Die beiden schönsten Dinge sind die Heimat,aus der wir stammen,und die Heimat, nach der wir wandern.(Heinrich Jung-Stilling)
CAITLIN
Der Anruf kam vollkommen unerwartet. Ich war in einem wichtigen Meeting zum Thema Ausrottung der Strigoi auf Hawaii als mein Handy klingelte.
„Entschuldigen Sie mich einen Augenblick.“, entschuldigte ich mich und rauschte aus dem Raum. „Was ist so wichtig, dass man mich in einem wichtigen Meeting stört?“, knurrte ich ins Telefon. „Ich hatte klar und deutlich gesagt, dass...“
„Caitlin.“, unterbrach mich Dimitri am anderen Ende der Leitung. „Du musst nach Hause kommen.“
Erstmal war Stille. Lange Zeit lang. Dann fing ich an zu lachen.
„Bist du vollkommen durchgeknallt? Ich wurde verbannt! Und meine Familie, Freunde und das ganze Land denkt ich bin tot!“
„Dein Vater ist schwer krank. Es kann sein, dass er bald stirbt. Er will dich noch einmal sehen.“
„Du weißt, dass auch er denkt, dass ich tot bin?“, fragte ich ihn.
„Es wäre trotzdem gut wenn du kommen würdest. Er liegt tot krank im Bett und flüstert die ganze Zeit Entschuldigungen. Denkst du nicht er soll in Frieden sterben?“
„Natürlich soll er in Frieden sterben! Aber wenn ich am Hofe ankomme, werde ich nicht mal die Gelegenheit bekommen zu meinen Vater zu kommen, weil die Wachen mich sofort ins Gefängnis werfen werden! Wenn sie mich nicht gleich umbringen!"
„Werden sie nicht. Ich werde dich erwarten. Du sagst mir nur wann du ankommen wirst und ich hole dich am Tor ab.”
„Ich habe hier ein wichtiges Meeting das kann ich nicht einfach...“
„Caitlin. Wenn du deinen Vater liebst und ihn noch einmal sehen willst bevor er stirbt, wirst du das absagen und hierher kommen.“, unterbrach Dimitri mich und ich seufzte.
„Na gut. Ich buche den nächsten Flieger nach London und mach mich auf den Weg zu euch. Wir telefonieren. Bis dann.“ Ohne seine Antwort abzuwarten legte ich auf.
Nachdenklich betrat ich wieder den Raum in dem eine hitzige Diskussion geführt wurde ob man einen Angriff auf ein Strigoiversteck starten oder ihnen irgendwo auflauern und nacheinander einzeln töten sollte.
„Ich habe einen wichtigen Anruf bekommen und muss leider abreisen. Wir verschieben die Sitzung und werden sie über eine Skype Konferenz fortführen. Auf Wiedersehen.“, verkündete ich und entließ die Vampire im Konferenzraum. Diese schienen wirklich froh zu sein gehen zu dürfen. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Es war heiß und die Klimaanlage war ausgefallen. Und die Ventilatoren, die im Raum standen verschafften kaum Linderung. Jetzt konnten sie sich am Strand entspannen oder das was sie machen wollten. Nur meine Assistentin Emily blieb. Sie sortierte die Zettel, die überall auf dem Tisch lagen. Ihr trug ich auf: „Buch mir bitte den nächsten Flieger nach London! Lass mir aber genug Zeit, dass ich ins Hotel fahren und packen kann.”
„Was willst du denn in London Sophie?“
„Ich habe einen wichtigen Geschäftstermin. Er kann nicht verschoben werden. Die haben da ein großes, sehr großes Problem.“, antwortete ich, den falschen Namen ignorierend, den ich mir zu meinem eigenen Schutz gegeben hatte. Genauso wie ich mir zu meinem eigenen Schutz eine blonde Perücke aufsetzte und braune Kontaktlinsen einsetzte.„Natürlich buche ich uns einen Flug.“, sagte Emily.
„Nicht uns. Mir. Du hast die nächste Woche Urlaub. Kann sein, dass ich auch noch eine Weile länger weg bin. Die anderen Vertreter sollen entweder alleine entscheiden was sie für richtig halten oder wir vereinbaren eine Konferenz über Skype wie ich es vorgeschlagen habe. Es ist ihre Entscheidung. Nur fürs Protokoll. Ich würde ein Angriff wagen. Jedoch nicht ohne mindestens zwanzig Vampire.“ Ich machte eine Pause und sah von meiner Handtasche auf, die ich gerade packte. „Ich ruf dich an wenn ich dich brauche. Und falls die anderen mich wegen irgendetwas brauchen, dann sollen sie mich auf dem Handy anrufen. Dort bin ich immer zu erreichen.“ Und damit rauschte ich aus dem Raum und ignorierte Emilys Rufe.
Ich stieg in mein Auto und fuhr in meinem Hotel in dem ich abgestiegen war solange die Konferenzen in Hawaii liefen. Dort packte ich meine Koffer und checkte aus. Dann lief ich zu meinem Auto und brauste los Richtung Flughafen. Währenddessen rief ich Emily an.
„Und? Welchen Flug bekomme ich?“, meldete ich mich.
„Den um 18:45 Uhr. Du musst nach New York und von dort aus nach London. Der Aufenthalt in New York beträgt aber nur eine Stunde.“, antwortete meine kluge Assistentin. „Du weißt ja wo man die Tickets abholt.“
„Danke Emily du bist ein Schatz. Was würde ich nur ohne dich tun.“, bedankte ich mich. „Viel Spaß in deinem Urlaub.“ Ich legte auf und fuhr zu der Autovermietung wo ich mein Auto her hatte und gab es ab. Die Angestellten dort waren so nett und fuhren mich zum Flughafen, der nicht weit entfernt war.
„Thank you very much.“, bedankte ich mich.
„You´re welcome. I hope you enjoyed your stay at Hawaii.“
„Yes I really enjoyed it. Bye“
„Bye.“, verabschiedete sich die nette Frau.
Ich ging in die Flughafenhalle und lief zum Schalter und holte mir meine Tickets. Dann gab ich das Gepäck ab und als es an der Zeit war, stieg ich in den Flieger.
Auf dem Flug von New York nach London schlief ich die meiste Zeit. Zum Glück hatte Emily die Buissines class gebucht und es herrschte eine angenehme Ruhe in unserem Abteil. Keine schreienden Kinder, keine komischen Gewinnspiele. Einfach nur absolute Ruhe. Zwölf Stunden vergingen und ich landete um sechs Uhr morgens in London
Auf der Flughafentoilette zog ich mich um und frischte mich ein wenig auf. Die Perücke und die Kontaktlinsen setzte ich wieder ein nachdem ich mir meine Haare gekämmt und hochgesteckt hatte. Ich trug nun einen schwarzen Blazer, eine dunkelblaues Bluse, eine schwarze Röhrenjeans und schwarze Pumps. Ich hatte eine Brosche an meinen Blazer, welche das Symbol unserer Organisation zeigte. Es waren zwei ineinander verhakte Vierecke in deren Mitte eine Taube mit einem Zweig im Schnabel war. Wie wir darauf gekommen waren, wusste ich auch nicht. Wahrscheinlich weil wir den Frieden der Welt sichern wollten. Deshalb die Taube, doch aus den beiden Vierecken wurde ich nicht schlau. Aber das Zeichen war ja auch nicht wichtig für das was wir taten. Das Wichtigste an meinem Outfit war, dass mich niemand erkannte. Ich hatte wenig Lust im Kerker zu landen.
Vom Flughafen aus fuhr ich mit dem Taxi in die Innenstadt, wo ich etwas aß und dann den Bus weiter nach Oxford nahm. Die Fahrt über war ich still und grübelte über den Empfang nach den sie mir machen würden und was ich meiner Familie und meinen Freunden sagen würde müssen. Würden sie mich in die Arme schließen? Würden sie mich überhaupt erkennen? Würden sie mich in den Kerker sperren, weil ich gegen die Vorschriften verstoßen hatte? Ich wusste es nicht. Doch ich würde es herausfinden.
Mit einem mulmigen Gefühl betrachtete ich das Schloss aus einiger Entfernung. Dort hatte ich einige Monate gelebt bis mein Vater mich verbannt hatte, weil ich mich gegen seinen Willen aufgelehnt und Prinz, in der Zeit schon König, Erik von Schweden nicht geheiratet hatte. Damit hatte ich uns beiden einen großen Gefallen getan. Auch der Prinz hatte niemanden heiraten wollen, den er nicht liebte. Er jedoch wurde nicht verbannt, sondern hatte seine große Liebe geheiratet soweit ich wusste. Wir hatten bis zu meinem „Tod“ ein wenig zusammen geschrieben.
Würde mein Vater mich rausschmeißen wenn ich mich ihm offenbarte? Oder derjenige der jetzt die Befehlsgewalt hatte? Das war dann wahrscheinlich Mason mein größer Bruder und der Thronfolger. Er war zwar mein Bruder, doch das würde ihn nicht davon abhalten das Gesetz mit voller Härte auszuführen. Und da ich jetzt wieder den englischen Boden betreten hatte, hieß das für mich wahrscheinlich jahrelang Gefängnis. Oder Tod durch Enthauptung. Mich wunderte es, dass ich so etwas auf mich nahm um den Mann auf dem Sterbebett zu besuchen, den ich noch nicht einmal wirklich kannte. Einem Mann, der mich in die Welt gesetzt hatte und dem ich es zu verdanken hatte, dass ich drei Jahre meines Lebens weit entfernt von meiner Familie und meinen Freunden verbringen musste. Einem Mann wegen dem ich alle anlog, die ich liebte. Und doch liebte ich ihn. Er war mein Vater.
Nachdenklich wählte ich Dimitris Nummer.
„Caitlin?“, fragte er.
„Ich bin da.“, sagte ich nur und legte auf. Keine zwei Minuten später stand er am Tor und ich wagte mich aus dem Wald. Am Tor versperrten mir die Wachen wie ich es erwartet hatte den Weg.
„Wer seid Ihr und was wollt Ihr?“, fragte der kleinere der Beiden mit monotoner Stimme.
„Ich bin Lady Sophie aus New York und möchte zu Wächter Petrov.“, sagte ich und senkte den Kopf.
„Und zufällig bin ich da. Willkommen Lady Sophie“, antwortete Dimitri. Meinen Namen sprach er sarkastisch aus.
„Dankeschön.“, bedankte ich mich. Die Wachen gaben den Weg frei und ich betrat den Schlosspark. Er weckte viele Erinnerungen. Dort hatte ich viele wunderbare Stunden verbracht. Ich hatte mit meinen Freunden gescherzt, Alec geküsst... Sofort verbannte ich diesen Namen aus meinem Kopf, denn es brach mir noch heute das Herz an ihn zu denken.
„Ihr könnt eure Verkleidung abnehmen. Euch wird nichts geschehen.“ Zweifelnd sah ich Dimitri an, nahm dann aber nach einem kurzen Zögern die Perücke ab und die Kontaktlinsen aus den Augen. Und ich wusste was geschehen würde. Die Wachen zogen scharf die Luft ein und griffen nach ihren Waffen.
„Ihr hättet nicht hierherkommen dürfen Mylady.“, sagte der Linke. Nach einer genauen Musterung erkannt ich John. Meinen Cousin und der Vater des kleinen Mason. Er riss sein Messer aus der Scheide und riss mich an seine Brust um mir die Waffe an den Hals zu setzen.
„Ihr dürftet noch nicht einmal hier stehen. Es heißt ihr seid tot!“, stieß der Rechte hervor.
„Nun wie ihr seht ist sie nicht tot und jetzt legt eure Schwerter nieder. Sie ist hier auf Befehl des Königs!“, fauchte Dimitri.
„Der König hat nicht mehr die Kraft irgendwem irgendwelche Befehle zu befehlen!“, sagte der Rechte höhnisch.
„Des zukünftigen Königs Mason.“, berichtigte sich Dimitri als sie sich nicht rührten. Wütend knirschte ich mit den Zähnen. Da kämpfte ich seit drei Jahren gegen die verschiedensten Strigoi und wurde dann von einer normalen Schlosswache überrumpelt! So eine Blamage! Zögernd senkten sie ihre Waffen und bedeuteten Dimitri und mir zu verschwinden.
„Mason? Wirklich?“, fragte ich Dimitri.
„Nein. Aber das mussten die ja nicht wissen oder?“, fragte Dimitri und ich musste grinsen. Wir schlugen den Weg zu meinem alten Zimmer an. Dort stellte ich meinen Koffer ab. Meine Tasche mit den wichtigsten Sachen behielt ich um. Falls ich schnell abhauen musste.
„Wie kommst du auf die blöde Idee, dass ich meine Verkleidung abnehmen sollte? In nicht einmal mehr einer Stunde wird das ganze Schloss wissen, dass ich hier bin. Das war nicht mein Plan Dimitri.“, sagte ich vorwurfsvoll zu meinem Mentor und besten Freund. „Wenn ich wieder weggeschickt werde, werde ich nicht mehr sicher sein.“ 'Und ich werde mich noch einmal verabschieden müssen.' Ich würde ihnen noch mehr das Herz brechen als ich es ihnen beim ersten Mal gebrochen habe.
„Wenn du Glück hast, wirst du nicht mehr weggeschickt.“, antwortete Dimitri nur und führte mich zu den Gemächern des Königs. „Aber wenn du willst, kannst du dir deine Maske wieder aufsetzen. Auch wenn ich nicht denke, dass es irgendetwas bringen wird.“ Dies tat ich auch. Es war etwas sicherer. Ich konnte nicht darauf hoffen, dass meine Familie mich nicht erkannte, doch eine kleine Chance bestand immer noch, dass andere mich nicht erkannten.
Dimitri klopfte an der Tür des Schlafzimmers und öffnete mir die Tür. Zögernd sah ich meinen besten Freund an. Der nickte mir nur aufmunternd zu und schob mich in den Raum. Darin befanden sich meine Mutter und meine beiden Brüder. Mason hatte sich kaum verändert. Er war immer noch der starke, selbstbewusste junge Mann, den ich vor drei Jahren zurückließ. Seine Augen jedoch funkelten vor Trauer und seine blonden Haare waren kürzer als ich sie in Erinnerung hatte.
James hatte sich schon mehr verändert. Aus dem schüchternen Jungen, der nie aus sich raus kam war ein selbstbewusster junger Mann geworden. Seine dunkelblonden Haare waren jetzt aber schwarz und brachten seine azurblauen Augen, die wir alle drei von unserem Vater geerbt hatten, noch mehr zur Geltung. Meine Mutter war noch schöner geworden. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich, dass Raphael sie wohl in einen Vampir verwandelt hatte. Sie strahlte die Aura aus, die jeden Vampir kennzeichnete. Die Krone auf ihrem Kopf zeichnete sie als Königin aus und hieß wohl, dass sie und mein Vater geheiratet hatten. Auch ihre gerade Haltung und ihre Kleidung wirkte königlich. Alle drei sahen auf als sie mich und Dimitri hörten.
„Wer ist das? Dimitri. Ich hatte Anweisungen gegeben, dass niemand außer der Familie hier rein kommt!“, schimpfte meine Mutter leise.
„Und sie ist ein Mitglied dieser Familie.“, antwortete Dimitri. Ich wurde genau gemustert und ihre Augen wurden größer und größer.
„Caitlin.... Bist du das wirklich?“, flüsterte meine Mutter ungläubig. Hilfesuchend sah ich Dimitri an. Der war jedoch keine große Hilfe, denn er war immer noch damit beschäftigt sich sich vor meiner Mutter zu verbeugen und schien nicht antworten zu wollen. Deshalb nickte ich nur stumm. Meiner Mutter liefen die Tränen über die Wange.
„Ich dachte du wärst tot!“, stieß Mason geschockt hervor.
„Sehe ich so aus als wäre ich tot?“, fragte ich bissig.
„Nein. Nur verändert.“, antwortete James anstelle seines Bruders. „Du hast dir die Haare färben lassen? Und trägst Kontaktlinsen?“ Er sprach zu mir als wäre ich nie weg gewesen.
„Nein, ich hab mir die Haare nicht färben lassen. Meine armen Haare. Das würde ich denen nie antun.“ Ich nahm die juckende Perücke wieder ab und nahm die Kontaktlinsen raus.
„Es diente zu meinem Schutz.“, meinte ich.
„Wie kann es sein, dass du noch lebst? Wir alle haben dich sterben fühlen können.“
„Ich habe es von einer weisen Frau in Brasilien gelernt. Sie hat mir beigebracht wie es ist sich so von der Familie und dem Gefährten abzukapseln, sodass diese denken, dass man tot ist. Ich dachte es wäre einfacher für euch. Besonders für dich Mama. Ich dachte es ist einfacher für euch zu akzeptieren, dass ich nie wieder kommen würde. Na ja. Das mit dem nie wieder kommen hat nicht so gut geklappt wie ich wollte. Den Einzigen, den ich nicht hatte von mir trennen können war Dimitri. Das Band der Waffenbrüder ist anders als das unsere. Man kann es nicht trennen. Nur der wirkliche Tod kann das. Dimitri war in meine Pläne eingeweiht und wusste immer wo ich war.“ Jetzt richteten sich wütende Blicke auf meinen Mentor. Der schien unter den Blicken zu schrumpfen.
„Dimitri! Du hast dafür gesorgt, dass der König nun auf diesem Bett liegt und stirbt! Es hat ihm das Herz gebrochen.“, fauchte James.
„Es ist alles deine Schuld!“, rief Mason.
„Ich wollte doch nur...“, fing Dimitri an.
„Haltet die Klappe.“, rief ich und unterbrach den Streit der drei. „Wir wollen Vater doch nicht stören. Er hat keine Schuld. Es war mein Wunsch. Und da er mein Waffenbruder, Mentor und Freund ist hat er das getan worum ich ihn gebeten habe. Und darüber bin ich wirklich froh.“ Als sie zu mir sahen und ihre Klappen hielten sagte ich nur: „Hinaus. Ich möchte mit meinem Vater alleine sein. Nur ein einziges Mal. Nachher können wir uns weiter unterhalten. Meinetwegen könnt ihr mich dann weg schicken, denn ich bin ja illegal hier aber lasst mir nur ein einziges Mal bei ihm sein und mich verabschieden.“ Flehentlich sah ich meine Familie nacheinander an. Als sie sich nicht rührten sah ich Dimitri an, der sich James und Mason griff und sie aus der Tür schleppte. Meine Mutter folgte ihnen widerwillig. Hinter ihr schloss sie die Tür.
Zum ersten Mal drehte ich mich zum Bett um auf welchem mein Vater lag. Ich setzte mich auf die Bettkante und nahm seine unnatürlich weiße Hand in die Meine.
„Was hast du bloß gemacht?“, fragte ich ihn. „Du kannst doch nicht so einfach sterben. Was sollen wir denn ohne dich machen? Willst du dein Volk schon so früh verlassen?“ Ich sah ihm ins Gesicht. Es war grau, leidend, krank. „Weißt du eigentlich wie sehr ich dich vermisst habe? Wie sehr ich unter der Verbannung gelitten habe? Vielleicht sogar noch mehr als du. Ich meine ich war alleine und kannte niemanden. Aber ich habe mich an deine Verbannung gehalten. Dir zu Liebe. Dein Stolz und deine Autorität sollte nicht noch weiter in Frage gestellt werden. Aber ich habe dich für die Verbannung nie gehasst. Nein, ich war noch nicht einmal sauer. Ich war nur traurig. Okay. Eine Weile war ich wirklich sauer und verletzt, denn du bist der König und hättest die Gesetze leicht ändern können und hast es doch nicht getan. Aber ich liebe dich Daddy. Komm schon. Werde wieder gesund. Ich weiß, dass du das kannst.“ Ich blieb noch eine Weile sitzen. Dann stand ich auf und küsste meinem Vater sanft auf die Stirn bevor ich ging.
Dimitri stand neben der Tür und bot mir seinen Arm. „Komm wir treffen uns im Pavillon im Garten. Es ist warm und die Sonne scheint. Außerdem haben sie sich alle dort versammelt. Jana und Sarah können es gar nicht glauben, dass du da bist. Sie halten das nur für einen dummen Scherz.“, sagte er. Wir liefen die Treppen hinunter und traten aus der Eingangstür.
„Ich würde es auch für einen dummen und grausamen Scherz halten wenn mir meine Freunde erzählen würden, dass meine tote Freundin leben und in der Nähe sein würde.“
„Ja, ich auch. Und ich wäre wirklich sauer wenn meine Freunde mir so einen Scherz spielen würden.“
„Es hat sich wenig verändert hier.“, bemerkte ich während wir durch den Garten schlenderten und wechselte somit das Thema.
„Augenscheinlich ja. Doch es hat sich viel geändert. Viel zu viel.“ Seine Stimme hatte einen traurigen Klang.
„Was ist los Dimitri? Wieso bist du denn so traurig?“, fragte ich besorgt.
„Es tut mir so leid Caitlin.“, flüsterte er und sah zu dem Pavillon in dem sich meine Familie und Freunde versammelt hatten.
Zuerst sah ich nichts ungewöhnliches. Dort standen meine Familie und Freunde und unterhielten sich über irgendetwas. Jana und Sarah schienen aufgebracht und gestikulierten heftig mit ihren Armen. Doch dann sah ich ihn. Alec. Er stand zusammen eng umschlungen mit einer wunderschönen, blonden Vampirin und lachte leise. Dann drückte sie ihm einen Kuss auf den Mund. Ich wandte mich von ihm ab und sah Dimitri ins Gesicht.
„Alec hat eine Freundin? Das freut mich für ihn.“, sagte ich fröhlich. Auch wenn mein Inneres schmerzte. Dimitri sah mich nur mitleidig an und ich wusste, dass er wusste was ich fühlte. Ich verfluchte das Band, welches uns Waffenbrüder verband. Ich konnte einfach nichts vor ihm verstecken. Egal wie sehr ich mich anstrengte. Er wusste immer wie es mir ging. Und es nervte mich ungemein. Doch ihm schien es nichts auszumachen, dass ich wusste was er fühlte.
Selbstbewusst, mit hoch erhobenen Kopf schritt ich die Stufen hinauf und sah meinen Freunden ins Gesicht. Sofort fiel mir auf, dass Sarah mit James Händchen hielt und Masons Arm um Janas Hüfte geschlungen war. Auch die Aura von Sarah war verändert. Sie war kein Mensch mehr. Die beiden Freundinnen starrten mich einen Moment fassungslos an bevor sie sich aus den Armen ihrer Freunde lösten und auf mich zu liefen. Sie sprangen mir in den Arm, sodass ich überrascht nach hinten taumelte.
„Ja. Ich hab euch auch vermisst.“, murmelte ich.
„Gott. Wir dachten es wäre nur ein schlechter Scherz von denen!“, schluchzte Jana. Gleich danach schlug sie mich gegen den Arm. „Wie kannst du nur!“ Ich zuckte nur mit den Schultern.
„Ich dachte es wäre einfacher für euch.“, brachte ich meine Entschuldigung hervor.
„Einfacher? Einfacher? Es war ganz und gar nicht einfach damit klar zu kommen, dass unsere beste Freundin tot ist!“ Sarah und Jana begannen auf mich einzuschlagen. Mit einer einfachen Bewegung brachte ich mich außer Reichweite ihrer Fäuste. Dann umarmte ich sie wieder.
„Tut mir leid. Wirklich. Ich...“ Bevor sie weiter reden konnten klingelte mein Handy und ich löste mich von meinen Freundinnen. „Entschuldigt mich kurz.“
Ich griff in meine Hosentasche und zog mein Handy hervor.
„Hier Sophie Vega.“, sagte ich ins Telefon und registrierte das Auf keuchen im Hintergrund.
„Hey Sophie. Hier Estell. Ich hab ein Problem.“
„Hast du das nicht immer wenn du mich anrufst? Wo diesmal?“, fragte ich sie und lächelte als ich mich daran erinnerte wie wir uns kennengelernt hatten. Ich war in Las Vegas wegen einem Job und hatte sie in einen völlig aussichtslosen Kampf mit drei Strigoi verwickelt in einer Straßenecke gefunden. Ich war ihr beigesprungen und gemeinsam hatten wir zwei von drei getötet. Der dritte war geflohen. Sie hatte sich bei mir bedankt und mich auf einen Drink eingeladen. Der eine Drink wurde zu vielen und bevor die Nacht um war hatten wir beide fast die ganze Stadt entdeckt. Wir hatten viel Spaß zusammen gehabt und gemeinsam den Job in Las Vegas beendet.
Ich schätzte ihre Kampfkünste sehr und hatte sie eingeladen unserer Organisation beizutreten. Sie war nun Kundschafterin und suchte die Welt nach möglichen Strigoiverstecken ab. Sie hatte uns über die Jahre treue Dienste geleistet.
„Aylesbury. In der Nähe von London.“
„Ich weiß wo das ist. Und zufällig bin ich in der Nähe. Wie viele brauchen wir?“, fragte ich.
„Also auf jeden Fall mehr als zehn. Sie haben sich in einer leer stehenden Fabrik verschanzt und kommen nachts und suchen sich ihre Opfer. Ihre genaue Menge ließ sich nicht einschätzen ohne erwischt zu werden. Aber an der Menge der Opfer scheinen sie viele zu sein. Und durstig. Ich schick dir die Koordinaten.“
„Okay danke. Wie viele sind schon getötet oder angegriffen worden?“
„Wenn man die abgewehrten Angriffe mitzählt circa siebzehn. Und das innerhalb von zwei Wochen.“
„Wie erklären sich die Menschen deren Tod?“
„Selbstmord, Angriffe von Tieren oder auch Mord. Wenn sie nicht wissen was vorgeht denken sie sich doch immer so etwas aus.“
„Kann sich irgendjemand von den Überlebenden an den Angriff erinnern?“, wollte ich wissen.
„Einer. Wieso fragst du?“
„Um zu gucken ob ich Alice oder Erik brauche. Und wohl oder übel muss ich einen der beiden hier antanzen lassen.“
„Ich werde mich darum kümmern, dass sie die wichtigen Infos bekommen. Aber ich denke Alice kommt. Erik ist noch mit einem Fall in Stockholm beschäftigt. Da konnten sich vier oder fünf an den Unfall erinnern. Das kann lange dauern, denn wie du weißt ist seine Anzahl von Erinnerung löschen pro Tag begrenzt.“
„Alles klar. Danke dafür. Ich werde sehen was sich machen lässt. Bleibst du zum Kampf oder suchst du weiter?“, wollte ich wissen und berechnete die Menge an Soldaten, die mir im Moment in Südengland zur Verfügung standen.
„Ich werde weiter ziehen. Anscheinend sollen in Frankreich viele Strigoi sein. Der König bat uns ihm ein wenig Hilfe zu schicken. Ich werde mal gucken wie die Situation wirklich aussieht. Vielleicht haben wir Glück und bekommen einen neues Verbündeten.“
„Es wäre wirklich hilfreich wenn wir ein paar mehr Länder auf unsere Seite ziehen könnten, jedoch müsste ich dann anreisen. Wir können es uns nicht leisten unfähige Staaten in unser System aufzunehmen.“
„Nein, natürlich nicht. Aber zurück zum Fall. Falls es dich beruhigt. Ich hab schon vier oder so erledigt. Also dachte ich, ich lass dir auch mal deinen Spaß.“
„Sehr freundlich. Ich werde mich darum kümmern. Bis dann Estell. Viel Glück bei der weiteren Suche.“
„Vielen Dank.“ Und schon hatte sie aufgelegt.
Ich holte tief Luft und wappnete mich für die Fragen, die nun auf mich herunter prasseln würden. Dann drehte ich mich um und sah meiner Familie in die Augen.
„Du bist Sophie Vega?!“, fragte Mason.
„Die bin ich. Sophie Vega. Gründerin und Leiterin der Organisation StWaS. Ausgesprochen: 'Save the World against Strigoi'.“ Ich wies auf die Brosche, die ich an meinem Blazer befestigt hatte. „Ich hatte viel Zeit in den letzten drei Jahren etwas aufzubauen. Es war nicht so schwer die Organisation aufzubauen. Sie ist noch klein aber am Wachsen. Tut mir leid. Ich muss kurz was klären bevor wir weiter darüber reden was ich die letzten drei Jahre so gemacht habe. Dimitri. Wie viele haben wir im Moment in der Nähe stationiert?“
„Um die zwanzig Leute. Wieso fragst du?“
„Estell hat gerade angerufen. In Aylesbury hausen Strigoi. Wohl viel zu viele was die Polizeiberichte sagen.“
„Das heißt wir schicken unsere Leute da hin und lassen sie den Job erledigen?“
„Nein. Wir gehen mit ihnen. Das gefällt mir gar nicht. Wieso so viele? Wieso jetzt? Und wieso genau Aylesbury? Ich will wissen was da los ist. Das ist total anormal, dass so viele auf einem Fleck sind. “
„Also gehen wir da gemeinsam hin.“, seufzte Dimitri. „Ich klär das mit den anderen. Du...“
„Ich werde hier alles erklären und dann nachkommen. Wir treffen uns dort.“ Dimitri nickte knapp und wandte sich ab, doch ich hatte noch etwas zu sagen. „Keine Alleingänge verstanden? Ihr verhaltet euch ruhig bis ich da bin und wir uns einen Plan ausgedacht haben okay?“
„Als ob ich das jemals getan habe.“, schnaubte Dimitri.
„Du vielleicht nicht aber du hältst unsere Männer im Zaun hast du das verstanden?“, fragte ich ihn barsch „Du hast das Kommando bis ich zu euch komme. Und ich will keine unnötigen Verluste.“
„Klar doch Prinzessin.“, sagte er in einem ironischen Ton und ging.
Meine Freunde starrten mich nur an. „Was?“, fragte ich bissig.
„Wie redest du bitte mit Dimitri?“, fragte Jana.
„Er weiß, dass ich es nicht so meine. Doch das hier ist wichtig Jana und ich weiß was passieren kann wenn man sich nicht an den Plan hält. Ich habe wegen so etwas schon mehrere, wirklich kampferprobte Männer verloren. Nur, weil sie sich nicht an die Regeln halten konnten. In diesem Geschäft muss man sich an den Plan halten so ist es einfacher und sicherer. Also lass mich mein Ding durchziehen. Wenn du irgendwann mal Königin bist, wirst du verstehen was es heißt eine Gruppe von Leuten zu führen.“ Ich sah meine Brüder an. „Noch irgendwelche Fragen?“
„Wo warst du die ganzen drei Jahre?“, frage Alec. Ich sah ihn an und meinte: „Überall auf der Welt. Ich musste doch meine Organisation erweitern.“
„Und wie hast du das Geld zusammen bekommen?“, fragte James.
„Durch das Geld, dass mir Dad jeden Monat auf mein Konto überwiesen hat und durch die Regierung.“
„Die Regierung? Die weiß, dass es uns gibt?“, fragte meine Mutter fassungslos.
„Nein. Nicht die Regierung der USA. Eigentlich ist es eine Regierung, die sich mit der Sicherheit der Übernatürlichen auseinandersetzt. Sie steht aber noch nicht lange. Sie wurde vor einem Jahr gegründet und ist im Moment dabei einen Gesetzesentwurf anzufertigen. Was gar nicht so einfach ist mit so vielen Übernatürlichen mit so unterschiedlichen Meinungen. Vampire, Werwölfe, Hexen, Gestaltenwandler... Alle haben eine andere Meinung und wollen andere Rechte.“
„Also habt ihr eine Regierung, die Gesetze beschließt, die alle Übernatürliche betrifft?“
„Ja.“
„Wer ist denn Vertreter der Vampire?“
„Naja... Es müssen immer mehr Männer als Frauen in der Regierung sitzen. Wahrscheinlich weil die Männer angeblich die bessere Erfahrung in Politik haben und sich nicht von ihren Gefühlen beeinflussen lassen wie wir Frauen.“ Ich schnaubte. Gefühle. Die hatte ich schon seit einiger Zeit fast gänzlich abgeschaltet. Oder verdrängt wie man es nimmt. „Außerdem muss jeder Vertreter von einem anderen Kontinent kommen als seine Kollegen. Die Männer für unsere Spezies waren schnell gefunden. Es sind... wie hießen sie noch gleich... Ach ja Prinz Marik Takahashi aus Japan für den Kontinent Asien, Lord Josh Paine aus dem Bundesstaat Indiana für Amerika, irgendein hoher Beamter namens Aleeke aus Afrika und die Frau... Ach ja. Die bin ich. Lady Sophie Vega aus Hamburg, Deutschland. Wenn auch unfreiwillig. Ist echt viel Arbeit und ich habe mit der Organisation sowieso schon so viel zu tun...“
„Warte. Du sorgst dafür, dass wir ein gemeinsames Gesetz haben?“
„Genau dafür sorge ich.“
„Das ist ja super! Endlich hat es mal jemand geschafft alle Übernatürlichen an einen Tisch zu setzen!“, jubelte Mason wirbelte mich durch die Gegend und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ich war überrascht. Waren sie gar nicht so aufgewühlt wie ich? Fühlten sie sich nicht unwohl, dass ich hier war? Hatten sie mich nicht aus ihrem Leben verbannt?
„Und? Hast du jemanden drüben in den Staaten kennengelernt?“, fragte Jana mit ziemlich deutlichen Ton und wusste sofort was sie meinte.
„Natürlich habe ich viele Leute kennengelernt. Ich bin Geschäftsfrau. Da ist es doch natürlich, dass man Leute kennenlernt.“, tat ich auf blöd.
„Ich meine einen Mann.“, kicherte sie und ich verdrehte die Augen.
„Ich bin eine vielbeschäftigte Frau und hatte nicht viel Zeit zu daten oder jemanden kennenzulernen, Jana! Auch wenn ich einige interessante Männer kennengelernt habe.“, meinte ich mit einem gewissen Unterton und hörte belustigt wie Jana aufquietschte. Sie würde mich ausquetschen wenn ich wieder da sein würde. Ich drehte mich zum Gehen, wandte mich dann aber noch mal um. „Habt ihr noch wichtige Fragen? Sonst würde ich gerne gehen und meinen Job erledigen. Danach bin ich auch wieder weg.“
„Weg?“, fragte meine Mutter.
„Ja, weg. Ich bin verbannt worden. Dass ich hier bin ist schon Grund genug im Gefängnis zu landen. Also werde ich den Job erledigen und dann England wieder verlassen. Das ist das...“
„Jetzt sag nicht „Das Beste für alle Beteiligten!““, drohte Sarah. „Denn das ist es nicht!“
„Und doch ist es nicht deine Entscheidung ob ich gehe oder nicht.“, sagte ich. „Ich werde nun meine Arbeit machen und ihr eure. Ich werde zurückkommen um das zu klären, doch selbst wenn ich nicht mehr verbannt sein sollte, werde ich trotzdem oft weg sein. Nur um es mal gesagt zu haben. Immerhin bin ich Leiterin einer weltweiten Organisation. Und um die muss ich mich kümmern.“ Und damit machte ich einen Schritt die Treppe hinunter.
„Caitlin warte.“, Alec´ Stimme ließ mich innehalten, doch ich drehte mich nicht um.
„Ja, Alec?“, fragte ich unverbindlich.
„Ich werde mitkommen.“
„Nein, wirst du nicht.“, sagte ich gleichzeitig mit der wunderschönen Vampirin, deren Name ich nicht kannte.
„Du kannst mich doch nicht einfach alleine lassen? Deine 'Freunde', sie rümpfte die Nase. „Sind so was unter meinem Niveau.“ Ich stieß zischend den Atem aus.
„Deine Freundin hat Recht, du kannst sie nicht alleine lassen. Außerdem bist du in solchen Einsätzen nicht erfahren genug. Wir haben genug Leute wir brauchen nicht mehr.“, meinte ich an Alec gewandt. Dann drehte ich mich zu der blonden Vampirschlampe um. „Und du Süße. Wagst du es noch ein Mal meine Freunde zu beleidigen ist es das letzte Mal, dass du reden konntest. Ich habe so nette kleine Geräte, die ich an dir ausprobieren könnte. Normalerweise benutze ich sie für Strigoi um an ihre dreckigen, kleinen Geheimnisse zu kommen aber ich könnte ja mal eine Ausnahme machen.“ Ich lächelte sie zuckersüß an. Die Barbie quietschte auf und redete wild auf Alec ein, der versuchte sie zu beruhigen.
Währenddessen ging ich lächelnd zu der Garage wo ich das Motorrad von Dimitri vermutete. Er hatte mir vor langer Zeit einmal seinen Ersatzschlüssel gegeben, mich aber gebeten es so lange nicht zu fahren, bis ich meinen Führerschein hatte. Der Zeitpunkt auszuprobieren was das Teil konnte war jetzt gekommen. Lustigerweise hing seine Motorradjacke auf dem Fahrzeug. Ich zog sie an, auch wenn sie mir um einiges zu groß war. Perücke auf und Kontaktlinsen rein und fertig war ich.
„Willst du dir nichts anderes anziehen?“, fragte Mason plötzlich neben mir und ich zuckte zusammen.
„Nein. Ich kann selbst auf High Heels besser kämpfen als jeder Einzelne hier. Ich bin nicht umsonst die beste Jägerin auf der Welt. Und bevor du fragst. Nein, ich brauche keine Waffen ich hab sie bei mir.“ Ich wies auf meine Tasche.
„Na dann...Viel Glück.“, wünschte mir Mason und wollte mich umarmen, jedoch wich ich ihm aus und lächelte entschuldigend. Ich war nicht bereit mich wieder an den Alltag im Beisein meiner Freunde und Verwandten zu gewöhnen. Das würde den baldigen Abschied noch schwerer machen als er jetzt schon war. Ich wollte nicht, dass meine Gefühle die Oberhand gewannen. Schmerz durchzuckte mich als ich sah wie Mason traurig die Arme fallen ließ und mich verständnislos ansah.
„Danke Mason. Es wird spät werden. Also wartet nicht auf mich. Wir reden morgen.“ Auch wenn ich nicht wusste ob ich morgen wirklich noch hier sein würde. Ich hatte mich von meinem Vater verabschiedet. Ihm vergeben. Ich konnte beruhigt gehen. Elegant schwang ich mich auf die schwarze Ninja 300. Ich ließ den Motor an und raste davon.
Die Fahrt dauerte ungefähr zwei Stunden. Dank einer Umleitung wegen eines Verkehrsunfalls, welche mich in einen riesen Stau brachte. Doch dann kam ich endlich in der Stadt an. Ich parkte an der Seite und rief Dimitri an.
„Wo seid ihr?“, fragte ich ihn.
„Wir sind in so einem Park. Der an dem St. Mary's Square.“
„Alles klar. Ich bin gleich da.“
„Das wäre gut. Die Jungs hier werden langsam ungeduldig.“
„Sie sollen sich gefälligst benehmen sonst sind sie draußen. Ich kann keine ungehobelten, undisziplinierten Jungs in meiner Organisation gebrauchen.“, knurrte ich.
„Ich werde es ihnen ausrichten.“, erwiderte Dimitri und legte auf. Ich ließ den Motor aufheulen und brauste zum Park. Als ich ankam saßen die Jungs gelangweilt auf dem Gras und starrten ins Nichts. Doch als sie mich kommen sahen, sprangen sie freudig auf.
„Lady Sophie. Endlich seid Ihr hier! Wir sterben schon vor Langeweile. Jetzt können wir endlich mal wieder ein paar Strigoi abschlachten.“, sagte einer der Jungs. Sofort verengte ich meine Augen zu Schlitzen.
„Wie alt bist du?“, wollte ich wissen. Verwirrt antwortete der junge Mann: „Zweiundzwanzig.“
„Nun gut. Als zweiundzwanzigjähriger Wächter solltest du eigentlich wissen was Geduld ist. Und wie man so eine Mission richtig angeht. Und, dass wir hier nicht alleine im Park sind! Immerhin haben wir hier Menschen um uns, die keine Ahnung von uns Vampiren haben. Und dass soll auch so bleiben!“, polterte ich. „Und auch ihr anderen. Soweit es unsere Organisation angeht, sind wir ein seriöses Unternehmen, welches seine Angriffe möglichst so plant, dass die Menschen nichts davon erfährt! Also werden wir das so machen, dass wir heute Abend zuschlagen. Sobald es dunkel wird. Und wenn ihr euch nicht in Geduld üben könnt, dann seid ihr hier falsch und könnt gleich wieder gehen. Habt ihr verstanden?“ Hastiges Nicken von den anderen. Etwas ruhiger wandte ich mich an Dimitri: „Habt ihr euch die Fabrik angesehen?“ Lächelnd antwortete dieser: „Ich hab mich darum gekümmert. Sie ist vollkommen abgeschieden von der Welt. Ein Ort wo Obdachlose ihre Nächte im Winter verbringen. Da verirrt sich kein Mensch hin.“
„Alles klar. Dann treffen wir uns in fünf Stunden also Punkt fünf Uhr wieder hier.“, bestimmte ich. „In der Zeit könnt ihr alles mögliche hier machen aber ihr haltet euch von der Fabrik fern. Verstanden?“ Wieder hastiges Nicken. „Gut. Dann bis nachher.“ Und die Jungs verschwanden in alle Richtungen. Ich drehte mich zu Dimitri um.
„Und was machen wir beiden jetzt?“, fragte ich lächelnd.
„Wir setzen uns in ein schönes Café und reden ein bisschen. Auch wenn ich natürlich schon so viel über dich weiß.“
„Na dann erzählst du mir alles was das Schloss und seine Bewohner betrifft. Alles Wichtige was in den letzten drei Jahren passiert ist.“
„Das kann ich gerne machen. Komm.“ Er hielt mir seinen Arm hin und ich hakte mich bei ihm unter. Lächelnd gingen wir durch die Straßen. „Du bringst dich noch um mit den Highheels.“
„Du hast Recht. Warte mal.“ Wir blieben stehen und ich setzte mich auf den Boden. Dann fasste ich in meine Tasche und holte mir schwarze Boots raus. Ich streifte meine High Heels ab und zog die Stiefel an.
„Für alles gewappnet.“ Dimitri grinste belustigt. „Wie immer.“
„Natürlich. Immerhin bin ich eine Frau. Ich kann alles mögliche aus meiner Tasche zaubern.“ Ich stand auf und wir schlenderten zu einem nahegelegenen Café.
Wir setzten uns an einen kleinen Tisch für zwei in einer ruhigen Ecke und bestellten uns zwei Cappuccino.
„Und? Was ist denn nun in den letzten drei Jahren passiert?“, wollte ich neugierig wissen. Dimitri nippte an seinem Cappuccino und meinte: „Nun ja viel zu viel. Was willst du denn am Meisten wissen?“
„Alles was unsere Freunde betrifft. Seit wann sind Sarah und James zusammen? Wann und warum wurde sie zum Vampir? Wie war der Abschluss der drei? Wo ist Tristan? Ich hab ihm überhaupt nicht gesehen. Was ist mit dir?“ Ich machte eine Pause um ihn antworten zu lassen.
„Sie haben alle drei einen super Abschluss gemacht. Alle nicht schlechter als ein 2,2 Durchschnitt. Sie wissen nur noch nicht als was sie arbeiten wollen und machen dieses Jahr Pause. Alle außer Tristan. Der studiert jetzt Jura in Amerika. Harvard University zusammen mit seinem Freund.“ Ich nickte. Das war schon früher sein Wunsch gewesen. Später ein ganz berühmter Anwalt zu werden mit Abschluss in Harvard. Seine Eltern mussten stolz auf ihn sein. Kurz darauf riss ich meine Augen auf und verschluckte mich an meinem Cappuccino.
„Wie bitte? Freund?!“, rief ich erschrocken aus. Einige Leute drehten sich zu uns um.
„Ja, Freund. Er ist mit einem Menschenjungen zusammen gekommen. Irgendeiner von der Schule. Derrick oder so hieß er. Wir haben ihn nie kennengelernt. Tristan wollte ihn nicht in die Geheimnisse mit rein ziehen. Sie sind im letzten Schuljahr nach unendlich vielen Mühen von Jana und Sarah zusammen gekommen.“ Ich nickte nur mit großen Augen. Wie sehr wünschte ich mir, dass Tristan glücklich war. Dimitri räusperte sich und erzählte weiter: „Nun ja. Weiter im Text. Kurz nachdem du vom Hof gegangen bist, sind Sarah und James ganz plötzlich zusammen gekommen. Kurz darauf wurde sie zu seiner Gefährtin gekennzeichnet. Sie war der gleichen Meinung wie Jana und entschied so schnell wie möglich verwandelt zu werden. Sie wollte es auf die kurze, fast schmerzlose Art. Nun ja. Sie wurde verwandelt und macht sich gut als Prinzessin. Sie und Jana lernten schnell die höfischen Regeln und machen sich gut am Hof. Sie reisten mit dem König und seinen Söhnen in verschiedene Länder Europas zu verschiedenen Anlässen. Bälle, Konferenzen. Alles mögliche. Der König ist stolz auf sie.“
„Und wie ist es meiner Mutter und meinem Vater ergangen?“, erkundigte ich mich.
„Nun ja. Ein Jahr nach deinem Weggang heirateten sie. Die Krönung deiner Mutter fand nach ihrer Verwandlung statt. Die Hochzeit war skandalös, weil deine Mutter weder eine Vampirin, noch adelig, noch die Gefährtin deines Vaters war. Und doch lieben sie alle. Jedenfalls fast. Nun ja. Jetzt wo dein Vater nicht in der Lage ist zu regieren, regiert sie zusammen mit Mason. Und sie macht sich gut. Sie ist gerecht und herrscht mit einer Weisheit über die Vampire, die ich einem Menschen, der noch nie am Hof gelebt hat, nicht zugetraut hätte. Dein Vater ist eine ganz andere Geschichte. Er verzieh sich nie was er getan hatte. Er war ein Scheusal. Einfach unausstehlich. Er machte sich große Vorwürfe und hatte eine vollkommen verständliche Angst um dich. Er zog sich immer weiter vom Hofleben zurück und ließ sich kaum noch außerhalb seines Arbeitszimmers blicken wo er an etwas arbeite, soweit deine Mutter erzählt. Und am Tag deines 'Todes' erkrankte er. Kein Arzt der Welt konnte ihm helfen. Er wurde immer schwächer und schwächer.“
„Und hast du eine Ahnung was er hat?“
„Ich habe eine Vermutung. Es ist sein Herz.“
„Sein Herz? Was meinst du?“
„Na ja. Vampire können nicht an einen Herzinfakt sterben. Jedoch setzte sein Herz öfters eine kurze Zeit aus. Und das liegt wahrscheinlich wirklich daran, dass sein Herz so verkrampft ist. Und das liegt an seiner Entscheidung vor drei Jahren.“
„Also ist es meine Schuld, dass er so krank ist?“, fragte ich entsetzt.
„Nein! Ich sagte an seiner Entscheidung! Nicht an dir.“
„Aber nur durch meine Wahl König Erik von Schweden nicht zu heiraten, hatte er diese Entscheidung getroffen!“
„Er hätte es nicht öffentlich machen sollen. Dann wäre das alles nicht passiert.“, widersprach Dimitri entschlossen. „Ich will nicht gegen den König hetzen, jedoch ist es so.“
„Und ich will nicht weiter streiten. Wie ist es dir in den drei Jahren ergangen? Irgendwas was ich wissen sollte?“, wechselte ich das Thema. In diesem Punkt würden wir sowieso immer unterschiedliche Meinungen haben. Es machte keinen Sinn sich darüber zu streiten.
„Ich habe dir geholfen die Organisation aufzubauen, habe dir zur Seite gestanden, habe das Schloss und deine Freunde beschützt. Auch wenn sie niemals in Gefahr waren. Und...nun ja...“, drückte er herum.
„Was?“ Neugierig sah ich ihn an.
„Ich habe eine Frau kennengelernt.“
„Wirklich? Das ist doch wunderbar!“ Ich freute mich für meinen besten Freund und Mentor.
„Das Problem ist... Sie ist die Schwester von Alec.“
„Kendra? Was ist daran ein Problem? Mag sie dich denn auch?“
„Ja, sie und ich haben uns schon vor einer Weile unsere Liebe gestanden. Im Moment ist sie bei ihrer Mutter auf Rosencastle aber sie sollte morgen zurück sein. Und du hast da nichts gegen?“
„Wieso sollte ich was dagegen haben? Alec sollte eher was dagegen haben. Er ist ihr Bruder.“
„Er freut sich für uns.“
„Na also. Kein Problem. Ich freu mich sie wieder zu sehen.“
„Sie sich bestimmt auch. Und ich freu mich erst sie wieder zu sehen.“ Er hatte ein verklärtes Lächeln im Gesicht als er von ihr sprach. Ich musste grinsen. „Was denn?“
„Du bist so süß. Schwer verliebt steht dir aber nicht. Ich bin eher für den knallharten Wächter.“ Er boxte mich lächelnd in die Seite.
„Selbst der knallharte Wächter kann sich verlieben.“
„Das sehe ich ja auch. Ich freu mich total für dich.“
„Ja. Das fühle ich.“ Ich musste lachen.
„Hör auf in meinen Gefühlen rum zu stochern.“ Entschuldigend hob er die Hände und meinte grinsend: „Ich kann nicht! Und das weißt du.“
„Nein, natürlich nicht.“ Ich sah ihn nachdenklich an. „Habe ich mich eigentlich jemals dafür bedankt, dass du in den letzten drei Jahren an meiner Seite standest? Ich hätte das ohne deine Hilfe nicht überlebt. Besonders nicht das Training der Ältesten.“
„Du hast dich oft genug bedankt. Genauso oft wie du mich beleidigt hast.“ Dimitri lachte.
„Ich kann nichts dafür du Idiot! Wenn du meine Befehle einfach mal änderst.“
„Und schon wieder eine Beleidigung.“, seufzte Dimitri theatralisch und fasste sich ans Herz. „Mehr halte ich wirklich nicht aus.“
„Na, na. Nicht sterben. Was soll ich denn deiner Geliebten sagen? Dass du, der starke, tapfere, mutige und sexy Dimitri, wegen ein paar keinen liebevollen Beleidigungen gestorben bist? Sie wird dich für einen Schwächling halten.“, sagte ich liebevoll provozierend.
„Das wagst du nicht!“, lachte Dimitri.
„Und ob ich das wage.“ Meine Augen blitzten belustigt und Dimitri lehnte sich zurück. „Jetzt kommen wir mal zu den geschäftlichen Dingen. Die weshalb wir hier sind. Was denkst du Dimi. Warum sind so viele von denen hier auf einem Haufen? Das letzte Mal als so viele gemeinsam gekämpft haben, war als Max sie angeführt hat. Das heißt entweder sie haben wieder einen besonderen Anführer, der sie zusammenhält oder sie haben ihre Taktik geändert.“
„Niemals würden sie ihre Taktik ändern. Sie sind nicht dazu gemacht in einer Gemeinschaft zu leben. Das unterscheidet sie maßgeblich von uns. Sie müssen einen Anführer haben, der ihnen Befehle gibt und sie zusammen hält. Sie würden sich sonst in einer Gruppe einfach gegenseitig abschlachten.“
„Und dann geht das Gleiche wie vor drei Jahren wieder los.“, seufzte ich. „Ich werde zu alt für diesen Kram.“
„Du bist erst zwanzig Cat!“, lachte Dimitri los. „Was soll ich denn sagen? Ich bin sechsundzwanzig und verlobt. Ich sollte bei meiner Liebsten sein, Kinder bekommen und nicht gegen irgendwelche Monster kämpfen.“
„Verlobt?!“, quietschte ich. „Ich dachte ihr seid erst seit kurzem zusammen!“
„Wann habe ich das denn gesagt? Kendra und ich sind seit zweieinhalb Jahren zusammen. Wir lieben uns und wollen das öffentlich kund tun. Der Termin steht auch schon fest. Ein weiterer Grund wieso du länger in England bleiben sollst. Der Hochzeitstermin ist in drei Wochen.“ Ich schloss kurz die Augen.
„Seid ihr nicht ein bisschen jung um zu Heiraten? Immerhin bist du erst sechsundzwanzig und sie erst neunzehn!“
„Und trotzdem lieben wir uns und wollen unser Leben miteinander verbringen.“
„Und Alec hat da zugestimmt? Und ihre Mutter auch? Wie hast du das angestellt? Die Mutter hat mich von Anfang an gehasst. Und du kommst zu ihr und bittest sie um die Hand um ihre Tochter und sie gibt euch ihren Segen?“
„Ähm. Ja, so war es ungefähr.“ Ich seufzte. Das war ja so klar gewesen. Dimitris Charme konnte also noch nicht einmal die böse Mutter widerstehen. Wir unterhielten uns noch eine Weile und dann bezahlte ich die Rechnung und wir machten uns zurück auf den Weg zum Park. Es wurde Zeit endlich unseren Job zu erledigen.
I can't go back to yesterday, because I was a different person then.
(Lewis Carroll „Alice im Wunderland“)
Als Dimitri und ich im Park ankamen saßen die Jungs entspannt im Gras und sonnten sich. Sie bekamen immer wieder verstohlene Blicke von den Menschen im Park zugeworfen und alle hielten einen gewissen Abstand zu ihnen. Kein Wunder, denn alle zwanzig waren muskelbepackt und strahlten eine Aura der Macht und Stärke aus, die Menschen normalerweise abschreckte.
„Seid ihr bereit?“, wollte ich lächelnd wissen und die Jungs nickten. „Nun. Dann los. Bringen wir die Sache hinter uns.“ Sie standen auf und gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu der Fabrik. Ich fuhr mit dem Motorrad hinter Dimitri her und in Kürze erreichten wir das verlassene Industriegebiet. Überall waren verschlossene, heruntergekommene Fabriken zu sehen, die schon lange ihre Blütezeit hinter sich hatten. Es war schon düster und tauchte das Gelände in eine düstere Atmosphäre. Dazu hinzu kam, dass es anfing zu regnen und eine schwarze Gewitterwand auf uns zu kam.
„Es ist genauso wie das letzte Mal als wir zusammen gekämpft haben. Erinnerst du dich noch daran?“, fragte Dimitri leise neben mir. Ich sah ihn von der Seite an und lächelte kurz bei der Erinnerung daran.
„Ja, ich erinnere mich gut daran. Immerhin wurden wir dort zu richtigen Waffenbrüdern.“ Mein Blick schweifte in die Ferne als ich mich daran zurückerinnerte was vor fast zwei Jahren passiert war.
„Hey Dimitri. Schön dich zu sehen.“ Erfreut ließ ich meinen besten Freund eintreten, der sich meine Wohnung genau ansah. Es war keine Luxuswohnung, jedoch reichte es mir zu Leben. Immerhin war ich kaum hier, sodass diese Wohnung einfach nur zum Schlafen und Essen genutzt wurde. Außerdem wurde sie von allen möglichen Leuten aus der Organisation benutzt, die in der Nähe einen Auftrag hatten. Persönliche Dinge würden hier also nichts bringen.
„Hey Cat. Schön dich zu sehen.“ Er umarmte mich und ich erwiderte glücklich seine Umarmung. Es war ein Zufall, dass er hier in Louisiana war. Er war mit dem König und seiner Familie nach New York geflogen um die dort sitzende Königsfamilie zu besuchen. Unter einem Vorwand hatte er sich vom Hof abgesetzt und war mir zu Hilfe gekommen. Niemand hatte etwas bemerkt.
„Wenn du willst können wir gleich los. Es ist nicht weit weg und ich würde diesen Job gerne schnell erledigen. Jack und Miranda sind schon da und warten wahrscheinlich schon ungeduldig auf uns.“
„Klar, lass uns fahren. Während der Fahrt kannst du mir ja schnell erzählen was genau mich da erwartet.“ Schnell schnappte ich mir meine Jacke und meine Tasche mit Waffen und kurz drauf waren wir bei der Fabrik. Es war ein altes, baufälliges Gebäude, welches schon bessere Tage gesehen hatte. Miranda und Jack gingen vor uns und wir sahen uns aufmerksam um. Staub und Sägespäne hatten sich in dem Alten Sägewerk abgesetzt. Die Geräte waren rostig und die Wände mit Graffiti besprüht. Diese Fabrik war ein beliebtes Ausflugsziel von Jugendlichen, die hier einige Mutproben absolvierten und seit ein paar Wochen verschwand jeder Jugendliche, der nur in der Nähe dieser Fabrik gewesen war. Nach Tagen fand man dann nur noch eine blutleere Leiche. Das war ein Fall für mich gewesen und ich hatte mich sofort darüber informiert.
„Habt ihr das gehört.“, wisperte Miranda in diesem Moment. Wir blieben stehen und lauschten. Es war ein Lachen. Dann war ein Schrei zu hören, der abrupt endete und in ein Gurgeln überging. Wir sahen und kurz in die Augen und nickten.
„Alles klar. Es kann los gehen.“, flüsterte ich. Wir zogen unsere Waffen hervor und schlichen auf die Tür am Ende der Halle zu. Jack nickte uns aufmunternd zu und riss die Tür auf. Wir stürmten in den Raum und überraschten somit die dort anwesenden Strigoi. Wir stürzten uns in den Kampf. Dimitri deckte mich während ich einen nach dem anderen tötete. Plötzlich fühlte ich wie mich Stärke durchfloss. Mit einer Leichtigkeit, die mich selber überraschte, überwältigte ich die Strigoi und als der Kampf vorbei war, starrte ich Dimitri nur an.
„Ich hatte mir das spektakulärer vorgestellt.“, erklärte ich meinem Mentor. Dimitri sah mich nur überrascht an und lachte.
„Ja. Ich mir auch. Nachdem alle so einen Wirbel über das Band gemacht haben welches die Waffenbrüder verbindet...“
„Sophie? Wollen wir dann langsam mal rein? Das ist auffällig wenn wir hier die ganze Zeit nur rum stehen und die Fabrik anstarren.“, riss mich einer der Jungs aus der Vergangenheit. „Außerdem ist es ganz Nass.“ Es war derjenige, den ich bei meiner Ankunft in Aylesbury so angeschnauzt hatte.
„Was? Ach ja. Klar. Lasst uns rein gehen.“, meinte ich und Dimitri grinste. Er wusste ganz genau wo meine Gedanken eben gewesen waren. „Nun eine letzte Sache noch. Ich möchte, dass mindestens einer wenn nicht sogar zwei gefangen genommen werden. Ich möchte wissen was hier läuft und was uns bevor steht. Alles klar?“ Die Jungs nickten.
„Und ich warne euch. Keine Alleingänge.“, ergänzte Dimitri grinsend mich imitierend. Wir sahen uns noch einmal um. Nicht, dass es dann doch noch unfreiwillige Zeugen gab. Dann öffnete Dimitri leise und vorsichtig die Tür, die dennoch ein leises Quietschen von sich gab. Wir hielten die Luft an und lauschten. Doch es war alles ruhig. Nichts war zu hören.
„Und ihr seid euch sicher, dass das diese Fabrik ist?“, wollte einer der Wächter wissen.
„Ja. Genau diese Koordinaten hat uns unsere Informantin genannt. Und jetzt still.“, wisperte ich. Wir irrten weiter durch die verschiedenen Abteilungen der Fabrik. Suchten sie durch, vom Erdgeschoss bis in den zweiten Stock, doch wir konnten nichts finden.
„Und jetzt?“, fragte Dimitri. „In den Keller?“ Ich nickte. Leise öffnete er die Tür, die in den Keller führte und hintereinander liefen wir leise die alten Treppen runter, die verräterisch laut knarrten. Die Strahler der Taschenlampen warfen nur ein leichtes Licht und waren keine große Hilfe. Doch wir wussten sofort, dass wir nicht alleine waren als wir unten ankamen. Der Boden war mit frischem Blut besudelt. Das Meiste war noch nicht einmal getrocknet.
„Lecker.“, murmelte ich.
„Wenigstens wissen wir jetzt, dass wir hier wirklich richtig sind.“, erwiderte einer. Lautes Lachen ertönte und die Jungs sahen zu einer Tür am Ende des Ganges. Ich nickte ihnen zu.
„Denkt daran. Ich will mindestens einen lebend. Wenn nicht sogar zwei.“, ermahnte ich sie und umfasste meine Waffe fester.
Dann ging alles schnell. Die Tür wurde aufgerissen und Strigoi stürmten auf uns zu. Überrascht wichen wir nach hinten aus und versuchten eine Möglichkeit zu finden uns in diesem engen Gang zu verteidigen. Das Gute war, dass immer nur zwei nebeneinander kämpfen konnten, doch die eingeschränkte Bewegungsfreiheit machte uns unsicher und plump. Wir mussten sie zurück drängen! Zurück in den anderen Raum. Dort war bestimmt mehr Platz für einen fairen Kampf. Mann gegen Mann. Doch als wüssten die Strigoi was unsere Schwachstelle war, drängten sie uns immer weiter nach hinten in den Gang hinein. Da ich hinter allen anderen stand und somit nicht in die Kämpfe verwickelt werden konnte, versuchte ich eine Tür nach der anderen zu öffnen, die entlang des Ganges auf beiden Seiten verteilt waren. Doch vergeblich. Sie waren verschlossen. Ein Mann aus unserer Kampfeinheit sah mich stirnrunzelnd an und schob mich aus dem Weg. Dann nahm er Anlauf, sofern man die drei Schritte, die er machen konnte als Anlauf bezeichnen konnte und sprang mit voller Wucht gegen die Tür, die zersplitterte. Sofort drängten wir uns in das dahinterliegende Zimmer, welches uns eine bessere Möglichkeit zum Kämpfen bot. Sofort drängten sich die Strigoi um uns und ich hatte keine Zeit mir um etwas anderes Sorgen zu machen als darum unbeschadet und mit mindestens einem Gefangenen aus diesem Kampf heraus zu kommen.
Vollkommen fertig mit den Nerven lehnte ich mich an die Wand und sah wütend den gefangenen Strigoi an. Es war eine Frau Mitte dreißig mit roten Haaren, dunkelbraunen Augen und einem arroganten Gesichtsausdruck. Sie war mit Silberfesseln auf einem Stuhl fest gekettet und obwohl das Silber ihre Haut verbrennen musste, schwieg sie weiter beharrlich. Wir versuchten schon seit einer ganzen Weile Informationen herauszubekommen, doch sie war hartnäckig und wollte einfach nicht mit der Sprache raus rücken. Bis jetzt hatten wir keine Gewalt angewandt aus Hoffnung sie würde so reden, doch das war eine vergebliche Hoffnung gewesen.
Die anderen Jungs waren nach Hause gefahren. Einer hatte Dimitris Motorrad genommen und ins Schloss gebracht. Er hatte uns bei der Familie entschuldigt und war dann nach Hause gefahren. Dimitri und ich waren zusammen mit der Frau die Einzigen, die noch in der Fabrik waren. Wir standen jetzt schon mindestens eine Stunde hier und ich wurde immer ungemütlicher.
„Mir reicht´s.“, knurrte ich irgendwann. Ich stieß mich von der Wand ab, kramte in meiner Tasche und zog einen Dolch heraus. Es war ein ganz besonderer Dolch. Er war ein Geschenk von Alec gewesen und dank einiger Tipps der Vampirältesten eine wirksame Folterwaffe für Strigoi. Die Klinge war mit Weihwasser benetzt und in heiligem Feuer gehärtet worden. Jetzt war die Klinge schwarz anstatt silbern.
„Was ist das denn für ein niedliches Spielzeug. Willst du mich damit töten?“, höhnte die Frau lachend. Ich wirbelte den Dolch in meinen Händen herum.
„Ach damit lasse ich mir Zeit. Im Moment reicht es mir einfach nur Antworten zu bekommen.“ Ich ging vor ihr in die Hocke und fragte lieblich: „Wieso seid ihr hier in Aylesbury?“
„Wieso denn nicht? Ist doch ein süßes kleines Städtchen?“, entgegnete sie. „So viele, so höfliche Menschen. Und so lecker!“ Ich strich sanft mit dem Dolch über ihren Arm und hörte wie sie schmerzerfüllt zischte.
„Und weiter? Abgesehen von den leckeren Menschen. Was macht ihr sonst noch in Aylesbury?“
„Nichts weiter.“ Und ein weiterer Schnitt verunstaltete den Körper der Strigoi.
„Gut wir fangen mal ganz von vorne an.“, seufzte ich. „Wie heißt du?“
„Anna.“, keuchte sie.
„Sie sagt die Wahrheit.“, sagte eine Stimme hinter uns und Dimitri und ich wirbelten gleichzeitig herum.
„Sam!“, stieß ich überrascht hervor. Der blonde Typ mit den Engelslächeln wie ich ihn gerne bezeichnete, grinste mir zu.
„Hey Sophie. Ich dachte ihr könntet einen Wahrheitsfinder gebrauchen. Die anderen meinten ihr würdet noch hier sein.“ Er zwinkerte mir zu.
„Wir können dich in der Tat gut gebrauchen.“, meinte Dimitri und lehnte sich wieder entspannt an die Wand während ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Anna richtete.
„Und? Wieso seid ihr nun hier?“, fragte ich und strich ihr mit dem Dolch über das Gesicht. Die Kratzer bluteten und das Blut lief ihr in die Augen. Sie blinzelte hektisch um das Blut herauszubekommen.
„Muss es denn einen besonderen Grund geben warum wir hier sind?“, fragte Anna im Gegenzug.
„Allerdings. Es liegt nicht in eurer Natur euch zu verbünden. Zuletzt ist das passiert als Max euch noch anführte. Also. Wer hält euch zusammen? Und wieso seid ihr in Aylesbury?“
„Ach ja. Max. Er war wirklich super. Als Anführer sowie im Bett. Natürlich hatte ich ihn nie für mich alleine. Immerhin war er eine solche Schönheit. Und seine Brutalität hat ihn einfach noch perfekter gemacht. Natürlich war ich viel zu alt für ihn, doch das hat keinen von uns beiden abgehalten wirklich unverschämte Dinge zu tun...“ Sie seufzte und ich biss die Zähne zusammen. Dimitri schickte mir eine Reihe beruhigender Gefühle und ich entspannte mich wieder. „Wieso so angespannt Sophie? Wolltest du ihn denn haben?“
„Nein, ich habe mich nur daran erinnert, dass eine Freundin von mir wirklich lange gebraucht hat um ihn umzubringen.“
„Denkst du wirklich ich falle auf das Theater herein? Denkst du wirklich ich weiß nicht wer du bist?“, fragte Anna entspannt. Trotz dessen, dass sie gefangen auf einem Stuhl saß und gefoltert wurde, war sie entspannt und sogar bereit mich zu provozieren. „Die kleine unerwünschte Prinzessin, die verbannt wurde, weil sie sich gegen ihren Vater aufgelehnt hatte. Du musstest echt gelitten haben in den einsamen Jahren der Verbannung.“ Ich versuchte entspannt zu atmen und mir nichts anmerken zu lassen. Ich durfte ja nichts sagen, denn Sam war da und würde jede Lüge sofort erkennen.
„Ich bin keine Prinzessin.“ Jedenfalls nicht mehr, ergänzte ich in meinen Gedanken.
„Natürlich nicht. Jetzt nicht mehr. Immerhin wurdest du verbannt und deines Amtes enthoben.“ Ich ignorierte ihre Aussage und widmete mich wieder meiner Aufgabe. Sie hatte Informationen, die ich unbedingt aus ihr heraus bekommen musste.
„Wer ist euer jetziger Anführer?“, fragte ich ruhig, das Messer in der Hand haltend. Wieder bekam ich nur einen arroganten Blick zugeworfen. Ich verdrehte die Augen und rammte den Dolch tief in ihren Oberschenkel. Das Blut spritzte auf und ihr Schrei hallte durch den leeren, alten Raum.
„Nun gut. Dann eben auf die harte Tour. Lassen wir dich eben ausbluten. Ich sehe es zu gern wenn deinem Körper langsam die Flüssigkeiten entzogen werden und er langsam aber sicher austrocknet. Du wirst an nichts anderes als an Blut denken können und ich werde hier sitzen. Ein leckeren Drink in der Hand und Dimitri wird sich genüsslich ein bisschen was zu trinken holen... Er trinkt für sein Leben gern AB. Und Sam hier liebt die Blutgruppe Null.“ Dimitri sah mich erschrocken an. Diese Seite kannte er nicht an mir. Er wusste überhaupt nicht wozu ich fähig war. Wir hatten zwar regelmäßigen Kontakt gehabt aber wir hatten nie darüber gesprochen wie ich meine Arbeit verrichtete. Sam dagegen sah entspannt zu wie das Blut von Anna auf den Boden tropfte. Genüsslich drehte ich den Dolch noch einmal in der Wunde bevor ich ihn mit einem Ruck heraus zog. Ich sah wie ihre arrogante Miene sich in Entsetzen verwandelte und bevor ich ihr die Waffe in den Bauch rammen konnte, fing sie stockend an zu reden: „Sie heißt Dunja. Kaum jemand hat sie mit eigenen Augen gesehen. Wir bekommen es immer mit ihren Vermittlern zu tun, die uns sagen was wir zu tun haben. Sie meinte, dass wenn wir das machen was sie möchte, bald die Anführer der Welt sein würden. Wir würden über alles herrschen und die normalen Vampire bald völlig auslöschen.“ Tränen traten ihr in die Augen, was ungewöhnlich war, denn Strigoi hatten normalerweise keine Gefühle. Sie waren emotionslose Killer. Fragend blickte ich Sam an. Dieser nickte und antwortete: „Sie sagt die Wahrheit.“ Abschätzend sah ich sie an.
„Weißt du die Namen einiger dieser Vermittler?“, wollte Dimitri wissen.
„Nur einen. Er heißt Shane. Wir haben ihn immer in dem Pub hier in der Nähe getroffen. Aber manchmal trafen wir ihn auch bei sich Zuhause. Er lebt am Stadtrand in einem alten, heruntergekommenen Haus. Der Bedgrove Park ist in der Nähe und die Straße heißt Langdon Ave 65. Wir waren für heute Abend verabredet. Wir sollten um halb drei Uhr morgens dort auftauchen und er würde uns weiterer Informationen zukommen lassen.“ Sie keuchte. „Bitte. Mehr weiß ich wirklich nicht!“
„Wieder die Wahrheit.“, meldete sich Sam zu Wort.
„Nun gut.“, seufzte ich und wandte mich an die beiden Männer hinter mir. „Dann werden wir diesem Shane mal einen Besuch abstatten.“ Und bevor irgendjemand etwas sagen konnte rammte ich Anna den Dolch ins Herz. Sie zuckte, senkte entsetzt den Blick auf ihre Brust und sah mich dann mit verwunderten Gesichtsausdruck an. Sie öffnete den Mund, doch kein Laut kam über ihre Lippen und ich sah ihr in die Augen und wartete, dass das Licht darin erlosch. Dann wandte ich mich ab und meinte: „Kommt. Lasst uns unser kleines Treffen hinter uns bringen.“
„Du hast sie umgebracht!“, rief Dimitri erschrocken aus.
„Sie war ein Strigoi. Ich musste sie töten.“, meinte ich unbarmherzig und schritt auf den Ausgang zu.
„Sie...“ Dimitri brach ab und schwieg.
„Dimitri. Du scheinst zu vergessen was unsere Mission ist. Wir sind dafür da, dass die Menschen sicher leben können ohne Angst haben zu müssen von Strigoi überfallen und ausgesaugt werden zu müssen.“
„Du hast Recht aber.... Hättest du sie töten müssen?“
„Ja. Sie war eine potenzielle Gefahr für jeden.“, erwiderte ich einfach nur und schritt auf Dimitris Auto zu. Ich hörte wie sie mir folgten und kurz darauf waren wir auf dem Weg zu Shane.
„Bereit?“, fragte Dimitri. Ich war versucht zu antworten: 'Bereit wenn du es bist.' Doch dieser Satz gehörte der Vergangenheit an. Er war das was Alec und ich uns immer gegenseitig auf die Frage geantwortet hatten. Schmerz durchzuckte mich, doch ich schüttelte ihn ab. Ich wollte nicht an ihn denken. Deshalb nickte ich nur und klopfte energisch an die Tür den heruntergekommenen Hauses. Es war ein Haus wie aus einem Horrorfilm entsprungen. Efeu räkelte sich die Mauer herauf, die wirkte als würde sie jeden Moment zerbrechen und in ihre Einzelteier zerfallen. Oder zu Staub. Zusätzlich waberte ein unheimlicher Nebel über den Boden. Die Fenster des Hauses waren mit Brettern vernagelt. Kein einziger Funken Licht drang zu uns nach Draußen. Genau wie Geräusche. Meine Aufmerksamkeit widmete sich der Tür als ich Schritte hinter ihr bemerkte. Sie waren zögernd.
„Wer ist da?“, wollte eine tiefe Männerstimme misstrauisch wissen. Ich bedeutete die beiden Männer an meiner Seite zu schweigen und sich in den Schatten zu verziehen und antwortete lieblich: „Guten Abend Sir. Ich hätte eine Frage. Mein Auto ist liegengeblieben. Könnte ich einmal kurz bei ihnen telefonieren?“
„Haben Sie kein Handy? Das hat doch jeder heutzutage.“
„Der Akku ist leer. Heute ist eindeutig nicht mein Tag. Erst hat mein Freund mich für meine beste Freundin verlassen, dann baue ich beinahe einen Unfall und jetzt das!“ Ich legte große Verzweiflung in meine Stimme und hörte wie der Mann hinter der Tür seufzte. Dann rasselte eine Kette und die Tür öffnete sich knarzend. Er öffnete sie nur so weit, dass er seinen Kopf hinausstrecken konnte und meinte: „Warte hier. Ich hole mein Handy und dann darfst du telefonieren.“ Ich sah den Mann freundlich fragend an. Er war Mitte fünfzig und hatte schon einige Falten im Gesicht. Seine braunen Augen hatten etwas warmes in sich, und die braunen Haare standen strubbelig vom Kopf ab. Ich fragte mich wie es sein konnte, dass jemand so jemanden in einen Vampir verwandelte.
„Könnte ich nicht rein kommen? Es ist schon dunkel und diese Gegend scheint gefährlich zu sein.“
„Das ist keine so gute Idee. Ich brauch auch nicht lange.“
„Wieso darf ich denn nicht rein kommen? Haben sie im Keller Leichen versteckt?“, wollte ich scherzhaft wissen. Dann trat ich fest gegen die Tür. Shane, wenn er das überhaupt war, stolperte zurück und ich konnte leicht ins Haus. „Kommt rein Jungs.“
„Wer sind Sie?“, fragte der alte Mann. „Und was wollen Sie?“
„Wer wir sind, ist nicht wichtig. Und wir sind hier um Antworten zu bekommen! Sind sie Shane?“, fragte Sam barsch.
„Nein! Ich bin John. Ich wohne hier zusammen mit Shane! Ich bin auch gerade eben angekommen. Die Tür war offen und ich bin rein gegangen und wollte ihn zur Schnecke machen, weil er so unvorsichtig war und in einer Gegend wie dieser die Tür nicht abzuschließen aber.... aber...“
„Aber was?“, fauchte ich ungeduldig. John senkte den Kopf und faltete die Hände.
„Er ist tot.“, waren seine Worte.
„Was?“, fragten wir drei gleichzeitig.
„Er ist im Wohnzimmer.“ Wortlos drehte er sich um und ging den Flur hinunter. Wortlos folgte Dimitri ihm und Sam und ich folgten ihm widerwillig. Als wir das Wohnzimmer betraten, kniete Dimitri schon neben der Leiche von Shane und untersuchte sie. Diese sah wirklich unschön aus. Abgesehen davon, dass ihm ein Pflock ins Herz gestoßen worden war, standen seine Arme und Beine noch in einem unnatürlichen Winkel von seinem Körper ab. Zugleich war seine Kehle durchgeschnitten. Das Blut war schon geronnen, doch Shane lag in einer großen Pfütze aus seinem eigenen Blut. Das weißblonde Haar war blutgetränkt und das weiße Hemd ebenfalls. Seine braunen Augen starrten ängstlich an die Decke.
„Oh mein Gott.“, flüsterte ich. Selbst für mich, jemanden mit vielen Erfahrungen im Thema Folter, war das zu viel. Ich schloss die Augen.
„Er ist schon etwas länger tot. Mindestens zwei, drei Stunden. Anscheinend hatte er ein Geheimnis, welches niemand lüften durfte oder jemand hatte einfach Spaß daran ihn zu töten.“, erklärte Dimitri. Ich starrte an die gegenüberliegende Wand um die Leiche nicht ansehen zu müssen. Doch den Gestank konnte man nicht ausblenden. Und Shane stank bestialisch.
„Nun. Dann müssen wir wohl jemanden anderes finden. Ich wandte mich an John. „Nun. Ich werde ihnen nun einige Fragen stellen und die werden sie mir ehrlich beantworten. Verstanden?“ Eiliges Nicken. „Sie sind kein Strigoi. Sind Sie ein ganz normaler Vampir?“
„Nein, ich bin ein Halbvampir.“ Das erklärte wieso er so alt aussah.
„Wie alt sind Sie?“
„Einhundert fünfundsechzig Jahre.“
„Nun gut. Shane. In welcher Beziehung standen Sie zu ihm?“, fragte Sam.
„Er war mein Sohn.“ Trauer lag in seiner Stimme.
„Sie hatten einen Sohn und haben zugelassen, dass er als Strigoi weiter lebt?“, wollte Sam wissen.
„Er war das Einzige was mir noch blieb!“, verteidigte sich der alte Mann.
„Wussten Sie über seine Pläne Bescheid? Über seinen Kontakt zu einer gewissen Dunja?“, wollte Dimitri wissen.
„Ich kenne keine Dunja.“
„Das war nicht seine Frage. Weichen Sie den Fragen nicht aus!“, knurrte ich.
„Nein, ich meinte damit, dass ich jeden von Shanes Kontakten kannte. Er hat mich in alles eingeweiht aber ich habe noch nie von einer Dunja gehört!“ Sam nickte.
„Gut hatte Shane viel Kontakt zu anderen Strigoi?“
„Nein, nicht wirklich. Er hat vielen geholfen in ihrem neuen Leben klarzukommen aber er war nicht wie die anderen! Er hat keine Menschen getötet um zu Überleben. Er hat sich genauso verhalten wie vor seiner Verwandlung.“ Ich nickte und wischte mir meine schwitzenden Hände an der Hose ab. Dabei bemerkte ich, dass meine ganze Bluse blutbespritzt war. Wenn wir Zuhause ankamen musste ich unbedingt duschen.
„Gut dann sind wir hier fertig. Wollen wir gehen?“, fragte Sam. Dimitri und ich nickten.
„Es tut mir leid für Ihren Verlust.“, sagte Dimitri noch bevor wir das Haus verließen. Wir stiegen in unsere Autos und machten uns auf den Weg nach Oxford.
Als wir in Oxford ankamen war es schon wieder hell und Glocken läuteten. Die Leute liefen mit Trauer gezeichneten Gesichtern herum und das Tor war mit einem schwarzen Banner behängt. Mir wurde kalt. Etwas schlimmes war gestehen. Kaum war der Wagen zum stehen gekommen, sprang ich aus dem Wagen und lief die Treppen hoch. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht. Ich stieß die Wachen aus dem Weg, die die Tür vom Schlafzimmer meines Vaters bewachten und öffnete die Tür.
Meine ganze Familie und Freunde waren anwesend und standen um das Bett versammelt mit trauernden Gesichtern. Sie sahen noch nicht einmal auf als ich eintrat. Meine Mutter kniete vor dem Bett und hielt die Hand meines Vaters. Tränen liefen ihr ungehindert über das Gesicht.
„Was ist hier los?“, fragte ich obwohl ich es schon wusste. Aber ich wollte es nicht wahrhaben. Das konnte nicht sein. Raphael was stark. James kam mit schleppenden Schritten zu mir und umarmte mich, jedoch wandte ich meinen Blick nicht von dem weißen Gesicht meines Vaters.
„Dad... Er ist gestorben.“ Ich schüttelte den Kopf. Rechts, links, rechts, links. Einfach um etwas zu tun.
„Nein. Nein. Er ist nicht tot. Das kann nicht sein. Nicht jetzt.“, stammelte ich. „Ich habe ihm vergeben. Er hätte auf die Beine kommen sollen. Es ist meine Schuld.“ James streichelte mir beruhigend über den Kopf.
„Das ist doch nicht deine Schuld Cat. Der Tod ist etwas ganz natürliches. Ihn kann man nicht aufhalten.“
„Er wäre nicht in der Verfassung wenn ich vor drei Jahren auf ihn gehört hätte.“, widersprach ich störrisch. Ich löste mich von James und stolperte mit unsicheren Schritten auf das Bett zu. Wohl wissend, dass all die Blicke auf mir lagen. Wieso kamen gerade jetzt die weggesperrten Gefühle wieder? Ich hatte sie drei Jahre lang erfolgreich weggesperrt, hatte Tod und andere schlimme gesehen ohne, dass es mir viel ausgemacht hatte und gerade jetzt brachen die Gefühle aus mir hervor. Ich biss mir auf die Lippen und sah hoch in das Gesicht meines Vaters. Er lächelte friedlich. Seine Gesichtszüge waren nicht mehr zu verzerrt wie noch vor ein paar Stunden als ich ihn besucht hatte. Er hatte schon sein Totengewand an und war gewaschen. Meine Mutter, wohl darauf bedacht mir ein wenig von meinen Schmerzen zu nehmen, sagte: „Er war noch einmal wach bevor er gestorben ist. Er meinte er hätte deine Worte gehört und hoffe dir geht es gut. Er meinte es tue ihm leid und du sollst wissen, dass er dich liebt und auf uns alle aufpassen wird. Egal wo er nach seinem Tod hinkommen würde.“ Weiter kam sie nicht, denn sie brach wieder in Tränen aus. Ich holte tief Luft und stand auf. Ich konnte nicht mehr hier sein. Es würde mich zerreißen. Aber ich wollte etwas ausprobieren. Ich fixierte die Menschen im Raum. Jana, Sarah, meine Mutter, James, Mason, Alec... Es waren viele, doch vielleicht würde ich es schaffen, dass alle sich noch richtig verabschieden konnten. Er konnte nicht einfach so gehen und nur über mich sprechen. Ich wandte mich an die Personen im Raum und meinte: „Ihr setzt euch jetzt einfach auf den Boden und haltet den Mund verstanden?“
„Caitlin was hast du vor?“
„Ich sagte still.“, befahl ich schrill und wie zu mir selbst murmelte ich: „Ich brauch Kerzen. Weiß am besten.“ Dimitri, den ich gar nicht bemerkt hatte, drehte sich um, öffnete die Tür und murmelte einen kurzen Befehl. Währenddessen schob ich die Leute im Raum auf eine Seite und zwang sie sich hinzusetzen. Ich hörte gar nicht wie sie über mich tuschelten. Mich als verrückt bezeichneten. Ich war zu sehr auf meine Aufgabe fixiert. Ich ließ die Jalousien herunter und als Dimitri mir Kerzen in die Hand drückte, stellte ich sie ungleich verteilt im Raum auf und ließ sie mit einem Seufzen angehen. Dann schaltete ich das elektrische Licht aus und setzte mich neben meinen Vater auf einen Stuhl. Ich ließ meine Gedanken schweifen und suchte nach der anderen Seite. Ich würde meinen Vater hierher holen. Nur für kurze Zeit. „Ego dicam vobis in medio Raphael Dupont. Nos suscipiat.“, murmelte ich in einem leisen Singsang vor mich hin. Immer und immer wieder. „Ego dicam vobis in medio Raphael Dupont. Nos suscipiat.“ Ich rufe dich in unsere Mitte Raphael Dupont. Sei uns willkommen.
Die Flammen der Kerzen schossen in die Höhe und ich merkte wie sich die Gestalt meines Vaters manifestierte. Ich sah auf und blickte in das freundlich lächelnde Gesicht meines Vaters. Er wandte sich an die anderen. Und auch ich sah sie unsicher an. „Könnt ihr ihn sehen?“ Dumme Frage. Ihre offenen Münder und die Tränen, die flossen waren Antwort genug.
„Raphael!“, rief meine Mutter aus und wollte aufstehen.
„Bleib sitzen.“, befahl ich. „Ihr könnt ihn nicht anfassen. Er ist ein Geist.“
„Hör auf unsere Tochter Desiree. Sie hat Recht.“ Seine tiefe Stimme zu hören, zauberte mir ein Lächeln aufs Gesicht. „Caitlin hat mir eine Chance gegeben mich noch einmal richtig von euch zu verabschieden. Nachdem Caitlin mich in die Geisterwelt gebracht hat, werden wir nicht mehr miteinander reden können, deshalb hört gut zu. Ich liebe euch. Ich liebe euch alle und ich werde euch so sehr vermissen. Aber meine Zeit ist abgelaufen. Deswegen möchte ich, dass ihr euer Leben weiter lebt. Ich verbiete euch nicht zu trauern aber konzentriert euch darauf auch die schönen Dinge im Leben zu sehen. Seid nicht dumm und verschiebt die Hochzeit von Dimitri und Kendra um eine anständige Trauerzeit zu haben. Sie sind zwar jung aber reif für die Ehe. Und schickt Caitlin nicht wieder weg. Ich möchte, dass du Mason das Gesetz änderst und Caitlin Gnade gewährst. Sie soll zurück nach Hause kommen dürfen.“, er sah mich liebevoll an. „Es war ein Fehler sie wegzuschicken. Sie ist eine wundervolle Kriegerprinzessin. Wenn auch ein Dickkopf.“ Ich presste gespielt beleidigt die Lippen zusammen und rief: „Hey! Nicht fair.“ Er lief in dem Raum herum und sah auf seinen Körper hinab bevor er sich an meine Mutter wandte: „Desiree. Du warst und bist die Liebe meines Lebens. Ich werde dich auch im Tod lieben und auf dich aufpassen. Ich hoffe du vergisst mich nicht, doch solltest du einen Mann finden mit dem du glücklich bist, heirate ihn. Du brauchst mir nicht auch treu zu sein, wenn ich tot bin.“ Meiner Mutter liefen die Tränen über das Gesicht und sie nickte.
„Ich liebe dich auch Raphael.“, antwortete sie ihm mit zitternder Stimme. Mein Vater warf ihr einen Luftkuss zu. Er wandte sich an Mason.
„Sohn. Du bist der erste in der Thronfolge und ich weiß, dass du das Reich weise und gerecht führen wirst. Ich bitte dich nur nicht auf jeden zu hören. Nicht jeder hier im Reich ist der Königsfamilie freundlich gesinnt. Denk daran. Deine Familie ist die Einzige auf die du immer vertrauen kannst.“
„Ich werde daran denken Vater.“ Mason neigte den Kopf. „Ich hoffe du wirst in Frieden leben können. Wo auch immer dich dein Weg nun führen wird.“
„Das werde ich bestimmt mein Sohn.“ Auch James bekam einige weise Worte ab: „Du und Sarah seid Gefährten voll und ganz. Seid endlich so mutig euch eure gegenseitigen Fähigkeiten zu schenken und zu stärken. Ihr braucht keine Angst zu haben. Es wird eine wunderbare Erfahrung sein. Stärke wird euch durchfließen. Ihr werdet euch stark und unbesiegbar fühlen. Nutze diese Chance James.“
„Jana. Du hast viel gelernt in den letzten Jahren. Ich weiß, dass du Mason treu zur Seite stehen wirst. Du wirst eine wunderschön und kluge Königin sein. Ich bin stolz auf dich.“
„Danke Raphael. Ich bin froh von dir lernen zu dürfen was eine Herrscherin ausmacht.“
Jetzt kam der letzte im Raum an die Reihe. „Alec.“
„Majestät.“
„Ich muss sagen ich hätte nicht gedacht, dass du eine solche Dummheit begehst. Ich dachte du würdest einen Weg finden um wieder zu Caitlin zu finden. Dass du dich stattdessen an eine andere Frau wendest, verletzt mich ein bisschen. Aber ich gönne dir dein Glück.“ Ich reckte das Kinn. Er sollte nicht über so etwas sprechen.
„Vater es wird Zeit. Ich kann es nicht mehr lange aufhalten.“, sagte ich um das Blickduell zwischen meinem Vater und Alec zu beenden. Er war es nicht wert, dass mein Vater seine letzte Zeit auf der Erde an ihn verschwendete.
„Dann werde ich mich von euch allen jetzt verabschieden. Doch wir wissen, dass wir uns irgendwann einmal wieder sehen werden. Manche früher, manche später. Ich liebe euch. Und passt auf euch auf.“ Mein Vater kam auf mich zu und strich mir einmal sanft über die Wange. Ich schloss die Augen. Es war eine letzte Berührung meines Vaters.
„Es tut mir so leid.“, wisperten wir beide gleichzeitig.
„Du musst dich nicht entschuldigen. Du hast dich mit Recht meinen Anweisungen widersetzt. Ich kann dich verstehen.“, sagte mein Vater.
„Und du musst dich auch nicht entschuldigen. Immerhin bist du der König und bist dafür verantwortlich, dass die Gesetze eingehalten werden. Wie sähe es aus wenn der König verlangt, dass die Gesetze eingehalten werden und er selbst hält sich nicht daran?“
„Sagen wir einfach wir Beide haben Falsche Dinge getan. Und uns beiden ist verziehen?“, schlug mein Vater diplomatisch vor.
„Einverstanden.“, stimmte ich zu. Froh darüber, dass ich mich wenigstens im Guten von ihm verabschiedet hatte und nicht immer daran denken musste wie sehr ich ihm das Leben zur Hölle gemacht hatte mit meiner sturen, wilden Art.
„Ich hoffe du findest irgendwann einmal zu deinem alten ich zurück. Die Cat, die du vor der Verbannung warst. Mir gefällt die emotionslose Kopie meiner Tochter nicht. Seine Gefühle wegzusperren ist keine Lösung.“
„Papa wie Lewis Caroll in Alice im Wunderland so schön sagte: I can't go back to yesterday, because I was a different person then. Es ist zu viel passiert. Ich weiß nicht ob ich jemals zu meinem alten ich finden werde.“
„Ich bitte dich darum es zu versuchen. Ein Versuch schadet nie.“
„Ich verspreche dir ich werde es versuchen.“, versprach ich ihm. Ich war es ihm schuldig.
„Gut, dann schick mich bitte in die Geisterwelt. Ich denke es ist an der Zeit der Welt hier Lebewohl zu sagen.“ Tränen liefen mir über das Gesicht als ich sagte: „Raphael Dupont. Du wirst jetzt über die Brücke gehen. Dein Geist wird seinen Frieden finden und du wirst diejenigen wiedersehen, die vor dir gegangen sind.“ Er verschwamm langsam vor meinen Augen, doch bevor er völlig verschwand, bat ich ihn noch schnell: „Grüß Daniel von mir.“ Dann war er völlig verschwunden und ich sah in meinem geistigen Auge wie er die goldene Brücke überquerte, die wir alle irgendwann einmal würden überqueren müssen. Am anderen Ende wurde er herzlich von Daniel begrüßt. Elisabeth, seine Exfrau und beste Freundin war auch da. Zu dritt gingen sie weiter. Lachend und glücklich.
Ich öffnete die Augen und sah die anderen an. Diese erhoben sich langsam. Dimitri pustete die Kerzen aus, die fast abgebrannt waren.
„Ich danke dir Cat.“, sagte meine Mutter.
„Wofür?“, informierte ich mich.
„Dafür, dass wir uns noch einmal richtig von Raphael verabschieden konnten.“
„Dafür musst du dich nicht bedanken Mama. Das ist das mindeste was ich tun konnte.“ Ich sah angeekelt an mir herunter. „Und nun muss ich unbedingt duschen.“
„Was ist passiert? Ist das dein Blut?“ Mason sah mich besorgt an. Es schien als hätten die anderen meine blutgetränkte Bluse erst jetzt gesehen.
„Keine Sorge nicht meins. Sagen wir einfach so. Der Tag verlief nicht ganz so einfach wie ich es mir vorgestellt hatte. Wir haben einen neuen Max, der die Reihen der Strigoi anführt.“
„Wie bitte?!“, fragte Alec entsetzt. „Ich dachte unser erfolgreicher Kampf gegen Max, hätte Wirkung gezeigt.“
„Nicht so wirklich. Dunja hat anscheinend einen genauso großen Charme gegenüber den Strigoi gezeigt wie Max. Und ich glaube ihre Machtbereich ist nicht nur in Großbritannien, sondern schon in ganz Europa verbreitet. Aber können wir nachher darüber reden? Ich muss dringend duschen. Und ich muss schlafen. Ich bin den ganzen Tag und die Nacht unterwegs gewesen. Und wahrscheinlich wartetet wieder ein ganzer Stapel Mails auf mich, die ich noch beantworten muss. Manchmal hasse ich es einfach, dass ich eine Organisation gegründet habe.“
„Natürlich. Gute Nacht Caitlin.“, sagte Mason. Auch die anderen wünschten mir eine gute Nacht und Dimitri und ich gingen nach draußen zu unseren Zimmern.
Vor Alec Tür trafen wir auf Alec' Freundin. Diese wanderte unruhig und mit verkniffenen Gesichtsausdruck vor dem Zimmer hin und her. Als sie uns sah, dreckig, mit Blut beschmiert und verschwitzt, setzte sie ein überhebliches Lächeln auf und fragte: „Wisst ihr wo Alec ist? Ich suche ihn schon die ganze Zeit. Ich weiß überhaupt nicht was los ist! Niemand will mir was sagen.“
„Er ist genauso wie der Rest der königlichen Familie beim König gewesen. Der König ist tot.“, teilte ich ihr mit. Ihr entgleisten die Gesichtszüge.
„Wie bitte?“, quietschte sie. Ich verdrehte nur die Augen und wünschte Dimitri eine gute Nacht. Barbie gefiel es jedoch gar nicht einfach so ignoriert zu werden, denn sie startete einen verbalen Angriff auf mich. „Kein Wunder, dass Alec dich sitzen gelassen hat. Du bist keine Prinzessin. Du hast kein Stück Höflichkeit in dir, du scherst dich einen Dreck darum wie du aussiehst und kümmerst dich überhaupt nicht um die Leute, die dich, für mich unerklärlicherweise, lieben.“ Ich holte tief Luft und wandte mich an die Bitch.
„Nun. Ich bin wirklich keine Prinzessin. Jedenfalls keine, die den ganzen Tag ihre Instrumente lernt, ein Buch liest oder strickt. Aber ich wurde auch nicht zu einer solchen Prinzessin. Ich bin die Beschützerin dieses Reiches. Eine Kriegerprinzessin. Und wenn du das nicht kapieren kannst, tut es mir leid. Höflichkeit besitze ich nur in Gegenwart von Leuten, die meine Höflichkeit und meinen Respekt verdient haben. Du hast nichts von den beiden Dingen. Warum ich so aussehe? Ich komme gerade aus einem Kampf. Ich hatte keine Zeit zu duschen, weil ich mich von meinem Vater verabschiedet habe, denn ich kümmere mich sehr wohl um die Leute, die mich lieben und, die ich liebe. Und wenn du nicht willst, dass du einen Haufen Geister um dich rum hast, die dich in Stücke reißen können, dann hältst du jetzt bitte die Klappe.“ Ich lächelte sie zuckersüß an, drehte mich auf dem Absatz herum und verschwand sauer in mein Zimmer. Dass Alec sich immer solche Idiotinnen aussuchen musste.
Der Tod ist ein Teil von uns. Er führt uns. Formt uns. Treibt uns in den Wahnsinn.
Bist du denn überhaupt noch ein Mensch, wenn dich kein sterbliches Ende erwartet?
(Christopher Paolini in „Eragon“)
Als ich aufwachte, blinzelte ich irritiert. Ich wusste nicht mehr wo ich war und musste mich erst einmal an die letzten Stunden erinnern. Erst dann fiel mir wieder ein wo ich war. Ruckartig setzte ich mich auf und stieg aus dem Bett. Während ich unter der Dusche stand, überlegte ich welche Aufgaben ich heute noch zu erledigen hatte. Da waren meine Mails, die ich unbedingt checken musste, die Beerdigung meines Vaters und natürlich das Training, welches ich jeden Tag absolvierte um fit zu bleiben. Eigentlich nicht viel. Ich zog mich an, setzte mich vor meinen Laptop und stöhnte gequält auf als ich die vielen Nachrichten sah, die ich verpasst hatte.
„Müssen die mich eigentlich wegen jedem Scheiß um Rat fragen?“, sagte ich leise zu mir selbst als ich eine Mail las, in der eine Kollegin von mir fragte wie genau ich mein Büro eingerichtet haben wolle. Mir egal, Hauptsache es war hell und freundlich eingerichtet. Die anderen Mails waren schon weniger überflüssig. Eine davon informierte mich über den Stand der Dinge auf Hawaii. Die dortigen Vampire hatten beschlossen einen Angriff zu starten und waren fleißig mit der Planung beschäftigt. Andere Leute hatten mich wegen der Aufnahme einiger Länder angeschrieben. Um diese Länder würde ich mich bald kümmern müssen, denn je mehr Länder mit erfolgreichen Wächtern unserer Organisation beitraten, desto schneller würden wir das Strigoiproblem, welches wir im Moment hatten, verringern. Es konnte nicht sein, dass unsere Organisation nach fast zwei Jahren immer noch so klein war. Es wurde Zeit sich um die Vergrößerung zu kümmern. Als ich alle Mails vollständig beantwortet hatte, war es auch schon Zeit sich für die Beerdigung fertig zu machen. Da Raphael der König war, würde es keine Beerdigung im kleinen Kreis geben. Meine Mutter hatte gestern Nacht noch alles organisiert. Viele in der Nähe lebende Adelsfamilien würden gleich ankommen um der Zeremonie folgen. Und die Beerdigung und der Totenschmaus würde ihm Vampirfernsehen zu sehen sein. Deshalb würde ich mich ordentlich anziehen müssen, denn ich wollte keinen schlechten Eindruck machen. Ich wusste, dass ich mit der Entscheidung wieder in die Öffentlichkeit zu treten meine Sicherheit gefährdete, doch der letzte Wunsch meines Vaters war es gewesen mich wieder in die Königsfamilie zu integrieren. Da konnte ich nicht einfach sagen: „Nein, ich will nicht. Ich wäre sonst in Gefahr.“ Außerdem war es doch sowieso nur eine Frage der Zeit gewesen bis ich wieder als Caitlin Dupont geben musste. Wie meine Vampir Kollegen reagieren würden, machte mir jedoch Angst. Immerhin hatte ich sie zwei Jahre lang angelogen. Alle Freunde, die ich in der Zeit gefunden hatte, würden erfahren, dass ich sie die ganze Zeit belogen hatte. Würden sie mir danach überhaupt noch vertrauen?
Nachdenklich suchte ich mir ein schlichtes, schwarzes Kleid aus meinem Kleiderschrank, der sich in den Jahren kaum verändert hatte. Nur waren alte Kleider entfernt und Neue hinzugefügt worden. Das Kleid ging mir bis kurz über die Knie und hatte einen V-Ausschnitt. Die langen, engen Ärmel verdeckten meine Narben, die ich mir in der Vergangenheit zugezogen hatte. Ich machte mir einen ordentlichen Dutt und schminkte mich dezent. Als es klopfte, zog ich gerade meine Highheels an.
Als ich die Tür öffnete stand Dimitri vor meiner Tür. Er hatte sich einen Anzug angezogen und reichte mir den Arm. Traurig lächelnd hakte ich mich ein und ging langsam mit ihm zur Schlosskirche hinter der, der Friedhof der Königsfamilie lag.
Die Kirche war klein, deswegen war nicht für alle eingeladen Vampire Platz darin. Aus diesem Grund, konnten sie die Beerdigung über einen Bildschirm vor der Kirche verfolgen. In der Kirche waren nur die wichtigsten Adelsfamilien versammelt. In der ersten Reihe, auf beiden Seiten des Ganges, saß die Königsfamilie und die Freunde des Königs. Ohne zu zögern, führte Dimitri mich zu dem Platz an dem meine Brüder mit meiner Mutter saßen. Er platzierte mich direkt neben James, verneigte sich vor meiner Mutter und setzte sich auf die Bank hinter uns. Mit starrem Blick sah ich auf den Sarg aus Ebenholz. Er war schlicht und gleichzeitig einem König angemessen. Seine goldenen Verzierungen machten ihn zu etwas einzigartigem. In das Holz schienen einige Zitate eingraviert zu sein. Wahrscheinlich die Lieblingszitate meines Vaters.
Natürlich konnte ich das unruhige Geflüster der Personen hinter mir nicht ausblenden. Sie spekulierten darüber was ich genau hier machte. Sie fragten sich geschockt warum ich nicht tot war. Ich lächelte bitter. Das hätten sie wohl gern. Meine Zeit würde früh genug kommen. Aber ich wusste warum sie alle so geschockt waren. Anscheinend gab es schon ein leeres Grab für mich auf dem Schloss eigenen Friedhof. Meine Familie und Freunde hatten es immerhin öffentlich gemacht. Ich nahm mir vor es irgendwann einmal zu besuchen. Immerhin war ein Teil von mir wirklich vor drei Jahren gestorben.
Es wurde still als die Vampirälteste des Schlosses, Camilla de León, an das Rednerpult vor dem Sarg trat. Die Frau, die mir erst ziemlich unheimlich und abweisend erschienen war, mir dann aber viel im ersten Jahr der Verbannung geholfen hatte. Sie räusperte sich und fing an zu sprechen: „Meine Damen und Herren. Wir alle sind hier in der kleinen Schlosskirche zusammen gekommen um uns von unserem geliebten König Raphael Dupont verabschieden. Es ist immer schwer jemanden zu verlieren. Besonders für die Familie ist es schwer den Verlust eines so engen Familienmitgliedes zu verkraften. Ich bin schon lange auf dieser Weit. Ich habe so vielen Menschen sterben sehen und doch ist es immer wieder ein Schock zu sehen wie leicht einem das Leben genommen wird. Und ich weiß, dass egal wie viel Zeit man mit dem Toten verbracht hat, egal wie oft man ihm gesagt hat, dass man ihn liebt... wenn er tot ist, fühlt es sich immer so an als wäre es zu wenig gewesen. Und dabei ist es egal wie oft man es ihm gesagt hat. Der Tote weiß wie sehr man ihn geliebt hat.“ Sie schloss die Augen und ich fühlte einen kalten Windzug neben mir.
Als ich nach links sah, entdeckte ich meinen Vater, der lächelte: „Sie konnte noch nie Trauerreden halten. Desiree hätte sie nicht bitten dürfen die Rede zu halten.“ Ich grinste. Das stimmte. Camillas Rede machte einen noch trauriger als man es sowieso schon war. Die Vampirälteste sprach weiter. „Ich möchte Sie bitten eine Minute zu schweigen und unserem König, möge er in Frieden ruhen, den Respekt entgegen zu bringen, den er verdient.“ Sie faltete die Hände vor dem Bauch und sah uns auffordernd an. Die Minute verstrich und als Camilla die Stimme wieder erhob war sie fester als vorher: „Nun möchte ich Königin Desiree bitten ein paar Worte zu sagen.“ Höfliches, leises Klatschen ertönte und meine Mutter erhob sie würdevoll. Camilla machte ihr Platz und meine Mutter nahm ihren Platz am Rednerpult ein.
„Vielen Dank Camilla.“, bedankte sich meine Mutter. „Ich möchte nicht darüber sprechen wie sehr ich Raphael vermisse, denn Sie alle wissen bestimmt wie sehr wir uns geliebt haben und wie sehr mein Herz an ihm hing und immer noch hängt. Ich möchte Ihnen einfach ein paar Erinnerungen an unsere gemeinsame Geschichte erzählen.“ Sie holte tief Luft. „Als ich Raphael das erste Mal sah, war ich wie verzaubert. Zu der Zeit war ich ein ganz normaler Mensch und lebte in Deutschland. Ich hatte gerade meine letzte Prüfung des Studiums beendet, wollte einfach nur nach Hause und war voller Hoffnungen für die Zukunft. Raphael und ich trafen zum ersten Mal am Tor der Uni aufeinander. Was er dort wollte, weiß ich bis heute nicht. Er rempelte mich an und sorgte dafür, dass ich hinfiel. Meine ganzen Bücher, die ich in der Hand hatte und abgeben wollte, fielen mir aus der Hand und landeten auf dem Boden.“ Die Geschichte kam mir ein bisschen bekannt vor. Raphael neben mir lachte. „Ich war ihr gefolgt. Ich hatte sie schon vorher mal gesehen und war hingerissen von ihr. Sie war wunderschön und ihr Lachen hatte mich sofort verzaubert. Ich musste sie einfach kennenlernen.“, gab er zu.
„Er entschuldigte sich sofort ganz zerknirscht und half mir beim Bücher aufsammeln. Danach bot er mir an einen Kaffee als Entschuldigung zu bekommen. Er half mir noch beim Wegbringen der Bücher und dann gingen wir zusammen einen Kaffee trinken in einem Nahegelegenen Café.“ Auch dieser Teil der Geschichte kam mir irgendwie bekannt vor. Als ich zu Alec schielte, sah ich, dass es nicht nur mir so erging. „Das war das erste Mal, dass ich Raphael sah. Es war Liebe auf den ersten Blick. Und trotz der Trennung, die wir nach der Geburt unseres Sohnes James hatten, fanden wir wieder zusammen als unsere Tochter Caitlin ihre Vampirseite entdeckte. Es war eine Liebe, die Nichts und Niemand auseinander bringen konnte. Und ich bin wirklich froh, dass ich ihn getroffen habe. Ich weiß, dass ich ihn erst einmal eine Weile nicht mehr sehen werde. Seine Stimme nicht werde hören können, doch ich weiß, dass er immer bei mir ist. In meinem Herzen.“ Desiree wandte sich ab und setzte sich wieder neben Mason.
Nach dieser Rede, kamen immer mehr Menschen um ihre eigenen Begegnungen mit Raphael mit uns zu teilen und manchmal mussten wir wirklich lachen. Es gab schon witzige Dinge, die man mit meinem Vater erlebt hatte. Auch Mason und James hatten Dinge zu erzählen, die meinen Vater stolz lächeln ließen und auch manchmal zu lachen brachten. Und ich war froh, dass er hier war und hören konnte wie sehr er geliebt worden ist. Als sein Sarg für immer geschlossen wurde, brachen viele in Tränen aus. Sein Sarg wurde unter Begleitung des Liedes 'Forever young' von Alphaville zu der vorgesehenen Stelle getragen. James, Mason, Dimitri und Alec hatten darauf bestanden den König selbst zu seiner letzten Ruhestätte tragen zu dürfen und nun ließen sie den Sarg langsam herunter gleiten. Ich war die erste, die sich eine Handvoll Erde nahm und auf den Sarg schmiss. „Ich liebe dich Daddy.“, flüsterte ich leise, wohl wissend, dass er neben mir stand. Und fast sofort fühlte ich eine federleichte Berührung auf meinem Rücken und einen Kuss auf die Schläfe. „Ich dich auch Tochter.“
Noch lange dauerte es bis das Grab geschlossen war und die ganzen Blumen und Kerzen davor verteilt worden waren. Einer nach dem anderen kam an das Grab, verabschiedete sich von meinem Vater, legte eine Blume vor das Grab und ging. Nach ungefähr dreißig Leuten guckte ich gar nicht mehr hin, sondern beobachte die Leute. Nicht alle schienen so traurig zu sein wie sie spielten. Manche schienen sich sogar zu freuen über den Machtwechsel, der nun folgen sollte. Vielleicht glaubten sie daran, dass Mason ein besserer König war oder leichter zu manipulieren. Da Gedankenlesen nicht zu meinen übernatürlichen Fähigkeiten gehörte, konnte ich nur spekulieren, doch ich war mir sicher, dass diese Menschen nicht ganz aufrichtig waren und bei solchen musste man aufpassen. Sonst wurde man von ihnen hereingelegt. Sofort schoss mir das Bild von Lord Albert of Norwich durch den Kopf. Dieser hatte uns wegen einem verlockenden Angebot meines Onkels Salomon verraten und wir wären beinahe bei einen Angriff auf diesen gestorben. Doch noch einmal würde ich nicht auf einen solchen Typen hereinfallen.
Ich war so in die Beobachtung versunken, dass ich erschrak als sie plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte. Ich sah auf uns blickte in das Gesicht meines ältesten Bruders Mason, der mich anlächelte. „Komm Schwesterherz. Wir wollen nun Essen.“ Ich nickte ihm zu, wandte mich aber leicht an meinen Vater: „Du solltest jetzt gehen. Man hat immer nur eine bestimmte Anzahl von Stunden pro Monat auf dieser Welt. Und die solltest du nun wirklich nicht alle an einem Tag verschwenden.“
„Du hast Recht Tochter. Ich wünsche euch viel Spaß.“ Und schon war er verschwunden.
„Was das Vater?“, wollte Mason leise wissen und ich nickte. „Er hat seiner eigenen Beerdigung beigewohnt. Ich möchte wissen wie viele anderen das noch machen.“ Ich lächelte und meinte: „Viele. Anscheinend wollen sie wissen wie genau sich ihre von den anderen unterscheidet. Und Papa wollte einfach nur zugucken. Er meinte Camilla konnte noch nie wirklich Trauerreden halten und Mama hätte das jemand anderen machen lassen sollen.“
„Ja, irgendwie war die Einleitung etwas depressiv.“, gab Mason zu. „Aber die Erinnerungen an Vater waren teilweise ziemlich lustig. Wieso hast du eigentlich nichts gesagt?“
„Ich hatte keine Erinnerungen, die ich bereit war zu teilen. Immerhin hatten wir nur wenig Zeit miteinander und die meiste Zeit davon waren wir am Streiten. Die wenigen guten Vater und Tochter Zeiten will ich für mich selbst haben.“
„Das ist ein Argument.“ Mason lächelte mich an. „Aber nun komm. Wir beide sind fast die Einzigen, die noch hier draußen sind. Die anderen sind alle schon vor. Und du musst doch bestimmt Hunger haben. Immerhin hast du heute noch gar nichts gegessen.“
„Woher willst du das wissen?“, fragte ich ihn während wir zusammen durch das Schloss liefen zum Essenssaal in dem das Essen stattfand.
„Du warst nicht bei uns unten heute morgen. Und ich weiß ganz genau, dass bei dir im Zimmer keine Schale mit Obst steht.“
„Nun gut. Erwischt. Ich habe gearbeitet und die Zeit vergessen.“
„Hast du denn viel Arbeit in letzter Zeit?“, fragte Mason mitfühlend.
„Nicht nur in letzter Zeit. Eigentlich immer. Immer muss ich irgendjemanden zu einer Mission schicken, ich muss die Einrichtung unserer Zentrale in New York überwachen, die mir vollkommen egal ist, aber das interessiert ja niemanden und dann muss ich auch noch gucken welche Länder für unsere Organisation in Frage kommen.“
„Und? Kommt Großbritannien für euch in Frage?“, fragte Mason schmunzelnd, während er mir die Tür aufhielt und wir den Saal betraten in dem schon gegessen wurde.
„Großbritannien ist mit den USA das Gründungsland. Immerhin habt ihr Dimitri den Oberbefehl des Schutzes gegeben und er hat gemeinsam mit mir die Organisation gegründet.“ Mason nickte verstehend und schlug den Weg zum Podest ein, der zum Tisch der Königsfamilie führte. Doch ich löste mich von ihm und entschuldigte mich bei ihm. Im Moment hatte ich dort nichts zu suchen.
Als ich den Blick über den Saal schweifen ließ, fiel mit Sam ins Auge, der Nahe des Podestes saß und mir zuwinkte. Mit einem Lächeln auf den Lippen machte ich mich auf den Weg zu ihm und ließ mich neben ihm nieder.
„Hey.“, begrüßte ich ihn.
„Prinzessin Caitlin Sophie Dupont also. Hast du mir irgendwas zu sagen?“, fragte Sam leise und bedrohlich. Oh, oh. Flehend sah ich ihn an und versuchte zu erklären: „Du musst das verstehen! Ich bin verbannt worden. Ich hatte nicht das Recht auf den Titel und wollte ein anderes Leben führen. Nicht das einer verbannten Prinzessin. Und ich weiß eigentlich sollte ich nicht lügen aber... aber... ich wusste nicht wie die anderen reagieren würden und ob sie noch mit mir zusammen arbeiten wollen würden wenn sie wüssten wer ich bin. Und deswegen habe ich mir den falschen Namen zugelegt. Es tut mir wahnsinnig leid aber ich hoffe du kannst mich verstehen. Immerhin galt ich in England und der Welt als tot und wäre ich in Amerika als Caitlin Dupont rum gelaufen, wäre das irgendwann einmal in England angekommen und dann wäre ich verloren gewesen. Immerhin wollte ich eigentlich nie wieder nach England zurückkehren.“ Ich spürte die Blicke meiner Familie und meiner Freunde auf meinem Rücken, doch im Moment war mir das egal. Wichtig war nur, dass ich Sam nicht verlor. Er war ein wichtiger Bestandteil meines neuen Lebens und wenn ich ihn verlieren würde, würde ich alle anderen auch verlieren.
„Sophie. Oder Caitlin. Wie auch immer. Ich wusste sofort, dass du nicht Sophie Vega heißt. Dachtest du wirklich meine Gabe würde mich da nicht warnen? Aber ich wusste, dass du irgendwann mal mit der Wahrheit raus rücken würdest. Aber, dass es so lange dauern würde, hätte ich wirklich nicht gedacht.“
„Bist du wütend?“, fragte ich wie ein kleines Kind.
„Ein bisschen enttäuscht vielleicht. Ich hätte gedacht du würdest es wenigstens mir anvertrauen. Aber ich werde mich jetzt nicht von dir abwenden, was bestimmt deine größte Sorge ist. Und auch die anderen werden sich nicht von dir abwenden. Aber die meisten werden dich zum Kampf auffordern.“ Ich lachte und meinte leichthin: „Wenn´s sonst nichts ist. Die besiege ich doch locker.“
„Sei mal nicht so eingebildet.“, schimpfte Sam lachend und boxte mich in die Seite. Dann jedoch fiel ihm ein wo genau wir waren und er verstummt so schnell wie er angefangen hatte zu lachen. Auch ich sah ernst auf den noch unberührten, vollen Teller vor mir und dachte darüber nach ob es meinem Vater so gut gefallen hätte wenn bei dem Totenschmaus jeder in der deprimierten Stimmung rum laufen würde, oder so tun würde als würde er trauern.
„Trainieren wir nachher?“, flüsterte ich Sam noch zu bevor ich mir langsam einen Löffel mit Suppe in den Mund schob und er nickte. Ich hoffte, dass der Teil des Tages schnell vorbei gehen würde, doch ich wurde maßlos enttäuscht. Es gab ein sechs Gänge Menü, einem König angemessen und dann als alle fertig waren mit Essen, stand meine Mutter auf und bat um Ruhe. Die Gäste verstummten nach und nach. Seufzend lehnte ich mich zurück und beobachtete meine Mutter, die aufrecht vor der Menge stand und auf sie herunter blickte.
„Zuallererst möchte ich mich dafür bedanken, dass Sie alle hier sind um Raphael zu ehren. Er wäre erfreut zu sehen wie viele um ihn trauern. Und er hätte bestimmt bei manchen Geschichten, die Sie in der Kirche erzählt haben laut gelacht. Möge er in Frieden ruhen.“ Sie sah zu mir und ich nickte ihr lächelnd zu. „Nun möchte ich Ihnen ankündigen, dass die Krönung von meinem Sohn Mason übermorgen stattfindet. Sie alle sind herzlich eingeladen zu kommen. Nun möchte ich das Wort an Mason selber übergeben, denn er hat eine Ankündigung zu machen.“ Meine Mutter war also so weit Mason als ihren Sohn anzuerkennen? Wow. Ich hatte wirklich viel verpasst.
Mason stand auf und dankte meiner Mutter. Dann trat er vor die Menge und begann zu sprechen: „Auch ich danke Ihnen, dass sie hier sind. Ich möchte eine Ankündigung machen bevor sie sich entspannt zurückziehen dürfen. Viele von Ihnen haben bestimmt meine Schwester Caitlin gesehen, die hier in unserer Mitte sitzt.“ Oh nein. Die Blicke wanderten suchend durch den Raum bis sie mich fanden. Hoch erhobenen Hauptes saß ich auf meinem Stuhl und lächelte freundlich. „Sie sollte eigentlich in der Verbannung sitzen und nicht hier sein, ich weiß aber ich habe sie hierher eingeladen um ihren Vater noch ein letztes Mal sehen zu dürfen. Wir wussten, dass seine Zeit bald gekommen war und wir wollten ihr eine Chance geben sich von ihm zu verabschieden und ihn um Verzeihung zu bitten. Und der König verzieh ihr in seiner Güte. Sein letzter Wunsch bevor er diese Welt verließ war, dass die Verbannung aufgehoben wird und Caitlin wieder nach Hause zurückkehren darf.“ Mason machte eine Pause und sah prüfend in die Menge. Kein Ton war zu hören, doch unterschiedliche Empfindungen waren auf den Gesichtern der Anwesenden zu sehen. Wut, Freude, Verwunderung. „Und diesen Wunsch werde ich mit Freuden erfüllen. Caitlin ist nun nicht länger eine Ausgestoßene. Sie bekommt ihr Recht auf den Titel zurück und darf von heute an wieder frei in England herum laufen. Sie wird ihren Platz als Kriegerin und Beschützerin dieses Landes wieder aufnehmen. Denn selbst im Exil hat sie auf uns aufgepasst. Sie hat unter dem Namen Sophie Vega die Organisation ' StWaS' gegründet und uns beschützt. Auch ohne unser Wissen und trotz dessen, dass sie diese Aufgabe nicht mehr hätte ausführen dürfen, hat sie es zusammen mit Wächter Petrov geschafft, dass unser Land freier von Strigoi wird. Und dafür danke ich ihr.“ Er lächelte mich strahlend an.
Bitte nicht Mason. Ich senkte den Kopf. Nun hatte ich überhaupt nicht mehr die Chance den anderen zu erklären wer ich war, denn ich wusste ganz genau, dass alle aus der Organisation gerade eingeschaltet hatten. Und nicht nur die. Die Regierung würde wahrscheinlich auch gerade vor dem Fernseher sitzen und diese Veranstaltung beobachten. Beide waren darauf bedacht zu wissen was in der Welt der Übernatürlichen Wesen gerade passierte. Und das was jetzt im Moment hier passierte, war etwas was sie sehr interessieren würde. Ich konnte mich schon auf dutzende E-Mails und Anrufe gefasst machen. Sam schien zu wissen was in meinem Kopf vorging und drückte aufmunternd meine Hand wie um zu sagen 'ich bin für dich da'. Dankbar lächelte ich ihn an. Mason verabschiedete sich in diesem Moment von den Vampiren im Saal und ich sprang von meinem Stuhl auf und rauschte aus dem Saal. Ich hörte wie Sam mir folgte.
Als ich vor meinem Zimmer stand, wirbelte ich herum und sagte kurz und knapp: „In einer viertel Stunde in der Trainingshalle.“ Sam nickte nur und ging. Er wusste, dass man mich nicht reizen durfte wenn ich in einer solchen Stimmung war. Doch, da er noch nie am englischen Hof gewesen war, würde er die Trainingshalle nicht sofort finden. Ich stürmte in mein Zimmer, zog mir meine Kampfkleidung an, griff nach meinem Schwertgürtel an dem Schwert und Dolch befestigt waren und ging mit schnellen Schritten aus dem Zimmer. Mein Handy ließ ich vorsichtshalber im Zimmer liegen, denn jetzt wollte ich mit niemanden sprechen und Fragen beantworten.
Als ich den Trainingsplatz erreichte, sah ich überrascht Sam schon dort stehen und sich aufwärmen. Verwundert darüber wie er den Weg durch die endlosen Korridore des Schlosses gefunden hatte starrte ich ihn nur an. Seine Bewegungen waren graziös, geschmeidig und absolut tödlich. Er war schnell und seine Reflexe einzigartig. Er war einer der besten Kämpfer, die ich je gesehen hatte. Sam war muskulös aber nicht so ein Tier wie die Security Männer, die die Eingänge der Diskos bewachten. Er war groß und braungebrannt. Seine blonden Haare und die blauen Augen, gaben ihm das Aussehen eines Surferboys, welcher auf gar keinem Fall war.
„Ich weiß, dass ich gut aussehe. Würdest du jetzt bitte aufhören zu sabbern und dich aufwärmen?“, riss mich Sams belustigte Stimme aus der Betrachtung. Ein arrogantes Lächeln spielte um seine Mundwinkel. Ich verdrehte die Augen und begann damit ein paar Runden zu laufen. Nach der Aufwärmphase, riss ich ungeduldig mein Schwert aus der Scheide und sah Sam auffordernd an.
„Können wir zum Kämpfen nach draußen auf den Platz gehen? Dieses Licht macht mich verrückt.“, bat Sam. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Normalerweise beschwerte sich Sam niemals über solche Kleinigkeiten wie das Licht. Aber als ich nach oben sah, bemerkte ich was ihn so verrückt machte. Das Licht flackerte. Und nach kurzer Betrachtung wurde mir schwindelig. Ich nickte und gemeinsam traten wir auf den Kampfplatz vor der Halle. Die Sonne schien und unsere Schwerter reflektierten die Strahlen. Als Sam das Schwert hob wurde ich geblendet und musste mir einen Arm über das Gesicht halten. Wegen solchen Dingen war ich froh, dass Strigoi sich nur im Schutze der Nacht auf die Jagd nach Menschenblut machten. Ich stellte mich ein wenig seitlich zu Sam, doch ich hatte ihn genaustens im Blick.
„Bereit für ein paar Schläge?“, fragte ich provozierend.
„Von dir doch immer.“, erwiderte er nur belustigt und griff an. Der Angriff galt meinen Beinen und ich wich geschickt nach hinten aus. Als ich das Schwert ein wenig hob und ein paar leichte Angriffe startete, wurde ich wie erwartet mit Leichtigkeit abgeblockt. Ich startete immer schnellere und unvorhersehbarere Angriffe, die Sam jedoch nicht im Mindestens beeindruckten. Doch das wunderte mich nicht. Im Schwertkampf waren wir uns schon immer ebenbürtig gewesen. Und, dass wir beide die Kampftechniken unseres Gegenüber auswendig kannten, war diese Art von Training sowieso nicht sehr effektiv. Wir bekämpften uns manchmal nur aus Spaß bis zu vollständigen Erschöpfung. Ein seitlicher Hieb, brachte mir einen Kratzer am Arm ein, der leicht anfing zu bluten, jedoch nicht schmerzte.
Aus den Augenwinkeln sah ich eine Gestalt am Zaun des Kampfplatzes stehen. Alec stand zusammen mit seiner Freundin am Zaun und beobachtete uns. Er brachte mich aus dem Konzept, sodass ich nicht mehr richtig auf Sams Angriffe achtete und diese Unaufmerksamkeit, war mein Untergang. Das Schwert wurde mir aus der Hand geschlagen, ein Tritt brachte mich zum stolpern und als ich dann auf dem Boden lag, wurde mir eine Schwertspitze an den Hals gehalten.
„Du bist tot.“ Ich verdrehte die Augen und griff nach Sams ausgestreckter Hand. „Alles okay?“ Ich nickte nur und hob mein Schwert auf. Wütend auf mich selbst. Sonst war ich während eines Kampfes nicht abzulenken, doch kaum stand mein Ex am Zaun und beobachtete mich, war ich vollkommen unkonzentriert. Ich knirschte mit den Zähnen, steckte mein Schwert wieder in die Scheide und zog meinen Dolch hervor. Das war sowieso die Waffe mit der ich am tödlichsten war.
„Ach komm schon Prinzesschen. Du weißt, dass niemand eine Chance gegen dich hat wenn du mit dem Dolch kämpfst.“, jammerte Sam.
„Es ist ja auch kein Training für mich mein lieber Sam. Sondern für dich. Ich weiß, dass du im Moment ein wenig dein Training schweifen lässt und in der Organisation lieber die Gefangenen verhörst. Und das werden wir schön ändern.“ Bittend sah er mich an und flehte: „Bitte, bitte tu mir nicht zu sehr weh.“ Ich lachte.
„Du bist so süß Sam. Aber selbst dein Hundeblick hilft nicht. Wenn ich merke, dass du das Training nicht so ernst nimmst, wie du es eigentlich solltest, dann kannst du dich auf eine Tracht Prügel gefasst machen.“ Ergeben steckte er das Schwert weg und zog seinen Dolch. Dann stellten wir uns gegenüber auf und ich blendete alles aus meinen Gedanken und konzentrierte mich einzig und allein auf den Kampf. „Meinetwegen kannst du deine Fähigkeiten mit einfließen lassen. Vielleicht hast du damit eine Chance.“
„Soll ich dich mit Steinen abwerfen oder Blumen wachsen lassen?“
„Was du möchtest. Solange es dir im Kampf hilft.“ Und ohne auf sein Einverständnis oder eine Reaktion von ihm zu warten, griff ich an. Ein Schlag in die Magengrube brachte bei ihm gar nichts. Er sah mich nur auffordernd an und ich wurde zur Seite gestoßen ohne, dass er mich überhaupt berührte. Ich flog zur Seite und landete hart auf dem Rücken. Die Luft wurde mir aus den Lungen gepresst und ich riss die Augen auf. Sam kam näher und ich rollte mich zur Seite als ein Stein herunter fiel. In diesem Moment war ich enttäuscht, dass ich Feuer als Element besaß und nicht Wasser. Wieder fiel ein Stein vom Himmel herab und ich wäre beinahe zerquetscht worden. Ich stand auf und ging noch mal auf Sam los. Diesmal wollte ich diesen Kampf einfach nur zu Ende bringen. Doch ich war noch nicht mal in der Nähe seines Körpers als eine Pflanze aus dem Boden schoss und meinen Arm umwickelte.
„Hör auf dich hinter deinen Kräften zu verstecken. So bringst du einen Strigoi auch nicht um.“, schimpfte ich. „Blödes Pflanzenzeug.“
„Du meintest ich soll meine Kräfte einsetzen und jetzt darf ich es plötzlich nicht mehr?“
„Nein.“, brüllte ich stinksauer. Sam zuckte mit den Schultern, ein provozierendes Grinsen im Gesicht. Er war der Einzige, der mich so auf die Palme bringen konnte, das wusste er und das machte mich gerade ziemlich sauer. Meine Sicht färbte sich rot und ich ging auf ihn los. Ich trat in den Sand, welcher in die Luft gewirbelt wurde und seine Augen traf. Er blinzelte und trat auf mich zu. Seine Faust traf meine Mundpartie und ich merkte wie Blut mir das Kinn herunter lief, doch ignorierte das und stieß den Dolch nach vorne. Ich spürte wie er auf Widerstand traf und grinste. Sam jedoch zischte vor Schmerz auf und wich zurück. Ich hatte ihn an der Schulter verletzt. Blut quoll aus der kleinen Wunde unter dem Schüsslbein. Der Kampf ging weiter, wir verletzten uns gegenseitig und schonten uns nicht, doch am Ende ging ich als Siegerin hervor. Rittlings auf ihm sitzend, seine Arme über seinem Kopf festklammernd grinste ich ihn an. Auch er grinste meinte gutmütig: „Du hast gewonnen. Schon wieder.“ Lachend drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange, bevor ich mich von ihm herunter rollte und mich aufrappelte. Ich steckte Sam die Hand hin und zog ihn unter Anstrengung hoch.
„Du kannst mich nur besiegen wenn du dein Element zur Hilfe nimmst.“, erklärte ich. „Und würde ich meine zur Hilfe nehmen wäre das ziemlich unfair. Immerhin hast du noch keine Gefährtin, die dich heilen könnte.“
„Du hast zwei und von keinem der beiden nimmst du das Blut.“
„Ich teile einfach nur dein Schicksal. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Und außerdem sind die Wunden doch sowieso spätestens morgen früh wieder verheilt. Übermorgen zur Krönung von Mason bin ich wieder so schön wie vorher.“
„Eingebildet Biest.“
„Nur ein ganz kleines bisschen.“ Ich blickte zu der Stelle wo Alec und seine Freundin standen und grinste. Die Freundin war kreidebleich im Gesicht. Ihr erschrockenes Gesicht, zeigte mir, dass sie überhaupt keine Ahnung davon hatte wie es war täglich um sein Leben kämpfen zu müssen. Wahrscheinlich hatten ihre Eltern sie von jeder Art des Kampfes fern gehalten, damit sie ihr wohlbehütetes Leben führen konnte. Alec hingegen schien sehr zufrieden zu sein. Das Arschloch freute sich bestimmt darüber, dass ich einiges abbekommen hatte. Die beiden ignorierend, liefen Sam und ich an ihnen vorbei.
„Toller Kampf Cat.“, meinte Alec als ich schon ein paar Schritte hinter ihnen war.
„Danke.“
„Brauchst du wirklich nicht mein Blut?“
„Mir geht’s gut. Danke der Nachfrage.“, knurrte ich. Sam sah mich nur verwundert an. Da er nicht wusste was damals zwischen mir uns Alec passiert war, formte ich nur ein 'Später' mit den Lippen.
„Ist ja schon gut. Du musst mich ja nicht gleich anknurren. Ich wollte nur höflich sein!“ Ich sah ihm nur in die Augen. Als nichts weiter kam, wandte ich mich ab und schritt auf den Eingang des Schlosses zu. Dabei wischte ich mir über das Gesicht, denn das nun trockene Blut und der Sand begannen zu jucken.
„Wir beide gehen duschen und dann komm ich in einer halben Stunde zu dir, okay?“, schlug Sam vor.
„Gerne. Was willst du denn solange bis zum Essen bei mir machen?“
„Nun, ich wüsste zu gern was zwischen dir und Alec passiert ist, dass du so feindlich ihm gegenüber bist. Und zweitens... du musst bestimmt einige Telefonate führen. Das willst du doch nicht ohne Unterstützung tun.“ Ich lächelte ihn dankbar an. Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.
Ich brachte ihn noch zu seinem Zimmer bevor ich in meinem Zimmer verschwand. Dort ging ich direkt ins Badezimmer und duschte ausgiebig.
Mit nichts als einem Handtuch bedeckt, verließ ich das Badezimmer und betrat mein Wohnzimmer. Ich wollte gerade in meinem Schlafzimmer verschwinden um mir aus dem Ankleidezimmer etwas zum Anziehen zu holen als ich ihn entdeckte. Alec. Er saß entspannt auf dem Sofa, die Beine auf dem Couchtisch und den Blick auf sein Handy fixiert. Erschrocken starrte ich ihn an.
„Was zum Teufel machst du hier?“ Alec sah auf als er meine Stimme hörte. Fast bedächtig legte er das Handy auf den Couchtisch vor ihm und nahm die Beine herunter um sich aufrecht hinzusetzten.
„Wieso bist du so eiskalt mir gegenüber?“, stellte er eine Gegenfrage.
„Ich bin nackt. Vielleicht ist es besser wenn wir das ein anderes Mal besprechen.“, wich ich seiner Frage aus. Alec musterte mein Gesicht und antwortete bestimmt: „Du wirst es mir jetzt sofort sagen.“ Wütend kniff ich die Augen zusammen und sagte ruhig: „Alec ich schwöre dir, wenn du nicht sofort aus meiner Wohnung verschwindest, dann stopfe ich dir das Maul und prügel dich windelweich bis du dich nicht mehr rühren kannst.“
„Kannst du das denn noch in deinem Zustand?“
„Ein paar Kratzer halten mich nicht davon ab dir Verstand einzuprügeln.“, fauchte ich.
„Du hast dich in den drei Jahren echt verändert Cat.“, meinte Alec leise.
„Verändert?“ Ich lachte höhnisch auf. „Ich hab dich früher genauso angeschnauzt. Das hat sich in den drei Jahren nicht geändert.“
„Das mein ich nicht. Du bis kälter, unberechenbarer, geschäftsmäßiger. Du lässt noch nicht mal deine Familie an dich heran.“
„Und das hast du in den zwei Tagen herausgefunden in denen ich wieder hier bin? Wobei ich den ersten Tag noch nicht mal eine Stunde lang mit euch gesprochen habe?“
„Deine ganze Art ist eiskalt Caitlin! Du warst die meiste Zeit mit Dimitri und diesem Sam unterwegs wegen irgendwelchen wichtigen Kämpfen. Du hast heute nur kurz mit Mason geredet und dich von der Familie distanziert. Du hast noch nicht mal deine kleine Schwester begrüßt, die drei Jahre lang auf dich gewartet hat. Was ist in den drei Jahren passiert, dass du dich einen Scheißdreck um deine Familie kümmerst?“
„ICH WILL IHNEN KEINE SCHMERZEN ZUFÜGEN!“, explodierte ich in diesem Moment. Seine verdammten Anschuldigungen machten mich rasend. „Ich kann jeden verdammten Tag sterben. Meine Arbeit ist halt kein Zuckerschlecken. Ich verbringe meinen Tag nicht im Büro und verteile Arbeit an die anderen Leute der Organisation. Ich bin selbst draußen im Einsatz tätig und kämpfe gegen die verschiedensten Strigoi. Ich habe Feinde. Mehr als ich zählen kann. Mit jedem weiteren Tag, den ich hier verbringe und jedem weiteren Strigoi, der weiß wer ich wirklich bin, wächst die Wahrscheinlichkeit euch in Gefahr zu bringen! Deswegen bin ich so eiskalt. Deswegen distanziere ich mich von der Familie. Denkst du ich habe Spaß dabei? Ich will euch alle einfach nur schützen verdammt noch mal!“ Aufgebracht lief ich im Zimmer hin und her. „Diese Anschuldigungen will ich nie wieder hören Alec. Ich weiß sehr wohl wie sehr ich meine Familie mit meinem Verhalten verletze. Aber ich lass es zu, dass sie sich weiter von mir entfernen, weil ich sie liebe. Es ist einfacher meine Abwesenheit und irgendwann einmal meinen Tod zu verkraften wenn sie denken, dass sie mir sowieso egal sind! Und jetzt lass mich alleine.“
„Caitlin...“, begann Alec, wurde aber unterbrochen.
„Du hast sie verstanden. Verlass sofort dieses Zimmer.“ Alec wirbelte herum und funkelte Sam wütend an.
„Du hast mir überhaupt nichts zu sagen.“, zischte er. Ohne ein weiteres Wort packte ich Alec an den Haaren, das Handtuch mit der anderen Hand fest umklammernd und zog ihm aus dem Zimmer. Dann ließ ich ihn los und schubste ihm mit einem kräftigen Windstoß durch den Flur. Überrascht riss er die Augen auf und ich sagte nur kalt: „Wage es nie wieder ungeladenen mein Zimmer auszusuchen.“ Dann knallte ich die Tür mit voller Wucht hinter mir zu. Ich drehte mich zu Sam um, der mich mit großen Augen anstarrte und heftig schluckte. Erst da wurde mir bewusst, dass ich immer noch nur das Handtuch trug und wurde rot. Es hatte sich bei der Auseinandersetzung ein wenig gelockert und war weiter nach unten gerutscht, sodass ein Ansatz meiner Brüste zu sehen war. Beschämt murmelte ich eine Entschuldigung, lief aus dem Zimmer und zog mich in meinem Ankleidezimmer um. Ich entschied mich für eine weiße Bluse, eine schwarze Röhrenhose und schwarze Ballerinas. Die noch feuchten Haare ließ ich offen, damit sie an der Luft trocknen konnten.
Als ich wieder ins Zimmer trat, saß Sam auf der Couch und wartete. „Was genau ist zwischen euch beiden vorgefallen, dass ihr so zueinander seid?“, war seine einzige Frage.
„Wir waren mal zusammen.“, war meine Antwort und auf seinen überraschten Gesichtsausdruck fing ich an zu erzählen. Wie wir uns kennengelernt hatten, unsere Streitereien, unsere unglückliche Gefährtenzusammenführung, unsere gemeinsame Mission gegen Max, die in unserer Beziehung endete und auch der Grund für den Bruch war.
„Ihr wart gerade mal zwei Tage zusammen bevor du dich von ihm trennen musstest?“ Ich nickte. „Das ist scheiße. Und dann bist du 'gestorben' und nach einer ungewiss langen Trauerzeit hat er sich 'ne neue genommen.“
„Er verfällt in das frühere Muster, welches er vor unserer Beziehung und unserer Freundschaft hatte. Tussige, übertrieben geschminkte, völlig verblödete Schlampen.“, bemerkte ich und konnte nicht verhindern, dass mein Ton bitter klang. Sam sah mich mitleidig an und streckte die Arme nach mir aus. Ich ließ mich von ihm auf seinen Schoß ziehen und vergrub das Gesicht in der Halsbeuge.
„Liebst du ihn noch?“, fragte Sam sanft und strich mir über den Kopf. Ich schüttelte den Kopf und meinte: „Ich weiß es nicht.“
„Wie oft willst du noch versuchen mich anzulügen? Du schaffst das nicht.“ Ich seufzte. Wie ich seine Gabe manchmal hasste.
„Ja. Ja ich liebe ihn noch. Es ist zwar unvorstellbar, dass ich ihn nach drei Jahren Abwesenheit immer noch lieben kann aber ich tue es. Und ich kann nicht damit aufhören. Egal wie sehr ich das will.“ Sam nickte.
„Es muss schwer sein die ganze Zeit ihn und seine Freundin zu sehen und so tun als würde es dir nichts ausmachen oder so zu tun als würdest du dich für sie freuen.“
„Es ist einfach nur so, dass ich gedacht habe, dass das Gefährtenband, welches uns beide verbindet stärker ist. Ich hatte Dimitri extra gebeten Alec einzuweihen falls er merken würde, dass ich nicht tot bin. Ich hatte gehofft, dass ich ihn auf meiner Seite haben würde.“
„Natürlich hast du das gehofft. Immerhin liebst du ihn.“ Sam drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Das wird schon Cat. Er wird bestimmt merken, was du ihm bedeutest. Dann wird er zu dir zurück gekrochen kommen und du wirst ihn warten lassen.“ Ich grinste, welches sofort bei den nächsten Worten von Sam verblasste. „Und jetzt wirst du dein Handy und den Laptop anschalten und wir werden gemeinsam eine wahrscheinlich schon längst überfällige Skype Konferenz mit den Leuten der Organisation führen.“ Er schob mich sanft von seinem Schoß.
„Bitte nicht.“ Mit großen Augen sah ich ihn an und er musste lachen.
„Cat. Du kämpft fast täglich mit blutrünstigen, mordlustigen Strigoi. Du wirst mit einer Gruppe von neugierigen, beleidigten Vampiren schon klar kommen.“
„Ähhh...“ Da war ich mir nicht so sicher. Bei den Strigoi wusste man jedenfalls wo man bei ihnen war. Bei Vampiren sah das anders aus.
Doch Sam ließ mir keine andere Wahl. Er fuhr meinen Laptop hoch und zwang mich dazu mein Handy einzuschalten. Fast sofort leuchtete mein Handy auf. Fast dreißig verpasste Anrufe, viele, viele SMS und übermäßig viele E-Mails.
„Unsere Freunde oder die Organisation?“, fragte Sam und öffnete Skype.
„Unsere Freunde.“ Ich schloss die Augen und holte tief Luft als Sam auf einen Namen klickte und eine Videokonferenz startete. Ab jetzt würde es schwer werden.
Könige krönen ist leicht, doch Könige zügeln ist schwierig
(Solon)
Seufzend lehnte ich mich an Sam. Meine Freunde hatten es mir nicht alle so leicht gemacht wie Sam. Manche hatten sich für eine Zeit von mir abgewandt. Sie wollten in Ruhe darüber nachdenken. Andere hatten meine Situation verstanden und mir verziehen. Im Großen und Ganzen waren die Gespräche trotz allem gut verlaufen. Die Organisation hatte sich nicht von mir abgewandt. Ihr war es egal wie ich hieß und wer ich war solange ich meine Arbeit weiterhin so gut machte wie bisher. Und außerdem konnten sie ja schlecht die Gründerin raus schmeißen. Leider hatte ich durch die Entdeckung einige Gegenspieler, die nun hofften meinen Platz bekommen zu können. Doch diesen Wunsch würde ich ihnen nicht erfüllen. Zumindest jetzt noch nicht. Die Regierung jedoch war geschockt gewesen. Ich hatte ihnen vorenthalten, dass ich eine Prinzessin war. Und außerdem hatte ich meinen Arbeitsvertrag mit falschen Namen unterschrieben! Jetzt musste ich den Vertrag noch einmal unterschreiben und die Vereidigung noch einmal wiederholen. Na super. Den Arbeitsvertrag würden sie mir zuschicken, da ich die nächsten drei Wochen hier würde verbringen müssen. Doch nach der Hochzeit von Dimitri und Kendra würde ich so schnell wie möglich wieder nach Amerika fliegen und die Vereidigung wiederholen. Bis dahin hatten meine Kollegen bestimmt schon potenzielle Länder für die Organisation gefunden. Ich würde die Akten prüfen und Bewerbungsgespräche mit den jeweiligen Königsfamilien führen müssen. Nicht die Art von Arbeit, die ich bevorzugte, doch besser als in England herum zu sitzen und meine Familie in Gefahr zu bringen.
„Das ist doch super gelaufen.“, unterbrach mich Sam in diesem Moment.
„Mhm.“ Abwesend kuschelte ich mich in die Arme meines Freundes. Dieser sah mich überrascht an, verstärkte jedoch die Umarmung und legte seinen Kopf auf meine Schulter.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Jana stürmte in das Zimmer. „Hey Caitlin kommst du mit wir wollen...“ Überrascht starrte sie auf die Szene vor sich bevor sie mich mit einem wissenden Lächeln bedachte. „Sorry. Ich wollte nicht stören. Eigentlich wollte ich dich zum Essen abholen.“
„Wir kommen schon.“, seufzte ich und stand auf.
„Ihr könnt auch gerne darauf verzichten wenn ihr noch ein wenig unter euch bleiben wollt.“ Sam wollte gerade antworten, doch ich kam ihm zuvor: „Wir sind nicht zusammen Jana.“
„Seid ihr nicht? Sah aber ganz anders aus.“ Ich verdrehte die Augen und meinte nur: „Lass uns essen gehen.“ Wortlos griff ich nach Sams Arm und zog ihn hinter mir her zum Esszimmer der königlichen Familie. Dort saßen die Mitglieder schon beisammen und schienen auf uns zu warten. Als ich den Blick über die Runde schweifen ließ und er auf eine kleine Gestalt neben meiner Mutter fiel, die ungeduldig auf ihrem Stuhl hin und her rutschte, versteifte ich mich. Sam schien das zu spüren und strich mir beruhigend über den Arm.
„Caitlin!“, sagte in diesem Moment eine weibliche Stimme erstaunt. Ich riss mühevoll meinen Blick von dem kleinen Mädchen los, welches bei meinem Namen aufgesehen hatte und richtete ihn auf Kendra, die aufgestanden war und freudig auf mich zu kam. Ich löste mich von Sam, der sich sofort auf einen freien Platz setzte und nahm Kendra zaghaft in die Arme.
„Schön dich zu sehen.“, murmelte ich.
„Oh mein Gott ich freue mich ja so, dass du hier und nicht tot bist.“
„Ja. Da bin ich auch froh drüber auch wenn ich oft nicht weit davon entfernt war.“, rutschte es aus mir heraus und ich zuckte zusammen. Da Kendra mich immer noch umklammerte, merkte sie das sofort und ließ von mir ab.
„Ist die Arbeit wirklich so gefährlich wie Dimitri immer erzählt?“
„Gefährlicher.“ In diesem Moment hörte ich die Stimme meiner kleinen Schwester, die unschuldig meinte: „Mama. Das Mädchen da heißt genauso wie Cat.“ 'Tief Luft holen Cat. Das hier war deine Schwester. Du darfst zu ihr nicht so abweisend sein wie zu den anderen.', sagte ich mir. Es war still im Raum, sodass man eine Stecknadel fallen hören konnte. Oder eine Feder.
„Das kommt daher Anastasia, dass ich Cat bin.“, sagte ich sanft.
„Das kann aber nicht sein. Caitlin ist tot. Mama hat mir das gesagt und dabei geweint. Sie meinte Cat ist bei Papa im Himmel.“ Wobei ich mir nicht sicher war ob jemand wie ich in den Himmel kam. Dazu hatte ich schon zu viel getötet. „Obwohl du fast genauso aussiehst wie meine Schwester. Aber meine Schwester hatte längere Haare. Sie gingen ihr fast bis zum Po.“ Dass sie sich an so etwas noch erinnern konnte, dachte ich und fasste mir an meine braunen Locken, die mir nur noch bis kurz über der Brust gingen. Ich war kurz davor meiner Schwester Recht zu geben und ihr zu verschweigen, dass ich wirklich Caitlin war, doch Dimitris intensiver Blick und sein Kopfschütteln hielt mich davon ab.
„Ja, hatte ich aber ich musste sie mir abschneiden. Die langen Haare sind ganz unpraktisch.“
„Mama. Sag doch was. Das ist nicht Cat, oder?“, wandte sie sich dann an meine Mutter. Desiree strich Anastasia über den Kopf und sagte: „Doch mein Schatz. Das ist deine Schwester.“ Sofort sprang meine Schwester von ihrem Stuhl und schritt entschlossen auf mich zu. Automatisch kniete ich mich hin und erwartete sie. Als sie dann vor mir stand, pikste sie mir in den Bauch und ich musste lächeln. Früher hatte sie das auch immer gemacht wenn sie was von mir wollte.
„Aber sie ist ja gar nicht tot!“, rief Tassi aus und blickte mich mit großen Augen an. „Und auch kein Geist, denn Geister kann man nicht berühren.“ Wenn sie sich da mal nicht täuschte. Da sprang sie mir schon in die Arme und ich landete mit dem Hintern auf dem Boden. Ihre kleinen Schultern zuckten und ich fühlte Tränen auf meiner Schulter.
„Hey nicht weinen.“, forderte ich, doch mir selbst liefen die Tränen über die Wangen und ich versteckte mein Gesicht in ihren Haaren.
„Du weinst, dann darf ich auch weinen!“ Ich lachte erstickt auf und klammerte mich an meiner Schwester fest. „Ich hab dich vermisst Cat.“
„Ich dich auch kleine Schwester.“ Irgendwann hatten wir uns beide beruhigt und Anastasia zog mich zu ihrem Stuhl.
„Du bleibst schön bei mir und gehst nicht noch mal weg.“, bestimmte sie und ich setzte mich notgedrungen auf den Platz zwischen ihr und Alec. Und ich biss mir auf die Lippe als mir bewusst wurde, dass ich sie bald wieder würde verlassen müssen. Ich war nicht dazu bestimmt hier im Schloss zu leben, jemanden zu finden, den ich heiraten wollte, mit ihm Kinder zu bekommen und glücklich bis ans Ende meiner Tage mit meinen Lieben zu leben. Das war noch nie mein Schicksal gewesen.
Während des gesamten Essens hielt Anastasia meine Hand und ich war froh, dass ich nichts schneiden musste, sondern immer nur ein einziges Besteckteil in der Hand halten musste. Nach dem Essen zog mich Anastasia zu den Ställen um mir ihr Pony zu zeigen und die Fohlen, die im Moment im Stall waren und ließ mir somit keine Zeit mich in meinem Zimmer zu verstecken. Lachend zog sie mich zu einer der Boxen.
„Guck mal Cat. Das ist meine. Sie heißt Rainbow. Ist sie nicht wunderschön?“ Ich warf einen Blick auf das Pony im inneren der Box und lächelte. Sie war wirklich eine Schönheit. Ein schwarz, weißer Schecke mit warmem braunen Augen und einer wallenden schwarzen Mähne in der sich weiße Strähnen befanden.
„Sie ist wirklich wunderschön Tassi. Hast du denn schon ein paar Reitstunden bekommen?“
„Ja. Ganz viele sogar. Mason bringt mir das Reiten bei. Ich will später genauso gut werden wie er.“
„Reitet er denn oft mit Argos?“
„Nein. Er hat ein anderes Pferd. Und Argos hat sich total verändert. Er ist traurig meint Mason. Er vermisst dich. Komm wir sagen ihm Hallo bevor wir zu den Fohlen gehen. Und danach kannst mir ja ein bisschen Reitunterricht geben, ja?“
„Ja, so machen wir das.“ Wieder zog mich Anastasia durch den Stall und blieb vor der gleichen Box stehen in der Argos schon vor drei Jahren gestanden hatte.
„Guck mal Großer wen ich dir mitgebracht habe! Jetzt brauchst du nicht mehr traurig sein.“ Argos hob teilnahmslos den Kopf und starrte meine kleine Schwester mit leerem Blick an bevor er wieder den Kopf senkte.
„Also wirklich Argos. Als ich dich kennengelernt habe, warst du nicht so langweilig. Da hatte jeder Angst vor dir.“, tadelte ich. Sofort hob der große Hengst den Kopf und wieherte glücklich. Er drängte sich ans Gitter und ich streichelte ihn beruhigend über die Nüstern. „Alles gut ich bin ja wieder hier.“
Als der Hengst laut meiner Schwester genug Streicheleinheiten und Karotten bekommen hatte, zog sie mich weiter zu den Fohlen und dort verbrachten wir so lange Zeit, dass wir es nicht mehr schafften eine Stunde zu reiten. Anastasia war enttäuscht, doch als ich ihr versprach mit ihr auf jeden Fall morgen auszureiten, war sie wieder glücklich. Sie zwang mich noch dazu sie ins Bett zu bringen und ihr eine Gute Nacht Geschichte vorzulesen. Als sie dann endlich eingeschlafen war, beugte ich mich über sie und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn bevor ich leise das Zimmer verließ.
Seufzend wandte ich mich in Richtung mein Zimmer, doch Alec stand plötzlich vor mir und sah mich abwartend an.
Ist was?“, zischte ich, die Hände geballt, bereit zuzuschlagen wenn er mich nicht in Ruhe ließ.
„Die Familie wünscht Sie zu sehen Caitlin.“ Spöttisch verbeugte er sich und hielt mir den Arm hin.
„Wo?“
„Im Salon der Königin. Ich soll dich...“ Weiter kam er nicht, denn ich war schon an ihm vorbei gegangen. „Caitlin! Hey! Warte doch mal. Ich komm mit.“ Doch ich ignorierte den Idioten einfach und lief weiter. Als ich dann am Salon ankam, klopfte ich leise und trat auf die Aufforderung ein.
„Ihr wolltet mich sehen?“, fragte ich und warf einen kurzen Blick in die Runde. Nur meine Mutter und meine Brüder waren anwesend.
„Ja, setze dich doch bitte.“ Meine Mutter wies auf das Sofa ihr gegenüber. Zögernd nahm ich Platz. „Du kannst gehen Alec. Danke.“ Dieser nickte und schloss die Tür hinter sich.
„Alec hat uns erzählt was genau mit dir los ist.“ Sofort kniff ich die Augen zusammen und spannte mich an.
„Hat er das.“, knurrte ich bedrohlich. Ich würde ihn so was von umbringen.
„Caitlin jetzt dreh doch bitte nicht so durch. Er wollte dir doch nur was gutes tun.“
„Und ich wollte euch was Gutes tun!“
„Das hat uns doch nicht gut getan!“ Mason sah mich wütend an. „Gehen dir noch weitere so bescheuerte Gedanken durch den Kopf? Dann sag sie uns jetzt!“
„Ich werde den Hof verlassen. Direkt nach Dimitris und Kendras Hochzeit.“, erklärte ich.
„Aber doch nicht für immer, oder?“ Unsicher sah meine Mutter mich an.
„Für immer.“
„Nein, das wirst du nicht. Immerhin bist du Prinzessin dieses Reiches! Du kannst nicht wieder vom Hof abhauen! Du hast hier doch eine Verantwortung!“ James sah mich sauer an.
„Genau. Ich habe eine Verantwortung gegenüber diesem Land! Ich soll es beschützen! Wie soll ich es beschützen wenn ich durch meine Anwesenheit alle die mir lieb und teuer sind in Gefahr bringe?“
„Du bringst uns genauso in Gefahr wenn du weg bist! Immerhin wissen jetzt alle dank meiner Ansprache wer du bist!“
„Sie werden alle hier antanzen wenn ich nicht abhaue. Und dann wird uns allen ein Kampf bevorstehen. Und ich muss mich um diese Dunja kümmern. Selbst wenn ich hier leben würde, wäre ich die ganze Zeit unterwegs. Mein Leben besteht eben nicht nur aus Büroarbeit. Ich muss raus, ich muss kämpfen und andere Länder in unsere Gemeinschaft aufnehmen. Ich würde nicht oft hier sein.“
„Aber du wärst hier. Wir hätten Kontakt zu dir und würden dich manchmal zu Gesicht bekommen. Bitte überleg es dir.“ Flehend sah meine Mutter mich an. „Und wenn du es schon nicht für uns machst, mach es für Anastasia. Du weißt wie sehr sie an dir hing und immer noch hängt. Sie würde es nicht ertragen dich noch mal zu verlieren.“ Ich schloss die Augen. Sie hatten irgendwie Recht. Sie waren ab jetzt immer in Gefahr. Aber war es das wert? Durfte ich zulassen, dass England von Strigoi überhäuft wurde? Gleichzeitig hatten auch andere Wächter Feinde. Und sie kamen damit klar. Sie hatten Familie, Freunde... Und wenn die Strigoi nach England kämen, würde es einfacher sein sie auszulöschen.
„Ich werde darüber nachdenken.“, seufzte ich schließlich. Hin und her gerissen zwischen bleiben und gehen. Sofort entspannten sich die drei im Raum. Mason sprach sogar das nächste Thema an: „Was hast du in den drei Jahren so getrieben?“ Sofort versteifte ich mich.
„Ich habe das erste Jahr bei den Ältesten verbracht. Sie haben mich trainiert und mir sehr geholfen.“ Meine Mutter runzelte die Stirn und fragte: „Wolltest du das erste Jahr nicht in Hamburg verbringen und dein Abitur machen?“
„Hatte ich vor, doch es kam anders. Ich bin also zu den Ältesten gereist und habe ein Jahr bei ihnen gelebt. Dann habe ich im zweiten Jahr Strigoi aufgespürt, getötet und Geheimnisse von ihnen gesammelt. Ich habe Freunde gefunden und irgendwann in diesem zweiten Jahr haben wir eben den Beschluss gefasst eine Organisation zu gründen, weil wir uns die ganze Zeit gewundert haben warum eine so große Rasse, keine Kampfeinheit hat um die Strigoi zu vernichten. Natürlich hat jedes Land eine Handvoll Wächter, die das Land versuchen zu beschützen, doch das war uns zu wenig. Wir wandten uns an andere Vampire, die sich an die anderen magischen Wesen wandten. Ich weiß nicht wie aber die Regierung wurde gegründet. Wir bauten unsere Organisation auf und auch die Regierung wurde immer weiter ausgebaut. Im dritten Jahr wurde alles noch klarer und strukturierter. Es wurden Anführer gewählt und Gesetzentwürfe geschrieben. Manche wurden aufgenommen andere verworfen, andere geändert. Wir gründeten eine Akademie. Für Vampire, die ihr Leben als Wächter leben wollten. Die etwas verändern wollten. Aus einer wurden vier in ganz Amerika. Sie sind gut besucht und ich bin manchmal da und helfe bei der Ausbildung.“ Ich lächelte als ich an die entschlossenen Jugendlichen dachte, die unbedingt die Tode und das Blutvergießen stoppen wollten. „Und mittendrin halt immer der Kampf gegen Strigoi, Tod, Blut, Feuer... So viel Feuer...“ Ich starrte ins Leere als ich mich an das schreckliche Feuer erinnerte.
Es war eine große Party für alle voll ausgebildeten Wächter gewesen. Wir hatten uns in einer leeren Burg getroffen, die schon seit Jahren leer stand, jedoch sehr gut erhalten war. Es gab Essen, Trinken und Musik. Alle feierten ausgelassen. Immerhin hatten wir es geschafft. StWaS hatte endlich einen Sitz direkt in New York. Ich hatte den Verkauf erfolgreich abwickeln können. Das Gebäude war groß genug für Schlafzimmer, Arbeitsräume und sogar Trainingshallen und Waffenlager. Es war das perfekte Gebäude für die Organisation und konnte problemlos erweitert werden, würden wir irgendwann einmal mehr Platz brauchen. Nicht nur ich war begeistert davon. Jeder hatte sich in das von Außen so unscheinbare Gebäude am Rand von New York verliebt und jeder fieberte der Renovierung entgegen. Alle wollten mithelfen und dieses Gebäude zu ihrem Zuhause machen.
Ich tanzte gerade ausgelassen mit Sam auf der improvisierten Tanzfläche als eine ohrenbetäubende Explosion los ging und wir durch die Luft geschleudert wurden. Durch die Explosion wurden die Vorhänge entzündet, die sofort Flammen fingen. Kurz darauf war der Raum voller Rauch. Das Feuer knisterte und riss weitere Teile des Raumes und der Burg mit sich, denn auch in anderen Räumen waren Explosionen los gegangen. Nun kam Hektik in die Vampire. Sie sprangen von ihren Stühlen auf und liefen panisch auf den Ausgang zu, der viel zu klein und zu schmal für die Masse der Vampire war. Es herrschte eine Massenpanik, die Vampire versuchen sich gegenseitig aus dem Weg zu stoßen und diejenigen, die stolperten wurden einfach überrannt. Und mitten in diesem Chaos stand ich. Überrascht und gleichzeitig voller Panik konnte ich mich nicht rühren. Inmitten des Feuers, welches eine solche Hitze ausstrahlte und eigentlich mein Element war, stand ich und konnte nicht einen Muskel meines Körpers bewegen.
„Caitlin!“, drang Sams Stimme undeutlich zu mir durch. „Du musst die Leute beruhigen! Sie sollen ihre Kräfte einsetzen, sonst werden wir alle lebendig verbrennen!“ Eine Hand umfasste meine Schulter und riss mich herum. Jetzt starrte ich in das Gesicht von Sam, welches mich eindringlich ansah. „Caitlin! Du musst dich beruhigen. Uns wird nichts passieren, solange du die anderen beruhigst uns sie daran erinnerst, dass sie Kräfte haben, die sie einsetzten können. Und beeil dich, wir haben nicht mehr viel Zeit!“ Seine eindringliche und doch so sanfte Stimme riss mich aus meiner Starre. Ich drehte mich zu den Vampiren um und schrie: „Vampire mit dem Element Feuer! Versucht eure Angst zu unterdrücken! Kämpft gegen sie an. Ihr seid stark. Zusammen können wir das Feuer aufhalten!“ Und ohne darauf zu achten ob irgendjemand mir zuhörte versuchte ich die Flammen zu ersticken. Dabei lenkte ich meine Kräfte erst auf die Tür um die flüchtenden Vampire zu helfen. Dabei merkte ich nicht wie nah das Feuer schon an mich ran gerückt war. Es kam von hinten und ich merkte die Hitze und den Schmerz, der mich empfing als das Feuer an mein Kleid kam und es in Brand setzte, doch ich machte weiter mit der Tür. Schuf einen Durchgang, eine Barriere zwischen Feuer und Vampiren. Diese schienen das nicht zu bemerken, denn sie stürmten erleichtert nach draußen und ich blieb alleine zurück. Mit Sam an meiner Seite.
„Flieh Sam. Ich kann das Feuer nicht mehr lange kontrollieren. Es ist zu stark für mich allein.“, keuchte ich.
„Ich lass dich nicht alleine Caitlin.“, fauchte er und zog mich mit sich mit. Doch dadurch, dass ich mich gleichzeitig aufs Laufen und auf das Bändigen konzentrieren musste, konnte ich das Feuer noch weniger kontrollieren und das Feuer fraß sich eine Lücke durch meine Barriere. Die Hitze war nun unerträglich und das Knistern übertönte alle Schreie der Vampire. „Nur noch ein kleines Stück Caitlin. Wir schaffen es hier raus.“ Sam keuchte, zog mich aber immer noch stur an der Hand hinter sich her. Doch als ich stolperte ließ er mich los. Ich versuchte aufzustehen, doch ein fürchterlicher Schmerz schoss durch meinen Fuß mein Bein hoch und ich sackte zurück auf den Boden.
„Lauf Sam.“, flüsterte ich. Er würde mich hören. Trotz des lauten Knurren des Feuers. Sam sah hektisch zur Tür und wieder zu mir. Ich wusste was er überlegte. Er wollte mich tragen, doch der Rauch hatte sich schon in seiner Lunge eingenistet und erschwerten ihm das Atmen. Er würde es nicht schaffen uns beide zu retten. Und ich wollte unbedingt, dass er überlebte. „LAUF!“
„Ich werde dich nie vergessen Caitlin.“, rief er noch bevor er sich umdrehte und den Durchgang durchquerte, den ich geschaffen hatte. Kaum war er hindurch, brach meine Mauer zusammen und das Feuer schoss in die Höhe. Es war nun so warm in dem Raum, dass es nahezu unmöglich war zu atmen. Ich schloss die Augen, denn ich wollte nicht sehen wie ich verbrannte. Dieses Haus würde mein Grab sein. Ich würde sterben. Keuchend holte ich noch ein letztes Mal Luft, bevor mein nach Sauerstoff schreiender Körper mich in eine Tiefe Schwärze riss.
Als ich aufgewacht war, lag ich mit Verbänden um meinen ganzen Körper in einem Bett. Irgendwie hatte Sam es damals geschafft die verängstigten Vampire zu beruhigen und gemeinsam hatten sie es geschafft meinen Leblosen Körper in der Ruine des Schlosses zu finden. Ich war unter einen Berg von Asche, Holz und weiteren Stücken der Decke begraben und als man mich fand, hatte niemand geglaubt, dass ich noch leben würde. Meine Haare waren abgebrannt, ich blutete stark und meine Beine waren gebrochen. Und trotz dieser Verletzungen und vielen Weiteren, die bald darauf festgestellt wurden, atmete ich. Kurz und abgehackt aber ich atmete. Sofort wurde ich ins Krankenhaus transportiert und operiert. Jedenfalls war es das, was Sam mir erzählt hatte. Ich schüttelte den Kopf um die Erinnerung an die schreckliche Nacht zu vertreiben und sah meine Familie wieder an.
„Wo waren wir?“, wollte ich wissen.
„Du hast darüber geredet wie die letzten Jahre abgelaufen sind.“ James sah mich nachdenklich an.
„Ach ja. Dann sind wir jetzt fertig?“
„Im Moment, ja. Aber mach dich auf weitere Fragen gefasst. Wir wollen alles wissen.“
„Das ist mir klar.“ Ich seufzte und stand auf. „Gute Nacht. Wir sehen uns morgen beim Frühstück.“
„Gute Nacht Caitlin. Schlaf gut.“ Meine Mutter drückte mir einen Kuss auf die Stirn und meine Brüder umarmten mich bevor ich mich auf den Weg in mein Schlafzimmer machen konnte.
Ich wurde durch ein Kreischen geweckt. Als ich mich erschrocken aufsetzte, den Dolch, den ich unter meinem Kissen versteckt hatte kampfbereit erhoben, starrte ich auf meine beiden Freundinnen, die mich erschrocken ansahen. Ihr Blick wanderte zwischen dem Dolch und meinem Gesicht hin und her. Unbehaglich steckte ich den Dolch wieder unter mein Kopfkissen und stand auf.
„Was wollt ihr beiden denn hier?“, fragte ich gespielt fröhlich und sah auf die Uhr auf meinem Nachttisch. „Es ist gerade mal zehn Uhr.“
„Ja, das wissen wir aber da heute die Krönung von Mason ist, dachten wir wir schauen mal vorbei und gucken ob du was passendes im Kleiderschrank hast. Immerhin wirst du heute offiziell von Mason begnadigt und so weiter. Außerdem ist nach der Krönung ja der Ball und das heißt...“ Sarah sah mich aufgeregt an. Ich verdrehte die Augen und ging in Richtung meines Kleiderschrankes.
„Ich weiß gar nicht ob ich was passendes habe. Ich hab im Moment ja nur Alltagskleidung gebraucht. Außer zur Beerdigung von meinem Dad... Aber guckt euch ruhig um. Falls ihr nichts findet, werden wir shoppen gehen. Versprochen.“ Ich wusste, dass wir so oder so shoppen gehen würden. Sarah und Jana würden mit mir shoppen gehen, nichts finden und dann ein Kleid aus ihrem Kleiderschrank nehmen, welcher mindestens genauso groß war wie meiner. Aber vielleicht war es ganz gut, dass ich einfach mal wieder was mit ihnen machte. Immerhin würde ich sie jeden Tag sehen wenn ich hier lebte... Falls ich hier lebte und ich wollte nicht, dass sie mich behandelten als wäre ich jemand ganz anderes.
Während die Mädels sich auf die Ballkleider stürzten, die ich noch nicht einmal betrachtet hatte, zog ich mir eine Jeans und einen Pullover mit dem Logo der Organisation an. Meine Haare bändigte ich mit einem Pferdeschwanz und dann stellte ich mich neben meine Freundinnen, die über die Vor- und Nachteile der einzelnen Kleider diskutierten. Ich verdrehte die Augen. Die Beiden hatten sich überhaupt nicht verändert. Sie waren immer noch die selben Fashion begeisterten Mädchen, die sie vor meiner Verbannung gewesen waren. Nach einer Weile einigten sie sich anscheinend, denn sie begannen damit nach Schmuck und Schuhen zu suchen. Doch anscheinend fanden sie nicht alles was sie suchten.
„Du hast kein einziges Schuhpaar, dass zu diesem Kleid passt!“, jammerte Sarah.
„Dann sucht mir ein anderes Kleid raus zu dem ich passende Schuhe und perfekten Schmuck habe.“, meinte ich leichthin. Zwei Augenpaare funkelten mich wütend an während ich nur die Augen verdrehte. „Was?“
„Die Meisten von den Kleidern sind nicht für eine Krönung geeignet. Und die, die es wären sind vollkommen aus der Mode. Dieses Ankleidezimmer muss dringend auf den neusten Stand gebracht werden. Und was hilft dabei mehr als shoppen?“
„Im Internet shoppen?“, fragte ich hoffnungsvoll. Doch ich bekam nur ein verächtliches Schnauben als Antwort.
„Internet shoppen? Das ist so was von ein No go. Und außerdem können sie dir die Schuhe nicht bis heute Abend liefern. Also mach dich fertig. Wir essen einen Happen in der Küche und dann fahren wir in die Stadt.“, befahl Jana. Seufzend packte ich meine Tasche und hängte sie mir über die Schulter. Dann folgte ich meinen Freundinnen in die Küche. Dort bereitete uns die zuständige Köchin ein kleines Frühstück, welches wir mit Genuss verzehrten. Kurze Zeit später saßen wir dann im Mini von Sarah und brausten in Richtung Stadt davon. Kaum hatten wir einen Parkplatz vor dem großen Einkaufszentrum gefunden zogen mich meine Freundinnen sofort in die erste Boutique, die sie finden konnten. Und so begann ein nicht enden wollender Shoppingmarathon. Ich probierte endlos viele Schuhe an bis meine Freundinnen endlich mit einem zufrieden waren und vorsichtshalber noch Andere mit kauften. Dann zogen wir von einem Laden zum anderen um Kleider, Hosen, Pullover et cetera, et cetera anzuprobieren und zu kaufen.
Nach vier Stunden Dauershoppen machten wir endlich Pause und erleichtert ließ ich mich auf einen Stuhl in einem süßen, kleinen Café fallen.
„Ich hab ganz vergessen wie anstrengend Shoppen mit euch ist.“, sagte ich.
„Und wir sind noch nicht fertig.“ Jana grinste mich an. Ich ließ meinen Kopf auf die Tischplatte fallen und stöhnte.
„Bitte nicht! Ich bin völlig k.o! Und wenn wir nicht bald fertig werden und nach Hause kommen, haben wir nicht genug Zeit um uns fertig zu machen.“ Triumphierend sah ich sie an.
„Ach das passt schon. Wir machen so was ja nicht zum ersten Mal.“ Sarah winkte ab und ich knirschte mit den Zähnen. Na super.
Wir verbrachten also noch ein paar Stunden im Einkaufszentrum wo wir einige hübsche Dinge fanden. Als wir dann endlich die Tüten im Mini verstaut und auf dem Weg nach Hause waren, schloss ich müde die Augen.
„Ich werde heute mitten in der Krönungszeremonie einschlafen.“, murmelte ich.
„Ach was. Wir werden deinen geliebten Sam neben dir platzieren und er wird dich wach halten.“, Jana grinste mich an.
„Geliebter Sam. Gibt es da etwas was ich wissen sollte?“ Sarah blickte von mir zu Jana und wieder zurück.
„Nein.“
„Vielleicht. Nun ja. Unsere Freundin hat anscheinend doch einige interessanten Männer in Amerika kennengelernt. Und den Einen hat sie gleich mitgebracht.“
„Ich habe Sam nicht in Amerika kennengelernt. Sondern in... Okay. Ich hab ihn doch in Amerika kennengelernt. Ich weiß aber gar nicht mehr wo.“
„Lügnerin.“, erwiderten die beiden vor mir.
„Okay. Ich weiß es noch. Er hat mir das Leben gerettet. Keine schöne Art jemanden kennen zu lernen aber so war es. Ich will nicht darüber reden. Aber ihr beide scheint ganz zufrieden mit euren Typen zu sein. Wann darf ich denn eure Hochzeiten besuchen kommen?“
„Unsere beiden Männer sind zu schüchtern um uns einen Heiratsantrag zu machen. James hat glaube ich Angst ich würde nein sagen.“
„Dabei dachte ich Mason wäre so ein taffer junger Mann... Mein großer Bruder muss sich doch bestimmt schon was ausgedacht haben. Aber er würde sich ganz bestimmt nicht der besten Freundin seiner Geliebten anvertrauen. Langsam muss er ja wissen, dass ihr keine Geheimnisse für euch behalten könnt.“
„Hey. Wir sind schon viel besser geworden!“ Sarah sah mich durch den Rückspiegel strafend an. „Und seid wir Vampire sind, müssen wir doch ein paar Sachen mehr geheim halten.“
„Vor euren Eltern. Ich weiß. Lebt ihr eigentlich noch Zuhause?“
„Nein, wir sind gleich nach unseren Abschluss ausgezogen. War eine super große Überraschung für unsere Eltern. Die hätten nicht gedacht, dass unsere Beziehung zu unseren Jungs so... ernst ist. Aber sie mögen deine Brüder und deswegen waren sie nicht allzu sehr dagegen.“
„Nun... Wüssten sie was genau wir alle sind, sähe das ein wenig anders aus.“
„Vielleicht... Wahrscheinlich.“ Jana sah mich nachdenklich an. Wohl darauf bedacht das Thema zu wechseln. „Was hattest du für Hobbys Cat. Du musst doch was anderes getan haben als Kämpfen und die Organisation verwalten.“
„Oh. Ich war in Clubs, auf Partys... Ich habe sogar so einen Table Dance Kurs gemacht.“
„Arrr. Sexy. Bringst du uns was bei?“, fragte Sarah begierig.
„Wollt ihr ein paar hübsche Spielchen in euren Schlafzimmern veranstalten?“
„Das wäre eine super Idee!“ Ich lachte.
„Klar bringe euch was bei.“
„Wozu hast du das gebraucht?“ Jana sah mich schief an. „Ich dachte du hattest keinen Freund in den drei Jahren?“
„Ich fand das irgendwie cool. Ich brauchte ein Hobby. Und wenn ich mal einen Freund habe...“ Ich grinste sie an. Die restliche Fahrt verlief ausgelassen. Wir sangen die Lieder, die im Radio liefen mit, sprachen über dies und das und kamen in guter Stimmung am Hof an. Wir brachten die Tüten in die jeweiligen Zimmer. Die von Jana und Sarah lagen nun im gleichen Flügel wie meins. Die Mädels versprachen gleich nach dem Duschen zu mir zu kommen, dann konnten wir uns gemeinsam fertig machen.
Entspannt ging ich in mein Zimmer und duschen. Danach setzte ich mich auf mein Sofa und sah meine Mails durch. Wieder nichts interessantes. Ich bekam jeden Tag das Gleiche. Ich leitete die Suchergebnisse an andere Vampire weiter und beantwortete Fragen zur Einrichtung meines Büros. Als Sarah und Jana endlich kamen, klappte ich den Laptop erleichtert zu. Vorsichtig nahm ich ihnen die Kleider aus der Hand und legte sie auf mein Bett.
„Nun, dann lasst uns uns fertig machen. Was trage ich überhaupt für ein Kleid?“
„Das hier.“, sagte Jana und holte das Kleid hervor. „Aber du wirst dich nicht sehen bevor wir nicht mit dir fertig sind.“
„Das wird sich nie ändern oder? Ihr werdet mich immer fertig machen egal zu welchem Anlass. Wieso vertraut ihr mir nicht?“
„Weil du schon wieder in Pullover und Jeans rum gelaufen bist.“, lautete Sarahs knappe Antwort. Da es sowieso zwecklos war mit den beiden zu diskutierten zog ich einfach das Kleid an und ließ sie an mir herum werkeln. Aber auch als ich fertig war, musste ich mit angucken warten bis meine Freundinnen sich fertig gemacht hatten. Als wir alle drei nach zwei Stunden endlich fertig waren, zogen Jana und Sarah gemeinsam das Tuch vom Spiegel und ich konnte mich endlich betrachten. Das blaue, trägerlose, bodenlange Ballkleid war aus Taft gefertigt. Es besaß eine fein geraffte Corsage mit Perlen besticktem Neckholder. Der Taillenteil war asymmetrisch gerafft und ebenfalls mit Perlen verziert. Meine Haare hatten meine Freundinnen zu einer Hochsteckfrisur frisiert, wobei eine Strähne mir gelockt um das Gesicht fiel. Außerdem hatten sie einige wenige Perlen ins Haar gesteckt. Meine Schminke war schlicht aber elegant.
Jana trug ein dunkelgrünes, schulterfreies, bodenlanges Ballkleid, welches einen Herzausschnitt hatte. Es hatte an der Taille eine schwarze Blume, welche mit kleinen Diamanten bestückt war. Hinten wurde es geschnürt. Ann, die irgendwann einfach dazu gekommen war, hatte das Kleid fest geschnürt. Sie hatte keine Gnade wie bei mir damals. Das grün unterstrich die dunkelroten Haare meiner Freundin, welche ihr offen über die Schulter fielen.
Sarah hingegen hatte sich für ein rosanes, bodenlanges, schulterfreies Kleid aus Tüll entschieden. Der Brustteil war fein gerafft und mit glänzenden Perlen und Pailletten dekoriert. Die Verschnürung befand sich wie bei Jana auf der Rückseite. Der mehrlagige Rock verlieh dem Kleid etwas Prinzessinhaftes.
„Lustig. Wir haben alle schulterfreie Kleider. Sonst hatten wir uns immer etwas unterschiedliches ausgesucht.“, bemerkte ich.
„Ja, stimmt. Du hast dir immer die Kleider ausgesucht, die deine Arme verdecken damit man die Narben nicht sieht.“
„Die Narben sind weg. Ich weiß auch nicht wie das passiert ist. Ich habe an einem Tag drauf geguckt und sie waren einfach verblasst. Am nächsten Tag waren sie dann ganz weg.“
„Wie cool.“ Beide staunten.
„Wo bleiben eigentlich eure Diademe? Immerhin seid ihr doch Prinzessinnen?“
„Wir sind nicht wirklich Prinzessinnen. Immerhin haben wir noch nicht deine Brüder geheiratet. Erst nach der Heirat werden die Prinzessin gekrönt, die in die Familie heiraten.“
„Achso... Wisst ihr was? Irgendwie vermisse ich mein Diadem auf dem Kopf. Kaum zu glauben, denn es hat wirklich genervt, denn man musste den Kopf grade halten damit es nicht verrutschte aber es hat mich...“
„Als Prinzessin ausgezeichnet?“, fragte Sarah mitfühlend.
„Ja...“
Es war nun halb sechs und die Jungs sollten bald ankommen um Sarah und abzuholen. Mason würde uns nicht begleiten, denn er war schon in der Kirche und bereitete sich auf die Krönung vor.
Ich war gerade dabei mich ein wenig im Spiegel zu betrachten als Sarah plötzlich zusammenzuckte. Ihre Hände flogen zu ihren Schläfen und sie krümmte sich zusammen.
„Sarah.“, stieß ich aus und wollte zu ihr, doch Jana hielt mich davon ab.
„Lass sie. Es geht gleich vorüber.“
„Was ist mit ihr?“, wollte ich wissen.
„Nichts schlimmes. Sie bekommt manchmal kurze Kopfschmerzattacken. Die lassen gleich nach.“, winkte Jana ab, doch ich merkte, dass sie log. Und das machte mich traurig. Sie vertrauten mir nicht. Die wichtigen Dinge ließen sie geheim. Anscheinend hatten sie das Gefühl, dass man mir nicht trauen konnte. Einerseits verstand ich das, denn immerhin war ich eine ganze Weile weg, doch andererseits war ich ihre beste Freundin, nicht irgendeine flüchtige Bekannte.
„Ja, natürlich. Kopfschmerzattacken.“, murmelte ich und wandte mich ab. Inzwischen hatte Sarah sich wieder aufgesetzt und Jana abgewunken. Gleichzeitig hatten sie einen intensiven Blickaustausch gehabt. Mit einem Mal fühlte ich mich unwohl in der Gegenwart meiner Freundinnen und konnte es kaum abwarten, dass die Krönung endlich losging. Zum Glück klopfte es in dem Moment an der Zimmertür. Wortlos ging ich zur Tür, öffnete sie und ließ die Jungs eintreten. Im Gegensatz zu Jana und Sarah drehte ich mich nicht wie eine Ballerina im Kreis und ließ mich von James und Sam bewundern. Ungeduldig wartete ich darauf, die Hände auf die Hüften gestemmt, dass sie fertig wurden bevor ich mich bei Sam einhakte und hinter James, Sarah und Jana her ging.
„Was ist los Cat?“ Sam sah mich von der Seite prüfend an.
„Nichts. Mir geht es gut.“
„Du..“
„Es geht mir gut.“, zischte ich heftig und starrte auf die Vampire vor mir.
„Es geht dir vielleicht körperlich gut aber du bist echt... sauer? Verletzt?“
„Es ist alles in Ordnung. Lass uns einfach nur diese dumme Krönung hinter uns bringen.“
„Wow. Begeisterung pur. Das wird schon alles.“
„Klar wird es das. Noch zwei Wochen und ich bin wieder von hier weg.“ Ich übersah nicht das Zusammenzucken der Leute vor mir. Und doch machte es mir nichts aus.
Als wir zur Kirche gingen und uns einen Platz suchten, wurde ich zunehmend nervöser. Wollte ich die Begnadigung überhaupt? Wollte ich wieder zur Prinzessin werden?
„Wenn du nicht gleich die Klappe hälst dann gibt es morgen Schläge.“, knurrte Dimitri plötzlich in meinem Kopf.
„Geh aus meinem Kopf raus! Die Gedanken gehen dich nichts an!“, gab ich zur Antwort und sah mich um. „Wo bist du überhaupt?“
„Den König beschützen. Hättest du gedacht, dass ich eine feste Stelle im Schloss bekomme? Eigentlich war doch immer nur dein Schutz vor Salomon geplant gewesen. Jetzt arbeite, lebe und heirate ich hier.“
„Ja, voll cool.“, stimmte ich zu und wandte mich nach vorne. In dem Moment ging die Tür hinter mir auf und Mason trat ein.
Wie bei einer typischen Krönung trug Mason ein purpurnen Mantel mit Hermelinkragen über seinem weißen Gewand. Aufrecht mit hoch erhobenen Kopf lief er den roten Teppich entlang auf einen Typen zu, der anscheinend der Vampir war, der Vampire krönte. Wie auch immer man solche Leute nannte.
„Das ist der vampirische Erzbischof. Nicht irgendein Typ Caitlin. Bitte etwas mehr Respekt.“ Dimitri funkelte mich wütend an, während er sich neben mich setzte.
„Tut mir leid. Ich hab noch nie eine Krönung besucht. Und hab nie etwas darüber gelernt.“
„Dann guck gut zu. Diese Tradition ist in bei den in England regierenden Monarchen die Gleiche.“ Also sah ich zu. Zuerst sah ich wie sich verschiedene Lords in vier Ecken stellten. Die vier Himmelsrichtungen. Anscheinend waren es die wichtigsten Männer in England. Zum einen erkannte ich den Lord Great Chamberlain und den Earl Marshal. Die beiden anderen waren mir unbekannt.
Während sich Mason neben den Thron auf den Staatsstuhl setzte und zur Nordseite blickte, wurden die Kronjuwelen auf den Altar der Kirche gelegt. Als diese auf ihrem Platz lagen, bat der Erzbischof Mason sich zu erheben und auf die linke Seite zu stellen bevor er in Reihenfolge der Himmelsrichtungen sprach: „Eure Herren, ich zeige euch hiermit Mason Dupont, Sohn von Raphael und Elisabeth Dupont, euren unumstrittenen König. Wir sind hier zusammengekommen, um unsere Huldigung und unseren Dienst zu tun, sind Sie willig dies zu tun?“
Nacheinander sagten die Männer in den verschiedenen Ecken: „Gott schütze den König.“ Mason hingegen verneigte sich kurz dankend vor den gerade gesprochenen. Nach jedem ''Gott schütze den König'' erscholl eine Fanfare.
Dann wandte sich der Erzbischof an Mason und fragte laut: „Mason Dupont, Versprechen und schwören Sie feierlich ihr Königreich gemäß seiner Gesetze und Bräuche zu regieren?“
Mason blickte fest in die Augen des Erzbischof als er sagte: „Ich verspreche und schwöre feierlich dies zu tun.“
„Werden Sie alles in ihrer Macht stehende tun, um Recht und Gerechtigkeit in Gnade zu bewirken, das in allen unseren Gerichten angewendet werden soll?“
„Das werde ich tun.“
„Dann bitte ich Sie nun sich vor den Altar zu knien.“ Würdevoll erhob sich Mason vom Stuhl, schritt zum Altar und kniete sich davor. Der Bischof nahm ein alt aussehendes Buch in die Hand, welches aussah wie die Bibel und hielt es Mason hin.
„Das ist das heilige Buch des ersten Vampir-Königs Edward in dem er die Gesetze, die Aufgaben des Königs und so weiter aufgeschrieben hat.“, erklärte mir Dimitri in meinem Kopf. Mason legte vorsichtig seine Hand drauf und versprach auf dieses heilige Buch seinen Eid zu befolgen. Der Bischof trat zur Seite und Alec trat auf Mason zu, ein Pergament in der Hand haltend. Er kniete sich vor Mason und hielt ihm das Dokument hin, welches wohl ein Vertrag war. Mason nahm die Feder entgegen, die Alec ihm hin hielt und unterschrieb.
„Warum Alec?“
„Er ist der Lord Chamberlain of the Household. Von deinem Vater in seinem Amt eingesetzt. Er ist der leitende Beamte am britischen Hof. Das Amt beinhaltet Koordinations-, Planungs- und Repräsentationsaufgaben.“ Ich nickte leicht mit dem Kopf.
Wieder erhob sich Mason und legte den purpurnen Mantel ab. Er stand nun in dem weißen Gewand vor der Menge. Er ging auf einen Thronartigen Stuhl zu, der mir bisher noch nicht aufgefallen war. Er sah ziemlich alt aus. Im gotischen Stil gehalten und aus massiven Eichenholz mit einer hohen Rückenlehne und Armlehnen. Vier Löwen bilden die Stuhlbeine, wohl ein Symbol dafür, dass ein König stark und entschlossen wie ein Löwe sein sollte.
„Das ist die Nachbildung des Krönungsstuhls oder St. Eduard's Stuhl. Während der Krönung sitzt jeder britische Monarch darauf.“ Als Mason sich gesetzt hatte, wurde ein Baldachin von Alec, James, Dimitri und John über seinem Kopf gehalten. Ein anderer Geistlicher goss geweihtes Öl aus einer Phiole in Form eines Adlers in einen Löffel, der Erzbischof salbte nun Mason an den Händen, an der Brust und am Kopf.
„Ist das nicht ein christlicher Brauch und hat hier nichts zu suchen Dimitri?“ Dimitri wandte mir kurz den Kopf zu und erklärte: „Die meisten christlichen Bräuche der Zeremonie wurden entfernt, da man das Volk nicht mehr zwingen wollte sich dem Glaube des Königs unterwerfen zu müssen. Jedoch ist die Salbung nie entfernt worden, da dies eine göttliche 'Botschaft' ist, die den König als den einzig wahren beschreibt. Der alleinige, gesalbte Herrscher auf dem Thron Englands.“
„Gott segne Sie und behüte Sie, Gott lasse sein Angesicht leuchten über Ihnen und sei Ihnen gnädig.“ Mason neigte den Kopf. Dann stand er auf und verließ den Raum durch eine Seitentür, gefolgt von dem Bischof und dem anderen
geistlichen.
„War es das jetzt?“, flüsterte ich Sam zu, doch dieser schüttelte nur den Kopf. Und kurze Zeit später trat Mason wieder durch die Tür, diesmal in ein einfaches weißes... Kleid, so eins wie der Papst es trug gehüllt und einem goldfarbenen, bis zu dem Füßen reichender Umhang aus Seide darüber. Später erfuhr ich, dass diese beiden Dinge colobium sindonis und supertunica hießen. Warum gab es eigentlich für jedes Ding irgendwelche lateinischen Namen, die sich sowieso kaum einer merken konnte?
Der Lord Great Chamberlain präsentierte nun die Sporen, die für die Ritterlichkeit standen. Doch Mason legte sie nicht an, dies war nicht mehr Ritual, und der Lord brachte sie zum Altar zurück
Nun wurde das juwelbesetzte Staatsschwert vor dem Monarchen präsentiert. Mason erhob sich von dem Krönungsstuhl und opferte es am Hochaltar. Jedenfalls sah es so aus. Doch es wurde ausgetauscht durch Geld, welches der Lord Great Chamberlain auf den Altar legte. Er präsentierte es nun blank vor dem König.
Abermals wechselte Mason das Gewand und trug nun die Robe Royal und die Stole Royal, welche aus goldener Seide gefertigt und mit vielen Emblemen besetzt waren. Alec schloss dabei die Schnalle des Gewandes.
Der Erzbischof überreichte Mason nun einige Kronjuwelen, die vor der Übergabe jedoch gesegnet wurden. Christlich und vom ersten Vampir-König. Mason bekam erst den Reichsapfel, welcher mit vielen verschieden farbigen Steinen besetzt war. Auf dem Reichsapfel war ein Kreuz angebracht, welches die Herrschaft Jesu über die Welt symbolisierte. Nachdem Mason den Reichsapfel entgegengenommen hatte, gab er ihn dem anderen Geistlichen wieder, welche das Kronjuwel auf den Altar zurückstellte. Als nächstes empfing Mason den Hochzeitsring Englands. Wow. Bald hatte er dann zwei Frauen.
Danach folgten Armreife, welche das Band zwischen ihm und dem Volk symbolisierten. Und als letztes wurden Mason das Sceptre with the Dove und das Sceptre with the Cross in die Hand gedrückt.
Der Erzbischof bat am Hochaltar den Segen für die Kröne. Alle im Saal erhoben sich. Der Erzbischof schritt nun mit der Krone in der Hand, gefolgt von allen hohen geistlichen des Reiches, zum Königsstuhl und während Mason noch die beiden Zepter hielt, wurde er vom Erzbischof gekrönt.
Laut wurde drei Mal „Gott schütze den König!“ von allen Anwesenden gerufen und ein Trompetentusch ertönte während von den Mauern des Schlosses Salut geschossen wurde. Ein Chor sang „Be strong and good courage.“ Und danach erfolgte ein feierlicher Segen durch den Erzbischof, erst für König Mason und dann für das gesamte Volk. Tränen schossen mir in die Augen und auch andere Augen blieben nicht trocken. Die Stimmung in der Kirche war gehoben und jeder jubelte dem neuen König zu. Ich war so stolz auf meinen großen Bruder.
Ich fröstelte und als ich rechts neben mich blickte, stand Raphael vor mir.
„Er wird ein guter König sein. Er ist viel weiser als ich es in seinem Alter war. Er wird das Volk gut führen. Sag ihm nachher, dass ich stolz auf ihn bin.“
„Das weiß er bereits Papa. Ich werde es ihm aber sagen.“, versprach ich und bekam einen Kuss von ihm auf den Kopf.
Die Prozession wurde nun in den Thronsaal verlegt. Mason führte die Menge an, gefolgt von den Geistlichen. Danach kam die königliche Familie zu der ich notgedrungen auch gehörte und danach die Lords und Ladys, die der Krönung beiwohnen konnten.
Mason wurde auf seinem Thron platziert, die königliche Familie, unter anderem ich, stellte sich hinter den Thron auf und der Erzbischof kniete sich vor ihm um seinen Eid abzulegen. Mit fester Stimme sagte er laut genug damit alle ihn hören konnten: „Ich, Jonah of Exter, Erzbischof von Canterbury, werde treu und ehrlich sein, und Treue und Wahrheit werde ich Euch, unserem Herrscher, König dieses Königreiches und Verteidiger des Glaubens, entgegenbringen, sowie auch Euren Erben und Nachfolgern nach dem Gesetz. So wahr mir Gott helfe.“ Anschließend berührte er kurz die Krone und stellte sich dann auf den Platz rechts neben dem König. Nun waren die Mitglieder der königlichen Familie dran. Erst kamen die engsten Verwandten, damit auch ich. Eigentlich war ich noch kein vollständiges Mitglied, denn meine Verbannung wurde noch nicht rechtmäßig aufgehoben, doch James schubste mich unsanft nach vorne. Tief Luft holend, schritt ich um den Thron herum, kniete mich mit gesenktem Kopf vor meinen Bruder, den König, und sprach meinen Eid: „Ich, Caitlin Sophie Dupont, Prinzessin von England, werde Eure Lehnsfrau sein mit Leib und Seele und in irdischer Ehrerbietung; und Treue und Wahrheit werde ich Euch entgegenbringen, im Leben wie im Sterben, gegen jede Art von Leuten. So wahr mir Gott helfe.“ Nach einer leichten Handbewegung von Mason stand ich auf, trat auf ihn zu küsste ihn auf die linke Wange, berührte die Kröne und ging auf meinen Platz zurück.
Nach der königlichen Familie kamen die Peers an die Reihe. Der Höchstgestellte der Gruppe leistete dem König nun den Eid. Nach ihrem Eidspruch küssten sie Mason nur die Hand und ich rechnete es Mason groß an, dass er nicht das Gesicht verzog als Männer ihm die Hand küssten. Fanfaren erklangen und die Anwesenden riefen: „Gott schütze den König, Lang lebe der König, Möge der König ewig regieren.“
Mason verließ dann gefolgt von den beiden Geistlichen, Alec und dem Lord Great Chamberlain den Thronsaal. Wahrscheinlich um sich mal wieder umzuziehen. Währenddessen wurde eine Königshymne gesungen.
Ich schielte zu der Uhr, die direkt über der Tür hing. Insgesamt hatte die Krönung mehr als zwei Stunden gedauert.
„Wieso kanntest du den Eidspruch auswendig?“, fragte James erstaunt und lotste mich hinter dem Thron weg vor den Thron, an dem wir nicht gestört wurden.
„Wieso nicht James?“, fragte ich.
„Ich habe echt lange gebraucht bis ich ihn auswendig konnte. Und du hast ihn noch nicht mal gelernt und kannst ihn auswendig?“
„Ich hab geschummelt.“, gab ich zu. „Dimitri hat mir geholfen.“
„Das war mir klar. Würdest du uns bitte mal wieder in deine Gedanken lassen? Ich stehe vor dir und mein Inneres sagt mir immer noch, dass du tot bist.“
„Oh, entschuldige.“ Ich schloss die Augen und konzentrierte mich darauf die Barriere zu brechen. Als ich die Augen wieder öffnete, sah James mich dankbar an.
„Danke.“ Er verstummte als Mason wieder in den Saal trat. Er setzte sich auf den Thron und sah ernst auf die Leute hinunter, bevor er anfing zu sprechen: „Ich weiß, dass Sie sich alle auf das Krönungsbankett freuen, doch zuvor muss ich ein Versprechen einlösen, welches ich meinem Vater gegeben habe. Ich möchte nun die Verbannung meiner Schwester offiziell aufheben.“ Er sah sich suchend um bis er mich bei James stehen sah. „Bitte Schwester komm zu mir.“ Hilfesuchend sah ich James kurz an, doch er lächelte mir nur zu und so machte ich mich auf den Weg vor den Thron. Dort machte ich einen tiefen Knicks. Als ich wieder aufsah, lächelte Mason mir zu. Genauso wie der große Bruder seiner kleinen Schwester zulächelte.
„Nun Caitlin. Als König von England hebe ich die Verbannung, ausgesprochen von meinem Vater, lebe er in Frieden weiter, auf. Ich gebe dir deinen Namen zurück. Du bist nun wieder Prinzessin und Beschützerin dieses Reiches. Du darfst dich wieder ohne Probleme auf dem englischen Boden bewegen und deinen Pflichten nachgehen. Der Kontakt zu dir wird nun nicht mehr als Straftat angesehen.“
„Ich danke Euch für diese Güte Sire.“, ich knickste noch einmal.
„Willkommen zurück Zuhause Caitlin.“ Mason kam die Treppe hinunter und nahm mich in den Arm. „Und nun lasst und feiern.“ Mit mir an seinem Arm schritt er in den Essenssaal zu und platzierte mich an seiner rechten Seite, während Jana zu seiner linken Platz nahm. Diener brachten auf ein Zeichen meiner Mutter die Speisen zum Tisch und zum ersten Mal seit meiner Ankunft fühlte ich mich wieder wohl im Schloss.
Alle Kunst praktischer Erfolge besteht darin, alle Kraft zu jeder Zeit auf einen Punkt - auf den wichtigsten Punkt - zu konzentrieren und nicht nach rechts oder links zu sehen.
(Ferdinand Lassalle)
Das Essen war vorbei und wir befanden uns im Festsaal. Der riesige Tanzsaal war voller Menschen, die die Krönung des Königs feierten. Mehrere Paare waren auf der Tanzfläche und tanzten ausgelassen. Andere standen in Gruppen zusammen und redeten. Und andere, so wie ich, standen alleine in der Masse und beobachteten die Vampire in dem Saal. Ich hatte mit seit meiner Verbannung angewöhnt so viel wie möglich über die Menschen zu wissen, denn Wissen war Macht und ich wollte hier nicht damit aufhören Macht über die Leute zu besitzen.
„Hier, ich dachte du willst was trinken.“ Als ich erschrocken zur Seite blickte, stand Kendra neben mir und hielt mir ein Glas Champagner hin. Dankbar nahm ich es entgegen und hielt es der Schwester von Alec entgegen.
„Auf König Mason. Und auf deine baldige Hochzeit mit Dimitri.“
„Auf König Mason.“ Die Gläser wurden klirrend aneinander gestoßen und wir beide nahmen einen Schluck.
„Ich freu mich für euch.“, sagte ich unvermittelt. „Für Dimitri und dich. Ihr beide seid ein echt süßes Paar. Aber ich komme einfach nicht darüber hinweg, dass mein knallharter Wächter nun sesshaft wird. Ihm steht das Image eines Ehemanns irgendwie nicht. Nichts gegen dich.“ Kendra lachte herzhaft bevor sie antwortete: „Nein, das stimmt. Er sieht nicht aus wie ein Ehemann. Er ist durch und durch Wächter.“
„Aber du liebst ihn.“
„Ja, von ganzen Herzen. Sonst würde ich ihn doch nicht heiraten wollen oder?“ Ich lachte.
„Nein, stimmt wohl.“ Ich sah sie nachdenklich an. „Ich frag mich immer noch wie er deine Mutter dazu bekommen hat zuzustimmen. Ich war nur eine Nacht bei euch und sie hat mich gehasst. Sie tut es bestimmt immer noch.“
„Ach was. Bestimmt nicht. Jetzt wo du nicht mehr mit Alec zusammen bist...“ Sie schlug sich auf den Mund und riss erschrocken die Augen auf. Ich hob den Kopf und blickte ihr direkt in die Augen.
„Schon gut. Red weiter. Also hatte sie etwas dagegen, dass ich mit ihrem Sohn eine Beziehung hatte, die ich zu dem Zeitpunkt an dem ich sie besucht habe überhaupt nicht hatte? Interessant. Vielleicht kann ich dann ja an eurem Hochzeitstag etwas freundlicher reden.“
„Caitlin...“ Kendra sah mich vorsichtig an.
„Schon gut Kendra. Es ist alles in Ordnung.“ Auf ihren skeptischen Blick beteuerte ich: „Wirklich. Mach dir keine Sorgen.“ Ich sah zur Seite und erblickte Dimitri, der mit einem Lächeln auf uns zu kam.
„Da sind ja meine zwei Lieblingsfrauen. Würde es dir was aus machen wenn ich meine Verlobte für einen Tanz entführe Caitlin?“
„Natürlich nicht.“
„Warte Dimitri. Erst einmal werde ich meine Aufgabe erfüllen.“ Kendra klang sehr ernst und auch ihr Gesichtsausdruck wirkte entschlossen. Sofort spannte ich mich an und griff aus Reflex an meinen nicht vorhandenen Waffengürtel. Kendra lachte und Dimitri meinte: „Entspann dich Kätzchen. Sie wird dich nicht umbringen. Versprochen.“
„Ich will dir nur eine Frage stellen. Wir, also Dimitri und ich, haben lange darüber nachgedacht wen wir mit der Aufgabe betreuen sollen aber uns fiel immer nur eine Person ein, der diese Aufgabe erfüllen könnte und die war leider auf einem anderen Kontinent.“ Verständnislos sah ich sie an. „Wir wollen dich fragen ob du unsere Trauzeugin sein willst Cat.“
„Du... Ihr... Ihr wollt mich als Trauzeugin?“
„Genau das war es was meine Verlobte gerade gesagt hat.“
„Aber..., warum mich?“
„Du bist Dimitris Waffenschwester, seine Schülerin, seine beste Freundin. Und du bist meine Freundin. Wir würden uns nie jemand anderen wünschen.“
„Ich... Ja! Ja, ich bin gerne eure Trauzeugin.“ Kendra quietschte auf und fiel mir um den Hals. Dann griff sie nach Dimitris Hand und meinte: „Jetzt können wir tanzen gehen mein Schatz.“ Die beiden verzogen sich auf die Tanzfläche und ich sah ihnen lächelnd hinterher. Dimitri schlang seinen Arm um ihre Taille und zog sie nah an sich während Kendra ihre Arme um seinen Hals legte und ihren Kopf an seine Schulter lehnte. Beide schienen sie nur Augen für den anderen zu haben. Sie waren wirklich ein süßes Paar. Während ich sie so betrachtete, stellte sich Sam neben mich und legte mir einen Arm um die Schulter. Während er lächelnd auf mich herunter blickte, stellte er fest: „Du scheinst glücklich zu sein. Viel entspannter als ich es von dir gewöhnt bin.“
„Aufmerksam wie immer Sam. Ja, es geht mir wunderbar. Ich hab gar nicht gemerkt wie sehr mir der Hof gefehlt hat. Auch wenn ich nicht nur schöne Stunden hier hatte, ist er doch mein Zuhause.“
„Schön, dass du das endlich einsiehst. Und es hat nur eine Verbannung gebraucht, dass du es erkennst.“ James Stimme klag spöttisch zu uns herüber. Als ich zur Seite sah, stand er wenige Meter von uns weg zusammen mit Alec und dessen Freundin. Ich verdrehte bei dem Kommentar meines Bruders einfach die Augen und zog Sam mit mir.
„Was machen wir jetzt?“
„Wir werden mal ein wenig zusammen tanzen. Sonst schlaf ich noch ein.“
„Und mit wir werden zusammen tanzen, meinst du...“
„Wir tanzen schon den Walzer. Keine Sorge. Etwas anderes können wir ja nicht tanzen mit meinem Kleid. Aber ein bisschen Performance mäßiger.“ Ich blieb bei den Musikern stehen und flüsterte ihnen etwas ins Ohr. Sie nickten und versprachen mir sofort das gewünschte Lied zu spielen. Als „Hijo de la Luna“ erklang führte mich Sam auf die Tanzfläche und wirbelte mich durch den Tanz. Wir tanzten über die Tanzfläche und ich drehte mich unter seinem Arm hindurch. Als er mich hochhob und kurz drehte, lachte ich. „Wie lange haben wir das nicht mehr gemacht?“
„Zu lange. Nach dem Brand hast du dich ja kaum auf Festen aufgehalten.“
„Ich hatte ja auch viel zu tun.“ Wir wirbelten immer noch im Saal herum und als wir an der Gruppe von James und Alec vorbei tanzten, sah ich auch die Mädels dort stehen, die mich lächelnd beobachteten. Abgesehen von Alec´ Freundin, die mich wütend musterte.
Der Tanz endete und Sam führte mich Gentlemanlike auf meine Bitte nach draußen an die frische Luft.
„Ich hole uns kurz etwas zu trinken.“, sagte Sam und blickte mich lächelnd an. „Bis gleich.“
„Danke Sam du bist ein Schatz.“, meinte ich, lehnte mich an die Brüstung und schloss die Augen. Kurze Zeit später riss ich sie jedoch wieder auf als eine männliche Stimme sagte: „Du tanzt immer noch so gut wie früher. Vielleicht sogar noch besser.“ Alec stand an der Tür der Veranda und beobachtete mich.
„Wie lange stehst du da schon und beobachtest mich?“, überging ich sein Kompliment.
„Ich bin eben gerade gekommen.“
„Na gut. Dann sehen wir uns.“, verabschiedete ich mich und wollte gehen, doch als ich mich an ihm vorbei drängen wollte, hielt er mich am Handgelenk fest und drehte mich zu sich um.
„Es scheint fast so als hättest du Angst vor mir. Immer wenn ich in der Nähe bin flüchtest du.“
„Das hat nichts mit Angst zu tun. Ich habe nur keine Lust auf deine Gesellschaft oder die deiner Freundin.“ Zuckersüß lächelte ich ihn an.
„Was ist nur aus deinen Gefühlen zu mir geworden?“, wisperte Alec und beugte sich zu mir herunter.
„Gefühle ändern sich nun mal.“ Ich sah über seine Schulter und entdeckte seine Schlampe von Freundin. „Deine Freundin beobachtet uns. Ich glaube für sie sieht es ein bisschen... komisch aus so wie du vor mir stehst. Lass mich bitte los. Wir wollen doch keinen Ärger mit ihr.“ Alec wich zurück und ich schob mich an ihm vorbei. Sam, der gerade durch die Tür treten wollte sah mich überrascht an, doch als er über meinen Kopf sah, huschte ein wissender Ausdruck über sein Gesicht. Er drückte mir das Glas in die Hand und führte mich an einen kleinen Tisch am Rand des Saals. Wir setzten uns und beobachteten die Tänzer. Als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte, sah ich auf und blickte in das Gesicht von Camilla de León. Rasch stand ich auf und verneigte mich vor ihr.
„Also wirklich Caitlin. Nach drei Jahren ununterbrochenem Kontakt solltest du wirklich mal lernen, dass du dich nicht vor mir verbeugen musst. Immerhin bist du Anwärterin auf das Wissen der Ältesten. Und das macht dich zu einer von uns.“
„Camilla!“, zischte ich und sah mich zu allen Seiten um. „Du hast versprochen darüber kein Wort zu verlieren. Außerdem weiß ich wirklich nicht ob ich das Angebot annehmen soll. Immerhin bin ich kein richtiger Vampir und somit nicht unsterblich.“ Ich sah wie Dimitri zu mir sah. Er merkte, dass mich etwas aufwühlte und ich schüttelte den Kopf und sendete ihm beruhigende Gefühle.
„Aber du könntest das Wissen an deine Schülerin weiter geben wenn die Zeit gekommen ist dich für immer zu verabschieden.“
„Ich sagte auch schon zu den anderen Ältesten, dass dies kein Entschluss ist, den man einfach mal so trifft. Ich muss darüber nachdenken. Ich kann jetzt nicht einfach von der Bildfläche verschwinden. Ich habe Verpflichtungen.“
„Das weiß ich Caitlin. Aber das Angebot steht. Du kannst zu ihnen gehen wenn du bereit bist.“
„Und für das Angebot bin ich sehr dankbar.“ Wir hatten leise gesprochen und völlig Sam vergessen, der mir gegenüber saß und sich nun durch ein Räuspern bemerkbar machte. Ich zuckte zusammen und bat Camilla mit einem Blick das Gespräch auf später zu verschieben.
„Wir werden uns bestimmt noch sehen Caitlin. Ich wünsche dir noch viel Spaß auf dem Fest.“
„Ich dir auch Camilla. Danke.“ Die Älteste ging davon um sich mit einem Lord und seiner Frau zu unterhalten während ich mich an Sam wandte, der mich abwartend ansah.
„Was war das?“, erkundigte sich Sam und stützte das Kinn auf seinen verschränkten Händen ab.
„Nichts wichtiges. Ein Angebot, welches ich überdenken muss nichts weiter.“.
„Ich fühle, dass du mir nicht ganz die Wahrheit erzählst.“
„Und ich werde dir auch nicht ganz die Wahrheit erzählen. Das wäre mein Tod. Und jetzt lass uns einfach ein bisschen feiern. Immerhin ist das der Krönungstag meines Bruders und nicht irgendein Geschäftsessen.“
„Und der besagte Bruder kommt gerade auf uns zu.“ Ich drehte mich um und sah, dass Mason wirklich auf uns zu kam. Mit hoch erhobenem Kopf ging er durch die Menschenmenge, die ihm ohne zu Murren Platz machten. Seine Krone funkelte in dem gedimmten Licht des Saales. Kurz bevor er uns erreichte standen Sam und ich auf und verbeugten uns.
„Ich würde gern mit meiner Schwester tanzen. Würden Sie sie mir für einen Tanz borgen Sir?“
„Natürlich Majestät.“ Mason griff nach meiner Hand und zog mich auf die Tanzfläche. Als er einen Arm an meine Hüfte legte und mit der andere meine Hand auf Augenhöhe hielt, sah ich ihm direkt in die Augen. Er schien erschöpft aber glücklich.
„Es ist schön, dass du wieder hier bist.“, sagte Mason, während wir langsam tanzten.
„Ja, find ich auch. Obwohl ich mich erst einmal wieder an den Alltag hier gewöhnen muss.“
„Das dauert ja nicht lange.“ Mason sah mich mit undefinierbaren Blick an und kam auf den wirklichen Grund des Tanzes zu sprechen: „Was wollte Camilla von dir?“
„Nichts wichtiges. Sie wollte mich nur am Hof willkommen heißen. Ich habe sie in den letzten Tagen nicht zu Gesicht bekommen. Sie war ein bisschen beleidigt, dass ich nicht sofort zu ihr gekommen bin.“
„Dein Gesichtsausdruck sah aber nicht sehr zerknirscht aus.“
„Mason. Auch wenn du jetzt der König bist, musst du nicht jede Angelegenheit von mir wissen. Ich weiß, dass ihr mir nicht vertraut. Aber so offensichtlich müsst ihr mir das jetzt wirklich nicht zeigen.“ Ich entzog mich seinem Griff und wollte von der Tanzfläche verschwinden, doch Mason packte erstaunlich schnell mein Handgelenk und drehte mich ein. Dann zog er mich wieder an sich und tanzte weiter, während ich ihn nur wütend anstarrte.
„Wer sagt, dass wir dir nicht vertrauen?“
„Nun ja, wenn ich so sehe, dass Sarah einen ihrer Kopfschmerzattacken bekommt, bei denen sie und Jana sich komische Blicke zuwerfen und ich weiß, dass das keine Schmerzattacken sind und die beiden mir ins Gesicht lügen, dann kann man schon auf den Gedanken kommen. Aber ich bin ich wirklich nicht sauer. Es ist euer gutes Recht misstrauisch zu sein wenn ich nach drei Jahren plötzlich wieder auftauche. Besonders dann wenn ihr alle mich sterben gefühlt habt. Nur seid einfach mir zuliebe ein wenig diskreter. Danke.“
Der Tanz war zu Ende und ich ließ meinen Bruder nach einem kurzen Knicks stehen. Ich bemerkte nicht den entgeisterten Blick meines Bruders, der mich durch den Saal hindurch verfolgte. Aufgebracht verließ ich den Raum und stürmte aus dem Schloss hinaus in die Dunkelheit. Schon immer war mein erster Instinkt Flucht gewesen, doch diesmal wollte ich nicht fliehen. Ich wollte nur einmal aus diesem Schloss raus. Ich hatte mich geirrt. Es fühlte sich beklemmend an wieder hier zu sein. Im Garten angekommen setzte ich mich auf den Rand eines Springbrunnens, der in drei unterschiedlich große Auffangbecken unterteilt war. Das Wasser plätscherte ruhig dahin und ich tauchte meine warmen Hände in das kühle Nass. Wie ich mir wünschte, dass ich nun in New York oder sonst wo in der USA wäre, damit beschäftigt Strigoi zu jagen und zu töten, darin war ich gut und erfahren. Das Leben als Prinzessin jedoch war mir zuwider.
Als ich mich soweit beruhigt hatte, dass ich niemanden würde umbringen müssen, der mit mir sprach, machte ich mich auf den Weg zu meinem Zimmer. Dort zog ich mir mein Kleid aus und legte mich ins Bett. Doch gerade als ich dabei war einzuschlafen, klopfte es an der Tür. Ich stöhnte auf und rief: „Herein.“ Ich schlug meine Decke zurück und setzte mich auf. Die Tür wurde geöffnet und meine Brüder kamen herein. Beide hatten noch ihre Anzüge bzw. ihr königliches Gewand an.
„Hey Cat. Können wir kurz mit dir reden?“ James setzte sich auf mein Bett, Mason auf die andere Seite. Beide sahen mich an.
„Wenn ihr kurz sagt, dann dauert das Gespräch meistens länger. Also. Was wollt ihr?“
„Wir wollen uns entschuldigen und wir wollen dir erzählen was das mit Sarahs Kopfschmerzen auf sich hat. Sie wollte es dir sagen, aber ich habe es verboten. Niemand sollte erfahren was es genau auf sich hat.“, sagte Mason.
„Das heißt, es hat nicht speziell mit dir zu tun, dass wir dir das nicht verraten haben. Es ist einfach eine Vorsichtsmaßnahme.“ Abwartend sah ich die beiden Männer auf meinem Bett an.
„Sarah hat eine besondere Gabe, die ihr jedes Mal Kopfschmerzen bereitet, wenn sie sie überrollt.“
„Ihre Gabe fügt ihr Schmerzen zu?“ Es gab nur eine handvoll Gaben, die dies zu Stande brachten. Und die taten es auch nur, wenn man sie nicht kontrollieren konnte. „Welche ist es?“
„Sie hat Visionen.“, sagte James. „Jedes Mal wenn sie eine Vision bekommt, dann klappt sie fast zusammen. Sie meint, dass sie nur einzelne Bilder, Satzfetzen und Gerüche wahrnimmt, die dann eine mögliche Zukunft anzeigen. Sie ist nach jeder Vision, egal wie lang oder kurz sie war ziemlich geschafft.“ Mein Bruder sah erschöpft und verzweifelt aus. Kein Wunder, er war so mit Sarah verbunden, dass er ihren Schmerz sicher auch fühlen musste, wenn auch in abgeschwächter Form.
„Ja, klar ist sie das, wenn sie niemanden hat, der mit ihr trainiert wie man sie kontrolliert!“ Empört sah ich sie an. „Dimitri weiß davon oder? Er hätte mir Bescheid sagen müssen. Ich hätte ihm dann gesagt wie man das macht!“
„Du weißt wie man die Visionen kontrolliert?“, fragte James überrascht.
„Ja, ich habe schon viel über die verschiedenen Arten der Gaben gelernt als ich... unterwegs war. Ich habe eine Freundin, die die gleiche Gabe hat. Sie hat mir erzählt wie man sie kontrolliert. Wenn ihr wollt, kann ich mit Sarah üben.“ Freudig sah ich meine Brüder an. Endlich mal etwas wichtiges zu tun hier am Hof.
„Weißt du wirklich was du machen musst?“, bremste Mason meine Freude. Er sah mich skeptisch an und ich streckte ihm, like a Kleinkind, die Zunge raus, was er mit einem Haaredurchwuscheln quittierte.
„Ich weiß ganz genau was ich machen muss. Ich habe viel gelernt auf meiner Reise.“
„Nun, dann bitte, bitte kümmere dich um Sarah. Ich halte das nicht aus wie sie leidet.“
„Oder die Schmerzen, die dich jedes Mal überfallen wenn sie sich nicht vor dir abschirmt und das zu hundert Prozent.“
„Woher...?“
„Du bist nicht der Einzige, der eine Gefährtenband hat. Und ich bin diejenige mit zwei, von denen der eine Wächter ist. Mir tut Dimitri schon ziemlich leid. So oft wie ich verletzt wurde oder fast gestorben bin... Er muss die Hölle ausstehen.“
„Wahrscheinlich. Aber er hat es ziemlich gut versteckt die Jahre. Wir haben nichts gemerkt.“
„Wahrscheinlich nur, weil Kendra ihm jedes Mal gute Gefühle gesendet hat, die ihn von meinem Schmerz abgelenkt hat.“
„Nun ja. Wir lassen dich dann mal schlafen. Wir müssen sowieso aufs Fest zurück. Der König darf ja nicht auf seiner eigenen Krönungsfeier fehlen. Wahrscheinlich vermissen sie dich alle ganz schrecklich Bruder.“ Dafür bekam James einen scherzhaften Schlag gegen die Schulter.
„Mason... Ich weiß ich bin noch nicht lange wieder am Hof aber ich möchte dir sagen, pass auf wem du vertraust. Ich habe das Gefühl, dass viele denken, dass du leicht beeinflussbar bist. Sie wollen dich für ihre Zwecke manipulieren.“
„Das weiß ich Caitlin. Aber danke für die Warnung.“ Mason strich mir ein Mal kurz über die Wange. „Gute Nacht Schwesterherz.“ Er verließ das Zimmer und ich hörte ihn davoneilen. Von James bekam ich eine stürmische Umarmung bevor er sich bei mir bedankte: „Danke, dass du mit Sarah trainierst. Es wird mich wirklich erleichtern, wenn ich nicht Angst haben muss, dass sie jeden Moment zusammenklappt.“
„Passiert das oft?“, wollte ich besorgt wissen.
„Nur, wenn sie wirklich wichtige Visionen hat. Zum Beispiel einen Angriff auf ein Familienmitglied.“
„Ich will jetzt nicht gemein klingen oder so, aber ich bin froh, dass Sarah ihre Kräfte bis jetzt nicht kontrollieren konnte, sonst hätte sie mich leicht beobachten können.“
„Und das wolltest du ja auf gar keinen Fall.“ Ich nickte.
„Aber ich werde sie trainieren. Bald kann sie kontrollieren was sie sehen will und was nicht.“
„Danke Schwester. Du weißt gar nicht wie sehr mich das freut.“
„Ich kann es mir vorstellen. Gute Nacht James.“
„Gute Nacht Caitlin.“ Er stand auf, hauchte mir ein Kuss auf die Wange und verließ das Apartment.
Nach dieser Enthüllung konnte ich nicht einschlafen und um etwas Nützliches zu tun, schaltete ich meinen Laptop an und öffnete mein Mailprogramm. Ohne die ungelesenen Mails zu beachten, schrieb ich eine Nachricht an Elín, eine Älteste, die mir viel beigebracht hat und mir viel geholfen hat mit meinen eigenen Gaben klarzukommen und sie zu erweitern. Sie würde mir auch bei dieser Aufgabe helfen können. Nach dem Senden der Mail, schloss ich das Mailprogramm wieder und legte mich ins Bett. Morgen würde ich mit dem Training von Sarah beginnen, beschloss ich. So bald wie möglich musste sie ihre Gabe unter Kontrolle haben. Wenn sie das konnte, wäre sie nicht mehr in Gefahr und eine große Hilfe bei allem. Zufrieden schlief ich dann einige Zeit später ein.
Ich war gerade auf dem Weg ins Esszimmer der Familie als Sarah auf mich zu stürmte.
„Du weißt wie man mir helfen kann?“, fragte sie aufgeregt. Von meiner stillen, zurückgezogenen Freundin war nichts zu sehen.
„Ja, weiß ich.“
„Wann fangen wir mit dem Training an?“, wollte sie wissen
„Nach dem Essen. Es ist die beste Zeit, weil dein Körper zu der Zeit am meisten Kräfte zur Verfügung hat.“ Ich musterte ihre Kleidung. Sie trug ein geblümtes Kleid und hohe Schuhe. „Zieh dir am besten etwas sportliches an. Du wirst ein bisschen länger laufen müssen und dazu eignen sich keine Pumps.“
„Das werde ich machen. Ich freu mich schon.“ Sie hakte sich bei mir ein und ich musste schmunzeln. 'Du wirst dich nicht mehr freuen wenn wir mit dem Training anfangen. Du wirst tot müde ins Bett fallen.'
Beim Frühstück sahen mich alle durchdringend an und irgendwann ging es mir auf die Nerven. Ich konnte regelrecht fühlen wie sie in meine Gedanken einzudringen versuchten. Ihre verschiedenen Kräfte prallten an meiner Abschirmung ab und das immer und immer wieder.
„Hört auf damit.“, fauchte ich irgendwann. „Das nervt und hat überhaupt keinen Sinn. Ihr schafft es nicht in meine Gedanken einzudringen wenn ich es nicht will.“ Erschrockene Gesichter bekam ich auf meine Aussage zu sehen. „Ja, ich weiß normalerweise fühlt man das nicht aber ich bin auch nicht normal. Bitte hört auf damit. Das ist fast genauso schlimm als würdet ihr mich die ganze Zeit anstubsen. Es reicht schon wenn Dimitri die ganze Zeit einen kleinen Platz in meinem Kopf beansprucht und auch nicht verschwinden will.“ Sofort stoppten die Angriffe auf meinen Geist und ich entspannte mich wieder. „Danke. Zu freundlich von euch.“ Schweigend beendete ich das Frühstück und als dann alle fertig waren, wies ich Sarah an mir zu folgen. Wir gingen in ihr Zimmer und ich suchte ihr eine bequeme Haremshose und einen Pullover raus. Zusätzlich bekam sie Schuhe mit denen sie weite Strecken laufen konnte. Zur gleichen Zeit zog ich mir ungefähr das Gleiche an und packte eine Tasche mit Wasser, ein wenig Essen und gewohnheitsmäßig ein paar Waffen. Wir würden heute ein wenig länger unterwegs sein und ich wollte nicht, dass wir verhungerten oder in Gefahr waren. Gemeinsam machten wir uns dann auf den Weg.
„Wohin gehen wir? Wieso nehmen wir kein Auto?“
„Lass dich überraschen, es wird dir gefallen. Und wir nehmen kein Auto damit du ein bisschen dein Bewusstsein erweitern kannst. Ich hoffe du bist sportlicher als früher. Das wird ein gutes Stück was wir wandern müssen.“
„Komm schon Caitlin!“, jammerte Sarah.
„Willst du deine Gabe jetzt kontrollieren können oder nicht?“, wollte ich von ihr wissen.
„Natürlich will ich das aber...“
„Dann will ich jetzt kein Gejammer hören. Du wirst mir noch danken, dass du das alles gemacht hast. Los komm.“
Ich führte sie in den Wald hinein, der zu dieser Jahreszeit in den verschiedensten Farben erstrahlte. Schweigend ging ich vor, während Sarah es vorzog schmollend hinter mir her zu trotten.
Nach eineinhalb Stunden Wandern, erreichten wir endlich den Platz, den ich mir für unsere Übung ausgesucht hatte. Eine Lichtung, die mit Blumen aller Art überseht war. Gänseblümchen, Blausterne, Gänseblümchen, Hyazinthen,Narzissen und viele weitere Blumenarten waren auf dieser Lichtung vertreten. Ein kleiner Fluss schlängelte sich an dem Rand der Lichtung vorbei und Vögel zwitscherten. Ruhe und Frieden überkam mich, doch Sarah sah aus als würde sie gleich umfallen. Ihr Gesicht war rot und sie atmete schwer. Sie war überhaupt nicht besser geworden in Sport bemerkte ich mit kleinem Lächeln.
„Setz dich und trink etwas. Komm ein bisschen zur Ruhe und dann fangen wir an.“ Ich reichte ihr eine Wasserflasche, die sich mit einem Nicken annahm und sofort halb leerte. Dann setzte sie sich auf den Boden und sah mich abwartend an.
„Was hast du für mich geplant Miss Dupont?“, fragte sie scherzhaft. Ich setzte mich vor sie auf den Boden und sagte: „Du kannst deine Gabe im Moment nicht kontrollieren, weil du dein Bewusstsein nicht kontrollieren kannst. Deine Gedanken sind aufgewühlt und du hast Angst deine Gabe zu benutzen, weil sie mit Schmerzen verbunden ist. Wir werden erst einmal damit beginnen deinen Geist zu leeren und zu erweitern.“
„Wow. Du hörst dich wirklich an wie eine Lehrerin.“
„Ab jetzt bitte keine Späße mehr. Wir wollen doch wirklich ernsthaft trainieren.“
„Entschuldige.“ Sarah senkte den Kopf und fragte: „Was soll ich machen?“
„Schließ deine Augen. Setze oder lege dich in eine entspannte Position.“ Sie tat was ich ihr auftrug und wartete mit geschlossenen Augen und auf dem Rücken liegend auf meine nächste Anweisung. „Sperre jeden aus deinem Kopf aus. Jeden, der Kontakt zu dir aufnehmen könnte. Sag ihnen, dass es dir gut geht, du sie aber aus deinem Kopf verbannst, damit du ordentlich arbeiten kannst. Falls was ist sollen sie mich ansprechen.“ Sarah nickte und ich merkte wie sie nach und nach jeden aus ihrem Kopf sperrte. Von James bekam ich ein „Pass auf sie auf Caitlin.“ zu hören, doch dann war er leise.
„Gut gemacht. Jetzt konzentriere dich auf die Geräusche, die Gerüche, die dich umgeben. Versuche dir die Lichtung bewusst vor Augen zu rufen. Die Tiere, die im Gebüsch lauern, der Fluss, der an uns vorbeirauscht, die Blumen, die sanft im Wind hin und her wiegen. Stell dir das alles vor deinem inneren Auge vor.“
„Ich soll das Bild von der Wiese und allem drum und dran vor meinem inneren Auge erscheinen lassen?“ Sarahs Stimme klang skeptisch und ich meinte: „Genau das sollst du tun. Versuch es. Es ist vielleicht ein wenig schwer aber nach einiger Zeit wirst du es schaffen. Wenn du es hast, lass mich in deinen Kopf und ich werde mir angucken ob du es richtig gemacht hast.“ Sarah nickte und begann sich zu konzentrieren. Doch ich merkte sofort, dass sie es nicht schaffte sich zu konzentrieren und ihre Umgebung in ihrem Kopf entstehen zu lassen. Sie war noch zu angespannt und nicht auf die gestellte Aufgabe fokussiert. „Hast du das schon einmal gemacht Sarah?“
„Nein. Jana und ich haben nur gelernt und abzuschirmen.“
„Das ist unvorstellbar! Bei der Ausbildung lernt man das als aller erstes!“, entschlüpfte es mir unüberlegt und ich biss mir auf die Zunge.
„Bei welcher Ausbildung?“
„Wir sind hier um zu lernen und nicht um zu quatschen.“, wich ich ihrer Frage aus und erklärte: „Nun. Sieh dich um. Was siehst du?“
„Wald, einen Bach, Blumen, Vögel...“
„Genauer? Welche Vögel? Welche Art von Blumen? Wie ist der Wald aufgebaut? Sei ein wenig poetisch. Wie fühlst du dich wenn du dich hier umsiehst?“ Und sie begann zu erzählen. Sie erzählte von den verschiedenen Blumen, den Bäumen, der Wiese, den Tieren. Sie erzählte mir über den Wunsch nach Freiheit, der sie überkam wenn sie die Vögel beim Fliegen beobachtete und über den Frieden und die Entspannung, die sich in ihr breit machten. Irgendwann wurde sie leiser und hörte anschließend ganz auf. „Gut. Genau das ist es was ich hören wollte. Und jetzt stell dir genau das was du eben beschrieben hast in deinem Kopf vor. Nutze dabei auch die Gefühle, die in dir hervorgerufen werden.“ Sarah nickte und schloss die Augen. Ihr Gesichtsausdruck verwandelte sich von angestrengt in zufrieden und ich merkte wie sie ihre Barriere so weit hinunter ließ um mich in ihren Kopf schlüpfen zu lassen. Ich sah mir ihr Ergebnis an. Und wahrhaftig. Sie hatte es geschafft die Wiese vor ihrem inneren Auge erscheinen zu lassen.
„Super gemacht Sarah! Das ist unglaublich.“, rief ich begeistert aus. Ich verschwand aus ihrem Kopf und sie zog ihre Barriere sofort wieder hoch. „Schaffst du es mit mir zu reden und gleichzeitig das Bild nicht verschwinden zu lassen?“
„Ich bin mir nicht sicher. Es ist so schon ganz schön anstrengend es überhaupt erscheinen zu lassen. Ich glaube nicht, dass ich es schaffe.“
„Das ist aber etwas was wir erreichen wollen. Dass du dich nicht mehr auf dein Inneres konzentrieren musst. Dann können wir deine Gabe aktivieren und du müsstest dich nicht vollkommen von der realen Welt abkapseln wenn du eine Vision hast. Du könntest sie mit einem Finger schnipsen vor deinem inneren Auge erscheinen lassen.“
„Woher weißt du das alles?“
„Nun ja. Durch langes Studieren der einzelnen Gaben. Ich hatte reichlich Zeit dazu.“ Ich starrte in den Wald. Doch ich wandte mich schnell ab und meinte: „Ich denke das reicht für heute für dich. Wir sind schon fast den ganzen Tag unterwegs.“
„Wie bitte? Wir sitzen hier doch gerade mal eine Stunde?“ Sarah starrte mich verständnislos an und ich musste lachen.
„Das dachte ich auch als ich das zum ersten Mal gemacht habe. Aber wir sind schon mindestens drei Stunden am üben. Wir sollten zurück gehen. Im Frühling wird es schon früh dunkel und wir sollten zurück gehen solange es hell ist. Wir brauchen ja keinen Zusammenstoß mit irgendwelchen Strigoi oder so.“
„Okay. Dann lass uns gehen. Ich hab sowieso Hunger.“
„Zeit für Essen haben wir noch.“ Ich reichte ihr meine Tasche und sie holte sich das Brot und die Getränke heraus. Doch als sie mir ein Brötchen hin hielt lehnte ich ab.
„Ich esse später.“ Abschätzend sah ich sie an. „Würdest du dich für ein kleines Experiment bereit stellen Sarah?“ Misstrauisch musterte mich meine Freundin bevor sie fragte: „Was für ein Experiment?“
„Keine Sorge. Du musst eigentlich nichts tun außer deine Umgebung zu beobachten. Ich möchte gucken ob ich die Trennwand zwischen Totenreich und die Welt der Lebenden so weit durchsichtig machen kann, dass normale Vampire sie sehen können. Dir passiert nichts. Kein Toter kann die Welt der Lebenden betreten, wenn ich es nicht zulasse. Und wenn nur als Geist. Und Geister können normalerweise niemanden etwas antun. Sie können keine Dinge anfassen.“ Außer natürlich mich.
„Mir wird wirklich nichts passieren?“
„James würde mich killen wenn dir irgendwas passieren würde also nein, dir passiert nichts. Vertrau mir.“ Sarah nickte zaghaft.
„Okay.“
„Super. Und du brauchst dich wirklich nicht zu fürchten. Die Totenwelt ist nicht so gruselig wie sie immer dargestellt wird. Sie ist unterteilt in viele verschiedene Abschnitte. Und wenn wir Glück haben, dann können wir Raphael sehen.“
Ich schloss die Augen und rief die Totenwelt vor meinem inneren Auge auf. Die verschiedenen Abschnitte, die durch Mauern getrennt waren und die ich schon auf meinen Reisen besucht hatte. Dann schob ich meine Gedanken aus meinem Kopf heraus und erschuf ein Abbild in der realen Welt. Ich öffnete die Augen als Sarah erschrocken auf keuchte. Sie stand inmitten einer Stadt von Toten.
„Dir passiert nichts. Das ist nur eine Abbildung des Totenreichs wie es jetzt im Moment aussieht. Aber du siehst die Sachen doch, oder?“ Sie nickte nur uns sah sich staunend um.
„Und so sieht die Totenwelt aus? Genau so?“ Sie griff nach einem Menschen, doch ihre Hand ging direkt durch ihn hindurch. Das gleiche passierte auch als sie eine Häuserwand berühren wollte.
„Ja, ich war auch überrascht als ich sie zum ersten Mal betrat. Ich habe mir eine dunkle Welt mit traurigen, toten Menschen vorgestellt, doch als ich sah wie glücklich sie waren, war ich erleichtert. Die Menschen, die gutes getan hatten in ihrem Leben, wurden hier belohnt und die Leute, die schreckliches getan hatten, erleben dort das zehnfache ihrer schrecklichsten Tat.“ Ich sah mich um. „Guck mal da.“ Ich zeigte auf ein großes Haus aus dem jetzt mein Vater trat. Ihm gefolgt trat Elisabeth aus dem Haus. Lachend führte sie ihn direkt in unsere Richtung.
„Raphael!“, rief Sarah fröhlich aus, doch der Angesprochene reagierte noch nicht einmal mit einem Wimpern zucken. Sie wandte sich an mich. „Wieso reagiert er nicht?“ Raphael ging direkt durch sie hindurch und sie zuckte zusammen. „Ich habe ihn noch nicht einmal gespürt.“
„Es ist nur eine Abbildung des Totenreichs. Das was du hier siehst, spielt sich wirklich ab, aber wir sind nicht im Totenreichs und können deswegen nicht mit den Toten interagieren.“ Ich ließ das Totenreich wieder verschwinden. „Komm, lass uns gehen.“ Stöhnend folgte Sarah mir den Weg zurück, den wir auch hierher gegangen waren.
ALEC
„Alec lass mich runter.“, kreischte sie und schlug mir gegen den Rücken was mir aber überhaupt nichts ausmachte.
„Komm schon Angelina. Hab mal ein bisschen Spaß.“, sagte ich und ließ sie herunter. Ich grinste sie verführerisch an und sie fing an Raubtierhaft zu lächeln.
„Na dann komm.“, meinte sie und führte mich zu ihrem Zimmer. Dort angekommen fing sie an mich stürmisch zu küssen und ich öffnete hektisch ihre Bluse. Fahrig zogen wir uns gegenseitig aus und ich hob sie aufs Bett. Dort fuhr ich mit den Lippen die Konturen ihres Körpers nach und hörte sie aufstöhnen. Ich wusste was ihr gefiel.
„Nimm mich doch endlich du Arschloch.“, kam kehlig aus ihrem Mund und ich tat ihr nur zu gern den Gefallen.
Als wir uns genug ausgetobt hatten, machten wir uns auf den Weg in die Stadt. Meine Freundin hatte mich gezwungen mit ihr shoppen zu gehen und ich hatte ihr nachgegeben. Während sie also tausende von Kleidungsstücken anzog und mir präsentierte, hing ich meinen Gedanken nach. Ich dachte an die erste Begegnung von uns beiden, die nicht zufällig gewesen war, wie ich von meiner Mutter erfahren hatte. Wir hatten uns auf einem Ball kennengelernt, den meine Mutter überraschend gegeben hatte. Seit der Mission von Caitlin und mir hatte sie sich wieder unter die Menschen begeben. Sie war öfters mit ehemaligen Freunden zum Essen oder golfen verabredet und nahm nun öfters an den Bällen am königlichen Hof teil. Ich hatte das Gefühl, dass sie einen bestimmten Plan verfolgte und mein Verdacht bestätigte sich als eines Abends Angelina und ihre Familie zum Essen kam. Dort wurde meine Zukunft und auch die ihre entschieden. Was ich dort erfuhr, erschütterte mich und ich konnte noch heute nicht glauben, dass meine Mutter sich so was ausgedacht hatte.
„Alec, dein Vater und ich haben diese Entscheidung kurz nach deiner Geburt getroffen. Du warst um die drei als wir ein Abkommen mit Angelinas Eltern trafen.“ Ich setzte mich gerade auf und sah meine Mutter abwartend und misstrauisch an. Das hörte sich überhaupt nicht gut an.
„Welches Abkommen?“, wollte ich knurrend wissen.
„Du wirst Angelina heiraten.“, erklärte mir meine Mutter sachlich und ich verschluckte mich an dem Filet, welches ich gerade im Mund gehabt hatte. Ich beugte mich hustend nach vorne und klopfte mir gegen die Brust.
„Wie bitte? Ich werde Angelina heiraten?“, wiederholte ich zwischen einzelnen Hustenanfällen.
„Richtig.“ Meine Mutter nickte und sah zufrieden zu Angelinas Eltern. Diese waren glücklich, doch ihre Tochter schien ebenso abgeneigt zu sein mich zu heiraten wie ich.
„Und das entscheidet ihr über unseren Kopf hinweg? In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich? Soweit ich weiß im 21. und da sind Vernunftehen nicht mehr Gang und Gebe.“ Verbittert sah ich meine Mutter an. Sie wusste doch, dass ich im Moment noch nicht mal an andere Mädchen denken konnte ohne, dass ich an Caitlin denken musste. Immerhin war Caitlin vor wenigen Wochen qualvoll gestorben und mein Herz in tausend Teile zersprungen.
„Nun, aber die sind nicht ganz unüblich. Und ihr beide würdet von anderen profitieren. Und nun will ich keine Wiederworte hören, ihr werdet heiraten und Schluss ist.“ Ich sah zu Angelina, die die Debatte wortlos und mit zusammengepressten Lippen verfolgt hatte und nicht den Anschein machte irgendwie zu widersprechen. Anscheinend wusste sie schon von dem Abkommen.
„Nun gut Mutter. Wie Ihr wollt.“ Meine Stimme klang zynisch und ich erhob mich. „Entschuldigt mich. Ich werde mich nun zurückziehen.“
„Warte Alec.“, hielt mich meine Mutter zurück. „Bring Angelina bitte in das Gästezimmer, welches wir zusammen hergerichtet haben. Sie werden einige Tage bleiben. Dann könnt ihr beiden euch besser kennenlernen.“
„Wie du wünscht Mutter.“ Wortlos bedeutete ich Angelina sich zu erheben und sie folgte mir durch die Burg zu ihrem Zimmer. Dort verneigte ich mich vor ihr und meinte: „Ich wünsche euch eine gute Nacht Angelina.“ Als ich mich abwandte, hörte ich zum ersten Mal ihre Stimme, die genauso zickig klang wie ich sie mir vorgestellt hatte.
„Ich will Sie genauso wenig heiraten wie Sie mich Sir, doch wir können nichts gegen diese Verbindung tun. Das Einzige was wir tun können ist diese Verbindung wortlos hinzunehmen und dann unser eigenes Leben zu führen. Wir können nicht verhindern, dass ich Sie zum königlichen Hof begleiten muss und dort mit Ihnen leben muss, doch bis zur Hochzeit, die etwas auf sich warten lässt, können wir in getrennten Zimmern schlafen und unser eigenes Leben leben.“
„Ich würde lieber für immer mein eigenes Leben leben.“, knurrte ich.
„Ich habe das mit Prinzessin Caitlin gehört, es tut mir leid für Ihren Verlust, doch irgendwann müssen sie sich sowieso eine Frau suchen, diese arrangierte Ehe vermeidet die Suche nach einer Frau.“
„Ihr scheint überhaupt nichts gegen die Ehe zu haben.“
„Ich hätte einen weitaus schlimmeren Gatten bekommen können, Sir. Natürlich habe ich nichts dagegen.“ Ich schnaubte nur und wandte mich an. Ich konnte es einfach nicht fassen, dass meine Mutter sich so etwas erlaubte.
„An was denkst du?“, fragte Angelina und legte ihre Arme von hinten um meinen Hals.
„An unsere erste Begegnung.“, erwiderte ich nur und stand auf. „Bist du fertig? Gut dann können wir ja gehen.“ Und ohne auf sie zu warten verließ ich den Laden und setzte mich ins Auto. Angelina verstaute ihre gekauften Sachen im Kofferraum und ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder.
„Hör mir gut zu Alec. Ich weiß genau, dass du mich nicht willst und dass dich das Auftauchen von dieser Caitlin aus der Fassung gebracht hat, auch wenn ich nicht verstehe wieso du diese arrogante Ziege so liebst...“
„Ich liebe sie nicht.“, unterbrach ich sie schroff.
„...aber wir können nichts gegen diese Vereinbarung unserer Eltern und ich werde dich umbringen, gehst du mir auch nur ein Mal fremd, verstanden?“
„Nur, weil wir verlobt sind und vor der Welt so tun müssen als wären wir glücklich miteinander heißt das nicht, dass du mir sagen darfst was ich tun oder lassen soll, hast du das verstanden?“ Ich lenkte den Wagen viel zu schnell, aber sicher durch die Straßen von Oxford. Meine Hände waren um das Lenkrad gekrallt und ich starrte stur auf die Straße. Auch sie sagte nichts mehr, sondern blickte beleidigt aus dem Fenster.
Am Schloss angekommen stieg ich seufzend aus und fing unsere Schauspielerei wieder an. Ich streckte die Hand aus und als Angelina ihre Hand in meine gelegt hatte, zog ich sie mit einem Lächeln hinter mit her. Die Taschen in der anderen, freien Hand. Ich brachte meine Verlobte zu ihrem Zimmer, drückte ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen und meinte: „Ich bin trainieren. Bis nachher Süße.“
„Bis nachher.“, sie lächelte kurz verächtlich und verschwand in ihrem Zimmer, während ich mich auf dem Weg zu meinem Zimmer machte um mich umzuziehen und meine Waffen zu holen. Sofort danach machte ich mich auf den Weg zum Trainingsgelände, welches ich schon seit mindestens einer Woche nicht mehr betreten hatte.
CAITLIN
Nachdem wir das Schlossgelände wieder betreten hatten war Sarah verschwunden. Ich lachte nur und schlenderte über den Hof. Kampfgeräusche lenkten mich in Richtung der Kampfplätze und ich entdeckte Alec, der ziemlich wütend auf eine Übungspuppe eindrosch. Ich erlaubte mir einen Scherz und ließ die Puppe mit einem Windstoß zur Seite fliegen. Alec, der gerade mit erhobenen Schwert auf sie zu gerannt war, lief an der Puppe vorbei und als er anhielt sah er sie so ungläubig an, dass ich nicht anders konnte als zu lachen. Als Alec sich zu mir umdrehte und sein verwunderter Gesichtsausdruck sich in Verstehen wandelte, ging ich näher auf ihn zu, den Beutel lässig über dem Rückend hängend, und meinte: „Du scheinst ziemlich aufgebracht zu sein. Du weißt doch, dass man sich da nicht wirklich auf den Kampf konzentrieren kann."
„Wie hast du das mit der Puppe gemacht?“, überging er meinen Kommentar.
„Dimitis Element ist doch die Luft. Durch das Waffenbrüderband habe ich anscheinend seine Kräfte mitgenommen. Er müsste auch Feuer haben.“
„Ihr habt euer Band vervollständigt? Wie? Ihr habt doch niemals zusammen einen Kampf bestritten, oder?“
„Doch haben wir. Ist ja auch nicht wichtig wie, das wichtige ist einfach nur, dass wir es vervollständigt haben.“ Ich sah die Strohpuppe an, die vollkommen zerfetzt war. Alec hatte sie nicht geschont. „Es gab mal eine Zeit da habe ich Strigoi genauso verstümmelt.“ Der Satz war mit herausgerutscht und ich bereute ihn schon sofort nachdem er meinen Mund verlassen hatte. Alec begutachtete sein Werk bevor er mich skeptisch ansah. Er glaubte nicht daran, dass ich zu solchen Taten fähig war. Da ich mit dem Thema angefangen hatte, wollte ich es auch beenden. „Es war zum Ende des ersten Jahres der Verbannung. Ich war in so einer rebellischen Phase. Ich war wütend auf mich, auf meinen Vater, auf meine Mutter. Eigentlich auf jeden. Doch am meisten auf die Strigoi, die mein Leben irgendwie zerstört hatten. Ich trug so eine Wut in mir, dass ich nicht aufhören konnte wenn ich einmal mit einem Strigoi aneinander geriet. Ich geriet in einen Blutrausch aus dem ich meist erst erwachte wenn die Leiche in klitzekleine Stücke zerfetzt war. Das wurde so schlimm, dass ich mir schwor kein Schwert mehr anzufangen. Sam hat mir in der Zeit geholfen meine Wut hinauszulassen und mich zu entspannen. Ohne ihn hätte ich diese Phase niemals überstanden.“
„Das heißt du hast durch ihn Beherrschung gelernt?“„Ja, er war so eine Art Mentor. Und irgendwann wurde er zu meinem besten Freund in Amerika.“ Ich sah auf und griff mir an den Kopf. Das Thema mit Alec zu besprechen bereitete mir Unbehagen und ich wollte es so schnell wie möglich wechseln. Und mir fiel sofort ein wie ich das tun konnte. „Komm Alec. Ich muss dir noch was geben.“ Alec schien verwirrt, folgte mir aber durch die Korridore des Schlosses zu meinem Zimmer. Dort setzte er sich auf mein Sofa während ich in mein Schlafzimmer ging und nach den Schwertern, Dolchen und Bögen, die er mir gegeben hatte um mich zu verteidigen, suchte. Sie hatten mir gute Dienste geleistet, während ich mich in Amerika eingewöhnt hatte, doch irgendwann hatte ich mir meine eigenen Waffen besorgt, die besser zu mir passten. Das Einzige was ich behalten würde, war der Dolch, den ich von Alec geschenkt bekommen und ein wenig verbessert hatte. Dieses Geschenk trug ich immer bei mir, denn es war meine einzige Erinnerung an Alec und mich. Eine Erinnerung, die ich niemals vergessen würde.
Ich packte die Waffen in eine große Tasche und trug sie ins Wohnzimmer in welchem Alec jedoch nicht mehr saß. Langsam ließ ich die Tasche zu Boden gleiten und sah mich um. „Alec?“
„Ich bin hier hinten im Arbeitszimmer.“, erklang seine Stimme aus dem Raum links von mir. Sofort machte ich mich auf den Weg und fand Alec dort vor einem Bild stehen. Als ich es näher betrachtete, sah ich, dass es ein Bild von uns beiden war. An dem Tag in der Schule als er mich beinahe in den Brunnen der Schule geschmissen hatte. James hatte dieses Foto gemacht und irgendwann einmal in meine Tasche gesteckt. Ich hatte es gefunden und sofort aufgehängt. Es war zu der Zeit in der ich Alec schon liebte. Ich musste lächeln bei dieser Erinnerung.
„Das war eine schöne Zeit.“ Seine Stimme war verträumt und ich beobachtete ihn still. Er sah traurig und nachdenklich aus und ich muss schlucken als er sich durch die Haare strich. Eine seiner angewöhnten Gesten, die sich nie ändern würden.
„Ja, das war es. Wir hatten viel Spaß wenn wir uns stritten.“
„So schlimm war unser Gestreite gar nicht. Immerhin haben wir irgendwann zueinander gefunden.“ Stille folgte auf diesen Kommentar und wir standen uns nur schweigend gegenüber. Beide betrachteten wir die Bilder, die überall an der Wand hingen.
„Hast du wirklich nicht gespürt, dass ich noch lebe?“, fragte ich ihn plötzlich. Die Frage schoss aus meinem Mund ohne, dass ich es wollte und ich schlug mir die Hand vor den Mund.
„Nein, ich fühlte dich sterben. Es war schlimmer als jeder körperliche Schmerz den man empfinden kann.“ Er sah mich an und griff nach meiner Hand. „Wieso hast du mich nicht eingeweiht. So wie du es bei Dimitri gemacht hast?“
„Ich wollte es. Ich dachte das Band wäre stark genug um dich wissen zu lassen, dass ich nicht tot bin. Dimitri und ich hatten einen Plan entwickelt dir alles zu erzählen, doch als du wirklich nicht meine Anwesenheit spüren konntest, haben wir es gelassen. Ich... Ich war nicht egoistisch genug dich an mich zu binden. Immerhin hattest du Glück in deinem Leben verdient.“ Meine offene Art erschreckte mich und ich befreite meine Hand aus seinem Griff und wandte mich ab. „Ich habe deine Waffen zusammen gesucht. Immerhin habe ich sie mir nur ausgeliehen.“
„Caitlin du brauchst mir nicht...“
„Ich habe jetzt eigene Waffen Alec. Also keine Sorge. Ich bin bewaffnet.“ Ich drückte ihm die Tasche in die Hand und er sah hinein.
„Du hast mir nicht den Dolch zurück gegeben.“, stellte er fest und ich zuckte zusammen.
„Willst du den auch wieder haben? Ich habe ihn ein bisschen verändert damit er effektiver wird aber...“ Ich griff an meinen Gürtel um die Waffe auf ihrer Scheide zu befreien, doch Alec hielt mich davon ab indem er seine Hand auf meine legte und meinte: „Nein! Ich will ihn nicht zurück!“ die Worte schossen fast aus Alec' Mund. „Ich bin froh, dass du ihn behältst.“ Ich lächelte ihn kurz an bevor ich meinen Computer anschaltete.
„Ich muss dich jetzt leider raus schmeißen. Ich muss noch arbeiten. Wahrscheinlich warten wieder Unmengen von Mails auf mich, die ich bearbeiten muss.“ Er nickte nur kurz und wandte sich zur Tür. Dort blieb er jedoch stehen und drehte sich um.
„Wir können doch bestimmt mal trainieren, oder? Ich könnte eine Menge von dir lernen.“
„Ich weiß nicht.“, entgegnete ich zögernd, obwohl mein Herz einen kleinen Sprung machte bei seinen Worten. „Immerhin scheint deine Freundin nicht gerade angetan von mir. Und ich will ungern der Grund sein, dass ihr euch streitet. Und außerdem muss ich mit Sarah trainieren und für die Organisation arbeiten.“
„Das mit meiner Freundin kläre ich schon. Keine Sorge. Du wirst dich nicht mit ihr prügeln müssen. Obwohl du diesen Kampf wahrscheinlich gewinnen würdest. Sag mir einfach Bescheid wenn du Zeit hast.“ Ich nickte und er lächelte mich an. „Wir sehen uns beim Essen Caitlin.“
„Bis nachher Alec.“
Als er den Raum verlassen hatte, ließ ich den Kopf auf den Schreibtisch knallen. Wieso war ich so nett zu ihm? Wieso wollte ich unbedingt mit ihm Zeit verbringen? War ich so verliebt in ihn, dass ich es sogar auf mich nahm mich mit seiner Freundin zu streiten nur um in seiner Nähe zu sein? Meine Gefühle spielten verrückt und ich versuchte wieder meine undurchdringliche Maske auszusetzen, die nur eine neutrale Mine zeigte. Nur um Dimitri nicht noch mehr von meiner Gefühlswelt zu zeigen als er sowieso schon kannte. Doch ich wusste, dass es sowieso nichts nutzte. Ich war viel zu aufgewühlt um meine Gefühle zu verbergen.
Um mich abzulenken setzte ich mich an meinen Laptop und sah mir die verschiedenen E-Mails durch, die wie immer meine Zeit beanspruchten. Es gab so viele Aufnahmegesuche von den verschiedensten Ländern, die ich an die Leute schickte, die für ihre Beurteilung zuständig waren und sah mir die Beurteilung anderer Länder an. Russland hatte gut abgeschnitten bei der Bewertung und ich nahm mir vor Dimitri zu Fragen ob er nach seinen Flitterwochen mit mir eine Reise nach Moskau unternehmen würde um für mich als Dolmetscher und Assistent zu dienen. Immerhin war er einer meiner engsten Vertrauten und ich konnte mir keine ungefährlichere aufgäbe für ihn vorstellen. Ich hatte beschlossen ihn weniger in den Dienst eines Kriegers zu setzen um ihn vor der Gefahr des Sterbens zu schützen. Immerhin war er bald Ehemann und später vielleicht auch Vater und ich konnte nicht verantworten, dass er starb. Ich war so in meine Arbeit vertieft, dass ich überhaupt nicht bemerkte wie die Zeit verflog.
Als es an der Tür klopfte, schoss mein Kopf hoch und ich meinen Nacken zog es gewaltig. Ich stöhnte schmerzerfüllt auf und rieb mit den steifen Nacken. In der Tür stand Dimitri, der mich mitleidig ansah und mir die Hand entgegenstreckte. „Ich bin hier um dich endlich von der Arbeit los zu reißen. Du warst so darin vertieft, dass du weder deinen Nacken noch deinen Hunger bemerkt hast. Ich habe es dann nicht mehr ausgehalten. Mir tut Kendra schon leid, dass sie mich jedes mal wenn das anfängt mit Gefühlen überfluten muss damit es aufhört.“ Ich zuckte schuldbewusst zusammen und nuschelte nur ein kleines Entschuldigung, welche Dimitri mit einem nicken zur Kenntnis nahm. „Es gibt Essen. Kommst du?"
„Ich will mich nur kurz umziehen. Ich komme sofort nach.“ Auf Dimitris Zweifelnden Blick verdrehte ich nur die Augen. „Du kannst auch warten aber ich merk schon, dass du die ganze Zeit zu Kendra willst und deshalb wirst du jetzt runter gehen." Dimitri lachte nur und verschwand dann wirklich, jedoch nicht ohne mich vorher zu ermahnen mich zu beeilen. Einmal hörte ich auf meinen ehemaligen Mentor und zog mir schnell eine schwarze Röhrenhose und eine einfache Weiße Bluse an bevor ich nach unten lief und mich zu meiner Familie an den Tisch setzte.
Mason wollte gerade anfangen zu sprechen als plötzlich "Atemlos durch die Nacht" von Helene Fischer erklang und ihn störte. Ich lief rot an und holte mein Handy aus der Tasche. Als ich den Namen auf den Bildschirm sah, stand ich auf, entschuldigte mich und verließ dem Raum.
„Wo haben sie sich diesmal versteckt?“, meldete ich mich am Telefon.
„Auch schön von dir zu hören Prinzessin.“, erklang die Stimme von Estell belustigt.
„Ich würde das wirklich gerne sagen aber immer wenn du anrufst, kommt irgendein Ort, an dem Strigoi hausen und dann ist es wirklich nicht schön von dir zu hören.“
„Du hast ja Recht. Eigentlich wollte ich jemand anderes bitten aber da du ja in der Nähe lebst, dachte ich mir ich lasse dich das übernehmen.“ Sie machte eine kurze Pause und holte tief Luft. „Anscheinen leben wieder Strigoi in Oxford.“
„Wie bitte?“ Ich musste mich verhört haben. Es lebten keine Strigoi in Oxford seit Max tot war. In jedem anderen Teil von England ja, aber nie wieder wurde ein Strigoi in Oxford gesehen. Warum das so war, konnte niemand sagen. Es war einfach so und jeder war froh darüber, dass Strigoi die Stadt in der die Königsfamilie lebte, vermieden. „Das kann nicht stimmen. Seit Jahren gibt es keine Strigoi-Aktivitäten mehr in Oxford!“
„Ich weiß. Das ist es ja! Ich hätte es auch nicht geglaubt, hätte ich sie nicht mit eigenen Augen gesehen. Sie haben sich erstaunlich gut an die Menschen angepasst, die hier wohnen. Aber die Todesrate ist mir trotzdem aufgefallen und ich habe nachgeforscht. Es ist einfach so, dass sie ihre roten Augen verstecken und so leben wie Menschen.“
„Das ist doch eigentlich gut, oder nicht?“ Ich runzelte die Stirn.
„Eigentlich wäre es sogar super aber ich kann ihnen nicht trauen irgendwie. Immerhin ist das Töten und diese Angewohnheit Einzelgänger zu sein in ihren Genen eingebrannt. Sie können sich eigentlich nicht ändern! Und wenn doch dann nicht von heute auf Morgen!“ Sie hatte Recht. Ich würde mir das unbedingt mal anschauen.„Schreib mir die Koordinaten. Ich schau da mal vorbei.“, meinte ich.
„Alles klar. Wir telefonieren dann...“
„Warte! Du bist doch in Oxford, oder? Dann komm doch im Schloss vorbei! Es ist viel zu lange her, dass wir uns gesehen haben!“
„Und meine Arbeit?“, fragte sie unsicher.
„Ich bin dein Boss. Ich glaube das bekomme ich hin.“ Wir beide lachten und sie versprach morgen vorbei zu kommen und mich beim Treffen mit den Strigoi zu unterstützen. Dann legte sie auf und ich kehrte in das Esszimmer zurück. Dort saß meine Familie abwartend. Erst als ich mich setzte, kamen die Diener und servierten die Vorspeise.
Während die anderen aßen, stocherte ich nur nachdenklich in meinem Essen herum. Irgendwann stieß Sam mich an und zischte: „Caitlin! Du machst mich nervös! Iss bitte was oder erzähl mir wer angerufen hat und warum.“ Ich sah auf meine Schwester und die Freundin von Alec und schüttelte den Kopf.
„Wir reden später Sam. Aber ich brauche unbedingt deine Hilfe.“
„Meine Hilfe als Person oder die Hilfe meiner Gabe?“, wollte Sam scharfsinnig wissen.
„Ich würde mal sagen beides. Ich glaube wir haben ein kleines Problem.“ Beide ignorierten wir gekonnt, dass noch weitere sechs Vampire in dem Raum saßen und uns belauschten. Ich wandte mich betont gelassen Dimitri zu. Sofort wurden Gespräche angefangen in denen es sich meist um das Wetter drehte. „Dimitri mein lieber Freund!“ Ich lächelte ihn zuckersüß an und schob mir eine Gabel mit Erbsen in den Mund. Der Angesprochene wechselte einen Blick mit seiner Verlobten.
„Ja, Caitlin?“
„Ich hätte eine Bitte an dich!“ Er bedeutete mir weiter zu sprechen. „Russland hat eine Aufnahmeanfrage gestellt und wurde als würdig eingestuft. Ich wollte dich fragen ob du nach euren Flitterwochen mit mir nach Russland kommen könntest um die nötigen Verträge aufzusetzen und die wichtigen Details zu besprechen.“
„Du brauchst mich also als Dolmetscher?“ Ich nickte nur.
„Du kennst die Sitten der Russen und ihre Mentalität. Du würdest dafür sorgen, dass ich nicht alles wegen meinem vorlauten Mund verhaue.“
„Gut ich komme mit.“ Ich fing an zu lächeln. „Unter einer Bedingung.“ Mein Lächeln verblasste.
„Und die wäre?“
„Kendra kommt mit und danach bekomme ich einwöchigen Urlaub um meine Familie dort zu besuchen und meiner dann Frau meine Heimat zu zeigen.“ Ich begann zu lachen uns stimmte zu. Das konnte er gerne haben. Solange er mitkam, könnte er alles haben. Der Tisch wurde abgeräumt und der Nachtisch wurde vor uns abgestellt. Es gab Brüsseler Waffeln mit Schokoladenüberzug und Banane in Scheiben geschnitten. Da ich ein Fan von Süßem war, konnte ich das Essen nicht einfach nicht essen und aß wenigstens den Nachtisch ganz auf. Sam sah mir dabei lächelnd zu. Er wusste von meiner Süßigkeitensucht und somit gab es bei uns Zuhause dank ihm immer Süßigkeiten.
Nach dem Essen zog ich Sam vom Stuhl hoch und hinter mir her aus dem Schloß raus in den Garten. Ich hakte mich bei ihm ein und gemeinsam schlenderten wir durch die riesige Parkanlage des Schlosses.
„Was ist jetzt los Caitlin?“, wollte Sam wissen als wir zehn Minuten schweigend nebeneinander her gegangen waren. Die Sonne ging schon langsam unter und in kürzester Zeit würde es dunkel werden.
„Strigoi leben in Oxford.“
„Ja, Strigoi leben überall auf der Welt Caitlin. Dass sie in Oxford leben ist nichts besonderes.“
„Ist es schon wenn sie seit drei Jahren nicht mehr hier leben und einen weiten Bogen um die Stadt und deren Umgebung machen würden. Außerdem sollen sie sich wie Menschen benehmen und in deren Mitte wohnen.“
„Das ist doch nicht dein Ernst Caitlin. Das ist unmöglich! Du kennst doch deren Lebensstil! Sie können nicht friedlich in einer Gemeinschaft leben.“
„Anscheinend ja schon. Ich will mir das Morgen ansehen. Nur du, Estell und ich. Wir schauen uns das an, befragen die Leute und hauen wieder ab wenn alles geklärt ist.“
„Wir gehen nur zu dritt? Das sind zu wenige für den Einsatz. Lass uns wenigstens Dimitri oder einen der Wächter mitnehmen.“
„Die meisten Wächter haben einen anderen Einsatz, die anderen Urlaub. Dimitri wird nicht mitkommen, weil ich nicht will, dass er verletzt wird oder sogar stirbt.“
„Caitlin. Dimitri ist ein Wächter. Er ist sich dieser Gefahr bewusst. Denkst du nicht er würde uns gerne helfen wollen?“
„Er wird nicht bei diesem Einsatz mit machen solange ich das nicht verhindern kann.“
„Warum schützt du ihn so? Immerhin ist es seine Entscheidung ob er mit kommt oder nicht! Er ist hier der leitende Wächter. Nicht du.“
„Erstens: Ich bin die Prinzessin. Er hat mir zu gehorchen. Zweitens: Ich bin für die Abteilung der Wächter zuständig. Drittens: Ich glaube Kendra ist schwanger.“
„Wie bitte?“ Sam sah mich vollkommen entgeistert an. „Wieso glaubst du, dass... Schon gut. Ich glaube ich weiß wieso.“
„Sie streichelt sich andauernd über den Bauch und hat dabei so ein seliges Lächeln auf den Lippen. Das machen doch nur Schwangere!“
„Und Dimitri weiß noch nichts davon.“, erkannte Sam langsam und ich nickte. „Aber was hat Kendras Schwangerschaft mit den Einsätzen von Dimitri zu tun?“
„Ich werde nicht zulassen, dass ihr Kind ohne Vater aufwächst. Und ich werde Kendra in ihren Zustand nicht in eine Schockstarre Schrägstrich Trauerphase gleiten lassen.“
„Also nur wir drei.“, seufzte Sam, der wusste, dass ich sowieso nicht umzustimmen war.
„Nur wir drei.“, wiederholte ich zustimmend.
„Oder wir vier.“, sagte eine Stimme hinter unserem Rücken und Sam und ich wirbelten gleichzeitig herum.
„Alec!“, stieß ich hervor. „Hast du uns etwa belauscht?“
„Tut mir leid. Ich war neugierig.“, entgegnete er gelassen und ohne Scham. Dafür wurde er von mir gegen die nächste Wand geschubst. Wütend drehte ich mich um und meinte nur kategorisch: „Nein.“ Doch Sam kam unerwarteter Weise Alec zur Hilfe: „Caitlin... Es wäre nicht schlecht einen vierten Mann zur Seite zu haben. Immerhin hätten wir dann ein wenig mehr Sicherheit. Und soweit ich weiß, ist er ein guter Kämpfer. Immerhin hast du von ihm gelernt.“
„Ich habe von Dimitri gelernt.“, erwiderte ich unwirsch. „Ich werde Alec nicht auf diese Mission mitnehmen.“
„Du sorgst gerade für eine höhere Chance, dass wir getötet werden.“ Sam sah mich wütend an. „Oder ist dir dein Leben wirklich so unwichtig? Immer gehst du auf die gefährlichsten Missionen, machst andauernd Alleingänge und kommst dann dem Tod nah nach Hause.“ Ich starrte meinem besten Freund nur wütend an bevor ich mit den Schultern zuckte und meinte: „Macht doch was ihr wollt.“ Ich sah Alec noch triumphierend lächeln und während ich noch wütend weg ging hörte ich ihn zu Sam sagen: „Du hast sie echt unter Kontrolle Mann. Wie hast du das geschafft?“
Ich knirschte mit den Zähnen und suchte nach James. Dieser saß zusammen mit Mason, Sarah und Jana in dem ehemaligen Arbeitszimmer meines Vaters und blätterte ein paar Akten durch. Als ich eintrat, sahen alle vier auf.„Caitlin. Was können wir für dich tun?“, fragte Mason freudig.
„Ich bräuchte ein Auto. Ich muss mal nach London.“
„Zu so später Stunde noch?“
„Mason. Ich bin kein kleines Kind mehr.“ Ich lächelte gezwungen. Mason nickte und ging zu einem Schlüsselboard an der Wand und nahm einen Schlüssel vom Haken.
„Hier. Fahr vorsichtig.“, sagte mein großer Bruder und drückte mir den Schlüssel in die Hand. „Es ist der schwarze Audi R8 in der Garage. Ich hoffe du kommst damit klar.“ Und ob ich damit klar kam.
„Danke. Ich bring dir den Schlüssel nachher vorbei. Oder morgen früh. Es ist schon spät und ich weiß nicht wann ich wieder komme.“
„Du gehst dich doch nicht betrinken Caitlin. Oder?“, wollte Jana besorgt wissen.
„Nein. Keine Sorge. Wenn, dann würde ich nicht mit dem Auto fahren. Wir sehen uns. Ach ja. Sam, Alec, Estell und ich sind morgen den Tag über wohl nicht da. Wir müssen was überprüfen. Tut mir leid Sarah. Dein Training muss morgen wohl leider ausfallen.“
„Danke, dass du Bescheid sagst. Morgen ist sowieso etwas schlecht. Jana und ich müssen zur Anprobe für die Sommerkollektion. Und übermorgen wollen wir ein großes Familienpicknick machen. Wir würden uns freuen wenn du kommen würdest.“
„Klar. Ich komme gerne mit.“ Damit wandte ich mich ab und verließ den Raum.
In der Garage angekommen, suchte ich das Auto, startete es und fuhr langsam nach oben und zum Tor. Die Wächter dort ließen mich ohne ein Wort durch und entspannt gab ich Gas. Mit hundertzwanzig Sachen raste ich die Bundesstraße hinunter. Dann bog ich in einen alten Waldweg ein und notgedrungen musste ich das Tempo drosseln.
Vor einer alten Jagdhütte blieb ich stehen und stellte den Motor aus. Ich schloss das Auto ab und betrat das Haus, welches von Außen einen sehr heruntergekommenen Eindruck machte, innen jedoch wirklich sehr behaglich eingerichtet war. Es war ein Geschenk von Camilla gewesen. Sie hatte diese Hütte der Organisation gespendet um Wächtern eine Möglichkeit zu geben sich zu verstecken und zur Ruhe zu kommen. Es war auch ein Angebot an mich gewesen, endlich mal nach England zu kommen und sich hier zu verstecken, damit sie sich mit mir unterhalten konnte. Doch ich hatte diese Hütte niemals genutzt. Heute würde ich sie für einen ganz bestimmten Zweck nutzen. Ich schmiss den Autoschlüssel auf die Kommode im Flur und suchte nach dem Schlafzimmer. Es war kalt in der Hütte. Also ging ich wieder nach draußen und holte Feuerholz, welches vorbereitet in dem Links gelegenen Schuppen lag. Ich trug es zu dem Kamin im Schlafzimmer und heizte ihn richtig an. Dann legte ich mich ins Bett und Schloß die Augen.
Ich hatte mir vorgenommen der Totenwelt einen Besuch abzustatten und deswegen löste ich meine Seele langsam von Körper. Mit jedem wohl bedachten Atemzug zog ich meine sich sträubende Seele weiter von ihrem Körper weg und führte sie über die Schwelle des Totenreiches.
Gemütlich liefen die Toten der Guten Leute durch die Straßen und lebten ihren Tod. Nirgendwo gab es Hektik, denn sie wussten ja: Sie hatten Zeit. Viele waren nicht mehr unterwegs. Nur vereinzelt liefen Leute schick angezogen durch die Straßen. Wahrscheinlich auf dem Weg zu einer Disko oder auf dem Weg nach Hause. Ich beobachtete sie nicht weiter, sondern machte mich auf den Weg zu meinen Vätern und Elisabeth. Diese wohnten in einer WG zusammen in einen riesigen Haus am Rande der Geisterstadt. Diese Information hatte mich verwundert, denn ich hätte niemals gedacht, dass Raphael jemals in eine Wohngemeinschaft ziehen würde. Dafür hatte ich ihn für zu königlich gehalten. Ich klopfte an der Tür und kurze Zeit später öffnete mir ein Lachender Daniel die Tür. „Caitlin!“, rief er erfreut aus.
„Überraschung.“, quietschte ich und warf mich in seine Arme. „Es ist so schön dich endlich mal wieder zu sehen!“
„Und dich erst! Aber komm erst einmal rein!“ Er öffnete die Tür und ließ mich eintreten. Ich folgte seiner Anweisung die Schuhe auszuziehen und betrat dann hinter ihm das gemütlich eingerichtete Wohnzimmer. „Guckt mal wer uns besuchen kommt.“ Als Elisabeth und Raphael mich sahen, sprangen sie von ihren Stühlen auf und umarmten mich nacheinander.
„Caitlin. Es geht nicht, dass du immer flüchtest wenn dir etwas unangenehm ist.“, tadelte mich mein Vater und bedeutete mir mich zu setzen.
„Ich flüchte doch gar nicht!“, protestierte ich. „Ich wollte euch einfach wieder sehen. Es ist mir egal was die Idiotien dort auf der Erde machen. Sollen sie sich doch in Gefahr bringen.“
„Caitlin. Alec ist auch ein Wächter. Auch ihm muss es gestattet sein an Missionen teil zu nehmen. Immerhin ist das sein Job.“, erklärte mir Raphael streng.
„Aber müssen es denn die sein an denen ich auch teilnehme?“, beklagte ich mich.
„Was ist denn so schlimm daran mit ihm zu arbeiten?“ Verständnislos sah Daniel mich an und ich rollte mit den Augen. Väter. Die verstanden aber auch gar nichts.
„Caitlin liebt ihn immer noch Daniel. Wenn sie mit ihm zusammenarbeitet sieht sie ihn und wird an ihre gescheiterte Liebe erinnert...“ Bei diesen Worten sah sie Raphael böse an. „Und gleichzeitig an seine Freundin zu der sie ihn wohlbehalten zurückbringen muss.“
„Ich kann diese Zicke nicht leiden. Sie tut so als würde ihr die Welt gehören und als müsste ihr jeder zu Füßen liegen. Immer diese arroganten reichen Mädchen, die sich was auf das Geld von ihren Eltern einbilden. Die sind immer gleich. Egal in welchem Land.“, beschimpfte ich die Freundin von Alec, deren Namen ich immer noch nicht kannte.
„Caitlin man hetzt nicht über andere Leute.“, mahnte mein Vater.
„Tut mir leid. Aber mir wurde beigebracht nicht zu Lügen. Und würde ich was nettes über sie sagen, würde ich genau das tun.“ Ich sah in die Gesichter der drei Erwachsenen vor nur und wechselte das Thema: „Dieses Mädchen ist jetzt auch egal. Ich möchte viel lieber wissen wie es euch so geht. Was gibt es neues hier?“
„Nun ja. Harry, ein Freund aus Kindertagen ist vor kurzem gestorben...“ Und so begannen lauter Geschichten auf mich einzuprasseln, denen ich vergnügt lauschte.
Irgendwann setzte sich Elisabeth auf und meinte: „Caitlin. In der Welt der Lebenden geht gerade die Sonne auf. Du solltest langsam zurück in deinen Körper immerhin habt ihr heute was vor.“ Enttäuscht, dass ich schon so früh wieder in meine Welt zurückkehren musste stand ich auf.
„Es war wirklich schön euch wieder zu sehen.“, verabschiedete ich mich bedrückt und umarmte die geliebten Menschen, die mir so am Herzen lagen.
„Wir freuen uns auf deinen nächsten Besuch, aber der kann ruhig ein wenig auf sich warten lassen.“ Raphael lächelte. „Es ist nicht gut wenn du immer mit uns zusammen bist. Das macht depressiv.“ Ich grinste schief und nickte. Dann Schloss ich die Augen und ließ meine Seele wieder ihren Weg zurück zu ihrer Hülle finden. Ich schwebte schwerelos auf meinen Körper zu, der in der Totenstarre da lag, und mit einem sanften Ruck landete ich wieder in meinem Körper.
Ich setzte mir ruckartig auf uns holte tief Luft. Ich würde mich wohl nie daran gewöhnen, dass ich in der Totenwelt nicht atmete. Dann warf ich die Beine über die Bettkante und stand auf. Ich fühlte mich erfrischt und voller Energie, eigentlich wie immer nachdem ich die Totenwelt besucht hatte. Dieses Land war meine Energiequelle. War ich zu erschöpft, zum Beispiel nach einem Kampf mit viel Blutverlust, und mein Gefährte oder mein Waffenbruder gab mir kein Blut, transportierte mich mein Körper automatisch ins Totenreich damit ich meine Batterien aufladen konnte.
Als mir das das erste Mal passiert war, hatte ich es für einen Fiebertraum gehalten, doch Elisabeth hatte mich aufgeklärt und mich gebeten die Ältesten aufzusuchen damit sie mir zeigten wie ich dieses Talent benutzen konnte. Diesen Rat hatte ich befolgt und ich war verdammt froh darüber. Immerhin konnte ich jetzt meine Kräfte einschätzen. Wegen dieser Sache war ich das erste Mal zu den Ältesten gegangen, die mich wirklich herzlich aufgenommen und wie eine der ihren behandelt hatten.
Ich schnappte mir die Autoschlüssel von der Kommode und stieg ins Auto. Genau wie auf der Hinfahrt fuhr ich viel zu schnell durch die Straßen und ich war froh, dass es auf meinem Weg keine Blitzer gab. Am Tor des Schlosses wurde ich schon erwartet, denn die Wächter winkten mich durch. Schnell parkte ich in der Tiefgarage und lief in mein Zimmer. Dort ging ich duschen und zog mir Kampfkleidung an, welche aus einer schwarzen Hose und einem weißen T-Shirt bestand. Dann machte ich mir noch meinem Waffengürtel um und ging dann runter ins Esszimmer der Familie.
„Einen wunderschönen guten Morgen.“, trällerte ich beschwingt woraufhin ich verwunderte Blicke zugeworfen bekam.
„Caitlin, geht es dir gut?“, wollte Mason vorsichtig von mir wissen.
„Es ging mir selten besser.“, gab ich zur Antwort, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und legte den Autoschlüssel vor ihm ab. „Danke, dass ich ihn benutzen konnte.“
„War es schön in London?“
„Einfach herrlich.“ Sam runzelte die Stirn bevor er einen wissenden und sehr ernsten Gesichtsausdruckaufsetzte.
„Du warst schon wieder dort!“ Ich drehte mich zu meinem besten Freund um.
„Wieso schon wieder? Ich war seit drei Jahren nicht in London.“
„Nicht London!“, fauchte er und funkelte mich sauer an. „Du weißt was ich meine!“ Ich schüttelte gespielt ratlos den Kopf. Natürlich wusste ich was er meinte, denn er war mein bester Freund und wusste alles über mich und meine Gabe. Ich setzte mich an den Tisch und Griff in aller Seelenruhe nach einem Brötchen.
„Tut mir leid Sam. Ich habe keine Ahnung wovon du sprichst.“, sagte ich und merkte sofort, dass seine Gabe darauf ansprang. Er wurde noch wütender.
„Du warst in der Totenwelt verdammt! Immer wenn du so gut gelaunt und voller Energie zurück kommst, warst du da.“ Das hatte ich nicht erwartet. Er hatte den anderen gesagt wo ich war und dass war verdammt blöd von ihm. „Weißt du eigentlich wie viel Angst ich habe wenn du deine Seele vom Körper löst?!? Jedes Mal besteht die Gefahr, dass du nie zurück kommen wirst, weil deine Seele nicht zurück zu ihrer Hülle findet oder du nicht zurückkehren kannst.“ Es war still um uns herum. Kein einziger sagte auch nur ein Wort und manche hatten sogar vergessen zu kauen.
Irgendwann durchbrach Alec die Stille in der Sam und ich uns nur gegenseitig anfunkelten. „Wie bitte? Du kannst in der Welt der Toten ein und aus spazieren wann immer du das möchtest?“ Ich wandte mich ihm nicht zu, nickte aber leicht mit dem Kopf. „Wie cool ist das denn?“
„Das ist nicht cool Alec! Das ist extrem gefährlich.“, klärte Sam ihn verbissen auf. Er wollte noch etwas sagen, doch ein Diener machte ihm einen Strich durch die Rechnung indem er den Raum betrat und höflich meinte: „Eine gewisse Estell wünscht Prinzessin Caitlin zu sprechen.“
„Vielen Dank.“ Ich stand auf, sah Sam noch einmal wütend an und verließ dann den Raum. Der Diener führte mich direkt in mein eigenes Zimmer, wo Estell gelangweilt auf der Couch herum saß und in einer Zeitschrift blätterte. Ich dankte dem Diener und stürmte kreischend auf Estell zu.
„Oh mein Gott ich hab dich so vermisst!“
„Und ich dich erst! Oh man siehst du gut aus! Das Prinzessin sein steht dir.“ Ich musste lachen und deutete auf die Zeitschrift in ihrer Hand.
„Und? Steht was interessantes drin?“
„Frag bloß nicht! Ich brauchte nur etwas um mir die Wartezeit zu verkürzen. Ich habe mich wie in einem Wartezimmer beim Arzt gefühlt.“ Sie grinste. „Und? Wann wollen wir los?“
„Wenn die beiden Jungs endlich mit frühstücken fertig sind.“ Und wie aufs Stichwort klopfte es an meiner Zimmertür. Ich öffnete und ließ die Jungs eintreten. Ich stellte sie gegenseitig vor und erklärte ihnen dann meinen Plan.
„Du willst nur mit ihnen reden?“ Skeptisch beäugte mich Estell nachdem ich ihnen den Plan geschildert hatte. „Kein Kampf, keine Folter?“
„Nicht solange es nicht nötig ist.“
„Okay, dann mal los. Ich fahre.“ Sie grinste und meinte: „Ich bin ja die Einzige, die weiß wo sie wohnen.“ Ich liebte diese Frau einfach.
Ich fürchte ebenfalls, dass am Ende gar nichts zu Ende sein wird. Die Dinge gehen einfach weiter, solange die Erinnerung das Sagen hat und immer eine weiche Stelle in deinen Gedanken findet, um an die Oberfläche zu schlüpfen.
(Markus Zusak in Der Joker)
Wir kamen nach ungefähr einer halben Stunde Fahrt in der Innenstadt von Oxford an. Estell lenkte den Wagen sicher durch die Straßen und obwohl die beiden Jungs erst herum gescherzt hatten, dass wir nicht mehr lebend ankommen würden, wenn eine Frau fuhr, saßen sie jetzt entspannt hinten auf dem Rücksitz während Estell und ich uns vorne angeregt unterhielten. Im Hintergrund lief leise Musik.
„Hier sind wir.“, erklärte Estell nach einer Weile und hielt vor einem großen Ein-Familien Haus. Sie starrte in den Vorgarten und erklärte: „Es leben nur drei Strigoi darin aber trotzdem töten sie zu viele Menschen.“ Es dauerte eine Weile bis ich endlich erkannte, dass es unser ehemaliges Haus war vor dem wir standen.
Während die anderen schon ausstiegen, saß ich wie vom Donner gerührt auf meinem Platz und starrte auf das Haus, welches einen ebenso gepflegten Eindruck machte wie vor drei Jahren. Als es an der Fensterscheibe des Autos klopfte zuckte ich heftig zusammen und als ich den Blick nach rechts wandte, sah ich in Alec' grüne Augen, die mich mitleidig musterten. Er öffnete die Autotür und zog mich aus dem Auto.
„Mir geht's gut Alec. Es haben mich nur die Erinnerungen überflutet. Immerhin habe ich sechzehn Jahre in diesem Haus gelebt.“, kam ich seinen Worten zuvor, die nur so vor Mitleid triefen würden und zog meine Hand weg. Das war noch nicht einmal gelogen. Der Anblick dieses vertrauten Hauses erschütterte mich und ließ tausende von Erinnerungen vor meinem inneren Auge aufblitzen. Hier hatte ich meine ersten Schritte gelernt, hier war mein erster Kämpf mit Alec, hier wurde mein Stiefvater auf die grausamste Art und Weise von Max getötet.
„Wir können das auch ohne dich machen wenn du das Haus nicht betreten möchtest.“, schlug Alec vor. Resolut schüttelte ich den Kopf.
„Keine Chance. Ihr geht da ganz bestimmt nicht ohne mich rein.“ Ich sah die einzelnen Vampire an, die mich abwartend ansahen und auf einen Befehl warteten. „Waffen weg. Einzige Waffe wird etwas kleines sein was man gut verstecken kann. Dazu eure Gaben. Mehr nicht. Sam, wir werden den Leuten da drin Fragen stellen und ich möchte, dass du mir sagst ob sie die Wahrheit sagen okay?“ Wortlos lösten Estell und Sam ihre Waffengürtel und warfen sie in den Kofferraum. Genauso verfuhr ich mit dem meinen. Alec hingegen starrte mich nur an.
„Du willst wirklich einfach da rein spazieren ohne wirkliche Verteidigungsmittel? Sam hat Recht. Du bist doch wirklich lebensmüde!“
„Wenn sie wirklich versuchen wie Menschen zu leben, haben wir doch gar nichts zu befürchten. Dimitri und ich haben in Aylesebury einen Halbvampir kennengelernt dessen Sohn, ein Strigoi, einfach sein Leben weiter gelebt hat wie vor der Verwandlung.“ Abgesehen davon, dass er Dunja gedient hatte und deswegen wahrscheinlich eiskalt ermordet wurde. „Wer sagt, dass es nicht auch andere wie ihn gibt? Und jetzt leg deine Waffen weg. Vertrau mir einfach mal.“ Mit sichtbaren Widerwillen legte Alec seine Waffen zu den unseren und schloss den Kofferraum. „Geht doch. Und jetzt los. Auf in den Kampf.“
Gemeinsam traten wir durch das Gartentor und stellten uns dann vor dem Haus auf. Während ich einmal kurz durchatmete und merkte wie mich die gewohnte Ruhe vor dem Kampf durchfuhr, drückte Sam auf den Klingelknopf und wir warteten.
Als sich die Tür öffnete und ein blondes Mädchen vor uns stand mit dunklen braunen Augen war ich fast versucht Estell zu Fragen ob wir wirklich richtig waren. Doch meine Vampirsinne warnten mich schon vor der blonden Gefahr. Und anscheinend warnten sie ihre Sinne im gleichen Moment, denn sie zuckte zusammen und ihr Lächeln verrutschte. Jedoch spielte sie die Rolle eines normalen Mädchens wirklich gut. Ihr: „Kann ich Ihnen helfen?“, klang so offen und liebenswürdig, dass normale Menschen ihr sofort verfallen wären. Wir jedoch sahen sie nur an und es war Estell, die das Wort ergriff: „Guten Tag Violet. Schön dich endlich kennenzulernen. Dürfen wir rein kommen? Wir sind unendlich neugierig über eure Geschichte.“
„Wer sind Sie?“ Violet schien ernsthaft entsetzt und wich einen Schritt zurück. Um nicht gleich vor geschlossener Tür stehen zu müssen, trat ich einen Schritt vor und streckte ihr meine Hand entgegen.
„Hallo Violet, mein Name ist Caitlin. Wir sind hier, weil wir von euch gehört haben und uns eigentlich nur eure Geschichte anhören wollten. Wir sind neugierig was euch dazu veranlasst hat eurem 'gewohnten' Leben den Rücken zu kehren. Dürfen wir rein kommen? Wir versprechen auch uns zu benehmen.“ Violet schien unentschlossen. Ihr Blick huschte von einem zum anderen. Plötzlich erschien ein Typ an der Tür und legte einen Arm um ihre Schulter.
„Kommt rein.“ Seine Stimme war tief und passte perfekt zu seinem maskulinen Erscheinungsbild. Er hatte schwarze Haare mit braunen Augen, seine Arme waren tätowiert und wirklich gut trainiert. Das enge T-Shirt spannte sich über seiner Brust und zeigte seinen durchtrainierten Körper. Seine tief sitzende Jeans machte ihn nur noch attraktiver. Als ich zur Seite blickte, sah ich Estell, die den Typen einfach nur mit offenen Mund anstarrte. Typisch Mädchen. Ich stieß ihr unsanft meinen Ellenbogen in die Seite und trat durch die Tür
„Danke.“ Ich hörte Sam und Alec hinter mir nur leise knurren und warf ihnen über die Schulter einen bösen Blick zu.
Violet und der Typ führten uns in das Wohnzimmer, welches sich seit meiner Abreise nicht verändert hatte. Meine Mutter hatte das Haus also vollkommen möbliert verkauft. Das Einzige was sich verändert hatte, waren die Bilder an den Wänden und auf den Schränken. Ich spürte Alec starke Präsenz hinter mir und atmete tief ein. Violet bedeutete uns auf den Couchs Platz zu nehmen. Nachdem wir alle saßen, starrten wir uns nur gegenseitig an. Im Hintergrund konnte man die Uhr ticken hören und oben im Haus lief geschäftig ein Strigoi herum. „Warum gesellt sich euer Freund nicht zu uns nach unten?“, schlug ich vor. „Dann würden wir wahrscheinlich ein bisschen entspannter hier sitzen.“
„Wir vielleicht. Ihr jedoch würdet euch anspannen und auf einen Kampf warten.“ Der Typ musterte mich aus seinen braunen Augen, die in Wirklichkeit Rubinrot glühten. Ich starrte zurück, mit dem Wille nicht vor ihm den Blickkontakt zu beenden, denn das würde Schwäche bedeuten.
„Wir sind nicht hier um zu kämpfen. Auch wenn meine beiden männlichen Kollegen sehr danach aussehen. Aber sie werden sich anständig benehmen. Ich verspreche es dir.“
„Du scheinst dir ziemlich sicher zu sein. Wie kommt es?“
„Trey. Hör endlich auf mit deinem überheblichen Gelaber. Weißt du nicht wer das ist? Das ist Prinzessin Caitlin Sophie Dupont.“, erklärte Violet und beendete somit den Starrwettbewerb zwischen Trey und mir. Denn dieser riss seinen Kopf zu ihr herum und fragte entgeistert: „Und das hättest du mir nicht sagen können bevor ich sie ins Haus ließ?“ Ich kicherte leise was mich wieder in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit brachte. „Wirst du uns jetzt umbringen Prinzesschen?“
„Wie oft muss sie noch sagen, dass sie nicht zum Kämpfen hier ist?“, grollte Alec.
„Für so was ist sie doch da. Sie löscht die bösen Strigoi aus. Diejenigen, die es nicht verdienen zu leben.“
„Denkst du ihr habt es nicht verdient zu leben Trey?“ Meine Stimme klang sanft. „Bis jetzt seid ihr doch eigentlich ganz vorbildliche Vampire. Ihr versucht ein Leben wie ganz normale Menschen zu führen. Warum?“
Es dauerte eine Weile bis ich eine Antwort auf meine Frage bekam, doch das war okay. Ich an deren Stelle, hätte auch nicht sofort meine Geschichte erzählt. Immerhin kannten wir uns nicht und waren auch noch befeindet.
„Meine Geschwister und ich waren ganz normale Vampire, vom niederen Rang zwar, aber immerhin Vampire. Doch dann gerieten in den Blick eines sehr einflussreichen Strigois. Gegen unseren Willen verwandelte er uns. Er wollte uns als seine Diener. Doch wir wurden es nicht. Wächter stürmten eines Nachts das Haus und brachten ihn um. Es gelang uns zu fliehen. Wir hatten jedoch seine Gräueltaten gesehen. Wir hatten gesehen wie er wehrlose Menschen auf die grausamste Art und Weise tötete und sich dann von ihrem Blut zu nähren. Vor diesen Erinnerungen konnten wir nicht fliehen. Wir wussten, dass wir uns nicht wieder in Vampire verwandeln konnten. Wir wollten aber nicht zu so einem Monster werden wie er es gewesen war. Und somit fassten wir den Entschluss so zu leben wie vor unserer Wandlung.“ Violet hatte den Kopf gesenkt während sie die Geschichte der Geschwister erzählte. Sie sprudelte nur so aus ihr heraus, als ob sie schon lange darauf gewartet hatte endlich ihren Mund verlassen zu dürfen. Ich blickte zu Sam, der mir leicht zunickte. Die Geschichte war wahr.
„Das erklärt aber nicht die Todesrate in Oxford.“ Estell sprach das an was ich mich nur traute zu Fragen. Gab es andere Strigoi in Oxford von denen wir nichts wussten? Oder waren diese Opfer wirklich nur den täglichen Gefahren des Alltags ausgesetzt. Oder hatten Violet und ihre Geschwister doch etwas damit zu tun?
„Wir leben von Blutbeuteln. Doch manchmal reicht uns diese Menge an Blut nicht. Unser Körper verzehrt sich nach mehr. Manchmal schaffen wir es diesem Drang zu widerstehen. Wir schließen uns im Haus ein, gehen nicht nach draußen. Doch nicht immer können wir diesem Verlangen widerstehen. Es passiert einfach, dass wir unsere Beherrschung verlieren. Und dann passiert so etwas. Jedes Mal wenn ich den toten Menschen in meinem Armen halte. Diese blutleere Hülle, dreht sich mein Magen um und ich verabscheue mich für das was ich bin.“ Violett starrte mich an. „Dann frage ich mich immer wann uns endlich mal ein Wächter aufspüren wird und diesem Leben ein Ende setzen wird. Ich bin es leid unschuldige Menschen töten zu müssen.“ Ich musste mich beherrschen nicht meine Hand auf die ihre zu legen und sie zu trösten.
„Aber nicht jeder Tote in dieser Stadt geht auf unser Konto.“, sagte eine weibliche Stimme rechts von uns. Als ich den Blick zu ihr wandte, erblickte ich eine rothaarige Schönheit, die mit federnden Schritten auf uns zu kam. Sie war ziemlich klein und glich somit eher einer Elfe als einem bösen Strigoi, der sie in Wirklichkeit war. „Wir haben nicht viele Leute getötet seit wir hier sind. Höchstens zehn. Nicht mehr.“
„Das ist trotzdem schon eine Menge.“, bemerkte Alec.
„Aber nicht mal ansatzweise so viele wie manche Strigoi in einer Woche töten.“, erklärte Sam. „Wie lange seid ihr schon hier?“
„Ein halbes Jahr.“ Trey sah in die Runde. „Wir haben das Haus auf einer Auktion ersteigert. Niemand wollte es haben, weil hier anscheinend ein Mann getötet wurde. Der Preis war niedrig und so kauften wir es uns um ein neues Leben zu beginnen.“ Alec wandte den Kopf und sah mich an. Er wartete darauf, dass ich zusammenzucken oder anfangen würde zu weinen. Doch das würde ich nicht tun. Ich war darüber hinweg
„Dürfte ich einmal kurz euer Bad benutzen?“, wollte ich wissen.
„Klar. Die Treppe hoch, das erste Zimmer links.“
„Ich weiß.“, sagte ich lächelnd. „Ich hab hier gewohnt bis ich mich in einen Vampir verwandelt habe.“ Ich stand auf und stieg langsam die Treppe hoch ins Badezimmer. Ich war gerade am Hände waschen als ich plötzlich eine vertraute Kälte wahrnahm. Die Kälte eines Geistes. Ich drehte mich um mich selbst, konnte jedoch niemanden entdecken. Schulterzuckend drehte ich mich um und lief zurück ins Wohnzimmer. Dort herrschte eine eisige Stille. „Beschütze sie.“ Sagte plötzlich eine dunkle männliche Stimme. Ich sah zu Trey, der Alec und Sam musterte und mich gar nicht beachtete. Auch seine beiden Schwestern warfen mir keinen Blick zu als ich stehen blieb und versuchte die Stimme zu lokalisieren.
Er stand am Fernseher und starrte in meine Richtung. Ein älterer Mann um die fünfzig. Sein blondes Haar war schon mit einigen Grauen Strähnen durchzogen. Er sah Violet so ähnlich, dass ich keine Zweifel daran hatte, dass es ihr Vater war. „Beschütze sie.“ Er kam auf mich zu und griff nach meiner Hand. Mein ganzer Arm überzog sich mit einer Gänsehaut. „Beschütze sie. Sie haben es nicht verdient zu sterben.“ Mein Atem bildete kleine, weiße Wölkchen, die vor meinem Gesicht aufstiegen. Ich sah den alten Mann ins Gesicht. Sein Blick war flehend und auch seine ganze Körperhaltung zeigte mir wie erst er seine Bitte meinte.
„Caitlin! Was stehst du da rum und starrst in die Luft? Wir wollen jetzt langsam gehen.“ Estells Stimme klang weit entfernt, jedoch riss sie mich aus meiner Konzentration. Ich sah zu meinen Freunden, die abwartend an der Wohnzimmertür standen und mich ansahen. Als ich wieder zu der Stelle blickte an der der Geist bis eben gestanden hatte, sah ich ihn nur noch langsam verschwinden. „Beschütze sie.“, waren seine letzen Worte bevor er ganz verschwand. Ich schüttelte den Kopf und rieb mir über meinen Arm. Dann wandte ich mich an Trey und seine Geschwister.
„Habt ihr Zettel und Stift?“ Verwundert lief die Rothaarige los um mir das Gewünschte zu holen. Während sie weg war, fasste ich mir an das weiße T-Shirt und löste die Brosche mit dem Zeichen der Organisation. Als mir das Mädchen das gewünschte vor die Nase hielt, setzte ich mich an den Couchtisch und begann zu schreiben. Als ich fertig war, faltete ich den Zettel einmal in der Mitte und zusammen mit der Brosche drückte ich ihn Trey in die Hand. „Hier. Damit solltet ihr vor jedem Wächter in Sicherheit sein. Es ist ein Brief, der euch unter meinen persönlichen Schutz stellt. Wenn ihr ihn bei euch habt, können euch die Wächter gar nichts tun. Die Brosche dient zur Verdeutlichung.“ Ich nahm die Brosche Trey aus der Hand und drehte sie in meinen Händen bis die Gravur zu sehen war. Ganz klein war mein Name in das Metall eingraviert. Diese Broschen an den Uniformen diente der Wiedererkennung, sollte ein Vampir im Kampf so übel zugerichtet werden, sodass man ihn nicht mehr erkennen konnte. Als Trey sie wieder an sich nahm, griff ich in meine Hosentasche und zog eine Visitenkarte hervor. „Hier. Falls irgendwas ist, ruft mich an. Egal wie spät es ist.“
„Warum tust du das für uns?“, wollte er wissen und blickte mir fest in die Augen. Seine Augen hatten irgendetwas magisches an sich. Sie fesselten mich und ich schaffte es nicht mich abzuwenden.
„Ihr habt es nicht verdient zu sterben. Nicht nur ich bin dieser Meinung.“ Ich zögerte. „Euer Vater ist der gleichen Meinung wie ich.“ Treys Augen verengten sich zu Schlitzen. Er knurrte und packte mich am Arm. Hinter mir bewegten sich die Jungs, doch ich hielt sie mit einem Kopfschütteln davon ab eine unvorsichtige Bewegung zu machen, die in einem Kampf ausarten würde.
„Unser Vater ist schon lange tot. Du kannst gar nicht mit ihm geredet haben.“ Treys Stimme wurde mit jedem Wort aggressiver und seine Hand Schloss sich noch fester um meinen Arm. In seinen Augen konnte ich ein mordlustiges Glitzern erkennen, doch ich hatte keine Angst. Ich wusste, dass ich genauso reagiert hätte, würde mir jemand erzählen, dass er mit meinem toten Vater geredet hatte.
„Trey, lass sie los! Prinzessin Caitlin kann mit den Toten kommunizieren! Hast du das vergessen?“, kam mir die rothaarige Schönheit unerwartet zu Hilfe. Trey knurrte als er die Stimme seiner Schwester hörte, doch man sah, dass kurze Zeit später die Bedeutung ihrer Worte zu ihm durchsickerte. Mit einem entsetzten Gesichtsausdruck ließ er meinen Arm los und trat einen Schritt nach hinten. Reue ersetze den mordlustigen Ausdruck in seinen Augen. Ich rieb mir den schmerzenden Arm.
„Tut mir leid. Bei dem Thema bin ich ein wenig empfindlich.“, erklärte er.
„Schon gut. Das kann ich verstehen. Wir gehen jetzt. Aber versprich mir, dass du anrufst, sollte irgendwas sein.“
„Ich verspreche es.“ Trey blieb immer noch auf Abstand, doch in seinen Augen spiegelte sich Dankbarkeit und ich musste lächeln.
„Kommt Leute. Wir gehen.“ Während die anderen schon halb durch den Garten waren, stand ich noch auf der Treppe und blickte die drei Geschwister an. „Passt gut auf euch auf.“
„Werden wir. Und danke.“ Violet grinste. „Übrigens hat dich der Typ mit den Grünen Augen die ganze Zeit angestarrt.“ Ich zuckte mit den Schultern.
„Das sollte er lieber nicht machen wenn seine Freundin dabei ist. Wir können uns schon jetzt nicht ausstehen. Wie soll das erst werden wenn er seine Ex die ganze Zeit anstarrt? Sie wird versuchen mich zu killen.“
„Oh, oh. Zickenkrieg.“ Trey schüttelte den Kopf. „Ich will nicht in seiner Haut stecken.“
„Bis dann Leute.“ Mir wurde diese schon freundschaftliche Unterhaltung zu viel und wollte so schnell sie möglich hier weg.
Ich sprang leichtfüßig die Treppen hinunter und schlenderte zu den anderen, die am Auto lehnten und auf mich warteten. „Wisst ihr worauf ich richtig Lust habe? Auf ein Mittagessen im Nandos.“, sagte Estell gerade als ich zu ihnen trat.
„Oh ja. Wir haben es sowieso nicht eilig zurück ins Schloss zu fahren. Wenn wir das nämlich tun, verbarrikadiert sich Cat nämlich wieder in ihrem Zimmer und bearbeitet diese unmöglichen Mails!“ Sam schüttelte den Kopf. „Dimitri hat mir erzählt, dass sie gestern so darin vertieft gewesen war, dass sie weder ihre Nackenschmerzen noch ihren Hunger gespürt hat. Sei froh, dass du nicht vollständig mit ihr verbunden bist Alec.“
„Ich denke ich könnte sie aushalten.“, sagte Alec lässig.
„Werden wir ja sehen. Ich Kapsel mich bei dem nächsten Kampf mal nicht vor dir ab. Mal sehen wie du die Schmerzen überstehst.“, konterte ich. „Aber im zurück zu Estells Aussage zu kommen. Ich bin dafür. Langsam bekomme ich wirklich Hunger.“
„Wie bitte? Habt ihr dass gehört Leute? Cat bekommt Hunger!“, alberte Sam herum. „Dass ich das noch mal erlebe!“
„Pass bloß auf Sam.“, lachte ich und schubste ihn gegen das Auto. „Ich bin immer noch sauer wegen heute morgen. Wenn du nicht aufpasst landest du noch nackt im Wald.“
„Nackt? Wieso nackt?“ Sam bekam sich nicht mehr ein vor Lachen. „Du denkst doch dabei nur an dein eigenes Vergnügen.“ Ich verdrehte die Augen und stieg ins Auto.
„Lasst uns los fahren bevor unser Sammy noch mehr Wahnvorstellungen bekommt.“ Die anderen folgten mit einem Grinsen auf dem Gesicht. Estell lenkte den Wagen durch die Straßen und hielt kurze Zeit später bei Nandos.
Wir stiegen aus und betraten das Schnellrestaurant. Wir fanden in in dem schon gut gefüllten Restaurant einen Viererplatz und kurze Zeit später eilte auch schon ein eifriger Kellner an unseren Tisch um unsere Bestellungen aufzunehmen. Während wir auf das Essen warteten unterhielten wir uns prächtig. Für kurze Zeit verschwand die kalte Geschäftsfrau und die sechszehnjährige Caitlin kehrte zurück. Das schafften nur wenige Leute und ich war Sam dankbar, dass er hier war. „Sam wie kommt es eigentlich, dass du hier bist?“ Diese Frage spukte schon seit seinem ersten Tag hier in England in meinem Kopf herum.
„Sei doch froh, dass ich hier bin. Du kannst mich doch wirklich gut gebrauchen.“ Ich sah ihn strafend an.
„Du weichst meiner Frage aus Sam. Eine Antwort bitte.“ Er seufzte und sagte: „Emily hat sich Sorgen gemacht. Du hast einfach die Konferenz auf Hawaii verlassen und bist nach England geflogen. Ohne ein Wort der Erklärung. Sie wusste nicht was sie davon halten sollte und hat mich angerufen. Ich hab mir ihre Geschichte angehört, hab einen Flug gebucht und bin dir hinterher geflogen. Da ich aber nicht wusste wo genau du dich denn versteckst, habe ich Jack angerufen und ihn gebeten dein Handy zu orten. Und dann habe ich euch in dieser alten Fabrik gefunden.“
„Ich kann nicht fassen, dass ihr mir hinterher spioniert!“ Entgeistert starrte ich meinen besten Freund an.
„Hey als du das letze Mal so überstürzt verschwunden bist, haben wir drei Monate nichts mehr von dir gehört. Und am Ende kam raus, dass du dich in Südafrika mit einem Haufen Strigoi vergnügt hast und in der Wüste beinahe gestorben wärest, hätten dich nicht Nomaden gefunden und gesund gepflegt! Da kann man sich schon ein bisschen Sorgen machen.“ Ich zuckte zusammen.
„Woher weißt du von der Geschichte?“, fragte ich ihn flüsternd. Der Kellner kam und brachte unser Essen. Er lächelte, doch als er die angespannte Stimmung am Tisch bemerkte, machte er sich so schnell wie möglich vom Acker.
„Auch du bist mal betrunken. Und dann kommt so was raus. Dass du so viel trinkst, dass du schon einen Blackout hast, beweist doch schon wie kaputt du tief in dir drinnen schon bist.“
„Nur, weil ich mich betrinke heißt es nicht, dass ich kaputt bin! Wenn es das heißen würde, wäre mehr als die Hälfte der Menschheit kaputt.“, erklärte ich sachlich. „Alec zum Beispiel hat sich früher regelmäßig betrunken. Das ist ein ganz normales Verhalten von Jugendlichen.“
„Jugendliche haben aber danach ganz bestimmt keinen Nervenzusammenbruch.“, erwiderte Sam unbarmherzig. Ich ballte meine linke Hand zur Faust während ich mit der Rechten auf mein Essen einstach.
„Themenwechsel Leute.“, ging Estell dazwischen. „Sam, siehst du nicht, dass sie kurz vorm Explodieren ist?“ Ich schloss die Augen und atmete tief ein und wieder aus. Eine Welle von positiven Gefühlen erreichte mich und ich wollte gerade Dimitri dafür danken als ich merkte, dass es überhaupt nicht Dimitris Gefühle waren, die mich überschwemmten und zur Ruhe kommen ließen. Ich öffnete blinzelnd die Augen und sah Alec an. Dieser starrte jedoch angestrengt auf sein Essen.
„Danke Alec.“ Der Angesprochene nickte nur. Ich versuchte zu Scherzen: „Siehst du? Doch nicht so einfach mich als Gefährtin zu haben.“ Keiner lachte. Jeder konzentrierte sich auf sein Essen und jeder war erleichtert als wir endlich den Laden verlassen konnten.
Die Fahrt zurück zum Schloss verlief recht schweigsam. Jeder hing seinen Gedanken nach. Kurz bevor wir das Schloss erreichten öffnete ich den Mund und sagte: „Ich möchte nicht, dass irgendjemand von Trey und seinen Geschwistern erfährt. Je weniger von ihnen wissen, desto sicherer leben sie.“ Ich bekam ein synchrones Nicken von den drei Vampiren im Auto. „Und auch die Geschichte, die Sam erzählt hat wird nicht weiter erzählt. Niemand wird etwas davon erfahren. Ich mein's ernst. Die drei Jahre in der Verbannung werden nicht vor meiner Familie ausgebreitet und erzählt. Sie würden große Schuldgefühle bekommen und das will ich nicht.“
„Wir werden nichts sagen Caitlin.“, versprach Alec. Estell hielt vor dem Schloss und wir stiegen aus. Jedenfalls fast alle. Estell blieb auf dem Fahrersitz sitzen und lächelte traurig.
„Du fährst wieder?“, fragte ich.
„Ich denke das ist das Beste. Immerhin brauchen die anderen wieder einen Job. Sonst kommen sie noch auf dumme Gedanken. Ich hab auch schon einige Orte, die ich überprüfen möchte.“
„Wo geht's diesmal hin?“
„Südamerika. Brasilien und danach Chile.“ Ich nickte.
„Pass auf dich auf Estell.“
„Und du auf dich Caitlin. Wir sehen uns auf der Einweihungsfeier der Organisation in New York.“
„Spätestens da.“ Wir lächelten uns an und ich öffnete die Autotür um sie zu umarmen. Dann schloss ich sie wieder und sah ihr nach wie sie vom Schlossgelände fuhr.
Als sie nicht mehr zu sehen war, wandte ich mich ab und betrat zusammen mit Alec und Sam das Schloss. Wir liefen zusammen zu dem Flur in dem unsere Zimmer lagen und verabschiedeten uns.
„Übrigens danke, dass du heute mitgekommen bist Alec. Wenn auch unnötigerweise aber danke.“
„So überflüssig war ich gar nicht Cat.“, sagte er und ich wusste sofort, dass er auf das Mittagessen bei Nandos anspielte. Ich lächelte kurz gequält bevor ich in meinem Zimmer verschwand.
Ich zog mich um. Eine Jeans, ein großer, schwarzer Wollpullover, welcher mir bis zur Mitte der Oberschenkel ging, schwarze Stiefel und einem Schal. Ich schnappte mir die Blumen von Couchtisch, die jede paar Tage ausgewechselt wurden und verließ das Zimmer wieder. Das Schloß wirkte wie ausgestorben. Einzelne Diener huschten durch die Korridore, doch es herrschte allgemeine Trauerstimmung. Kein Wunder. Immerhin war der König vor wenigen Tagen gestorben. Ich ging durch den Garten und betrat dann den Schlosseigenen Friedhof durch ein eiserne Tor, der am anderen Ende des Schlossgeländes lag. Für Geisterseher wie mich waren Friedhöfe keine besonders beliebten Plätze. An Friedhöfen lungerten die meisten ruhelosen Seelen herum, die den Wünsche verspürten noch einige Dinge zu erledigen bevor sie gingen. Doch auf diesem Friedhof konnte ich keinen einzigen Geist spüren. Ich lief langsam die einzelnen Reihen hindurch und las mir die einzelnen Namen durch. Die meisten waren wir unbekannt. Doch die drei relativ nah beieinander gelegenen Gräber ließen mich traurig lächeln. „Ihr wisst gar nicht wie sehr ich euch vermisse.“, flüsterte ich den Gräbern von Daniel, Elisabeth und meinem Vater zu. Jedes der drei Gräber bekam ein bis zwei Blumen bevor ich weiter ging. Gegenüber von meinem Vater fand ich mein Grab.
Hier liegt:
Prinzessin Caitlin Sophie Dupont.
1994-2012
Der Tod trennt - der Tod vereint. Möge sie in Frieden ruhen.
Die wenigen Worte ließen mich aufschluchzen. Ich war tatsächlich gestorben in der Zeit der Verbannung. Aus der fröhlichen, glücklichen, hoffnungsvollen, sechzehnjährigen Caitlin wurde die kalte, emotionslose, zwanzigjährige Killermaschine Sophie. Aus der Prinzessin wurde eine heimatlose Bürgerliche. Ich sah mir das Bild an, welches am Grabstein heftete. Es war ein Bild, welches mich bei meiner Krönung zeigte. Das Diadem funkelte auf meinem Kopf und ich sah sowohl fröhlich als auch ängstlich aus. Mein Lächeln strahlte mit dem Diadem um die Wette. Das purpurne Kleid ließ mich noch blasser wirken als ich ohnehin schon gewesen war. Und doch zeigte dieses Bild eine völlig andere Caitlin als die Caitlin, die ich jeden Morgen im Spiegel sehen konnte. Die neue Caitlin lächelte selten, sie war ernster und ließ niemanden mehr an sich heran. Sie stieß jeden von sich weg, konzentrierte sich auf ihre Arbeit und steckte ihre ganze Energie in die Zerstörung der Strigoi.
Ich kniete mich vor das Grab und legte vorsichtig die restlichen Blumen ins Gras. Das war mein Abschied von der ehemaligen Caitlin den ich gebraucht habe. Energisch wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und stand auf. „Ruhe in Frieden Caitlin.“, hauchte ich und wandte mich ab.
„Denkst du wirklich es ist eine gute Idee die alte Caitlin zu begraben?“, fragte plötzlich jemand hinter mir und ich wirbelte herum. Camilla stand ein paar Gräber von meinem entfernt und sah mir forschend ins Gesicht.
„Die alte Caitlin gibt es nicht mehr Camilla. Irgendwann muss ich sie begraben.“
„Ich denke nicht, dass sie ganz verschwunden ist. Du hast sie nur tief in deinem inneren vergraben. Die Verbannung hat vielleicht eine Andere aus dir gemacht aber niemals hat sie die Kraft dein altes Ich vollständig verschwinden zu lassen.“
„Sieh mich an Camilla. Bin ich immer noch das Mädchen von früher?“
„Manchmal sehe ich das Mädchen noch vor mir, doch es ist so selten. Ich wünschte sie würde sich öfter aus ihrem Versteck wagen.“ Camilla kam mit langsamen Schritten auf mich zu. Kurz vor mir blieb sie stehen und nahm vorsichtig meine Hand. „Caitlin. In den letzten drei Jahren hast du viel erfahren und gelernt. Du hast viele Dinge sehen und überstehen müssen, die noch nicht mal Erwachsene kennenlernen. Es ist kein Wunder, dass du dich verändert hast, aber denkst du nicht auch, dass diese gefühllose Caitlin einfach nicht zu dir passt?“
„Ich weiß nicht welche Caitlin zu mir passt aber ich weiß, dass die gefühllose Caitlin besser mit diesem schrecklichen Leben klar kommt als die alte.“
„Das ist auch verständlich. Immerhin war die alte Caitlin noch ein halbes Kind. Die neue Caitlin ist Erwachsen geworden. Aber ich bitte dich noch einmal inständig. Vergrabe dein altes Ich nicht. Emotionslosigkeit kann auch ihre Schwachstellen haben.“ Und damit ließ sie meine Hand los und wandte sich ab um den Weg zurück zu gehen, in Richtung Ausgang. Sie ließ mich vollkommen verwirrt zurück. Wie sollte Emotionslosigkeit ihre Schwachstellen haben? Durch die Emotionslosigkeit konnte ich die Missionen sachlich und effektiv planen, sodass wir kaum Tote oder Verletzte hatten. Ich wurde durch Tote nicht aus der Ruhe gebracht und kam besser ans Ziel, weil ich vor Folter nicht zurückschreckte. Der einzige Nachteil war, dass mich mein gesunder Menschenverstand nicht warnte gefährliche Missionen nicht anzunehmen. Dies führt meist zu den lebensgefährlichen Verletzungen.
Während ich so da stand und überlegte was Camilla gemeint haben könnte, wurde es zusehends dunkler. Der kühle Frühlingswind ließ mich frösteln und so machte ich mich auf den Weg zurück in mein Zimmer. Dort würde ich mich wie immer an den Computer setzen und meine tägliche Arbeit verrichten. Ich seufzte schwer. Manchmal wünschte ich jemand anders wäre auf die Idee gekommen die Organisation zu gründen. Dann würde nicht jeder scheiß auf meinen Schultern liegen und ich wäre eine der Kriegerinnen, die durch die Welt reisten um ihre zugeteilten Jobs zu erledigen.
In einer guten Ehe sind beide die bessere Hälfte des anderen.
(Alfred Hitchcock)
„Oh mein Gott Caitlin! Ich hab es geschafft!“, kreischte Sarah und strahlte mich glücklich an. Es war der Tag vor Dimitis und Kendras Hochzeit. Ich saß mit Sarah wie immer auf der Lichtung in Wald, die ich für die erste Schulstunde ausgesucht hatte. Meine Freundin saß vor mir auf dem Boden und kreischte glücklich herum.
„Wirklich? Was hast du gesehen?“ Seit zwei Wochen trainierten Sarah und ich ununterbrochen, jeden Tag, mehrere Stunden um ihre Gabe zu aktivieren. Dies hatte Sarah ziemlich erschöpft und auch weh getan, da ihre Visionen am Anfang mit wirklich viel Power aus ihr herausgebrochen waren und sie überflutet hatten, doch jetzt schien sie ihre Gabe ziemlich gut unter Kontrolle zu haben.
„Ich hab ein Stück der Hochzeitszeremonie gesehen von Dimitri und Kendra. Ich hab getan was du gesagt hast und es war ganz einfach!“
„Super Sarah. Und du warst nicht länger als zehn Sekunden weg. Das ist ein neuer Rekord.“ Sarah sprang auf und tanzte auf der Lichtung herum, während ich sie nur lächelnd beobachtete. Sie war wirklich aufgeblüht in den letzten Jahren. Aus der schüchternen Streberin, war ein lebhafter Schmetterling geworden.
„Gut, ich denke das reicht für heute. Du kannst ja versuchen im Schloss noch ein wenig zu üben. Aber ich denke unser gemeinsames Training brauchst du jetzt nicht mehr. Falls du jedoch noch Fragen hast, kannst du gerne zu mir kommen.“ Ich sah sie nachdenklich an und sagte dann grinsend. „Herzlichen Glückwunsch Miss Bennett. Sie haben erfolgreich die Ausbildung abgeschlossen. Hiermit sind Sie befugt Ihre Gabe ohne meine Anwesenheit zu gebrauchen.“ Sarah fing an zu lachen.
„Vielen Dank Miss Dupont. Ich hatte aber auch eine wunderbare Lehrerin, die mir das alles beigebracht hat.“
„Komm lass uns gehen. Ich muss unbedingt ein Kleid raus suchen, welches für eine Trauzeugin angebracht ist. Vielleicht kannst du mir ja helfen?“ Ich sah sie bittend an.
„Klar helfe ich dir. Zum Glück haben Jana und ich deinen Kleiderschrank endlich mal ausgeräumt und auf den neusten Stand gebracht.“ Das hatten sie wirklich. Während ich in meinem Arbeitszimmer saß und arbeitete, standen die Mädchen zwei Stunden in meinem Kleiderschrank und haben meine Sachen aussortiert. Und dann brauchten sie noch mal eine Stunde um die neuen Klamotten in den Schrank einzusortieren. Danach haben sie mich von der Arbeit losgerissen und mir stolz ihr Werk präsentiert. Ich war entsetzt gewesen. All meine Kaputzenpullover hatten sich in Luft aufgelöst. Nur noch einige wenige hatten sich an ihrem alten Platz befunden. Überall türmten sich die Klamotten, die eine Prinzessin auszeichneten. Das hieß die verschiedensten Kleider, egal ob kurz oder lang, Röcke und Blusen. Meine Freundinnen hatten jedoch dafür gesorgt, dass sich auch Jeans und normale T-Shirts in meinem Schrank befanden, doch es waren so wenige, dass ich erschrocken nach Luft schnappen musste. Kein Flehen und betteln hatte geholfen. Mein Kleiderschrank war so geblieben und meine beiden Freundinnen würden dafür sorgen, dass ich ihn nicht wieder verschandelte.
Schweigend gingen Sarah und ich den Pfad entlang, der uns wieder zum Schloss brachte. Irgendwann brach meine Freundin jedoch das Schweigen als sie fragte: „Hast du dir jetzt eigentlich überlegt ob du hier bleibst?“
„Ich hab oft darüber nachgedacht.“, murmelte ich. „Aber ich bin noch zu keinem Entschluss gekommen. Das Einzige was ich weiß ist, dass ich nach der Hochzeit nach Amerika muss um meine Vereidigung zu wiederholen. Dann komme ich wieder hierher um Dimitri und Kendra abzuholen um weiter nach Russland zu Fliegen um Russland der Aufnahmeprüfung zu unterziehen.“
„Und danach?“
„Ich lasse es alles auf mich zukommen Sarah. Vielleicht bleibe ich ein paar Wochen bei euch, mache Urlaub und gehe dann wieder weg für ein paar Wochen oder Monate. Ich bin ziemlich flexibel was das angeht. Aber das Wichtigste ist, dass ich Dunja endlich das Handwerk lege.“ Das Problem war einfach, dass ich sie einfach nicht aufspüren konnte. Egal welche Strigoi wir auf der ganzen Welt festnahmen und befragten, niemand konnte uns etwas zu Dunja sagen. Sam war extra nach New York geflogen um dort ein paar der dort sitzenden Strigoi zu vernehmen, doch bis jetzt war nichts raus gekommen. Ich erwartete ihn heute Abend zurück.
„Sie erinnert dich an Max oder?“, fragte Sarah leise.
„Ihre Art die Strigoi zu vereinen ist genauso wie Max. Aber sonst packt sie die Sache ganz anders an. Das macht es ja so schwer sie zu fangen.“
„Denkst du noch oft an ihn?“
„Nein. Er ist Geschichte.“ Wir gingen durch das Tor und als wir gerade die Treppe zum Eingang des Schlosses hochstiegen, schoss James durch die Tür und blieb schlitternd vor uns stehen. Ich kicherte leise.
„Und??“ Sarah und ich wechselten einen kurzen Blick.
„Deine Freundin hat es geschafft. Sie hat ihre Gabe unter Kontrolle.“, erklärte ich. Kaum hatte ich ausgesprochen, riss James seine Freundin in die Arme und küsste sie stürmisch. Verlegen wandte ich mich ab und stieg die restlichen Stufen nach oben. Dort stand Alec der mit einem Grinsen auf die beiden Verliebten hinab sah. Ich drückte mich wortlos an ihm vorbei und betrat das Schloss. In meinem Zimmer, schloss ich mein Handy an die Anlage und stellte die Musik auf laut. Heute hatte ich keine Lust mich an den Laptop zu setzen um zu arbeiten. Heute würde ich mich einfach nur entspannen. Doch kaum hatte ich die Musik aufgedreht, ging die Tür auf und Kendra trat in den Raum. Schnell drehte ich die Musik wieder leise und sah ihr lächelnd entgegen.
„Kendra. Was kann ich für dich tun?“
„Ich wollte dich eigentlich nur fragen ob du Lust hast mit mir in den Wellnessbereich des Schlosses zu gehen und dich richtig verwöhnen zu lassen.“
„Wir haben einen Wellnessbereich im Schloss?“
„Ähm. Ja. Du wusstest nichts davon?“
„Nein. Ich hab anscheinend zu kurz hier gelebt.“ Ich grinste. „Was soll ich anziehen?“
„Bikini und einfach ein Kleid drüber oder so.“
„Alles klar. Bis gleich.“ Ich verschwand in meinem Kleiderzimmer und zog einen schwarzen Bikini aus dem Fach für Bademode hervor. Ich zog ihn mir schnell an bevor ich mir ein schlichtes, grünes Kleid überzog. Ich schlüpfte in Schwarze Ballerina und ging zurück zu Kendra. „Lass uns gehen.“ Sie hakte sich bei mir ein und zog mich mit sich. Wir gingen aus dem Schloss raus und auf ein etwas größeres Haus zu, welches ich immer für das Haus des Gärtners gehalten hatte.
„Der Wellnessbereich ist nur für die königliche Familie. Und er ist auch immer nur ein paar Tage im Monat besetzt mit professionellem Personal. Heute ist zum Glück so ein Tag. Ich muss einfach ein bisschen runter kommen.“
„Bist du aufgeregt Kendra?“
„Ein bisschen. Ich hab Angst, dass irgendwas schief geht.“
„Ich kann dich beruhigen. Es wird überhaupt nichts schief gehen. Es läuft alles perfekt ab. Der kleine und der große Ballsaal werden im Moment für die Hochzeit vorbereitet. Alles läuft wie geschmiert und Dimitri überwacht alles mit Argusaugen. Mach dir keine Sorgen.
„Danke. Genau solche Worte habe ich gebraucht.“ Kendra sah mich erleichtert an bevor sie vor mir den Wellnessbereich betrat. Dort verdonnerte sie mich zu einer Massage und dann zu einer Sauna. Am Ende bekamen wir beide noch Maniküre und Pediküre, während wir uns gemütlich bei einem Gläschen Sekt unterhielten. Am Ende dieses Programmes fühlte ich mich so entspannt wie lange nicht mehr. Kichernd machten wir uns auf den Rückweg zum Schloss. Zusammen betraten wir den Speisesaal der Familie und setzten uns. Dimitri sah uns beide zufrieden an und lächelte.
„Und hattet ihr Spaß im Wellnessbereich?“, fragte meine Mutter.
„Oh ja.“ Kendra kicherte. „Wir haben das volle Programm durch gemacht und uns dabei wunderbar unterhalten. Nicht wahr Cat?“
„Stimmt Kandy,“ Ich grinste.
„Habt ihr was getrunken?“, fragte Alec entsetzt.
„Nicht viel. Zwei oder drei Gläser Sekt. Nicht der Rede wert.“, winkte ich ab. Plötzlich wieder ernst.
„Alec. Lass doch nicht immer den großen Bruder raus hängen.“, maulte seine kleine Schwester. Alec hob beschwichtigend die Hände.
„Schon gut. Ihr beide seid alt genug um zu entscheiden was und wie viel ihr trinkt. Aber einen Kater auf der eigenen Hochzeit... Das würde ich mir noch mal überlegen Kandy.“ Sie streckte ihrem Bruder die Zunge raus.„Wo ist denn eigentlich deine Verlobte Alec?“, fragte sie und erstarrte kaum, dass sie zu Ende gesprochen hatte. Ich spürte die Blicke der anderen auf mir, hob den Blick und präsentierte ein strahlendes Lächeln.
„Wow. Ihr seid hier aber wirklich im Hochzeitsfieber. Und wann darf ich eure Hochzeit besuchen?“ Ich tat so als würde es nicht weh tun, dass er vor hatte dieses Mädchen zu heiraten.
„Im Mai.“, murmelte Alec.
„Ich guck mal was ich da alles vorhabe aber ich denke das würde ich schaffen. Wenn es überhaupt okay ist, dass ich erscheine. Ich meine deine Verlobte findet es bestimmt nicht gut wenn deine Ex auf der Hochzeit auftaucht oder?“
„Ich werde das mit ihr absprechen.“ Ich nickte und wandte mich meinem Essen zu, obwohl diese Nachricht mir den ganzen Appetit verdorben hatte. Aber ich zwang mir das Essen herunter, weil ich es wirklich brauchte. Sam hatte Recht: Ich aß wirklich zu wenig.
Das ganze Abendessen war begleitet von Stille. Nur das Klappern von Besteck war zu hören und das Aufeinanderprallen von Zähnen. Nach dem Essen stand ich nicht als erste auf, sondern wartete bis Sarah und James den Tisch verlassen hatten bevor ich den Raum verließ. Dann ging ich gemächlich aus dem Raum und sofort nach oben in mein Zimmer. Ich sah auf mein Handy und bemerkte eine SMS von einer mir unbekannten Nummer. Sofort lief es mir kalt den Rücken runter. Mit zitternden Händen öffnete ich sie und atmete auf als ich den Text las.
Hey Caitlin. Wollte mich noch mal bedanken. Vor ein paar Stunden sind hier Wächter aufgetaucht, die mit uns kurzem Prozess gemacht hätten, hätten wir nicht deinen Brief und deine Brosche gehabt. Ich schulde dir was.
Trey
Stirnrunzelnd sah ich mir den Text an bevor ich zurückschrieb.
Wächter? Ich hatte keine Ahnung, dass welche auf euch angesetzt waren. Zum Glück ist nichts passiert. Du schuldest mir gar nichts.
Caitlin
Ich speicherte die Nummer und warf das Handy auf mein Bett bevor ich mich auf die Suche nach Dimitri machte. Durch unser Gefährtenband war er nicht schwer zu finden. Er befand sich im Wächterhaus. Dem Haus in dem die Wächter untergebracht waren, solange sie keinen Dienst hatten. Ich trat ohne anzuklopfen ein und fand mich in einem Gespräch zwischen Dimitri und drei Wächtern wieder.
„Es war unverwechselbar Prinzessin Caitlins Brosche und auch ihre Unterschrift auf dem Brief. Ich bin mir zu hundert Prozent sicher.“, sagte der eine Wächter in diesem Moment. Nach kurzer Betrachtung erkannte ich John. Ein Verwandter von mir und Vater des kleinen Mason, den ich vor meiner Verbannung so ins Herz geschlossen hatte.
„Ich verstehe nicht wieso die Prinzessin diese Strigoi schützen sollte.“, warf der größte der drei Wächter ein. „Eben. Sie hat einen noch größeren Hass auf Strigoi als wir alle.“, meinte der dritte. Ein dunkelhäutiger Mann mit Locken.
„Ich wusste es. Es war keine gute Idee vom König ihr den Befehl über die Wächter zu geben. Sie ist noch ein Kind. Nicht in der Lage Entscheidungen zu treffen.“, sagte der Größte.
„Ich könnte Ihnen meine Entscheidung erklären meine Herren wenn Sie mich lassen.“, mischte ich mich ins Gespräch ein. Meine Stimme klang kühl. Alle drei wirbelten herum während Dimitri ruhig da stand und mich betrachtete. Ich stand dort im Raum mit hoch erhobenen Kopf und aufrechter Haltung. Ich starrte die Männer im Raum herausfordernd an. Unter meinem Blick schienen die Wächter zu schrumpfen.
„Dann erkläre uns das Bitte Caitlin. Ich verstehe es nämlich wirklich nicht.“ Dimitri fasste sich mit Daumen und Zeigefinger ans Nasenbein und massierte es.
„Ganz einfach. Estell eine meiner Spione hatte diese drei Strigoi schon eine Weile beobachtet bevor sie zu mir kam. Es sind keine normalen Strigoi.“
„Was soll das denn heißen? Strigoi ist Strigoi.“ John sah mich vollkommen verständnislos an.
„Lassen Sie mich ausreden Sir.“, bat ich ruhig, während ich innerlich gerade überschäumte vor Wut. Wie konnten diese drei Männer es wagen meine Entscheidungen in Frage zu stellen? „Diese drei Strigoi leben genau wie vor ihrer Verwandlung. Sie ernähren sich von Blutbeuteln oder Spendern. Doch manchmal ist die Gier in ihnen zu groß um sie zu unterdrücken und sie schnappen sich einen Menschen und saugen sie aus. Aber jedes Mal wenn sie aus diesem Blutrausch erwachen, schämen sie sich zu Tode. Es sind Strigoi mit Gewissen.“
„Strigoi mit Gewissen.“, höhnte John. „Ihr seid auf ihre Schauspielkunst hereingefallen Prinzessin.“ Ich ignorierte ihn und sagte zu Dimitri: „Ich war da und habe mit ihnen gesprochen. Estell, Sam und Alec waren mit mir dort. Und Sam hat bestätigt, dass sie die Wahrheit sagen. Deswegen habe ich sie unter meinen Schutz gestellt. Immerhin sind sie Strigoi. Sie können uns von Vorteil sein.“
„Du meinst im Fall Dunja.“, sagte Dimitri verstehend und ich nickte.
„Sie können uns Informationen liefern, die wir über die Gefangenen nicht rausfinden können. Wir schleusen sie einfach in die Strigoigemeinschaft ein und schon haben wir Spione, die uns mit Informationen versorgen.“ Dieser Plan war aus dem Nichts entstanden und doch einfach zu gut.
„Verstehen Sie jetzt wieso der König sie als Oberhaupt der Wächter eingesetzt hat. Abgesehen davon, dass sie vom ersten König dazu gezeichnet wurde?“, wandte sich Dimitri an die Wächter im Raum. Hastiges Nicken und gemurmelte Entschuldigungen waren zu hören. Ich nickte hoheitsvoll und verabschiedete mich von Dimitri. Die drei Wächter im Raum ignorierend. Dann verließ ich wieder den Raum.
Ich kam gleichzeitig mit Sam an meinem Zimmer an. Ich sprang ihm in die Arme und er taumelte, aus dem Gleichgewicht gebracht, nach hinten.
„Ich hab dich auch vermisst Prinzessin.“, lachte er und drückte mich fest an sich. „War es so schlimm ohne mich?“
„Einfach schrecklich.“ Ich sagte es im scherzhaften Ton, doch es war die Wahrheit. Dies spürte Sam wohl, denn er schob mich ins Zimmer und Schloss die Tür hinter sich.
„Was ist los Caitlin?“ Ich erstarrte und ging wieder auf Abstand.
„Wie ist es drüben in Amerika gelaufen?“, fragte ich stattdessen und versuchte damit vom Thema abzulenken. Sam verdrehte die Augen und murmelte etwas was ziemlich nach einem „typisch“ klang. Trotzdem antwortete er auf meine Frage und ging somit auf das Thema ein.„Das habe ich die doch schon erzählt. Es war immer das Gleiche. Egal wen wir da befragt haben, niemand konnte uns antworten. Es war fast so als hätte jemand in ihrem Gehirn rum gespielt und hätte alle ihre Erinnerungen an Dunja gelöscht.“
„Wieso seid ihr euch dann so sicher, dass sie in Verbindung mit Dunja standen?“, wollte ich wissen.
„Sind wir nicht.“ Er seufzte und ließ sich auf mein Bett fallen. „Das Einzige was wir sicher wissen ist, dass sie in illegale Dinger verstrickt waren.“
„Illegale Dinger?“
„Du weißt schon. Drogenschmuggel, illegaler Waffenbesitz, auch wenn das kaum möglich ist in Amerika, und sie waren auch im Rotlichtviertel tätig.“
„Das sind aber keine Beweise, dass sie wirklich irgendwas mit Dunja zu tun haben.“
„Ich weiß, ich weiß. Können wir bitte über etwas anderes reden und das Thema auf Morgen beziehungsweise übermorgen verschieben? Bitte?“ Sam seufzte und schloss die Augen. „Ich habe einen neun Stunden Flug hinter mir. Ich bin müde und will eigentlich einfach nur ins Bett. Immerhin muss ich morgen doch als deine Begleitung für die Hochzeit hin halten oder?“
„Verdammt.“, fluchte ich. Sam öffnete seine Augen einen Spalt breit und sah mich an.
„Was ist los?“
„Ich bin Kendras Trauzeugin.“
„Und? Man Caitlin. Muss man dir alles aus der Nase ziehen?“
„Alec ist der Trauzeuge. Und ich kann einfach nicht mit ihm diese Sache durchziehen. Nicht nach Heute.“ Ich setzte mich auf die Bettkante und legte meinen Kopf in die Hände. Ich würde die Hochzeit ganz bestimmt nicht überstehen.
„Was ist passiert?“ Sam setzte sich auf und sah mich besorgt an.
„Alec wird seine Freundin heiraten. Sie sind verlobt. Die Hochzeit findet im Mai statt.“ Sam sagte gar nichts. Dafür war ich ihm dankbar. Er schloss mich einfach nur in seine Arme und hielt mich fest. Und zum ersten Mal seit langem weinte ich wieder. Es war mir egal ob Sam mich sah. Eigentlich war ich sogar froh, dass ich endlich mal wieder richtige Gefühle zeigen konnte. Langsam wusste ich was Camilla meinte. Seine Gefühle zu unterdrücken war auf keinen Fall eine gute Idee. Irgendwann kamen sie so oder so ans Licht. Das ließ sich gar nicht vermieden. Und somit weinte ich um zwei Jahre fast ohne jede Emotionen. Als ich mich langsam beruhigt hatte, hob ich das Gesicht und sah Sam in die Augen.
„Tut mir leid, dass ich dein T-Shirt durchnässt und voll gerotzt habe.“ Ich schniefte und wandte mich ab.
„Hör auf dich zu entschuldigen Caitlin. Eigentlich habe ich darauf gewartet, dass so was passiert. Ich und alle anderen auch.“ Er drehte mein Gesicht zu sich sodass ich ihn ansehen musste. „Es war nur eine Frage der Zeit bis sich all deine Gefühle an die Oberfläche bohren würden. Und ich würde es begrüßen wenn du sie nicht wieder weg sperren würdest. Ich mag die Caitlin mit Emotionen viel lieber als die emotionslose Roboter-Caitlin.“ Er hielt mir eine Taschentuchpackung hin, die ich dankbar lächelnd annahm.
„Dir habe ich die frühere Caitlin doch oft gezeigt.“, meinte ich bevor ich kräftig in das Taschentuch schnäuzte.
„Aber immer viel zu kurz.“ Er sah auf die Uhr und sagte: „Es ist ziemlich spät. Ich geh dann mal lieber.“
„Nein! Bitte bleib.“ Ich klammerte mich fest an seinen Arm und er atmete tief aus.
„Na gut. Aber ich verschwinde morgen früh vor der Dämmerung, ich habe keine Lust, dass einer deiner Brüder mich einen Kopf kürzer macht, weil ich morgens aus deinem Zimmer komme.“ Er grinste und brachte mich somit zum Lachen.
„Danke Sam.“ Ich stand auf und verschwand kurz im Bad um meine tägliche Routine vor den Schlafen gehen zu beenden. Als ich wieder ins Schlafzimmer kam, war die Deckenbeleuchtung schon ausgeschaltet und nur die Lampe auf dem Nachttisch warf ein leichtes Licht im Raum. Sam lag schon im Bett und als er mich hereinkommen sah, hob er einladend die Decke. Schnell schlüpfte ich unter die warme Decke und kuschelte mich an Sam.
„Du bist der beste Freund den man sich als Mädchen wünschen kann, weißt du das eigentlich?“, murmelte ich an seiner nackten Brust. Er schlief immer nur in Boxershorts. Das wusste ich, denn ich hatte ihn mehr als einmal mitten in der Nacht aufgeweckt. Und wir wohnten zusammen. Da war es unvermeidlich, dass man seinen WG-Partner in Unterwäsche sah. Er legte seinen Arm um mich.
„Danke. Das Gleiche kann ich nicht von dir behaupten.“
„Ich bin aus der Übung. Ich gelobe Besserung.“
„Das hoffe ich doch.“, nuschelte Sam und gähnte herzhaft. Kurz darauf waren seine tiefer werdenden Atemzüge zu hören. Kurze Zeit später war auch ich eingeschlafen.
Ich stand vorne im kleinen Ballsaal und wartete wie der Rest der Leute auf Kendra und ihren großen Auftritt. Alec stand mir direkt gegenüber und ich versuchte ihn nicht anzusehen. Rechts von mir stand der Kirchenmann, der die Trauung durchführen sollte. Natürlich ein alter Vampir und somit mit den Sitten der Vampire vertraut. Dimitri stand zwischen Alec und mir und sah ziemlich nervös aus. Ich schickte ihm viele beruhigende Gefühle und sah wie er sich sichtlich entspannte und mir dankbar entgegensah. Ich lächelte ihn strahlend an. Hinter ihm saßen die Hochzeitsgäste. Es waren nicht so viele um die gesamten Sitzplätze zu füllen, doch es waren ein paar Leute gekommen. Abgesehen von meiner Familie, der von Kendra und einigen Freunden war auch Dimitris Familie extra aus Russland angereist um der Hochzeit beizuwohnen. Ich hatte das alles ziemlich kurzfristig organisiert, doch Dimitri schien sich zu freuen, denn er warf immer wieder einen Blick nach hinten und strahlte seine Verwandten an.
In diesem Moment erklang der Hochzeitsmarsch und ein paar Sekunden später erschien Kendra in der Tür des Saals. Sie sah einfach bezaubernd aus in ihrem Kleid. Es hatte eine mit Perlen und Kristallen besetzte Taille, einen herzförmigen Ausschnitt und schulterfrei. Der Rock war stufenförmig und ebenfalls wie die Taille mit Organza versehen. Eine lange Schleppe vollendete das Brautkleid in Schneeweiß. Ihre Haare waren zu einer aufwendigen Hochsteckfrisur frisiert in dem hinten mit einer Art kleiner Krone der Schleier befestigt war. Sie strahlte mit dem Kleid um die Wette und schwebte wie auf Wolken. Dimitri konnte sich nicht satt sehen. Anstatt von ihren Vater, wurde sie von ihrer Mutter zum Altar geführt, die ebenfalls strahlte. Sie hatte aber auch allen Grund dazu. Dimitri wäre der perfekte Schwiegersohn. Als sie bei uns angekommen warm drückte sie mir den Brautstrauß in die Hand und wandte sich dann an Dimitri. Ihre Mutter übergab sie Dimitri mit den Worten: „Pass gut auf sie auf.“ Dann setzte sie sich in die erste Reihe zu meiner Mutter und Mason.
Der Pfarrer begann seine Rede mit der üblichen Floskel: „Wir sind hier heute zusammengekommen um dieses Paar im Angesicht Gottes und der Familie und Freunden zu vermählen.“ Ab da schaltete ich auf Durchzug und konzentrierte mich erst wieder als Alec Dimitri die Ringe reichte. Nach der üblichen Frage ob jemand etwas gegen die Hochzeit zu sagen hätte, durfte sich das Brautpaar endlich küssen. Und was das für ein Kuss war! Dimitri riss seine Frau in seine Arme und küsste sie so sanft und gleichzeitig so leidenschaftlich, dass großer Jubel erscholl. Tränen Flossen wohin ich sah und ich lächelte die beiden nur glücklich an. Dimitri ließ von seiner Frau ab und während die Gäste nach draußen strömten, unterschrieben wir schnell die Heiratsurkunde. Danach folgten Alec und ich dem Paar aus dem Schloss hinaus wo Kendra und Dimitri sofort mit Glückwünschen überhäuft wurden. Danach wurden die Hochzeitsfotos geschossen auf die ich zum meinem Leidwesen auch musste. Trotzdem glitt ein strahlendes Lächeln auf meine Lippen sobald ich Dimitri und Kendra nur anschaute. Und anscheinend war der Fotograf auch schnell mit den Bildern mit den Trauzeugen und den Verwanden fertig, denn es ging sofort weiter zu den Fotos nur mit dem Brautpaar. Währenddessen kümmerten sich Alec und ich um die Gäste, die wir in den vorbereiteten Saal nebenan führten wo kurze Zeit später das Essen serviert wurde als dass Brautpaar nach einer Weile wieder den Raum betrat.
Kendra und Dimitri eröffneten gerade mit einen ziemlich schnulzigen aber echt romantischen Lied eng umschlungen den Tanz. Zusammen mit Sam saß ich an einem Tisch und beobachtete das Brautpaar mit Freude.
„Sie sind so süß zusammen, findest du nicht auch?“, quietschte ich leise. Sam lachte und stimmte mir zu.
„Wie füreinander geschaffen.“ Ich hob mein Sektglas und trank einen kleinen Schluck von der prickelnden Flüssigkeit. Im Großen und Ganzen hatte ich diesen Abend bis jetzt super durchgestanden. Ich hatte mich tadellos den Gästen gegenüber verhalten, hatte gelacht und gescherzt und sogar die traditionelle Rede der Trauzeugen hatte ich ohne Probleme hinter mich bringen können. Ich war stolz auf mich. Ebenso Dimitri dessen Liebe und Glück mich fast ertränkten. Er schien überzuquellen von diesen Gefühlen. Konnte ich aber verstehen. Er konnte sein Glück kaum fassen. Seine Traumfrau gehörte nun voll und ganz ihm. Und sein Glück würde heute Abend in der Hochzeitsnacht noch vollkommener sein wenn er Kendras kleines Geheimnis erfahren würde. Ich grinste, welches sofort verblasste als Alec zu uns an den Tisch trat und dort auch stehen blieb, anstatt zum Tisch meiner Brüder zu gehen, der sich nur wenige Schritte von meinem befand. Er hielt mir die Hand hin, die ich verständnislos ansah.
„Darf ich bitten?“, fragte er höflich.
„Nein danke.“
„Eigentlich war das keine Bitte Caitlin. Immerhin steht jetzt der Traditionelle Tanz der Trauzeugen auf dem Programm. Kendra hat schon mit Dimitris Vater getanzt, er mit meiner Mutter, die übrigens eine miserable Tänzerin ist, wie ich anmerken darf.“
„Du meinst wir beide müssen...“
„Zusammen tanzen. Ja.“, vervollständigte er meinen Satz. Mit aufgerissenen Augen sah ich zu Sam, der mich mitleidig ansah. Kurz entschlossen hob ich mein Glas und leerte es in einem Zug bevor ich aufstand und Alec' Hand nahm. „Wow. Du hältst es also nur unter Alkoholeinfluss mit mir aus?“ Alec' Stimme klang bitter.
„Tu mir einen Gefallen und sei einfach leise den Tanz über, ja?“, bat ich mit verkrampften Lächeln. Er führte mich auf die Tanzfläche und legte seine rechte Hand auf mein Schulterblatt, welches aufgrund meines Kleides nackt war. Mit der anderen Griff er meiner Hand und hielt sie auf Augenhöhe. Langsam bewegten wir uns im Takt zu „Far away“ von Nickelback und mit jedem weiteren Wort das gesungen wurde, schnürte sich meine Kehle weiter zu.
„Du siehst übrigens wunderschön aus Prinzessin.“
„Danke.“, presste ich heraus. Ich hatte mich für ein dunkelblaues Neckholder Kleid entschieden, welches meinen gesamten Rücken unbedeckt ließ uns bis zum Boden ging. An der Taille waren Perlen angestickt. Meine von Natur aus leicht gelockten Haare hatte Ann mit einer schlichten Hochsteckfrisur gebändigt. Alec drehte mich unter seinem Arm hindurch und zog mich an sich. Ich unterdrückte die Versuchung meinen Kopf an seine Schulter zu legen und sah angestrengt über seine linke Schulter.
„Weißt du es freut Kendra wirklich, dass du ihre Hochzeit besuchst und ihre Trauzeugin bist.“
„Es ist mir eine Ehre diese Aufgabe übernehmen zu dürfen. Ich hätte nicht gedacht, dass sie mich zu ihren Freunden zählt. Immerhin sind wir uns nur ein Mal kurz begegnet. Wir haben noch nicht mal viel geredet.“
„Ich weiß. Aber du hast eine Art an dir, die es Leuten leicht macht dich zu lieben.“ Alec drückte meine Hand und ich schwieg. Unfähig irgendwas darauf zu erwidern.
Direkt nach dem Tanz ließ ich Alec los als hätte ich mir die Finger verbrannt. Ich nickte ihn zu und ging langsam zurück zu Sam an den Tisch. Dies schob mir ohne ein Wort ein volles Whiskey Glas hin, welches ich dankend annahm und ein großen Schluck nahm. Das Zeug brannte in meiner Kehle und ich schloss genussvoll die Augen.
„Hey Sam. Füllst du gerade meine Schwester ab?“, fragte Mason am Nebentisch.
„Nein. Caitlin verträgt ziemlich viel. Macht Euch keine Sorgen Hoheit. Es ist ziemlich schwer sie betrunken zu machen.“ Sam grinste und auch ich musste grinsen als ich an das eine Mal dachte als Sam, ein paar Freunde und ich ein Wetttrinken veranstaltet hatten. Ich war die Letzte, die noch stand und auch die Eine, die am nächsten Tag nicht mit einem Kater aufgewacht war.
„Ist sie denn noch in der Lage zu tanzen?“, fragte Dimitri neben mir, der urplötzlich aufgetaucht war.
„Klar. Ich hatte bis jetzt kaum was zu trinken.“ Ich ergriff seine Hand und ließ mich zur Tanzfläche führen.
„Tut mir leid wegen dem Lied. Es hat einfach zu gut gepasst, oder?“
„Mach dir keine Sorgen Dimi. Alles gut.“, winkte ich ab. „Es war nur ein Tanz.“ Ein Tanz, der alle Gefühle für Alec wieder aufgewirbelt hatte. Dimitri führte mich sicher durch den Tanz. „Wie gefällt es deiner Familie hier im Schloss?“ Er strahlte und sah kurz zum Tisch seiner Familie an dem Kendra stand und sich anscheinend prächtig amüsierte.
„Es gefällt ihnen wirklich hier. Und sie mögen Kendra. Besonders meine Mutter. Sie hat sich schon immer eine Tochter gewünscht. Aber leider hat sie nur Jungs bekommen.“
„Es freut mich, dass meine Überraschung so gut gelungen ist. Ich habe mich schuldig gefühlt, dass ich nicht früher bei den Vorbereitungen helfen konnte. Und als Kendra mir erzählt hat, dass sie keinen Flug bekommen hätten, habe ich sie kurz entschlossen einfach mit dem Privatjet der Organisation eingeflogen.“
„Dafür liebe dich dich Waffengefährtin.“
„Lass das bloß nicht Kendra hören.“, lachte ich. Die Musik stoppte und ich ließ Dimitri los um gleich von Sam in die Arme gerissen zu werden.
„So. Jetzt bin ich dran. Ich musste mich schon mit deinen Brüdern Streiten wer als nächstes mit dir tanzt.“
„Du hast gewonnen?“ Normalerweise war Mason unschlagbar in Diskussionen.
„Wir haben Schere, Stein, Papier gespielt. Du weißt, dass ich einfach unschlagbar darin bin.“ Ich schüttelte den Kopf. Er war manchmal einfach so ein Kindskopf. Ein Diskofox erklang und strahlend führte mich Sam durch den schnellen Tanz, der mich zum Lachen brachte. Immer wieder durfte ich mich drehen.
„Sam. Mir wird ganz schwindelig.“, protestierte ich lachend. Nach dem Tanz ließ ich mich auf den Stuhl fallen und nahm einen Schluck von meinem Whiskey.
An diesem Abend tanzte ich viel. Immer wieder wechselten die Tanzpartner, sodass ich irgendwann nicht mehr hinterher kam. Sogar Dimitris Vater und seine Brüder tanzten eine Runde mit mir mit der Begründung: „Ich muss doch Waffengefährtin von meinem Sohn kennenlernen.“ Es wurde immer später und ich kippte immer mehr Alkohol in mich rein. Langsam war ich ziemlich beschwipst. Zum Glück endete kurz darauf die Veranstaltung und alle strömten nach endlos langen Verabschiedungen aus dem Saal in ihre Zimmer. Ich blieb als einzige im Saal und starrte an einen Punkt an der Wand.
Irgendwann griff ich dann nach der Flasche mit irgendwas hochprozentigen und verzog mich nach draußen in den Garten.
„Du auch?“, lallte eine Stimme links von mir. Ich wandte den schweren Kopf und sah direkt in Alec' grüne Augen, die im Mondlicht noch schöner aussahen.
„Sorry. Ich lass dich dann alleine.“, nuschelte ich, doch Alec fasste mein Handgelenk und hob die andere Hand in der ich eine Flasche entdecken konnte.
„Schon gut. Lass uns einfach zusammen Frust ertränken.“ Und so setzte ich mich und stieß vorsichtig gegen seine Flasche.
„Auf die verdammten Probleme.“ Gemeinsam leerten wir die Flaschen. Mir war schwindelig und ich fasste den Mut endlich mal die Wahrheit zu sagen.
„Isch kann einfach nisch glauben, dass du heiraten wirst!“, brabbelte ich. „Dabei hatte isch gehofft noch ne Chance bei zu haben zu können.“
„Isch kann's auch nich glauben. Sie hat mich gezwungen weischt du? Meine Mutter mein ich.“
„Neeeein.“, sagte ich und riss die Augen weit auf.
„Doch. Sie hat misch in der Hand weißt du?“ Er sah mir tief in die Augen. „Dabei lieb ich nur dich.“
„Ich dich auch.“ Er kam immer näher und ich schloss die Augen. Als ich endlich seine Lippen auf meinen spürte, stöhnte ich auf. Wie sehr ich ihn vermisst hatte!
Stöhnend öffnete ich die Augen und blinzelte. Als meine Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten schlug ich sie ganz auf. Ich blickte mich um und fand mich nicht in meinem Zimmer wieder. 'Oh nein.' Hektisch blickte ich zur Seite wo ich Alec entdeckte. Tief schlafend. Der Arm hing über dem Bett raus. Ich setzte mich auf und die Decke rutschte von meinen Schultern. Meine nackte Brust kam zum Vorschein und ich erstarrte. Nein. Nein das kann nicht sein. Hektisch Griff ich nach der Decke und bedeckte meinen Körper. Ich hob jedoch die Decke nur um zu erkennen, dass ich überhaupt keine Unterwäsche trug. 'Wir haben doch nicht....' Ich konnte den Gedanken nicht zu Ende denken ohne, dass es bei mir Schweißausbrüche verursachte. Alec bewegte sich und legte sich auf den Rücken. Ich erstarrte als ich auf seinen nackten Oberkörper gaffte. Gut es gab dafür eine Erklärung. Eine einfache Erklärung. Wir konnten einfach nicht... Ich kniff die Augen zusammen und versuchte mich an den gestrigen Abend zu erinnern. Doch es kam nichts! Ich erinnerte mich noch getanzt zu haben. Und dann waren die Gäste nach und nach gegangen und ab da: Leere.
„Verdammt.“, zischte ich. Ich streckte meine zitternde Hand nach der Decke aus und hob sie ein kleines Stück an. Ja. Alec war auch nackt. Vollkommen nackt! Ich ließ die Decke wieder fallen. Okay. Das konnte auch eine Illusion gewesen sein. Also noch mal. Jep. Noch immer nackt. „Scheiße. Schieße, scheiße, scheiße.“
„Frauen reagieren meistens anders wenn sie meinen nackten Körper betrachten.“, murmelte Alec schläfrig. Seine Augen waren geschlossen. „Und sonst hast du doch auch nicht so reagiert Angelina.“
„Kommt vielleicht daher, dass ich nicht Angelina bin!“, fauchte ich. Sofort war Alec hellwach. Er riss die Augen auf und setzte sich auf. Sofort umklammerte ich die Decke noch kräftiger um meinen Körper zu verhüllen.
„Was machst du in meinem Bett?“, fragte Alec. Ein kurzer Blick auf die Decke. „Und das nackt?“
„Das frage ich mich auch die ganze Zeit.“ Alec kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich.
„Ich kann mich nicht erinnern aufs Zimmer gegangen zu sein. Oder mit dir zusammen irgendwas gemacht zu haben außer getanzt.“ Gut. Wenigstens war ich nicht die Einzige mit einem Blackout. Alec grinste verführerisch. „Anscheinend haben wir...“
„Stopp. Halt. Ich möchte es nicht hören!“, unterbrach ich ihn hektisch was ihn noch mehr grinsen ließ. „Wenn das deine Verlobte erfährt oder deine Mutter... Wir sind tot.“
„Caitlin wir waren betrunken...“, versuchte mich Alec zu beruhigen.
„Das ist keine Entschuldigung für das was wir getan haben!“ Ich suchte mit den Augen nach meinen Klamotten, die überall verstreut im Zimmer herum lagen. „Ich werde mich jetzt anziehen. Und du schließt die Augen dabei.“
„An deinem Körper gibt es nichts was ich nicht schon gestern Nacht gesehen habe Caitlin.“
„Du kannst dich aber nicht daran erinnern!“
„Auch ein Argument.“ Alec seufzte und schloss die Augen. Vorsichtshalber legte ich ihm noch ein Kissen über das Gesicht. Ich hörte ihn lachen und knirschte mit den Zähnen. Schnell hob ich mein Höschen vom Boden auf und zog es an. Dann das Kleid drüber. Den BH nahm ich einfach in die Hand. Ich schnappte mir all meine Sachen und drehte mich zu Alec um.
„Das hier ist nie passiert hörst du?!“
„Es kann nur passiert sein Caitlin. Wir sind jetzt vollständig miteinander verbunden. Spürst du das nicht?“ Wenn ich ehrlich war, hatte ich diesen Punkt einfach verdrängt, doch als Alec mich darauf ansprach, merkte ich wie ein weiterer Teil meines Kopfes von Alec beansprucht wurde. Sofort versuchte ich mich ein wenig abzuschirmen. Jetzt war nicht nur Dimitri ständig in meinem Kopf, sondern auch Alec. Was hatte ich nur für ein Glück. Ich seufzte.
„Bis dann Alec.“ Ich öffnete leise die Tür und spähte den Flur hinunter. Auf beiden Seiten niemand zu sehen. Gut. Ich schloss die Tür hinter mir und verschwand so schnell es ging in meinem Zimmer.
Ich lehnte mich an die geschlossene Tür. Ich hatte wirklich mit Alec geschlafen. Ich hatte meine Jungfräulichkeit wirklich verloren ohne, dass ich mich daran erinnern konnte. Panisch fragte ich mich ob wir verhütet hatten. Was wenn nicht und ich jetzt schwanger werden würde? Ich nahm zwar die Pille, doch die war auch nicht hundertprozentig sicher. „Scheiße.“ Ich blickte an mir herunter und beschloss jetzt ein entspannendes Bad zu nehmen. Also ließ ich Wasser in die Wanne und solange dies einlief suchte ich mir Klamotten zusammen, die ich auf den Kleiderständer im Badezimmer legte. Ich zog mich aus uns ließ mich seufzend ins Wasser gleiten. Langsam entspannte ich mich. Es würde alles gut werden. Ich würde mit Alec absprechen, dass wir diese Sache so gut wie möglich verstecken würden. Wir könnten im Geheimen an unseren neuerworbenen Kräften üben. Sam konnte unser Alibi sein. Doch dann musste ich es Sam erzählen und der war wirklich nicht derjenige, dem ich so etwas erzählen würde. Ich vermisste meine Freundinnen schrecklich. Die beiden waren jedoch zu beschäftigt um sich auch noch um meine Probleme zu kümmern. Außerdem waren wir uns nicht so nah wie vor meiner Abreise. Wir hatten uns zwar angenähert, doch es war alles anders. Meine Finger wurden schon schrumpelig und so stand ich auf uns kam aus der Wanne. Ich ließ das Wasser ablaufen und nahm ein Handtuch um mich abzutrocknen. Ich war gerade dabei mich einzucremen als ich ihn entdeckte. Einen Knutschfleck direkt an meinem Hals. Er war nicht groß aber trotzdem auffällig. Ich stöhnte auf. Mir war auch gar nichts vergönnt! Ich zog mich an. Eine schwarze Leggings, ein großer grauer Wollpullover und ein großer dunkelroter Schal, der den Knutschfleck perfekt bedeckte. Ich zog mir noch schwarze Stiefelletten an in die ich den Dolch von Alex steckte. Ich bürstete meine noch nassen Haare, sie schon anfingen sich zu Kringeln und verließ das Badezimmer.
Ich sah auf die Uhr. Elf Uhr. Mittagessen würde es erst in zwei Stunden geben. Ich zuckte mit den Schultern und Griff nach einem Apfel in der Obstschale, die seit ich wieder da war immer gefüllt war. Um mich abzulenken fuhr ich den Laptop hoch und bearbeitete einige Fälle. Emily hatte mir die Befragungen der Strigoi in Amerika als Video geschickt. Ich öffnete es und verbrachte also zwei Stunden mit den verschiedensten Strigoi. Es war genau so wie Sam gesagt hatte. Keiner wusste von Dunja. Ihr Gesichtsausdruck wurde leer sobald man auf das Thema kam und sie schalteten völlig ab. Nach dem fünften Strigoi wusste ich was mit ihnen gemacht wurde. Sie wurden von einem Hypnotiseur so programmiert, dass sie auf direkte Fragen über Dunja nicht antworten konnten. Dass die im Moment zuständigen Vampire so unfähig waren das zu erkennen, hatte ich nicht gedacht. Ich zückte mein Handy und wählte eine Nummer.
„Ackland.“, meldete sich eine männliche Stimme nach dem dritten Klingeln.
„Oliver, hier ist... Sophie.“
„Du meinst wohl Prinzessin Caitlin.“, korrigierte mich der Vampir und ich verdrehte die Augen.
„Ja. Ist doch auch egal. Ich weiß was bei euch los ist.“
„Hä?“ Manchmal war Oliver wirklich schwer von Begriff.
„Wieso habe ich dich noch mal zum Oberbefehlshaber ernannt?“, fragte ich bissig. „Egal. Wegen den Befragten. Sie sind von einem Hypnotiseur programmiert worden.“ Schnell erklärte ich ihm meine Beobachtungen.
„Das heißt wenn wir indirekte Fragen zu Dunja stellen, können wir auf eine Antwort hoffen?“, fragte Oliver nach.
„Bingo.“
„Alles klar danke So.. Caitlin. Wann können wir mit deiner Rückkehr rechnen?“
„Ich bin diese oder nächste Woche kurz da um die Vereidigung zu wiederholen und meine Verträge noch mal zu unterschreiben. Danach flieg ich weiter nach Russland.“
„Also haben sie die Prüfung bestanden?“
„Bis jetzt ja. Mal sehen was die Besichtigung bringt. Bis dann Oliver. Wir hören uns.“ Ich legte auf. Dann schaltete ich die Befragung aus und stand seufzend auf. Ich kontrollierte noch mal den Sitz des Schals bevor ich mich auf den Weg ins Speisezimmer machte. Gerade als ich aus der Tür trat, schloss Alec seine Tür hinter sich. War ich eigentlich vom Pech verfolgt? Wortlos schloss ich meine Zimmertür und machte mich auf den Weg. Ohne ein Wort schloss Alec sich mir an und gemeinsam liefen wir nebeneinander zum Essen.
Als wir eintraten, saßen schon alle am Tisch und warteten mal wieder auf mich. Dimitris und Kendras Plätze waren leer. Sie waren schon früh in ihre Flitterwochen aufgebrochen.
„Guten Morgen.“, begrüßte ich meine Familie.
„Cat.“ Anastasia strahlte als sie mich sah. Sie winkte und seufzend setzte ich mich zwischen sie und Alec. „Ich hab mit Mason über dich geredet. Er bittet dich um eine Audienz.“ Verwirrt sah ich meinen großen Bruder an der den Kopf schüttelte.
„Mich meint sie nicht damit.“
„Wen meinst du Tassi?“, fragte ich meine kleine Schwester.
„Na Mason. Der mit dem ich immer spiele. Der Sohn von John.“
„Achso. Ja, sagst du ihm, dass er mich nachher auf dem Trainingsgelände finden kann?“ Als Anastasia Anstalten machte aufzustehen, packte ich sie am Arm und drückte sie sanft wieder auf ihren Stuhl. „Doch nicht jetzt. Nach dem Essen.“
„Und Caitlin. Gut geschlafen?“, fragte James.
„Ja, natürlich.“, antwortete ich und mied dabei bewusst den Blickkontakt mit Alec. „Und du Bruderherz?“
„Einfach himmlisch.“ Er warf einen Blick auf Sarah, die leicht errötete. Anscheinend hatten die beiden das Gleiche gemacht wie Alec und ich. Mit dem Unterschied, dass sie sich daran erinnern konnten und wir beide nicht. Ich nahm einen Bissen von meinem Fleisch.
„Alec. Warum isst Angelina eigentlich nie mit uns?“, fragte meine Mutter. Weil sie niemanden von uns leiden kann, antwortete ich bissig in Gedanken.
„Das weiß ich nicht. Sie fühlt sich anscheinend wohler wenn sie alleine isst.“, antwortete Alec. Stille. Wie immer war nur das Klappern von Besteck zu hören. Es war so ungewohnt. Wenn die Wächter zusammen saßen und aßen war es immer laut um mich herum. Es wurde gelacht und gescherzt. Ich bekam ein wenig Heimweh.
„Ich muss euch kurz was erzählen.“, sagte ich. Die Aufmerksamkeit wurde auf mich gerichtet. „Ich werde mir heute einen Flug buchen. Ich werde nach Amerika zurückkehren...“
„Wie bitte?!“, fragte Jana.
„Ich dachte du würdest nicht wieder weg gehen.“, sagte Sarah anklagend. „Jedenfalls habe ich dich bei uns gesehen.“
„Wenn du mich gesehen hast, muss es wohl stimmen. Nein, ich muss nach Amerika. Meine Vereidigung im Rat noch mal machen, Oliver ein wenig den Kopf stutzen...“
„Oliver? Wer ist das denn?“, fragte Alec.
„Der Typ der für die schlampige Arbeit drüben verantwortlich ist.“, erklärte ich. „Ich hätte doch dich als Befehlsinhaber einsetzen sollen Sam. Trotz deines Widerwillen.“
„Aber ich bin viel lieber in deiner Nähe Geliebte Caitlin. Du kannst mich nicht einfach von deiner Seite stoßen.“, sagte Sam tragisch und ich verdrehte die Augen.
„Eigentlich hätte es auch nichts gebracht dich zu wählen. Du hast ja auch nicht gemerkt was da mit den Gefangenen los ist.“
„Wie bitte?“
„Ich hab mir eben die Videos der Befragung angesehen, die Emily mir geschickt hat. Mir ist nach ein paar Befragten aufgefallen was los ist. Sie hat einen Hypnotiseur in ihren Reihen.“ Sam riss die Augen auf.
„Aber das hieße ja, dass sie Vampire auf ihrer Seite hat.“
„Richtig. Ich statte Trey nachher mal einen Besuch ab. Er muss mir helfen.“
„Wie soll er dir denn helfen?“, fragte Alec verächtlich.
„Wer ist Trey?“, fragte James verwirrt.
„Ein Strigoi, der Caitlin schöne Augen macht.“, antwortete Alec und ich boxte ihn in den Magen. „Was denn?!“ Dann schien ihm wohl aufzugehen wo wir uns gerade befanden.
„Du bist mit einem Strigoi befreundet?“, rief meine Mutter entsetzt.
„Nicht befreundet. Ich habe ihn nur wegen bestimmten Gründen unter meinen persönlichen Schutz gestellt. Und ich wusste, dass er zu gebrauchen ist.“ Ich schob mir den letzten Bissen in den Mund, kaute, schluckte und stand auf. Ein Finger schnipsen und ein kurzer Befehl später, waren Sam und ich auf dem Weg zum Trainingsgelände.
„Warum trägst du einen Schal? So kalt ist es doch gar nicht.“, wollte Sam wissen als wir den Platz betraten an dem die Wächter schon eifrig am üben waren. Er zog leicht am Schal, den ich hektisch wieder auf seinen richtigen Platz zog.
„Das ist Mode mein lieber Sam. Davon verstehst du nichts.“ Ich lachte zittrig und boxte ihn leicht in die Seite. „Wenn du willst kannst du aber bei Jana und Sarah in die Lehre gehen.“
„Nein lass mal. Ich mag meinen Style. Ich will nicht zu irgendeinem Modepüppchen werden.“ Sam beobachtete mich misstrauisch. Er wusste, dass irgendetwas faul war.
„Das hatte ich auch nicht vorgehabt.“, seufzte ich. „Man kann es nur nicht verhindern wenn man mit ihnen befreundet ist.“ Ich sah zu den Wächtern, die die Situation einer gegen viele probten und schnalzte ungeduldig mit der Zunge.
„Warte ich weiß was in dir vorgeht.“ Sam verstellte seine Stimme. Sie klang nun übertrieben hoch und so gar nicht nach mir. „Die machen das alle völlig falsch! Selbst die Schüler in den Akademien können das besser! Und die sind wirklich Anfänger.“
„Du bist gemein.“, schmollte ich. „Aber ja. Sie machen das wirklich falsch. Ich zeig denen mal wie es richtig geht.“ Mit festem Schritt ging ich auf die Wächter zu. „Guten Tag die Herren. Darf ich Ihnen ein paar Tipps geben?“ Ich sah Unzufriedenheit und Ärger in ihren Augen aufblitzen. Aber sie nickten. „Gut. Sie alle gegen mich.“ Sie stellten sich in Angriffsposition während ich locker da stand. Ich winkte sie ran und als hätten sie auf meine Aufforderung gewartet, griffen sie mich von allen Seiten an. Ich zuckte einmal kurz mit der Hand und eine Feuerwand zuckte hoch und schirmte sie von mir an. In der Zwischenzeit ging ich gemächlich in die Hocke und zog meinen Dolch. Dann ließ ich die Feuerwand verschwinden und widmete mich dem Kampf. Gelassen trat ich um mich, schlug in Gesichter und ließ sie durch die Gegend wirbeln dank meiner Fähigkeit Luft zu beherrschen, die mir Dimitri netterweise übertragen hatte als wir unser Gefährtenband vervollständigten.„Okay. Das reicht. Ich sollte Sie nicht so übel zurichten.“ Während ich die blutenden, hinkenden und jammernden Wächter betrachtete, wischte ich mir imaginäre Staubkrümel von der Schulter und steckte mein Dolch zurück in den rechten Stiefel. Weicheier. „Wissen Sie was Sie falsch machen? Sie sind viel zu vorsichtig. Immer sind sie darauf bedacht den anderen nicht zu verletzen. Doch genau diese Verletzungen zeigen Ihnen wie gut Sie wirklich sind. Sie dürfen sich nicht schonen. Das ist mein Tipp. Sie müssen die Angst vor Verletzungen überwinden.“ Oder Ihre Gefühle abschalten. Dann geht das wie von alleine. „Außerdem: Wozu haben Sie die Fähigkeit die Elemente zu beherrschen wenn Sie sie nicht nutzen?“ Ich winkte Sam mir zu Folgen, denn ich hatte einen schwarzen Haarschopf entdeckt, der mir sehr bekannt vorkam.
„Mason.“, begrüßte ich den Jungen, der mir damals geschworen hatte irgendwann einmal mein Wächter zu werden.
„Prinzessin Caitlin. Was für eine Freude Euch zu sehen.“ Der Junge lächelte mich an bevor er seine Faust auf die Brust legte und sich vor mir verneigte.
„Du wolltest mit mir reden?“
„Ja Prinzessin. Ich wollte Euch Fragen wann ich endlich in Euren Dienst treten darf.“„Wie alt bist du jetzt Mason?“
„Vierzehn Prinzessin. In einem Monat ist mein fünfzehnter Geburtstag.“ Ich überlegte. Wenn es unbedingt sein Wunsch war Wächter zu werden, wäre es doch das Beste wenn ich ihn mit nach Amerika nehmen und in die Akademie schicken würde. Doch er war noch zu Jung um alleine zu sein. Aber gleichzeitig war er viel zu erwachsen für sein Alter.
„Mason. Was hältst du davon in eine Akademie zu gehen um eine richtige Wächterausbildung zu bekommen?“, fragte ich vorsichtig und sah seine Augen aufleuchten.
„Das wäre ein Traum Prinzessin.“
„Das Problem ist, dass sie nicht in England ist Mason, sondern in Amerika. Das ist ganz schön weit Weg. Du würdest dort leben mit vielen anderen Jungs und Mädchen, die genau den gleichen Traum haben wie du.“
„Für mich ist das kein Problem Prinzessin. Aber für meinen Vater sehr wohl. Er weiß mich lieber in seiner Nähe.“ Ich holte tief Luft. Einerseits wollte ich diesem Jungen so sehr seinen Wunsch erfüllen, doch andererseits wollte ich einem Vater nicht das Kind entreißen.
„Mason. Störst du schon wieder Prinzessin Caitlin?“, fragte in diesem Moment ein wütender John. „Ich habe dir doch tausend Mal gesagt, dass die Prinzessin viel zu beschäftigt ist um sich deinen törichten Wunsch anzuhören.“
„Und ich habe Euch schon oft genug gesagt, dass Mason mich nicht stört Sir. Ich habe ihn gern in meiner Nähe.“, entgegnete ich. Ich konnte meinen Cousin einfach nicht ausstehen. „Und Masons Wunsch ist nicht töricht. Ich bewundere ihn sehr für seinen Wunsch.“
„Vater. Prinzessin Caitlin hat mir ein Angebot gemacht.“, erzählte der Junge seinem Vater mit leuchtenden Augen. John hob eine Augenbraue und sah mich an.
„Ach ja?“
„Nun ja. Wie Ihr wisst hat die Regierung zusammen mit der Organisation einige Akademien für Wächter in Amerika aufgebaut in der jedes übernatürliche Wesen auf dessen Wunsch zu einem Wächter ausgebildet wird. Ich hatte Mason vorgeschlagen, dass er das im nächsten Schuljahr dort anfängt.“ Welches in drei Wochen startete.
„Nun Mason ist doch noch viel zu Jung um der Akademie beitreten zu können. Und außerdem ist das viel zu teuer...“ Ich merkte sofort, dass John sich Dinge ausdachte um Mason bei sich behalten zu können.
„Mason ist mit vierzehn Jahren im perfekten Alter. Jedes Kind dort beginnt mit fünfzehn oder sechszehn seine Ausbildung. Gleichzeitig wird dort auch die Bildung der Kinder gefördert. Es ist wie die Akademie hier in England nur, dass dort die dortigen Schüler nicht nur lernen ihre Gaben zu beherrschen, sondern zu richtigen Wächtern ausgebildet werden. Außerdem würde ich für Masons Ausbildung aufkommen. Immerhin verdient mein zukünftiger Wächter eine ganz besondere Ausbildung.“ Ich zwinkerte dem Jungen zu der den Wortwechsel zwischen seinem Vater und mir mit großen Augen beobachtete. John sagte gar nichts. Er sah nur mit zusammengekniffenen Augen zwischen mir und seinem Sohn hin und her. Schließlich seufzte er schwer.
„Wann beginnt das neue Schuljahr?“, fragte er seufzend. Wow. Der war wirklich nicht schwer zu überzeugen. „In drei Wochen. Ich würde Mason mitnehmen wenn ich Ende dieser Woche nach Amerika fliegen und dort bleiben bis er sich eingewöhnt hat. Ich habe sowieso ein paar Dinge dort zu erledigen.“
„Das wäre gut Prinzessin. Ich kann hier im Moment nicht weg. Und ich kann Mason kaum alleine nach Amerika fliegen lassen. Ich wäre Euch sehr verbunden wenn Ihr Euch um ihn kümmern könntet.“
„Das werde ich mit Freuden machen. Ich danke Euch für Euer Vertrauen. Sie könnten jedoch die Koffer für ihn packen?“ John nickte und wandte sich nach einer Verbeugung ab. Er verschwand im Wächterhaus. Als ich zu Mason sah, hüpfte er auf der Stelle und hatte ein riesiges Grinsen aufgesetzt.
„Prinzessin. Darf ich Euch umarmen?“
„Natürlich junger Mann. Ich bitte darum!“, antwortete ich lächelnd und breitete die Arme aus. Sofort sprang mir Mason in die Arme. Er klammerte sich an mir fest und lachte.
„Ich werde Euch nicht enttäuschen Prinzessin!“, versprach er.
„Das könntest du nicht Mason. Wirst du mich endlich duzen? Ich fühle mich so alt wenn du das machst.“ Sam, der schweigend neben uns stand, grinste nur.
„Natürlich Prinzessin.“
„Ich werde jetzt gehen. Versprich mir, dass du deine Koffer packst. Ich buche uns einen Flug.“ Der Junge nickte und stürmte nach seiner typischen Verbeugung, die Hand über dem Herzen geballt, davon. Lächelnd sahen Sam und ich ihm nach.
„Er ist wirklich niedlich.“, bemerkte Sam.
„Das ist er. Die Mädchen in der Akademie werden sich um ihn streiten.“ Ich hakte mich bei Sam ein und gemeinsam schlenderten wir zum Arbeitszimmer von Mason um uns noch mal einen Autoschlüssel zu holen.
Mason gab uns sehr widerwillig einen Schlüssel nachdem er erfahren hatte wohin die Reise gehen würde. „Seid vorsichtig!“, rief er uns hinterher.
„Jaja.“, rief ich nur zurück. Wir holten noch schnell Geld und mein Handy auf welchem schon wieder ein paar entgangene Anrufe und SMS angezeigt wurden, die ich jedoch ignorierte. Ich hatte wieder den Audi bekommen, den ich schon für meinen Trip in die Geisterwelt benutzt hatte.
Als Sam nach dem Schlüssel greifen wollte, zog ich meine Hand blitzschnell weg und sagte: „Ich fahre.“ In Sams Augen blitze so etwas wie Furcht auf.
„Ich bekomme ziemliche Angst wenn du fährst.“
„Hallo. Vampir. Bessere Reaktionsfähigkeit. Ich bau schon einen Unfall.“
„Du bist ein Halbvampir Caitlin. Der Vampir bin ich. Also habe ich die bessere Reaktionsfähigkeit.“ Wo er Recht hatte, hatte er recht.
„Du darfst zurück fahren okay?“
„Okay.“ Ich fuhr wie eigentlich immer mit viel zu hoher Geschwindigkeit in Richtung Innenstadt von Oxford. Quietschend hielt ich vor dem Haus von Trey und seinen Schwestern an. Ein Blick zu Sam und ich musste anfangen zu lachen. Er umklammerte mit panischem Blick den Haltegriff an der Autotür. Die andere Hand hatte er in den Sitz gekrallt. Sein normalerweise gebräuntes Gesicht war bleich. Er sah mich mit weit aufgerissenen Augen an.
„Was ist?“, wollte ich unschuldig wissen.
„Ich lass dich nie wieder Auto fahren. Nie wieder!“ Sam blitzte mich wütend an.
„Warum denn? Wir sind doch heil angekommen.“
„Ja, aber nur knapp. Verdammte scheiße Caitlin. Du hast einen Autofahrer überholt und bist dabei beinahe mit dem Fahrer der Gegenspur zusammengekracht!“
„Komm schon Sammy. Sei kein Weichei. Ein bisschen Nervenkitzel hin und wieder tut doch ganz gut.“ Sam knurrte nur und öffnete die Autotür. Lachend tat ich es ihm gleich. Gemeinsam gingen wir durch das Gartentor und stiegen die wenigen Stufen des Hauses hoch. Er drückte die Klingel und dann warteten wir ungeduldig.„Wer ist da?“, fragte eine misstrauische Stimme hinter der Tür.
„Wir sind's. Caitlin und Sam.“, sagte Sam und kaum hatte er ausgesprochen, wurde die Tür geöffnet und wir standen Violet gegenüber.
„Kommt rein. Schnell.“ Wir taten was sie gesagt hatte und kaum hatten wir die Türschwelle übertreten roch ich es. Blut. Ich warf einen kurzen Blick zu Sam, der nickte.
„Was ist passiert?“
„Andere Strigoi sind passiert. Trey ist ziemlich übel verletzt. Aber den beiden anderen geht es noch schlimmer.“ Na super. Mein Tag wurde immer besser. Sie führte uns ins Wohnzimmer. Vorsichtig immer auf der Hut überblickte ich die Situation in wenigen Sekunden. Zwei ziemlich tote Strigoi lagen auf dem Wohnzimmerboden und starrten mit offenen Augen an die Decke. Trey saß mit schmerzverzerrten Gesicht auf dem Couchtisch und blickte uns entgegen. Sein T-Shirt war zerrissen und seine zweite Schwester drückte ein schon ziemlich voll geblutetes Geschirrtuch auf eine Wunde.
„Sam. Hol das Verbandszeug aus dem Auto.“, wies ich meinen besten Freund an, der ohne Wiederworte verschwand und dreißig Sekunden später wieder neben mir auftauchte. In der Hand einen kleinen Koffer. „Kümmer dich bitte um unsere lieben Freunde auf dem Fußboden, ich kümmer mich um Trey.“ Er wühlte kurz in der Tasche und holte ein Fläschchen mit einer Flüssigkeit heraus, bevor er mir die Tasche in die Hand drückte. Aus diesem Koffer holte ich Desinfektionsmittel, eine Nadel und Faden heraus. Ein paar Wattebäuschen und ein großes Pflaster folgten. Ich legte alles mit möglichst großem Abstand zu Trey auf den Couchtisch und hockte mich vor den Strigoi. Ohne zu zögern riss ich sein T-Shirt auseinander und zog es ihm vorsichtig aus. Seine Schwester wies ich an zurückzutreten und mir einen nassen Lappen zu holen.
„Nicht so stürmisch Kleines. Wir haben Zeit.“, sagte Trey mit einem Augenzwinkern, doch seine Stimme war schmerzverzerrt. Ohne ein weiteres Wort nahm ich den Lappen entgegen, den sie mir hinhielt und wischte vorsichtig über seinen blutüberströmten Oberkörper. Dann presste ich ein Tuch auf die Wunde um sie zu stoppen. Trey zischte. Als die Wunde aufgehört hatte zu bluten, nahm ich die Nadel und den Faden zur Hand und desinfizierte die Wunde.
„Das wird jetzt ein bisschen Stechen.“, warnte ich Trey.
„Schlimmer als jetzt kann es nicht mehr werden.“, keuchte er. Vorsichtig begann ich seine Wunde zu nähen. Zehn Stiche benötigte es um die Wunde zu schließen. Anschließend desinfizierte ich wieder und drückte das Pflaster über die Naht. Er war an einer üblen Stelle getroffen worden. Direkt über dem Herzen. Zum Glück nicht sehr tief aber hätte der Gegner den Dolch oder den Pflock weiter in den Körper rein gerammt, hätte Trey nicht überlebt und er wäre jetzt genauso tot wie die beiden Leichen, die Sam mit der Flüssigkeit hatte verschwinden lassen. Ich erhob mich und blickte auf den Mann herunter, der zusammengesunken und mit entblößtem Oberkörper vor mir saß. Oh mein Gott hatte der Bauchmuskeln. Ich riss meinen Blick von seiner nackten Brust und sah ihm stattdessen ins Gesicht. Zum Glück hatte er mein Starren nicht bemerkt im Gegensatz zu seinen beiden Schwestern, die mich angrinsten. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte die beiden wütend an. Schweigend wischte ich im das Gesicht an und überklebte die kleinen Wunden im Gesicht vorsichtig mit kleinen Pflastern.
„Was ist passiert?“, wollte Sam wissen und sah die beiden Frauen an. Diese zuckten nur ratlos mit den Schultern.
„Keine Ahnung. Wir beide waren unterwegs als es passiert ist. Wir kamen von einer Verabredung zurück und fanden Trey bewusstlos auf dem Boden liegend vor.“ Ich beobachtete Trey, dessen Gesicht weiß war. Er zitterte.
„Sam. Hilf mir ihn auf die Couch zu legen. Violet hol ihm einen Blutbeutel. Oder am besten gleich mehrere.“, wies ich Vampir und Strigoi an. Gemeinsam mit Sam wuchtete ich Trey halbwegs sanft auf die Couch. Dieser grinste mich erschöpft an bevor er murmelte: „Oh mein Gott es macht mich ganz kribbelig wenn du so herrisch sprichst.“ Ich verdrehte die Augen und unterdrückte den Wunsch ihn zu schlagen. Violet kam mit einer großen Flasche ins Zimmer zurück. Wortlos reichte sie sie ihrem Bruder, der hastig daraus trank. Er leerte fast die ganze Flasche in einem Zug bevor er sie absetzte und sich über den Mund wischte.
„Noch mal die Frage. Was ist passiert?“
„Ich war hier im Haus und wartete auf meine Schwestern als es plötzlich an der Tür klingelte. In der Annahme, dass es meine Schwestern sind, die ihren Schlüssel vergessen hatten, öffnete ich nichtsahnend die Tür, einen Flotten Spruch auf den Lippen als ich diese beiden Strigoi erblickte, die mich ins Haus drängten mit der Begründung sie hätten mit mir zu reden. Sie fragten mich aus warum wir immer noch leben würden nachdem ihr und dann auch noch diese Wächter bei uns Zuhause aufgetaucht waren. Ich schwieg und die beiden wurden immer aggressiver. Irgendwann fingen sie dann damit an mir zu erklären, dass ihr schlecht für uns seid und wir uns lieber von euch fern halten sollten, weil ihr die Feinde wäret und so weiter.“ Trey machte ein Pause und trank noch einen weiteren Schluck aus der Flasche. „Irgendwann wurde es mir zu blöd und ich bat die beiden zu gehen. Ich sagte ihnen, dass wir nichts mit den anderen Strigoi zu tun haben wollten. Die beiden meinten wenn wir uns von unserer Art abwandten, wären wir nicht besser als der Feind und sie müssten uns töten. Als ich mit den Schultern zuckte meinte der eine zum anderen, dass Dunja darüber nicht erfreut sein würde und dann griffen sie mich an. Es ging alles ganz schnell. Ich entriss dem einem seinen Pflock und tötete ihn bevor ich mich dem anderen widmete, der es schaffte mir diese Wunde da zuzufügen bevor ich es schaffte auch ihn zu töten.“
„Sagtest du Dunja?“, fragte ich nach.
„Ja. Das war der Name den sie sagten.“ Ich sah zu Sam.
„Sie versucht ihn zu rekrutieren. Vielleicht sollte er ihr als Spion dienen, weil sie dachte, dass wir so gut genug mit ihm befreundet sind um ihn leben zu lassen.“, mutmaßte Sam.
„Die Gleiche Idee, die wir auch hatten. Das Problem ist, dass unsere Idee jetzt sowieso unmöglich ist umzusetzen, weil sie bestimmt weiß was in diesem Haus passiert.“ Stirnrunzelnd lief ich im Raum hin und her. „Verdammt. Sie ist schlauer als ich gedacht habe. Das ist etwas ganz anderes als die ganze Situation mit Max.“ Wütend ballte ich die Hände.
„Caitlin. Beruhig dich. Wir kriegen sie schon. Irgendwann wird sie einen Fehler machen.“ Sam griff nach meiner Hand und sah mir tief in die Augen.
„Ja, Sam. Vielleicht wird sie das. Aber wahrscheinlich erst dann wenn es zu spät ist.“, fauchte ich, löste mich aus seinem Griff und fing wieder damit an im Raum herumzutigern. Wir brauchten einen Plan. Und das dringend. Während ich noch überlegte wie wir Dunja am Besten zur Strecke bringen könnten, klingelte mein Handy. Knurrend hob ich ab ohne auf den angezeigten Namen zu achten.
„Ja?“
„Caitlin? Hier ist Oliver. Hör zu das ist echt wichtig.“, Olivers Stimme war hektisch und ich schüttelte den Kopf. „Was ist los Oliver? Schon was raus bekommen wegen den Gefangenen?“
„Ja. Und auf keinen Fall Gutes. Hör zu Caitlin. Dunja hat anscheinend Vampire im Schloss eingeschleust, die dich und die Schlossbewohner beobachtend und sie über alles informieren.“
„Das ist nicht gut aber nicht wirklich überraschend.“ Ich lehnte mich an das Regal und verdrehte die Augen.„Jeder Böse schleust seine Spione irgendwo ein. Mach dir keine Sorgen. Ich pass auf mich auf.“
„Gut. Da ich weiß, dass du sowieso noch auf meine Ratschläge hörst hier das zweite. Alistair hat sich für dein Amt im Rat beworben. Er hat eine schriftliche Begründung vorgelegt. Er meint du bist zu selten da um die wichtigen Entscheidungen treffen zu können. Bis jetzt hast du mehrere Treffen verpasst, weil du entweder auf der Krankenstation warst oder auf Einsätzen.“ Ich ballte die freie Hand zur Faust.
„Dieses Arschloch wird nicht meinen Platz einnehmen. Bei anderen wäre es mir egal gewesen, doch ich gönne ihm nicht die Genugtuung mich rausgeschmissen zu haben.“
„Er versucht die restlichen Mitglieder des Rates zu einer Abstimmung zu zwingen. Das Problem ist einfach, dass die Gestaltenwandler dich nicht besonders gut leiden können und besonders die einen großen Einfluss auf die anderen haben. Die Werwölfe haben auch einiges gegen die Vampire aber anscheinend hat Alistair einen guten Draht zu zwei von ihnen. Bei einer Abstimmung wäre es nicht unmöglich, dass du verlierst Caitlin.“ Ich sah zu den anderen. Auf den Gesicht von Sam zeigte sich Ärger, während die Gesichter von Trey und seinen Geschwistern nur Verständnislosigkeit zeigten.
„Hör zu Olli. Ich bin im Moment beschäftigt. Wir klären das wenn ich nächste Woche wieder in Amerika bin okay? Schick mir auf jeden Fall die Anhörungen der Gefangenen. Ich werde sie mir noch mal durchsehen.“
„Alles klar Caitlin. Bis dann.“ Er legte auf und die Leitung war tot.
„Ich bekomme hier noch einen Nervenzusammenbruch.“, murmelte ich erschöpft. „Mal ehrlich. Was hat mich damals geritten die Stelle anzunehmen und die Organisation zu gründen?“ Sam zuckte mit den Schultern und meinte: „Du wolltest den Menschen helfen.“
„Und wohin hat mich das gebracht?“, knurrte ich, doch auf Sams wütenden Blick hob ich entschuldigend die Hände. „Schon gut. Ich bin einfach nur müde. Hör einfach nicht auf mein Gejammer.“
„Wir gehen jetzt Caitlin. Ich denke wir haben hier nichts mehr zu suchen.“ Nickend wandte ich mich an Trey und seine Geschwister.
„Tut mir leid, dass ihr da rein gezogen wurdet. Wir lassen euch in Ruhe. Sollte jedoch mal wieder was sein, ruft an.“ Ich wandte mich ab und wollte hinter Sam durch die Tür gehen als Trey mich aufhielt.
„Hey! Dafür, dass ich wegen dir in so ein Schlamassel reingezogen wurde, schuldest du mir etwas.“ Gemächlich drehte ich mich um und blickte in das blasse Gesicht von Trey und in dessen rot funkelnden Augen.
„Ach. Tu ich das, ja? Eigentlich dachte ich wir wären quitt. Immerhin habe ich dich vor den Wächtern beschützt. Dich und deine Geschwister.“
„Ja, aber genau deswegen sind diese Typen von Dunja ja aufgetaucht.“
„Hm. Da hast du Recht. Was möchtest du?“
„Nun. Ich denke ein Abendessen mit dir würde mir reichen.“ Trey funkelte mich an und ich fing an zu grinsen. Ich mochte diesen Typ.
„Ich bin eine viel beschäftigte Geschäftsfrau. Ich denke nicht, dass ich im Moment Zeit für ein Abendessen habe.“
„Du bist hier. Wir könnten jetzt sofort gehen.“
„In deiner jetzigen Verfassung? Bist du bescheuert?“, fragte ich entgeistert.
„Ach was. Der ist gleich wieder völlig gesund. Unsere Selbstheilungskräfte sind unglaublich.“, mischte sich Violet ein und stellte sich somit auf die Seite ihres Bruders.
„Und was ist mit Sam? Wir sind in einem Auto hier. Ich kann ihn nicht alleine lassen.“
„Sam bleibt bei uns solange ihr weg seid. Er wird sich wie Zuhause fühlen.“, sprang die zweite Schwester ein.„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken ihr wollt uns beide verkuppeln so wie ihr mir gerade helft.“, sagte Trey zu seinen Geschwistern und stand auf. „Ich denke du wurdest überstimmt. Ich gehe mich kurz umziehen. Bis gleich.“ Und schon war er die Treppe hoch verschwunden. Hilflos wandte ich mich an Sam.
„Ist dass für dich in Ordnung?“ Sam nickte knapp und setzte sich an den Esstisch. „Wir werden nicht lange weg bleiben. Ich versprech's.“
„Keine Sorge Cat. Ich werde in der Zwischenzeit einfach mal einen Flug mit dem Privatjet abklären damit wir so schnell wie möglich nach Amerika kommen. Wenn wir Glück haben, können wir ja schon übermorgen von hier verschwinden.“
„Verdammt. Das hatte ich vollkommen vergessen. Was würde ich bloß ohne dich machen Sam?“ Ich umarmte ihn und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Dich vollkommen überarbeiten. Und jetzt geh und amüsier dich ein bisschen.“ Ich nickte.
„Ich bin fertig. Wir können los wenn du so weit bist.“, erklang Treys Stimme von der Tür her und ich wandte mich zu ihm um. „Lass uns gehen.“ Hintereinander gingen wir durch den Vorgarten und ich stieg in Treys Auto. „Du wirst mich doch nicht entführen oder?“
„Wenn du mit entführen meinst dich in ein nettes Restaurant zu bringen und mich ein bisschen mit dir zu unterhalten dann ja.“
„Dann bin ich ja beruhigt.“
Es gibt drei Sorten von Menschen: solche, die sich zu Tode sorgen; solche, die sich zu Tode arbeiten; und solche, die sich zu Tode langweilen.
(Winston Churchill)
„…und dann hat Violet mich einfach ohne ein Wort geschlagen und ist weg gegangen.“ Ich begann zu lachen.
„Nicht ehrlich.“
„Doch! Sie hat mir das bis heute nicht verziehen!“
„Das gibt’s doch nicht. Deine Schwester ist doch schlimmer als meine. Verdammt. Du hast gewonnen.“ Ich saß jetzt schon seit zwei Stunden in diesem Restaurant und unterhielt mich mit Trey. Er war ein echt lustiger Typ und ich hatte ziemlich viel Spaß mit ihm. Er brachte mich mehr als einmal mit seinen Witzen zum Lachen. Ich würde gern noch ein wenig bleiben, doch Sam wartete auf mich und wir mussten nach Hause. „Trey? Könnten wir langsam los? Es ist wirklich schön mit dir aber Sam und ich werden wahrscheinlich schon im Schloss erwartet.“
„Aber natürlich Caitlin.“ Er hob den Arm und rief nach der Rechnung. Nachdem er diese, gegen meinen ausdrücklichen Wunsch, bezahlt hatte, traten wir aus dem Restaurant und liefen nebeneinander auf das Auto zu, welches am anderen Ende des Parkplatzes stand. Als wir bei dem PKW ankamen, öffnete Trey mir, ganz der Gentleman, die Beifahrertür und schlug sie hinter mir zu bevor er auf der Fahrerseite einstieg. Er ließ den Motor an und fuhr rückwärts aus der Parklücke. Als wir auf die Straße fuhren, sah er mich kurz an bevor er sagte: „Ich habe mir dich ganz anders vorgestellt.“
„Das kann ich mir vorstellen. Wie hast du dir mich vorgestellt?“
„Weniger barmherzig und gütig uns Strigoi gegenüber. Eher gewaltbereit, aggressiv und voller Tatendrang deine Arbeit zu beenden.“
„Normalerweise bin ich deiner Art gegenüber alles andere als Barmherzig. Ich bin wirklich aggressiv und will meine Arbeit so schnell und so gründlich wie möglich hinter mich bringen, doch du und deine Geschwister seid anders. Ich konnte euch nicht töten. Und ich hatte es auch nie vor.“
„Warum nicht? Es ist deine Aufgabe solche wie uns zu töten. Nicht, dass ich nicht froh bin, dass du es nicht getan hast aber ich verstehe es nur nicht so ganz.“
„Wieso sollte ich Leute töten, die in diese Rolle gezwungen wurden? Die sich nicht anders verhalten als vor ihrer Verwandlung? Ich bin keine Mörderin Trey. Auch wenn mein Ruf was anderes sagt.“ Darauf erwiderte er nichts und schweigend legten wir den Weg zum Haus der drei Geschwister zurück. Wir stiegen aus dem Auto und ich blieb vor dem Haus stehen während er das Gartentor öffnete und hindurchging.
„Das sollten wir wiederholen Caitlin.“, sagte er noch und verschwand im Haus. Kurz darauf trat Sam zu mir und wir fuhren zusammen nach Hause. Dort angekommen stellten wir das Auto ab und Sam ging zum Essen während ich in meinem Zimmer verschwand.
Ich ging sofort in mein Kleiderzimmer und zog mir eine der wenigen verbliebenen Jogginghosen auf der ironischerweise „I´m a princess bitch“ mit pinker Schrift drauf stand und ein Top an, ließ mich auf die Couch fallen und langte nach dem Buch, welches auf dem Tisch lag. Ein wenig Entspannung bevor ich wieder an die Arbeit gehen würde. Ich war gerade an der Stelle wo Alice auf den Märzhasen und den verrückten Hutmacher trifft, als es an der Tür klopfte. Seufzend legte ich das Buch zurück auf den Tisch, stand auf und bat denjenigen herein. Als Alec den Kopf durch die Tür steckte, stöhnte ich innerlich auf und ließ mich zurück auf die Couch fallen. „Hey Cat.“
„Alec. Was gibt’s?“
„Ich wollte eigentlich nur wissen wie es bei Trey und den Mädchen war.“
„Ganz okay.“, gab ich einsilbig zurück. Alec war der Letzte dem ich die Situation erklären wollte.
„Sam hat da was ganz anderes gesagt. Er meinte Trey wurde von anderen Strigoi angegriffen.“
„Ja, das stimmt. Aber ich hab ihn wieder zusammengeflickt. Ihm geht’s schon viel besser.“
„Hm. Ihr wart ganz schön lange weg.“
„Alec, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken du wärst eifersüchtig. Trey und ich waren noch essen. Immerhin schuldete ihm eine Entschuldigung dafür, dass er wegen uns angegriffen wurde.“
„Achso.“ Er schwieg eine Weile bevor er meinte: „Und? Hast du dir überlegt wie es nun mit uns weiter gehen soll?“ Ich schluckte, während er sich mit gegenüber auf den Sessel setzte.
„Was meinst du?“
„Du weißt schon. Wegen unserem Band und so…“, druckste er herum. Überrascht hob ich den Kopf und sah Alec an, der meinem Blick jedoch auswich. Was war mit ihm los? Wo war seine lockere und coole Art hin? Da ich jedoch nicht in seinem Kopf herum wühlen wollte, ließ ich es auf sich beruhen und sagte: „Ich bin ab übermorgen in Amerika. Ich werde erst einmal eine Weile weg bleiben. Es gibt viel zu klären dort drüben. Ein Idiot will mir meinen Platz im Rat wegnehmen, Mason soll in die Akademie gehen um ein richtiger Wächter zu werden, Oliver und die anderen müssen mir helfen Dunja zu fangen…“
„Ich könnte mitkommen.“, schlug er vor und ich biss mir auf die Wange. Alles bloß das nicht.
„Ich denke eher nicht Alec. Du wirst hier gebraucht. Und deine Freundin würde dich vermissen. Sie ist keine Wächterin und somit ist ihr der Zugang zum Haus der Wächter sowieso untersagt.“
„Wir werden noch unser ganzes Leben miteinander verbringen. Sie wird die paar Wochen ohne mich schon aushalten. Und gebraucht werde ich hier überhaupt nicht. Seit langem gibt es keine Aufträge mehr. Und wenn es welche gibt, werden die anderen Wächter mit ihren Gefährten geschickt.“, seine Stimme klang bitter und ich zuckte zusammen.
„Es tut mir so leid. Das muss ziemlich hart gewesen sein.“ Er zuckte mit den Schultern.
„Jetzt bist du ja wieder da, also werden sie mich auch wieder mitnehmen.“
„Ja, natürlich werden sie das.“ Ich starrte auf einen Punkt an der Wand. Die Frage war. Sollte Alec mitkommen oder lieber nicht? Es war richtig, dass wir unsere Fähigkeiten würden ausbauen müssen, doch würde ich überhaupt die Zeit finden mit ihm zu trainieren bei allem was ich vor hatte? Und würde es mir nicht noch mehr Seelenqualen bringen, wenn ich Alec die ganze Zeit in meiner Reichweite hätte mit dem Wissen, dass er verlobt und somit unerreichbar war? Würde mein Herz es aushalten ein paar Wochen mit ihm verbringen zu dürfen um ihn danach einfach wieder abzugeben?
„Alec. Ich werde es mir überlegen, okay? Das Problem ist einfach, dass ich während meines Aufenthaltes in Amerika keine Ablenkung gebrauchen kann.“
„Und ich bin eine Ablenkung?“ Sein unendlich traurig wirkender Blick schnitt mir ins Herz.
„Eher eine Irritation. Ich bin es nicht gewohnt Leute aus… aus meinem alten Leben an meinem Arbeitsplatz rum laufen zu sehen.“
„Hättest du uns gesagt, dass du noch lebst, würde es nicht irritierend sein. Ich wäre jeden Tag bei dir gewesen und hätte dir geholfen. Ich hätte…“
„Du hättest Angelina niemals getroffen. Du hättest dich nie in sie verliebt, sondern würdest immer noch dein Leben damit versauen darauf aufzupassen, dass ich meins nicht verliere. Alec… Wahrscheinlich war es ganz gut, dass es so gekommen ist. Du bist jetzt glücklich und kurz davor zu heiraten. Das Leben, dass ich führe ist nichts für dich.“
„Vielleicht.“
„Alec. Du liebst diese Frau und sie liebt dich. So etwas gibt man nicht auf für ein Leben allein und immer mit der Gewissheit, dass man sterben könnte.“ Er antwortete nicht und ich zog meine Augenbraue hoch. „Du liebst sie doch, oder?“ Kaum war die Frage meinem Mund entwichen, stöhnte ich innerlich auf. Warum tat ich mir das an? Ich wollte die Antwort sowieso nicht hören.
„Ja. Ja, natürlich.“, stotterte er nach ein paar Sekunden.
„Gut.“ Schweigen breitete sich zwischen uns aus. Ich sah ihm in seine unglaublich grünen Augen, die mich schon seit unserer ersten Begegnung verzauberten und nicht mehr in Ruhe ließen. Sein Blick war so fesselnd, dass ich es nicht schaffte mich davon los zu reißen. Er öffnete den Mund, als ob er etwas sagen wollte, doch in diesem Moment steckte Sam den Kopf ins Zimmer und sagte: „Hey Cat, ich wollte dir nur sagen, dass… Oh. Tut mir leid ich wollte nicht stören.“ Ich sprang auf und auch Alec erhob sich von seinem Platz.
„Tust du nicht. Was gibt’s?“ Sam, der immer noch einen kritischen Blick auf mir und Alec hatte, betrat nun ganz das Zimmer und lehnte sich an die Wand.
„Ich hab den Flug gebucht. Er kommt übermorgen hier an und dann fliegen wir gemeinsam mit dem kleinen Mason nach Amerika. Und natürlich mit Alec, ich hab im Büro schon Bescheid gesagt, dass unsere liebe Chefin ihren Gefährten mitbringt.“
„Du hast was?“ Entgeistert starrte ich Sam an, während Alec nur triumphierend grinste.
„Ich dachte das wäre in deinem Sinne. Immerhin hat Alec dir geholfen Max zur Strecke zu bringen. Da ist es doch logisch, dass er auch beim Aufspüren von Dunja hilft.“
„Siehst du? Sam findet ich bin hilfreich nicht irritierend.“ Langsam und bedachte wandte ich mich an Alec.
„Du hast es schon mit ihm abgesprochen. Bevor du zu mir gekommen bist.“, erkannte ich.
„Natürlich. Immerhin wusste ich, dass du nein sagen würdest.“
„Du verdammter Mistkerl! Natürlich würde ich nein sagen!“, polterte ich los. „Das ist nicht dein Kampf!“
„Natürlich ist das mein Kampf! Du bist meine Gefährtin ganz und vollständig! Egal, ob du das willst oder nicht! Wir sind miteinander verbunden. Dazu gemacht einander zu helfen. Egal in welcher Situation wir uns befinden.“
„Ja, wir sind Gefährten. Und trotzdem will ich nicht, dass du da rein gezogen wirst! Was denkst du warum ich Dimitri nicht auf die Mission mitnehme? Ich möchte, dass er ein langes und erfülltes Leben mit Kendra hat! Besonders, weil ich weiß, dass sie Schwanger ist! Er soll seine Kinder aufwachsen sehen und sie nicht ohne Vater aufwachsen lassen, weil er auf einer verdammten Mission gestorben ist!“ Alec starrte mich mit großen Augen an, genauso wie Sam.
„Kendra ist schwanger?“ Und zur gleichen Zeit kam von Sam: „Ihr seid vollständig miteinander verbunden?“
„Ja. Zu beidem.“, knurrte ich. Vielen Dank Alec. Die beiden Männer vor mir, ließen sich vollkommen synchron auf die Couch fallen. Vollkommen geschockt von dem gerade erfahrenen. „Tut mir leid, dass du es so erfahren musstest Alec, aber bist du blind? Mit ein bisschen Beobachtungsgabe hättest du das ziemlich schnell bemerkt.“
„Oh Gott. Sie ist doch noch so jung!“, flüsterte Alec, der vollkommen blass da saß. Ich war versucht ihm die Hand auf die Schulter zu legen, doch ich zog meine halb ausgestreckte Hand zurück und ließ sie an meiner Seite hängen. Kurz darauf, spürte ich wie ein Glücksgefühl durch Dimitri ging. Ich begann zu lächeln, als ich mich kurz in seinen Kopf schmuggelte um zu erfahren, dass Kendra wohl ihr Geheimnis gelüftet hatte.
„Der Vater freut sich. Er hat es gerade erfahren. Du willst gar nicht wissen wie sehr er sich freut.“ Alec schluckte.
„Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass meine kleine Schwester… Dass sie…“
„Sex hat? Nein, ich könnte mir das an deiner Stelle auch nicht vorstellen. Würde ich auch nicht wollen. Aber… Freu dich für sie. Kinder sind ein Geschenk des Himmels Alec.“
„Ich werde Onkel.“ Alec schien mich nicht gehört zu haben, doch ein Ruck ging durch seinen Körper und er begann wie ein verrückter zu grinsen. „Ich werde Onkel!“ Er sprang auf und riss mich an sich. Dann hob er mich hoch, wirbelte mich einmal im Kreis, setzte mich ab und drückte mir einen Kuss auf die Wange, bevor er freudestrahlend das Zimmer verließ und mich verdattert zurückließ.
„Ihr habt euch vollständig verbunden?“ Sams Stimme riss mich aus meiner Starre. Ich drehte mich von der Tür weg und sah in Sams blaue Augen, die verwirrt funkelten. „Wann, wie, warum?“
„Es ist an dem Abend von Kendras Hochzeit passiert. Wie… Ich habe keine Ahnung. Ich kann mich nicht daran erinnern. Genauso wenig wie er.“
„Du hast einen Blackout?“, fragte Sam schockiert.
„Anscheinend, ja.“ Ich wurde rot und bedeckte mein Gesicht mit den Händen. „Ich bin am nächsten Morgen total irritiert aufgewacht und wusste nichts mehr.“ Sam sah mich an. Langsam breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus, welches zu einem Lachen mutierte.
„Oh Gott. Die Szene hätte ich gerne gesehen.“ Ich schnappte mir ein Kissen und warf es ihm entgegen, doch er fing es einfach auf und warf es zur Seite. Meine Wangen brannten und mein Gesicht fühlte sich so an, als würde es in Flammen stehen.
„Das ist nicht lustig Sam. Weißt du eigentlich was das für Probleme schafft?“
„Was denn für Probleme? Es schafft eher Lösungen.“, sagte Sam, doch er schaffte es mit dem Lachen aufzuhören und mir ernst ins Gesicht zu sehen. Ein leichtes Lächeln spielte um seinen Mund. „Wenn ihr miteinander geschlafen habt, muss das heißen, dass er noch Gefühle für dich hat.“ Ärgerlich winkte ich ab.
„Er hat früher mit jedem Mädchen geschlafen, das nicht bei drei auf dem Baum war. Und wenn er es für nötig hielt, ist er ihnen sogar noch hinterher geklettert. Da waren keine Gefühle im Spiel. Jedenfalls nicht bei ihm.“ Ich sah Sam an und verknotete meine Hände. „Sam. Er hat seine Verlobte betrogen. Und wenn die das raus findet, sind wir beide tot. Und ich werde noch die Mutter am Hals haben, die mich auf den Tod nicht abkann. Und… Wir sind jetzt vollständig miteinander verbunden Sam. Er kann, wenn er will, in meinen Kopf eindringen.“
„Und du in seinen. Das gleicht sich aus. Das Beste daran ist, dass du fühlen kannst wenn irgendjemand versucht in deinen Kopf einzudringen. Er kann das nicht.“ Ich starrte Sam nur an. Er schien dieser Situation nur Positives abgewinnen zu können, während ich am Verzweifeln war.
Seufzend ließ ich mich in die die ausgebreiteten Arme von Sam fallen. In Zeiten wie diesen war es ziemlich schwer im Diesseits zu bleiben und sich nicht in der Welt der Toten zu verstecken wo alles so entspannt und friedlich war. Ich vermisste die Nähe meiner beiden Väter und die Elisabeths.
„Woran denkst du?“, murmelte Sam, dessen Nase in meinen Haaren vergraben war.
„Daran, dass wir für Außenstehende so aussehen würden wie ein Paar. Besonders in Augenblicken wie diesen.“
„Lügnerin.“ Ich zuckte zusammen. Ich hatte Sams Gabe total vergessen. Wenn ich ehrlich war, vergaß ich das ständig, denn Lügen gehörten einfach in meinen Alltag. „Aber ja. Du hast Recht. Aber du riechst einfach zu gut.“ Lächelnd verdrehte ich den Kopf, sodass ich ihm in die Augen sehen konnte. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander getrennt und ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht. Ich konnte einen leichten Hauch von Blut ausmachen. Seine halb geschlossenen Augen ruhten auf mir und er beugte sich so plötzlich nach vorne, dass ich nicht reagieren konnte. Seine Lippen trafen auf meine und er küsste mich. Erschrocken wollte ich zurückweichen, doch Sam hatte meinen Kopf umfasst und verhinderte eine Flucht. Somit hatte ich keine andere Möglichkeit als die Augen zu schließen und mich am Kuss aktiv zu beteiligen. Als Sam mich frei ließ und einen gewissen Abstand zwischen uns brachte, waren wir beide leicht außer Atem. Sam wollte wissen: „Hast du irgendwas gefühlt?“
„Du meinst außer Ekel?“, fragte ich scherzhaft zurück und bekam dafür einen Boxhieb in den Magen. „Au! Nein. Nichts. Kein Kribbeln, gar nichts. Du?“
„Nein. Du bist einfach nicht mein Typ.“ Lachend schlug ich ihm auf das Bein. „Hey sei froh. Das bedeutet, dass wir uns keine Sorgen machen müssen, dass irgendeinem von uns das Herz gebrochen wird.“
„Ja, ich glaube das würde ich nicht noch einmal überleben.“ Schweigen breitete sich zwischen uns aus.
„Ich wollte eigentlich noch arbeiten aber irgendwie bin ich zu faul und zu müde.“, murmelte ich. „Denkst du die drüben verzeihen mir, wenn ich mal einen Tag nicht meine E-Mails checke?“
„Ach. Die kommen schon mal einen Tag ohne deine hilfreichen Anweisungen klar. Wusstest du eigentlich, dass dein Büro schon fertig gestaltet und eingerichtet ist?“
„Wirklich? Wie sieht es aus?“
„Es ist in warmen Brauntönen gehalten. Du hast einen großen dunkelbraunen Schreibtisch wo du all deinen Papierkram drauf machen kannst. Du hast einen Computer mit zwei Bildschirmen, damit du zwei Sachen gleichzeitig machen kannst. Die Aktenschränke sind ebenfalls in einem dunklen braun. Dort sind schon einige Akten eingelagert wie die zu den einzelnen Ländern innerhalb der Organisation. Sie haben dir zwei Pinnwände an die Wand gehängt. Auf dem einen kannst du wichtige Sachen ran pinnen und an der anderen hängen schon ein paar Fotos von uns allen. Doch irgendwie guckst du auf allein so ernst. Vielleicht schaffen wir es ja jetzt Bilder zu bekommen auf denen du strahlst.“
„Bestimmt. Wir können ja bald mal wieder zusammen ins Cain gehen. Der war echt gut.“
„Ja, das stimmt. Weißt du noch als Jack sich vollkommen betrunken hat und einfach mal diesen Typen angemacht hat? Und der dann noch auf ihn eingegangen ist? Irgendwann sind die beiden verschwunden und bis heute weiß niemand was danach passiert ist.“ Sams Brust vibrierte als er anfing zu lachen und ich stimmte mit ein.
„Er hat sich ja auch geweigert weiter auf den Abend einzugehen. Er hätte mal lügen sollen und uns irgendeine Geschichte aufschwatzen können, dann würde es jetzt nicht so viele Spekulationen geben.“, meinte ich.
„Ich hätte aber gemerkt wenn er gelogen hätte. Und dann wäre er in Erklärungsnot gewesen.“ Ich gähnte und Sam lachte leise.
„Geh ins Bett Caitlin. Du brauchst deinen Schlaf. Am besten versuchst du dich so gut wie möglich auszuruhen bis wir New York erreichen. Immerhin wird das ein harter Kampf gegen Alistair.“
„Ja. Aber er wird meinen Platz nicht bekommen.“
„Sei dir da mal nicht so sicher. Er ist dabei mehrere Verbindungen mit den einzelnen Wesen einzugehen.“ Sam hob meinen Kopf von seiner Brust und stand auf. „Und ich geh jetzt mal.“
„Warte Sam.“, rief ich.
„Was ist denn?“
„Trag mich.“ Entgeistert sah er mich an.
„Wie bitte?“
„Trag mich. Ich will nicht laufen.“ Ich streckte ihm meine Arme entgegen und sah ihn flehentlich an. „Bitte.“
„Caitlin…“
„Komm schon!“ Er seufzte und schob seine Arme unter meinen Körper und hob mich hoch.
„Du bist anstrengend, weißt du das eigentlich?“
„Mhm. Das hat Alec auch oft zu mir gesagt.“ Sam legte mich auf dem Bett ab und zog mir die Decke über den Körper.
„Gute Nacht Kleine. Schlaf gut.“
„Werde ich bestimmt.“ Kaum hatte Sam den Raum verlassen, schloss ich die Augen und war weg.
Während der letzte Koffer im Frachtraum verladen wurde, standen Alec, Sam, Mason und ich vor dem kleinen Flugzeug und winkten meiner Familie zu. Der Abschied war nicht so schwer wie ich gedacht hatte, denn ich wusste ich würde zurückkommen.
„Sie können nun eintreten.“, sagte der Pilot, der uns nach New York bringen würde. Es war ein Vampir angestellt bei der Organisation, doch nur für die Transporte zuständig. Auch der Co-Pilot war einfach nur für das Flugzeug zuständig. Ich nickte und nacheinander betraten wir den Flieger. Während ich mich sofort auf einen der hinteren Sessel setzte und meinen Laptop herausholte, setzten sich die Männer nach vorne wo ein Fernseher angebracht war.
„Caitlin. Wann wirst du endlich aufhören die ganze Zeit zu arbeiten?“, fragte Sam vorwurfsvoll.
„Wenn ich tot bin Sam.“ Und der Tod war nie weit entfernt.
„Alec und ich werden schon aufpassen, dass das nicht so früh passiert. Immerhin hast du noch ungefähr zweihundert Jahre vor dir, die du leben kannst.“
„Ich werde die Prinzessin ebenfalls beschützen.“, mischte sich Mason ein und ich musste lächeln.
„Natürlich Mason. Aber bevor du das machst, wirst du erst einmal deine Ausbildung abschließen.“ Der Angesprochene nickte feierlich und schwor: „Ich werde der Beste meines Jahrgangs sein Prinzessin.“
„Daran zweifle ich nicht Mason.“ Das Flugzeug setzte sich langsam in Bewegung und rollte zur Startbahn. Dort angekommen nahm es an Geschwindigkeit zu. Die Bäume zu beiden Seiten, flogen an uns vorbei und kurze Zeit später hoben wir vom Boden ab. Als wir die normale Flughöhe erreicht hatten, fuhr ich den Laptop hoch und begann zu arbeiten. Ich tauchte ab in die Welt der Finanzen und der Organisation.
Ich schreckte hoch als mich eine Hand an der Schulter berührte. Ich sah von meinem Bildschirm auf und blickte in Alec‘ besorgte grüne Augen. Mein linkes Auge zuckte und ich rieb mir über mein Gesicht.
„Hör auf zu arbeiten Caitlin. Das reicht für heute.“, flüsterte er. Irritiert sah ich mich um und bemerkte, dass es schon ziemlich dunkel um mich herum war. Als ich an Alec vorbei zu den vorderen Sitzen blickte, sah ich Sam und Mason selig schlafen.
„Wie spät ist es?“, krächzte ich und leckte mir über meine trockenen Lippen.
„Fast ein Uhr morgens. Du hast ganze neun Stunden gearbeitet ohne eine Pause.“, antwortete Alec und reichte mir eine Flasche Wasser, die ich dankbar entgegennahm. Während ich trank, beobachtete mich Alec und ich begann mich unwohl zu fühlen. Er saß dicht neben mir auf dem Sitz und sagte gar nichts. Er nahm einfach nur den Laptop vom Tisch vor mir, speicherte die Dokumente ohne einen Blick auf das Geschriebene zu werfen und schaltete ihn aus. Dann klappte er ihn zu und verstaute ihn in meiner Tasche. „Ruh dich aus Caitlin.“
„Ich bin nicht müde.“ Und das war noch nicht einmal gelogen. Die beiden Tage im Schloss hatte ich damit verbracht nichts zu tun. Den ganzen Tag war ich in meinem Zimmer geblieben und war nur zum Essen nach draußen gegangen. Es war eine Anweisung von Sam gewesen, die ich widerwillig befolgt hatte. Und das auch nur, weil er mir mein Handy und meinen Laptop geklaut und nicht wieder gegeben hatte.
„Du wirst aber nicht weiter arbeiten. Meinetwegen hör ein bisschen Musik, lauf im Flugzeug herum oder was weiß ich, doch wenn du weiter arbeitest werden sich die Kopfschmerzen, die du die ganze Zeit in den hintersten Winkel deines Kopfes verbannt hast noch schlimmer.“ Ich zuckte zusammen als ich das hörte. Es war immer noch nicht beruhigend zu wissen, dass Alec nun mit mir verbunden war. Und seine Sorge um mich machte die Situation nicht besser. Dass ich neun Stunden damit verbracht hatte die Organisation zu organisieren und eine Hierarchie aufzubauen war erschreckend. Ich hatte schon oftmals stundenlang gearbeitet, doch niemals so lange und schon gar nicht am Stück.
„Warte. Sagtest du ich habe neun Stunden lang gearbeitet?“
„Ja. Genau das sagte ich.“
„Müssten wir dann nicht schon in New York angekommen sein?“
„Wow. Du scheinst echt weggetreten zu sein, wenn du noch nicht mal gemerkt hast, dass der Pilot uns gesagt hat, dass wir wegen eines Sturmes einen Umweg fliegen mussten.“ Alec sah mich immer noch beunruhigt an. „Passiert dir das öfter?“
„Es war noch nie so schlimm. Ich bin wohl zu einem Workaholic geworden.“, versuchte ich zu scherzen, doch Alec ging nicht darauf ein. Seufzend fing ich an zu Erklären. „Hör zu Alec. Mir geht es gut. Ich muss halt viel tun, doch das hat bald ein Ende. Ich werde Befehlshaber und alle möglichen Abteilungen einführen damit ich entlastet bin und mich auf das Wichtigste konzentrieren kann.“
„Das will ich doch hoffen. Ein so schönes Mädchen wie du kann keinen Burnout gebrauchen.“ Mein Herz setzte einen Schlag aus bevor es anfing doppelt so schnell weiter zu schlagen. Um es wieder zu beruhigen stellte ich eine Frage, die es wahrscheinlich zum stoppen bringen würde.
„Alec. Wie haben du und Angelina euch kennengelernt?“ Alec verspannte sich neben mir. Er warf einen kurzen Blick zu mir rüber bevor er fragte: „Wieso willst du das wissen?“
„Keine Ahnung. Es interessiert mich einfach.“
„Wir haben uns auf einer dieser Gartenpartys getroffen, die meine Mutter anfing zu schmeißen als sie plötzlich wieder ins Leben trat.“
„War es Liebe auf den ersten Blick?“ Wow. Ich musste wirklich masochistisch veranlagt sein. Wieso tat ich mir das alles bloß an?
„Naja. Nicht wirklich. Wir haben uns öfter getroffen, weil gegenseitiges Interesse bestand. Und dabei sind wir uns dann langsam näher gekommen.“ Die Tür zum Cockpit ging auf und der Copilot trat hinaus. Er schritt zielstrebig auf mich zu und meinte: „Wir werden in wenigen Minuten zum Landeanflug ansetzen. Es wartet schon ein Wagen der Sie und Ihre Begleiter zu dem gewünschtem Ziel bringt.“
„Vielen Dank.“ Der Mann nickte und verschwand wieder in der Kabine.
„Wohin werden wir denn fahren?“, fragte Alec neugierig.
„Ich habe vor dich uns Mason bei Freunden im Haus unterzubringen. Mason und ich werden in unsere Wohnung fahren und uns dort ausruhen und vorbereiten. Morgen werden wir dann Mason zur Akademie bringen. Dann hat er die Chance sich vor Schulstart schon mal ein wenig einzugewöhnen und sich zurechtzufinden.“ Alec nickte und ich gähnte hinter der vorgehaltenen Hand.
„Schlafen ist sowieso eine gute Idee. Nicht, dass du in der Akademie einfach einschläfst.“
„Mhm.“ Das Flugzeug ging in den Sinkflug über und ich setzte mich aufrecht hin. Noch ungefähr eine Stunde und ich würde endlich wieder in meiner Wohnung sein.
Die Maschine landete grandios und schon kurze Zeit später standen wir vor dem Flughafen und hielten nach dem Fahrzeug Ausschau. Als ein schwarzer Turan mit quietschenden Reifen vor uns hielt verzog Sam das Gesicht.
„Es scheint also, dass dein fürchterlicher Fahrlehrer uns abholt Caitlin.“
„Er war ein grandioser Fahrlehrer Sammy!“
„Ja. Wenn man darauf steht fast einen Unfall zu verursachen und viel zu weit über dem Tempolimit die Straßen herunterzufahren wie bei einem illegalen Straßenrennen, dann war er wirklich grandios.“ Mason kicherte leise und auch Alec zeigte ein kleines Lächeln.
„Kritisierst du etwa schon wieder meinen Fahrstil Sammy?“, erscholl da die Stimme von Oliver, der gerade aus dem Auto stieg und mit ausgebreiteten Armen auf uns zukam.
„Wie immer Oliver. Er kann uns einfach nicht verstehen.“, seufzte ich und ließ mich in eine kräftige Umarmung ziehen in der ich halb verschwand. Oliver war ein Riese. Fast zwei Meter groß, muskelbepackt mit Oberarmen, die ich nicht mit meinen beiden Händen umfassen konnte.
„Wie denn auch. Schnelle Autos und Straßenrennen sind halt nichts für jeden.“
„Psst!“, zischte ich, doch Sam hatte ihn gehört und warf mir einen wütenden Blick zu.
„Du fährst bei diesen Straßenrennen mit? Du lässt auch nichts Waghalsiges aus, oder?“ Ich zuckte zusammen.
„Es war nur ein oder zwei Mal! Ich schwöre es.“ Und zu Oliver. „Kannst du nicht ein einziges Mal die Klappe halten?“ Mein Oberbefehlshaber zuckte nur mit den Schultern und fragte:
„Und deine Begleiter sind…?“
„Alec von Manchester mein Gefährte und Mason, der Sohn meines Cousins und mein zukünftiger Wächter.“ Ich zwinkerte Mason zu, der mir leicht zunickte.
„Eine Freude euch beide kennenzulernen. Besonders den mysteriösen Gefährten unserer Chefin. Wir wussten ja dank ihrer Tattoos, dass sie einen hatte, doch sie hat kein Wort über dich verloren. Oder über sonst irgendwas in ihrer Vergangenheit. Übrigens ist Miranda immer noch ein wenig angepisst darüber, dass du sie angelogen hast was deine Herkunft angeht.“
„Was hat sie denn erzählt woher sie käme?“, wollte Alec wissen und ich meinte schnell: „Das können wir ja auf später verschieben, lass uns los fahren.“ Doch Oliver ignorierte mich und meinte: „Sie sagte sie wäre Sophie Vega aus Southampton. Ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen, dass nach Amerika gekommen war um dort ein neues Leben zu beginnen nachdem ihre Familie bei einem Brand ums Leben kam und sie nicht zu ihren entfernten Verwandten konnte.“
„Du hast deine Familie für tot erklärt?“ Entsetzt wandte sich Alec an mich.
„Was sie betraf war ich tot. Immerhin wurde ich verbannt und meines ‚Amtes‘ enthoben. Mein Name war nicht mehr Dupont. Ich brauchte somit eine Identität. Und hey. Meinen zweiten Namen habe ich behalten.“
„Tz.“ Alec wandte sich von mir ab und ich verdrehte die Augen. Ich machte eine hilflose Geste zu Sam, der jedoch nur mit den Schultern zuckte.
„Naja. Sie hat auch eine nette Story über dich erzählt.“
„Oliver…“, sagte ich warnend. „Pass auf was du sagst oder du darfst die nächsten Monate nur noch Innendienst leisten.“
„Caitlin!“, protestierten Alec und Oliver gleichzeitig.
„Ich will wissen was du über mich gesagt hast!“
„Und ich will keinen Innendienst.“
„Dann halt die Klappe.“ Beleidigt ging Oliver um das Auto herum und wollte einsteigen, doch Sam saß schon auf dem Fahrersitz.
„Wir haben ein Kind bei uns. Ich werde dich ganz bestimmt nicht fahren lassen.“, sagte er nur und Oliver setzte sich ohne ein weiteres Wort auf den Beifahrersitz.
Gemeinsam mit Alec und Mason stieg ich nach hinten ins Auto und Sam brachte uns zu Miranda und Jack, die sich ein Haus am Rande der Stadt in der Nähe unserer Organisation teilten. Es war sehr schick und wäre beinahe auch zu meiner Unterkunft geworden, hätte Sam mir nicht angeboten bei sich zu wohnen. Die weiße Fassade war ein schicker Kontrast zu dem dunkelblauen Dach.
Unsicher stand ich vor dem Haus während Oliver an der Tür klingelte. Ich spürte Sams beruhigende Präsenz hinter mir und versuchte mich zu entspannen, doch Mirandas Gesichtsausdruck als sie mich entdeckte machte es mir nicht gerade leicht.
„Kommt rein.“, sagte sie nur und trat zur Seite um uns ins Haus zu lassen.
„Hey Miranda.“ Selten hatte ich mich unwohler gefühlt als in diesem Moment. Wie erwartet wurde ich ignoriert.
„Sam. Ihr werdet doch bestimmt bei uns essen oder? Immerhin habt ihr nichts im Kühlschrank.“ Auf mein energisches Kopfschütteln reagierte der Angesprochene mit: „Natürlich werden wir das liebste Miranda. Ich vergöttere dich für deine Kochkünste.“ Fassungslos sah ich meinen besten Freund an, der mich jedoch ignorierte.
„Gut. Dann habe ich ja die Möglichkeit das Mädchen in der Gruppe richtig anzufauchen.“
„Miranda…“, fing ich an.
„Halt bloß die Klappe Sophie! Oder soll ich Caitlin sagen? Wie konntest du es wagen mich anzulügen? Ich bin deine beste Freundin! Und dann als du plötzlich aus Hawaii abgehauen bist, hast du uns noch nicht einmal gesagt warum! Nein! Wir mussten es durch das Fernsehen erfahren! Durch solche idiotischen Journalisten!“ Ich warf Sam einen kurzen Blick zu und er schob Mason, Oliver und Alec ins Wohnzimmer und schloss die Tür.
„Miranda. Ich hätte dir das so gerne erzählt! Das hast du doch gehört was ich auf der Skype Konferenz gesagt habe!“
„Das ist mir sowas von egal. Freunde haben einfach keine Geheimnisse voreinander.“
„Ich hatte nicht vorgehabt irgendwann einmal zurückzukehren. Meine ganze Familie hat mich für tot gehalten. Selbst Alec als mein Gefährte konnte nicht spüren, dass ich noch lebe. Wieso hätte ich dir meine deprimierende Lebensgeschichte erzählen sollen? Damit ich noch weiter in dieser Verbitterung gefangen bleibe?“ Auch ich war lauter geworden. „Verdammt. Die letzten Jahre waren die härtesten meines Lebens! Ich wurde mit fast siebzehn verbannt. Ich hatte keine wirklichen Familienangehörigen an die ich mich hätte wenden können. Die einzige Adresse, die ich hatte war die der Ältesten. Also bin ich da hin gegangen. Ich lernte, wurde stärker und traf in Brasilien auf dich und Jack. Hätte ich euch nicht getroffen, wäre ich gestorben.“ Tränen brannten in meinen Augen und auch Mirandas Blick wurde weicher als sie sich an die Geschichte erinnerte.
„Oh Caitlin. Ich war einfach so verletzt. Immerhin weißt du alles von mir. Ich hab dir alles erzählt.“
„Ja. Egal ob ich das wissen wollte oder nicht.“, sagte ich erstickt und Miranda fiel mir in die Arme.
„Ich hab dich vermisst.“
„Ich dich auch. Ganz doll. Das Leben ist echt komisch ohne euch verrückten.“
„Ich werde dich aber trotzdem nicht mit Prinzessin Caitlin ansprechen.“
„Nein. Das will ich auch gar nicht.“ Sie drückte mich fester an sich und ich klammerte mich an sie als hinge mein Leben davon ab. Wir lösten uns erst als wir Jacks belustigte Stimme hörten.
„Mädels. Nehmt euch ein Zimmer.“ Ich löste mich von Miranda und fiel dem Nächsten in die Arme. „Ja. Ich hab dich auch vermisst liebste Chefin.“
„Kommt. Ich stell euch eure Gäste vor.“ Wir gingen ins Wohnzimmer wo Alec, Sam, Oliver und Mason saßen und auf uns warteten.
„Prinzessin. Ihr habt geweint.“, stellte Mason fest und reichte mir eine Packung Taschentücher, die ich dankbar entgegennahm.
„Leute. Das sind Alec of Manchester, mein Gefährte und Mason, ein zukünftiger Schüler an der Akademie. Jungs. Das sind Jack und Miranda.“ Sie reichten sich gegenseitig die Hände. Besonders Mason schien ziemlich sicher im Umgang mit den höfischen Regeln, die hier jedoch völlig fehl am Platz waren.
„Erste Lektion Mason. Unter Wächtern ist man viel offener und viel direkter als am Hof. Man duzt sich. Egal ob der vor dir sieben Jahre älter ist oder jünger als du. Aber an der Akademie werden die Lehrer gesiezt okay?“
„Natürlich… Caitlin.“
„Sehr gut!“ Ich wandte mich an die Amerikaner im Raum. „Mason hier hat mich nie anders genannt als Prinzessin Caitlin. Selbst als ich keine mehr war, hat er mich noch so angesprochen.“
„Wow. Du hast ja einen Verehrer. Du lachst dir ganz schön viele davon an. Und ich dachte diese düstere, geheimnisvolle Ausstrahlung kommt nur bei Frauen gut an.“ Miranda lachte und ich verzog den Mund.
„Ja unsere Caitlin hat einen ziemlich einnehmenden Charakter.“ Alec grinste und ich starrte ihn wütend an. Wenn der wüsste was Miranda mit diesem Kommentar meinte, ich würde im Boden versinken vor Scham.
„Ich bereite dann mal das Abendessen vor. Ollie? Du bleibst doch auch zum Essen, oder?“, trällerte Miranda.
„Natürlich. Deine Kochkünste lasse ich mir doch nicht entgehen.“
„Gut. Setzt euch. Ich ruf euch wenn das Essen fertig ist.“ Miranda verschwand und ein betretendes Schweigen trat ein. Wir saßen uns gegenüber und sahen uns einfach nur an bis sich Oliver endlich räusperte.
„Wie wäre es mit ein paar Geschichten aus deiner Vergangenheit Caitlin?“
„Nein.“, lehnte ich den Vorschlag kategorisch ab. „Vergiss es.“
„Komm schon! Zum Beispiel. Wann und wie hast du Alec das erste Mal getroffen?“ Ich schwieg beharrlich und seufzend wandten sich die Jungs an Alec, der gerne bereit war ihre Frage zu beantworten.
„Sie ist in mich rein gerannt als sie auf dem Weg in eine Bücherhalle war. Sie hat mich angefaucht und ist wegstolziert.“
„Du bist in mich gerannt! Und das mit voller Absicht so wie ich das gesehen habe! Immerhin hatte ich ein Handy in der Hand und du nicht! Wegen dir war meine Jacke versaut!“
„Ich bin ihr gefolgt und habe sie auf ein Kaffee eingeladen als Entschuldigung sozusagen. Und nach wenigen Minuten hat sie den Platz für ein Mädchen aus ihrer Schule geräumt, die sie gar nicht ausstehen konnte und hat das Café verlassen. Das Mädchen, ihr Name war übrigens Chloe, wurde später so etwas wie eine Freundin für Caitlin.“, erzählte Alec weiter ohne auf meinen Einwurf einzugehen.
„Sie wurde keine Freundin! Ich habe sie getröstet als du sie von der Bettkante gestoßen hast und habe mir über sie dreckige Details über dich geholt.“
„Wow. Du warst früher schon so raffiniert.“, stellte Sam fest und knuffte mich in die Seite.
„Oh vielleicht noch etwas interessantes. Caitlin und ich haben uns zwei Mal geprügelt.“
„Drei Mal.“, korrigierte ich wieder. Verwirrt sah Alec mich an und ich begann zu erklären. „Einmal in unserem Garten als wir meine Kräfte ausprobierten, einmal in der Traningshalle des Schlosses und einmal bei unser Jagd nach Max.“
„Richtig. Sie konnte mich einfach nicht ausstehen. Es wurde sogar noch schlimmer als sie herausfand, dass ich ihr Gefährte bin. Sie ist aus dem Schloss gerannt und hat die Nacht im Wald verbracht. Dabei hat sie…“ Er brach ab. Wahrscheinlich aus dem Grund, weil er nicht wusste, ob ich von meiner Gabe die Toten zu sehen, erzählt hatte.
„Dabei habe ich den Geist des ehemaligen Beraters meines Vaters getroffen, der mir beibrachte wie ich ein Feuer mithilfe meiner Feuerkräfte machte. Danach habe ich ihn auf seinen Wunsch hin auf die andere Seite gebracht.“
„Siehst du ihn wenn du da bist?“, wollte Sam wissen.
„Manchmal. Er ist oft bei meinem Vater zu Besuch und sie tauschen sich über die Vergangenheit aus. Sie gehen auch ziemlich oft Tennis spielen.“ Ich grinste als ich daran dachte wie ungeschickt sich mein Vater in diesem Spiel anstellte. „Jedes Mal wenn ich auf ihn treffe gibt er mir den Rat den er mir schon bei unserem ersten Aufeinandertreffen gegeben hat. ‚Achte auf deine Gefühle. Sie können dein Untergang sein, sie können dir aber auch helfen‘. Jedes Mal wenn ich eine Erklärung haben möchte, lächelt er nur geheimnisvoll und wechselt das Thema.“
„Anscheinend ist es etwas, dass du auf deinem Weg selbst lernen musst. Du kannst mit Gefühlen falsche Entscheidungen treffen, doch ohne Gefühle triffst du vielleicht noch falschere.“, philosophierte Oliver.
„Wie zum Beispiel mein Leben in Gefahr zu bringen meinst du wohl. Ich weiß wie oft du und Sam mich schon retten musstet, wie oft ich in die Welt der Toten verschwunden bin um zu heilen und wie oft ich auf einer Krankenstation lag in den drei Jahren. Oliver meine Gefühle sind wieder an. Ich werde aufpassen.“
„Das hast du auch gesagt als du keine Gefühle hattest. Wer auch immer dir beigebracht hat sie auszuschalten war ein Idiot.“ Ich zuckte zusammen.
„Du hast gerade deine Chefin beleidigt.“, bemerkte ich. „Ich hab es mir selbst beigebracht. Zwar ohne das Wissen oder die Genehmigung der Ältesten aber das war mir so ziemlich egal als ich diese Beschwörung durchgeführt hatte. Kurze Zeit später verließ ich sowieso den Ort und traf auf Jack und Miranda.“
„Das Essen ist fertig! Kommt her!“, scholl in diesem Moment Mirandas Stimme zu uns und geschmeidig stand ich auf.„Genug jetzt mit den alten Geschichten. Lasst uns essen.“
„…So und das hier ist dein neues Zuhause Mason.“, sagte ich und stieß die Zimmertür auf. Wir befanden uns in der Akademie der Wächter und ich hatte Mason schon durch die Schule geführt, während sich Alec und Sam das Training ansahen. Das Zimmer war relativ schlicht eingerichtet. Es standen zwei Einzelbetten mit zugehörigen Nachttischen, zwei Schreibtische, ein großer Kleiderschrank und ein kleines Sofa im Raum. Im Nebenzimmer war ein Badezimmer mit Waschbecken und Dusche. Kleine Regale für die Hygieneartikel waren an der Wand befestigt. „Leg deine Sachen einfach irgendwo ab. Du wirst dir das Zimmer mit einem weiteren Wächterschüler teilen. Er ist zwar gerade beim Essen, doch du wirst ihn noch früh genug kennenlernen. Er wird dich in den nächsten Tagen begleiten und dir alles noch einmal genau zeigen. Falls du jedoch größere Fragen hast, kannst du dich jederzeit an deinen Mentor wenden. Und du hast ja meine Nummer. Falls etwas ist oder du dich um entscheidest und doch nicht Wächter werden willst, ruf mich an und ich hole dich ab.“
„Danke für das Angebot Prinzessin, doch ich werde nicht kneifen. Es ist mein Traum ein richtiger Wächter zu werden. Ich werde nicht aufgeben.“ Ich musste über den Jungen einfach lächeln. Er war genauso dickköpfig und stur wie ich. Hatte er einmal etwas beschlossen, war er nicht davon abzubringen.
„Das glaube ich dir Mason. Es ist nur ein Angebot. Ich weiß, dass du dein Bestes geben wirst. Komm. Gehen wir in die Cafeteria. Ich hoffe du hast genauso viel Hunger wie ich?“
„Das kann ich nicht beurteilen Prinzessin. Ich weiß nur, dass ich ziemlichen Hunger habe.“ Er würde es sich nie angewöhnen können mich mit meinem Vornamen anzusprechen. Er war viel zu gut erzogen um eine Prinzessin als Seinesgleichen anzunehmen.
„Dann lass uns gehen.“ Mason was ziemlich groß weshalb ich seinen Arm nahm und mich von ihm durch die Flure der Schule führen ließ.
„Prinzessin? Wie ist es hier eigentlich mit dem Blutvorräten geregelt?“ Ich wusste, dass die Frage irgendwann kommen würde, doch egal wie lange ich mit Vampiren unterwegs sein würde, ich würde mich niemals daran gewöhnen, dass sie Blut zum Überleben brauchten.
„Es gibt hier Spender. Sie kommen jeden Tag für ein paar Stunden. Du musst dich in einer Liste für jemanden eintragen. Falls du Unterricht zu der Zeit hast, kannst du für die Zeit die Klasse verlassen, doch du musst wieder zurückkehren sobald du fertig bist. Anderseits hast du auch die Möglichkeit dir Blutkonserven in dem kleinen Kühlschrank im Zimmer zu lagern.“ Mason nickte und gemeinsam traten wir durch die Flügeltüren der Cafeteria. Wir holten uns etwas zu essen bei der Essensausgabe und setzten uns an einen freien Tisch weiter am Rand. Wir wollten uns hier mit Alec und Sam treffen und als diese endlich auftauchten, strahlte Alec über das ganze Gesicht.
„Wow Caitlin! Diese Schule ist der Hammer! Das hast du richtig gut hinbekommen!“, lobte er.
„Danke. Aber diese Schule ist nicht mein Verdienst, sondern der einiger Leute aus der Organisation, die sich zu alt fühlen um auf die Jagd zu gehen aber etwas für die Organisation tun wollten. Sie haben die Idee gehabt und diese Schule aufgebaut. Sie arbeiten schon an weiteren Schulen außerhalb Amerikas. Die nächste wird wohl in England gebaut werden.“ Ich sah ihn fragend an. „Was gefällt dir denn am Meisten daran?“
„Einfach alles! Die Unterrichtsstunden in denen du mehr über deine Kräfte lernen kannst, das Training für diejenigen, die im zweiten Semester sind, die verschiedenen Freizeitangebote, die es hier gibt. Die Schule im Allgemeinen ist halt einfach super.“
„Das freut mich. Du kannst ja deinen Sohn später auf die Schule schicken.“, schlug ich vor und zwang mir ein Lächeln ins Gesicht. Darauf erwiderte Alec nichts und wir wandten uns dem Essen zu. „Mason? Wärst du sehr sauer wenn wir bald aufbrechen? Ich habe noch so viel zu tun und…“
„Miss Vega! Ich wollte meinen Zimmernachbarn kennenlernen.“ Wir wandten uns zu der Stimme um und blickten in braune Augen, die übermütig funkelten. Ich erkannte ihn sofort. Es war Jakob, ein junger Wirbelwind, der nur Unsinn im Kopf hatte und den Lehrern Kopfschmerzen bescherte. Mason und er würden sich gut ergänzen. Der Wilde und der Ruhige. Sie würden viel voneinander lernen können.
„Jakob. Hast du an deiner Taktik im Nahkampf gearbeitet wie ich es dir gesagt habe?“, begrüßte ich den Jungen.
„Natürlich. Ich bin schon viel besser geworden. Das sagen auch die Anderen.“
„Sehr gut. Und jetzt zu deiner Frage. Jakob das ist Mason, Mason, Jakob. Ich denke ihr werdet euch super verstehen. Und Jakob wehe du stiftest ihn zu solchen Unsinn an.“
„Das würde ich doch nie wagen Miss Vega! Was denken Sie von mir?“ Entrüstet stemmte der Junge die Hände auf die Hüften.
„Schon gut, schon gut. Wenn du willst, kannst du gehen Mason. Wir würden dann auch gleich verschwinden.“
„Ist gut Prinzessin. Ich danke Euch. Ich weiß gar nicht wie ich Euch dies hier wieder zurückgeben kann.“
„Wenn du später irgendwann mein Wächter bist, wirst du es mir tausendfach zurückgeben. Verlass dich darauf.“ Ich nahm den Jungen in die Arme und drückte ihn kurz an mich. „Pass auf dich auf Mason. Und schön auf deine Lehrer hören. Und falls ich dir ein Tipp geben darf:
Nimm so oft wie möglich an den Wettkämpfen teil, sie sind eine gute Übung für später.“ „Ich werde daran denken Prinzessin.“ Mason verbeugte sich mit der geballten Faust über dem Herzen und stob mit Jakob davon. Aus den Augenwinkeln sah ich wie einzelne Mädchen ihm mit den Augen folgten. Er würde der beliebteste Junge der Schule werden. Nicht nur sein Aussehen, sondern auch seine Höflichkeit und der britische Akzent schien die Mädchen anzuziehen. Ich nahm einen Schluck aus meinem Wasserglas und hob die Gabel an den Mund.
„Die Akademie hat eine neue Lehrerin für das Element Wasser. Sie scheint echt gut darin zu sein das Wasser gegen die Strigoi einzusetzen. Mason scheint wirklich zur rechten Zeit hierhergekommen zu sein. Die Lehrerin davor war schrecklich.“, erzählte Sam.
„Wem sagst du das! Sie war sehr unhöflich zu mir und sah mich immer so an als wolle sie mich töten. Und dich hat sie immer so angesehen als wolle sie dich ausziehen.“
„Wahrscheinlich dachte sie wir wären zusammen. Jede Frau will dich töten wenn sie dich mit mir sieht.“
„Stimmt doch gar nicht!“, lachte ich. „So ein toller Hecht bist du gar nicht.“
„Doch, der bin ich. Aber es ist wirklich so, dass jeder den wir treffen nach kurzer Zeit fragt ob wir zusammen sind.“
„Nein. Tun sie nicht.“
„Naja. Ich muss sagen, dass es ziemlich so wirkt als wärt ihr zusammen. Ihr scheint euch ziemlich nahe zu stehen.“, mischte sich Alec in unsere Diskussion ein.
„Wir haben ja auch viel zusammen erlebt. Sowas schweißt zusammen.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Wenn ich es mir Recht überlege, leben wir wie ein Pärchen.“
„Richtig. Wir leben zusammen, kochen zusammen, erzählen uns von unserem Tag, schlafen in einem Bett. Jedenfalls manchmal.“
„Ihr schlaft in einem Bett?“
„Es ist wie früher bei mir Alec. Als ich das erste Mal einen Strigoi getötet hatte. Ich hatte Alpträume und konnte tagelang nicht schlafen. Du hast mir doch geholfen indem du mich in den Arm genommen hast.“ Ich schluckte als ich an diese Zeit zurückdachte. „Ungefähr genauso ist es bei Sam und mir. Nur, dass ich eben durch einen ganz normalen Freund beruhigt werde anstatt durch meinen Gefährten.“
„Männer haben also einen beruhigenden Einfluss auf dich? Was sagt das auf deinen Charakter aus?“ Alec grinste und auch Sam konnte sein Lächeln nicht verbergen.
„Es sagt gar nichts über mich aus. Es ist einfach so und fertig.“ Ich stand auf. „Lasst uns gehen. Ich will endlich in die Zentrale.“
„Dein Büro sehen an dem die Leute mit so einem großen Eifer gearbeitet haben?“
„Das auch. Aber nach einer Woche nichts tun, habe ich endlich wieder Lust auf richtiges Arbeiten. Außerdem werden heute einige Mitglieder der Regierung erwartet. Dann kann ich gleich die Vereidigung nachholen und meinen Arbeitsvertrag abgeben.“
„Na dann. Vamonos.“
Die Fahrt verlief relativ ruhig. Sam hatte mir verboten zu fahren weshalb ich schmollend auf dem Rücksitz saß und aus dem Fenster die vertrauten Straßen von New York beobachtete. Die Hektik, die die Menschen von einem Ort zum anderen trieb. Pärchen, die entspannt die Straßen entlang schlenderten und manchmal stehen blieben um sich einfach zu küssen. Die riesigen Wolkenkratzer, die mich am Anfang ziemlich eingeschüchtert hatten, die ich jedoch zu lieben gelernt hatte. Amerika im Allgemeinen hatte mich schon immer fasziniert. Die Menschen dort waren freundlich und hilfsbereit gegenüber Fremden. Sie machten dir Komplimente auf der Straße und als Fremder wundertest du dich ziemlich am Anfang, doch man gewöhnte sich daran.
Endlich erreichten wir, nach einer langen Wartezeit in einem der fast unvermeidlichen Staus New Yorks, die Zentrale und ich sah lächelnd an dem Gebäude hoch, welches der ganze Stolz unseres Teams war. Es schien so unscheinbar und schlicht von außen. Ziemlich groß und weiß-gräulich. Der relativ kleine Wolkenkratzer, der in der Mitte des Geländes stand beherbergte die verschiedenen Büros und Konferenzräume und zusätzlich eine Cafeteria und eine Küche, die uns das nötige Essen lieferte. Ich konnte es kaum erwarten zu sehen was das Einrichtungsteam aus unserem Zuhause gemacht hatte. Das Gelände beherbergte noch weitere Gebäude, die zu Trainingshallen, Fitnessräume, Waffenkammern und Schlafhäusern umfunktioniert wurden. Es gab auch Außentrainingsplätze und Gärten in denen man sich entspannen konnte. Fußball und auch Tennisfelder waren am Rand des riesigen Geländes untergebracht. Alles was das Herz begehrte war vorhanden. Aus der Halle hörte man das Kreischen von Stahl wenn die einzelnen Waffen aufeinander trafen und wüste Flüche. Genauso wie es sein sollte. Auf dem Außengelände war niemand, denn noch es war viel zu kalt um draußen zu trainieren.
„Oh ist es schön wieder Zuhause zu sein.“, seufzte ich ergriffen.
„Nicht wahr? Sie haben schon ziemlich viel verändert. Du hättest es mal sehen sollen als wir es gekauft hatten Alec. Die grünen Rasenflächen waren braun und völlig vertrocknet, die Tennis- und Fußballplätze völlig verwildert und die Räume waren ziemlich ungemütlich. Und trotz dessen wollten wir es alle haben. Wir haben schon auf den ersten Blick gesehen, dass es ein riesiges Potenzial hatte. Das Einrichtungsteam hat sich alle Mühe gegeben und innerhalb eines Jahres haben sie ziemlich viel verändert.“ Sam gab den Führer, während ich zielstrebig auf den Bürokomplex zuging.
„Ich bin so neugierig was sie hier alles gemacht haben. Ich war schon mindestens ein viertel Jahr nicht mehr hier. Immer unterwegs und am Arbeiten.“
„Deswegen haben sie sich deinem Büro ja auch zuletzt gewidmet.“ Die automatische Tür ging auf und wir traten in eine prunkvoll eingerichtete Lobby. Es gab genau gegenüber der Tür einen Tresen hinter dem die Empfangsdame saß und uns erfreut zulächelte. Links und rechts gab es Sitzecken in der die Gäste warten konnten bis die für sie zuständige Person sie abholte. Es gab sogar einen kleinen Springbrunnen in dem marmornen Raum, was ich persönlich zwar schick, aber für ziemlich kostspielig hielt. Einige Gemälde mit Wasserlandschaften hingen an den hellblauen, fast weißen Wänden.
„Willkommen zurück. Miss Vega Ihr Besuch wird in circa einer Stunde eintreffen. Ich werde ihn in den Konferenzraum zwei führen.“
„Vielen Dank Janette. Würden Sie auch für Kaffee, Tee und Kuchen sorgen? Ich wäre Ihnen sehr verbunden.“
„Natürlich Miss Vega.“
„Miss Dupont, Janette.“
„Richtig. Ich wusste nicht genau wie ich Sie ansprechen sollte. Soll ich eine Mail an die gesamte Organisation schicken mit Ihrem Namen? Und soll ihre E-Mail Adresse geändert werden?“
„Ich denke das wäre das Beste. Danke Janette.“
„Ich werde eine E-Mail an die Informatikabteilung schicken wegen der E-Mail. Emily sitzt in ihrem Büro falls Sie sie brauchen sollten. Hier ist Ihr Büroschlüssel.“ Sie reichte mir einen Schlüssel, der an einem Anhänger mit dem Zeichen der Organisation hing.
„Alles klar. Dankeschön.“
„Emily?“, fragte Alec.
„Meine Assistentin. Sie führt Protokoll bei meinen Gesprächen und fertigt die Präsentationen an, die ich halten muss.“
„Wow. Du hast ziemlich viele Leute, die für dich arbeiten.“
„Naja. Ist halt so als Gründerin.“ Ich wandte mich an Sam. „In welchem Stock haben sie mein Büro eingerichtet?“
„Dort wo eigentlich immer das Büro des Chefs ist. Ganz oben. Du hast übrigens einen atemberaubenden Blick nach draußen. Aber ich hab ja schon viel zu viel gesagt. Sieh es dir selbst an.“ Und das tat ich. Mit dem Aufzug fuhr ich, begleitet von den beiden Männern, bis in den zehnten Stock und betrat somit die Ebene der Geschäftsführer. Bald würde ich in dieser Etage nicht mehr alleine sitzen. Doch um diese Umstrukturierung durchzuführen, würde ich erst einmal eine Versammlung einberufen müssen in der ich die neue Strukturierung ansprechen würde. Anstatt einem Flur von dem rechts und links Büros lagen, waren hier nur vier Räume mit Vorraum eingebaut. Zusätzlich gab es noch jeweils ein Badezimmer für Männer und Frauen. Wenn man geradeaus ging kam man direkt ins Vorzimmer meines Büros. Emily saß an ihrem Schreibtisch links von der Eingangstür und schien vertieft in ihre Arbeit. Sie merkte ihre drei Besucher gar nicht. Das Zimmer enthielt abgesehen von dem Schreibtisch noch zwei kleine Sessel in denen Gäste warten konnten. Der Raum war in hellen Farben gehalten. Emily hatte ihrem kleinen Reich noch seine Persönlichkeit gegeben indem sie Pflanzen aufgestellt hatte.
„Hallo Emily. Schön dich wieder zu sehen.“, sagte ich und Emily hob überrascht den Kopf.
„So… Caitlin! Sam! Wie schön euch zu sehen! Wie war es in England
„Es war schön. Ein wenig wie Urlaub. Und wie lief es bei dir? Hast du dir überhaupt Urlaub genommen?“
„Fast zwei Wochen. Ich hab sie dazu benutzt meine Eltern und meine Schwester zu besuchen. Es war schön, doch ich wollte nicht so lange weg bleiben.“
„Ich hoffe du hast dich schön erholt?“
„Ja. Es war wunderbar.“
„Das ist schön. Übrigens Emily. Das ist Alec. Ein… Freund aus England.“
„Und ihr Gefährte.“, fügte Alec hinzu. „Nett Sie kennenzulernen Emily.“ Er reichte ihr die Hand, die sie freundlich schüttelte.
„Es ist schön den Gefährten von Caitlin kennenzulernen.“ Ich sah zu der Tür, die direkt gegenüber lag und machte einen vorsichtigen Schritt darauf zu.
„Mach schon Caitlin. Das Zimmer ist der Wahnsinn!“ Ich spürte Hände, die mich sanft vorwärts schoben also machte ich mich auf den Weg und schloss die Tür auf. Vorsichtig stieß ich die Tür auf und mein Mund klappte auf.
„Wow.“, hauchte ich. Sam hatte mit seiner Beschreibung wirklich nicht übertrieben. Das in warmen Brauntönen gehaltene Büro, bot durch eine verglaste Wand hinter dem Schreibtisch einen guten Ausblick auf die Außentrainingsgelände und ließ den Raum noch heller scheinen als er ohnehin schon war. Wenn man in Richtung Horizont sah, konnte man die Skyline New Yorks sehen. Die riesigen Gebäude, die nachts in hellem Licht erstrahlen würden. Der Schreibtisch war riesig und bot genug Platz für den ganzen Papierkram trotz des Computers, der darauf stand. Der Stuhl schien gemütlich und für lange Arbeitstage ausgelegt. Die Pinnwände von denen Sam gesprochen hatte, hingen links und rechts vom Schreibtisch, sodass man einen guten Blick auf sie hatte. Direkt neben der Tür stand ein Kleiderschrank. Neugierig machte ich ihn auf und fand Kostüme und Trainingsklamotten strikt voneinander getrennt in Fächern vor. Blazer hingen in der linken Hälfte des Schrankes und es standen unten sogar hohe Schuhe drin. Die Leute hatten auch an alles gedacht, stellte ich mit einem Lächeln fest.
„Und? Gefällt es dir?“ Sam, der sich auf einen der Stühle vor dem Schreibtisch gesetzt hatte, sah mich neugierig an.
„Es ist unglaublich. Ich bin einfach sprachlos.“
„Falls dich das große Fenster stört, du kannst die Vorhänge vorziehen.“ Er wies auf die weißen Vorhänge, die das Licht zwar durchließen, jedoch vor neugierigen Blicken schützte. Ich nickte.
„Wow Caitlin. Du lebst hier ja wirklich in Luxus.“, stellte Alec fest.
„Es ging mir hier jedenfalls nicht schlecht. Abgesehen vom Anfang bevor ich Sam kannte.“
„Selbst da ging es dir gut. Du hast dich nur dafür entschieden in einer kleinen Einzimmerwohnung zu leben und dir nur das Nötigste zu kaufen.“
„Ich blieb sowieso nie lange an einem Ort. Wenn man von einem Ort zum anderen reist, braucht man normalerweise ja auch keine Wohnung.“
„Ja, du hast Recht.“ Ich sah auf die Uhr, die über der Tür hing. Fünfzehn Uhr fünfzehn. In einer halben Stunde, würde mein Besuch kommen. Doch vorher wollte ich Sam um seine Meinung zum Ornigramm bitten, welches ich für die Organisation erstellt hatte. Also fuhr ich den Computer hoch, steckte den USB Stick ein und öffnete das Dokument.
„Sam. Guck dir das mal an und sag mir, ob das okay ist. Wenn nicht gib mir einfach Verbesserungsvorschläge.“ Sam kam mit einem Grinsen um den Schreibtisch herum und setzte sich auf meinen Schoß. Verdammt war er schwer! „Geh von mir runter! Mein Gott! Was hast du alles gegessen? Du musst unbedingt mehr trainieren.“ Seufzend stand Sam also auf und ich drückte mich an ihm vorbei.
„Ein Ornigramm?“
„Du meintest ich soll nicht mehr alles alleine machen. Also gebe ich Aufgaben an andere ab.“ Entgeistert starrte mich Sam an.
„Ich habe zwei verdammte Jahre damit verbracht dir zu sagen, dass du nicht alles alleine machen sollst und jetzt gibst du freiwillig Aufgaben ab? Wer bist du und was hast du mit Caitlin gemacht?!“
„Sehr lustig. Ich geh mich umziehen.“ Schnell suchte ich mir Klamotten aus dem Schrank raus und verzog mich auf die Damentoilette.
Schnell hatte ich mein Outfit bestehend aus zerrissener Jeans und schwarzem T-Shirt für einen Knielangen schwarzen Bleistiftrock mit weißer Bluse getauscht. Ich bändigte meine Haare mit einem lockeren Dutt und überprüfte noch einmal kurz mein Make-up. Die Caitlin im Spiegel sah viel entspannter aus als ich sie in Erinnerung hatte. Sam hatte Recht. Ein wenig Urlaub hatte mir wirklich gut getan. Gerade als ich mir meine Brosche anstecken wollte, fiel mir auf, dass die ja noch bei Trey war und wohl auch nicht von dort weg kommen würde. Mit den alten Klamotten auf dem Arm, ging ich zurück in Emilys Büro.
„Hey Em? Du musst mir unbedingt eine Brosche besorgen. Oder am besten ein paar mehr. Ich habe meine in England gelassen.“
„Kein Problem. Ich werde ein paar in Auftrag geben. Aber sonst nimm doch erst einmal die ganz normale Kette.“ Sie reichte mir eine lange Kette mit einem Anhänger.
„Dankeschön! Was würde ich bloß ohne euch alle machen?“
„Du würdest das schon alleine hinbekommen, da bin ich mir sicher.“ Emily runzelte die Stirn. „Du solltest vielleicht zu den beiden Männern zurückkehren. Die sind am Streiten.“ Ich verdrehte die Augen und nickte. Ich legte den Kopf schief und lauschte. Ich verstand einzelne Wörter wie ‚Caitlin‘, ‚Blödsinn‘ und ‚Idiot‘.
„Was ist denn hier los?“, fragte ich als ich mein Büro betrat und Sam und Alec in einer hitzigen Diskussion vorfand.
„Nichts.“, knurrte Alec ohne mich anzusehen, denn er war schwer damit beschäftigt Sam mit seinen Blicken zu erdolchen.
„Alec. Lass Sam in Ruhe. Du bist nicht mitgekommen um Stress anzufangen.“, befahl ich. „Und du Sam erklärst mir jetzt was genau passiert ist.“
„Trey hat Recht. Es ist wirklich heiß wenn du so herrisch sprichst.“, sagte Sam und versuchte damit vom Thema abzulenken, doch darauf fiel ich nicht herein auch wenn ich merkte wie mir das Blut in den Kopf schoss und ich errötete.
„Keine Ausflüchte Sam! Was ist los?“
„Alec hat nur einen vollkommen absurden Vorschlag geäußert. Er meinte ich sollte die Stelle annehmen, die nur mir geben willst.“
„Du willst sie nicht?“
„Caitlin ich denke nicht, dass ich dafür gut genug bin. Ich bin Krieger, kein Diplomat. Ich würde es nicht schaffen die Länder auszusuchen und zu prüfen, die in Frage kommen.“
„Hm… Gut. Dann mach ich das und du wirst eben Befehlshaber der Truppen hier in Amerika. Du kannst dir die Arbeit mit Oliver teilen. Du wärst für die ganzen Einsätze zuständig und hättest die gleichen Aufgaben wie Dimitri in England.“
„Caitlin. Amerika ist viel zu groß für zwei Leute.“
„Ja, dann such dir eben ein paar Leute raus von denen du denkst, dass sie geeignet sind! Jack und Miranda oder wen weiß ich! Und guck mal was für Vorteile es hätte! Du würdet hier in New York sein, könntest Leute herum kommandieren…“ Sam verengte die Augen zu Schlitzen.
„Du versuchst mit mir das Gleiche zu machen wie mit Dimitri und Alec!“
„Was? Ne-nein! Das versuche ich gar nicht! Ich versuche einfach nur die wichtigen Positionen in Hände zu geben, denen ich vertraue!“
„Lügnerin!“
„Was versucht sie mit mir zu machen?“, fragte Alec dazwischen, doch wir ignorierten ihn beide.
„Na gut! Dann versuche ich es eben! Ist das so schlimm?“
„Ich werde ganz bestimmt nicht in einem hübsch eingerichteten Büro sitzen, während du dich in Einsätzen in Gefahr bringst!"
„Es ist doch wohl meine Entscheidung was ich mache und was nicht! Außerdem bin ich deine Chefin, falls du das vergessen hast! Ich muss dich somit gar nicht um Erlaubnis bitten!“ Kaum waren die Worte meinem Mund entwichen, bereute ich sie bereits wieder. Sam erstarrte. Er sah mir kurz in die Augen und ich merkte eine Veränderung an ihm. Seine Augen wurden ausdruckslos und kühl.
„Wie Sie befehlen Miss Dupont.“
„Sam…“
„Schon gut. Sie haben Recht. Es ist Ihre Entscheidung. Und nun entschuldigen Sie mich. Ich werde trainieren gehen.“ Er verneigte sich kurz und rauschte dann aus dem Raum. Kaum war er verschwunden, brach ich auf meinem Stuhl zusammen.
„Was habe ich bloß getan?“, flüsterte ich.
„Caitlin… Er weiß, dass du das nicht so meinst. Er ist nur ein wenig enttäuscht und wird sich schon wieder beruhigen.“ Alec trat auf mich zu und legte mir eine Hand auf die Schulter.
„Ich hätte das nicht sagen dürfen. Er wird kein Wort mehr mit mir wechseln!“ Ich merkte wie positive Gefühle mich überschwemmten. „Alec hör auf damit!“
„Nein. Du musst dich beruhigen. Dein Besuch ist gleich hier und es macht keinen guten Eindruck wenn du vollkommen aufgelöst erscheinst.“ Wie zur Bestätigung klingelte das Telefon auf dem Schreibtisch. Mit zitternden Händen nahm ich ab.
„Ja?“
„Miss Dupont? Ihr Besuch ist da. Er wartet im Konferenzraum auf Sie.“
„Vielen Dank Janette. Ich mache mich auf den Weg.“ Ich stand auf und sah Alec an. „Danke. Ich weiß nicht wie lange ich weg bleiben werde, doch du kannst dich frei auf dem Gelände bewegen. Du musst unbedingt das Trainingsgelände sehen. Das ist einfach unglaublich. Vielleicht kannst du ja ein paar Runden mit den Jungs trainieren.“
„Du brauchst keine Begleitung?“
„Nein, es ist nur eine Kleinigkeit. Das bekomme ich alleine hin. Trotzdem danke.“ Alec sah mir forschend in die Augen als würde er für Gründe suchen doch zu bleiben, doch er nickte und meinte: „Gut. Dann sehe ich mir mal dein Meisterstück an.“ Wir traten gemeinsam in Emilys Büro und ich gab ihr ein Zeichen mir zu folgen.
„Emily. Ich brauche eine kurze Zusammenfassung der letzten Beschlüsse des Rates.“, wies ich sie an, während wir den Aufzug betrate
„Klar. Also: Sie haben Territorien für die Werwölfe und die Gestaltenwandler in Amerika gefunden. Es wurde das Abkommen geschlossen, dass niemand Krieg gegeneinander führen darf ohne einen wirklich guten Grund. Es ist jedem gestattet das Territorium der anderen Spezies zu betreten, jedoch muss man sich an die jeweiligen Regeln der Gastfreundschaft halten. Sie sind in mehreren Absätzen aufgelistet. Ach ja zu guter Letzt. Die Werwölfe dürfen keine Menschen verwandeln. Es steht alles genauer in dem Protokoll, dass ich dir geschickt habe, welches du jedoch noch nicht gelesen hast.“
„Tut mir leid. Ich habe es mir vorgenommen, doch dann hat Sam meinen Computer eingesackt. Eine ganze Zeit lang habe ich nicht arbeiten können.“ Wir erreichten den ersten Stock und ich verabschiedete mich mit einem kurzen Winken von Alec. Zielstrebig schritt Emily auf den Konferenzraum zu.
„Du wirst dich mehr mit dem Rat beschäftigen müssen Caitlin. Du hast von Alistairs Plan gehört deinen Platz einzunehmen. Gönn ihm nicht den Triumph dich rausgeschmissen zu haben.“
„Das werde ich nicht. Ich werde meinem Sitz im Rat schon gerecht werden.“ Emily öffnete die Tür und hintereinander betraten wir den Raum in dem die Ratsmitglieder schon saßen. Überrascht stellte ich fest, dass sich alle hier versammelt hatten. Ich schluckte. Das hieß nichts Gutes. Während Emily sich in eine Ecke verschanzte und ihren Laptop hochfuhr, setzte ich mich ans Kopfende des langen Tisches.
„Guten Tag meine Damen und Herren. Schön Sie alle wieder zu sehen. Ich hoffe Sie haben gut hergefunden?“
„Sehr gut sogar.“ Marik lächelte mir zu. „Eine schöne Zentrale hast du hier. Wir würden gerne mehr von ihr sehen. Würdest du uns nach unserer Besprechung ein wenig herumführen?“
„Es wäre mir eine Ehre.“ Ich lächelte in die Runde. „Wollen wir dann anfangen?“
"Begierde ist des Menschen Wesen selbst."
(Baruch de Spinoza)
„…Und der letzte Punkt unserer heutigen Versammlung ist die Besprechung des Antrags von Alistair Stark, welcher sich für das Amt im Rat beworben hat. Er ist der Meinung, dass Prinzessin Caitlin aufgrund der Leitung der Organisation ihre Aufgabe in der Regierung nicht zum Wohle aller ausführen kann.“ Ich setzte mich auf. Die letzten zwei Stunden hatten wir allen möglichen Kram diskutiert. Alle möglichen Vorschriften, die in das Gesetzbuch kommen würden, welches noch diesen Monat in den Druck gehen würde und nächsten Monat für die gesamte übernatürliche Gesellschaft gelten würde. Wir hatten meine Vereidigung wiederholt, höfliche Konversation betrieben und uns an Kaffee und Kuchen erfreut. Nun kamen wir endlich zum Thema, welches mich am Meisten interessierte.
„Ist das überhaupt möglich?“, wollte Marik wissen. „Immerhin ist festgelegt worden, dass es zwei Männer und eine Frau im Rat der jeweiligen Spezies gibt. Jeder von ihnen muss von einem anderen Kontinent kommen. Mit Alistair gibt es nicht nur drei Männer, sondern auch zwei vom Kontinenten Amerika.“
„Richtig.“, Ian ein Werwolf, welcher heute den Rat führte, nickte bedächtig. „Außerdem stellt sich die Frage, ob er wirklich das Beste für unsere Arten möchte, oder nur eine Machtposition in der er Vorteile für die Vampire raus hauen kann.“
„Stimmt es, dass er versucht die einzelnen Ratsmitglieder auf seine Seite zu ziehen um mich aus dem Rat zu schmeißen?“ Ein Nicken vieler Ratsmitglieder war die Antwort.
„Er hat uns sogar versucht zu bestechen indem er uns Geld anbot.“, meldete sich Layla zu Wort, eine schüchterne Hexe aus Italien. „Er ist auf jeden Fall nicht auf das Wohle aller aus, sondern möchte seine persönlichen Wünsche mit dem Rat durchsetzen.“
„Werden wir seinen Wunsch bezüglich einer Wahl also ablehnen?“ Ian sah in die Runde. Sein Blick blieb besonders lange bei seinen Artgenossen, die nicht sehr erfreut aussahen.
„Nur, wenn Prinzessin Caitlin schwört sich mehr um die Belange des Rates zu bemühen.“, sagte die Werwölfin. „Ich werde nicht zusehen wie sie sich untätig in der Weltgeschichte herum treibt, während wir uns für ein friedliches Miteinander einsetzen.“ Ich neigte den Kopf.
„Ich werde mich mehr um die Aufgaben im Rat kümmern. Ich schwöre es.“
„Gut. Wenn keine weiteren Angelegenheiten zu klären sind, würde ich dann gerne die heutige Sitzung beenden und mit der Besichtigung des Geländes beginnen.“ Stille. „Gut. Dann ist die Sitzung damit beendet.“
Stühle schabten über den Boden und die verschiedenen Arten, standen auf um sich einmal kurz zu strecken.
„Ich weiß gar nicht was ich euch zeigen soll. Die Büroräume sind nicht gerade spannend. Ihr könntet einen Blick in die Waffenkammer und die Traningshallen werfen.“, sagte ich zu Marik.
„Das ist doch gut. Lass uns gehen.“
Gemeinsam schritten wir hintereinander in Richtung Fahrstuhl. Ungeduldig wartete ich darauf, dass dieser unsere Ebene erreichte. Als dies endlich geschehen war, zwängten wir uns in die Kabine und fuhren ins Erdgeschoss. Janette hinter dem Empfangstresen lächelte uns freundlich zu bevor sie sich wieder an den Computer wandte.
„Nun ja. Das gesamte Gelände ist ziemlich groß. So groß, dass wir sogar ein Schwimmbad, Tennis- und Fußballplätze und mehrere Trainingshallen bauen konnten.“ Kampgeschrei war zu hören, welches ich als das von Sam erkannte und ich zuckte leicht zusammen. „Wie ihr hören könnt, wird hier anders trainiert als die Wachen an den Höfen. Es ist sehr brutal und man verletzt sich gegenseitig um den größtmöglichen Erfolg zu bekommen. Durch diese Methode achten die Leute mehr auf ihre Deckung und sind effektiver im Kampf.“ Ich führte die Ratsmitglieder in die Halle aus der lautes Jubeln erklang. Das Erste was man sah, war eine relativ große Menge von lauter Wächtern. Als diese mich sahen, traten sie mit einem kurzen Nicken zur Seite, damit ich eine ungehinderte Sicht auf die beiden Kontrahenten hatte. Ich zog zischend die Luft ein als ich Alec und Sam erblickte, die sich anscheinend überhaupt nicht schonten. Beide bluteten aus diversen Wunden am Körper. Ihre T-Shirts waren mit Blut vollgesogen und hingen an ihren Körpern hinab wodurch man die Konturen ihrer Traumkörper noch besser betrachten konnte. Alec hinkte stark auf einem Bein und Sams Arm stand unnatürlich von seinem Körper ab. Kurz sah ich den beiden nur zu, doch Emilys wütender Blick brachte mich dazu dann doch einzuschreiten. Ich verdrehte schwer seufzend die Augen.
„Männer.“, fauchte ich nur bevor ich entschlossen durch die Gasse ging. Sam war gerade dabei Alec zu erwürgen. Er hatte einen emotionslosen Gesichtsausdruck und führte seine Arbeit ohne zu Zögern aus. Alec sah einfach nur aus als würde er gerade vor Angst sterben. Seine Augen fixierten mich und er flehte mich lautlos an ihm zu helfen.
„Sam. Das ist genug!“, rief ich und versuchte seine Arme von Alec‘ Hals zu lösen. Doch Sam schien gar nicht mehr hier zu sein, denn er wich mit einem Knurren zurück und fixierte mich wilden Augen. Er ließ Alec los, der keuchend auf dem Boden zusammenbrach. Stattdessen starrte er nun auf seinen neuen Gegner. Mich. Reflexartig griff ich an meine rechte Seite um meine Waffe zu zücken, doch ich griff ins Leere. Als ich kurz nach unten sah um mich noch einmal zu vergewissern, fiel mir auf wo der Fehler war. Ich hatte meine Waffen im Büro gelassen, da Ratsgespräche nur ohne Waffen geführt wurden.
„Gib mir deinen Dolch Alec.“, zischte ich während ich Sam nicht aus den Augen ließ und hielt ihm meine Hand entgegen. Fast sofort fühlte ich das kühle Metall an meiner Handfläche und griff zu. Nicht zu spät, denn kaum hatte ich die Waffe in der Hand griff Sam schon an. So gut wie möglich versuchte ich ihm auszuweichen um ihn nicht weiter zu verletzen. Stattdessen blies ich ihm frische, kühle Luft entgegen, die dafür sorgen sollte, dass er sich beruhigte. Doch er beruhigte sich nicht. Nein. Er wurde nur noch wütender, griff mit noch mehr Aggressivität an, sodass ich mich gezwungen sah dem ein Ende zu setzen. Ich ließ ihn nah an mich heran kommen und nahm dafür eine Wunde am Bauch in Kauf, bevor ich ihm mit all meiner Kraft gegen den Kopf schlug um dann sofort wieder nach hinten zu springen. Offenbar hatte ich hart genug zugeschlagen, denn Sams Augen rollten kurz, bevor sie sich schlossen und er nach vorne kippte. Ich fing ihn gerade noch so auf und legte ihn sanft auf den Boden.
Als ich nach oben sah, blickte ich in eine gaffende Menge, die sich anscheinend nicht nützlich machen wollte, denn Alec lag immer noch da wo er zusammengebrochen war ohne irgendwelche Hilfe. Jeder hatte gespannt meinen Kampf beobachtet.
„Jim bring Sam ins Krankenzimmer, sei aber vorsichtig. Jules, Martin und Kate ihr macht hier sauber. Emily bring unsere Gäste bitte in die Cafeteria. Die anderen verlassen sofort die Halle und werden sich in ihren Zimmern beschäftigen bis zum Essen. Ich will niemanden auf den Fluren sehen.“, befahl ich barsch. Da meine Leute mich gut genug kannten, leisteten sie meinem Befehl fast sofort Folge und bald darauf waren wir fast allein in der Halle. Langsam drehte ich mich zu Alec um, der auf dem Hallenboden lag und wirklich nicht gut aussah. Sein braungebranntes Gesicht war bleich, er zitterte und er keuchte. Ich hob seinen Kopf auf meinen Schoß, nahm den Dolch in meiner Hand und schnitt mir in den Unterarm.
„Hier. Trink.“, sagte ich und hielt meinem Gefährten den Arm hin, doch dieser sah mich nur verständnislos an. Also hob ich seinen Kopf an und drückte kurzerhand meinen Arm an seine Lippen. Kurz darauf hörte ich Sauggeräusche und fühlte wie mein Blut den Körper verließ. „Was ist bloß passiert?“ Doch ich bekam keine Antwort. Stattdessen saugte Alec noch heftiger an meinem Arm und ich spürte wie sich zusätzlich seine Zähne in mein Fleisch gruben. Sein Überlebensinstinkt und seine Vampirseite waren geweckt. Also hielt ich den Mund und ließ ihn machen. Irgendwann, als ich schon das Gefühl hatte er würde nie aufhören, ließ er von mir ab und lehnte sich keuchend zurück, sodass er mit dem Kopf auf meinem Schoß lag. Während ich zusah wie sich die kleineren Wunden an seinem Körper schlossen, kam Alec langsam wieder zu sich.
„Tut mir leid.“, nuschelte er und ich nickte knapp. „Sam war außer sich vor Wut. So wütend, dass ich wirklich dachte ich müsse sterben.“
„Weißt du warum er so wütend war?“
„Nein, ich habe keine Ahnung. Klar war er sauer wegen dem Streit mit dir, doch ich denke nicht, dass so etwas ihn dermaßen in Rage versetzen kann, dass er jemanden umbringt.“
„Nein. Sam ist normalerweise ein sehr vorsichtiger Vampir. Er denkt nach bevor er etwas tut und lässt sich zu so etwas nicht verführen.“ Nachdenklich runzelte ich die Stirn. „Wir werden schon sehen was da passiert ist. Lass uns dich in den Krankenflügel bringen.“ Ich schob Alec‘ Kopf von meinem Schoß was dieser scheinbar nur widerwillig geschehen ließ. Er rappelte sich vorsichtig hoch und sah dann auf mich herunter. Ich sprang auf und taumelte zur Seite. Kurzzeitig wurde mir schwarz vor Augen und meine Beine drohten nachzugeben. Alec Griff an meinem Oberarm bewahrte mich vor einem Sturz. Als ich wieder sehen konnte, sah ich Alec‘ besorgtes Gesicht.
„Ich habe dir viel zu viel Blut genommen. Tut mir leid.“
„Kein Ding Alec. Mir geht’s gut.“ Gemeinsam gingen wir langsam aus der Halle in Richtung Krankentrakt, welcher ein eigenes zweistöckiges Haus war. Emily saß auf einem der Stühle, die in dem Vorraum aufgestellt waren.
„Caitlin. Layla ist gerade bei Sam drin. Wir sollten draußen warten, hat sie angeordnet.“
„Wieso ist sie bei Sam? Ist sie lebensmüde? Immerhin ist Sam verwundet und…“
„Er hat schon genug Blut bekommen um sicherzustellen, dass er nicht auf die nächste Person los geht um sich Blut zu holen.“, beruhigte mich meine Assistentin. „Sie wollte ihn wegen etwas überprüfen. Sie meint, dass ihr irgendwas aufgefallen sei in seinem Verhalten.“ Skeptisch ließ ich mich auf dem Stuhl neben ihr nieder und auch Alec setzte sich. Stille breitete sich zwischen uns aus, die ich nutzte um mich mental ein wenig auf die bald folgende Auseinandersetzung mit Sam vorzubereiten. Es dauerte eine Weile bis wir Schritte hörten, die auf uns zukamen. Träge öffnete ich die Augen, doch als ich Layla erblickte, setzte ich mich auf.
„Was ist mit ihm?“, fragte ich besorgt. Layla sah mich ernst an.
„Er war mit einem Bann belegt, der seine Wut ins unermessliche steigert. Ich weiß nicht wie er verzaubert worden ist, doch das ist ein ziemlich komplexer Bann gewesen, der von einer mächtigen Hexe ausgeführt wurde. Zum Glück konnte ich ihn aufheben, doch wurde er einmal verhext, dann ist er ein leichtes Opfer für einen weiteren Zauberspruch.“
„Was soll das heißen? Wie konnte er denn verhext werden? Wir hatten schon eine Weile nichts mehr mit Hexen zu tun.“
„Selbst wenn. Hexen sind in der Lage Banne auszusprechen, die sie erst nach einer Weile aktivieren. Dazu brauchen sie nur einen kurzen Kontakt mit der Person. Oder sie machen es wie die Hexe in unserem Fall. Sie verstecken den Zauber in einem Schmuckstück oder einem Gegenstand, den die Zielperson nie aus der Hand lässt.“
„Was? Ihr seid schon geschickt.“ Alec nickte anerkennend, während ich die Augen zusammenkniff.
„Kann man erkennen wer den Zauber gemacht hat?“
„Nein, dafür hat sie ihre Spuren viel zu sehr verwischt. Normalerweise ist immer ein Nachhall wahrnehmbar, doch je mächtiger die Hexe ist, desto einfacher fällt es ihr diese Hinweise verschwinden zu lassen.“ Ich holte tief Luft.
„Vielen Dank Layla. Wird Sam jetzt öfter diese Anfälle erleben müssen?“
„Nein. Ich habe alles böse von ihm und seiner Kette um seinen Hals entfernt. Und in einigen Tagen schicke ich dir ein paar Amulette, die gegen Hexenkraft schützen.“
„Layla… Das musst du nicht… Es reicht schon wenn du eins für Sam machst.“
„Die Person, die Sam verhext hat, hatte es auf dich abgesehen Caitlin. Du kannst froh sein, dass der Zauber erst aktiviert wurde, als Sam mit Alec in der Halle war. Es ist besser wenn diejenigen, die andauernd in deiner Gegenwart sind vor Angriffen dieser Art geschützt werden.“
„Woher weißt du das? Kann man das irgendwo in der Art wie die Magie gestrickt war, erkennen?“ Layla fing an zu lachen.
„Wir Hexen sind nicht allmächtig.“ Sie wurde wieder ernst. „Nein. Ich habe einen Zettel gefunden.“ Sie reichte mir ein kleines Stück Papier auf dem nicht mehr drauf stand als: Nächstes Mal bist du dran, Bitch.
„Wo hast du ihn gefunden?“
„Im Amulett.“
„Von welchem Amulett redest du bitte die ganze Zeit?“
„Die Kette, die er um seinen Hals trägt. Das silberne Kreuz mit dem kleinen Rubin in der Mitte.“ Ich riss die Augen auf. Die Kette war ein Erbstück seiner Familie, die er niemals ablegte und niemals jemand anderem übergab. Wie kam irgendjemand überhaupt da ran? Nicht mal ich wagte es ihm diese Kette abzunehmen und das sollte schon was heißen.
Ich sah über Laylas Schulter und erblickte Dr. Jackson, der gerade aus einem Zimmer gekommen war und mich und Alec prüfend ansah.
„Miss Dupont. Sie sind doch nicht etwa schon wieder wegen einer Verletzung hier?“
„Diesmal nicht Doc. Diesmal ist mein Gefährte dran. Ich habe ihm schon von meinem Blut gegeben, die kleineren Wunden sollten schon verheilt sein, aber ich denke Sie sollten sich sein Bein ansehen.“ Obwohl Alec es schon gut versteckt hatte, hatte ich trotzdem gesehen wie er leicht hinkte.
„Gerne Miss Dupont. Sam ist in Zimmer 003, ich denke Sie wissen wo das ist. Sie waren immerhin oft genug hier.“ Er wandte sich an Alec. „Folgen Sie mir bitte ins Nebenzimmer damit ich mir das ansehen kann.“ Unwillig sah Alec von mir zu Dr. Jackson, doch ohne ein Wort wandte er sich zum Gehen. Auch ich machte mich auf den Weg zu dem Krankenzimmer 003 in welchem sich Sam befand.
Als ich eintrat, sah er von seinen Händen hoch, die er anscheinend die ganze Zeit betrachtet hatte.
„Hey.“, flüsterte ich.
„Hey.“ Ich nahm den Stuhl, der gegenüber vom Bett stand und zog ihn an seine rechte Seite. Während wir beide betreten schwiegen, beobachtete ich meinen besten Freund, der an die gegenüberliegende Wand starrte und sich nicht bewegte. Er hatte eine dünne Decke über den Beinen, sein Oberkörper war mit einem Verband verhüllt und seinen Arm trug er in einer Schlinge. Er war unnatürlich blass und sagte kein Wort. Aber auch mir wollte kein Laut über die Lippen kommen. Zu sehr fürchtete ich mich vor seiner Reaktion. Als er seinen Mund dann doch auf machte, schrak ich zusammen.
„Es tut mir so leid.“ Ich sah ihm verwirrt ins Gesicht.
„Was tut dir leid?“
„Das in der Halle. Ich hätte euch beide umbringen können. Und ich bin mir sicher ich hätte es sogar gemacht, wenn du mir nicht eine übergebraten hättest.“
„Du hast doch gar keine Chance gegen mich.“, versuchte ich einen Witz und brachte ein gequältes Lächeln zustande. Doch Sam beachtete mich gar nicht.
„Es wäre so einfach gewesen. Ich hatte Alec‘ Kehle fest gepackt. Ich sah die Angst in seinen Augen, seine stumme Bitte ihn loszulassen, doch es interessierte mich nicht. Das Einzige was ich fühlte, war Genugtuung.“ Ich schluckte. „Ich weiß, dass es nicht wirklich ich war, der solche Gedanken hatte, doch Layla meint, dass meine Wut nur verstärkt wurde. Heißt das nicht gleichzeitig, dass in mir drin ein Monster ruht, was jeden Moment hervor kommen kann?“
„Nein! Du bist doch kein Monster Sam! Was denkst du denn bitte? Nur, weil deine Wut auf mich um ein Vielfaches verstärkt wurde, heißt das doch nicht, dass du normalerweise dazu in der Lage wärst deine Freunde zu töten.“
„Weißt du was? Ich wäre doch ganz froh den Platz anzunehmen, den du mir angeboten hast. Zusammen mit Oliver, Jack und Miranda über die Einsätze in Nordamerika verwalten zu können ist schon eine Aufgabe, die ich mir vorstellen könnte.“, sagte mein bester Freund und wich somit dem vorherigem Thema aus. Ich lächelte Sam vorsichtig an ohne meine Erleichterung preis zu geben.
„Das ist wunderbar! Die anderen Länder haben schon eine Verwaltung, die sich um die Einsätze kümmert. Dann ist hier bald alles geklärt und ich kann mich mehr um den Rat kümmern.“
„Sie haben dich dein Amt weiter ausführen lassen?“
„Ja, es war eine knappe Entscheidung. Die Werwölfe mögen mich nicht besonders.“
„Aber das wusstest du doch schon vorher. Wenigstens hast du deinen Platz behalten.“
„Genau.“ Ich sah mir Sam an, der immer noch ein wenig blass war und anscheinend kaum seine Augen offen halten konnte. „Ich werde mich dann mal aus dem Staub machen. Du musst dich ausruhen.“
„Ja, ich denke das ist eine gute Idee.“ Er sah nachdenklich zu mir hoch und ich beugte mich über ihn um ihm einen Kuss auf die Stirn zu hauchen. Danach drehte ich mich um und verließ das Zimmer.
„Caitlin.“, seine Stimme ließ mich innehalten. „Wie geht’s Alec?“
„Ihm geht’s ganz gut. Der Doc sieht gerade nach ihm. Aber er hat mein Blut bekommen, also sollte er schnell wieder der alte sein. Und mach dir keine Sorgen. Er ist dir nicht sauer.“
„Du musst es ja wissen.“, grummelte der Mann auf dem Krankenhausbett.
„Richtig. Wenn nicht ich, wer dann?“
Nachdem ich einen ziemlich mürrischen Alec bei Miranda und Jack abgesetzt hatte, fuhr ich langsam nach Hause. Mein Kopf schwirrte von den ganzen Ereignissen dieses Tages. Wie konnte es sein, dass Dunja uns immer einen Schritt voraus war? Durch Oliver wussten wir ja, dass sie einen Spion bei uns eingeschleust hatte, der ihr Informationen lieferte, doch der war bei Hof. Allerdings konnte ich mir nicht sicher sein, dass einer meiner Freunde… Nein. Ich würde jetzt nicht damit beginnen meine Freunde zu verdächtigen. Vollkommen durcheinander schloss ich die Wohnungstür auf und trat in mein geliebtes Zuhause. Doch was war wenn ich mir genau das einreden sollte…
„Würdet du bitte aufhören so laut darüber nachzudenken, ob wir alle Verräter sind, oder nicht?“, knurrte ein ziemlich angepisst wirkender Alec in meinem Kopf.
„Sorry.“ Während ich den Wasserkocher anschmiss um mir einen Tee zu kochen fragte ich Alec: „Wieso bist du so sauer?"
„Sam hat mich fertig gemacht. Einfach mal so.“ Seine beleidigte Stimme brachte mich zum Lachen. Ich konnte mir sein Gesicht dabei schon ziemlich gut vorstellen. Schmollend und mit verschränkten Armen würde er in seinem ihm zugewiesenem Zimmer sitzen und vor sich hin starren. „Lach nicht. Das kratzt gewaltig an meinem Ego.“
„Ach. Mach dir nichts draus. Dein Wächterleben war auch längst nicht so anstrengend wie seins. Und er hatte eindeutig mehr Training als du.“ Mit meinem frisch gekochten Tee in der Hand machte ich mich auf ins Wohnzimmer. Im Fernseher lief mal wieder nichts Gescheites. Ein Vampirfilm, dessen Name ich schon wieder vergessen hatte, kaum hatte ich ihn gelesen, lief, doch die weder die Handlung noch die Darstellung der Vampire konnte mich fesseln. Ich meine: Vampire die glitzern? Ist klar.
„Woran das wohl liegt?“
„Wie bitte?“ Anscheinend war mein Gehirn nicht mehr wirklich aufnahmefähig, denn ich hatte schon wieder vergessen worüber Alec und ich geredet hatten. Sein Seufzen war die einzige Antwort, denn er fing mit einem anderen Thema an.
„Miranda und Jack wollen heute in einem der Clubs feiern gehen. Sie haben gefragt, ob wir beide mitkommen wollen.“
„Gerne. Ich bin mir aber nicht sicher, ob… Obwohl… Wenn du dich nicht zu sehr verändert hast, dann wird dir der Schuppen gefallen.“
„Du machst mich neugierig Cat. Bis nachher. 22 Uhr vor dem Club.“
„Ruh dich bitte noch ein bisschen aus. Du hast heute echt ´ne Menge auf die Rübe bekommen.“
„Jaja. Mach dir keine Sorgen.“ Und schon war er aus meinem Kopf verschwunden. Wie komisch es war, dass wir so schnell zu unserem alten Umgang miteinander zurückgekehrt waren. Und das obwohl so viel passiert war. Es gab so viel, dass wir nicht über den anderen wussten und doch war das uneingeschränkte Vertrauen ineinander vorhanden. Ich wusste nicht, ob es an unserem Gefährtenband lag oder, dass ich ihn liebte, doch es war mir egal. Hauptsache es gab Menschen in meinem Leben denen ich vollkommen vertrauen konnte. Schwer seufzend erhob ich mich von der gemütlichen Couch und wechselte in mein Schlafzimmer um mir ein Outfit für den Abend rauszusuchen, was für meine Verhältnisse ziemlich viel Zeit in Anspruch nahm.
„Oh mein Gott Cat! Du siehst super aus!“, kreischte Miranda kaum hatte sie mich in der Menge entdeckt. Die Warteschlange vor dem Pacha war wie eigentlich jeden Freitag unendlich lang. Die Vampirin schlang ihre dünnen aber unglaublich kräftigen Arme um mich und drückte mich an sich.
„Danke. Du aber auch!“ Während ich mich für ein eng anliegendes schwarzes Minikleid, hohe Schuhe und eine Lederjacke entschieden hatte, hatte sich Miranda in Schale geschmissen. Ein feuerrotes Kleid um schmiegte ihren schlanken Körper und ließ mehr sehen als, dass es verdeckte. Schwarze High Heels mit roter Sohle, ein lässiger Pferdeschwanz und dunkler Lidschatten, machte das normalerweise ziemlich niedlich aussehende Mädchen zu einer Rockerbraut. Vertraulich beugte ich mich zu ihr rüber und flüsterte: „Wen willst du denn so beeindrucken? Jack hast du doch schon längst an der Angel.“
„Der?! Der checkt doch gar nichts. Ich könnte mich ihm an den Hals schmeißen und er würde nicht bemerken, dass ich was von ihm will.“, knurrte sie. „Manchmal frage ich mich, ob er schwul ist.“
„Wer ist schwul?“, fragte Jack in diesem Moment.
„Niemand.“, antwortete ich schnell und Miranda kicherte.
„Wie auch immer. Wollen wir dann so langsam rein?“
„Klar.“
„Habt ihr wirklich Lust so lange anzustehen?“, wollte Alec wissen und sah zweifelnd an der langen Schlange hoch.
„Oh man. Ist der noch nie mit dir feiern gewesen Cat?“, fragte Ollie und legte mir einen Arm um die Schulter.
„Ich war leider zu jung.“, grinste ich. „Komm Alec. Ich zeig dir wie man das macht.“
„Du bist immer noch zu jung! Jedenfalls für amerikanische Clubs.“ Ich lächelte nur und zusammen liefen wir die lange Schlange entlang bis vor die Eingangstür. Dort stand ein muskelbepackter Mann ganz in schwarz gekleidet. Er besah sich gerade die eindeutig gefälschten Ausweise zweier Jugendlicher, die anscheinend ein wenig feiern wollten. Er runzelte die Stirn und gab sie ihnen Kopfschüttelnd wieder.
„Ihr müsst leider draußen bleiben.“ Ihr Murren und Zetern brachte nichts, denn er wandte sich schon von ihnen ab. Dabei blieb sein Blick an unserer Gruppe hängen und sein ernstes Gesicht begann zu leuchten.
„Hey Vlad. Schön dich zu sehen.“, begrüßte ich den Vampir, der uns sofort näher winkte.
„Zaubermaus. Was für eine Überraschung. Schön dich mal wieder zu sehen.“ Er zwinkerte mir zu. „Trink einen für mich mit. Ich kann mich heute nicht zu euch setzen. Leider muss ich arbeiten.“ Er trat zur Seite und ließ uns eintreten.
„Bis dann Vlad.“, rief Ollie vergnügt und schlug ihm kräftig auf die Schulter, bevor wir uns in das Getümmel stürzten. Die laute Musik und die Menschen, die sich auf der Tanzfläche vergnügten, ließ mich lächeln. Die Erinnerungen an die lustigen Abende in diesem Schuppen überschwemmten mich und ein Glücksgefühl machte sich breit.
„Wie zum Teufel kannst du so glücklich sein? Du hattest doch deine Gefühle ausgeschaltet als du zuletzt hier warst.“, schrie mir Alec ins Ohr.
„Muss nicht heißen, dass ich es nicht genossen habe.“ Wir gingen eine Wendeltreppe nach oben in den Lounge Bereich in dem man gemütlich sitzen und sich unterhalten konnte ohne, dass einem die Musik die Ohren weg sprengte. Trotzdem hatte man dank der Glasfenster eine gute Sicht auf die untere Ebene. Nur noch wenige Tische waren frei, deswegen warfen wir uns direkt in die weichen Polster und bestellten unsere Drinks. Kurze Zeit später war die Stimmung ausgelassen.
„Eeey. Ich habe eine Idee.“, lachte Miranda irgendwann. „Cat. Ich wette mit dir, dass du dich nicht traust in den Käfigen zu tanzen.“ Ich zog eine Augenbraue nach oben und sah sie an.
„Ist das dein Ernst?“
„Mein völliger Ernst.“ Sie nickte heftig mit dem Kopf. „Solltest du es doch machen, dann… werde ich mit irgendeinem Typen tanzen, den du mir aussuchst. Vielleicht finden wir ja einen netten Mann für mich. Wenn du verlierst, musst du beim nächsten Einsatz aussetzen. Egal was für einer das ist.“ Sie lachte und schlang einen Arm um meine Schultern.
„Ich glaube du suchst dir die falsche zum Wetten aus. Hat Cherry nicht heute Schicht?“ Die Jungs grölten als ich aufstand und zur Tür schritt. „Sucht euch einen guten Platz zum Gucken. So eine Show wird es nicht noch einmal geben.“ Während ich mich durch die tobende Menge kämpfte, die zu den wilden Beats eines wirklich guten DJ´s tanzte, oder es jedenfalls versuchte, hörte ich Alec in meinem Kopf.
„Dein Ernst? Du bist ja viel cooler geworden! Wieso konnte ich diese Zeit nicht miterleben?“ Lachend drückte ich mich neben den Käfig einer der Tänzerinnen. Die Blondine, die darin tanzte, schien in der Musik gefangen und bewegte sich anmutig. Das war jedoch kein Wunder, wenn man die Gabe des Tanzes hatte.
„Hey Cherry. Alles klar Süße?“, fragte ich und klimperte mit den Wimpern. Die Tänzerin wurde durch meine Stimme aus ihrer Trance gerissen und kam langsam wieder zu sich. Als sie mich erkannte begann sie zu strahlen.
„Hey! Sophie Süße!“ Sie nickte dem Typen der sie bewachte kurz zu und trat aus dem Käfig. Dieser reichte ihr ein rosafarbenes Getränk mit Schirmchen an welchem sie genüsslich nippte. Danach trat sie auf mich zu und nahm mich in die Arme.
„Ich heiße doch Caitlin.“
„Richtig, richtig. Ich hab dich im Fernsehen gesehen. Du sahst richtig scharf aus in dem Outfit. Obwohl das was du anhast dir auch wahnsinnig gut steht.“
„Dankeschön. Hey Cherry. Ich wollte dich was fragen. Ich habe eine Wette mit Ollie, Miranda und Jack am Laufen, naja… eigentlich nur mit Miranda und die würde gerne erfüllen.“
„Worum geht’s denn?“
„Ich muss in einem der Käfige tanzen.“ Geschockt sah mich Cherry an.
„Was?! Du lässt dich auf so was ein? Oh mein Gott! Das ist ja super! Wenn du möchtest, kannst du gerne meinen benutzen. Dann kann ich in Ruhe meinen Drink austrinken.“
„Du bist ein Schatz.“ Ich warf ihr eine Kusshand zu und kletterte dann in den Tanzkäfig. Der Track wechselte gerade in diesem Moment, als hätte der DJ auf mein Auftreten gewartet. Lasziv begann ich mich im Takt der Musik zu bewegen, die stechenden Augenpaare auf mir ignorierend. Meine Hände fuhren über meinen Körper und ich verfiel in eine Art Trance. Ich drehte mich, kniete mich hin und machte einfach ein wenig den anderen Tänzerinnen nach, die alle versuchten die Menge zum Tanzen anzuregen. Meine Hüften ließ ich sexy kreisen darauf bedacht den Männern oben in der Lounge eine derartige Show zu bieten, die so schnell nicht wieder würden vergessen können. Doch kaum war das Lied zu Ende, wenn man das in einem Club so nennen konnte, tauchte ich aus meiner Trance auf und kletterte zurück auf die Tanzfläche wo Cherry schon auf mich wartete. Ich erkannte die Leidenschaft und das wilde Verlangen in ihren Augen fast sofort, als sie mich schon an sich riss und ihre Lippen auf meine presste. Erschrocken über ihre Direktheit hielt ich kurz die Luft an, bevor ich sie vorsichtig von mir weg schob.
„Schade, dass du nicht lesbisch bist. Ich hätte dich jetzt so gerne in meinem Bett. Oh was für Dinge ich mit dir anstellen würde…“, schnurrte sie mir in mein Ohr. Unbehaglich trat ich von einem Bein auf das andere. „Oh. Ich habe dich verunsichert. Tut mir leid. Meine Fantasie geht gerade ein wenig mit mir durch.“ Sie grinste mich kurz an, bevor sie wieder zurück in den Käfig stieg und mich total verdutzt zurückließ.
In meinem Kopf hörte ich das tiefe Lachen von Alec, welches mich leicht wütend machte. Ich stolzierte graziös zur Bar und orderte einen doppelten Whiskey, den ich mir mit einem Ruck in den Rachen kippte. Ich merkte Alec hinter mir, der versuchte sein Lachen zu unterdrücken.
„Jetzt weiß ich, was Miranda gestern meinte, als sie sagte, deine düstere und geheimnisvolle Ausstrahlung käme nur bei Frauen gut an.“
„Halt die Klappe Alec.“, knurrte ich und bestellte einen weiteren Drink. „Halt einfach die Klappe.“
Den ganzen restlichen Abend durfte ich mir die Sprüche meiner Freunde anhören, die manchmal in ziemlich dreckige Regionen gingen. Zähneknirschend ließ ich es über mich ergehen, kippte ein Glas Alkohol nach dem anderen in mich rein und schwieg, doch irgendwann war es mir dann endgültig zu viel.
„Das reicht für heute. Ich mach mich dann mal auf den Weg nach Hause.“ Ich stand langsam auf und grinste, als Miranda meinte: „Du willst doch nur ´nen Typen abschleppen.“
„Klar doch.“ Ich sah über ihre Schulter und lächelte verführerisch. „Da scheint ein ganz netter zu sein.“ Sie drehte sich um und sah Jack hinter sich stehen, der ziemlich erschrocken drein sah. Als sie sich wieder zu mir umdrehte, konnte ich in den Geschmack ihres Killerblickes kommen. Ihre Lippen formten ein „wehe“ und ich wandte mich laut lachend ab. „Bis dann Leute.“ Als ich zur Bar wandte an der Alec stand, sah ich ihn mit einem Menschenmädchen flirten. ‚Kaum von seiner Freundin weg, schon auf der Suche nach einer neuen Gespielin‘, dachte ich bitter. ‚Vielleicht ist es doch ganz gut, dass sich unsere Wege getrennt haben. Wer weiß, ob er nicht das Gleiche mit mir gemacht hätte‘.
Verschlafen öffnete ich meine Augen und blinzelte aufgrund des Sonnenlichts, das durch das Fenster schien. Wie von selbst drehte sich mein Kopf in Richtung Wecker, der 10:43 Uhr anzeigte. Wir hatten nichts für den Tag geplant und somit blieb ich einfach im Bett liegen und genoss die Ruhe, die mich umgab. Es war so lange her, dass ich zuletzt so lange geschlafen hatte. Oliver und Jack waren wahrscheinlich schon fleißig dabei mein Organisationsdiagramm in die Realität umzusetzen. Ich war stolz auf sie. Sie waren nicht nur meine besten Freunde, sondern auch die loyalsten Mitarbeiter, die es gab. Ich war ihnen so unglaublich dankbar.
Stöhnend rollte ich mich aus dem Bett und ging duschen. Ich stand gerade in Unterwäsche in meinem Schlafzimmer als ich leise einen Schlüssel im Schloss hörte. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet.
„Cat? Bist du da?“, rief Sam.
„Jep. Im Schlafzimmer.“ Meine Zimmertür wurde geöffnet und Sam trat ein. Gänzlich locker beobachtete er mich beim Klamotten raus suchen und fing an zu reden: „Hey. Ich hab mir einfach mal das Recht genommen blau zu machen. Die anderen übernehmen ja die Arbeit. Alec und ich wollen hier ein bisschen rumsitzen und nichts tun.“
„Das würde ich euch auch raten nachdem was gestern passiert ist.“ Lächelnd drehte ich mich zu meinem Kumpel um. „Darf ich mich euch anschließen oder wollt ihr alleine sein?“
„Klar kannst du mit uns blau machen. Ich glaube du hast es von allen am Meisten verdient.“ Stumm drehte ich mich wieder zum Kleiderschrank um und zog eine Jogginghose und ein Top hervor, welche ich mir schnell überstreifte bevor ich Sam ins Wohnzimmer folgte in dem Alec schon saß und an seinem Handy rumspielte. Es war immer noch ungewohnt Alec in meiner Nähe zu haben und ich fühlte mich unwohl.
„Hey Alec. Wie geht’s dir?“
„Gut danke. Es ist immer praktisch seine Gefährtin in der Nähe zu haben, die einen mit Blut versorgen kann.“ Er grinste flüchtig, bevor er sich wieder seinem Handy widmete. Mit wem er wohl schrieb?
Während die Jungs den Fernseher anschmissen und sich irgendeinen Film ansahen und darüber plauderten, war ich damit beschäftigt ruhig zu bleiben und Alec zu ignorieren. Das machte mich wütend. Immerhin hatte es in den letzten Tagen so gut geklappt zwischen Alec und mir. Wir hatten normal miteinander reden und sogar lachen können ohne, dass es zwischen uns unschön wurde. Und jetzt?
Zur Mittagszeit stand ich dann auf und verkündete: „Ich koche jetzt.“
„Alles klar. Lass nichts anbrennen okay?“ Sam zwinkerte mir zu und ich musste schmunzeln.
„Nein. Das wird nicht noch mal passieren.“ Ich ging also in die Küche und begann Gemüse zu schneiden, während ich Sam zuhörte wie er die Geschichte einer brennenden Küche zum Besten gab. Ich hatte spontan entschieden, dass es eine Gemüse-Reis-Pfanne geben würde. Zusätzlich würde ich wohl ein bisschen Fleisch braten. Zum Glück achteten Sam und ich sehr drauf, dass wir gesundes Essen Zuhause hatten, denn wir beide vermieden Fastfood, welches schlecht für den Körper war und deshalb nur selten von uns gegessen wurde. Ganz anders sah es aber bei den Süßigkeiten aus, die in einer kleinen Kiste im Wohnzimmer gelagert wurden.
„Sam? Deckst du bitte den Tisch?“, rief ich und schob das brutzelnde Gemüse hin und her.
„Sicher. Was wollen wir denn dazu trinken?“
„Was ihr wollt.“ Hinter mir spürte ich die Präsenz von Sam, welcher mich leicht zur Seite schob um den Schrank über mir zu öffnen, um an die Teller zu kommen. Gabeln und Messer wurden ebenfalls herausgekramt und auf den Esstisch gestellt, während ich das Essen in Schüsseln umfüllte und die Pfannen in die Spüle stellte.
„Setz dich Alec. Keine Sorge, Caitlins Essen schmeckt eigentlich ganz gut.“
„Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ihr kocht.“
„Doch, doch. Es ist besser als immer Essen zu gehen. Und nach einem anstrengenden Tag, sind wir gerne ein wenig unter uns.“
„Nach einem Arbeitstag bei dem du andauernd mit irgendwelchen Leuten zu tun hast, die irgendwas von dir wollen, brauchst du deine Ruhe.“, erklärte ich.
Es bereitete sich eine Stille zwischen uns, während wir das gute Essen und den Wein genossen, welchen Sam geöffnet hatte. Nach dem Essen trugen die Männer ohne Worte die Teller in die Küche und spülten die Pfannen ab, während ich es mir auf der Couch gemütlich machte. Die Sonne, die durch das große Fenster fiel, beschien meine Haut. Träge schloss ich die Augen und lächelte. Es war schön wieder etwas zu fühlen. Jeder einzelne Moment kam einem dann unendlich kostbar vor. Das Klingeln eines Handys störte die Stille, die nur vom Klappern des Geschirrs unterbrochen wurde.
„Caitlin. Dein Handy.“ Ich stöhnte.
„Ich gehe da jetzt nicht ran. Ich will nicht arbeiten.“, maulte ich.
„Du bist die Chefin.“ Sam warf mir das Handy auf den Schoß. „Du wirst immer arbeiten müssen.“ Tief einatmend nahm ich das Gespräch an.
„Du störst mich an meinem freien Tag Ollie.“
„Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du Lust hast heute auf die Piste zu gehen. Einmal quer durch die Stadt.“ Sein Angebot brachte mich in Versuchung. Die Rennen brachten mein Puls zum Rasen, mein Körper setzte Endorphine und Adrenalin frei, was mich glücklich machte und mich frei fühlen ließ, doch dann sah ich zu Sam, der mich grimmig ansah.
„Ich denke ich setze dieses Mal aus. Aber danke für die Einladung.“
„Was? Du… Was ist denn so wichtig, dass du ein Rennen auslässt?“ Oliver klang fassungslos.
„Ich möchte heute einen ganz normalen Tag haben. Zusammen mit Sam und Alec.“ Ich stellte mir Olivers entsetzten Gesichtsausdruck vor und musste kichern. „Bis morgen Ollie. Pass auf dich auf.“ Oliver war anscheinend viel zu entsetzt um zu antworten, deswegen legte ich einfach auf. Als ich das Handy zur Seite schmiss, sah ich Sam an und wartete auf eine Reaktion.
„Schon einen Plan Cat?“, meldete sich dann jedoch Alec zu Wort und schmiss sich neben mich auf die Couch.
„Nicht wirklich. Aber wir können uns ja was überlegen.“
„Ich würde ja gerne aber leider bin ich heute verabredet.“ Sam grinste mich an. „Du weißt schon. Die Kleine aus der Technikabteilung?“
„Jenny?“
„Jep. Sie hat mir angeboten mir etwas von ihren Hacker-Tricks zu zeigen.“
„Bei ihr Zuhause?“, wollte ich wissen und hob eine Augenbraue. Als Sams Grinsen noch breiter wurde, begann auch ich zu grinsen. „Viel Spaß euch beiden. Brich‘ ihr nicht das Herz, okay? Sie ist echt nett.“ Sam nickte und verschwand aus dem Zimmer um sich umzuziehen. Kurze Zeit später fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
„Und was machen wir beiden schönes?“ Alex sah mich mit schief gelegtem Kopf an.
„Du könnest dir einen Film aussuchen und wir setzen uns einfach hin und lassen den Tag entspannt mit ein bisschen Wein ausklingen.“
„Du weißt, dass es gerade mal vierzehn Uhr ist, oder?“
„Na und?“
„Ich hätte gedacht du würdest irgendwas Spannendes unternehmen wollen. Dunja nachstellen zum Beispiel.“
„Ich habe heute frei. Darf ich einen einzigen Tag haben an dem ich mich nicht um die Belange der Organisation oder das Retten der Welt kümmern muss?“
„Sicher. Du scheinst nur nicht eine Person zu sein, die so etwas braucht.“
„Ich bräuchte sie auch nicht, hätte ich nicht wieder meine Gefühle eingeschaltet. Diese Überflutung von Gefühlen und Wahrnehmungen macht mich müde. Ich brauche einfach mal eine Pause.“ Alec sagte daraufhin nichts, sondern stand nur stumm auf um einen Film einzulegen und Süßigkeiten zu holen. Währenddessen schnappte ich mir die Decke von der Lehne des Sofas und bedeckte meine Beine. Als Alec es sich neben mir gemütlich gemacht hatte, startete ich den Film.
„Wieso wusste ich, dass es ein Actionfilm wird?“, lachte ich.
„Du kennst mich halt besser als die meisten anderen.“ Alec zuckte mit den Schultern und sah mich an, während mein Lachen auf der Stelle verstummte. „Wenn auch unfreiwillig.“
„So schlimm ist es eigentlich gar nicht dich zu kennen."
Während des Filmes sprachen wir wenig und wenn dann ging es um die nicht vorhandene Realitätsnähe des Filmes. Als der Abspann über den Bildschirm lief, sagte Alec beleidigt: „Danke, dass du mir meinen Lieblingsfilm miesgeredet hast.“
„Ach mein armer kleiner Alec. Das tut mir so leid.“
„Ich gucke nie wieder einen Film mit dir!“
Ich grinste. „Dein Handy klingelt.“ Tatsächlich hörte ich es im Flur leise klingeln. „Übrigens ein echt hübscher Klingelton. Haben den alle deine Kontakte?“
„Nein. Der ist von Angelina…“ Ich nickte verständnisvoll, während er aufstand.
„Barbie Girl… Das passt zu ihr. Aber ist es nicht ziemlich peinlich vor deinen Freunden?“ Daraufhin bekam ich keine Antwort, stattdessen lief er in den Flur und hob ab. Um nicht zu lauschen, sammelte ich die Chipstüten und die Getränke auf, trug sie in die Küche und schloss die Tür hinter mir. Und trotzdem konnte ich es nicht verhindern, dass Bruchstücke zu mir durchdrangen.
„Ich weiß nicht wann ich wieder komme Angelina... Nein, wir sind noch nicht viel weiter gekommen… Ja, ich bin bei Caitlin… Ich weiß was du gesagt hast, aber es wird nichts passieren. Wir sind nur Freunde… Ich dich auch. Bis dann.“ Das Gespräch ging höchstens fünf Minuten, doch Alec klang so genervt als hätte sie ihn stundenlang mit irgendwelchen Mädchengeschichten zu getextet. Vorsichtig trat ich aus der Küche und sah ihn mit geballten Fäusten im Flur stehen. Er atmete tief ein und drehte sich zu mir um.
„Manchmal frage ich mich, ob es gut war der Heirat zuzustimmen.“, murmelte er. „Sie bringt mich um den Verstand.“ Ich schwieg, denn ich hatte gelernt mich nicht in die Beziehungen anderer einzumischen und doch wunderte ich mich, dass anscheinend nicht er den Heiratsantrag gemacht hatte.
„Hast du Lust joggen zu gehen?“, fragte ich, das Thema wechselnd. Dankbar sah er mich an und nickte, um gleich darauf bedauernd den Kopf zu schütteln.
„Ich würde gerne, aber in den Klamotten wird´s schwierig.“ Er wies an sich herunter. Ein weißes T-Shirt und eine zerrissene Jeans verdeckten seinen Adonis Körper.
„Kein Problem. Ich geb‘ dir was von Sam.“
Kurze Zeit liefen wir meine normale Joggingrunde durch den Central Park. Kein Laut kam über unsere Lippen. Die einzigen Geräusche wurden verursacht von dem ewigen Strom an Massen, die den Park bevölkerten und unsere Schritte auf dem Boden. Beide waren wir in unseren eigenen Gedanken vertieft, bis Alec die Stille durchbrach und rief: „Ein Wettrennen bis zum See!“ und lossprintete.
„Hey! Das ist unfair!“, schrie ich und nahm die Verfolgung auf. Trotz größter Anstrengung verlor ich das Rennen um ein paar Sekunden. Das aber auch nur, weil ich auf dem Weg ein paar Menschen ausweichen und über einen kleinen Hund springen musste. „Das zählt nicht! Du bist vor mir losgesprintet.“
„Hättest du gewonnen, hättest du nichts gesagt. Also heul nicht rum Cat.“ Ich verdrehte die Augen und wies ihn an mir zu folgen. Herumalbernd legten wir die wenigen Kilometer nach Hause zurück. Dort angekommen ging ich kurz duschen bevor ich Alec die Dusche überließ und begann damit die Wohnung ein wenig aufzuräumen während ich wartete. Nach zwanzig Minuten öffnete sich endlich die Tür zum Badezimmer und Alec erschien nur mit einem Handtuch um die Hüfte. Ein Handtuch, welches ziemlich tief um seine Hüfte hing.
„Du hast aber lange gebraucht. Bist du sicher, dass du nicht doch ein Mädchen bist?“, grinste ich und versuchte seinen Prachtkörper zu ignorieren.
„Ich glaube du weißt ganz genau, dass ich keine Frau bin.“, sagte er und sah bedeutungsvoll an sich herab. „Aber du kannst es gerne noch einmal testen.“
„Nein, danke. Einmal reicht mir.“
„Bist du dir sicher? Ich dachte es hätte dir gefallen?“
„Du kannst dich daran erinnern?“, schrie ich entsetzt. Erschrocken riss Alec die Augen auf und hob die Hände.
„Erst seit kurzem. Und auch nur an einzelne Bruchstücke. Ziemlich heiß aussehende Bruchstücke.“
„Zeig sie mir.“ Entgeistert sah Alec mich an.
„Wie bitte? Ich glaube ich habe mich verhört.“
„Alec, das war kein Scherz. Ich will wissen was wir gemacht haben. Was ist, wenn mir der Rest der Nacht dadurch wieder einfällt? Ich will gar nicht wissen, was ich sonst noch von mir gegeben oder gemacht habe!“
„Wenn du Lust auf einen Porno hast, können wir uns auch einen im Internet…“, begann Alec, doch ich unterbrach ihn mit hochrotem Kopf: „Alec! Du bist widerlich!“
„Na gut… Setzen wir uns.“
„Wir setzen uns nachdem du dir etwas angezogen hast.“, sagte ich mit einem kurzen Blick auf das weiße Handtuch, welches immer noch seine Kronjuwelen versteckte.
„Lenke ich dich etwas mit meinem Prachtkörper ab?“ Ich sah ihm direkt in die Augen als ich die Wahrheit sagte: „Ja. Du lenkst mich gewaltig ab.“ Er schien etwas überrumpelt und deswegen schob ich ihn in Sams Zimmer in welchem er seine Sachen liegen hatte. „Und jetzt zieh dir bitte etwas an.“ Als er kurze Zeit später heraus kam, saß ich auf der Couch und starrte ins Leere. War es wirklich eine gute Idee mir die Erinnerungen von Alec von diesem Abend anzusehen? Mit diesen Erinnerungen waren gewisse Gefühle verbunden, die er mir nicht vorenthalten konnte. Und wollte ich wirklich in seine Gefühlswelt eindringen?
„Bist du bereit Cat?“ Ich atmete tief aus und sah ihm entschlossen in die Augen.
„Lass uns loslegen.“ Dann legte ich meine Hand in seine.
ALEC
Caitlin stand vor mir. Verführerisch biss sie sich auf die Lippe und lächelte mich dann an.
„Ich denke du musst die Führung übernehmen. Du bist wohl etwas erfahrener als ich.“ Sie grinste und kam auf mich zu. Obwohl sie wohl genauso betrunken war wie ich, stand sie sicher auf ihren relativ hohen Schuhen mit denen sie zwar immer noch kleiner war als ich, was sie aber nicht zu stören schien. Ich beugte mich hinunter und küsste sie wild und leidenschaftlich.
„Keine Sorge. Diese Nacht wirst du nicht vergessen Babe.“ Sie kicherte.
(…)
Caitlin stand vor mir nur in Unterwäsche bekleidet und ich konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Es wurde ziemlich eng in meiner Hose, weshalb ich sie kurzerhand samt Boxershorts abstreifte. Die Augen des Mädchens wurden groß als sie auf mein Geschlecht sah.
„Und der soll in mich rein passen?“
(…)
Caitlin bäumte sich stöhnend unter mir auf. Lächelnd küsste ich die Innenseite ihrer Oberschenkel bevor ich mich weiter nach oben arbeitete.
„Oh Gott Alec.“, keuchte sie.
„Soll ich weiter machen Süße?“
„Ja, bitte!“
(…)
„Stopp!“, riss mich ihre Stimme aus der Erinnerung. Ich schlug die Augen auf und blickte in das hochrote Gesicht von Caitlin. „Das reicht.“ Ihr Atem ging hektisch, sie biss sich auf die Lippe und hatte ihre Augen fest geschlossen. Das war nicht die Reaktion, die ich erwartet hatte, doch sie gefiel mir.
„Willst du wirklich nicht wissen, was wir noch gemacht haben in dieser Nacht?“, raunte ich. „Soweit mein Gedächtnis mich nicht trügt hattest du drei Orgasmen in dieser Nacht.“ Sie verzog das Gesicht und wandte sich von mir ab.
„Das bedeutet nur, dass du deine Verlobte drei Mal mit mir betrogen hast.“ Ich hatte das Gefühl einen Schlag mitten ins Gesicht bekommen zu haben.
„Ja, aber wir waren betrunken Caitlin.“
„Wie oft soll ich dir noch sagen, dass das keine Entschuldigung ist?“, schrie sie so plötzlich, dass ich erschrocken zusammenzuckte. „Wie kannst du einfach so entspannt da sitzen und über das reden was wir getan haben, wenn du damit deine Freundin, die du liebst und heiraten möchtest verletzt?“ Stumm sah ich sie an. Wenn sie nur wüsste… Vielleicht sollte ich noch einmal mit meiner Mutter reden, jetzt nachdem Caitlin wieder aufgetaucht war. Dank ihr konnte ich endlich wieder auf Missionen, vielleicht schloss ich mich auf ihrer Organisation an. „Hast du es ihr gesagt?“ Ich schüttelte nur den Kopf.
„Sie würde mich umbringen.“
„Ich denke sie würde dir einfach nur die Eier abschneiden und Schrägstrich oder abfackeln.“
„Da hast du wohl Recht. Das klingt ganz nach Angelina.“
„Lass uns einfach dafür sorgen, dass sie es nicht erfährt.“
„Wie willst du das denn machen? Wir müssen unsere neuen Fähigkeiten üben. Das kann man auf die Dauer nicht verstecken. Besonders, wenn man sie irgendwann einmal anwenden muss.“
„Entweder du sagst es ihr und riskierst, dass sie mit dir Schluss macht oder du sagst es ihr nicht und lebst in ständiger Angst, dass sie es herausfindet um dann mit dir Schluss zu machen.“ Vielleicht sollte ich es ihr einfach sagen? Wenn sie mit mir Schluss machte, konnte meine Mutter gar nichts sagen. Sie würde sich sogar noch auf die Seite von Angelina stellen… Die Szene, die auf mich zukommen würde, konnte ich mir sogar bildlich vorstellen. Eine völlig aufgebrachte, sehr aggressive Angelina und eine mich verächtlich ansehende Mutter, die mir beide ins Gesicht schrien wie sehr sie mich hassten. Bei dem Gedanken legte sich ein bitteres Lächeln aufs Gesicht. Ja, ungefähr so würde es ablaufen. Meine Mutter würde mich dafür verantwortlich machen, dass wir die Verbindung zu einer der mächtigsten Familien in Spanien verlören. Sie würde eine ganze Weile nicht mehr mit mir reden. Vielleicht sogar aus der Villa ausziehen. Immer mehr Vorteile sammelten sich vor meiner imaginären Pro und Kontra Liste.
Völlig in Gedanken versunken, merkte ich gar nicht, dass Caitlin mich schon seit geraumer Zeit ansprach und zuckte zusammen als sie mich an der Schulter packte und schüttelte.
„Alec, wenn du schlafen möchtest, musst du entweder zu Miranda fahren oder ich muss dir die Couch vorbereiten.“
„Ich wollte gar nicht schlafen.“
„Gut.“ Sie sah mich unsicher an und knetete ihre zierlichen Hände, die so aussahen als hätte sie niemals gearbeitet, mit denen sie aber öfter ein Schwert gehalten und mehr Strigoi getötet hatte als ich.
„Was ist los Cat?“ Sanft griff ich nach ihren Händen und hielt sie fest. Sie hob den Kopf und sah mich an.
„Ich wollte dich fragen, ob du mir noch ein paar deiner Wassertricks zeigen würdest. Es war faszinierend dir dabei zuzusehen wie du das Wasser kontrollierst. Damals in dem See bei der Hütte.“
„Hier? Im Wohnzimmer?“ Schulterzuckend sah sie mich an. „Das ist keine gute Idee Cat. Wenn ich einen Fehler mache, ist das ganze Wohnzimmer durchflutet. Und ich bin mir nicht sicher, ob das so schön wäre.“ Ich grinste.
„Was ist, wenn wir schwimmen gehen würden?“ Grübelnd starrte sie aus dem Fenster….
„Jetzt?“ Ich sah auf die Uhr. 18 Uhr. „Ich bin glaub nicht, dass das `ne gute Idee ist.“
„Das glaube ich auch nicht. Ich denke eher daran ein bisschen die Regeln zu brechen.“ Verschwörerisch grinste sie mich an.
„Du willst nachts in ein Schwimmbad einbrechen?“, fragte ich entsetzt ihre Gedanken lesend.
„Warum nicht? Ich dachte Schwimmen im Dunkeln ist etwas, was man in seinem Leben mal getan haben sollte?“
„Ja, aber dafür nimmt man normalerweise einen See oder das Meer. Kein öffentliches Schwimmbad, welches über Kameras und Sicherheitsleute verfügt!“
„Alec! Wieso bist du so langweilig! Und ich dachte ich wäre die Verklemmte von uns beiden.“ Augenverdrehend stand sie auf. „Wir beide sind Vampire, Wächter und Amateurspione. Wir schaffen es schon unbemerkt rein zu kommen. Es das Freibad im Central Park an dem wir heute vorbei gejoggt sind.“
„Du willst über den Zaun klettern?“
„Natürlich.“
„Was ist aus dem ‚Ich mache mir einen entspannten Tag‘ geworden?“
„Ist doch ein entspannter Tag. Ich weiß gar nicht was du hast.“ Unschuldig sah sie mich an. „Ich packe schon mal einen kleinen Rucksack. Du kannst ja mal bei Sam gucken, ob er was für dich zum Anziehen hat. Sonst müssen wir noch mal kurz shoppen gehen.“ Sie verzog das Gesicht und ich lachte kurz auf. Es war immer wieder erstaunlich kurze Einblicke in die alte Caitlin zu bekommen. Schon damals hatte die das Shoppen gehasst.
„Ich werd‘ schon was finden. Keine Sorge.“
„Und du bist dir wirklich sicher, dass wir das tun sollten?“, fragte ich zum dritten Mal in den letzten paar Minuten.
„Zum letzten Mal. Ja! Vertrau mir. Falls wir erwischt werden sollten, bringe ich uns da sicher raus.“
„Wie denn? Mit deinem Dolch den du in der Tasche hast? Willst du damit den armen Wachmann erstechen?“
„Ich bin in der Lage ein ruhiges Gespräch zu führen Alec. Nur, weil ich Kriegerin bin heißt das noch lange nicht, dass ich alles mit Waffengewalt löse.“ Sie schien ernsthaft beleidigt zu sein, als sie sich kurz umsah und dann elegant über den Zaun kletterte. Ich genoss noch kurz den Anblick bevor auch ich mich über den Zaun schwang.
Caitlin war schon ein paar Meter weiter und ich beeilte mich ihr hinterher zu kommen.
„Hey das war doch nicht ernst gemeint!“
„Weiß ich doch.“ Sie drehte sich zu mir um und grinste. „Und? In welches Becken willst du?“ Ich sah mich kurz um bevor ich auf das kleinste Becken zeigte. Es war einfacher sich auf Wasserfiguren zu konzentrieren, wenn man nicht gleichzeitig darauf achten musste nicht zu ertrinken. Ohne ein weiteres Wort packte mich Caitlin an der Hand und zog mich hinter sich her. Sie schien sich ehrlich darauf zu freuen die Figuren zu sehen, die ich dank meines Willens formen konnte. Kurz vor dem Becken ließ sie meine Hand los und begann sich ohne Scheu vor mir auszuziehen. Bewundernd wanderte mein Blick ihren Körper herunter. Die silbernen Tattoos an ihren Armen schimmerten leicht im Mondlicht. Ihr Körper war perfekt. Sie war perfekt. Ich schüttelte den Kopf um mich von den extrem sentimentalen und leicht schwulen Gedanken zu befreien. Was war ich bloß für ein verliebter Volltrottel? Liebte eine Frau abgöttisch, hatte aber nicht den Mumm es ihr zu sagen.
„Wenn du mich weiter so anstarrst, zeige ich dich wegen sexueller Belästigung an.“, sagte Caitlin und lachte. „Los. Zieh dich aus. Ich möchte endlich deine Show sehen.“ Also zog ich mir schnell meine Klamotten aus bevor ich vorsichtig ins Becken ging. Caitlin folgte mir.
„Was möchtest du denn sehen?“, wollte ich wissen und sah ihr in die Augen.
„Egal was. Überrasch mich.“ Also begann ich damit ein bisschen Wasser aus dem Becken zu ziehen und es zu einem Ball zu formen. Dann begann ich aus diesem Ball verschiedene Formen zu entwickeln. Das Gesicht meiner Schwester, verschiedene Tiere, ein Schloss.
„Wow.“ Caitlin sah mir mit großen Augen dabei zu. Das machte mich erfinderischer. Ich begann das Wasser in einzelne Strahlen zu teilen, die sich einzeln und ganz individuell bewegten. Das erforderte meine ganze Konzentration und mit der war es vorbei, als Caitlin mich am Arm berührte. Das Wasser fiel auf uns zu und machte uns völlig nass. Caitlin schrie kurz spitz auf, bevor sie anfing zu lachen.
„Wie lange hat es gedauert bis du es hinbekommen hast?“
„Kommt drauf an, welche Formen und bilden willst und was für eine Kreativität du besitzt. Für meine erste Form habe ich mehrere Wochen gebraucht. Vorher hatte ich jedoch viele theoretische Lehrstunden und in meiner ersten Praxisstunde habe ich es noch nicht einmal geschafft einen Ball zu formen, geschweige denn das Wasser aus dem Becken zu holen.“
„Das hört sich nach einer Menge Arbeit an. Lohnt es dich denn das Element des Wassers zu beherrschen?“
„Nun ja… Ich kann damit Frauen beeindrucken. Also hat es sich schon gelohnt.“ Unbewusst hatte ich wieder angefangen das Wasser tanzen zu lassen. Ich formte kleine Wellen und Strudel im Becken.
„Wie viele Vampirinnen hast du mit der Nummer schon rum gekriegt?“
„Viele. Nicht so viele wie ich gedacht hatte, da extrem viele über das Element Wasser verfügen können, aber es sind schon ein paar dabei rum gekommen.“, erzählte ich freimütig. Caitlin zog die Augenbraue hoch
„Welches Element konnten die meisten von ihnen denn am besten?“
„Erde.“
„Kein Wunder. Die können ja auch nichts.“, witzelte Caitlin. „Sam beherrscht die Erde und ist echt gut darin Blumen wachsen zu lassen und mich mit Steinen zu bewerfen.“
„Steine können schon ziemlich gefährlich sein, wenn die auf einen runter prallen. Und Blumen können dich ersticken.“
„Blumen kann man mit Feuer bekämpfen. Stein wird schon ein bisschen schwieriger, aber sobald man gute Reflexe hat, die man als Vampir eigentlich haben sollte, schafft man es locker ihnen auszuweichen.“ Caitlin starrte auf das sich wild bewegende Wasser. „Kann es sein, dass ich zu viel über das Kämpfen spreche?“
„Nur ein kleines bisschen.“
„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es sich in meinem Leben um nichts anderes dreht.“
„Weil du die Arbeit zum Mittelpunkt deines Lebens gemacht hast. Du hast doch in den letzten Jahren nichts anderes gemacht. Dann ist es kein Wunder, dass du kein anderes Gesprächsthema hast.“
„Du hast Recht. Was habe ich schon großes getan außer die Schule zu beenden und mich in die größten Abenteuer zu stürzen? Ich habe so oft dem Tod in die Augen geblickt und hatte nie etwas von meinem Leben gehabt…“ Sie sah mir in die Augen. „Ich möchte am Ende meines Lebens nicht zurückblicken und sehen, dass ich mein ganzes Leben nur Monster bekämpft habe.“
„Vielleicht solltest du nachdem wir Dunja gefasst haben eine Pause machen. Dich zurückziehen und einfach mit Freunden durch die Welt reisen. Dinge tun, die du sonst niemals tun würdest…“, schlug ich vorsichtig vor.
„Das wäre eine Option. Doch darf ich das überhaupt? Ich bin Leiterin der Organisation, im Rat vertreten und außerdem habe ich dieses verdammte Tattoo, welches mein Schicksal einfach vorschreibt.“ Sie legte ihre Hand über ihr ‚Principem et protector‘ Tattoo.
„Es ist eine Ehre so ein Tattoo tragen zu dürfen.“
„Es ist eine Ehre und eine Bürde zugleich. Wieso hat er nicht Mason gezeichnet? Er hätte diese Aufgabe so viel besser erfüllen können. Immerhin wird er bald König und da ist es seine Aufgabe sein Volk zu schützen.“
„Den Grund des toten Königs können wir nicht ergründen. Wir können nur raten. Immerhin können wir ihn ja schlecht fragen, warum…. Nein. Nein Caitlin. Das kannst du vergessen.“ Ich hatte das Blitzen in ihren Augen gesehen und sofort reagiert.
„Warum nicht? Es gibt einen Grund warum ich diese Gabe habe!“
„Weißt du eigentlich wie lange der Typ schon tot ist? Wahrscheinlich wirst du ihn noch nicht mal verstehen, weil er eine ganz andere Sprache spricht! Und woher willst du wissen, dass er sich dir überhaupt zeigt?“
„Man kann es doch wenigstens versuchen.“
„Caitlin manche Sachen muss man nicht ergründen!“
„Vielleicht hast du Recht, ich würde nur so gerne wissen warum ausgerechnet ich ausgewählt wurde! Ich meine ich war zu der Zeit gerade mal seit ein paar Tagen verwandelt.“ Ihre verzweifelten Blicke brachten mein Herz dazu sich schmerzhaft zusammenzuziehen. Vorsichtig kam ich auf sie zu, nahm ihre Hand und blickte ihr fest in die Augen.
„Er hat dich ausgewählt, weil du alles tun würdest um die Leute die du liebst zu beschützen. Es ist dir dabei vollkommen egal, ob du dabei drauf gehen könntest oder nicht. Er wusste von Anfang an was für ein mutiger und tapferer Mensch du bist.“ Irrte ich mich oder färbten sich ihre Wangen leicht rot? Ich hatte keine Zeit lange darüber nachzudenken, denn sie spritzte mir Wasser ins Gesicht. Das konnte ich natürlich nicht ungestraft lassen und mit einer kurzen Geste ließ ich das Wasser über ihren Kopf fließen. Ihr spitzer Schrei hallte in der stillen Nacht.
„Na warte Alec! Du kämpfst mit unfairen Mitteln!“, kreischte sie und sprang auf mich zu. Eine richtige Wasserschlacht begann, die ich natürlich gewann. Zu etwas musste die Fähigkeit Wasser zu beherrschen ja nützlich sein. „Okay. Das reicht! Du hast gewonnen.“ Caitlin stand vor mir. Von oben bis unten nass und strich sich ihre Haare aus dem Gesicht.
„Natürlich habe ich gewonnen. Wie hätte ich denn verlieren sollen?“
„Du bist so ein verdammter Angeber.“
Ein Lichtstrahl aus dem Augenwinkel weckte meine Aufmerksamkeit. Als ich einen kurzen Blick nach rechts riskierte, sah ich einen Wachmann, der gerade das Außengelände betreten hatte.
„Verdammt.“ Caitlin hatte ihn ebenfalls entdeckt und machte sich nun auf den Weg zu unseren Klamotten. „Beeil dich Alec.“ Grinsend kam ich ihr hinterher. Ein bisschen Nervenkitzel kam mir nach Wochen der Langeweile doch ganz lustig vor. Wir zogen schnell unsere Hosen und Schuhe an, hoben unsere restlichen Sachen auf und schlichen in Richtung Zaun.
„Hey! Ihr da! Stehen bleiben!“, rief da eine tiefe Männerstimme hinter uns. Schnelle Schritte kamen auf uns zu. Ich lachte. Der bekam uns nie. Im Laufen zogen wir uns unsere T-Shirts über den Kopf. Ich spürte wie Caitlins Hand sich in meine schob und mich nach links zog. Dort wo der Zaun ein wenig niedriger war.
„Los, los, los!“ Sie lachte und schmiss ihre Tasche drüber bevor sie über den Zaun stieg. Ich kletterte ihr hinterher und nahm im Laufen meine Tasche auf. Unbewusst schlug ich den Weg zur Wohnung ein, doch wieder nahm Caitlin meine Hand und zog mich in die entgegengesetzte Richtung.
„Unser Abend ist noch nicht zu Ende. Aber bevor wir weiter laufen, werde ich uns erst mal trocknen.“ Sie hob die Hände und ich spürte die Wärme, die aus ihnen herausströmte. Sie war wie ein menschlicher Fön, dachte mir lächelnd. Kurze Zeit später waren wir vollkommen trocken und liefen noch ein wenig weiter, tiefer in den dunklen Central Park hinein, der vollkommen still vor uns lag und nur noch erhellt wurde von ein paar Straßenlaternen.
CAITLIN
Ich führte Alec tiefer in den Park hinein. An einem kleinen See blieb ich stehen und drehte mich zu ihm um.
„Und jetzt genehmigen wir uns unseren wohlverdienten Mitternachtssnack.“ Ich grinste.
„Aber ich bin doch auf Diät. Das kannst du mir nicht antun!“, jammerte Alec, während er die Decke hervor holte, die ich in meinem Rucksack gestopft hatte und auf dem Boden ausbreitete. Nachdenklich ließ ich meinen Blick einmal provozierend langsam über seinen Körper wandern bevor ich ihm in die Augen sah.
„Stimmt. Du bist wirklich fett geworden. Dann werde ich den Apfelkuchen den mir Miranda gebacken hat eben ganz alleine aufessen müssen.“ Ich seufzte und holte die Tupperdose heraus, die den unglaublich leckeren Kuchen enthielt. „Egal. Mehr für mich.“ Unelegant nahm ich auf der Picknickdecke Platz und bedeutete Alec es mir gleichzutun. Dieser holte noch weitere Dosen hervor. Erdbeeren, meine Lieblingsfrucht, Schokolade und ein paar weitere Kleinigkeiten.
„Weißt du… Ich glaube ich werde meine Diät doch sein lassen. Ich habe sowieso ein bisschen Angst vor dem Jojo-Effekt.“ Ich kicherte.
„Bist du dir sicher?“ Ein heftiges Nicken seinerseits war die Antwort. „Na gut. Aber nur ein kleines Stück.“ Vorsichtig schnitt ich ihm ein Stück des Kuchens ab und legte es ihm auf die Hand. Sofort verschwand das gesamte Kuchenstück in seinem Mund, was ich mit offenem Mund beobachtete. So klein war das Stück nun auch wieder nicht gewesen. Alec kaute und schluckte und sah mich an.
„Was?“
„Du hättest ruhig langsam machen können! Dir nimmt schon niemand was weg.“ Ein Schulterzucken war die Antwort und mir wurde die Dose aus der Hand gerissen.
„Aber dir.“
„Hey!“ Empört starrte ich den Typen an, der sich nun gierig ein weiteres Stück in den Mund schob. „Du bist unglaublich, weißt du das?“
„Unglaublich attraktiv und anziehend?“
„Unglaublich verfressen.“ Ich langte nach der Dose, die Alec mir mehr oder weniger freiwillig überließ. „Danke.“ Stumm setzten wir unser Essen fort. Es war still, der Lärm den die Stadt normalerweise veranstaltete war hier an diesem Platz kaum zu hören. Die Menschen saßen alle in ihren Häusern, sodass wir den Park nur mit ein paar Obdachlosen teilten, die ihren Schlafplatz auf den Bänken des Parks hatten. Die Jogger und Hundebesitzer hatten ihre Runden schon beendet und Wachmänner kamen selten hier vorbei.
Satt und zufrieden legte ich mich nach dem Essen flach auf den Rücken und seufzte leise als ich die Sterne beobachtete. Ich liebte New York einfach. Es war so anders als England, aufregender, neuer und laut und trotzdem hatte ich mich auf den ersten Blick in die Stadt verliebt. Ich drehte mich auf die Seite, stützte mich auf den Unterarm und beobachtete Alec, der die Augen geschlossen hatte. Er schien ausgeruhter und glücklicher zu sein, als er es in England gewesen war. Doch das konnte doch nicht sein, wenn er Zuhause eine Verlobte sitzen hatte.
„Was ist?“ Ich hatte gar nicht gemerkt, dass Alec seine Augen geöffnet und mich schon eine Weile beobachtet hatte. Ich schüttelte den Kopf.
„Nichts. Ich habe nur nachgedacht.“
„Und worüber? Worüber zerbricht sich die Prinzessin jetzt den hübschen Kopf?“
„Komplimente ziehen bei mir nicht mehr Alec.“
„Nicht seitdem du jeden Tag hunderte zu hören bekommst?“ Ich lachte.
„Es sind nicht immer hunderte. Manchmal sind es mehr, manchmal weniger.“ Alec schüttelte den Kopf und schmunzelte.
„Dass du noch nicht völlig abgehoben bist wundert mich.“
„Wieso abgehoben? Hier ist niemand abgehoben. Ich kann ja nichts dafür, dass ich einfach geil bin.“ Grinsend ließ ich mich wieder zurückfallen, wurde dann aber ernst. „Eigentlich kann ich diese ganzen Komplimente nicht mehr hören. Es sind immer die gleichen oberflächlichen Kommentare. „Du siehst echt heiß aus“, „Wow. Wo hast du so kämpfen gelernt?“, „Na? Wie wär‘s mit uns beiden?“. Egal wo ich bin ich werde immer durch mein Aussehen und meine Kampftechniken definiert.“ Ein bitteres Lachen entfuhr mir. „Erst hat mir die ganze Aufmerksamkeit gefallen. Besonders nachdem ich… das Land verlassen habe. Aber irgendwann ging mir die Oberflächlichkeit der Menschen und Vampire einfach nur noch auf die Nerven.“
Alec schwieg für eine ganze Weile. Wir sahen einfach nur hinauf in den klaren Sternenhimmel.
„Du darfst das alles nicht zu sehr überdenken. Die Oberflächlichkeit ist etwas völlig natürliches. Sie gehört zu uns allen dazu. Die meisten denken sich gar nichts dabei. Und das solltest du auch nicht.“
„Nein, das sollte ich tatsächlich nicht.“ Schweigen füllte daraufhin die stille Nacht. Leise hörte man im Hintergrund die Geräusche der Stadt. Das Brummen der Autos, Menschen und Musik.
„Caitlin! Schau mal! Sternenschnuppen!“, rief Alec irgendwann aufgeregt. Ich öffnete träge meine Augen und sah nach oben. Tatsächlich war der Himmel erfüllt mit Sternenschnuppen.
„Es sieht aus wie der Fall der Engel bei Supernatural. Einfach wunderschön.“ Und so verbrachten wir die Nacht mit dem Bewundern der sterbenden Sterne.
Texte: Alle Rechte liegen bei der Autorin
Bildmaterialien: Any Shaw
Tag der Veröffentlichung: 15.02.2014
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch meinen Lesern, die mich zum Schreiben antreiben und mich dazu anspornen die Geschichte von Caitlin weiter zu schreiben auch wenn ich dann einmal eine Schreibblockade habe. Ich danke euch!
Ein ganz großer Dank gebührt meiner kleinen Schwester Hannah, die mich immer anschreit das Buch weiter zu schreiben. Danke kleine Schwester! :)