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Rachel Welsch ist eine ganz besondere Lady, sie lebt zwar schon seit 34 Jahren in Köln, doch an den Dialekt wird sie sich wohl nie gewöhnen können.

Geboren ist sie in den Schottischen Highlands, aber gefallen, nein gefallen hat es ihr dort wirklich nie. Schon als Kind war sie immer nur am meckern. Dies war nichts, jenes war schlecht, keine Freunde, einen weiten Weg zur Schule und immer nur Wind. Ja Wind, dass hatte es wirklich genug in den Highlands, ohne Regenkleidung aus dem Haus zu gehen war so gut wie niemals möglich. Selbst wenn man glaubte, es wird ein schöner Tag und man könne ohne Schutz aus dem Haus in die Natur hinaus, wurde man eines besseren belehrt.

Dann fegte wieder ein Sturm über die Klippen, der alles mit sich nahm, was nicht angewachsen war oder zu schwache Wurzeln hatte. Sie hatte immer eine irrsinnige Angst vor den Klippen.

Tante Samantha behauptete immer, wenn der Teller nicht zu ende aufgegessen würde: „Du wirst schon sehen, eines Tages holt dich der „König der Winde“ und bläst dich einfach über die Klippen weil du so schwach bist wie ein kleines Blatt im Wind“. Rachel mochte die Tante nicht und ihr Vater, Mister Mc Pallagham, der mochte sie auch nicht!

Er pflegte immer zu sagen: „Die ist so falsch wie der Teufel, aber irgendwann wird er sie holen und zu seiner Gemahlin machen“. Dann brach er meistens in ein dumpf, klingendes Gelächter aus, welches so lange anhielt, bis er einen hoch roten Kopf bekam. „Little Dutch“ ihr Irischer Setter, bellte dabei mit dem Vater um die Wette und Mutter schalt ihn dann meistens, sie wollte nicht das er so über ihre Schwester sprach oder gar die Hausangestellten diese unchristlichen Worte hörten.

All das ist aber schon viele Jahre her und sie erinnert sich an alles was mit ihrer alten Heimat zu tun hatte nur sehr ungern. Es war ihr einfach nicht möglich gewesen sich mit diesem rauen Klima, den Menschen in der Nachbarschaft, den kleinen Geschäften und der Enge im Herzen wohl zu fühlen. Die Leute haben sie immer mit einem lächelnden Auge begutachtet und später auch verspottet. Weil sie anders war, anderst als alles was sie kannte!

Sie mochte keine Gummistiefel, keinen Regenmantel, Nebel schon gar nicht und auch keine Schafe.

Sie stinken, blöken und ihr Fleisch mochte sie auch noch nie. Mister Mc Pallagham schalt sie bei jeder Gelegenheit weil sie so gegen die Schafe war, er warf ihr Undankbarkeit vor, die Schafe seien die Existenz der ganzen Familie und das schon seit Generationen. Ohne sie gäbe es kein Gut, kein Geld, kein Fleisch im Haus, Personal könnten sie sich auch keines leisten und auch keinen Privatunterricht.

Die Möglichkeiten für sie alle hätten sich ganz anders dar gestellt, sie wären nur normale Bauern geworden. Müssten alle mit anpacken und das feine Leben, dass hätte es nie gegeben. Dieses Thema war immer sehr brisant und hoch explosiv.

Mutter warf ihr dann meistens noch böse Blicke zu weil sie sich während dieser Gespräche immer sehr unwohl fühlte. Die ganze Zeit an sich herum juckte, der Lammwollpullover sie in den Wahnsinn trieb.

Sie hätte lieber Seide gehabt oder Kaschmir. Alles was weich und anschmiegsam war hatte es ihr angetan, aber dass wollte Mister Mc Pallagham schon gar nicht hören. Du bist ein Junge, hör doch endlich auf zu jammern und werd endlich ein Mann, so sagte er bei jeder nur erdenklichen Gelegenheit.

Sie wurde älter und wusste auch da sehr schnell das mit ihr nicht alles im reinen war, sie war anders und wollte einfach nichts von den Dingen Wissen, die mit Jungen und Männlichkeit zu tun hatten!

Sie wollte nur weit weg. Ins ferne Ausland, dass war ihr Traum. Wenn sie daran dachte, an die Möglichkeit so zu Leben als wäre sie eine Frau, dann kam sie ins schwärmen. Leben an einem Ort an dem sie keiner kennt. Wenn sie sich einfach verkleiden hätte können und als Frau ein Leben in schillernden Farben hätte Leben könnte, dann wäre sie am Ziel und dafür wollte sie alles nur Erdenkliche tun.

Die Schulzeit ging zu Ende und ein Stipendium an der Universität in Dublin wäre die Freude ihrer Eltern gewesen. Rachel aber hatte ganz andere Pläne, sie wollte unbedingt an eine Universität in Deutschland.

Als die Gespräche damals in diese Richtung tendierten, flippte Mister Mc Pallagham total aus. Er schrie und tobte so laut, dass die Gesamte Belegschaft sich in der Empfangshalle einfand. Jeder konnte hören wie er sie demütigte als er sagte er würde nie ein Mann werden und hätte nur Flausen im Kopf. Rachel, der eigentlich mit Bürgerlichem Namen Rafael hieß, ließ sich aber nicht einschüchtern und hatte auch gute Argumente die dafür sprachen ins Ferne Deutschland zu ziehen.

„Agrarlandwirtschaft“ war das Zauberwort, damit ließ sich der Vater wieder milde stimmen. Es wurde eine Universität gesucht und schon bald bekam er dann auch die frohe Botschaft dass seinen Plänen nichts mehr im Wege stünde.

Der Umzug in die Nähe von Köln konnte geplant werden, Rachel konnte Rafael endgültig an der Gardarobe abgeben. Sie hatte nicht vor, in Deutschland jemals einen Fuß auf den Boden zu setzen solange ihr Name nicht geändert war. Alle Möglichkeiten die sie schon Jahrelang verfolgte wurden in die Wege geleitet.

Rafael, sollte sterben und das ein für alle Mal.

Als am 7.7.1977 morgens gegen 10 Uhr, der Fahrer mit der Limousine vor dem Gut vorfuhr, Rafael sich von seinen Eltern verabschiedete und Mister Mc Pallagham seinen Sohn in die Arme schloss, war ihm nicht bewusst, dass er seinen Sohn nie wieder sehen würde!

Rachel Welsch kam etwa 28 Stunden später in Köln auf dem Hauptbahnhof an. Larry stand mit Blumen auf dem Bahnsteig 7.

Als der Zug aus London einfuhr, kullerte die erste Träne über seine rote, von Hitze und Eile gerötete Wange. Aus dem Lautsprecher erklang ein Gong und es wurde gemeldet dass an Bahnsteig 7 der Zug einläuft und Vorsicht walten sollte. Larry geriet fast aus dem Häuschen, damals vor 34 Jahren, seit diesem Tag waren sie so gut wie unzertrennlich.

Larry und Rachel lernten sich im Schullandheim kennen. Larry war zu der Zeit als Tramper unterwegs und wollte queer durch Europa die Welt erkunden. Was als Kumpels begann, sollte als Paar enden.

Larry war schon Jahre vorher nach Deutschland gekommen und bereitete alles vor, um Rachel in Empfang zu nehmen wenn die Zeit gekommen ist.

Als Rachel aus dem Zug stieg konnte Larry sein Glück kaum fassen, beinahe hätte er Rachel nicht erkannt. Was er zu sehen bekam verschlug ihm mit einem Wort die Sprache. Eine wunderschöne Frau stieg aus dem Zug und als hätten sie nie ohne sich gelebt fielen sie sich in die Arme. Beiden liefen dicke Kullertränen des Glückes über ihre Gesichter und noch während sie sich küssten vermischten sich ihre Körperflüssigkeiten miteinander.

Aus zwei Menschen wurde einer und in den vergangen Jahren zeigte sich, dass sie nicht falsch gelegen hatten. Ihre Liebe war einmalig, obschon es in der Szene nicht unbedingt Gang und Gebe war, dass eine gleich geschlechtliche Beziehung für immer und ewig hält. Später als die Eheschließung erlaubt wurde, da schlossen sie sogar den Bund der Ehe.

In all den Jahren lebten sie ein aufregendes Leben, in ihren Anfängen war es nicht immer leicht denn auch in Köln war die Offenheit dies bezüglich nicht immer nur einfach. Aber durch die Toleranz, die von Jahr zu Jahr größer wurde ließ es sich gut Leben. Rachel und Larry gründeten einen der ersten Nachtclubs für ihres gleichen und um so mehr sie sich in ihre eigene Welt einbrachten umso tiefgründiger und besser wurde ihr Leben.

Rachel trat Nacht für Nacht als Drag Queen in ihrem Club auf, während Larry ihr größter Bewunderer, sie dafür zu seiner Göttin machte. Sie war das schönste aller Geschöpfe, das er je gesehen hatte und dafür Liebte und verwöhnte er sie nach Strich und Faden.

Am 31.12.2010 starb Eleonore Mc Pallagham.

Der Notar Rüdiger Hofmeister, fand Rachel Welsch am Rosenmontag als sie von der Bühne zurück in ihre Kabine kam.

Schweiß gebadet sank sie in ihren Ohrensessel neben dem erloschenen Kamin. Rüdiger Hofmeister stellte er sich vor, ich habe nur eine Frage, dann bin ich auch schon wieder weg falls sie nicht mit mir sprechen wollen sagte er. "Sind sie Rafael Mc Pallagham"?

Rachel rollten sofort Tränen über die Wangen als sie nickte, „was kann ich für sie tun“?

Ihre Frau Mutter, Eleonore Mc Pallagham – sie ist Tod und hat ein Testament hinterlassen. Ich habe die verschiedensten Detektive beauftragt nach ihnen zu suchen, mein Beileid würde ich ihnen gerne ausdrücken. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob sie dieses Beileid verdienen Mr. Mc Pallagham.

Sie sind seid 34 Jahre verschollen, niemand wusste auch nur annähernd nach wem, oder was wir zu suchen hatten. Ihr Vater, Gregor Mc Pallagham ist schon im Jahr 1979 verstorben und ihre Frau Mutter hat nie gewagt nach ihnen zu suchen.

Neue Tränen schossen Rachel nun über die Wangen, sie schluchzte auf, Larry betrat den Raum und starrte auf Rachel. „Was ist los mein Herz“, wollte er Wissen?

Der Notar erklärte ein weiteres Mal was ihn in dieses Milieu verschlagen hatte und endete mit den Worten „ich würde sie gerne in ein Paar tagen in meinem Büro treffen, dann können wir alles Weitere besprechen“!

Rachel und Larry nickten, Hofmeister zückte eine Visitenkarte und legte sie auf die Schmink-Kommode und während er schon Richtung Türe ging zupfte er an seinem Hut, grinste verhalten und ging fast genauso leise wie er gekommen war wieder hinaus.

Der Karneval war durch diesen Zwischenfall für dieses Jahr gelaufen. Rachel war nicht mehr nach Party zumute und als sie eine Woche später den Termin im Büro von Hofmeister wahr nahm konnte sie froh sein, dass Larry ihr zur Seite stand.

Sie waren nicht allein im Büro, ein Dr. Walsberry stellte sich vor. Er sei die letzten Jahre der Leibarzt der wehrten Frau Mutter gewesen, erzählte er und dass Rafael ihr das Herz gebrochen habe.

Rachel wurde schwer ums eigene Herz, sie liebte ihre Mutter eigentlich sehr. Larry mischte sich nun ins Gespräch und sagte dass sie nicht gekommen seien um sich nun Vorwürfe an zu hören, man möge doch bitte zum eigentlichen Punkt kommen!

Der Notar und alle Anwesenden setzen sich, das Testament wurde geöffnet. Es handelte sich um eine schwere Teakholzkiste, verschiedene Dinge wurden heraus geholt. Unter anderem eine Video Kassette, ein Tagebuch, und Briefe die zusammen gebunden mit einer rosa Schleife sofort Rachels Aufmerksamkeit fand, es sind bestimmt die Briefe die sie ihrer Mutter übermittelt hatte um sich zu erklären - dachte sie!

Hofmeister stellte klar, dass es sich bei den anwesenden um die richtigen Personen handelte die sich mit Personalausweis ausweisen konnten – sprach das alles auf ein Aufnahmegerät und stellte dann den Videorekorder an.

Eleonore die nun sehr kränklich in ihrem Schlafzimmerbett lag war zu sehen, alles im Raum wurde still. Sie war fast so weiß wie die mit Baumwollspitzen bezogenen Kissen in denen ihr kleiner Kopf mit dem Silbergrauen Haar lag.

Ihr von tiefen Falten durchzogenes und gezeichnetes Gesicht wirkte matt, als sie ihr Kinn anhob zeigten sich jedoch die schönsten Augen der Welt. Es waren Rachels Augen, so hell, so grün als würde man in die frischen Wiesen und Hügel der Highlands sehen. Dann lächelte sie in die Kamera, Rachel liefen wieder einmal mehr Tränen über ihre stark geschminkte Haut als ihr lieb war.

Dann begann Eleonore Mc Pallagham ihre Rede:

„Geliebte Tochter, ich bin mir im klaren darüber, was wir – dein Vater und ich, dir über all die Jahre angetan haben müssen. Dafür gibt es keine Entschuldigung, ich weis dass wir dich aus dem Haus getrieben haben und doch konnte ich dir in all den vielen Jahren nicht sagen wie Leid es mir tut.

Dein Vater ist schon so lange des Todes, dass selbst der Teufel froh wäre, wenn er ihn nicht schon so ewig beherbergen müsste. Er hat es mit ihm bestimmt auch nicht gerade leicht!

Sie machte eine Pause und sah dabei auf ein Bild von ihrem Mann, dass auf dem Nachttisch stand. Schwer atmend und mit Schweiß auf der Stirn sprach sie dann ruhig weiter.

Wir haben nicht über unseren Schatten springen können als wir merkten was mit dir los ist, dein Vater wollte dass du sein Nachfolger wirst und du solltest der Herr des Hauses werden. Ich bin mir nicht sicher ob er an der Schmach oder seinem gebrochenen Herzen gestorben ist oder aus Angst um dich, weil er wusste das er dich nie wieder sehen würde.

Als du uns 1977 verlassen hast wurde er von einem Tag auf den anderen sehr Krank, den Arzt lies er nicht zu sich und es dauerte nur kurze Zeit bis er sich selbst zum Teufel wünschte wenn nur dir nichts passieren würde.

Er betete und fluchte, dass sich das Gebälk im Hause wand. Ich denke er wurde verrückt vor lauter Angst, dann war er Tod.

Ich blieb zurück und war nicht in der Lage nach dir zu suchen denn ich schämte mich weil ich dich verleugnet hatte. Ich konnte weder vor den Nachbarn noch vor Gott dem Herrn zu dir stehen, es wurde immer getuschelt und getratscht. Meine Angst war größer als meine Liebe zu dir, nun bin ich zu alt und zu krank und meine Kräfte haben mich verlassen. Es wird Gottes Strafe für mich sein, einsam und allein werde ich bald von der Erde gehen und Gott wird mich verstoßen denn ich habe das einzig Wichtige in meinem Leben verstoßen.

Ich bitte dich um Vergebung und hoffe, dass wir uns irgendwann einmal wieder sehen in einem anderen Leben. Du meine Tochter > Rachel Mc Pallagham - Welsch < sollst nun allein Erbin werden.

Herrin über all unsere Ländereien, sowie zwanzig Tausend Schafe will ich dir vermachen. Die kleine Fabrik in der sie die Lambswool-Kollektion vermarkten sowie unser stattlich angewachsenes Herrenhaus.

Ein Bar Vermögen, dass von unermesslichem Wert ist denn wir waren immer nur bescheidene Menschen und deshalb bin ich nicht informiert um wie viel Geld es sich momentan handelt.

Ich habe es für dich mein Kind - meine Tochter angespart, werde glücklich mit deinem Larry und sei deines Lebens froh und glücklich!

Dann legte sie ihren Kopf zurück in die Baumwoll-Spitze-Kissen, sah noch einmal mit ihren wunderschönen grünen Augen in die Kamera, lächelte ihr sanftmütigstes lächeln, formte die Lippen zum Kuss und schloss für immer die Augen.

Es erklang Musik aus einem Dudelsack,
dann wurde das Bild ganz langsam dunkel,
meine Mutter war für immer verschwunden!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 16.03.2011

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