menschen, die ich lieb gewonnen, die mich verletzt hatten.
„Gern“.
Wir liefen ein paar Straßen weiter und kamen vor einem gelben Einfamilienhaus zum stehen.
„Du hast schon lange nichts mehr von deinem Vater gehört, hab ich recht?“, fragte sie mich, als sie sich grade daran machte die Tür aufzuschließen.
„ja…das hab ich wirklich nicht, wie geht es ihm denn so?“, fragte ich höflich, ich wollte einen guten Eindruck machen, kam mir diese Frau doch recht unbekannt vor. „Och…so gesehen ganz gut“. Sie lächelte mich an und öffnete die Tür, nur um mich und sie hineinzuziehen. „Hallo Schatz!“, rief sie durch die hellhörige Wohnung und hing ihren Mantel an der Garderobe auf. Schatz? Hatte sie einen Mann? Ich hörte Schritte die näher kamen und als ich sah, wer da um die Ecke bog, fielen mir beinah die Augen raus. Das war mein Vater… Mein Vater, meine Tante? INZEST!
Nein, nein, nein. SIE war nicht meine Tante, ich hatte gar keine Tante. Jedenfalls von der ich wusste... Nach der Begegnung in Venedig. Nun, man wusste ja nie. Fassungslos sah ich erst meinen Vater an, der wahrscheinlich genau so außer Fassung war wie ich, zu meiner „Tante“ und wieder zurück zu meinem Vater.
„W-Was wird hier gespielt?!“, fragte ich leicht verärgert. Sie hatte mich angelogen und hier her verschleppt, was wollte sie?
„Deamon…bitte versteh das. Hätte ich sofort gesagt, dass ich deine Stiefmutter bin, dann wärst du nicht mit gekommen“, versuchte sie mich zu beruhigen, doch so leicht würde ich es ihr nicht machen.
„JA! Und das zu recht! Wie können sie mich einfach so anlügen?!“, rief ich aufgebracht.
„Deamon…“
„Deamon! Schrei deine Stiefmutter nicht so an!“, mischte sich jetzt mein Vater ein.
„DU hältst mal schön deine Klappe! Wer hat uns denn einfach so verlassen? Das warst Du!“.
Ich wurde immer lauter und bald schallte meine Stimme in der ganzen Wohnung.
„Wir wollten dich fragen ob du nicht bei uns wohnen willst“, fragte meine Stiefmutter leicht eingeschüchtert. „Dein Vater hat das Gefühl, als würde dich deine Mutter misshandeln…Deshalb, willst du nicht bei uns leben?“
Ich lachte trocken auf. Sie wollten mir helfen? Helfen? Das Wort hallte in meinem Kopf, der auf einmal ziemlich leer war.
Mein Leben stürzte grade zusammen. Drac hatte nur mit mir gespielt. Mein Vater hatte mich versucht vor langer Zeit umzubringen. Mein Bruder lebte? Ich war total durcheinander.
Und sie wollte mir helfen?!
Doch, wo sollte ich eigentlich sonst hin? Ich war bei Drac ausgezogen, naja eher geflohen. In der Gosse wollte ich auch nicht schlafen.
„Es…würde mir reichen, wenn ich ein paar Tage hier bleiben könnte“, flüsterte ich mit erstickter Stimme. Die Gesichter meiner Stiefmutter und meines Vaters hellten sich auf.
„Das kannst du gerne! Wir haben noch ein Gästezimmer“. Ich packte meine Tasche und ging die Treppe hoch. Ich öffnete die erste Tür, das Bad. Die daneben liegende Tür, offenbarte mir ein Zimmer mit einem Bett, einem Schreibtisch und einem Schrank.
Da alles leer war, nahm ich an, dass das das Gästezimmer war.
Ich schmiss die Tasche mit Klamotten achtlos in den Schrank, auspacken wollte ich erst gar nicht. Ich schlich in das Bad und drehte den Wasserhahn der Badewanne auf. Heißes Wasser füllte die weiße Marmor Badewanne und Nebel erfüllte den Raum. Die Klamotten, die ich an hatte, lagen auf dem Boden und langsam tauchte ich meinen Körper in das heiße Wasser. Am Anfang war es recht heiß, doch schnell gewöhnte sich mein Körper an die Temperatur und empfand es als Wohltuend.
Die Beine zog ich an meinen Körper, schluchzend ruhte mein Kopf auf den Knien. Endlich konnte ich alles raus lassen. Die salzigen Tränen tropften mir von den Wangen liefen die Knie hinunter, bis sie in dem warmen Wasser verschwanden. Meinem Hals entwich ein paar Mal schluchzend sein Name.
Drac, ich erinnerte mich zurück, als ich ihn getroffen hatte. Er hat mir geholfen, wollte mich von den Fängen meiner Mutter beschützen. Hat mich bei sich wohnen lassen. Das alles. Die Nächte in denen wir uns liebten, die küsse die wir uns gaben. Das alles soll nur ein Scherz gewesen sein, ein witziger Streich?
Mein Verstand wollte es nicht glauben. Mein Herz blutete vor Schmerzen. Ich rammte meine Fingernägel in meine Unterarme, die voller alter Narben waren. Riss sie erneut auf. Ich weinte, weinte den Schmerz aus mir raus. Das Blut lief meine Knie entlang, vermischte sich mit den Tränen und färbte das Wasser rot. Mir wurde schwindelig.
„Drac…warum?“, murmelte ich, die Wörter drohten in dem Schluchzen unterzugehen. Ich weiß nicht wie lange ich dort so saß. Doch als ich wieder zu mir kam, war das Wasser kalt und rot. Die Narben an meinen Armen waren offen und das rohe Fleisch stach heraus. Ich schluckte die Tränen, die mir sofort wieder ins Auge schossen, einfach runter. Die Welt drehte sich noch leicht. Ich stand auf wickelte mich in ein Handtuch, ließ das Wasser ab. Die Rote Flüssigkeit verwandelte sich in einen Strudel, wurde von dem Abfluss in die Tiefe gezogen.
Vor meinem inneren Auge tauchte das lachende Gesicht von Drac auf. Er grinste mich an, mit seinem wundervollem schiefen Grinsen, seinen blauen Augen und dem Aschblondem Haar.
Ich torkelte vor den Spiegel und sah ein Monster, das mich böse an funkelte. Die schwarzen Haare hingen mir über die Schultern, böse blitzten mich die Grünen Augen an. Hätte ich nicht gewusst, dass das ein Spiegel war, hätte ich mir Angst um mein Überleben gemacht. Das Spiegelbild sah bedrohlich aus, purer Hass spiegelte sich wider.
Ich schlug mit der Faust dagegen, es war mir egal, dass der Spiegel Risse bekam, dass meine Faust voller Splitter war, und anfing zu bluten. Blut… Ja, die Welt sollte Bluten!
Das Handy, das neben dem Wachbecken lag, ließ mich aufschrecken. Das Handydisplay zeigte seinen Namen. Ich starrte wie gebannt darauf. Spielte mit dem Gedanken dran zu gehen. Doch blieb dabei, es einfach weiter anzustarren. Irgendwann ging meine Mailbox ran und verschluckte das Klingeln. Ich nahm das Handy mit in mein Zimmer, schmiss es auf das Bett und zog mir neue Klamotten an. Stopfte es achtlos in die Hosentasche.
Ich schlich runter in die Küche. Ich hatte Angst vor meinem Vater und seinem Weib.
Angst, ich könnte sie mögen. Angst, dass sie das gleich tun würden wie meine Mutter. Angst, vor einem Familienleben.
Ich schlich zum Kühlschrank. Wollte ihn grade öffnen, als wieder der Klingelton aus meiner Hosentasche erklang. Ich hatte mein Handy immer bei mir. Auch wenn mich nie jemand angerufen hatte, hatte ich es wie ein Ritual immer wieder getan. Überall hin. Ich nahm es in die Hand und erkannte schon wieder Dracs Namen auf dem Display. Meine Hände begannen zu zittern.
„Kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen?“, schrie eine Stimme in meinem Kopf, doch auch eine andere meldete sich und schrie: „Nein, er soll zu mir kommen. Mich halten. Mich hier raus holen. Für immer bei mir bleiben“. Mein Kopf dröhnte.
Es ging alles wie von selbst, ich klappte das Handy auf drückte auf den grünen Knopf und schluchzte hinein. Lass ihn spüren, wie sehr er dich verletzt hat. Lass ihn seinen Spaß daran haben, dann wird er dich in Ruhe lassen.
Er begann zu reden und zu reden. Schrie sogar etwas. Das alles konnte mein Kopf nicht aufnehmen. Es war, als würde er auf einer anderen, mir unbekannten Sprache, reden. Ich ließ den Arm sinken, klappte das Handy zu. Mir fröstelte leicht. Ich öffnete den Kühlschrank, nahm Nahrung auf, die ich nicht zu sehen schien. Egal was es war. Ich stopfte mir es in den Mund, kaute lustlos darauf herum. Öffnete ein Glas, das sich als saure Gurken entpuppte. Mein Blick fiel auf das zweite Glas, Nutella.
Ich verstand nicht ganz, warum ich genau danach gegriffen hatte. Wollte ich mir so bewusst machen, dass eine Beziehung mit Drac niemals gut geendet hätte? Dass es für uns beide nie ein Happy End geben sollte? Ja, ich war keine Frau. Ein Mann sollte sich eine nette Frau suchen, und eine Familie gründen. Eine gutbezahlte Arbeit haben, so würde ich ein Happy End bekommen.

Ein Klopfen riss mich wieder aus den Gedanken.
„Deamon? Darf ich mal reinkommen?“, fragte mich die Stimme meiner Stiefmutter. Panik überkam mich, ich versteckte die Gläser und stützte zum Schrank hin. Versteckte mich darin. Schloss die Augen und betete, dass wie mich nicht finden würde.
Ich hörte das Knarren der Tür. Geräusche, die der Schranktür immer näher kamen.
„Deamon, ist alles okay bei dir?“, fragte die freundliche Stimme. Ich wollte sie nicht hören, hielt mir die Ohren zu. Die Schranktür öffnete sich und das Weib hockte sich davor. Sie strich mir über das Bein, ich zuckte zusammen.
„Deamon…du kannst mit mir über alles reden“. Ich schniefte. Nein, mit ihr wollte ich nicht reden.
Sie seufzte und sagte: „Es gibt gleich Essen…Soll ich es dir hoch bringen oder willst du mit uns zusammen essen?“, doch als ich nichts antwortete, machte sie sich einfach aus meinem Zimmer.
Ich ging zum Fenster und kletterte raus, was sich nicht als Einfach entpuppte, denn mein Zimmer lag im zweiten Stock.
Ich hatte es schon weit geschafft. Ungefähr die Hälfte. Plötzlich rutschte ich mit der Hand ab und fiel. Der Busch der unter meinem Fenster stand, bohrte mir seine Dornen in meine Haut. Nicht grade ein angenehmes Gefühl. Der Schrei, der meiner Kehle entwich, ließ mich selbst zusammen zucken. Die Stimme hörte sich rau an, verletzt. Langsam stand ich auf, stützte mich an der Hauswand ab. Wieder ertönte das Klingeln meines Handys. Ich nahm ab. „Deamon! Deamon. Hör mich an! Lass uns das klären, bitte! Ich liebe dich doch“, die Stimme an der anderen Leitung kam mir so bekannt vor. „Drac“, murmelte ich schwach in das Handy. Zitternd sank ich an der Hauswand runter. Zog die Knie an meinen Körper, das Handy an mein Ohr gepresst.
„Drac“, hauchte ich den Tränen nahe. Wieder und wieder. Der Name, ich wollte ihn hinaus schreien.
„Drac, ich kann nicht mehr…“
„Deamon….Deamon, Hör mir gut zu! Wo bist du? Bitte…Deamon“. Nun begann auch Drac zu schluchzen an.
„Du…hast mich angelogen“, schoss es mir durch den Kopf. „Du hast mich bloß verarscht“. Meine Gedanken rasten durch den Kopf, und ließen meine Sicht verschwimmen. Die Bäume vermischten sich mit dem Busch. Ich hatte keine Kraft durch den Busch hindurch zu klettern. Doch ich wollte es versuchen. Ich klappte das Handy zu und steckte es müde in meine Hosentasche zurück. Dann zog ich mich an der Hauswand hoch und wankte zum Busch. Ich fiel ein paar Mal hin, doch alle Male die ich hinfiel, die stand ich auch wieder auf. Ich wollte zu Drac, ich wollte das klären. Gab es überhaupt noch was zu klären? War unsere Beziehung nicht eh nur ein Witz gewesen? Nein, ich verdrängte meine ganzen Gedanken und wankte die Straße entlang. Doch der Schwindel, der mich überkam, ließ mein Umfeld immer wieder zu einem großen Farbhaufen zusammen laufen.
Ich hörte Schritte. Erst langsam, dann immer schneller auf mich zu laufen.
„Deamon!“ Zwei kräftige Arme hoben mich auf den dazugehörigen Rücken. Müde versuchte ich mich zu wehren.

Das nächste an das ich mich erinnern konnte, war das ich bei Drac im Wohnzimmer auf der Couch lag. Er war mir die ganze Zeit nicht von der Seite gewichen, und vor lauter Stress schließlich neben mir eingeschlafen. Traurig lächelte ich ihn an. Dann kletterte ich vorsichtig über hin und ging in die Küche.
Doch er merkte es und packte mich am Arm.
„Wo willst du hin?“, knurrte er mich an. Mit so einer eiskalten Stimme, dass sie mir einen Schauer über den Rücken jagte. Drac war sauer. So, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. So, wie ich ihn nie erleben wollte.
„K-Küche“, stammelte ich kleinlaut. War nicht eigentlich ich der, der sauer sein sollte?
Doch Drac sah gar nicht ein, dass ich ihm von der Seite wich. Mit einem Ruck zog er mich zu sich, schlang einen Arm und mich und presste mich an seinen Körper.
„Geh nie wieder weg, versprichst du mir das?“, murmelte er mir ins Ohr.
„Nein“. Die Antwort war wohl nicht das was er hören wollte, denn so schnell wie sich seine Miene in ein weiches Lächeln verwandelt hatte, so schnell versteinerte sich sein Gesichtsausdruck.
„Du glaubst wirklich, dass ich dich nur verarscht habe?“
„Ja, das glaube ich…“ Erschrocken sah er mich an.
„Liebst du mich noch?“, fragte er kleinlaut. Doch ich gab keine Antwort. Ich wollte und konnte nicht. War mir über meine eigenen Gefühle nicht mehr im Klaren.
„Hör zu, es…“, er machte eine Pause, es schien ihm sichtlich schwer es mir zu erzählen.
„Dein Bruder…Ich war in ihn verliebt. Er hat mich dazu gezwungen dich zu quälen! Mir einen Spaß daraus zu machen. Doch als ich sah, wie sehr du wirklich gelitten hast…und dass Sam mich nur ausgenutzt hat… Ich wurde mir klar darüber, dass ich mich, in der Zeit in der ich dich immer beobachtete. Dass ich mich in dich verliebt hatte. So glaube mir doch“.
„Sam?“, fragte ich unsicher. Sam…war das nicht der Typ, der mich gerettet hatte? Wurden also, aus meinen verhassten Racheengeln schlussendlich…meine Schutzengel?
Panisch sah ich Drac an.
„D-Du hast meine Mutter getötet!“, murmelte ich entsetzt. Jetzt machte alles Sinn. Warum Drac so schnell zur Stelle war, warum er nicht verwundert gewesen war. Warum er wusste wo ich meine Sachen aufbewahrte…
Er nickte. Übelkeit stieg in mir auf. Doch, auch das Gefühl von Glück durchflutete meinen Körper.
„Beweis mir…, dass du mich liebst“. Ich wollte ihn lieben. Mein Herz brauchte ihn. Drac sah mich an.
„Warte hier!“, befahl er mir. Während er sich anzog und verschwand, befolgte ich seinen Befehl und blieb brav auf der Couch sitzen.
Knapp drei Stunden, saß ich da. Die Tränen schossen in meine Augen, er würde nicht zurück kommen.
„Wie kann man nur so naiv sein“, schluchzte ich. Da hörte ich ein Knacken. Die Tür sprang auf. Drac stand völlig außer Atem in der Tür.
„E-Es ist bald Weihnachten“, keuchte er. Verwirrt sah ich ihn an.
„Es schneit“ Mit einem Grinsen im Gesicht zeigte er nach Draußen. Ich verstand nicht, was dass mit seiner Liebe zu tun hatte. Ich liebte Schnee. Schnee, er kam mir immer so sauber vor, unschuldig. Wusste Drac das etwa auch?
Er nahm mich an der Hand und zog mich ganz vorsichtig in Richtung Fenster. Davor blieb er stehen. Verwundert starrte ich ihn an. Seine Handlungen verwirrten mich immer mehr. Er kramte in seiner Jackentasche herum, kniete sich nieder, zog ein kleines Schächtelchen raus.
Er lächelte so zärtlich. So, wie ich es an ihm noch nie gesehen hatte.
„Deamon, Ich liebe dich, von ganzem Herzen. Bitte, bleib für ewig mein“, sprach er mit einem so ruhigen Unterton, dass mein Herz begann schneller zu schlagen. Er machte das Kästchen auf. Darin lagen zwei Ringe, aus Weißgold. Etwas war eingraviert. Er nahm meine Hand, steckte den Ring an den Ringfinger.
Mit Tränen in den Augen sank ich zu ihm runter.
„Was soll das werden“, fragte ich verunsichert. Er grinste, gab mir den anderen Ring und streckte seine Hand hin.
„Das wird ein Heiratsantrag“. Zitternd streckte ich die Hand aus, um ihm seinen Ring anzustecken. Er zog mich in seine Arme.
„Bitte glaube mir jetzt. Ich werde dir nie wieder weh tun! Ich liebe dich“, hauchte er in mein Ohr und küsste mich ganz sanft.
„Ich dich auch“, hauchte ich zwischen unseren Lippen.

Endlich dachte ich, dass das Leben nicht schöner sein könne. Wir suchten uns jeder einen Job. Kauften uns eine gemeinsame, größere Wohnung, wo auch jeder genug Platz hatte. Wir knüpften Freundschaften mit gleichgesinnten und das Beste war, meinen Vater und sein Weibsstück, sah ich nie wieder.
Ein Happy End? Ja, das glaubte ich. Dabei war das doch erst der Anfang vom Ende.
Mein Schutzengel Sam, sah nicht aus, wie mein falsch geglaubter Bruder Sam. Und was meinte er mit „Shitsuji“?
:) Mehr dazu in Band zwei! Den ich schon angefangen hab zu schreiben!
Jaah, endlich bin ich zurück :) und versuche es auch zu bleiben. Danke, dass ihr so treue Leser seid.
Könntet ihr mir eine Nachricht schreiben, in der ihr mir sagt, welches Buch ich als nächstes weiterschreiben soll?

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.09.2010

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