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In Gedenken an meinen Freund
Michael


Du warst wie ein Bruder für mich
 DANKE 
dass ich dich kennenlernen durfte.


Eine wahre Geschichte
Herausgegeben am
8.03.2011

Alle Rechte bleiben bei Mitzi Mog!




Wir befinden uns im Jahr 1977, es ist Sommer und die Natur zeigt sich von seiner schönsten Seite. Der Himmel hat sich in ein Traumhaftes blau gehüllt, Sonne und Licht strahlen im Duett um die Wette. Vögel spielen miteinander und tanzen am Firmament den Walzer des Tages. Ich zarte 11 Jahre jung, das Leben spricht zum ersten Mal in klaren Worten mit mir, es war nicht Miss - zu verstehen!

Oma ist vor nicht langer Zeit verstorben, es hat mich hart getroffen.

Um diesen Umstand – Zustand? möglichst schnell wieder aus dem Kopf zu bekommen lassen meine Eltern die Zügel momentan sehr locker. Ich genieße Freiheiten, die ich sonst nicht in diesem Ausmaß habe, Freunde sollen mich auf andere Gedanken bringen.

Zeitnah erfahre ich ganz nebenbei, dass meine Mutter nicht meine Mutter ist, sondern eine andere mich auf die Welt gebracht hatte ein bisschen viel auf einmal finde ich und Zicke von einem Tag, auf den anderen, in meine Pubertät!

Mutter hat ab diesem Tag nicht viel zu lachen. Respekt und Liebe muss man sich verdienen, momentan haben sich beide Elternteile das verwirkt. Ob ich es irgendwann wieder spüre, dieses Gefühl von Vertrauen, Geborgenheit, Sicherheit und Liebe? Es steht in den Sternen, gerade jetzt können sie mich Mal!

Gehorchen kann ich diesen Menschen nicht, zuhören auch nicht, sie haben mich 11 Jahre belogen und betrogen, schreien ist an der Tagesordnung und Prügel gehören zum Leben. Hausarrest wird zu meinem 2. Vorname, am liebsten würde ich abhauen!

Gestern war alles gut, was heute auf der Haut brennt und die Seele zerreist. Sie denken ich müsste endlich erwachsen werden. Alle Wahrheiten meiner Vita kennen und lassen mich Unmengen an Scheidungsdokumenten lesen. Ich verstehe von der Schmutzwäsche, die da gewaschen wird, meist nur Bahnhof. Eines erkenne ich jedoch in jeder Zeile oder mit jedem Buchstaben, an meiner Gebährmutter lässt hier keiner eien guten Faden. Ich kenne diese Frau nicht, hab sie nie kennengelernt, eigentlich ist mir alles scheißegal, sie hat mich bis jetzt auch nicht vermisst. Was soll der ganze Scheiss? Meine sogenannten Eltern lenken nur von ihren eigenen Fehlern ab, suchen nach einem Schuldigen!

Ab jetzt gehören Strafen und diese Gedanken, zu meinem Leben wie das tägliche Brot. Egal was ich tue, es ist falsch. Die Noten in der Schule werden schlechter, manchmal geh ich gar nicht erst hin, kommt ja eh nur Mist dabei raus. Was soll`s? Ich fang an zu rauchen, probiere Drogen, komme permanent zu spät Zuhause an. Kreislauf macht sich breit, wieder Prügel, wieder Hausarrest. Ich werde dünner und dünner, die Noten schlechter und noch schlechter. Der Fall nach unter ist noch lange nicht ausgereitzt denn als ma noch lebte war ich in der Beliebtheitsscala ziemlich weit oben. Mein Vater sollte in der Schule antanzen, dieser Depp von einem Lehrer hat keinen Plan, was er damit anrichtet.

Blau ist der Brief, welchen ich dafür mit Nachhause bekomme. Meine Eltern sollen unterschreiben sagt der Lehrer, das ich dafür höchstens eine Woche Zeit bekomme hat er mir noch hinterher gerufen. Er läßt sich von mir Rotzlöffel nicht auf der Nase rumtanzen. Er will sehen, dass meine Eltern den Brief auch bekommen haben. Wenn sich innerhalb der nächsten sieben Tage keiner meldet, geht’s ab aufs Rektorat, er würde höchstpersönlich dafür sorgen, dass ich Luder von der Schule fliege. Wieder denk ich nur Scheisse Alter, du kannst mich mal. Aus Frust geh ich klauen, heut ist es ziemlich viel das Ich gebrauchen kann: Stiefel, Jeans, Ohrringe, Lederjacke, alle möglichen Utensilien zum Schminken. Schließlich wollen sie doch, dass ich erwachsen werde, dann muß ich auch so aussehen. Den ganzen Plunder, den sie mir so zum Anziehen zur Verfügung stellen, klar alles nur Spießerzeug das kotzt mich schon lange an. Darauf hab ich einfach keinen Bock mehr.

Als ich endlich Zuhause, im Türrahmen unserer Küche stehe, glotzen sie mich alle an. Wie siehst du denn aus, schreit mein Vater, steht mit rumpelndem Stuhl auf, puderrote Birne, Augen, die ihm aus dem Hirn hängen, 3 Schritte hat er gebraucht – wie immer, es sind immer irgendwie nur 3 Schritte, bis er bei mir ist, um mich zu vermöbeln. Ich laufe schon lange nicht mehr weg. Früher ja früher, da hab ich mich immer auf dem Klo eingesperrt, wenn er getobt hat, jetzt stelle ich mich ihm und denke: Schlag mich doch endlich Tod, du Bastard. Dann ist es vorbei, dann bin ich endlich bei meiner Oma, im Himmel, beim Herrn meinem Schöpfer. Oma hat mich gläubig erzogen, Beten am Abend war Ritual und das die Guten Seelen zum Horizont aufsteigen, alles im blauen Nichts verschwinden. Ich will auch ins blaue Nirvana abtauchen. Nichts kann schlimmer sein, als hier bei diesen falschen Arschlöchern auf der Welt bleiben zu müssen.

Er tut was er immer tut, wenn er sich nicht anders zu helfen weiß, er schlägt drauf ein - bis er nicht mehr kann. Ich krieche irgendwie auf mein Zimmer, es liegt einen Stock höher unterm Dach. Da hab ich wenigstens organisch meinen Frieden.

Wieder Mal brauch ich nichts zu essen, rauch lieber eine und trinke einen Schluck von dem Piccolo, den ich geklaut und versteckt habe, leg mich auf mein Bett und weine mich in den Schlaf. Morgen ist ein neuer Tag und alles wird besser werden, ich glaube noch immer daran, dass meine Omi alles sieht und mich, wenn sie Zeit dafür findet, zu sich holt zumindest aber mich an einen anderen Ort bringen wird.

Seit etwa einem Jahr darf ich in die Bastelstunde ins Jugendhaus. Eine Schulfreundin meiner „MUTTER?“ hat versprochen auf mich aufzupassen, sie ist die Leiterin der Gruppe, spürt das mit mir so einiges nicht stimmt. Viele neue Freunde hab ich da gefunden, natürlich keine kleinen Kinder, sie sind alle schon mindestens 4 bis 5 Jahre älter als ich. Basteln gehe ich logischerweise nicht, das ist Babykacke!

Meistens hocken alle in sogenannten Separeeräumen. Kannst es auch ein eigenes Zimmer Zimmer nennen. Es wird von der Gruppe selbst eingerichtet, jeder hat einen eigenen Schlüssel und nur „die Großen“ bekommen so ein Zimmer. Es wird bereits geknutscht, ich will auch knutschen, in den Arm genommen werden, suche Liebe. Seit Oma Tod ist, nimmt mich keiner mehr in den Arm, ich bin nur gut zum Helfen, Putzen, auf meine Brüder aufpassen, Wäsche aufhängen, abstauben und wehe dass ist bis halb fünf, wenn der Alte von der Arbeit kommt nicht fertig. Dann kann ich mich gleich wieder auf einen Satz heiße Ohren einstellen. Das ist noch das wenigste, womit ich dann zu rechnen habe. Hausaufgabe nicht geschafft – Hausarrest.

Also versuch ich immer alles zu schaffen, was sie mir auftragen. Wenn ich von der Schule komme, liegt meistens ein Zettel auf dem Küchentisch. Meine Mutter arbeitet seit Kurzem wieder, immer Spätschicht, wegen meiner Brüder. Der ganze Dreck vom Haushalt bleibt an mir hängen, sie macht nebenher auch noch Heimarbeit, weil ohne Moos nix Los und mein Vater bringt, nicht genug Heim für drei Kinder. Wird Zeit, dass ich hier wegkomme. Die ganzen Aufgaben, die ich zu verrichten hätte, schaffe ich bis halb fünf schon lange nicht mehr. Dauerkrach ist die Folge!

Um 20 Uhr muss ich immer Zuhause sein, der Bastelkurs geht so lang. Hehe, wenn die wüssten, dass ich es mit nicht mal ganz 12 schon in den Knutsch-Raum geschafft habe, die würden ausflippen. Jetzt erst recht, ich werde ihnen schon zeigen, wo der Hammer hängt! So leicht bekommen die mich nicht unter, DIE NICHT!

Natürlich haben die in der Clique keine Ahnung und kennen mein wahres Alter nicht. Ich lüge, was das Zeug hält, schminke mich auf Teufel komm raus und tue alles dafür, um mich als ein großes Mädchen darzustellen. Sie haben mich bereits voll akzeptiert, eigentlich will jeder der Typen, dass ich zu ihrem Girlfriend werde. Meine eigene Angst davor, was mich da alles erwartet würde, schreckt mich noch ab und so zögere und spiele ich mit den Kerlen was das Zeug hällt. Ich ziere mich, wo ich kann, aber dass macht die „geilen Böcke“ noch mehr an. Es wird von Tag zu Tag schwerer, sie mir vom Hals zu halten. Es ist erschreckend und faszinierend zu gleich, wenn die Erkenntnisse bei einem ankommen, das diese vertrottelten Lüstlinge einem kleinen Mädchen aus der Hand fressen.

Von Tag zu Tag spiele ich mit ihnen ein bisschen mehr, eigentlich hatte jeder von den ieben Kerlen eine feste Freundin und trotzdem waren sie scharf auf mich.

Alle, alle außer Michael, Michael Nordmenn, er ist Single, sagt er will das alles nicht. Ich mutmaße, dass er vielleicht schwul ist. Er ist sehr zurückhaltend wie ein Gentleman so zu sagen, er guckt nur. Späht aus den Augenwinkeln und starrt den anderen auf die Hände, wenn sie ihre Finger irgendwie, irgendwo rein schieben und fummeln. Auch wenn ich mich zu dem einen oder anderen sehr hin gezogen fühle und mich mal ein bisschen begrabschen lasse, schiele ich spitzbübisch u ihm hinüber. Vielleicht ist er ja ein Spanner oder ein Voyeur? Keine Ahnung!

Er fährt jedenfalls schon ein Motorrad, alle anderen sind noch keine 18, haben nur „Krafti`s“. Die Teile sind alle frisiert und fahren trotzdem ziemlich schnell. Wir fahren sehr oft an den Baggersee, weil es so verdammt heiß ist in diesen Sommer. Mein T-Shirt behalte ich immer an, hab ihnen was von Sonnenallergie erzählt. Permanent stoße ich an meine Altersgrenze, weil ich noch immer keine „Möpse“ habe, muss ich sehen, wie ich mich aus dieser Lage rauslüsgen kann. Irgendwie auch Scheiße, meine Freundinnen sind alle viel dicker, haben schon welche. Deshalb will ich auch nur knutschen, nicht fummeln!

Ich fahr immer mit Michael, weil er ja keinen Sozius hat. Wir sind immer Erster, brausen mit wehendem Haar, und ganz eng an ihn gekuschelt durch meine „heile Welt“. Wenn ich mit ihm und nur mit ihm, dem Wind im Haar so fahre, wünsche ich mir die Fahrt würde nie zu Ende gehen und der Sprit könnte automatisch nachgefüllt werden. Er ist mir so nah und warm, ich rieche seine Haut und auch das lange Haar, sein Pferdeschwanz kitzelt mir an der Nase, alles fühlt sich an wie Liebe. Die Liebe, die meine Oma in meinem Herzen ausfüllte, jetzt ist sie weg, sie hat mich alleine hier zurückgelassen.

Michael dufte mich immer nach Hause bringen, weil meine Mutter, seine Mutter kennt. Hauptsache pünktlich! Mein Vater hat mir sogar eine echte Motorrad Lederjacke und einen Helm gekauft, dass nichts passiert. Aber wehe hat er gesagt: „Trau dich, dass ich dich ohne erwische, ich dreh dir den Kragen um, so schnell kannst du nicht gucken“, und wenn er das sagt, dann kann man sich darauf verlassen. Drei Schritte, ihr erinnert euch – er ist immer nur drei Schritte entfernt!

Ich durfte natürlich nicht jeden Tag ins Jugendhaus, aber mittlerer Weile war ich ja immer pünktlich, durfte ich bis zu vier Mal die Woche. Also genug Zeit zum Blödsinn treiben. An diesem bestimmten Tag im August allerdings, hatte ich keinen Ausgang, Michael weiß das eigentlich auch und trotzdem stand er vor der Tür, hat er sich im Tag vertan? Ich hab das Motorrad gehört, der Sound ist unverkennbar, es klingelte, ich öffnete, fragte was geht Erklärte, dass ich nicht darf, mein Vater kam an die Tür, sagte ihm, dass er spinnt und ob er auf die Uhr gesehen habe, es sei doch schon viel zu spät. Michael griff sich an den Kopf, sah mich sehr verwirrt an und ich dachte mir irgendwie stimmt, doch was nicht mit ihm, dann war, er weg.

Es war das letzte Mal, dass ich meinen Freund, Bruder – lebendig gesehen habe!

Er hatte genau fünf Minuten später mit dem Motorrad einen Unfall. 1977 gab es noch keine Helm-Pflicht und es galt als ziemlich „uncool“ einen zu haben, ihn bei 30° im Schatten auch noch zu tragen - war Selbstmord, denn da drunter verreckt man ja - so das Gerede über die Diskussion der Helmpflicht.

Ironie des Schicksals.

Wir hatten so viele unzählige gute Gespräche, immer dann, wenn wir auf die anderen warten mussten, am See. Er hat mir immer gesagt: dass ich was ganz Besonderes bin und ich mich nicht an den erst Besten hergeben darf. Ich soll mich aufheben, hat er gesagt.

Ich dachte mir immer, Michael – warum kannst du nicht mein „großer Bruder“ sein? Der Bruder, den ich mir immer gewünscht habe. Ein großer Bruder, würde es nicht zulassen, nicht zusehen, wie ich geprügelt werde. Ein großer Bruder, hätte es zu verhindern gewusst, wenn ich mit Worten - in den Boden gestampft werde.

Ein „großer Bruder“, ja davon habe ich immer geträumt!

Unsere Mütter besprachen sich täglich am Telefon. Daher war ich immer auf dem neuesten Stand, Michael blieb drei Tage im Koma, es gab am Todestag einen kleinen Hoffnungsschimmer. Er sei zwar zwischen Leben & Tod, so seine Mutter, und dass sie Tag und Nacht bei ihm in der Klinik anwesend sei, er habe einen sehr positiven Fortschritt gemacht, die Ärzte schraubten die Prognosen nach oben, er würde Leben, sie könnten zwar noch nicht sagen was seine Verletzungen für Schäden hinterlassen würden, aber er würde LEBEN!

Ich war so „HÄPPY“, auf dem schnellsten Weg rannte ich ins Jugendhaus, um Bericht zu erstatten. Wir alle waren „Häppy“, leider hatte ich an diesem Tag keinen Ausgang und musste jetzt so schnell wie möglich wieder zurück – wegen dem Ärger den ich sonst bekommen würde.

Als ich ankam, saß meine Mutter in der Küche am Fenster, Rücken zur Tür, ich hörte sie wimmern und die Nase schnäuzen, fragte: „was Los?“ In Zeitlupe drehte sie sich um, sah mir tief in die Augen und sagte: „18 Jahre haben sie ihn gehabt – 18 Jahre aufgezogen und Freude erlebt – er war ein so guter Junge – hat nie etwas angestellt – jetzt ist er TOD“!

Lange Zeit habe ich geglaubt, ich dürfte niemanden mehr Lieben und schon gar nicht, wenn es ein „so guter Mensch“ ist, wie meine Oma oder Michael. Dann nimmt „Gott“, mir diesen Menschen wieder weg!

Kein Anrecht auf Liebe, mein Zustand befand sich:

In der Schwebe…………
ich wurde davon Krank..................................
stand oft......................................................
zwischen Leben & Tod!


Impressum

Texte: Mitzi Mog
Bildmaterialien: Mitzi Mog
Tag der Veröffentlichung: 12.04.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
In Gedenken, an meinen Freund Michael du warst wie ein großer Bruder für mich DANKE dass ich dich kennen lernen durfte

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