Eine schwarze Gestalt, in einen schwarzen Mantel gehüllt, mit aufgestelltem Kragen und zu einem Dutt zusammengebundenen Haaren. Der Mond, der gerade hinter den Wolken hervor kriecht, scheint ihre Silhouette nicht zu berühren. Als würde kein Licht der Welt die Dunkelheit in ihrem Herzen erhellen können. Sie steht lässig da, die Pistole auf dich gerichtet. Auf DICH. Ihr steht auf einem Dach. Einem Flachdach in einer der größten Cities der USA, eine belebte Stadt namens New York. Und doch bemerkt keiner, dass du in Lebensgefahr bist. Seltsam, oder? Mitten unter Menschen, und doch einsam und hilflos. Scheiß Gefühl, nicht wahr? Du kannst nirgends hin fliehen, das Dach ist nicht groß. Es ist das Dach eines Hochhauses, eines der Höchsten, nach unten sind es mehr als 20 Stockwerke. Du stehst da, zitterst unkontrolliert. Selbst als du versuchst, dich zu entspannen, damit sie das Zittern und somit deine Angst nicht sieht, gelingt es dir nicht, dich ruhig zu halten. Schweißperlen rinnen dir in den Nacken und den Rücken hinunter. Sie geht auf dich zu. Du wimmerst, weißt dass du nicht rennen kannst, versuchst es erst gar nicht. Sie würde dich überall finden. Überall. Ihre Pistole klickt, sie ist schussbereit. Sie sieht dich an und lächelt. Es ist ein gemeines, kaltherziges Lächeln. Du würgst, ein eisiger Ring der Angst legt sich um dein Herz und zieht sich langsam zusammen. Dir wird bewusst, welche Fehler du gemacht hast, in deinem Leben. Fehler, die du nun nicht mehr ausgleichen kannst. Und du weinst. Weinst klare, nasse Tränen die dir in Strömen über die Wangen laufen. Weinst um deine Familie, deine Freunde und dein nun verlorenes Leben. Deine Fehler brennen auf deinem Herzen und ein Schmerzschrei entrinnt deinem Mund. Deine Knie zittern so stark, dass du dich fast nicht mehr aufrecht halten kannst. Deine Fehler brennen nun lichterloh, nehmen dir all deine schönen Erinnerungen und lassen nur Schmerz zurück. Nichts als Schmerz, der sofort beginnt dein Herz zu zerfressen. Du weinst nicht mehr sondern schreist, schreist so laut du kannst, obwohl du weißt, dass niemand dich hören wird. Die Pistole hast du ganz vergessen. Das einzige Gefühl das noch übrig geblieben ist, ist Reue. Und sie zerfrisst dich, zeigt dir jeden kleinen Fehler. Die Gestalt flüstert leise: „Schon gut.“ Du starrst sie vollkommen verwirrt und verzweifelt an. Sie lächelt sanft. Die letzten Worte die du hörst sind: „Ich erlöse dich.“ Dann ertönt ein Schuss. Kurz flammt der Schmerz in deiner Brust auf, dann wird alles dunkel. Dunkel wie eine Nacht, in der es nie Sterne gegeben hat.
Ich gähnte leise, hielt mir die Hand vor den Mund und stellte fest, dass ich dringenst Zähneputzen musste. Einen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken mich einfach wieder hinzulegen, die schwarze Kuscheldecke über den Kopf zu ziehen und noch eine Runde zu schlafen, doch als ich mich in mein weiches Kissen fallen ließ um genau das zu tun, drückte etwas scharfes gegen meine Hüfte und ich sprang sofort wieder auf. Meine Hand fuhr blitzschnell zu meiner Hüfte, wo sie den Ursprung des scharfkantigen Dings fand. Ach du bist’s… dachte ich nur und nahm meine Hand von meinem Gürtel, an dem meine Pistole befestigt war. Selbst nach nun locker zwei Monaten, in denen ich sie trug, hatte ich mich immer noch nicht richtig an sie gewöhnt. Jetzt kann ich auch gleich Zähneputzen, wo ich eh schon wach bin…grummelte ich in Gedanken und stakste auf noch steifen Beinen ins Badezimmer meiner kleinen zweieinhalb-Zimmer Wohnung, schnappte mir meine Zahnbürste und putze Zähne. Augenblicklich fühlte ich mich besser, erfrischte mich noch ein bisschen und zog meine Standardkleidung an: Eine enganliegende, schwarze Hose mit unzähligen Taschen, in denen ich so einiges brauchbares und (leider) auch unbrauchbares zutage fördern konnte und mein schwarzes Top. Ich warf einen Blick in den Spiegel und schreckte zurück. Meine Haare sahen einfach grausam aus! Schnell öffnete ich meine Schränke und durchwühlte sie auf der Suche nach einer Haarbürste. Am Ende fand ich sie neben meinem Spiegel auf dem Waschbeckenrand. Ich versuchte meine Haare, die die undefinierbare Farbe von allen möglichen zusammengeworfenen Brauntönen hatten, irgendwie zu bändigen. Nachdem ich eine halbe Flasche Schaumfestiger geleert hatte, schaffte ich es sie zu einem strengen Knoten zu binden, eine meiner Meinung nach tolle Frisur, weil meine Haare mich sonst nur störten da sie mir bis zur Mitte meines Rückens gingen. Ich richtete meinen Gürtel mit der Pistole so, dass ich problemlos nach ihr greifen konnte und verließ das Zimmer. Zum Frühstück schlang ich ein paar Happen hinunter, ohne wirklich darauf zu achten was ich aß. Dann versuchte ich mir einen Überblick über meinen Tag zu verschaffen: 1. Einkaufen – EINKAUFEN! Verdammt! Wo hatte ich nur meinen Einkaufszettel hin? Auf der Suche nach ihm raste ich durch meine Wohnung, durchwühlte alle Schubfächer und hinterließ nichts als Chaos. Eine halbe Stunde später kam ich auf die glorreiche Idee, auf dem Kühlschrank nachzuschauen und siehe da – auf einem Stapel alte Zeitungen lag mein Zettel. Zufrieden setzte ich mich wieder an den uralten Küchentisch und warf einen Blick auf die Uhr an der (sehr unkreativ mit Postern zugenagelten) Wand und ließ einen Schrei los. 11:49! Ich fluchte vor mich hin und zerriss beinahe meinen wertvollen Einkaufszettel, konnte mich gerade noch bremsen und steckte ihn ein. Wenn das so weiter ging würde ich es nicht schaffen heute Abend auf die Jagd zu gehen. Ich beschloss das Einkaufen gleich zu erledigen, warf mir meinen schwarzen Mantel über, klaubte den Haustürschlüssel unter meiner Matratze hervor und verließ die Wohnung. Im Treppenhaus fiel mir ein, dass ich im Bad das Licht nicht ausgeschaltet hatte, also flitzte ich wieder in die Wohnung, schaltete das Licht aus und rannte nach draußen. Die Sonne strahlte mir munter entgegen und meine Miene verfinsterte sich: Der Tag konnte nur schei – äh, ich meine natürlich schrecklich – werden. Böse funkelte ich in Richtung Himmel, dann lief ich eiligen Schrittes zum nächsten Supermarkt. Wie immer schauten die Leute mich schräg von der Seite an, aber daran hatte ich mich schon gewöhnt und es störte mich nicht mehr. Im Supermarkt holte ich meinen klugen Zettel wieder raus, las hastig und stöhnte. Es stand wieder einmal Katzenfutter an und davon nicht zu knapp. Ich ging an dem Regal für Tierfutter vorbei, schnappte mir drei der Trockenfuttertüten die im Angebot waren, dazu noch 5 Packungen Katzenmilch und eigentlich noch Katzennassfutter, aber das konnte ich beim besten Willen nicht mehr tragen, also ließ ich es weg. An der Kasse schaute mich die Kassiererin an und murmelte etwas von pubertierendem Teenager und durchgedrehtem Katzenfreak. Mühsam riss ich mich zusammen, verkniff mir einen wütenden Kommentar und zog meinen Mantel nur zur Sicherheit noch etwas enger um mich, damit man meine Pistole nicht erkennen konnte. Die Kassiererin bemerkte die Bewegung und schaute mich mit hochgezogenen Augen an, während sie das Katzenfutter über das Band schob. „Das macht 7,99 Euro.“ Wortlos drückte ich ihr das Geld in die Hand, stapelte die Schachteln und Milchtüten in meinen Arm und verließ das Geschäft. Der Blick der Verkäuferin brannte mir unangenehm im Rücken und erst als ich ein paar Meter weiter wieder zu Hause und in meiner Wohnung war, beruhigte sich mein Herzschlag. Das sah mir gar nicht ähnlich, solch ein Herzrasen nur wegen – ja wegen was? Wegen einer dummen Bemerkung? – zu bekommen. Ich räumte die Milch in den Kühlschrank, verstaute das Katzenfutter auf dem Kühlschrank und setze mich gedankenverloren auf den Küchentisch. Nach einer Weile fiel mir ein, dass ich immer noch meinen Mantel anhatte, also zog ich ihn aus, nahm den Schlüssel heraus und bemerkte, dass ich meine Post nicht geholt hatte. Ich ließ die Tür krachend hinter mir ins Schloss fallen, rannte die Treppe hinunter und leerte unten im Flur meinen Briefkasten. Er enthielt erstaunlich viel: Mehrere Briefe die schwer nach Schleichwerbung aussahen, dazu jede Menge normale Werbung und die aktuelle Zeitung. Mit vollen Armen trabte ich wieder nach oben und schloss meine Haustür aus reinem Instinkt zu. Dann setzte ich mich auf mein Bett, rückte mein Kissen so gegen die Wand das ich mich ordentlich hinsetzen konnte und legte das Papierchaos neben mich, zog die Zeitung heraus und begann die Titelseite zu lesen. Es ging um irgendeinen Dioxinskandal, mal wieder. Gelangweilt blätterte ich die Zeitung um, überflog das Fernsehprogramm und hielt nach Anzeigen für einen Nebenjob Ausschau. Meinen letzten Job hatte ich verloren, weil ich die Zeitungen nicht pünktlich ausgetragen hatte. Bei dem Gedanken daran biss ich mir wütend auf die Lippe und zupfte an ihr herum. Nur weil ich wieder so einen verdammten Hunger gehabt hatte, musste ich jetzt wieder sehen wie ich durch kam. Und für eine 15-jährige Teenagerin gab es nun mal nicht sonderlich viele Angebote. Seufzend erinnerte ich mich daran, dass ich nur noch 600 Euro hatte, was bedeutete, dass ich die Miete von genau 590 Euro gerade so bezahlen konnte. Gottseidank war in der Miete auch Strom, Wasser, Zeitung und alles weitere beinhaltet, sonst würde ich wirklich tief in der Scheiße sitzen. Allerdings blieben mir nur 10 Euro, und die gingen für das Katzenfutter und die Milch drauf. Ich las mir die Anzeigen durch, doch es gab keine Jobs die von mir ausgeführt werden konnte, nur lauter Juristische Dinge, zusammen mit der Suche nach Verkäuferinnen (Mindestalter: 16 Jahre), aber nirgends war eine Annonce zu Zeitungsaustragen oder Putzen zu finden. Ich schaute die Zeitung genervt an, als wäre es ihre Schuld, dass ich keinen Job fand, und legte sie frustriert zur Seite. Mein Blick fiel auf die Briefe, ich riss einen nach dem anderen auf und merkte schnell dass meine Vermutung über Schleichwerbung stimmte. Ich fegte die aufgerissenen Briefe vom Bett und krallte mir die normale Werbung. Das meiste interessierte mich nicht, doch eins der Tiergeschäfte hatte Katzenfutter im Sonderangebot. Extrem billig. Ich verfluchte mich für meinen voreilgen Kauf bei dem Supermarkt und biss mir abermals auf die Lippe, hörte jedoch augenblicklich auf als ich spürte dass etwas nasses mein Kinn hinunter lief. Blut. Na toll. Ich schnappte mir das letzte Taschentuch aus meinem Nachtischschränkchen und drückte es gegen meine Lippe, dann fegte ich auch den Rest Werbung vom Bett. Ich griff nach der Fernbedienung und schaltete meinen Fernseher an, der vermutlich aus dem letzten Jahrhundert stammte. Flackernd und flimmernd erschien ein Bild und die leicht abgehakte Stimme eines Nachrichtenreporters drang an meine Ohren. Ich wollte die Fernbedienung gerade wieder zur Seite legen, als ich einen weiteren Brief bemerkte, der mir vorher gar nicht aufgefallen war. Es war ein vollkommen weißer Umschlag, ohne jeglichen Absender und auch meine Adresse stand nicht als Empfänger darauf. Sekundenlang überlegte ich, ob ich erst die Nachrichten schauen und dann den Brief lesen sollte, doch meine Neugier siegte und ich nahm das weiße Kuvert in die Hand.
Es war ziemlich schwer und dick, als hätte man mehrere Schichten Papier hinein gestopft. Ich zögerte noch kurz, dann riss ich es auf und holte den Brief heraus. In schön geschwungener Schrift stand auf der ersten Seite eines zusammengetackerten Bogen Papiers mein Name.
Charlet
Ohne sonstige Anrede oder gar Nachname. Auf eine seltsame Art und Weise erleichterte es mich, dass nur mein Vorname darauf stand. Fast schien es so, als hätte ich nie noch einen anderen Namen gehabt. Ich blätterte um und begann die schräge Handschrift zu lesen.
Liebe Charlet,
Ich weiß, dass du momentan in Finanzierungsproblemen steckst und hätte da ein Jobangebot für dich. Überlege dir gut ob du es annimmst, denn hast du das erst einmal getan, gibt es kein Zurück!
Ich stoppte und hob meinen Blick von dem Brief. Wer zur Hölle schickte mir so einen Brief?! Und warum werde ich nicht gesiezt?? fragte mein Ego wütend. Und wie war das mit „Gibt es kein Zurück“?? Einen Moment lang kam ich in Versuchung, den Brief einfach in die Ecke zu schleudern und zu vergessen, doch ich wusste das ich das nicht wirklich konnte. Widerwillig las ich weiter.
Du scheinst ja sehr neugierig zu sein, wenn du jetzt weiter liest, aber das ist auch gut so. Sicher willst du wissen, was das für ein Angebot ist…Nun, man könnte es höflich umschreiben, doch ich denke du willst Klartext lesen, von daher:
Ich biete dir eine Ausbildung als professionelle Killerin an.
Also professionelle Killerin. Wer auch immer mir diesen Brief schickte hatte, hatte eindeutig nicht mehr alle Tassen im Schrank! Nun gut, ich tötete Menschen, dass musste ich mir eingestehen, aber ich war keine Killerin! Außerdem dürfte eigentlich keiner wissen, dass ich Menschen umbrachte. Wütend biss ich mir auf die Lippe, die daraufhin prompt wieder anfing zu bluten. Genervt drückte ich das Taschentuch auf die kleine Wunde, starrte den Brief böse an und als dieser keine schuldbewusste Miene aufsetzte, las ich den Text weiter.
Wenn dich das Angebot interessiert, komm einfach um 18:00 (pünktlich!!) ins Starbucks.
PS: Vergiss nicht dich etwas unauffälliger zu kleiden, das Schwarz sticht zu sehr heraus!
Mit freundlichen Grüßen und der Hoffnung auf ein Treffen,
Colin Frozen
Colin Frozen – was für ein seltsamer Name…Und woher wusste dieser Colin, dass ich mich immer Schwarz kleidete? Nun gut, sonderlich schwer zu erraten war das ja nicht, man brauchte mich nur an zu sehen… Ich legte den Brief zur Seite und konzentrierte mich darauf, ruhig zu bleiben. Ich spürte wie sich Angst in mir breit machte, als mir bewusst wurde, dass dieser Colin mit Sicherheit ein Auftragskiller war, wenn er mich zu einer Killerin ausbilden wollte. Angst, ein Gefühl das ich nie mehr haben wollte. Sofort flammte Wut in mir auf und die Angst wich den heißen Flammen. Erleichtert ließ ich mich in mein Kissen fallen und schloss die Augen um eine Runde zu dösen. Dösen war das einzige, was ich gut konnte, abgesehen von Leute erschießen. Leider sank ich von meinem schönen Dämmerzustand in einen unruhigen Schlaf, der mir einen Traum der schlimmsten Sorte bescherte. Den Traum, als mein Leben sich änderte. Endgültig.
Ich war wieder dort. Der Ort an dem mein altes Leben endete. Eigentlich war es sehr schön, mein Zimmer. Es war zu schön. In Orange gestrichen verlieh der Raum eine angenehme Atmosphäre, drei Fenster ließen viel Licht einfallen und das Bett, über dem ein Katzenkalender hing, war ordentlich gemacht. Ich saß auf meinem Stuhl vor meinem Glasschreibtisch und zeichnete an einem Bild. Eine Träne tropfte auf das Blatt Papier, und die Schrift „I feel like a monster.“ verwischte leicht. Eine Katze mit blutigen Krallen starrte zu einer Gruppe von anderen Katzen, die Augen zu Schlitzen zusammen gekniffen, die Pfoten leicht zitternd und eine noch blutenden Wunde über dem Herzen. Das Bild war das Erste, unter ihm stand: „Why are you so different? Why can’t you understand me? Who I am?“. Unter dem zweiten Bild, dass eine liegende Katze zeigte, die anscheinend zusammen gebrochen war, mit einer langen Schnittwunden an ihrer Pfote. Unter diesem Bild stand in roter Schrift: „I die. Why don’t you help?“ Das letzte Bild zeigte eine Katze, dieselbe wie auf den beiden anderen, doch ihre Augen hatten sich verändert. Sie waren blutrot geworden. Unter diesem Bild stand: „It’s too late. I died. Now, I feel like a monster. I AM a monster!“ Mein Stift fiel mir klappernd aus der Hand. Die Zeichnung war vollendet. Eine einzelne Träne rann mir über das Gesicht, als ich an meine Freunde dachte. Plötzlich öffnete sich die Tür und meine beste Freundin trat ein. „Hi“, murmelte ich und versuchte freundlich zu klingen, wischte schnell die Träne weg und drehte das Blatt auf die Rückseite, damit man die Zeichnung nicht sehen konnte. „Was machst du hier?“, fragte ich und sie schaute mich traurig an. „Ich bin hier um mit dir zu reden.“ „Worüber denn? Über die Schule?“, versuchte ich zu scherzen. Sie ging nicht darauf ein und setzte sich auf meine Coach, die neben dem Schreibtisch stand. „Ich gehe heute Abend auf die Party.“ „Welche Party?“ Meine Frage hallte verlassen durch den Raum. Ich hasste Partys. Sie wusste das. Natürlich wusste sie das. „Auf die Party von Joe. Kommst du mit?“ Sie klang unsicher. Obwohl sie die Antwort schon kannte. „Nein.“, sagte ich kurz angebunden. Ihre Augen weiteten sich. „Die Party ist aber verdammt wichtig! Da gehen so viele Leute hin, auch Anna und Julie! Warum kommst du nicht mit? Du versinkst hier noch in deinem…deinem…was auch immer! Warum kommst du nicht mit??“ Ich erschrak, als ich sie so sah. Ihre Augen waren aufgerissen und glitzerten, als würde sie Tränen unterdrücken. Ich schwieg. Sie kannte doch die Antwort. Warum fragte sie denn noch? Sie schaute mich bittend an und ich schüttelte den Kopf. „Dann…dann…“, jetzt weinte sie. Ich streckte die Hand aus, ging auf sie zu, wollte sie trösten. „NEIN! Lass es!“, schrie sie und sprang auf. „Das alles ist doch nur Theater! Du hast doch keine Ahnung wie es mir geht! Und trösten willst du mich doch nur, damit du kein schlechtes Gewissen hast! NEIN!“, sie weinte nun heftig, hatte Schluckauf. Das war es, was mir auffiel. Mehr nicht. Ich konnte mich nicht mehr rühren. So dachte sie also…Aber sie war noch nicht fertig. „Dir bin ich doch egal! Du kommst ja nicht mal mit, wenn es mir wichtig ist! Warum kannst du nicht so normal sein wie Anna und Julie?!! Die finden Partys voll okay, lieben sie sogar! Sie sind für mich da! DU NICHT!“ Die Worte rissen mich fast von den Füßen, ich schwankte wie ein Betrunkener. Sie hatte aufgehört zu weinen, schrie nur noch und ihr Blick war wütend. „Du hast es nicht anders verdient! Dann verrotte doch hier in deinem Scheiß! Immer versuche ich dich mit rein zu bringen, jedes Mal willst du nicht und erklärst mir nachher, dass du doch gewollt hättest! Immer versuche ich, dir zu helfen, nie du mir!“, sie schrie so weiter und ich tat nichts. Wie in Trance blieb ich stehen. Rührte mich nicht mehr. Als sie endlich genug geschrien hatte, rannte sie aus meinem Zimmer und schlug die Tür derart heftig zu, dass meine Wolfsstatue, die ich aus Berlin mitgebracht hatte, von meinem Fensterbrett fiel und in kleine Splitter zersprang. Der Schlag, mit dem die Statue zerbrach, holte mich aus meinem Schockzustand. Ich wollte auf die Statue zu gehen, ein Teil von ihr berühren. Irgendetwas zum Festhalten. Doch ich konnte nicht, kippte leblos nach vorne und schaffte es gerade noch, mich mit meinen Händen abzufangen. Dann begannen meine Arme zu zittern und ich fiel in mich zusammen, und weinte. Die Gefühle in mir fingen an, mir meine Atemluft zu nehmen, meine Sicht verschwamm und der Schmerz krallte sich in mich hinein. Verzweifelt streckte ich den Arm aus um irgendetwas zu finden, woran ich mich klammern konnte, doch meine Hand landete nur in den Scherben der Statue, welche sich in sie hinein bohrten und Blut austreten ließen. Ich wollte schreien, wollte all meinen Schmerz raus lassen, der mir auf der Brust saß und mir den Atem nahm, aber es ging nicht. Meine Hand schloss sich um einen Teil der Splitter und ein kaltes, metallenes Etwas beruhigte den Schmerz leicht. Ich hob den Kopf und starrte auf das, was ich in der Hand hielt. Es war ein halbiertes Herz, unser Freundschaftssymbol, der Anhänger den wir immer getragen hatten, meine beste Freundin und ich. Langsam sickerte die Erkenntnis, dass sie ihn hier gelassen hatte, in mich hinein. Erneuter, heftiger Schmerz schoss durch mich hindurch und ich konnte nicht verhindern, dass ich einen gequälten Schrei ausstieß. Sie hatte es hier gelassen. Die Freundschaft gekündigt. Ich wimmerte, öffnete die Hand so weit, dass die Herzhälfte herunter fiel und wollte meine Augen schließen, schlafen. Den Schmerz vergessen. Doch es ging nicht. Es war, als hätte ich Tonnen von Adrenalin in meine Adern gejagt, es war unmöglich zu schlafen. Ich stöhnte.
Die Tür öffnete sich erneut. Ich fragte mich, ob es wieder meine Freundin war. Vielleicht hatte sie ja alles nicht so gemeint! Aber selbst dann könnte ich ihr nicht verzeihen…Ich hob den Kopf. Meine Muskeln zitterten so stark, dass ich nur ein verwackeltes Bild von einer schwarzen Gestalt sehen konnte. Sie kam auf mich zu, kniete sich neben mich und legte eine Hand auf mein Handgelenk. „Ich werde dir helfen.“, war das einzige was sie sagte und Schmerz fuhr durch mich hindurch. Aber es war anderer Schmerz. Schmerz, mit dem ich atmen - leben - konnte. Dieser Schmerz verdrängte den anderen, schob ihn von mir weg, befreite meine Brust, so dass ich mühelos Luftholen konnte. „Danke.“, krächzte ich. Die Gestalt lachte. „Danke mir nicht zu früh, Charlet.“ Die Tür schlug zu und Stille trat ein. Ein kaltes Etwas betäubte den Schmerz in meiner Hand. Verwirrt setzte ich mich auf. Der Schmerz war weg, ich fühlte nichts mehr. In der Hand, die die Gestalt berührt hatte, lag eine Pistole. Sie gab mir Sicherheit. Etwas zum Festhalten. Ich lächelte kalt. Ab jetzt würde niemand mich mehr verletzen. Ich würde die Gefühle nicht mehr zeigen, ich hatte keine mehr. Ab jetzt war ich die Stärkere. Meine Augen verwandelten sich von dem friedlichen hellbraun in ein kriegerisches dunkelrot und ich lächelte kalt. Dann stand ich auf, nahm meine Zeichnung und zerknüllte sie langsam. Nur das letzte Bild ließ ich bestehen, steckte es in meine schwarze Hose mit den vielen Taschen. Mein altes Leben war endgültig vorbei – mein Neues begann. Ich lachte, nahm das ganze Geld aus meiner Spardose, war meinen schwarzen Mantel über, öffnete das Fenster und schwang mich auf das Dach unserer Mietgarage – ca. 4 Stockwerke nach unten. Mühelos landete ich und meine Augen blitzten gefährlich in der Dunkelheit der Nach auf, als ich von Dach zu Dach sprang.
Ich erwachte von einem lauten Schnurrer an meinem Ohr. Ich zuckte hoch und innerhalb von einer Sekunde stand ich neben meinem Bett, die Pistole gezückt und auf eine schwarze Katze gerichtet. „Oh, ach du bist’s, Blackstar.“, murmelte ich, stecke die Waffe wieder zurück in meinen Gürtel und ließ mich neben den Kater auf das Bett fallen, Blackstar schnurrte und schien von meiner Reaktion gerade eben nicht sonderlich beeindruckt. Er schmuste eine Weile mit mir, dann sprang er vom Bett und miaute mich an. „Miiiieu! MIIIEU!“ „Ist ja gut!“, lachte ich, sprang ebenfalls auf und ging in die Küche um dem Kater Milch und Trockenfutter zu geben. Während Blackstar reinhaute, stellte ich mich an mein Küchenfenster, das auf das Dach des Mietshauses führte, und rief einmal laut nach den anderen Katzen. Sekunden später rannten zwei graugetigerte, eine dunkelgrau-blaue und eine schwarzweiße Katze auf mich zu. „Hi ihr!“, meinte ich gutgelaunt und trat einen Schritt zur Seite, so dass die Katzen in den Raum und zur Futterstelle springen konnten. Die Katzen schnurrten und mampften, und ich musste darauf achten, dass kein Kleinkrieg wegen dem Futter ausbrach. Schon nach wenigen Minuten war das Trockenfutter weggeputzt und die Milch leer geschleckt, die fünf Katzen strichen, jeder einmal, an meinen Beinen vorbei und verschwanden durch das Fenster in ihre Freiheit. Als alle weg waren, trat ich wieder ans Fenster und stieß einen leisen Pfiff aus. Lange Zeit geschah nichts und ich verdrehte die Augen, rief leise: „Lass mich nicht warten, Stray!“ Ein schwarzer Schatten stieß gegen meine Brust und warf mich um, schmuste mit meinem Gesicht so sehr, das mir fast die Tränen kamen und ich lachend den großen Kater von mir herunter zog. „Da bist du ja!“, meinte ich und lachte glücklich. „Hier hast du dein Futter.“, schmunzelte ich und nahm ein neues Schälchen, füllte es mit Trockenfutter und stellte es ihm vor die Nase. Er war ein sehr schöner Kater, mit wunderbar schwarzem, glänzendem Fell, dazu kristallblauen Augen. Ein wahrhaft prächtiger Kater, und ein Kater, mit dem ich mich sehr, sehr gut verstand. Besser als mit allen anderen Katzen, besser als mit allen Menschen. Er war ein wunderbares Tier, von mir hatte er den Namen „Stray“, bekommen, was soviel wie „streunen“ heißt. Er war ein Streuner, eine freie Katzenseele die ihren Weg ging, worum ich ihn seltsamerweise beneidete. Er wusste, welchen Weg er ging. Ich nicht. Ich setzte mich zu ihm auf den Boden und begann ihm von dem Brief zu erzählen, und von diesem komischen Colin Frozen. Er lauschte, während er fraß. Als ich fertig war, schaute er mich kurz an, leerte sein Schälchen und stellte sich, die Vorderpfoten auf meinen Beinen, schräg vor mich. Ich lachte, er deutete mit einem eleganten Schwung seines Schwanzes entschlossen auf das Fenster und ich nickte. „Gute Idee, Stray. Ich hol nur schnell noch meinen Mantel!“, sagte ich, strich ihm liebevoll über den Kopf und warf mir im Flur meinen Mantel über. Als ich wieder in der Küche war, setzte ich mich auf das Küchenfenster und Stray sprang auf meinen Schoß, schaute mich erwartungsvoll an. „Sicher, dass wir das bei Tag machen sollen?“, fragte ich. Er deutete nochmals entschlossen nach draußen. Ich grinste. „Du verrückter Kater!“ Dann sprang ich auf das Dach, Stray mir auf die Schulter und krallte sich fest. „Faulpelz.“, kommentierte ich das lachend, schloss das Fenster und sprang von dem Dach ab.
Das Mädchen war ganz schön leichtsinnig. Am helllichten Tag die wahre Natur spielen zu lassen – dummes, unerfahrenes Kind. Schon bald würden die Noxas hinter ihr her sein. Der Mann seufzte und beobachtete vom Büro seines Chefs aus den kleinen schwarzen Punkt, der sich mit rasender Geschwindigkeit fortbewegte. Die Glasfront, durch die er sah, zog sich einmal rund um das Büro, in dessen Mitte eine extrem schmale Wendeltreppe in den Dachboden des Hochhauses führte. Wie viele Stockwerke das Haus einnahm, wusste er nicht, aber es war klar, dass es sehr, sehr hoch war. Ein Räuspern schreckte ihn aus den Gedanken und er wandte sich um. „Ja, Sir?“ Der Chef starrte ihn ausdruckslos an. Man nannte den Mann nur den „Chef“, da keiner seinen wahren Namen wusste, er immer die Aufträge verteilte, Befehle gab und einen schicken Anzug trug. Heute war es ein grauer Nadelstreifenanzug, mit einem passenden weißen Hemd und einer schicken, aber schlichten schwarzen Krawatte. „Ich hoffe, Sie haben einen Ersatz für ihre Schülerin gefunden?“, fragte der Chef, mit einer unergründlichen Miene und eine Duftwolke unangenehm süßen Kirschgeschmacks kroch durch die Luft auf Colin zu. Dieser ging mit langsamen, sorgsamen Schritten auf den Schreibtisch des Chefs zu. „Möglicherweise…“, antwortete er ausweichend und sein Chef musterte ihn durch seine kalten, graublauen Augen. „Sie sollten sich beeilen. Ich habe Aufträge. Finden sie jemanden.“, murmelte der Chef gelassen, aber es lag unverkennbar ein scharfer Unterton in seiner Stimme, der keinen Widerspruch duldete. „Ja, Sir.“, antwortete Colin ebenso ruhig. Der Chef wandte sich ab und unverkennbarer Hohn lag in seiner Miene. „Achten Sie auf ihre Auswahl, Mr Frozen. So manche Killer sind nicht wie sie scheinen.“ Er lächelte raubtierhaft. „Sie kennen die Regeln. Kein Vertrauen. Keine zweite Chance. Keine Überlebenden.“ „Natürlich kenne ich die Regeln, Sir. Ihr habt sie mir selbst bei gebracht.“ „Ja…ja, das hab ich wohl…Ich hoffe nur, Sie beherzigen sie.“ „Glauben Sie mir, Sir, das werde ich.“, erwiderte Colin und ein höllisches Funkeln schlich sich in seine Augen. Der Chef schaute auf und für wenige Millisekunden lag ein zufriedenes Lächeln auf seinen Lippen, als er Colin ins Gesicht sah. „Gut…Sie können gehen.“ „Danke, Sir.“ Colin drehte sich auf dem Absatz herum und ging aus dem Raum, doch statt wie jeder normale Mensch die Treppe nach unten zu nehmen, nahm er die Treppe nach oben.
Zehn Sekunden später hörte man einen leisen Aufprall. Ein Mann, in einen schwarzen Umhang gehüllt, sprang von Hochhaus zu Hochhaus, man konnte kein System in dem Umherspringen erkennen. Plötzlich hält der Mann an, lässt sich auf ein Dach sinken und sieht sich um. Wartet auf irgendetwas. Die Sonne nähert sich dem Horizont. Er lächelt. Es ist ein Lächeln, wie es nur wenige gibt. Eine Mischung aus Neugier und Wut, Trauer und Häme. Seine Augen schimmern einen Moment golden, als die Sonne ihre letzten Strahlen über die Stadt schickt, dann färben sie sich blutrot, sein Lächeln verwandelt sich in ein raubtierhaftes Grinsen. Die Sonne war untergegangen. Die Nacht regierte, und er war Teil der Nacht. Seine Augen glitzerten gefährlich, als er sich erhob und wieder weiter sprang – oder vielmehr flog. Immer auf der Spur eines noch ahnungslosen Mädchens…
Ich sah in den dunkler werdenden Nachthimmel hinauf, beobachtete die glitzernden Sterne. „Was meinst du, Stray…ist es gut, wenn man nach den Sternen greift?“, fragte ich den schwarzen Kater, der gemütlich auf mir lag, gerade ausgestreckt, sein Kopf ruhte kurz unterhalb meines Halses, eingebettet in meinen weiten Mantelkragen. Stray hob den Kopf und sah mich erstaunt an, dann legte er seinen Kopf wieder hin und zuckte einmal heftig mit dem Schwanz nach oben. Ich lächelte und beobachtete wieder die Sterne. Wie schön sie funkelten, es war als wäre jeder von ihnen eine Hoffnung, ein glückliches Zeichen dafür, dass nicht alles verloren war – und auch nie verloren gehen würde. Ich schloss zufrieden die Augen. Dann fuhr ich hoch, Stray rutschte von mir herunter und fauchte empört, verschwand mit einem Sprung in die Dunkelheit. Ich saß da und konzentrierte mich. Da war ein Geräusch gewesen, ganz leise nur. Als wäre Wind durch Stoff gefahren, hätte an ihm gezerrt. Doch das war unmöglich, ich lag auf einem Flachdach, wie ich es immer tat um nachzudenken, und weit und breit war kein Mensch zu sehen, der Stoff trug, mit Ausnahme von mir. Dazu kam, dass gar kein Wind wehte. Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich meine Umgebung, als könnte ich ihr dadurch entlocken, ob sich noch jemand außer mir hier befand. Aber nun war nichts mehr zu hören. Ich seufzte erleichtert und blickte auf meine Uhr. „Shit, verdammter Shit!“, fluchte ich los. Es war bereits 19:00, eine Stunde zu spät für meinen Termin mit diesem Colin Frozen! „Oh neineineinein! Mr Frozen wird nicht gerade erfreut sein…“, grummelte ich vor mich hin, sprang auf und wollte mich schon vom Dach schwingen, als ich eine Stimme vernahm. „Nicht nötig, ich bin bereits hier.“ Ich zuckte zusammen, rührte mich nicht mehr. Ein Luftkräuseln, kaum mehr als ein winziger Hauch warnte mich und ich zückte mit einer schnellen Bewegung meine Pistole, fuhr herum und wehrte mit meiner Waffe ein auf mich zurasendes Messer ab, es fiel klirrend zu Boden. „Gar nicht mal so schlecht…“, flüsterte es aus einem Schatten nahe einer dieser riesigen Lüftungsschachts. Ich zögerte und starrte in den Schatten. Ein leises Lachen ertönte. „Nun gut, du hast mich zumindest mal ausfindig gemacht, das ist ja schon mal etwas. Kommen wir zum Geschäft.“ „Ich rede nicht über Geschäfte solange ich mein Gegenüber nicht gesehen habe.“, knurrte ich wütend und unterdrückte meine Angst. „Wenn du mich unbedingt sehen willst, dann bitte…“, erwiderte die Stimme, ihr Klang erinnerte mich an einen Felsen aus Sandstein, der nur zu einem kleinen Teil aus der Erde heraus schaute – der Mann, so viel war klar, redete mit rauer Stimme und sehr leise, obwohl ich mir sicher war, dass er noch viel lauter reden konnte. Dann kam Bewegung in den Schatten, auf den ich gestarrt hatte und Sekunden später löste sich eine Gestalt aus der Dunkelheit und trat auf mich zu. Es war ein Mann von 20, vielleicht 25 Jahren, mit dunkelblonden, leicht lockigen Haaren und einem durchtrainierten Körper, der sich unter dem enganliegenden T-Shirt, das er unter dem offenen Mantel trug, abzeichnete. Er war in jeglicher Hinsicht attraktiv und anziehend – wären da nicht die Augen gewesen. Sie waren dunkelrot, die Farbe von frisch geflossenem Blut und glänzten unheimlich. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er meine Musterung bemerkte, dann verbeugte er sich schwungvoll. „Ich bin Colin Frozen. Und du bist Charlet, oder? Ich fand es sehr schade, dass dich mein Angebot so wenig interessiert, dass du nicht pünktlich erscheinst…“, meinte er mit einem nicht ganz so freundlichem Gesicht. „Wie sieht es nun aus – willst du mein Angebot annehmen?“, fragte er dann, seine Stimme war ruhig, ja fast hypnotisierend gleichklingend. Vollkommen überrumpelt davon, dass Colin mich gefunden, fast getötet hatte und jetzt auch noch nach seinem Angebot das er an mich gerichtet hatte, fragte, blieb ich erstmal erstarrt stehen. Nach einer Weile antwortete ich zögernd: „Ich weiß nicht so recht. Ich bin keine Killerin und will auch keine werden, denke ich.“ „Zu dumm…“, antwortete Colin. „Leider habe ich nur aus Höflichkeit gefragt und dir dieses Angebot gemacht. Ich fasse mich kurz: Entweder du wirst von mir ausgebildet, und glaube mir, ich mache aus jedem einen Killer wenn ich das will, oder du stirbst. Jetzt.“ Ich starrte ihn an. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, o-oder?“, meine Stimme zitterte leicht. Ich spürte einen Ruck und ehe ich mich zur Wehr setzen konnte, stand Colin schon hinter mir und hatte mir beide Arme auf den Rücken gedreht. Ein klicken sagte mir, dass er auch meine Pistole gesichert hatte. Kleines Ar***l***. „Doch.“, flüsterte er mir ins Ohr, eine kalte Klinge drückte unangenehm gegen meinen Hals. „Und?“ Ich knurrte halblaut und wütend, versuchte nach hinten zu treten und meine Arme frei zu bekommen, aber das einzige was ich damit erreichte war, das ich noch flacher atmen musste, damit mir die Dolchklinge nicht den Hals aufritzte. „Letzte Chance!“, flötete er munter. Ich unterdrückte ein weiteres Knurren und rang mir ein widerwilliges. „Na gut…“, ab. Doch statt mich frei zu lassen, hielt er mich immer noch fest und hauchte mir ins Ohr. „Gut, es gibt kein Zurück mehr. Das habe ich dir gesagt. Ab jetzt tust du, was ich dir sage, egal was es ist. Klar?“, fragte er, doch sein Ton zeigte mir, dass er keine Widerrede dulden würde. Ich schluckte vorsichtig und sagte: „Ja.“ „Gut. Dann will ich dir mal zeigen, wen ich für dich mitgebracht habe.“, lächelte er, ließ mich los und verschwand kurz in den Schatten, um eine halbe Sekunde später mit einem schlaffen Bündel zurück zu kehren, das ich mit einem Blick als einen Mensch identifizieren konnte. Colin zog etwas aus seinem Mantel, das aussah wie eine Spritze und drückte es dem Menschenmädchen in den Arm. Sofort schrak das Mädchen hoch, schlug um sich und wollte los rennen, doch ehe es zwei Schritte weit gekommen war, hatte Colin es bereits wieder eingefangen und die Arme auf den Rücken gedreht. Er drehte das Mädchen so, dass das Mondlicht das Gesicht des Mädchens erhellte. Ein vertrautes Gesicht, ein Gesicht, das ich nie vergessen würde. Das Gesicht von Sandra, mit ihren hellen, blauen Augen, den weißblondem Haar und den elegant geschwungenen Augenbrauen. Das Gesicht, das meiner ehemaligen besten Freundin gehörte, starrte mich voller Entsetzen und Furcht an. Ich fluchte in Gedanken, dann versuchte ich möglichst tonlos zu sprechen. „Was willst du mit ihr?“ „Na was glaubst du denn?“, fragte er provozierend. Ich schwieg. „Na gut…Sie ist hier damit deine Vergangenheit endgültig hinter dir lässt. Und beweist, dass du für deine Ausbildung fähig bist. Es ist eine ganz einfache Aufgabe. Töte sie. Du hast 60 Sekunden. Wenn ich wieder komme, und sie ist nicht tot, bist du schneller tot als du „scheiße“ denken kannst! Die Zeit läuft.“, grinste Colin, stieß Sandra grob nach vorne, so dass sie auf die Knie fiel und verschwand im Schatten.
Ich wusste nicht, ob Colin noch da war, und ich wusste nicht, was ich jetzt tun sollte. Ich konnte doch nicht meine eigene Freundin umbringen! Das konnte ich einfach nicht…wir…wir hatten so viel gemeinsam durch gemacht, ja, gegen Ende gab es Streit, aber passierte das nicht jedem einmal?
Meine innere Uhr tickte. 50 Sekunden.
Ich zitterte, schaute Sandra an, wie sie am Boden lag. Meine Finger verkampften sich. Ich konnte das nicht, ich konnte einfach nicht! Meine Augen brannten, als Tränen sich in ihnen sammelten.
40 Sekunden.
Ich riss mich zusammen, ging zu ihr und bot ihr meine Hand an. Sie starrte mich aus weit aufgerissenen Augen an und ich wusste, dass sie wusste, dass ich sie töten würde. Musste. Nicht für Geld. Nicht für irgendeinen Auftrag. Für mein Leben. Entweder ihr Leben oder meins. Meine Hand zitterte leicht. Sie bemerkte es und Furcht stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
20 Sekunden.
Ich zitterte noch mehr. Sandra rührte sich nicht. Ich fasste einen Entschluss.
15 Sekunden.
Ich zog Sandra hoch, schaute ihr in die Augen, eine Träne rann mir aus dem Augenwinkel.
10 Sekunden.
Langsam bewegte sich meine Hand auf meine Pistole, die an meinem Gürtel hing, zu. Ich zitterte nicht mehr.
5 Sekunden.
Ich schloss Sandra in die Arme und flüsterte: „Es tut mir so schrecklich Leid!“ Und doch wusste ich, dass es dafür, was ich jetzt tun würde, keine Entschuldigung gab. Ich drückte Sandra noch einmal ganz fest, sog ihren vertrauten Geruch ein. „Verzeih mir!“, bat ich sie. Etwas Nasses rann mir in den Nacken. Sie weinte.
3 Sekunden.
Ich zog meine Pistole mit einer schnellen Bewegung, berührte dann mit einer Hand Sandra’s Stirn, mit dem Zeigefingernagel meiner anderen Hand ritzte ich ihre Wange auf, küsste sie auf die blutende Wunde.
1 Sekunde.
„Verzeih!“, waren meine letzten Worte an sie. Ich drückte ab.
Ich schluckte die kleine Menge Blut, die ich Sandra “abgeküsst” hatte, hinunter und spürte, wie ich wieder stärker wurde. Es war nur eine kleine Stärkung, hätte ich mehr von ihren Träumen, ihrer Hoffnung, ja, ihrer Seele genommen, wäre ich stärker gewesen. Aber ich brachte es einfach nicht über mich. Das einzige was ich ihr genommen hatte – und das machte es nur umso schlimmer – war ihr Leben. Und einen kleinen Teil ihrer Albträume, nicht sonderlich stärkend. Außerdem hatte ich Gift in die Wunde fließen lassen, so dass Sandra keinen Schmerz mehr spürte. Gespürt hatte. Sie hing leblos in meinen Armen, schwer und vollkommen reglos. Ich wollte weinen, doch ich konnte nicht. Es war wie ein Schockzustand, ich fühlte gar nichts mehr und irgendwo in einem hinteren Teil meines Bewusstseins wurde mir klar, dass mein Gehirn absichtlich jegliche Gefühle für den Moment blockierte. Vorsichtig legte ich Sandras schlaffen Körper auf den Boden und wischte mir das salzige Nass, die letzten Spuren ihrer Tränen, aus dem Nacken. Behutsam schloss ich meiner ehemaligen besten Freundin die Augen. So sah sie ganz friedlich aus, nur der winzige Schnitt auf der Wange trübte das schöne Bild ein wenig. „Nun, anscheinend habe ich mir ja die Richtige als Schülerin gesucht.“, erklang Colins Stimme hinter mir. „Vielleicht.“, sagte ich tonlos. „Dann bis morgen. Am Starbucks, 14:00. Und sei bitte dieses Mal pünktlich.“ Ein Luftrauschen und ich wusste, Colin war fort.
Das erste, was ich richtig registrierte, war, dass er das „Starbucks“ offensichtlich ziemlich mochte. Meine Gedanken zogen sich zurück, nachdem sie dieses „wichtige“ Detail erfasst hatten und zogen langsame, immer größer werdende Kreise. Mein Blick verschwamm, statt der Aussicht auf die Stadt trat das Bild von einem nächtlichen See vor meine Augen, dunkelgrünes Gras, dass sich sachte im Wind wiegte, eine Idylle gefüllt mit erholsamer Stille. Ich wollte dort am Ufer sitzen und einfach nur auf den See starren, der mein Spiegelbild nicht zeigte, als würde ich gar nichts existieren und alles was es wirklich gab, in diesem wunderschönen Tagtraum, war die unendliche Ruhe, keine Nervosität, keine Angst, keine Wut, einfach nur nichts. Ich blinzelte mehrmals heftig und zwang mich so, in der Realität zu bleiben. Mein Blick fiel auf Sandra. Die tote Sandra. Statt der schönen Stille kamen traurige Gedanken, Reue, Selbstvorwürfe – schlichtweg alles, was ich jetzt nicht in meinem Kopf haben wollte. Wütend verdrängte ich es, wandte mich von Sandra ab und sprang wie in Trance, in Stille, von Dach zu Dach auf dem Weg nach Hause. Die Luft rauschte an mir vorbei, und ich hielt den Kopf hoch erhoben, als wäre ich stolz, auf das, was ich getan hatte. Nur, dass ich es nicht war, betrachten wir das einfach als Nebensache. Zu Hause angelangt kletterte ich durchs Fenster, ließ alle Rollläden herunter und warf mich auf mein Bett, noch komplett angezogen. Ich starrte an die Decke und langsam drangen all die Gedanken, die ich vorhin beiseite geschoben hatte, Gedanken an das, was ich getan hatte, zu mir durch und ließen sich nicht mehr ignorieren, geschweige denn abschieben. Tränen der Reue liefen mir über die Wangen, rannen heiß über mein Gesicht und sammelten sich in meinem Mundwinkel, wo sie einen salzigen Geschmack hinterließen. Ich hatte meine ehemalige beste Freundin getötet. Einfach so, als wäre sie nichts weiter als…als was? Als ein Tier? Doch selbst Tiere behandelte ich besser. Was war ich nur für ein Monster?! Was war los mit mir?? Warum…warum musste ich töten um selbst leben zu können? Warum?? Das war nicht fair! Ich war zu einem Monster geworden, als ich das Angebot angenommen hatte, dass sie mir gemacht hatte. Die schwarze Gestalt, die mich davor gerettet hatte, in meinem Schmerz zu ertrinken. Ich hatte es angenommen – ich hatte mich für mein Leben entschieden, dafür, dass ich andere töten musste, ihre Seelen essen musste, um zu überleben. Sie starben, ich lebte. Das war nicht fair von mir. Nicht gerecht. Aber ich hatte diesen Weg gewählt und ich würde ihn gehen. Eine leise Stimme flüsterte in mir, dass ich nur zu stolz und zu feige war, um einzusehen, dass ich einen Fehler gemacht hatte, dass ich mich für den falschen Weg entschieden hatte. Ein Wimmern entrang meiner Kehle und Schmerz überspülte mich. Es war falsch. Ich war falsch. Tränen liefen mir erneut über das Gesicht, aber dieses Mal waren es Tränen des Selbsthasses und der Verzweiflung. Ich wimmerte erneut, Wut auf mich selbst krallte sich in mein Herz und ich klammerte mich an meine Bettdecke, als würde sie mir Halt geben in dieser Flut aus Gefühlen. Unbewusst wanderte meine Hand zu meiner Pistole, und als ich das kühle Metall berührte, beruhigte ich mich langsam wieder, atmete tief ein und aus. Eine andere, leise Stimme wisperte, dass die Welt auch nicht fair war. Warum sollte also ich fair sein? Die Stimme war beruhigend, half mir die schmerzenden Gefühle weg zu drängen. Mein Atem ging jetzt tief und gleichmäßig. Ich starrte noch immer die Decke an, als wäre sie etwas Besonderes. Ich kannte das Muster, dass die Holzmaserung bildete, schon in- und auswendig, aber es war immer wieder schön es zu betrachten. Ich spürte, dass ich mich beruhigt hatte und stand auf. So bescheuert es klang, ich musste jetzt einfach mit jemandem reden, bevor ich die Erinnerung ganz wegsperrte. Ich öffnete einen der Rollläden und rief leise nach Stray. Wenige Minuten später kletterte der schwarze Kater zu mir ins Zimmer und wir legten uns aufs Bett. Ich strich Stray über das seidige Fell und sein Schnurren hatte eine tröstende Wirkung. „Ach Stray…“, seufzte ich. „Stray, ich weiß einfach nicht was mit mir los ist. Heute bin ich zu spät zu diesem Treffen mit Colin gekommen und er hat…er hat Sandra mitgebracht. Hab ich dir schon von ihr erzählt? Sandra ist meine beste Freundin gewesen, bis wir furchtbar Streit hatten. Sie hat mich allein gelassen und irgendwie hat sie ja recht…Ich bin nicht fair, Stray. Gar nicht fair…“ Und Stray widersprach nicht. Ich nahm seine Reaktionslosigkeit schluckend zur Kenntnis. Er gab mir recht, doch sein Schnurren bewies, dass er mich trotzdem mochte. Obwohl ich es nicht verdient hatte. Eine Träne rollte mir über die Wange und fiel auf sein Fell. Ich kuschelte mich enger an ihn und weinte still, er ließ es geschehen und schnurrte nur umso lauter. Nach einer Weile hatte ich mich wieder gefasst und erzählte weiter. „Jedenfalls hat Colin mich erst gezwungen zu sagen, dass ich sein Angebot annehme und dass ich tue was er sagt. Und dann hat er gesagt, ich solle Sandra umbringen. Ich tat es. Ich hab einfach so meine beste Freundin umgebracht.“, mein Ton war ruhig und nicht mehr verheult. Damit musste ich jetzt leben. Ich hatte es getan. Nichts konnte es rückgängig machen. Es war vorbei. Stray schnurrte weiter und half mir, die Erinnerung wegzusperren. Ich schob sie von mir weg und warf sie in meinen imaginären Abfalleimer, den ich in meinen Gedanken erstellt hatte und in den ich alles was mit schmerzhaften Gefühlen zu tun hatte, hineinwarf. Ich spürte Hunger in mir aufsteigen und war froh über die Ablenkung. „Hast du Lust auf einen kleinen Nachtspaziergang, Stray?“, fragte ich ihn. Stray blinzelte mich an und stand auf, schüttelte sein Fell, brachte es mit ein paar gezielten Pfotenstrichen in die richtige Form und schnippte zustimmend mit dem Schwanz. „Okay, los geht’s!“, lächelte ich munter, die Erinnerung war erloschen. Im Papierkorb verschwunden. Ich sprang vom Bett auf, Stray landete gezielt auf meiner Schulter und gemeinsam schwangen wir uns aus dem Küchenfenster, das ich hinter uns schloss. Mit kraftvollen Sprüngen rasten wir durch die Stadt, auf der Suche nach jemandem, der es nicht verdient hatte, länger zu leben. Es dauerte nicht lange, bis wir jemanden gefunden hatten.
Es waren drei Männer, die eine Frau unauffällig vor sich her trieben. Ich landete lautlos auf einem tiefer gelegenen Dach und beobachtete, wie sie die Frau in eine dunkle Gasse drängten. Ich wusste was diese Leute vor hatten und ich wusste, dass ich soeben meine Opfer gefunden hatte. „Willst du mitkämpfen oder wartest du hier, Stray?“, fragte ich den schwarzen Kater auf meiner Schulter. Seine kristallfarbenen Augen glitzerten kampflustig. Ein eindeutiges Ja. „Okay!“, grinste ich sprang auf die Straße und ging in die Gasse, in der die Männer verschwunden waren. Ich kam gerade noch rechtzeitig. Die Frau lag bereits auf dem Boden und ich war mir sicher, viel hatte sie nicht mehr an. Allerdings wollte ich das nicht allzu genau wissen. Zwei Männer saßen auf ihren Armen, der dritte machte sich an ihr zu schaffen. Ich sprang auf den dritten zu, spürte wie Stray sich von meiner Schulter löste und auf einen der anderen Männer sprang. Ich zückte meine Pistole, entsicherte und schoss. Der Mann kippte wortlos zusammen, der Schuss hallte jedoch durch die Gasse. Ich fluchte. Ich hatte nicht viel Zeit, bis die Kripo auftauchen würde. Ich stieß den toten Mann mit der Stiefelspitze zur Seite und wollte mich gerade um den übriggebliebenen kümmern – Stray hatte den anderen Mann erledigt, man sollte diesen Kater nicht unterschätzen – der jedoch hatte die Frau an sich gepresst und ein Messer gezogen, dass er ihr an die Kehle hielt. „Kein-kein-keinen Schritt-tt weiter! I-Ich b-bring s-sie s-sonst um!“, stotterte er zitternd. „Dummer Mensch.“, knurrte ich nur. „Glaubst du damit machst du mir Angst?“, fragte ich, griff nach seiner Hand mit dem Messer und verdrehte sie so, dass er mit einem Aufschrei das Messer fallen ließ. Fluchend hielt er sich die Hand, die Frau stürzte von ihm weg und presste sich an die gegenüberliegende Hauswand, die Augen weit aufgerissen und die blonden Haare wirr im Gesicht hängend. Ich griff den Mann am Kragen, drehte ihn mit dem Rücken zu mir, hielt seine Hände mit fest, steckte meine Pistole ein und berührte mit einer Hand die Stirn des Mannes, dann biss ich ihm in den Hals. Sofort sprudelte Blut in meinem Mund und ich saugte gierig, spürte wie der Schatten des Mannes sich immer weiter verkleinerte, wie der größte Teil seiner Seele in mich überging und mir ein riesiges Maß an Kraft gab. Das Blut schmeckte zwar widerlich, aber das Gefühl den Teil der Seele in sich aufzunehmen war herrlich. Ich schloss genussvoll die Augen, gönnte mir einen Moment das zu genießen, dann ließ dich die Hände des Mannes los, er wehrte sich nicht mehr. Schockzustand. Ein weiterer Schuss war zu hören. Der Mann fiel zu Boden. Ich wischte mir mit dem Handrücken die Blutspuren vom Mund und sah aus den Augenwinkeln, wie die Frau auf das Ende der Gasse zu rannte. Ich flitze ihr hinter her, schneller als die letzten Tage, und berührte schnell ihre Stirn, fügte ihr einen Kratzer auf der Wange zu und „küsste“ sie auf die Wunde. Ein minimaler Teil ihrer Seele mit der Erinnerung an mich sprang auf mich über. Dann schaute ich in ihre Augen, die zu gefallen waren. „Du hast mich nie gesehen.“, flüsterte ich und ließ sie auf den Boden sinken. Ein zufriedenes Mauzen kam von Stray. Er saß gemütlich auf dem anderen Mann, der natürlich längst nicht mehr lebte, und leckte sich die blutverschmierte Tatze. Ich ging zu ihm hinüber und starrte ihn an. Er hatte dasselbe getan wie ich – den Schatten oder auch die Seele, je nachdem wie man es nennen wollte, geraubt. Ich musste ihn durch die vielen Berührungen beim Streicheln, viel mehr als es bei Blackstar gewesen waren, angesteckt haben. Vielleicht waren es auch die Gefühle, die ich nur ihm und keinem anderen gezeigt hatte, die ihn zu dem gemacht hatten, was er jetzt war. Er war wie ich, hatte genau wie ich vom Bluttrinken dunkelrote Augen.
Er war auch ein Schattendieb.
Texte: Text, Idee und Charaktere (c) me, Maria R. alias Charlet Dawn bzw. Miu Kaze
Bildmaterialien: Cover by bookrix.de
Tag der Veröffentlichung: 03.12.2011
Alle Rechte vorbehalten