Die Schatulle war mehr als einfach eine Kneipe. Die Schatulle war viel eher eine Höhle, ein Fluchtpunkt, ein Ort, der seit 20 Jahren immer neuen Generationen zum Verkriechen vor der Realität und ihren Problemen diente. Ihr Programm war seit 20 Jahren so einfach wie wirkungsvoll und kam nie aus der Mode: Es bestand aus billigem Bier, verbunden mit einem vielfältigen, besucherfreundlichen Musikprogramm. Genauer gesagt spielte man dort so ziemlich alles, was gewünscht wurde und was eine einsame, problembehaftete Kundschaft brauchte, um sich bei ihrem Bier noch einsamer und schlechter zu fühlen.
Janis Joplin und Marianne Rosenberg, Alexandra und Jimi Hendrix, Abba, Johnny Cash oder Madonna gaben sich dort vertraulich die Klinke in die Hand und orientierten sich am meist geknickten Gemütszustand der Besucher mit ihren individuellen Bedürfnissen.
Da auch geknickte Gemüter nicht aus der Mode kamen, war die Kneipe an sommerlichen Samstagabenden gelegentlich so vollgestopft, dass die Leute mit ihrem Bier in der Hand vor die Tür ausweichen mussten. Heute jedoch war ein Mittwoch im Oktober – und wer heute fröstelnd in der Herbstluft herumstand, der war bemüht, seinen Nikotinpegel in möglichst kurzer Zeit auf möglichst hohes Niveau anzuheben und dem verdammten Rauchverbot auf diese Weise den Mittelfinger zu zeigen – und das nach Möglichkeit, ohne sich einen Schnupfen zu holen. Das Mittwochspublikum rauchte schweigend und verbissen. Mit gesenktem Blick, als erfülle es eine Pflicht, stand es an der Straße und betrachtete ernsthaft die vorbeirauschenden Autos. Kundschaft der Schatulle wartete nicht auf besondere Vorkommnisse. Sie hatte den Gedanken längst abgelegt, dass sich etwas ändern könnte.
Auch als plötzlich ein greller Blitz über der Straße aufzuckte, hoben die meisten höchstens kurz den Kopf. Es gab einen lauten Knall und ein Geruch, der seltsamerweise an Blaubeermuffins erinnerte, stieg den Umstehenden in die Nase. In eine Wolke aus blaugrauem Qualm gehüllt schwebte eine Harley, die sich bei näherem Hinsehen als außerordentlich verbeulte Harley erwies, durch die Luft heran. Gleichzeitig lief plötzlich irgendwo „Warriors of the World“ von Manowar. Die Harley schwebte näher heran, während noch immer irgendwo irgendjemand Manowar hörte und landete schließlich holpernd und scheppernd auf dem Bürgersteig vor der Kneipe. Eine kleine Gestalt in schwarzem Umhang plumpste fluchend aus dem Sattel und zerrte sich einen schwarzen Helm vom Kopf, der links und rechts von vergoldeten Engelsflügeln geziert wurde.
Das kleine Grüppchen, das rauchend vor der Tür der Schatulle stand, traute seinen Augen nicht. Doch da die meisten der Rauchenden durchaus guten Grund hatte, ihren Augen nicht zu trauen, wagten sie es nicht, die anderen auf die merkwürdige Erscheinung hinzuweisen oder sich zu erkundigen, ob die anderen womöglich dasselbe gesehen hätten. Denn im schlimmsten Falle wären sie zum Spott aller anderen die einzigen mit merkwürdigen Halluzinationen gewesen. Dies hätte womöglich spitze Bemerkungen über ihren langjährigen Alkoholkonsum hervorgerufen, vor denen sich die meisten Stammkunden der Schatulle insgeheim fürchteten. Daher beschloss jeder nach einem Augenblick der Irritation rasch für sich, dass er das, was er da eben gesehen hatte, gar nicht gesehen haben konnte. Und weil er es nicht gesehen hatte, vergaß oder verdrängte er so schnell es ging den Gedanken an Blitz, Qualm, fliegende Motorräder und Manowar mit Blaubeermuffin-Duft. Das einzige was am Ende also in Erinnerung blieb, war der Anblick einer unglaublich hässlichen Frau, mancher meinte sogar der hässlichsten Frau, die er je gesehen hatte, die schimpfend von einer verbeulten Harley stieg. Das munter fluchende Geschöpf war etwa 1,40 m groß und ungefähr ebenso breit. Während sein Kinn schreckhaft zurückwich und beinahe mit dem kurzen Hals verschmolzen schien, drängte sich eine gewaltige Nase, geziert von einer roten Warze, umso kühner ins Gesamtbild. Die merkwürdig hellen Augen sahen groß und neugierig aus, aber quollen um einiges zu weit aus den Augenhöhlen, was der Figur ein krötenhaftes Aussehen gab. Gekrönt wurde das groteske Gesamtbild von einer Frisur, die selbst in der traditionsreichen Schatulle in heutiger Zeit als modische Verirrung der 80er Jahre galt. Die zeternde Zwergenfrau trug eine zu enge Hose, die ausgezeichnet ihr ausladendes Hinterteil betonte, und ein T-Shirt einer dieser neumodischen Metalbands mit melodischem Frauengesang zu einer Lederweste. Aus einer Westentasche zog sie eine Art altmodischen, silbernen Wecker, starrte finster auf das Zifferblatt und schob sich dann zielstrebig auf die Eingangstür der Schatulle zu.
Sylvi fluchte, als sie die Harley erst im dritten Anlauf vor der Kneipe zu einer unsanften Landung bewegen konnte. Wie immer würde auch heute Abend nichts so laufen, wie es sollte, das wusste sie schon jetzt. Doch irgendwie schien es zu ihrem Job als Fee einfach dazu zu gehören, dass nie etwas einfach nur perfekt sein konnte. Perfektion, das war etwas, was nur den Vorzeigefeen vergönnt war, die einsame Helden in romantischen Wäldern für ihre Mühen reich belohnten. Sylvi hingegen wäre schon zufrieden gewesen, wenn sie es nur einmal geschafft hätte, mit einem hübschen Lied von Nightwish vom Himmel zu schweben. Denn Nightwish, das war für sie echte Feenmusik, wie sie zu einem starken Auftritt dazu gehörte. Leider schaffte es das magische Feen-Jingle jedes Mal aufs Neue, sich während des Flugs zu deaktivieren. Und egal welches Lied sie vorher mit einem Zauberspruch einprogrammiert hatte, am Ende kam zu ihrem großen Ärger immer „Warriors of the World“ von Manowar dabei heraus, was ihr den feenhaften Auftritt gründlich versaute. Sie vermutete insgeheim, dass es irgendwas mit der Harley zu tun haben könnte, die sie seit einigen Jahren benutzte. Damals hatte sie per Antrag beim Feenrat durchgesetzt, ein Motorrad als Transportmittel zu benutzen und auf die üblichen Feenflügel ab sofort verzichten zu dürfen. Sylvi war sich sehr wohl darüber im Klaren, dass silbrige Flügel bei ihrer Figur eher an eine Hummel als an eine Fee denken ließen und hatte den dringenden Wunsch verspürt, sich schlechte Witze dieser Art zukünftig zu ersparen. Außerdem war sie der Meinung, dass die Harley alles in allem wesentlich besser zu ihrem Image als „Fee der vergessenen Wünsche“ passte. Schließlich war sie keine jener Feen, deren Aufgabe darin bestand, die ambitionierten Wünsche gutaussehender Buben in Not und tugendhafter, gut gebauter Mägde mit Hollywoodlächeln zu erfüllen. Sylvi hatte eine ältere Schwester namens Lunabelle, die aussah wie eine Bilderbuchfee aus dem Märchen. Mit ihrem langen blonden Haar, ihrer Traumfigur und ihrem gewinnenden Lächeln schien sie allen von Anfang an dazu berufen, die ganz großen Wünsche zu erfüllen, wie man sie sonst nur von den Kinoleinwänden kannte. Und als Sylvi heranwuchs, war es bald ebenso klar, dass sie bei diesen großen Ambitionen niemals würde mithalten können. In ihren jungen Jahren hatte Sylvi sehr darunter gelitten, das hässliche Entlein in einer traditionsreichen Familie wunderschöner Zauberfeen zu sein. Denn so sehr sich ihre Eltern auch bemühten, sie und Lunabelle gleich zu behandeln und beiden dieselben Chancen zu bieten, bekam sie doch recht früh die boshafte Ablehnung und den Spott ihres feenhaften Umfelds zu spüren, in dem vollkommene Schönheit und Perfektion mit Begabung und Zukunftsperspektive gleichgesetzt wurden. Glücklicherweise war Sylvi ein heiteres Gemüt, das sich nicht so leicht unterkriegen ließ. Sie bewahrte bei allem Übel eine gesunde Portion Humor, lernte über sich selbst und ihr Aussehen ebenso zu lachen wie über die albernen Eitelkeiten ihrer schönen, feenhaften Umgebung und entwickelte sehr früh eine Ahnung ihrer eigenen Nützlichkeit. Es war ihr klar: Niemals würde sie mit Feen wie Lunabelle in Konkurrenz treten können. Doch womöglich würde auch sie als Fee Erfolg haben können – wenn sie nur eine Nische fand, in der Schönheit und Vollkommenheit keine Rolle spielten. Und diese fand die schließlich auch. Während die anderen Feen sich schon im Kindergarten nur für langweilige, verwunschene Prinzessinnen und die typischen Heldengestalten interessierten, deren Schicksal von Anfang an daz bestimmt schien, am Ende mit einer Hochzeit im Traumschloss zu enden, entwickelte Sylvi einen Sinn für Benachteiligung und Ungerechtigkeit. Sie stellte fest, dass es Menschen gab, denen es schlecht ging und denen trotzdem nie eine Fee erschienen war, Menschen die nie ein Schloss besitzen oder eine Prinzessin heiraten würden. Was sich ihre schönen Feenkolleginnen nicht hingegen nicht im geringsten vorstellen konnten: Viele dieser Menschen waren sogar froh, wenn sie einfach nur ein Dach über dem Kopf hatten. Und sie sah, dass auch diese Menschen Wünsche hatten. Viel bescheidenere Wünsche, die im Prinzip einfacher zu erfüllen waren und trotzdem nie erfüllt wurden. Kleine, unscheinbare, vergessene Wünsche von Menschen, die von ihrem Schicksal auf irgendeine Weise vergessen worden waren. Nach und nach entwickelte Sylvi eine immer größere Vorliebe für all diese Menschen. Sie beobachtete sie über Jahre aufmerksam, studierte ihre Schicksale und ihre Lebensweise und kam zum dem Schluss, dass hier eine Aufgabe für sie liegen könnte. Als sie die Feenschule beendet hatte, flogen ihre hübschen Mitschülerinnen mit schimmernden Flügeln in die Welt hinaus. Die einen, um als gute Feen wenigen auserwählten Glückspilzen einen vollkommenen Wunsch zu gewähren, die anderen, um als boshafte Feenschönheiten die Erfüllung dieser Wünsche ein wenig zu hintertreiben und die Prinzen und Prinzessinnen bis zu ihrer Erlösung in Tiere oder Bäume zu verwünschen. Sylvi hingegen entschloss sich, die Fee der vergessenen Wünsche zu werden. Sie wollte es auf sich nehmen, dorthin zu gehen, wo andere Feen niemals freiwillig einen Fuß hinsetzen würden und den weniger Glücklichen dieser Welt ihre kleinen, bescheidenen, unvollkommenen und vergessenen Wünsche zu erfüllen. So machte sie sich an die Arbeit.
Sehr schnell merkte sie, dass es in ihrem neuen Job ein echter Vorteil war, nicht hübsch zu sein. Denn im Gegensatz zu Lunabelle und anderen Feen war es ihr beispielsweise möglich, völlig unbehelligt einen Striptease-Club zu betreten und dort einen Auftrag zu erledigen, ohne dass man ihr jemals Geld dafür anbot, ihre Kleider abzulegen.
Außerdem lernte sie eindeutig mehr über Menschen, als die Kolleginnen, die dem schönen Schein dienten. So merkte sie bald, dass Menschen sich oftmals sehr törichte Dinge wünschten – nicht aber das, was ihnen wirklich geholfen hätte. Manchmal musste man nicht einmal zaubern können, sondern den Leuten einfach nur zeigen, was direkt vor ihrer Nase lag. Sylvi konnte weder unermesslichen Reichtum, noch Schlösser oder Traumprinzen herbeizaubern. Auch konnte sie keine Prinzen in Frösche verwandeln oder hochnäsige Prinzessinnen in traurige Nachteulen. Sie konnte nur kleine, vergessene Wünsche erfüllen. So machte sie es sich stattdessen zur Aufgabe, ihrer Kundschaft zusätzlich gratis für Seelsorge und Wunschberatung zur Verfügung zu stehen.
Das machte ihren Job wesentlich anstrengender und zeitintensiver. Dafür stellte Sylvi sicher, dass jemand der seit fünf Jahren ohne Arbeit war, seinen kostbaren Wunsch nicht einfach für einen neuen Fernseher zum Fenster hinauswarf. Oder überzeugte rotgesichtige Zechbrüder in mühevollen Nächten davon, dass sie mit der schönsten Frau der Welt gar nichts anfangen könnten – selbst wenn Sylvi ihnen diese hätte verschaffen können. Die Sache mit der Wunschberatung hatte allerdings auch einen praktischen Hintergrund. Denn wie sich mit der Zeit herausstellte, war es nicht nur Sylvis Äußeres, das nicht vollkommen war. Auch die Wünsche, die sie erfüllte, schienen bei genauerer Betrachtung immer ein wenig „verbeult“ - genau wie sie selbst oder ihre Harley. Tatsächlich hatten viele Dinge, auf die sie Einfluss nahm, an einer Stelle einen Haken. Damit passten die Wünsche zwar irgendwie zu den Leuten, denen sie erfüllt wurden – doch Sylvi wusste genau, dass diese selbst das etwas anders sahen und dass man ihnen diese Dynamik deshalb nicht zufriedenstellend erklären konnte.
So hatte sich einmal einer ihrer Wunschkandidaten einen treuen Freund gewünscht, der nie von seiner Seite weichen würde. Daraufhin hatte er am nächsten Tag den Comicsammler aus der Wohnung gegenüber kennengelernt, der sonst für gewöhnlich nur mit seinem Computer redete. Nun aber fraß er einen echten Narren an Sylvis Kandidaten. Fortan kam er jeden Tag zu Besuch, redete stundenlang über Spiderman und plünderte dabei den Kühlschrank des Kandidaten. Dieser hatte versucht sich bei ihr zu beschweren, weil er sich seinen treuen Freund etwas anders vorgestellt hatte. Doch Sylvi spürte instinktiv, dass der Wunsch so eigentlich ganz ordentlich erfüllt war. Manche Wünsche erfüllten sich eben anders, als man selbst sich das vorgestellt hätte. Manchmal wusste das Schicksal besser, was für die Leute gut war, als sie selbst. Nunja, immerhin würde der Comicsammler nicht versuchen, ihm seine Freundin auszuspannen. Zumindest würde er es nicht schaffen.
Eine andere Sache war es, wenn Sylvi gebeten wurde, schwere Krankheiten zu heilen. Leider wusste man gerade dabei nie genau, was am Ende herauskam. Ja, die eigentliche Krankheit war in der Tat meist verschwunden. Doch leider konnte es passieren, dass dabei Nebenwirkungen auftraten, die den Patienten auf lange Sicht unangenehmer werden konnten, als die eigentliche Krankheit. Eines der harmloseren Beispiele war ein Mann aus Großbritannien, den Sylvi von seinem chronischen Nierenleiden geheilt hatte. Unglücklicherweise hatte er daraufhin so unerträgliche Schweißfüße entwickelt, dass seine britische Ehefrau ihn seither zwang, in einem anderen Zimmer zu schlafen, was die Ehe mittlerweile akut gefährdete. Über einige andere Vorfälle pflegte Sylvi noch heute beschämt zu schweigen. Daher war sie nach einiger Zeit dazu übergegangen, nur noch bei akuter Lebensgefahr einzuschreiten. Wartete jemand hingegen auf eine Niere oder Leber, der aussah, als ob er noch einige Wochen durchhalten könnte, so riet sie inzwischen allgemein dazu, lieber die Organspende abzuwarten. Meist war es für sie und den Patienten besser, wenn sie versuchte, seine Situation solange auf andere Art und Weise angenehmer zu gestalten.
Doch von alledem hatte sich Sylvi, die seit jeher hart im Nehmen war, nicht unterkriegen lassen. Auch wenn ihre Feenkünste nach wie vor sprichwörtlich zu wünschen übrig ließen, so hatte ihre Menschenkenntnis in den letzten Jahren doch beachtlich zugenommen. Was sie nicht herbeizaubern konnte, das machte sie durch Geduld und doppelten Einsatz wett. Und alles in allem hatte sie ihre wahre Berufung gefunden und liebte ihren Job - egal was sie gelegentlich darüber sagen mochte.
Auch heute verfluchte sie sich zunächst einen Moment lang dafür, dass sie nicht einfach Traumschlösser in die Gegend stellen und verschwinden konnte, egal ob der Begünstigte damit nun glücklich würde oder nicht. So hielten es jedenfalls ihre hübscheren und weniger gewissenhaften Kolleginnen. Sylvi hatte dies nie für eine sinnvolle Art der Wunscherfüllung erachtet. Doch auch heute würde das für sie mal wieder heißen, eine langwierige Nachtschicht in dieser Kneipe zuzubringen, ehe ihre schwierige Kundschaft zu ihrem bescheidenen Glück gefunden hätte. Sie seufzte, als sie sah, dass für heute Abend sogar zwei Kandidaten auf ihrer Wunschliste standen. Normalerweise legte sie ihre Termine nie so dicht – auch das Glück brauchte seine Zeit. Denn Sylvi war kein Typ für Quickies. Die Leute sollten sich bei ihr Zeit lassen und sich gut überlegen, was sie sich wünschten. Schon alleine deshalb, weil man bei ihr nicht immer exakt das bekam, was man sich ursprünglich erhofft hatte. Vermutlich würde sie es gleich vergessen können, heute einmal vor dem Morgengrauen ins Bett zu kommen. Doch egal wie sehr Sylvi oftmals fluchte – im Grunde konnte sie es sich gar nicht mehr anders vorstellen.
Energisch stapfte sie auf die Eingangstür der Schatulle zu und drückte die Klinke. Aus den Boxen schallte ihr „Knowing me, knowing you“ von Abba entgegen. An der Theke saßen einige verlorene Gestalten mit traurigen Gesichtern vor ihrem Bier. Ein typischer Mittwochabend eben. Sylvi zog das magische Navi aus der Tasche, das aussah wie einer dieser altmodischen Wecker aus alten Filmen. Das Zifferblatt zeigte eine Art Kompassnadel, die unruhig hin und her schwang. Gespannt wartete Sylvi, bis der Zeiger sich auf eine Richtung festgelegt hatte. Am Tresen saß ein schmaler Typ Anfang 40, mit Brille und modischem Kurzhaarschnitt, auf den die Kompassnadel zeigte. Axel Flieder, 43 Jahre, machte irgendwas mit Computern. Einen konkreten Wunsch zeigte das Navi nicht an, nur etwas von Beziehungsproblemen. Etwas verwirrt ging Sylvi auf den Typen zu. Er sah nicht aus wie ihre typische Klientel, aber das musste nichts heißen. Sie würde schon herausfinden, ob er ihr Wunschkandidat war oder nicht.
„Hallo Axel!“ rief sie fröhlich und versuchte dabei ächzend auf den Barhocker neben dem Typen zu kommen und Augenkontakt herzustellen.
„Ich gratulier' dir auch ganz herzlich zu deinem Geburtstag mein Lieber. Hat mir nämlich deine Mutti verraten, dass du heute vor 43 Jahren geschlüpft bist. Und weil ich gerade in der Nähe war, dachte ich, ich werf' mal ein paar Glückwünsche in die Runde!“
Axel sah sie mit offenem Mund an.
„Welcher Geburtstag?“ fragte er dann. „Ich bin am 5. Juli geboren, nicht am 5. November. Und meine Mutter ist seit 10 Jahren tot. Die kann dir gar nichts erzählt haben. Du musst mich mit jemandem verwechseln!“
Sylvi strahlte ihn mit schiefen gelben Zähnen an und nickte zufrieden.
„Weißt du was mein Lieber? Das is auch wirklich gut so, wie's ist. Dann bist du nämlich genau der, den ich suche!“
Sie tippte auf das Zifferblatt des magischen Navis und bestätigte die Daten.
Die Sache mit dem Geburtstag war einer der Tricks, die sie sich angeeignet hatte, um Verwechslungen zu vermeiden, wenn die Magie mal wieder versagte. Sie wusste aus Erfahrung, dass es böse enden konnte, wenn richtige Wünsche bei den falschen Personen landeten. Das Top-Model aus Melbourne hätte damals aber auch nich gleich so hysterisch werden müssen, als Sylvi ihr durch ein blödes Versehen den LKW-Fahrer Franz aus Bottrop als Traumprinzen mitgebracht hatte. Wie sich nach hektischer Recherche bei der zuständigen Feenbehörde herausstellte, war die Begünstigte nicht das Model Kelly Freeda aus Melbourne, sondern die Kellnerin Frieda, die in einer Trucker-Kneipe im Ruhrpott bediente, wo Franz regelmäßiger Gast war. Sie hatten den Irrtum dann glücklich aufgeklärt und Franz bei der Kellnerin abgeliefert, für die er bestimmt war. Trotzdem machten solche Vorfälle eine Menge unnötigen Ärger und kosteten alle Beteiligten Nerven. Doch dieser Axel hier schien tatsächlich ihr Wunschkandidat zu sein. Nun musste sie nur noch möglichst unverfänglich herausfinden, was er sich wünschte. Er schien ein wenig humorlos, aber ansonsten ein ganz friedfertiger Typ zu sein. Damit konnte man auf jeden Fall arbeiten. Sie entschied sich daher, es auf die direkte Art zu probieren:
„Pass' mal auf mein Lieber,“ frohlockte sie.
„Ich glaub' heute ist dein Glückstag. Stell' dir einfach mal vor, ich wäre eine gute Fee, die dir gerne einen netten, kleinen Wunsch erfüllen würde. Na, was könnte das wohl sein, was du dir wünschen würdest?“
Wie die meisten Leute, die sie so ansprach, sah Axel sie an, als sei sie nicht ganz bei Trost. Da in der Schatulle viele schräge Vögel verkehrten, war der Gedanke sicherlich nicht ganz unverständlich.
„Du siehst nicht gerade aus wie eine gute Fee,“ sagte er.
„Du siehst auch nicht gerade aus wie ein verwunschener Prinz, mein lieber Axel,“ konterte Sylvi ungerührt.
„Wie wär's fürs erste mit einem neuen Bierchen, bis dir eingefallen ist, was du dir wünschst?“
Sie zeigte mit dem Finger auf Axels leeres Glas, das sich auf wahrhaft magische Weise wieder zu füllen begann, bis ein frisches, schäumendes Bier vor ihm stand.
„Aber tu mir einen Gefallen und lass' das nicht die Wirtin wissen. Sonst bekomme ich hier noch Hausverbot.“
Axel machte ein Gesicht, als hätte er soeben einen lebendigen Frosch verschluckt.
„Wie hast du das gemacht? Das ist irgendein Trick, oder?“
„Nein, das ist Ma-ma-magie! Leider kann ich nur Export, aber besser als nix. Na, wie sieht's aus? Was ist nun dein geheimer oder offensichtlicher Herzenswunsch?“
Axel schluckte. Wie es aussah, hatte sie einen wunden Punkt erwischt. Gut so.
„Meine Frau wirst du mir mit Sicherheit sowieso nicht zurückbringen können. Und mit allem anderen bin ich versorgt, herzlichen Dank,“ murmelte Axel, der zu verdutzt war, um Sylvi viel entgegenzusetzen.
„Deine Frau zurückbringen? Mal sehen was ich tun kann. Aber bist du dir sicher, dass du wirklich genau das willst? Also nichts gegen deinen Wunsch. Ich will nur, dass du keine überstürzten Entscheidungen triffst. Bei mir bekommt jeder Bedenkzeit. Also pass' auf: Du trinkst schön dein Bier und lässt dir die Sache nochmal durch den Kopf gehen, ja? Ich geh' derweil schnell für kleine Wünschelfeen. Und wenn ich wieder da bin, dann erzählst du mir nochmal in Ruhe, was an dieser Frau so toll ist, dass es dein einziger Wunsch ist, die wiederzuhaben. Okay?“
Sylvi hüpfte von ihrem Barhocker, während Axel mit offen hängendem Mund am Tresen sitzen blieb. In seinem Kopf begannen einige Rädchen wild und verzweifelt zu rotieren.
Das magische Wunsch-Navi zeigte ans andere Ende des Tresens, wo einsam eine Frau saß, die zumindest optisch ihre allerbesten Jahre offensichtlich schon eine Weile hinter sich gelassen hatte. Tina Kneimann, 49 Jahre alt, wünschte sich eine neue Wohnung, sagte das Navi.
Ächzend machte sich Sylvi auf eine neue Klettertour am Barhocker, bis sie neben Tina zu sitzen kam.
„Mensch Tina, Tina Kneimann! Lange nicht gesehen, was?“ rief sie fröhlich.
„Also ich muss schon sagen, dass du mittlerweile auch schon 40 bist sieht man dir echt überhaupt nicht an.“
„Was bist'n du für ne Nummer?“ nuschelte Tina.
„Kennen wir uns? 40, willst du mich verarschen? Das ist nu schon was länger her. Aber du siehst auch nicht gerade aus, als seist du gestern erst 17 geworden, mein Herz.“
Sylvi hustete. Mit dieser Sorte war nicht gut Kirschen essen, das wusste sie aus Erfahrung. Am besten wäre es, sie so gut es ging auf Distanz zu halten.
„Na ich bin's doch! Sylvi! Du weißt schon, von ganz früher und so!“
„Ach ja,“ machte Tina nachdenklich.
„Von ganz früher. Und so. Ich fand dich ja damals schon immer irgendwie komisch.“
„Na mach nichts, ich dich doch auch! Pass' auf Tina: Weil wir uns so lange nicht gesehen haben und weil ich dich hier so treffe, darfst du dir heute was von mir wünschen. 17 kann ich dich zwar nicht machen, aber ansonsten...“
Tina lachte scheppernd.
„Du bist echt ne Nummer! Dann wünsch' ich mir doch am besten einfach ein neues Bier. Traummänner kannst du ja wohl keine machen, oder?“
„Kommt ganz drauf an,“ meinte Sylvi und zeigte mit dem Finger auf Tinas leeres Glas, das sich wieder füllte.
Tina glotzte sie entgeistert an.
„Na was is denn nun das? Das fass' ich ja nun nicht! Hey Leute, hat das jemand gesehen? Mein Bier ist wieder voll! Einfach so das Glas vollgemacht. Mit einem Zaubertrick.“
Die beiden Typen neben ihnen lachten. Mensch, Tina. Einfach so das Glas vollmachen. Frag' mal Sanne, wie sie den dollen Zaubertrick den ganzen Abend lang hinbekommt. Wenn sie den nicht könnte, hätte sie auch schon lange keine Kundschaft mehr. Hat dich schon etwas viel verzaubert für heute, was?“
Während Tina irritiert schwieg, um sich nicht der kompletten Lächerlichkeit preiszugeben, fragte Sylvi sich insgeheim entsetzt, wo sie nun aus dem Stegreif einen Traummann für Tina hernehmen sollte. Wunschhafte Partnervermittlung bedurfte mehrwöchtiger Recherche und Vorbereitung, einschließlich der ganzen Genehmigungen, die man vorher bei der Traumpartnerbehörde des Feenrates einholen musste. Bei solchen Dingen konnte schließlich einiges schiefgehen, wenn man sie nicht fachgerecht ausführte. Natürlich hatte Sylvi nichts vorbereitet. Laut Navi wünschte Tina sich eine neue Wohnung. Allerdings war das Navi erfahrungsgemäß störungsanfällig.
„Traummann?“ fragte sie daher.
„Sicher, dass du nicht was anderes willst? Eine neue Wohnung oder so?“
„Was soll ich denn mit ner neuen Wohnung? Ich hab' einfach keine Lust mehr allein zu wohnen, das is es!“ nuschelte Tina.
Sylvi begann zu dämmern, an welcher Stelle der Auftragsvergabe ein Fehler passiert sein könnte. Doch was sollte sie tun? Die Lage war peinlich und fatal. Aber eine Fee wie Sylvi hatte glücklicherweise gelernt zu improvisieren.
„Na, wo is denn nu mein Traummann, hä? Auf den warte ich nämlich schon seit 30 Jahren.“
In Windeseile sah Sylvi sich um und überlegte. Schließlich erspähte sie eine verwilderte Gestalt mit ausgedünntem, langem grauen Haar und einem mächtigen Vollbart, die alleine an einem der Tische herumsaß und mit ihrem Bier zu einer Art Stilleben verwachsen war.
„Na, da ist er doch!“ rief sie frech und zeigte auf die Gestalt.
Tina sah sie mit einer Mischung aus Hass und Entgeisterung an.
„Der da? Soll das ein Witz sein? Das is doch bloß Ulli! Der sitzt doch schon seit Jahren jeden Abend da! Was soll ich denn mit dem ollen Zausel?“
Sylvi, die früh gelernt hatte, die eigenen Äußerlichkeiten mit einem gesunden Realismus einzuschätzen, fragte sich im Stillen, ob Tina in den letzten zehn Jahren selbst mal in den Spiegel geschaut hatte. Natürlich sagte sie das nicht laut, da Tina aussah, als ob sie durchaus rabiat werden könnte.
„Außerdem kriegt der Ulli doch die Zähne nicht auseinander!“
Tina redete so laut, dass Ulli sie hörte und den Kopf hob.
„Wer kriegt hier die Zähne nicht auseinander?“ brummte er.
„Du alte Zicke hast ja auch noch nie mit mir geredet. Denkst ja, dass du was Besseres bist. Und dass du hier noch nen 20-jährigen ins Bett kriegst!“
„Pass mal auf Alter, in so nem Tonfall schonmal gar nicht!“ schnauzte Tina und versprühte dabei eine Fontäne von Speicheltröpfchen.
„Olle Zicke!“ brummte Ulli noch einmal, ohne sie anzusehen.
Intuitiv sprang Sylvi von ihrem Barhocker und ging in Deckung, als Tina drohend ihr Bierglas hob.
„Immer mit der Ruhe, meine Süßen,“ trällerte sie und versuchte sich unauffällig zu entfernen.
„Ich schlage vor ihr klärt das kurz unter euch und ich komme dann später nochmal vorbei und schau' mir an, was aus euch geworden ist. Ja? Prima!“
Anstelle einer Antwort hörte sie hinter sich Tinas hysterisches Keifen. Ulli antwortete mit einem finsteren Grummeln. Schwitzend schob Sylvi sich ans andere Ende des Tresens zurück, wo Axel melancholisch in sein halbleeres Glas starrte.
„Na Axel?“ fragte sie. „Was macht die Liebe?“
Axel sah sie böse an.
„Futsch ist sie, die Liebe. Jedenfalls bei meiner Frau die für mich. Wegen dieses Scheißkerls, mit dem sie abgehauen ist! Weil er „sowas“ hat, was ich angeblich nicht habe. Und falls du das witzig findest: Ich kann nicht drüber lachen!“
„Aber Axel! Warum sollte ich darüber lachen? Wie gesagt, du hast heute bei mir einen Wunsch frei, ob du's glaubst oder nicht. Aber überleg's dir gut: Willst du deine Frau wirklich zurück?“
„Natürlich will ich sie zurück!“ bellte Axel wütend.
„Und das, obwohl dich das einen Dreck angeht!“
Sylvi zuckte die Schultern: „Ja, ich weiß, das sagen sie alle – bis sie anfangen zu glauben, dass ich ihren Wunsch wirklich erfüllen kann. Aber was würdest du deiner Frau denn sagen, wenn sie jetzt hier in der Tür stehen würde, einfach so, und zu dir zurückwollte?“
„Dass sie eine dreckige Schlampe ist, die mich wegen eines Typen verlassen hat, den sie durchfüttern muss und der ständig nur Stress macht und Ärger mit den Bullen hat! Und dass sie an mir immer nur rumgenörgelt hat, obwohl ich ihr immer alles recht machen wollte!“
„Klingt romantisch!“ meinte Sylvi trocken.
„Würde ich mir wirklich gern ansehen, wie du ihr das sagst. Aber es ist dein Wunsch, deshalb musst du entscheiden. Also du würdest deine Noch-Frau gerne sehen, wie sie zu dir zurück will. Dann würdest du sie eine Schlampe nennen und dann über die Schulter werfen und romantisch über die Schwelle tragen. Oder so ähnlich?“
„Na die würde ich mal schön zappeln lassen, das kannste aber glauben! Die will ich heulen sehen, bei dem, was die mit mir gemacht hat!“
„Na du bist ja schwierig. Weißt du eigentlich, was du willst? Soll sie nun zurückkommen oder heulen oder zappeln? Oder heulend zurückkommen und dabei zappeln? Weißt du was Axel? Denk' nochmal fünf Minuten drüber nach, ich muss eh nochmal schnell was klären!“
Sylvi sprang mit Schwung vom Barhocker und flüchtete ans andere Ende des Tresens, wo Ulli und Tina sich wild gestikulierend stritten.
„Du glotzt doch auch jeder Kellnerin hinterher! Bloß dass dich keine will!“
„Sei du mal bloß ruhig! Silvester vor fünf Jahren hab' ich dir einen ausgegeben. Und in der Woche drauf kanntest du mich nicht mehr! Und hast versucht bei diesem Typen zu landen!“
„Das war wenigstens nicht so'n Zausel wie du. Mit dir kann man doch nirgendwo hingehen, wo anständige Leute sind.“
„Wo gehst du denn hin, wo anständige Leute sind, du zeterige Schreckschraube!“
„Ihr könntet zusammen in die Schatulle gehen,“ warf Sylvi konstruktiv ein.
„Halt du dich da raus, du Vogel!“ plärrte Tina und Ulli nickte zustimmend.
„Ja, die kann das gar nicht beurteilen, was du für ne zeterige Alte bist!“
Sylvi sah auf das magische Navi. Viertel nach zwölf. Und noch knapp sieben Stunden bis zum Happy End. Das konnte ja heiter werden.
Hätte die Schatulle Fenster besessen, hätte sich in ihnen die Dämmerung eines frischen, aber goldenen Oktobermorgens gespiegelt. Da die Schatulle, die auch ihren Feierabend je nach Bedarf besucherfreundlich auszudehnen pflegte, jedoch keine Fenster besaß, konnte sich die frühe Uhrzeit lediglich im Dämmerzustand ihrer Besucher widerspiegeln. Sylvi lehnte erschöpft am Tresen und versuchte angestrengt, ihre Augen offen zu halten. Axel redete. Und redete. Und redete. Damit Sylvi nicht aufhörte ihm beim Reden zuzuhören, gab er ihr bereits seit geraumer Zeit Whisky aus. Zum Glück hatte Sylvi in ihrem Beruf eine überdurchschnittliche Trinkfestigkeit entwickeln müssen. Doch langsam spürte auch sie ihre Widerstandskräfte schwinden und den Boden unter ihren Füßen schwanken.
„Du bist echt in Ordnung Sylvi!“ lallte Axel.
„Und das sag' ich jetzt nicht einfach nur so, weil ich besoffen bin, ne, ne! Und du hast ja auch total recht: Den Typen, den hat sie echt verdient! Sowas von verdient! Und ich hab' endlich meine Ruhe vor dem ewigen Genörgel. Und kann wieder bestimmen, was in meiner Glotze läuft! Und vor dem Fernseher essen und meine Kumpels mit heimbringen. Und überhaupt alles...“
„Na siehst du,“ nickte Sylvi träge und sah irgendwo in der Ferne ein kleines Licht am Ende des Tunnels aufleuchten - oder besser am Ende der Nacht.
„Dann mach' dir doch erstmal eine hübsche Zeit und such' dir dann was Netteres, oder?“
„Ja, genau: Was Netteres! Darauf: Noch zwei Whisky Sanne!“
Sylvi sah auf die Uhr und gähnte. In einer Ecke der Kneipe lagen sich Tina und Ulli in den Armen. Dolly Parton sang „I will always love you“.
„Mein oller Zausel,“ nuschelte Tina und fuhr betrunken durch Ullis lichtes Haar.
„Warst doch schon immer mein Lieblingsbiest,“ nuschelte Ulli zurück und kniff Tina an irgendeiner pikanten Stelle, was sie quieken ließ wie einen 16-jährigen Teenager.
„Du Axel, ich muss dann glaub' ich langsam mal los und so. Kann ich denn nun noch irgendwas für dich tun? Du weißt ja, der Wunsch und so.“
„Ach was,“ quäkte Axel enthusiastisch.
„Ich wollte schon die ganze Zeit mal so mit jemandem über diese ganze blöde Kiste mit der Alten reden können wie mit dir. Das war echt mein größter Wunsch, ehrlich!“
„Ach komm? Ganz sicher?“
„Ja klar! Ansonsten hab ich doch eigentlich alles, oder?“
Sylvi seufzte erleichtert.
„Ja schon. Ist doch prima, oder?“
Sanne, die energische Wirtin der Schatulle, hatte endlich ein Machtwort gesprochen und die letzten Gäste vor die Tür gesetzt. Tina und Ulli klammerten sich schwankend aneinander und stritten sich darüber, ob dieser Anlass wohl ein Taxi wert wäre oder nicht.
„Nee, nicht zu mir. Ich kann meine Wohnung nicht leiden,“ nölte Tina.
Und Ulli: „Dann musst du eben bei mir einziehen.“
Etwas benommen ging Sylvi zu ihrer Harley. Alle waren zufrieden. Und alles ganz ohne Magie. Das müsste ihr nun wirklich erstmal eine von den anderen Feen nachmachen.
„Pass auf, dass dich mit dem Pegel nicht die Bullen auf dem Bock erwischen!“ rief Axel ihr nach.
„Oh, mach' dir mal um mich keine Gedanken Axel,“ murmelte Sylvi und befestigte den Kinnriemen ihres etwas kriegerisch wirkenden Flügelhelms.
Langsam begann das Motorrad vom Boden abzuheben und gewann an Höhe. Es gab einen grellen Blitz, der Axel blendete und zwang zu Boden zu sehen. Als er wieder aufsah, waren Sylvi und ihr Gefährt verschwunden.
Einen Moment lang fragte sich Axel, ob das, was er da gerade gesehen hatte, wohl wahr sein konnte. Dann beschloss er, in Anbetracht seines Alokoholpegels und der Einfachheit halber, dass er geträumt haben musste. Die Luft roch klar und frisch und ein wenig nach Blaubeermuffins. Irgendwo hörte jemand Manowar.
Tag der Veröffentlichung: 16.10.2011
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