Ich sitze in meinem Büro und schaue wie so oft in letzter Zeit auf die Akte des anstehenden Falls.
Keine Spur auf den Täter, keine neuen Erkenntnisse, keine Fortschritte. Die einzige Verbindung die vom Opfer besteht bin ich. Und das Feuer in mit brodelt.
Diesen Fall werde ich lösen und dem Mörder seine Strafe aufdrücken, die die er verdient hat.
Aber heute nicht mehr, es ist bereits drei Uhr Nachts und heute werde ich keinen Schritt weiter kommen. Also fahre ich nach Hause.
Ich schließe die Tür auf und betrete meine Wohnung. Auf dem Küchentisch finde ich einen Brief, den ich dort heute Morgen nicht hingelegt hatte und auch noch nie gesehen habe.
„Komisch.“ stelle ich fest.
Mein Freund ist die Tage nicht da, da er zur Fortbildung ins Ausland gefahren ist, daher kann auch er den Brief nicht hineingeholt haben.
Ich setze mich an den Tisch und nehme den Brief in die Hand. Meine Hände zittern und meine Atmung wird schneller. Die Schrift kenne ich und dies ängstigt mich, und nicht nur das er mir schreibt, auch das er in meiner Wohnung war.
Hallo Amber,
ich denke du weißt wer ich bin Es freut mich, dass du den Brief gefunden hast und ihn liest. Ich dachte mir ich lege ihn dir direkt auf den Tisch und koche dir noch ein Essen, bis du von der Arbeit kommst.
Ich bin geschockt, mein Verdacht war richtig. Hastig sehe ich mich um und entdecke auf dem Herd einen Topf.
„Oh, nein.“ stöhne ich und stehe auf.
Feuer. Es beginnt zu brodeln und steigert den Hass auf dem Mörder meiner Schwester.
Wütend öffne ich langsam den Topf und vor Schreck werfe ich den Deckel zu Boden. In dem Topf liegt in Blutgetränkt eine tote Katze. Ich beginne zu schreien und zu zittern und gehe einige Schritte zurück. Der Geruch des toten Tieres verbreitet sich im Raum. Mutig greife ich den Topf und werfe ihn aus dem Fenster in den Garten. Übelkeit.
Aber der Brief ist noch nicht zu Ende.
Ich hoffe du magst es.
Vermutlich kommt ihr in eurem Fall nicht weiter, da ich natürlich gut aufgepasst habe, aber ich will dir die Chance geben dich mit mir zu messen.
Donnerstag um vier Uhr morgens im Park.
Dein guter Freund
Ich schaue auf den Kalender und stelle fest das heute schon Mittwoch ist und morgen Nacht mein „Date“ sein soll.
Wie soll ich damit umgehen? Soll ich meinen Kollegen bescheid sagen oder die Sache allein klären?
Ich entscheide mich, dies nach meinem Schlaf zu klären, hole mir eine Flasche Schnaps und gehe ins Schlafzimmer.
Im Spiegel betrachte ich mich und denke über mich und das bevorstehende Problem nach. Mein langes schwarzes Haar gleitet über meine Schulter und bringt meine lange Narbe am Hals zum Vorschein. So ist der Job bei der Polizei, gefährlich, spannend, grausam.
Die Flasche leert sich schnell und ich schlafe ein.
In der Nacht quält mich der aktuelle Fall. Ein Traum bringt die Erinnerungen wieder zum Vorschein. Es war meine Schwester.
Ich sehe den Mord vor meinem geistigen Auge als wenn ich dabei gewesen wäre. Alles so wie es abgelaufen ist. Dieses kranke Schwein!
Er klingelt an ihrer Tür, sie öffnet, er stürzt herein und packt sie. Sie kann nicht mal schreien, weil alles so schnell geht. Er hat seine erste Hürde geschafft, sie schweigt und er ist unbeobachtet in die Wohnung gekommen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Das macht ihn an, er wird aufgeregter und kann das folgende kaum abwarten. Trotzdem wird er nicht unvorsichtig, er hat alles geplant, jeden weiteren Schritt. Meine Schwester bedroht er mit einem Messer, das Messer seiner Macht. Damit hat er alles unter Kontrolle. Sofie beginnt zu weinen, Tränen laufen über ihre Wangen. Sie hat Angst, nun erst wird ihr bewusst, dass es kein Spiel ist, alles ist real und todernst. Er zwingt sie sich aufzuziehen, komplett, sie gehorcht unter der Angst. Er fasst sie, legt sie aufs Bett, knebelt und fesselt sie. Splitterfasernackt liegt sie nun dort, weint lautlos und man kann die Angst in ihren Augen lesen, Todesangst.
Er hat alles gefilmt, daher weiß ich genau wie es abgelaufen ist. Der Film brennt sich in mein Gehirn. Er schaut in die Kamera, vermummt, trotzdem kann man die Freude und Aufregung in seinen Augen lesen.
Ein breites Grinsen.
Er beginnt mit seinem Messer, beugt sich über Sofie, scheidet oberflächlich über ihre Haut. Blut tritt aus. Sie zappelt und versucht sich zu wehren. Hoffnungslos.
Er macht weiter, Schnitt für Schnitt. Er vergewaltigt sie wieder und wieder. Sie weint bitterlich und wehrt sich mit allen Mitteln gegen die Fesseln. Angst und Schmerzerfüllt. Er macht weiter, hört nicht auf. Es gefällt ihm, wie lange hatte er auf diesen Tag gewartet oder ihn geplant?
Einige Zeit vergeht in der er nur seinem Trieb nachgeht. Schnitt für Schnitt und Orgasmus für Orgasmus.
Sofie hört auf zu atmen, zuviel Blut hat er ihr genommen. Sie ist qualvoll verblutet und er wollte es so, genauso war es geplant.
Ich schrecke aus meinem Traum auf und schreie. Tränen fließen. Meine Schwester. Meine Antwort ist gefunden. Das ist allein ein Konflikt zwischen ihm und mir. Ich werde ihm seine Strafe erteilen.
Es ist Nachmittag. Ich habe zu lang geschlafen und leichter Kater macht sich bemerkbar. Ich rufe im Büro an und melde mich krank. Heute Abend ist meine Zeit gekommen, die Zeit der Rache.
Es würde gefährlich werden, bestimmt, nur ich bin gerüstet. Meine Waffe ist geladen und die Schusssichere Weste sitzt. Eine Pistole würde er bestimmt nicht benutzen, sicherlich wieder sein Messer, aber man konnte ja nie wissen.
Es ist spät geworden, Nacht. Gut vorbereitet kleide ich mich dunkel und verlasse früh genug das Haus. Nervosität, Angst. So ist er der Job. Oft stellt sich die Frage ob die Entscheidung richtig war allein zu gehen. Und immer wieder die Antwort, Ja. Meine Rache, seine gerechte Strafe.
Ich rufe ein Taxi und schon nach wenigen Minuten gleite ich über das schäbige Polster.
„Wohin darf ich die Dame so spät noch bringen?“ fragt der Taxifahrer und schaut nach hinten zu mir.
„Zum Westpark.“ antworte ich kalt. Die gesamte Fahrt versucht mir der Fahrer zu erklären, wie gefährlich es doch dort um die Uhrzeit sei und warum ich ihn so drängen würde.
Angekommen zünde ich mir eine Zigarette an und warte nervös.
Wie sieht er wohl aus? Durch meinen Job habe ich gelernt, dass ein Mörder viele Gesichter hat, wie ein Postbote, wie dein Nachbar oder wie ein Familienvater.
Hinter jedem kann ein Monster stecken.
Ich bin aufmerksam und lausche jedem Geräusch und jeder Stimme.
Stille. Ich werfe meine Zigarette zu Boden und schon greift mich etwas und zieht mich zurück. Eine Sekunde unaufmerksam.
Ich kann nicht schreien, da alles so schnell geht und ich merke nur wie ich hart auf den Rücken falle. Ich schnappe nach Luft, welche in den letzten Momenten Mangelware war und versuche mich aufzuraffen.
Ohne Erfolg. Das nächste was ich verspüre ist ein greller Schmerz am Hinterkopf dann wir alles Schwarz.
Als ich meine Augen wieder öffne sitze ich bereits gefesselt an einem Baum und verspüre nur noch Schmerz.
Nun sehe ich ihm das erste Mal in die Augen, dem Mörder meiner Schwester.
Ein scheinbar ganz normaler Mann mittleren Alters.
„Na endlich, ich dachte schon du wachst gar nicht mehr auf.“ stöhnt er in der Dunkelheit.
Erst als der kalte Wind bläst, stelle ich fest, dass ich fast nackt bin und der Knebel und die Fesseln sehr eng sitzen. Keine Chance. Keine Menschenseele.
Er zieht sein Messer und ein breites Grinsen huscht über seine Lippen.
Ich spüre die kalte Klinge auf meiner Haut und bekomme Gänsehaut. Jetzt erst wird mir bewusst, dass alles ein Fehler war, ich war sein nächstes Opfer und er würde mich quälen und töten wie meine Schwester. Angst steigt in mir auf, panische Angst, solche die ich in Sofies Augen lesen konnte.
Schnitt für Schnitt arbeitet er sich durch meine Haut. Schmerz erfüllt meinen Körper und durchzuckt scheinbar jede meiner Fasern. Ich versuche gegen die Fesseln zu kämpfen, scheuere meine Haut auf und versuche zu schreien, alles erfolglos.
Lange ringe ich mit den Fesseln, beobachte die Umgebung, suche nach Hilfe. Ich entdecke meine Tasche direkt neben mir auf dem Boden liegen. Vielleicht hatte er sie nicht durchsucht. Sie ist meine einzige Chance.
Zu viele Schmerzen durchströmen meinen Körper, so dass ich den Druck an den Händen kaum verspüre. Mein heißes Blut fließt über meine kalte Haut und er macht einfach weiter, Schnitt für Schnitt. Ihm scheint aufgefallen zu sein, dass ich immer noch versuche zu flüchten.
Eine Pistole leuchtet aus seinem Gürtel und lässt mich erschaudern.
Meine Bewegungen werden langsam und unkoordiniert, immer wieder verliere ich das Bewusstsein und stelle immer aufs Neue wieder fest, dass meine Chance aussichtslos ist.
Es kommt mir vor wie Stunden die vergehen. Wie durch ein Wunder löst sich eine meiner Fesseln, Hoffnung. Das Blut läuft über meine Hand und tropft lautlos zu Boden.
Er öffnet gerade seinen Hosenknopf um zu „Teil zwei“ zu kommen, bemerk aber meinen Griff zur Tasche. Ich greife etwas Kühles, Festes und ziehe es aus der Tasche.
Ein Schuss fällt. Noch ein Schuss und wieder wird es schwarz vor meinen Augen.
Tag der Veröffentlichung: 14.03.2011
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