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Prolog

Einige von uns kollabieren, wenn sie Blut sehen. Andere dagegen erregt der Anblick des roten Lebenssaftes.

Sie haben bei seinem Anblick nur noch einen Gedanken. Trinken.

Die meisten können ihren Blutdurst beherrschen, doch es gibt auch welche, die dies nicht können oder wollen. Strigoi. Böse Vampire. Und vor ihnen solltest du dich fürchten, denn sie sind schlimm. Schlimmer als jeder Mörder.

Sie töten ohne mit der Wimper zu zucken. Sie sind Seelenlos und haben kein Gewissen.

Halte dich von ihnen fern.

Wenn du ihnen begegnest, renn. Renn so schnell du kannst. Denn du kannst sie nicht töten.

Kapitel 1

Die Vorsicht stellt der List sich klug entgegen.

(Johann Wolfgang von Goethe)

 

 

CAITLIN

 

Es war ein regnerischer Tag. Ich war auf dem Weg zu der Bücherhalle und konzentrierte mich nicht auf die Straße. Wieso sollte ich auch? Ich kannte den Weg auswendig. In der einen Hand hatte ich einen Kaffee von Starbucks, in der anderen mein iPhone mit dem ich gerade eine SMS an meine beste Freundin Sarah schrieb. Plötzlich lag ich auf dem Boden.

„Hey pass doch auf!“, sagte ich wütend. Ich hob meinen Kopf und sah in wunderschöne grüne Augen, die mich musterten.

„Sorry.“, entschuldigte sich der Junge zerknirscht und hielt mir seine Hand entgegen. Ich ignorierte die ausgestreckte Hand und stand auf. Meine Jacke war voller Kaffee und ich zog sie aus. Auch wenn es nicht gerade warm war, denn ich wollte nicht mit einer dreckigen Jacke herum laufen. Sofort wurde mir kalt. Was aber klar war. Ich hatte ja nur eine schwarze Bluse und eine beige Hose an. Und es war ja gerade erst Frühling!

„Vielen Dank für den Kaffeefleck auf meiner Jacke. Wirklich super hingekriegt.“, zischte ich. Ohne den Jungen noch einmal anzusehen hob ich mein iPhone auf und verschwand ich in der warmen Bücherhalle, die zu meinem Glück genau auf der anderen Seite war.

 

Als ich die Bücherhalle betrat seufzte ich leise auf. Ich setzte mich in eine kleine Ecke auf eine Couch, wo man von dem Eingang aus, nicht gesehen werden konnte und legte mir das Buch 'Die Säulen der Erde' auf den Schoß. Mein Vater hatte mich gezwungen das Buch zu lesen. Er meinte, dass ich davon hingerissen sein würde. Also tat ich wie immer das, was mein Vater von mir verlangte.

Ich versuchte mich in das Buch hineinzuversetzen, was aber kläglich misslang, denn meine Gedanken wanderten immer wieder zu dem Jungen mit den grünen Augen.

Aber der Idiot sah auch echt heiß aus. Seine Augen sahen so aus als würden sie direkt in meine Seele sehen. Und er hatte irgendetwas magisches an sich. Ich schüttelte den Kopf. 'Reiß dich zusammen Caitlin. Es ist nur ein Junge:', ermahnte ich mich. Aber was für einer.

Und als wäre das nicht schon genug, setzte sich plötzlich jemand neben mich auf die Couch. Eigentlich wollte ich die Person ignorieren, doch ich konnte irgendwie nicht meine Neugier unterdrücken und schielte zur Seite. Zum Glück wurde mein Gesicht von meinen Haaren verdeckt, sodass ich ungehindert sehen konnte wer sich da neben mich gesetzt hatte.

 

Als ich erkannte um wen es sich handelte, stöhnte ich innerlich auf. Der Junge von eben saß neben mir, sah auf sein Handy und schrieb eine SMS. Seine schwarzen Haare hingen ihm ins Gesicht und er strich sie sich mit einer ungeduldigen Bewegung aus dem Gesicht. Jetzt würde ich mich nie konzentrieren können. Was machte dieser Idiot eigentlich hier? Er wollte bestimmt kein Buch lesen!

Ich klappte sauer das Buch zu und stand auf. Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren wenn der Typ in der Nähe war.

„Das ist eine Bibliothek das weißt du schon, oder? Hier kommt man her um ein Buch zu lesen und nicht um auf sein Handy zu starren.“, erklärte ich ihm. Jedoch ignorierte er mich und tippte weiter auf sein Handy ein. Was für ein Idiot.

Gerade als ich das Buch in meine Tasche packte sprach mich der unbekannte Junge jedoch an: „Hey. Tut mir wirklich leid wegen eben. Ich würde dich gerne auf einen Kaffee einladen. Den schulde ich dir doch.“ Er lächelte mich freundlich an und stand ebenfalls auf. Schnell überlegte ich. Sollte ich sein Angebot annehmen?

„Okay.“, gab ich zögernd nach. Wieso hätte ich denn auch ablehnen sollen? Der Junge schien sich zu freuen und reichte mir seine Hand.

„Ich bin Alec. Und du?“, stellte er sich vor.

„Caitlin.“, sagte ich und schüttelte seine Hand. Er lächelte und wir gingen gemeinsam aus der Bibliothek.

„Caitlin. Wo kann man denn hier in ein Café gehen? Weißt du ich bin neu und kenne mich nicht sehr gut aus hier.“ Ich musste grinsen und lotste ihn in Richtung Starbucks, dem Treffpunkt aller Jugendlichen in Oxford.

Normalerweise mied ich Cafés wie solche wie die Pest, doch heute kam es mir total gelegen, denn ich hatte keine Lust noch länger als nötig in der Kälte rum zu laufen. Auch heute war das Café brechend voll.

Überall saßen die Jugendlichen und unterhielten sich über den neusten Quatsch. Alec und ich fanden noch einen Tisch für zwei in einer ruhigen Ecke und setzten uns.

„Warte ich hole kurz unsere Getränke. Was hättest du gerne?“, fragte Alec.

„Ein Cappuccino wäre super.“ Er nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte und machte sich auf den Weg.

Neugierig sah ich mich um und fing fast sofort den Blick von der beliebtesten Clique der Schule auf. In meinem Inneren schlug ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn.

Dass das unbeliebte Mädchen mit einem super heißen Unbekannten im Starbucks saß, würde Getratsche geben. Das wusste ich sofort, als ich ihnen in die Augen sah. Und ich würde in Schwierigkeiten stecken. Das wusste ich sofort als ich Chloe ansah.

Mit einem Selbstbewusstsein, welches mich selbst erschreckte, setzte ich mich auf und lächelte denen freundlich zu.

Dann holte ich mein Handy raus und schrieb meiner Mutter, dass es etwas später werden könnte und sie ohne mich nach London zu meiner Tante fahren konnten. Als ich fertig war und meine Mutter mir eine Standpauke gehalten hatte, dass ich sie doch nicht einfach allein zu Tante Dorothea schicken könnte, schrieb ich meinen Freundinnen Sarah und Jana eine SMS worin ich sie fragte ob sie Lust hätten bei mir zu übernachten. Ich meine es war Freitag, meine Eltern und meine Schwester würden nicht da sein und ich würde mich Zuhause völlig langweilen. Zwei Minuten später hatte ich meine Antwort. Sie sagten zu und wir verabredeten uns für acht Uhr.

„Wem schreibst du denn da?“, fragte Alec plötzlich neben meinem Ohr. Ich zuckte zusammen, drehte mich zu ihm um und lächelte.

„Eigentlich geht dich das nichts an aber ich verrate es dir. Mit meinen besten Freundinnen.“ Alec setzte sich an den Tisch und sah mich an während ich mein Handy wegsteckte.

„Und wie alt bist du Caitlin?“, fragte er.

„16. Du?“, antwortete ich.

„19.“

„Gehst du hier in Oxford zur Schule?“, fragte ich. Gleichzeitig schlug ich mir innerlich gegen die Stirn. Der Typ war 19! Da ging man nicht mehr zur Schule.

„Klar. Ins Oxford International College. Ich muss die letzte noch mal wiederholen. Ich hab ja mitten im Schuljahr gewechselt.“

„Cool. Dann werden wir uns wohl oft sehen. Ich geh auch da drauf. Ich muss dich warnen. Viel Zickenkrieg und Konkurrenzkampf in unserem Jahrgang. “ Er lachte kehlig auf. Irgendwie mochte ich sein Lachen. Es klang sexy und männlich. Es passte zu ihm.

„Damit kann ich leben. Ich komme gut mit Menschen klar.“ Das hätte ich mir denken können. Bei seinem Aussehen konnte es ja nicht anders sein. Wahrscheinlich war er der totale Playboy. Was aber nicht erklären würde was er mit mir machte. Wieso er sich überhaupt mit mir abgab.

„Du wirst wahrscheinlich nicht viel mit den Leuten aus meinem Jahrgang zu tun haben. Außer natürlich mit den Mädchen.“ Er fing an zu grinsen.

„Du hast mich also schon durchschaut.“

„Ich wusste es vom ersten Moment an, dass du ein Player bist.“ Ich verdrehte die Augen. „Solche wie dich erkennt man schnell an ihrem Aussehen und ihrem Auftreten. Auch wenn ich sagen muss, dass du ein ganz nettes Arschloch bist soweit ich das bis jetzt beurteilen kann.“

„Danke. Aber ein Themawechsel bitte. Ich denke nicht, dass du meine Frauengeschichten hören willst.“, lachte er. Ich nippte an meinem Cappuccino und kam nur zu gerne seinem Wunsch nach.

„Hast du Geschwister?“, fragte ich neugierig.

„Ja. Eine kleinere Schwester. Die lebt aber bei meiner Mutter.“, sagte er. Irrte ich mich oder klang er ein klein bisschen traurig? „Du?“

„Ja. Eine kleine Schwester. Und wo kommst du her?“, fragte ich neugierig. Mir war sein Akzent aufgefallen. Auch wenn ich nicht aus England kam, sondern aus Deutschland, wusste ich wann jemand nicht Engländer war.

„Deutschland. Besser gesagt auf Hamburg.“, antwortete er. Das hätte ich mir denken können. Sein Akzent hatte ihn verraten. „Lass mich raten. Du kommst auch nicht aus England.“

„Nein, tue ich nicht. Ich komme aus...“

„Hey Caitlin.“, säuselte plötzlich eine Stimme neben mir und unterbrach mich mitten im Satz. Sie gehörte Chloe. Der Schulschlampe. Wow. Sie kannte meinen Namen! Ein Wunder! „Willst du mir nicht deinen Freund vorstellen?“, fragte sie.

„Klar. Alec? Das ist Chloe. Chloe, Alec. Nun...“ Ich machte eine Pause und holte Luft. „Ich muss auch gehen. Willst du ihm nicht Gesellschaft leisten Chloe? Er ist neu hier und kennt sich nicht so gut in der Gegend aus.“, fragte ich freundlich.

„Klar! Gerne.“ Sie machte mir Platz als ich aufstand und meine Sachen nahm. Dann setzte sie sich auf meinen Platz.

„Ihr werdet euch bestimmt super verstehen.“ Ich sah ihn mitleidig an, denn irgendwie tat er mir schon leid. Auch wenn er durch sie seinen Sex bekam. Sie würde aber echt anhänglich sein wenn sie Sex mit ihm gehabt hatte. Und so wie ich ihn einschätzte, war er nicht der Beziehungstyp. „Wir sehen uns Montag in der Schule!“, verabschiedete ich. Ich bemerkte den verwirrten Blick von Alec auf meinem Rücken, doch ich drehte mich um und ging mit schnellen Schritten, aber trotzdem so langsam, dass es nicht so aussah als würde ich flüchten, aus dem Café.

 

 

 

„Vielleicht war das doch keine gute Idee Süße!“, überlegte Sarah. Sie stand vor dem Fernseher im Wohnzimmer, während ich es mir mit Jana zusammen auf der großen Couch gemütlich machte. Vor uns auf dem Tisch lagen viele Süßigkeiten und Getränke. Alles was das Herz begehrte war vorhanden. Ich hatte auch eine Flasche Sekt aufgemacht, sodass wir uns einen richtigen Mädelsabend machen konnten.

„Was hätte ich sonst tun sollen?“, fragte ich verständnislos. „Ihre Augen schrien beinahe 'Das ist meiner!' Und du weißt, was mit der Letzten passiert ist, die sich 'ihren Freund' geschnappt hat!“

„Okay... Du hast Recht. Keine gute Idee. Leg dich nicht mit denen an.“, warnte mich Jana. Aber das hätte sie mir nicht sagen brauchen, denn das war ja selbstverständlich. Hatte man einmal Chloe und ihre Clique als Feind, war einem die Schule ein Horror. Sarah legte den Film ein und kam dann zu mir auf das Bett. Wir sahen uns den Film Romeo & Julia an. Wir alle drei liebten solche Schnulzenfilme und trafen uns andauernd um ein paar solcher Filme zu sehen. Normalerweise war auch unser dreier Freund Tristan mit von der Partie, doch er konnte dieses Wochenende nicht, denn er machte mit seiner Familie einen Ausflug nach Birmingham.

„Und wie war euer Tag so?“, wollte ich wissen.

„Oh! Er war der Hammer! Wir waren shoppen und haben deinen besten Freund getroffen. Er war mit seiner Freundin unterwegs. Sie sind echt das totale Traumpaar!“, schwärmte Jana.

„Hä? Tristan hat doch keine Freundin? Und er ist doch mit seiner Familie in Birmingham.“, fragte ich verwirrt. „Oder hab ich was verpasst?“

„Sie meinte Max. Dein Ex bester Freund.“ Oh man.

„Und das soll mich interessieren? Wir haben uns auseinandergelebt Jana! Das weißt du doch! Er wollte vor zwei Jahren nichts mehr mit mir zu tun haben und das habe ich respektiert. Er interessiert mich nicht. Also nerv mich bitte nicht mit irgendwelchen Geschichten von ihm.“

„So wie du reagierst, interessiert er dich immer noch.“ Sie wollte gerade weiter reden als es an der Tür klingelte. Überrascht sah ich die beiden anderen an.

„Wer kann das wohl sein?“, rätselte Sarah.

„Wir werden es gleich herausfinden.“, meinte ich uns stand auf. Ich rückte mein schlabberiges T-Shirt und meine Jogginghose zurecht und öffnete die Tür.

 

 

Mir fielen beinahe die Augen heraus. War das nicht Alec? Bitte lass das nicht wahr sein!

„Hey Caitlin.“, grinste er. „Schickes Outfit.“„Okay. Was willst du hier und woher weißt du wo ich wohne?“, wollte ich wissen ohne auf sein Kommentar einzugehen. Auch wenn ich merkte, dass ich rot wurde.

„Na ja eigentlich wussten James und ich gar nicht, dass du hier wohnst. Wir wollten uns eigentlich nur als neue Nachbarn vorstellen.“ Erst jetzt bemerkte ich den Jungen, der schräg hinter Alec stand. Er hatte azurblaue Augen und dunkelblonde Haare, ein weißes T-Shirt an und (natürlich) eine Lederjacke darüber. Seine Haare waren wirklich kunstvoll gestylt und er machte einen netten Eindruck. Und. Oh. Mein. Gott. Ich hatte genau die gleiche Augenfarbe! Und die gleiche Nase. Glaube ich zumindest. Gruselig. Er könnte mein Bruder sein!

„Oh. Hey.“ Er sah mich kurz an und nickte mir kurz zu. Dann riss er seinen Kopf nach oben und starrte mich genauso an wie ich ihn. Okay. Sehr gruselig! Alec wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum.

„Hey Caitlin! Ich weiß, dass James gut aussieht. Du musst ihn nicht anstarren.“, riss er mich aus meiner Starre.

„Wollt ihr reinkommen?“ Immer höflich bleiben. Ich hatte eigentlich keine Lust auf die beiden, denn wir wollten doch ein Mädelsabend machen, aber sie einfach wegzuschicken wäre unhöflich gewesen. Und ich war neugierig wie sein Freund wohl war. Bestimmt genau das Gegenteil von ihm. So war es doch meistens.

„Gerne.“, sagte Alec. Ich trat zur Seite und ließ sie eintreten was sie natürlich sofort taten. Als sie ihre Schuhe ausgezogen hatten, folgten sie mir ins Wohnzimmer. Meine Freundinnen sahen uns neugierig entgegen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, meinte ich: „Sarah, Jana. Das sind unsere neuen Nachbarn. Alec und James.“

„Nett euch kennenzulernen.“, meinte James charmant und reichte den beiden die Hand.

„Hey. Seid ihr die Freundinnen von Caitlin von denen sie heute im Café geredet hat?“, wollte Alec wissen.„Du bist echt neugierig Alec!“, stöhnte James.

„Ich denke, die sind wir.“, antwortete Sarah.

„Ist er dein Bruder?“, fragte Jana James.

„Zum Glück nicht! Er würde mich verrückt machen!“

„Dito. Aber das werde ich jetzt auch. Ich meine wir leben ja jetzt zusammen.“

„Oh, oh.“, entschlüpfte es Sarah. Ich schüttelte den Kopf und wandte mich Alex zu, der mich die ganze Zeit beobachtete.

„Was ist?“, fragte ich ihn direkt. Ich hasste es von anderen beobachtet zu werden.

„Was war das eigentlich mit heute? Wieso hast du mir diese Chloe auf den Hals gehetzt?“

„Ach ich musste los. Und sie hat dich doch perfekt unterhalten oder etwa nicht?“ Ich lächelte ihn zuckersüß an.

„Na ja. Unterhalten haben wir uns gar nicht...“, meinte er und grinste flegelhaft. Sie sind also gleich zur Sache gekommen. Wusste ich doch, dass er ein Playboy war! Irgendwie hatte ich das sofort gemerkt. Ein Glück für meine Menschenkenntnis! Also nahm ich mir vor ein wenig Abstand zu ihm zu nehmen. Auch wenn er echt gut aussah. Das musste man ihm lassen.

„Ich hoffe sie hat deine Erwartungen erfüllt.“, meinte ich und wandte mich ab. Ich hörte ihn hinter meinem Rücken lachen.

„Wirklich? Ihr guckt euch 'Romeo und Julia' an? Wieso tut ihr euch das freiwillig an?“, riss mich James Stimme aus den Gedanken. Er starrte das Bild an das Jana gestoppt hatte als es an der Tür geklingelt hatte. Der Titel des Filmes wurde gerade eingeblendet.

„Ja. Wir sind Mädchen! Da macht man so etwas!“, meinte Sarah spitz.

„Doch still, was schimmert durch das Fenster dort? Es ist der Ost, und Julia die Sonne!“, flüsterte Alec mir in diesem Moment zu so laut, dass es die anderen auch hören konnten und ich zuckte leicht zusammen, weil er mir so nahe war. Unauffällig rückte ich ein Stück von ihm weg.

„Du kennst es also? Und kannst sogar daraus zitieren?“ Sarah sah ihn neugierig an.

„Klar. In Hamburg musste ich in der Schule den Romeo spielen.“„Nicht ehrlich! Caitlin musste das auch!“, rief Jana begeistert.

„Was? Romeo spielen?“, fragte James verdutzt.

„Nein, du Idiot! Ich war Julia!“, stöhnte ich.

„Und wen musstest du küssen?“, fragte Alec.

„Ihren Besten Freund!“, antwortete Sarah, bevor ich antworten konnte. Genervt verdrehte ich meine Augen!

„Was haben wir eben besprochen?“

„Okay. Okay. Dein Ex besten Freund! Da bist du echt hart oder?“ Ich nickte.

„Ihr seid echt cool.“, meinte James.

„Warte bis Montag. In der Schule wirst du wissen, dass wir nicht cool sind.“, widersprach Sarah.

„Richtig. Eigentlich gehören wir zur Mittelschicht. Wenn du mit den Coolen abhängen willst musst du dich nur an Alec hängen. Der hat die Jahrgangskönigin auch bekannt als Schulschlampe schon kennengelernt.“ Ich sah Alec an, der mich grinsend musterte.

„Oh. Dann habe ich gute Chancen nach oben zu kommen. Sie scheint mich zu mögen.“ Alec sah mich provozierend an.

„Ja. Mögen tut sie dich bestimmt. Sie vergöttert dich regelrecht.“, antwortete ich ihm schnippisch.

„Woher willst du das denn wissen?“, fragte James. „Ich dachte ihr kommt nicht gut miteinander klar?“

„Nein. Aber ich bin ein Mädchen und kenne sie. Wenn ich sage, dass sie auf dich steht und dich für sich haben will, dann kannst du mir ruhig vertrauen.“ Meine Freundinnen, die den Austausch belustigt verfolgt hatten mischten sich jetzt ein.

„Bei so etwas kannst du uns wirklich vertrauen.“, meinte Jana.

„Wir haben einen Sinn dafür.“

„Es ist fast so als hätten wir eine Gabe, die es uns ermöglicht zu sehen ob ein anderes Mädchen auf einen Jungen steht oder nicht.“, erklärte ich. James und Alec warfen sich einen unheimlichen Blick zu.

„Na ja. Wir lassen euch jetzt allein. Wir sehen uns!“, verabschiedeten sich die beiden.

„Bis dann!“, antworteten meine beiden Freundinnen. Die beiden Jungs gingen zur Tür und ich begleitete sie.

„Also. Wir sehen uns.“, verabschiedete ich mich.

„Joa. Bis dann.“ Und schon ging James. Verwirrt sah ich ihm hinterher. Was war denn mit dem los? Es schien so als würde er vor uns flüchten.

„Hey. Du schuldest mir noch ein neues Treffen!“ Alec grinste schief und holte mich aus meinen Gedanken. Schon wieder!

„Ach. Tue ich das?“ Mit einer hochgezogenen Augenbraue und schief gelegten Kopf sah ich ihn an.

„Klar. Du bist einfach abgehauen!“

„Wenn ich mich recht entsinne, habe ich dem Treffen zugestimmt, weil du mir meine Jacke ruiniert hast!“

„Ja okay. Stimmt.“ Lachend wedelte ich mit den Händen.

„Geh jetzt. Ich will den Film heute noch gucken!“

„Die scheucht mich einfach weg!“ Er schüttelte den Kopf. Dann nahm er meine Hand und küsste ganz leicht meinen Handrücken. „Gute Nacht holde Maid.“

„Nacht Prinz Alec. Ritter aller Mädchenherzen. Und willkommen in Oxford.“ Er lachte und ging rückwärts die Treppe hinunter. Ein Wunder, dass er dabei nicht runter fiel.

Ich sah ihm nach wie er über die Straße ging und die Tür seines Hauses aufschloss. Dann war er im gegenüberliegenden Haus verschwunden.

 

 

 

JAMES

 

Ich war schon Zuhause und telefonierte mit meinem Vater.

„Das ist echt gruselig. Sie hat so viel von dir. Die Augen, die Nase... Und sie hat auch so große Ähnlichkeiten mit mir...“

„James. Das kann nicht sein. Das weißt du doch.“

„Und was wenn doch? Du hast Mutter doch erst ein Jahr nachdem ihr mich bekommen habt verlassen. Und ich denke, dass in dieser Zeit viel passiert sein könnte.“

„James! Darüber redet man nicht!“, donnerte mein Vater.

„Natürlich tut man das nicht. Entschuldigung Vater. Aber wenn du sie dir einmal ansehen könntest...“

„Ich muss sowieso am Montag mit zu eurer Schule kommen und euch einschreiben... Dann kann ich sie mir ja mal angucken.“

„Na dann. Gute Nacht Vater. Wir sehen uns dann am Montag.“

„Gute Nacht mein Sohn. Bis Montag.“ Er legte auf. Es war manchmal echt schwer der Sohn meines Vaters zu sein.

Plötzlich kam Alec ins Zimmer. „Du glaubst also wirklich daran?“

„Es kann doch kein Zufall sein oder? Sie ist irgendwie das Ebenbild von mir.“

„Das muss nicht heißen, dass sie deine Schwester ist!“

„Das könnten wir doch herausfinden. Wenn du sie näher kennen lernst... Dann lernst du vielleicht auch mal ihre Eltern kennen lernen und kannst überprüfen ob das wahr sein könnte.“

„Und was wenn ich keine Lust habe?“, wollte er trotzig wissen.

„Och. Komm schon! Du bist mein Bester Freund! Tu mir diesen Gefallen!“

„Es geht auch einfacher. Versuch doch einfach mit ihr zu telepatieren?“

„Das geht nur wenn sie weiß, dass wir verwandt sind. Und wenn sie weiß was sie ist... Wenn sie denn ein Vampir ist.“

„Das erschwert natürlich die Sache. Kann dein Vater nicht herausfinden wer ihre Eltern sind? Ich meine er hat doch diese Fähigkeit.“

„Das ist es! Er könnte es am Montag machen wenn er uns in der Schule anmeldet! Wieso bin ich da nicht früher darauf gekommen?“

„Tja. Für die genialen Pläne bin ich doch da! Und weißt du eigentlich, dass sie mir einen Korb gegeben hat?“

„Nicht ehrlich?“, lachte ich. „Dass der berühmte Playboy Alec mal einen Korb bekommt! Dass ich das mal erlebe hätte ich niemals gedacht!“

„Hey! Das ist nicht lustig!“, meinte er beleidigt. „Das war eine Beleidigung meiner Person! Und es könnte meinem Ruf schaden!“

„Als ob ein einziges Mädchen deinem Ruf schaden würde!“, lachte ich.

Kapitel 2

Die Masse ist doch ein grausames und charakterloses Gebilde, so als elementärer Klumpen gesehen, während doch die einzelnen , fast alle, menschlich sympathisch sind.

(Heinrich Böll „Briefe aus dem Krieg“)

 

 

CAITLIN

 

Sarah und Jana laberten mich die ganze Zeit voll wie heiß die beiden waren. Langsam ging mir das echt auf die Nerven.

Ich hatte echt anderes zu tun als darüber zu diskutieren wie gut ich zu Alec beziehungsweise zu James passen würde. Oder wie gut die beiden zu einem der beiden Jungs passen würden...

Meine Gedanken kreisten eher um das Thema wieso James mir so ähnlich sah. Ob das ein Zufall war? Oder waren wir irgendwie verwandt?

„Können wir uns bitte auf den Film konzentrieren? Wir schreiben am Montag einen Test darüber! Das wisst ihr schon oder?“

„Ja aber...“, fing Jana an.

„Nichts aber! Ich hab echt keine Lust darauf über die beiden Jungs zu reden!“

„Wieso bist du eigentlich so schlecht gelaunt?“

„Ach. Ich hab keine Ahnung.“, wich ich aus. Ich war nicht so eine, die alles ihren Freundinnen erzählte. Ich fraß alles in mich hinein. So lange bis ich platzte. Und wenn das passierte konnte ich zur Killermaschine werden. „Lasst uns einfach den Film gucken und dann irgendwas anderes machen. Er geht sowieso nur noch eine halbe Stunde.“ Sie nickten und wir schwiegen.

Dann als der Film zu ende war, heulten wir Rotz und Wasser. Wie immer wenn wir solche Filme sahen. Aber mal ehrlich. Wie konnte man so blöd sein und denken, dass eine schlafende Julia tot ist? Ich meine sie atmet noch und ihr Herz schlägt noch als Romeo eintrifft. Ernsthaft! Wie konnten die alle nur so blöd sein und denken, dass sie tot ist? Jeder Einzelne hat das gedacht!

Dann räumte ich auf, während die beiden anderen schon mal in mein Zimmer gingen. Ich rief meine Mutter an und redete ein wenig mit ihr.

 

An diesem Wochenende schliefen meine Freundinnen und ich nicht sehr viel. Wir verbrachten unser Wochenende im Bett und sahen uns alle möglichen Filme an. Und natürlich quatschten wir bis spät in die Nacht. Dem Thema James und Alec wich ich immer gekonnt aus und wechselte das Thema wenn wir auf sie zu sprechen kamen.

Meine Eltern und meine Schwester kamen kurz nach Mittag am Sonntag zurück und waren fröhlicher Stimmung. Doch ich bekam nicht viel von ihren Erzählungen mit. Denn ich war einfach viel zu müde und mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt. Deswegen ging ich am Abend früh ins Bett, damit ich nicht am Montag so aussah wie eine Leiche.

 

 

 

Am nächsten Morgen stand ich murrend auf und schaltete mein Wecker aus. Ich ging duschen und zog mir dann meine schwarz, weiße Schuluniform an. Sie bestand aus einem schwarzen Faltenrock, der nicht zu kurz und nicht zu lang war, einer weißen Bluse, einem schwarzen Blazer und einer schwarzen Krawatte. Auf meinem Blazer war das Wappen der Schule auf gestickt. Zwei rote miteinander überkreuzte Rosen. Mir gefiel das Wappen irgendwie. Es sah Königlich aus.

Ich lockte meine langen, braunen Haare und schminkte mich dezent.

Ich ließ Anastasia bis um 7 schlafen dann weckte ich sie und wir aßen zusammen zum Frühstück. Nach dem Zähneputzen packte ich meine Sachen ein und verabschiedete ich mich von meinem Vater und meiner Schwester. Diese mussten zur Arbeit und zur Schule.

Ich ging nach unten brachte das Fahrrad meiner Schwester und auch meins nach oben und wartete auf Nathalie. Einer Freundin von mir mit der ich jeden Tag zur Schule fuhr.

Schweigend, wie eigentlich jeden morgen fuhren wir gemeinsam zur Schule. Die Stille wurde nur unterbrochen wenn wir uns über die verschiedenen Lehrer unterhielten oder uns über die Schulfächer aufregten. Als wir in der Schule ankamen war ich richtig wach.

„Tschüss bis später!“ Ich verabschiedete mich von Nathalie und ging zu Sport. Wir machten gerade Volleyball. Wie ich es hasste. Zum Glück hatten wir es nur einmal in der Woche. Dafür aber einmal in den ersten beiden und einmal in der letzten. Das hieß drei Stunden an einem Tag.

Doch Sport war das einzige Fach, welches ich nicht zusammen mit meinen Freunden hatte, denn ich hatte es auf erhöhten Niveau. Auch wenn ich gerne außerhalb der Schule Sport machte, konnte ich Schulsport einfach nichts abgewinnen. Meine Freunde und ich hatten zwar zur gleiche Zeit aber eben in verschiedenen Kursen. Aber unsere Kurse waren nur durch einen Vorhang getrennt. Das hieß wir redeten schon mal zusammen wenn wir keinen Bock auf Sport hatten.

 

 

Nach der Stunde zog ich mich um und lief zu meinen Freunden, die es sich auf einer Bank im Schatten eines Baumes gemütlich gemacht hatten.

„Caitlin!“, rief Jana. „Hier sind wir!“ Unnötig es zu sagen. Ich hatte sie doch schon längst gesehen. Wir umarmten uns und dann begrüßte ich auch die anderen. Sarah schrieb gerade Hausaufgaben ab. Genauso wie Chris.

„Solltet ihr eure Hausaufgaben nicht Zuhause machen?“, fragte ich sie streng.

„Ja. Die haben es einfach mal vergessen!“, antwortete Tristan mir anstelle von den beiden. Ich verdrehte die Augen und umarmte meinen besten Freund.

„Typisch die beiden!“, lachte ich.

„Ist das ekelhaft wie Chloe ihre Zunge in den Mund von Alec schiebt.“, sagte Jana kurze Zeit später. Ich suchte den Schulhof nach Alec ab und fand ihn am anderen Ende. Er saß auf einer Bank, Chloe auf seinem Schoß. Sie gingen echt ran. Sie war zwar dumm, doch sie sollte den Unterschied zwischen Bordell und Schulhof wirklich kennen. Verächtlich schnaubte ich und wandte den Blick ab.

„Ihr kennt den Neuen?“, fragte Tristan neugierig.

„Ja. Wir kennen beide. Sie sind meine neuen Nachbarn.“, erzählte ich.

„Ernsthaft? Aber du kennst ihr doch nicht nur vom vorstellen als neuer Nachbar oder?“

„Nein. Er und ich waren Cappuccino trinken, weil er mir meine Jacke mit Kaffee versaut hat.“

„Und? Dein erster Eindruck?“

„Arschloch! Definitiv! Auch wenn Sarah und Jana anderer Meinung sind. Sie meinten sogar, dass wir super zusammen passen würden!“ Ich schüttelte mich bei dem Gedanken. „Hätte er wohl gerne! Ich bin doch nicht eine seiner Schlampen!“

„Richtige Einstellung Cat! Such dir lieber einen, der zu dir passt und dich wirklich liebt. Nicht einer, der dich nur ins Bett bekommen will.“

„So jemanden wie dich?“ Ich grinste ihn an.„So jemand coolen hättest du wohl gerne!“ Er boxte mir spielerisch in die Seite.

Wir redeten noch eine Weile und dann kam unsere Lehrerin Frau Fischer.

„Oh. Ich halte jetzt meinen Vortrag. Wünsche mir Glück!“ Und mit diesen Worten liefen Jana, Sarah und ich hinter unserer Lehrerin her.

 

Der Vortrag war echt gut. Das glaube ich jedenfalls, denn Frau Fisher hatte immer wieder zustimmend genickt und uns eine gute Kritik gegeben.

Dann gerade als ich mich auf meinen Einzelplatz gesetzt hatte (meine Lehrerin meinte ich quatsche zu viel...), klopfte es an der Tür.

„Herein!“, sagte meine Lehrerin und wartete. Schon kam Herr, oh entschuldigt Mister Chamberlain, herein. Unser Stellvertretender Schulleiter.

„Oh. Was kann ich für Sie tun, Sir?“, fragte Mrs. Fisher zuckersüß. Meine Freundinnen und ich hatten schon lange das Gefühl, dass sie auf Mr. Chamberlain stand. Was wir natürlich nicht verstehen konnten. Aber die Erwachsenen hatten sowieso andere Geschmäcker als wir.

„Ich würde gerne mit Miss Adams aus ihrem Unterricht entführen.“ Und schon fing das Raunen in der Klasse an. Manche Jungs waren sogar so dreist um zu pfeifen, was ihnen einen bösen Blick von Mr. Chamberlain und mir einbrachte.

„Düfte ich den Grund erfahren? Oder wie lange sie wegbleiben wird?“

„Keine Sorge Miss Fisher. Sie wird ungefähr eine viertel Stunde vielleicht noch ein bisschen mehr.“ Auf die Frage des Grundes antwortete er nicht.

„Vielleicht will er dich ja vergewaltigen?“, flüsterte mir Sarah zu.

„Ha ha. Sehr lustig.“, meinte ich sarkastisch und stand auf. An meinen Lehrer gewandt fragte ich: „Brauche ich irgendwas Besonders Sir?“

„Nein. Kommen Sie einfach mit.“ Ich zog meine Jacke an und folgte brav Mr. Chamberlain zum Sekretariat.

Oh hatte ich irgendetwas angestellt? Angestrengt versuchte ich darüber nachzudenken was ich angestellt haben könnte. Doch mir fiel einfach nichts ein.

Dann brach der Lehrer das Schweigen: „Sie denken vielleicht Sie haben etwas angestellt aber das stimmt nicht. Ich möchte sie nur mit einer Aufgabe betrauen.“

„Und diese wäre?“, fragte ich misstrauisch bevor ich ihn sah.

 

James. Er stand neben einem Mann, der gar nicht schlecht aussah. Als ich näher kam bemerkte ich, dass es eigentlich nur sein Vater sein konnte. Sie sahen sich wirklich ähnlich.

„Hier Mister Dupont. Dies ist Caitlin Adams.“ James sah sein Vater an. Dieser beäugte mich kritisch. So langsam fing ich an mich unwohl zu fühlen, deshalb streckte ich meine Hand aus und meinte höflich: „Nett Sie kennenzulernen Mister Dupont.“

„Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Miss Adams. Nennen Sie mich doch Raphael.“ Meinen Nachnamen sprach er so komisch langgezogen aus, so als würde er sich darüber lustig machen. Dabei war er noch nicht mal lustig, sondern ein ganz normaler Name wie jeder andere auch! Er nahm meine Hand und schüttelte sie kräftig. Dann hatte ich das Gefühl als bekäme ich einen leichten Stromschlag und zog meine Hand aus der von Mister Dupont. Okay. Was war das denn? Dann sah ich meinen Lehrer abwartend an. 'Und was genau sollte ich jetzt hier machen?', fragte ich mich genervt. Er hatte mich doch nicht hierher bestellt um Mister Dupont kennenzulernen, oder?

Mister Dupont, oh, ich meine natürlich Raphael, lächelte leicht. Nein. Man konnte es nicht wirklich lächeln nennen. Seine Lippen hoben sich zu einer Andeutung eines Lächelns.

„Miss Adams. Würden Sie bitte James Dupont mit zu ihrem Klassenzimmer nehmen? Er meinte, dass er Sie schon kenne und deshalb dachte ich, dass es am Besten wäre wenn Sie ihn unter ihre Fittiche nehmen würden. Er kommt in ihre Klasse.“, beantwortete mein Lehrer mir meine unausgesprochene Frage.

„Das mache ich doch gerne Sir.“

„James hat seine Bücher schon. Sie sind in seinem Spind. Sie müssten ihm aber den Schulhof und die verschiedenen Häuser zeigen.“ Ich nickte brav und versprach genau das zu tun. Ich machte sogar einen leichten Knicks. Mr. Chamberlain lachte und sagte: „Nun denn. Los. Beeilen Sie sich. Sie wollen doch nicht zu viel vom Unterricht verpassen oder?“ James und ich schüttelten synchron den Kopf.

„Nett Sie kennengelernt zu haben Mister Dupont.“, verabschiedete ich mich und auch James sagte seinem Dad auf Wiedersehen. Ich drehte mich um und bemerkte dadurch nicht, dass Mister Dupont seinem Sohn leicht, mit einem ernsten Gesichtsausdruck, zunickte und James die Augen weit aufriss.

 

 

„...Und hier ist unser Klassenzimmer. Wir haben jetzt Geschichte.“ Wir waren auf dem Weg noch an anderen Gebäuden vorbei gekommen und immer hatte ich James erklärt wofür es da war, doch er war mit seinen Gedanken immer ganz woanders gewesen.

„Ernsthaft? Cool ich liebe Geschichte.“, sagte er abwesend. Meine Güte was war denn mit dem los? Wenn der bei Mrs. Fisher genauso war, dann würde ich nicht gerne in seiner Haut stecken. Das sagte ich ihm auch und man sah sofort, dass er sich zusammenriss. Ich klopfte und auf das 'Herein!' meiner Lehrerin öffnete ich die Tür.

„Ah Miss Adams. Setzten Sie sich.“

„Gerne aber erst einmal muss ich unserer Klasse unseren neuen Mitschüler vorstellen.“ Ich winkte James herein und er stellte sich vor die Tafel. Durch die Klasse ging ein Raunen und man hörte Mädchen reihenweise seufzen. „Dies hier ist James Dupont.“ Dann setzte ich mich.

„James. Schön Sie kennenzulernen. Möchten Sie sich denn einmal der Klasse vorstellen?“

„Wie Caitlin eben angemerkt hat bin ich James und ich komme aus einem Ort außerhalb von Oxford. Bis vor kurzem hatte ich Einzelunterricht, doch ich habe meinen Vater gebeten mich auf eine normale Schule zu schicken. Deshalb bin ich jetzt hier.“

„Nun gut. Setzen Sie sich bitte auf den freien Platz neben Caitlin.“ War ja klar. Es gab ja auch keinen anderen freien Platz in der Klasse als neben mir. James kam nachdenklich auf mich zu geschlendert. Seufzend nahm ich meine Tasche vom Stuhl und bedeutete ihm mit einer lässigen Handbewegung sich hinzusetzen. Er ließ sich auf den Platz neben meinem fallen, packte seine Sachen aus (welche aus einem Collegeblock und einer kleinen Federtasche bestanden) und starrte abwesend aus dem Fenster. Na toll. Da hatte ich aber jemanden ganz gesprächigen neben mir sitzen...

 

„So. Wir machen jetzt ein kleines Quiz. Die Teams bestehen aus eurem Tischnachbarn und euch. Es gibt fünf Fragen und wer die meisten Antworten richtig beantwortet bekommt diese Packung Mars.“, sagte Mrs. Fisher am Ende der Stunde. Sie zeigte auf die Packung in ihrer Hand. „Nehmt euch einen Zettel und einen Stift und schreibt in die Ecke eure Namen.“, sagte Frau Fisher am Ende der Stunde.

Wortlos riss ich einen Zettel raus und schrieb die beiden Namen auf. Dann stupste ich James an, der in seiner eigenen Welt versunken war und zischte ihm zu, dass er sich gefälligst zusammennehmen sollte. Zum Glück tat er das auch.

„Gut. Erste Frage. Von wann bis wann ging der 100 jährige Krieg zwischen England und Frankreich?“, fragte Mrs. Fisher. James nahm mir den Stift aus der Hand und begann zu schreiben. Ich beugte mich zu ihm rüber und las mir die Zahlen durch. 1337 bis 1453. Wow. Okay. Das hätte ich nicht gewusst. Ich wusste nur, dass er 116 Jahre ging.

„Wann wurde Adolf Hitler geboren und wo?“

„Das ist einfach. 1889 und in Braunau.“, sagte ich und James nickte. Er schrieb die Antwort mit sauberer und ordentlicher Schrift auf und wartete.

„Wer gewann die EM 1988, die in Deutschland ausgetragen wurde?“

„Äh. Ich hab keine Ahnung. Ich mag Fußball nicht besonders...“, gab ich zu und sah James hoffnungsvoll an. Aber auch der schüttelte ratlos den Kopf und machte einen Strich. Okay. Schon mal ein Punkt weniger.

„Wann wurde die Cheopspyramide gebaut?“

„Oh! Muss das sein? Genau das weiß ich nicht!“, zischte James wütend. Ich überlegte.

„Warte. War das 2584 vor Christus oder 2548 vor Christus?“, überlegte ich.

„Ich denke mal 2584. Das hört sich besser an. Lass uns das aufschreiben.“, meinte James und zuckte mit den Schultern. Mit einer fließenden Bewegung schrieb er die Zahl auf das Blatt Papier.

„Wie hieß der letzte König von England? Und wie hieß seine Thronfolgerin?“ James schrieb ohne auf mich zu warten Heinrich VIII. Und Elisabeth I. auf.

„Das hätte ich auch gewusst.“, maulte ich. Frau Fisher sammelte die Blätter ein und korrigierte. James und ich hatten natürlich gewonnen, denn wir hatten alles richtig. Abgesehen natürlich von der Fragte mit der EM.

Und falls es jemanden interessierte: Die EM 1988 wurde von der Niederlande gewonnen.

Lachend klatschten wir uns ab und schon wieder bekam ich einen Stromschlag. War das normal in der Familie? Wir waren so frei und gaben meinem Freunden auch jeweils einen Mars ab. Jedenfalls gab ich ihnen etwas von meiner Hälfte der erbeuteten Mars ab. James hatte es anscheinend nicht so mit dem Teilen.

 

In der Pause ging ich mit James durch die Schule und zeigte ihm alles Wichtige.

„Danke Caitlin.“

„Kein Problem. Die Schule kann ein wenig verwirrend sein aber du findest hier lauter Schüler, die dir den Weg zeigen werden wenn du nicht weißt wo du hin musst.“ Er nickte und fing dann plötzlich an zu grinsen. „Was?“

„Du hast Alec echt einen Korb gegeben?“

„Ähm. Ja. Kommt nicht oft vor oder?“

„Nie!“

„Wie kommst du jetzt auf ihn?“

„Er steht da hinten und wird von tausenden von Mädels angehimmelt.“, meinte James. Und tatsächlich. Alec stand unter einem Baum und unterhielt sich lebhaft mit einem Mädchen aus der oberen Stufe.

„Na dann. Geh mal zu deinem Kumpel. Ich wollte sowieso noch mit meinen Freunden reden.“

„Nö. Du musst bei mir bleiben. Ich könnte mich doch sonst verlaufen!“ Ich verdrehte die Augen und zeigte auf ein Gebäude.

„Da rein, die Treppen hoch, auf der linken Seite die zweite Tür. Wir haben jetzt Englisch.“ Und schon wandte ich mich zum gehen, doch James zog mich am Arm hinter sich her, direkt auf die Gruppe zu.

Ich konnte also nichts tun, sondern stolperte direkt hinter ihm her. Als wir vor der Gruppe standen, zog mich meinen Arm aus seinem Griff und funkelte ihn böse an. Er aber lachte nur.

„Denkst du ich hab Angst vor dir? Du siehst echt totaaaal böse aus.“ Dann wandte er sich an Alec. Böser Fehler, denn ich hob meine Hand und schlug ihm kräftig gegen den Hinterkopf.

„Mach das nicht noch mal!“, fauchte ich.

„Oha. Das Kätzchen hat seine Krallen ausgefahren!“, lachte Alec und sah den sich den Kopf reibenden James mitleidig an. „Guter Schlag Kleine!“

„Halt deinen Mund oder ich kleb dir auch noch eine Arschloch!“, zischte ich wütend. Die Mädchen hinter ihm fingen an zu tuscheln und starrten mich mit großen Augen an. „Ja ja. Und ihr könnt mich mal!“ Ich zeigte ihnen den Mittelfinger, drehte mich auf der Stelle um und stapfte auf dem Rasen zu Tristan, der mich beobachtete und grinste.

„Oha. Meine kleine Prinzessin wird zur Raubkatze.“, begrüßte er mich. Lachend fiel ich ihm um den Hals und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

„Immer doch! Ich lass mir doch nicht vorschreiben was ich zu tun und zu lassen habe!“

„Richtige Einstellung. Zum Glück sitzt du ja nur in Geschichte neben James. Und die ganzen anderen Stunden wirst du ja von mir, Jana oder Sarah unterstützt.“

„Gut. Alec ist nicht in unserer Stufe. Das heißt ich muss mich nicht auch noch mit ihm herum schlagen.“

Jana und Sarah kamen zu uns.

„Du hast James doch nicht eben wirklich eine geklatscht oder?“, fragte Jana entgeistert.

„Ähm.. Doch?!? Er hatte es verdient.“

„Und wieso bist du so aggressiv Alec gegenüber?“, wollte Jana wissen. Auch Sarah und Tristan sahen mich neugierig an.

„Er ist so ein arrogantes Arschloch! Ein Player! Denkt ihr wirklich zu solchen bin ich nett?“

„Öhm. Ja eigentlich habe ich das gedacht!“ Tristan sah mich vorwurfsvoll an. „Du bekommst noch mehr Stress mit Chloe wenn du so weiter mit den Beiden umspringst. Das weißt du oder?“

„Meinetwegen kann sie mir die Schulzeit zur Hölle machen! Aber ich werde mir deren Machosprüche ganz bestimmt nicht anhören.“, sagte ich und funkelte meine Freunde an.

„Das hat sich am Freitag aber anders angehört. Da hast du noch regelrecht von ihm geschwärmt.“

„Da wusste ich aber noch nicht, dass er ein Arschloch ist!“, verteidigte ich mich.

„Ja ja.“

„Und ich denke die Pause ist zu Ende, Lasst uns gehen“ Tristan sah auf seine Uhr und nickte.

Ich holte tief Luft und schrie über den gesamten Schulhof: „James! Kommst du? Ich werde nicht auf dich warten!“ James hob den Kopf, funkelte mich wütend an und kam nach einer Verabschiedung von seinem Kumpel aber zu uns.

Jana und Sarah verabschiedeten sich von uns und gingen in Richtung Naturwissenschaftsgebäude davon. Tristan, James und ich machten uns auf den Weg in die entgegengesetzte Richtung. Auf dem Weg ins Klassenzimmer unterhielten Tristan und ich uns angestrengt über den bevorstehenden Test über 'Romeo und Julia' in Englisch, während James nur neben uns her trottete.

„Ach komm schon! Du denkst doch nicht ehrlich, dass sie es uns leicht machen wird oder?“, fragte ich Tristan stöhnend.

„Nein. Aber so schwer wird der Test für dich nicht werden oder? Ich meine du kennst die Geschichte doch und könntest Passagen zitieren, wenn du gerade aufgeweckt wurdest.“ Da hatte er nicht unrecht...

Er hatte Recht. Ich schaffte alle Fragen mit Leichtigkeit und half heimlich auch Tristan, der neben mir saß. Meine Lehrerin bemerkte nichts. Sie war aber auch blind was so was anging. Nur James starrte uns die ganze Zeit missbilligend an. Aber als ich ihn wütend an funkelte und ihm den Mittelfinger zeigte, drehte er sich um und fing an sich mit seiner Tischnachbarin zu unterhalten was diese zu freuen schien. Kein Wunder. Er sah ja auch gut aus.

 

 

In der Mittagspause saß ich an einem Tisch mitten in der Schulcafeteria und stach lustlos in meinem Salat ein. Meine Freunde saßen um mich herum und redeten über Dinge wie die Arbeiten in dieser Woche, den neusten Klatsch und Tratsch und kümmerten sich nicht um mich. Aber das war mir auch egal.

Normalerweise war ich nicht so. Ich unterhielt mich lebhaft mit ihnen und scherzte aber heute hatte ich auf gar nichts Lust. Wahrscheinlich werde ich krank.

Ich sah zum Nebentisch wo James und Alec mit Chloe und ihren Busenfreundinnen Jennifer und Gina saßen.

Sie lachten und hatten Spaß. Ganz im Gegensatz zu mir. Alec schien meinen Blick zu spüren und hob den Kopf. Als er mich ansah, lächelte er kurz. Ich lächelte müde zurück bevor ich meine Nase energielos in mein Englischbuch steckte. Ich las aber nicht. Nein. Ich schloss müde meine Augen. Doch dann schlug ich sie wieder auf und fing lustlos an zu lesen.

Ich bemerkte gar nicht, dass eine Person neben mich getreten war, denn ich konzentrierte mich voll und ganz auf das Lesen. (Na ja. Ich versuchte es jedenfalls).

Plötzlich durchfuhr meinem Stuhl ein kräftiger Ruck und als ich nach oben blickte sah ich nur noch Kartoffelbrei auf mich zukommen. Ich sprang auf, doch es war zu spät. Der Kartoffelbrei, die Erbsen und Wurzeln und die Soße hatten sich auf einer Kleidung und in meinen Haaren verfangen.

„Ups. Entschuldige.“ Chloe stand vor mir und lächelte süß. „Ich bin gestolpert.“

„Ach. Kein Problem.“ Ich sah zu ihren Busenfreundinnen, die direkt hinter ihr standen und sich einen ab lachten. 'Jaja. Lacht nur.', dachte ich bissig. Auch die anderen in der Aula waren auf mich aufmerksam geworden und fingen an zu lachen.

„Darf ich dir sagen, dass du mit dem Essen auf deinem Kopf so viel besser aussiehst als ohne?“ Diese Schlampe! Aber immer schön ruhig bleiben Caitlin. Alles wird gut!

„Danke. Wirklich. Vielleicht sollte ich mal öfter so in die Schule kommen.“ 'Ruhig bleiben. Wenn du dich nicht aufregst wird sie dich bald in Ruhe lassen.'„Vielleicht.“ Sie drehte sich elegant um und setzte sich wieder zu den Jungs an den Tisch. Meine Schultern sanken herab und ich senkte den Kopf.

„Entschuldigt mich. Nehmt ihr meine Sachen mit?“, entschuldigte ich mich leise bei meinen Freunden, die mich mitleidig ansahen und als sie nickten machte ich mich auf den Weg raus aus der Cafeteria. Schnell ging ich in Richtung Toiletten, doch ich machte noch einen kurzen Zwischenstopp bei meinem Spind und holte mir eine frische Uniform raus. Ich hatte zum Glück immer zwei vorrätig im Schrank hängen. Tränen liefen mir über die Wange und immer wieder stellte ich mir die Frage: Wieso ich?

 

 

ALEC

 

„Musste das sein? Sie hat dir doch nichts getan!“, meinte James und sah Caitlin hinterher.

„Was denn? Ich bin gestolpert! Da kann ich ja echt nichts für!“, protestierte sie.

„Wenn du nicht solche Nuttenschuhe tragen würdest, würdest du auch nicht stolpern.“, flüsterte James so leise, dass sie es nicht hörte, doch ich hatte es gehört und warf sofort einen Blick auf ihre Schuhe. Ich wusste, dass sie die Lehrer bestochen hatte um die tragen zu dürfen, denn solche Schuhe waren in der Schulordnung strengstens untersagt. Sie waren mindestens 15 Zentimeter hoch und bestanden fast nur aus Riemchen. Heiß!, fiel mir nur dazu ein. Aber egal zurück zum Thema.

„Ich denke nicht, dass du gestolpert bist. Du hast das mit Absicht getan.“ Ich lächelte sie verführerisch an und ließ meinen Charme spielen.„Klar hab ich das getan.“, meinte sie hochnäsig. „Diese Streberin muss lernen, dass nicht sie hier das Kommando hat, sondern ich.“

„Ach, jetzt weiß sie das Süße.“, versicherte ich ihr und ignorierte James wütenden Blick. Was hatte der bloß? „James? Wollen wir gehen?“

„Wohin wollt ihr denn? Ich würde gerne mitkommen.“, mischte sich Chloe sofort ein. War ja so was von klar! Kaum hatte man mal ein wenig Spaß mit den Frauen, dachten sie sofort, dass sie die Freundin von einem waren! Genervt sah ich James an und und sagte kalt: „Sorry. Ich muss alleine mit James sprechen. Unter vier Augen.“ und dann stand ich auf. James folgte mir aus der Cafeteria. Wir stellten uns in den Schatten einer alten Eiche, die mitten auf dem Schulhof stand.

„Was ist?“, fragte er und sah immer wieder zu dem Schulhaus herüber.

„Was läuft zwischen dir und Caitlin?“, fragte ich ihn direkt.

„Nichts!“, sagte er sofort. Mein misstrauischer Blick brachte ihn schließlich zum reden. „Sie... Mein Vater hat sie sich heute morgen angesehen.“

„Und?“, fragte ich interessiert. „Ist sie deine....“

„Schwester? Ja das ist sie.“

„Oh. Dann wohl kein Flachlegen gestattet oder?“ Hoffnungsvoll sah ich ihn an. Doch er wurde wütend und sagte aggressiv: „Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, ihr das Herz brichst oder sonst etwas dann bringe ich dich eigenhändig um Alec! Und ich werde dafür sorgen, dass du vom Hof verbannt wirst!“

„Wow. Immer langsam mit den jungen Pferden! Du weißt erst seit heute, dass sie deine Schwester ist und du führst dich so auf als wärt ihr zusammen aufgewachsen!“

„Wären wir auch, wenn Vater etwas länger bei meiner Mutter geblieben wäre. Oder sie mit an den Hof gekommen wäre!“ Das Wort Mutter spuckte er regelrecht aus. Ich wusste, dass er seiner Mutter Vorwürfe machte, dass sie nicht mit zum Hof gekommen war, doch ich verstand die mir unbekannte Frau. Als ganz normaler Mensch wäre ich auch nicht dort hingezogen. Besonders nicht zu den Zeiten.

„Ach. Du weißt warum sie es nicht getan hat. Und sie hatte noch einen Grund.“

„Welchen denn?“, fragte James bissig.

„Caitlin war zu dem Zeitpunkt schon unterwegs. Denkst du sie hätte es riskiert da hin zu gehen wenn sie hätte sterben können?“

„Vater hätte sie beschützt.“

„Die Zeiten waren unruhig James. Und das weißt du auch.“ Er nickte knapp und sah auf die Uhr.

„Ich muss los. Sonst komme ich noch zu spät zu Sport.“

„Sport hm? Wie gerne würde ich den Mädchen jetzt zusehen wie sie Sport machen.“

„Ja. Du würdest ihnen die ganze Zeit gierige Blick zuwerfen und ihren Hintern 'Ganz zufällig' begrapschen.“

„Du kennst mich einfach zu gut.“, seufzte ich und schlug ihm auf die Schulter. „Bis später.“ Er nickte und machte sich auf den Weg zur Halle.

 

 

 

CAITLIN

 

Vorsichtig transportierte ich meine Uniform in die nächste Toilette und zog mich um. Meine Haare waren am schlimmsten sauber zu bekommen. Ich hielt sie unter den Wasserhahn des Waschbeckens, hatte dann aber ein Problem mit dem trocken bekommen. Zur Beruhigung spritzte ich mir noch Wasser ins Gesicht und trocknete es mir mit den Taschentüchern ab.

Zum Glück hatte ich aber super Freunde, die mir bei meinem Problem helfen konnten. Denn gerade als ich mir meine Haare missmutig ansah kamen Sarah und Jana zu mir. Sie stöpselten einen Fön in die Steckdose und Sarah föhnte meine Haare. Als sie fertig war machte mir Jana einen Dutt und ich schminkte mich neu. Zum Glück ging die Mittagspause so lang, denn wäre es eine normale Pause gewesen, wären wir schon längst zu spät gekommen.

„Danke. Ihr seid meine Rettung. Wie seid ihr an den Fön gekommen?“

„Tristan. Er hat nachher noch Football Training und hat den Fön in seiner Sporttasche.“, antwortete Jana.

„Typisch er. Er darf ja nicht ohne ordentlich gemachte Haare raus gehen! Sonst ist er geliefert!“ Wir lachten und gingen aus der Toilette. „Wir haben jetzt Sport oder?“, fragte ich.

„Ja! Wir sprinten heute!“, stöhnten meine beiden Freundinnen. Sie hatten aber auch allen Grund dazu. Sie waren langsam. Wirklich langsam. Und ich war das schnellste Mädchen in meiner Klasse.

„Ihr müsst einfach mal mehr trainieren! Dann wärt ihr auch ein wenig schneller!“

„Wir sind nicht die Sportler in unserer Gruppe! Das seid ihr! Tristan und du! Ein Grund wieso er in der Jungs erhöhten Klasse ist und du in der Mädchen erhöhten Klasse bist!“, sagte Sarah missmutig.

„Genau! Wir beide sind diejenigen, die euch die Kleidung beim shoppen aussuchen. Ohne uns würdest du immer noch in Kapuzenpullover und verwaschenen Jeans rum laufen!“, ergänzte Jana.

„Jaja... Ich weiß. Wieso haben wir eigentlich heute zusammen Sport?“, wollte ich wissen.

„Keine Ahnung. Unsere Lehrer haben irgendetwas vor.“ Meine Freundinnen zuckten mit den Schultern und Sarah meinte grinsend: „Nicht nur wir Mädchen haben zusammen Sport. Auch die Jungs machen heute bei uns mit!“

„Na super!“ Ich stöhnte.

„Ach komm. So schlimm ist es doch nicht!“, munterte mich Jana auf.

„Wenn du meinst! Ich hab nur ein scheiß Gefühl im Moment.“

 

Wir gingen in die Umkleiden und zogen uns um. Es war warm. Deshalb hatten wir alle kurze Hosen und ein Top an. Unserer Haare hatten wir ordentlich hochgesteckt damit sie sich beim Laufen nicht lösten und schon gingen wir raus auf den Laufplatz.

Unser Coach (eine Frau) wartete schon auf uns. Wir waren die letzten. Tristan saß bei seinen Kumpels und grinste uns an.

Doch als wir uns vor sie ins Gras gesetzt hatte sah sich Miss Fairchild immer noch um.

„Miss Fairchild? Wir sind vollständig.“, rief ein Junge namens Cole.

„Das weiß ich. Ich warte auf den Kurs ein Jahrgang über euch. Wir machen heute ein Staffellauf gegen diese Gruppe.“

„Oh nein. Wir werden versagen.“, flüsterte Jana mir zu.

„Aber wenigstens nicht haushoch. Wir sind ja die einzigen, die nicht so schnell sind.“, meinte Sarah. „Caitlin und die Jungs schaffen das schon! Und vielleicht müssen wir ja nicht mitlaufen.“

Als dann endlich der andere Jahrgang kam stöhnte ich auf und ließ meinen Kopf auf meine Knie fallen.

„Hey. Alec ist da.“, flüsterte mir Sarah aufgeregt zu.

„Nicht ernsthaft,wirklich?“, meinte ich sarkastisch und stand auf um mich wie alle anderen zu dehnen. Auch meine Freundinnen standen auf. Jeder dehnte sich und ich unterhielt mich mit Tristan.

„Denkst du wir gewinnen gegen die?“, fragte ich und ließ meine Arme kreisen.

„Ja klar. Wenn die beiden anderen nicht mitmachen... Sie können doch gut schauspielern... Wieso sagen sie nicht einfach, dass sie nicht laufen können, weil sie verletzt sind?“

„Schon erledigt.“, sagte Jana in diesem Moment und stellte sich neben uns. „Wir waren sowieso zwei zu viel und da haben wir uns einfach ausgeklinkt.“

„Perfekt. Dann haben wir doch noch eine Chance.“, jubelten Tristan und ich.

„Oh man. So schlimm sind wir auch nicht!“, maulte Sarah.

„Oh doch!“, antworteten Tristan und ich gleichzeitig und fingen an zu lachen.

„Okay! Los geht’s! Verteilt euch an den Positionen wo rote Fahnen aufgebaut sind! An jeder jeweils einer vom Team!“, rief Miss Fairchild und wir trabten los. Als ich mich von Tristan trennte, der vor mir lief und mir den Staffelstab überreichen würde damit ich als letzte ins Ziel lief, umarmte ich ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Viel Glück! Und enttäusche mich nicht!“

„Du mich auch nicht!“

Ich schüttelte den Kopf und meinte grinsend: „Als ob ich das jemals getan hätte!“ Ich trabte zu meinem Platz und machte mich bereit.

„Oh. Wir werden gegeneinander laufen? Das ist aber nicht wirklich gerecht.“ Alec stellte sich neben mich und sah mich mit seinen wunderbaren grünen Augen grinsend an.

„Ha ha. Ich sterbe gleich vor Lachen.“

„Dein Freund sieht gut aus. Du musst ihn wirklich lieben.“, sagte er unvermutet und ich hustete. Mein getarntes Lachen.

„Wie kommst du darauf, dass wir zusammen sind?“, wollte ich wissen.

„Ihr küsst euch. Ihr benehmt euch einfach wie ein Pärchen.“

„Ja vielleicht aber wir sind nicht zusammen. Wir sind nur Freunde.“

„Nur Freunde. Alles klar.“ Ich ignorierte Alec gekonnt und sah nach hinten, denn der Startschuss war gefallen und Gina lief gerade gegen ein Mädchen, dass ich nicht kannte. Sie verlor das Rennen ganz knapp und James lief weiter. Er gewann. Und jetzt war Chloe dran. Obwohl ich sie nicht mochte, musste ich sagen, dass sie schon ganz schön schnell war. Auch sie gewann. Jennifer verlor und wir rückten nach hinten. Als sie bei Tristan ankamen waren unsere Gegner schon fünf Meter vor raus aber wir konnten noch gewinnen.

„Viel Glück!“, rief Alec als er an mir vorbei rannte. Tristan kam kurz darauf an und ich rannte los. Meine Beine trommelten auf die Erde und ich beschleunigte meine Schritte noch ein wenig. Noch zwei Meter und ich hätte Alec eingeholt! Mein Atem wurde schneller aber ich beschleunigte noch weiter und war dann plötzlich auf Alec Höhe.

Als er merkte, dass ich ihn eingeholt hatte war es fast zu spät aber er schaffte es noch weiter zu beschleunigen und auch ich lief noch schneller. Wir kamen beide gleichzeitig ins Ziel.„Wow. Das war ein spannendes Rennen. Und Caitlin! Deine Leistung war beeindruckend!“, sagte Mrs. Fairchild.

„Danke.“, presste ich heraus und nahm dankbar die Trinkflasche entgegen, die Tristan mir hinhielt. Mit großen Schlucken trank ich die Hälfte der Flasche aus bevor ich sie Tristan zurück gab. Dieser grinste und trank den letzten Schluck aus.

Dann spielten wir noch Fußball. Zum Glück waren meine Freundinnen und ich nicht ganz so schlecht darin. Das alles nur dank Tristan, der darauf bestanden hatte, dass wir im Gegenzug dafür, dass wir ihn immer mit zum shoppen nahmen, ein wenig Fußball spielen lernten. Doch wirklich gut waren wir nicht und deswegen verloren wir auch. Fünf zu sieben. Kein Schlechtes Ergebnis.

„Ihr könnt gehen! Das war eine wunderbare Stunde.“, verabschiedete uns Miss Fairchild und entließ uns damit aus unserer Schulzeit an diesem Tag.

Wir zogen uns dankbar um. Ich verabschiedete mich von meinen Freundinnen mit einer Umarmung und von Tristan mit einem Kuss auf die Wange.

Als ich über den Parkplatz ging, welcher eine Abkürzung zu den Fahrradständern war, sah ich Alec und James vor einem schwarzen BMW X6 stehen. Chloe und ihre Freundinnen standen daneben und Alec steckte ihr seine Zunge so tief in den Hals, dass ich, auch wenn ich sie hasste, Angst hatte, dass sie erstickte. Aber es schien so, als würde es ihr gefallen also zuckte ich nur mit den Schultern. Als James, Alec dann ungeduldig auf die Schulter tippte, löste er sich von seiner Freundin und stieg ins Auto. Natürlich auf den Fahrersitz. Oh Mann. Deren Eltern mussten Kohle haben. Das Auto war einfach Hammer geil! Ich schüttelte den Kopf. Kein Wunder, dass Alec so ein Arschloch war. Wenn er alles in den Hintern geschoben bekam.

Ich sah ihnen nach wie sie davon rasten. Als sie nicht mehr zu sehen waren, fuhr ich mit dem Fahrrad nach Hause.

Kapitel 3

Es war als bestünde die ganze Welt neuerdings aus Farben, Geschmacksnuancen, Gerüchen und Farben, die schlichtweg zu stark für sie waren.

(Luca Di Fulvio „Der Junge, der Träume schenkte“)

 

 

James und Alec wollten noch später zu mir kommen und lernen. Auch wenn ich nicht wusste was Alec lernen wollte, denn er war doch schon in der Oberstufe und konnte das doch schon was wir machten. Ich hatte ja eigentlich so gar keine Lust auf die Beiden aber ich war für James verantwortlich und konnte es nicht verantworten wenn er wegen mir durch die Prüfungen rasselte. Also ging ich duschen, zog mir eine verwaschene Jeans und einen Kapuzenpullover an (nur, weil Jana und Sarah mir meine Klamotten aussuchten hieß es ja nicht, dass ich nur diese anziehen durfte), aß ich eine Kleinigkeit und machte einen Teil meiner Hausaufgaben, die ich schon seit letzter Woche auf hatte.

 

Pünktlich um halb fünf klingelten die beiden Jungs dann an der Tür. Wie ich es mir gedacht hatte, wollten sie gar nicht zum lernen kommen, sondern mit mir spazieren gehen. Ja, ihr habt richtig gehört! Spazieren gehen.

„Spazieren gehen? Ehrlich jetzt?“, fragte ich skeptisch.

„Klar wieso nicht? Ist doch ein schönes Wetter.“, sagte James unschuldig.

„Und Frische Luft tut uns gut. Immerhin sitzen wir den ganzen Tag entweder im stickigen Klassenzimmer oder Zuhause an unseren Handys.“, fügte Alec hinzu.

„Ja, ja ist ja gut! Ich komme. Wartet hier.“ Ich verdrehte die Augen und rannte in mein Zimmer um mir meine Tasche zu schnappen. Dann nahm ich meine Jacke vom Haken und schrie meiner Mutter, die im Wohnzimmer saß zu, dass ich ein wenig spazieren gehen würde. Sie gab mir noch die Order früh nach Hause zu kommen und die Jungs und ich zogen ab.

 

Wir zogen durch die Stadt und James lud mich auf einen Cappuccino ein was Alec mit einem Grinsen quittierte. Auch ich musste grinsen, doch gleichzeitig wurde ich wütend, weil ich wegen ihm wirklich heftigen Ärger mit meiner Mutter bekommen hatte als ich es ihr heute Nachmittag erzählt hatte. Beziehungsweise als sie die ruinierte Jacke im Wäschekorb gefunden hatte.

Wir redeten viel und ich fragte Alec wie die Schule war, denn wir hatten ja nicht zusammen Unterricht.

„Gut. Die Mädels geben mir ihre Mitschriften und Telefonnummern, damit ich lernen kann und die Jungs sind auch ganz okay.“ Ich verzog bei der Antwort höhnisch den Mund. Klar. Mitschriften. Und ihre Telefonnummern. Da war ja schon klar was die von ihm wollten. Und ich denke, er wusste es auch.

„Und wie war deiner James? Das mit der Klatsche war doch irgendwie lustig gewesen.“, grinste Alec.

„Als hättet ihr darüber nicht schon geredet! Wir hatten alle schon um halb drei Schluss!“, lachte ich.

„Also. Ich hätte es ihm bestimmt erzählt wenn er da gewesen wäre. Aber er war ja nicht Zuhause.“, James sah seinen Kumpel neugierig an. „Was hast du denn die ganze Zeit gemacht?“„Also... Da war dieses Mädchen... Sie heißt glaube ich Denise oder so. Sie ist schon ganz heiß und sie hat mich zu sich nach Hause eingeladen. Ihre Eltern waren nicht da und dann sind wir in ihr Schlafzimmer und sie hat mir mein Shirt ausgezogen und...“

„Stopp! Das will ich nicht wissen! Erzähl ihm dass wenn ihr wieder Zuhause seid!“, protestierte ich. Ich wusste doch, dass er ein Player war. Was danach passiert war, konnte ich mir vorstellen und ich wollte den Gedanken sofort aus meinem Kopf raus haben!

„Oh. Eine Jungfrau oder was?“, höhnte Alec und ich starrte ihn wütend an.

„Halt deine Fresse Alec! Sonst setzt es was!“, fauchte ich.

„Wusste ich doch, dass du eine bist!“, lachte Alec los. Ich war drauf und dran ihm eine zu scheuern. Aber gerade als ich meinen Arm hob um ihm eine zu verpassen, packte James meinen Arm und sah mir in die Augen.

„Er wird damit aufhören Caitlin!“, sagte James und sah Alec warnend an. Dieser seufzte und murmelte etwas von 'Kann man hier keine Späße machen?'

„Kann ich dich jetzt los lassen? Du wirst nicht auf Alec losgehen oder?“ Ich schüttelte den Kopf und knirschte mit den Zähnen. James schien zufrieden und ließ meine Hand los. Und schon hatte ich Alec eine auf den Hinterkopf geklatscht.

„Hey!“, schrie er.

„Hör einfach auf mich zu nerven! Dann passiert so etwas nicht noch mal!“ Ich grinste ihn liebenswürdig an und wandte mich an James. „Und was machen wir jetzt?“

„Wir reden.“ James sah seinen Freund bedeutungsvoll an und Alec riss die Augen auf. Sofort verbarg er das unter einer undurchdringbaren Maske. Okaaay. Das war so etwas wie eine Bindung zwischen den beiden. Gruselig...

„Na dann reden wir eben...“, seufzte Alec. Sie sahen mich auffordernd an.

„Was ist?“, fragte ich dümmlich.

„Wer kennt Oxford denn am Besten hm?“ James sah mich mit hochgezogener Augenbraue an.

„Na ja. So gut kenn ich das auch wieder nicht... Aber ich zeig euch mal einen schönen Platz.“

Damit lotste ich die Jungs zu einem meiner Lieblingsplätze. Aber wahrscheinlich wussten sie diesen Platz nicht zu würdigen, denn sie sahen nicht so aus als würden sie ihre Tage oft im Wald verbringen.

Es war mitten im Wald. Die Sonne schien, es war warm, ein Bach floss in der Nähe und Vögel zwitscherten.

Ich holte eine Decke aus einer Kiste, die ich in einem hohlen Baum versteckt hatte und breitete sie mit Hilfe der Jungs auf der Wiese aus.

„Du bist echt auf alles vorbereitet oder?“, fragte James, während er und Alec es sich auf der Decke gemütlich machten.

„Nein. Nicht wirklich. Ich hab sie nur immer hier, denn meine Freunde und ich kommen öfters einfach mal so her.“ Ich sah die beiden Jungs von oben hinab an und hob eine Augenbraue. „Macht mal ein bisschen Platz! Normalerweise liegen wir hier zu viert oder fünft drauf!“

„Du kannst dich gerne in meine Arme legen Schätzchen!“ Alec grinste anzüglich.

„Nein danke, Arschloch!“ Ich setzte mich in eine Ecke der Decke wo sich die beiden noch nicht breit gemacht hatten.

„Wieso nennst du mich immer Arschloch?“

„Das passt zu dir! Ich bin immer noch ein wenig wütend über die versaute Jacke! Die war von Gucci! Und ein Geschenk von meinem Cousin!“

„Sie ist doch nicht für immer verloren!“ Alec murmelte irgendetwas was wie 'Typisch Mädchen' klang. „Was lachst du eigentlich so?“

Verwirrt wandte ich mich an James. Dieser lag lachend auf der Decke und sah abwechselnd von mir zu Alec.

„Sie hat dir schon wieder einen Korb gegeben Alec. Das ist das zweite Mal in Folge.“ Beleidigt verzog Arschloch das Gesicht.

„Nicht lustig! Die hat wirklich kein Geschmack was Männer angeht!“

„Ich bin auch noch da! Redet nicht immer so als wäre ich nicht da! Und auf solche Arschlöcher wie dich steh ich wirklich nicht.“ Höhnisch lächelte ich Alec zu.

„Okay. Was ist eigentlich dein Problem?“ Er fuhr nach oben und sah mich wütend an.

„Mein Problem sind Männer wie du! Diejenigen, die denken, dass jede Frau auf ihn stehen muss! Aber es gibt auch welche, die nicht darauf stehen flach gelegt und dann wie ein nasser Sack fallen gelassen zu werden!“ Alec fuhr auf und holte tief Luft um mir zu widersprechen.

„Weißt du was? Den meisten Mädchen gefällt es wenn ich sie flach lege! Sie sind nicht so prüde wie du!“, fauchte Alec.

„Du bist so ein Scheiß Mistkerl!“, schrie ich ihn auf Deutsch an. „Du scherst dich keinen Meter um die Gefühle dieser Mädchen! Wenn du genug hast, lässt du sie fallen.“

„Die Frauen wissen, dass es bei mir nur Sex gibt.“, antwortete er mir auf Deutsch. „Jede kann entscheiden ob es für sie in Ordnung ist oder nicht.“

„Ja, aber man kann sich nicht entscheiden in wen man sich verliebt oder nicht! Das entscheidet das Schicksal ganz allein. Vielleicht hoffen sie alle, dass du ihr Seelengefährte oder so etwas bist und du dich bald in sie verliebst! Aber wieso rede ich eigentlich mit dir über Liebe, denn du kennst das Gefühl noch nicht mal!“

„Und du kennst es oder was?“ Mir schossen Tränen in die Augen aber ich wandte den Blick nicht von Alec. Trotzig erwiderte ich den Blick und nickte.

Und er sah erst mich und dann James verwirrt an bevor er etwas erwidern konnte, hatte James sich aufgesetzt und rief: „Stopp! Ich habe zwar kein Wort von dem verstanden was ihr da gerade geredet habt aber lasst uns ruhig bleiben und über einige vernünftige und nicht so hm... egal lasst uns einfach über etwas anders reden.“

„Und was?“, fauchte ich. Ich war immer noch auf hundert achtzig. Wenn Alec auch nur ein weiteres Wort sagen würde, würde ich völlig durchdrehen! Oder auch richtig anfangen zu weinen. Und dann konnte ich für nichts garantieren.

„Lasst uns ein wenig über Mythologie reden. Wie viel weißt du über Vampire Caitlin?“, fragte James und Alec kicherte leise.

„Nicht viel. Sie sind Geschöpfe der Nacht, ernähren sich von Blut, haben übernatürliche Fähigkeiten, mögen die Sonne nicht... Es gibt viele verschiedene Mythen über sie. Jeder Kontinent hat seine eigenen.“ Ich lächelte bissig bevor ich sagte: „Das sieht man ja an den Filmen Twillight und Vampire Diaries... Wieso?“

„Weil James dir sagen will, dass du ein Vampir bist.“, sagte Alec ernst. Wütend sah ich ihn an und stand auf.

„Erzähl mir keinen Scheiß, Arschloch! Ich bin weder blond noch völlig blöd. Und wir sind hier nicht bei Twillight.“, presste ich zwischen meinen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Es ist wahr Caitlin. Du bist eine Vampirin. Wenn auch nur ein Halbvampir wie ich aber...“, sagte James und trat einen Schritt auf mich zu. Sofort wich ich zurück und funkelte ihn an.

„Bleibt weg von mir ihr Psychos! Ihr habt sie doch nicht mehr alle!“, fauchte ich.

„Caitlin! Bitte!“

„Wir sagen dir wirklich die Wahrheit!“, sagte Alec ernst. Da wurde es mir zu viel. Ich drehte mich um und rannte in den Wald hinein. Wie dumm waren die eigentlich mir so eine Scheiße zu erzählen? Als ob es so etwas wie Vampire geben würde. Vampire waren ein Mythos! Sie existierten nicht. Ich lachte auf. Was waren das denn für durchgeknallte Typen.

Ich hörte ihre Rufe, doch ich hörte nicht hin. Wenn sie ach so tolle Vampire wären, würden sie mich schnell aufholen. Sie hatten doch diese ach so tollen Fähigkeiten.

 

 

Plötzlich rannte ich gegen eine harte Brust.

„Entschuldigung Sir.“, murmelte ich und wich zurück.

„Ach Süße. Von so einer Schönheit wie du würde jeder Mann gerne angerempelt werden.“ Langsam, fast zögerlich, sah ich auf. Der Mann vor mir grinste dreckig. Er hatte eine wuchtige Gestalt. Fast 2 Meter groß, breite Schultern, Vollbart. Neben ihm wirkte ich winzig mit meinen 1,68 Metern. Doch das war es nicht was mich so erschreckte. Es waren seine Augen. Sie leuchteten in einen stechenden rot!

Ängstlich wich ich noch ein Stück zurück und drehte mich dann um, um in die Richtung zu gehen, aus der ich kam. Doch der Typ versperrte mir den Weg. Wie ist der bitteschön so schnell um mich herum gerannt? Und das ohne, dass ich es bemerkt habe?

Aus den Augenwinkeln sah ich wie sich zwei Männer links und rechts neben mich positionierten. Oh, oh. Schlecht. Ganz schlecht.

„Könnte ich wohl durch? Ich muss nach Hause.“, fragte ich höflich.

„Sorry Süße. Du musst mit uns kommen.“ Der Typ vor mir nahm plötzlich meinen Arm und drehte ihn brutal herum. Ich hörte es leise knacken und schrie auf vor Schmerz. Wenn ich Glück hatte würden James und Alex mich hören. Doch was sollten die beiden schon gegen die drei Riesen anstellen?

„Was wollen Sie von mir?“, fragte ich keuchend. Oh man tat der Typ mir weh!

„Ach. Ich will gar nichts von dir Prinzessin. Mein Meister will etwas von dir.“ 'Oh man James. Bitte! Komm her! Ich brauch Hilfe!', dachte ich panisch.

„Meister?“, fragte ich um Zeit zu gewinnen. Vielleicht waren ja irgendwelche Passanten hier in der Nähe.

„Ja Meister. Arbeitgeber... Wie immer du das nennen willst.“

„Und wieso will Ihr Arbeitgeber mich unbedingt haben?“

„Das wüsste ich auch gern. Aber er will dich haben also bekommt er dich auch.“ Er zog mich nach vorne. Aber nach ein paar Schritten blieb er stehen und sah seine Kumpane an. „Hört ihr das auch?“

Plötzlich war der Mann verschwunden. Meine Arme waren frei! Fluchend rieb ich die schmerzenden Stellen. Dann sah ich mich um wer mich gerettet hatte. Und erstarrte. Alec hatte den Typen in der Mangel und setzte ihm mich so einer Art Pfahl zu. Dann stach er ihm mitten ins Herz. Panisch schrie ich auf. Was war denn mit dem los? Wir hätten auch einfach weglaufen können! Er hatte ihn getötet!

Das sah ich daran wie das Licht in den Augen des Mannes erlosch und er zusammensackte. Dann sah ich nichts mehr, denn vor mir stand einer seiner Handlanger. Oh man. Der hatte auch diese gruseligen roten Augen!

„Hey. Wie geht’s denn so?“, versuchte ich Smalltalk zu betreiben. Doch mein Gegenüber wollte wohl nicht reden, denn er stürzte auf mich zu. Ich wich zum Glück rechtzeitig aus und er lief Alec in die Arme, der ihn sofort in Stücke zerriss. Ein Fürchterliches Knacken ertönte und mir wurde schlecht. Das war schlimmer als jeder Horrorfilm.

Als ich mich umdrehte sah ich wie James das Gleiche mit dem dritten Typen tat. Sie taten es mechanisch und ohne eine einzige Regung in ihrem Gesicht. Dann schütteten sie eine komische Flüssigkeit über die Leichen und sie verschwanden. Sie verschwanden einfach so im Rauch! Und das war der Moment wo ich anfing wie eine Bekloppte zu schreien.

 

„Caitlin.“ James kam ganz langsam auf mich zu. Die Arme leicht gehoben. „Wir tun dir nichts. Aber das was wir mit diesen Leuten getan hatten war notwendig. Und wir werden es dir erklären wenn du mit zu uns nach Hause kommst.“

„No-notwendig? Leute umzubringen nennst du notwendig?“, kreischte ich und wich vor ihm zurück. Er ließ den Pfahl fallen und kam weiter auf mich zu.

Am liebsten würde ich ihm die Augen auskratzen oder weg rennen aber ein starkes Schwindelgefühl überkam mich und mir wurde schwarz vor Augen. Unsicher tastete ich mit meinen Händen nach etwas stabilen an dem ich mich festhalten konnte.

„Caitlin was ist los?“, fragte Alec besorgt von links. Jedenfalls klang es so als würde er links von mir stehen. Sehen konnte ich ihn ja nicht, denn immer wenn ich meine Augen öffnete war es schwarz.

„Ich. Ich bin blind! Ich sehe nichts mehr!“, schrie ich erschrocken. „Oh mein Gott!“

Ich sank auf den feuchten Waldboden. Tränen liefen mir über die kalten Wangen. Und ich fing an zu schreien.

„Es fängt an.“, sagte James.

„Was fängt an James? Red mal Klartext!“, fauchte Alec. Das wüsste ich auch gerne. Obwohl, eigentlich wollte ich nur wieder sehen können!

„Ihre Verwandlung. Wir müssen sie sofort zu meinem Vater bringen. Sofort!“ Verzweifelt grub ich meine Hände ins Gras.

„Caitlin. Ich werde dich jetzt tragen ja? Du wirst bald wieder sehen können ja? Mach dir keine Sorgen.“ Sanft drang Alec Stimme zu mir durch.

Ich nickte leicht, denn was hätte ich auch sonst tun können? Ich war blind! Alec hob mich hoch und ging mit gleichmäßigen Schritten los.

Mir war es in diesem Moment völlig egal ob die beiden Mörder waren oder nicht. Und, dass der eine der beiden (der, der mich auf seinen Armen trug und mir sanft tröstende Dinge ins Ohr flüsterte) ein Player war.

Ich wollte einfach nur in Sicherheit sein und bald wieder etwas sehen können.

Ich fing an zu zittern und presste mein Gesicht an seine warme Brust. Er legte seinen Arm noch fester um mich und spendete mir in dieser dunklen Stunde ein wenig Trost.

„Wir müssen rennen. Die Verwandlung schreitet viel schneller voran als bei mir!“

„Sofort zum Schloss?“ James sagte nichts aber Alec beschleunigte, das hieß wohl, dass James zugestimmt hatte.

„Du kannst das Tempo nicht die ganze Zeit beibehalten! Ich bin zu schwer.“, wisperte ich so leise, dass ich mir nicht sicher war ob er es gehört hatte. Doch seine Brust vibrierte. Das hieß, dass er lachte.

„Ich bin ein Vampir. Ich bin viel widerstandsfähiger als du.“, sagte er ohne geringste Anstrengung in der Stimme. Ach ja. Vampire. Die komischen Gestalten, die Blut tranken...

„Bald nicht mehr. Sie wird stärker als du sein.“, widersprach James belustigt. Wieder versuchte ich meine Augen zu öffnen, doch wieder sah nur schwarz. Es war mein persönlicher Alptraum. Ich wimmerte leise und flüsterte die ganze Zeit irgendwelchen Blödsinn vor mich hin an den ich mich im Nachhinein nicht mehr erinnern konnte.

„Du wirst nicht sterben.“, protestierte James.

„Was?“, fragte ich entgeistert.

„Du hast doch gerade vor dich hingemurmelt, dass du sterben wirst. Aber das wirst du nicht!“

„Das hab ich gesagt?“, flüsterte ich müde. „Ich will schlafen. Ich bin so müde.“

„Oh. Shit. Lauf schneller. Wir sind gleich da! Bleib wach Caitlin ja?“ Wieso sollte ich denn wach bleiben?

„So müde.“, murmelte ich immer wieder vor mich hin. Mein Magen krampfte sich zusammen und ich hatte das Gefühl jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren, weil es so weh tat. Ich machte meine Hände zu Fäusten und merkte wie meine Fingernägel meine Handfläche blutig kratzten.

Bitte! Bleib wach! Tu es für mich!“, flüsterte eine seltsam vertraute, männliche Stimme in meinem inneren.

„Ich kann nicht mehr.“, wisperte ich der Stimme zu. Dann verlor ich das Bewusstsein.

 

Als ich das erste Mal aufwachte hörte ich leise Stimmen flüstern. Ich konnte ihnen nicht folgen, denn sie sprachen in einer anderen Sprache und die Stimmen waren verzerrt. Sie klangen als kämen sie von weit her. Ich fühlte wie sich ein warmer Lappen auf meine Stirn legte. Ich merkte Lippen auf meiner Wange und dann war ich weg. Ich wurde sofort wieder in die Dunkelheit geschleudert. Einen Ort an dem ich gar nicht sein wollte.

 

Dann als ich das nächste Mal wach wurde, fühlte ich eine Hand an meiner Stirn und eine Stimme murmelte etwas in einer Sprache, die ich nicht kannte. Vielleicht war es Latein oder Altgriechisch. Die Stimme, die auf jeden Fall männlich war, ließ mich in eine Art Trance fallen.

„Caitlin Adams meine wunderschöne Tochter. Du hast so viel von deiner Mutter. Du wirst den jungen Herren an meinem Hof völlig den Kopf verdrehen. Und man wird immer und überall über deine Schönheit schwärmen.“ Ich merkte Lippen, die sich sanft auf meine Stirn legten. „Aber jetzt erhole dich. Bald wirst du aufwachen können. Und dann werde ich dir alles erzählen.“ Die Hand strich sanft an meiner Wange entlang. „Du bist nicht so normal wie du im ersten Moment scheinst. Du bist anders als alle anderen. Du bist etwas besonderes.“ Die Hand verschwand und auch die Stimme verstummte. Der Unbekannte ließ mich allein.

Die Müdigkeit übermannte mich und ich schlief ein.

 

 

Die Sonne kitzelte mein Gesicht und ich öffnete stöhnend die Augen. Verwirrt sah ich mich um. Ich lag nicht in meinem Bett Zuhause. Denn Zuhause hatte ich nicht so ein riesiges Himmelbett und mein Zimmer war auch nicht in schwarz weiß gestrichen. Es war auch nicht so elegant und gemütlich.

'Wo verdammt bin ich?', schoss es mir durch den Kopf.

Eigentlich hätte man meinen sollen, dass ich schlapp wäre - wer weiß wie lange ich hier gelegen hatte - doch so war es nicht.Ich war topfit und stand mit Leichtigkeit auf.

Am Fußende lag ein Bündel mit Kleidung, die ich dankbar anzog als ich sah, dass ich nichts außer einem dünnen Seidennachthemd trug. Als ich mich dann im Spiegel musterte erschrak ich. Meine azurblauen Augen waren mit einem goldenen Strich versetzt und sie glühten regelrecht. So wie die roten Augen der Typen im Wald geglüht hatten.

Schaudernd sah ich meine Kleidung an. Ich war in eine schwarze Hose und eine dunkelblaue Bluse gekleidet, die meine Augen besonders betonten. Über die Bluse trug ich einen schwarzen Blazer.

Neben den Klamotten hatte auch meine schwarze Tumalin Kette gelegen, den ich schon seit ich denken konnte um meinen Hals trug.

Meine Mutter hatte sie mir gegeben und gemeint, dass sie mich von den bösen Dingen beschützen würde. Lächelnd dachte ich daran, dass meine Mutter immer total besorgt gewesen war wenn ich sie nicht trug.

Gerade als ich sie umlegte, kam ein kleines Mädchen rein. Sie sah aus wie 15 Jahre und sah mich nicht direkt an. Sie war schwarzhaarig und hatte schokoladenbraune Augen. Sie erinnerte mich ein wenig an meine Freundin Sarah. Als ich an meine Freunde dachte, fing ich traurig an zu lächeln.

„Kann ich dir helfen?“, fragte ich freundlich und leise, doch sie zuckte trotzdem zusammen.

„Ja Mylady.“ Komische Anrede für jemanden aus dem 21. Jahrhundert aber ich tat es mit einem Schulterzucken ab. „Würden Sie mich bitte begleiten? Die Herrschaften warten schon auf Sie.“

„Natürlich. Dürfte ich nur meine Haare bürsten? Ich möchte ungern mit unordentlichen Haaren vor den Herrschaften erscheinen.“

„Natürlich. Warten Sie ich mache ihnen die Haare.“

„Danke aber das brauchst du wirklich nicht zu tun.“

„Ich hab die Order Sie in einem akzeptablen Zustand zu dem König zu bringen.“ König? Ah ja. Völlig verrückt die Leute. Aber wie sagte man so schön? Verrückten sollte man nicht widersprechen!

„Nun denn... Fang an.“ Ich lächelte und setzte mich an den Frisiertisch. Sofort fing das Mädchen an an meinen Haaren herumzuwerkeln. Nach zehn Minuten war sie fertig und ich hatte eine elegante Hochsteckfrisur.

„Danke. Du bist wirklich geschickt darin. Du kannst mir bestimmt viel beibringen. Wie heißt du?“, fragte ich lächelnd und betrachtete bewundernd meine Frisur.

„Danke. Mein Name ist Ann Mylady.“

„Nenn mich doch bitte Caitlin ja? Ich bin ja nicht wirklich älter als du.“

„Wenn Sie wüssten Caitlin! Ich bin fünf mal so alt wie Sie.“, lachte das Mädchen bitter. „Folgen Sie mir.“ Verwirrt zog ich mir die schwarzen Pumps an, die sie mir hinhielt und folgte dem Mädchen durch lange Flure. Dieses Mädchen machte wohl Scherze. Sie war nicht älter als 15! Egal was sie sagte, ich würde das nicht glauben.

 

Überall hingen Portraits von vornehm gekleideten Menschen. Plötzlich blieb ich ruckartig stehen. Auf dem Bild vor mir sah ich James! Ernsthaft! Er sah lächelnd auf mich herunter und seine azurblauen Augen sahen mich friedlich und doch so voller Stärke an.„Können wir weiter Mylady?“

„Ist der junge Mann auf dem Bild James?“, fragte ich Ann.

„Ja. Prinz James von England. Der Thronfolger wenn sein Vater sterben sollte oder zurücktritt.“ Ich nickte nur sprachlos und folgte ihr weiter durch die verwirrenden Gänge, der Villa. Oder war es ein Schloss?

Endlich blieb Ann vor einer Tür stehen. Sie war riesig und mit vielen verschiedener Zeichen verziert. Die Wachen davor nickten Ann kaum merklich zu und stießen die Tür auf.

„Viel Glück!“, flüsterte sie.

Der Saal war riesig. Und es waren mindestens zwanzig Menschen in ihm. Sie saßen an einem langen Tisch und unterhielten sich. Doch als ich rein kam sahen sie auf und starrten mich an. Alec saß auch unter ihnen und zwinkerte mir zu.

Oh nein. Aber cool bleiben. 'Lass sie nicht deine Angst sehen', ermahnte ich mich in Gedanken und setzte ein freundliches Lächeln auf. Mich hoch erhobenen Kopf schritt ich voran. Und zuckte innerlich zusammen als ich sah wer vor mir auf zwei Thronartigen Stühlen saß. James und sein Vater. Raphael Dupont. Oh. Mein. Gott. Was war denn hier los? Ann verbeugte sich und wich zurück. Die Leute starrten mich neugierig an. Das fand ich so was von gar nicht lustig!

„Caitlin. Willkommen bei uns.“, sagte Raphael. Seine Kleider raschelten leise als er sich ein wenig bequemer hinsetzte. Warte. Seit wann konnte ich Kleider rascheln hören? Oder das Atmen der Leute um mich herum?

„Dankeschön Sir.“, antwortete ich respektvoll und neigte mein Haupt. In dieser Situation wollte ich ihn lieber nicht duzen, denn ich wusste nicht ob das so angebracht wäre. Sofort hörte ich Gemurmel wie: „Dass sie es wagt den König mit Sir anzureden!“ oder „Was für ein unverschämtes Kind!“ Was sollte das denn jetzt? Ich war eben ein wenig unwissend! Das mussten sie mir ja nicht unter die Nase reiben! Zum Glück hatte ich ihn nicht geduzt. Dann wäre wahrscheinlich die Hölle ausgebrochen.

„Ruhig meine Freunde! Sie ist in unsere Sitten noch nicht eingeweiht! Sie wird es noch lernen.“, beruhigte Raphael seine Untertanen. Und fast sofort wurde es wieder leise. „Bitte entschuldigt uns. Wir werden uns jetzt zurückziehen und mit Caitlin besprechen was mit ihr passiert ist. Ich denke, dass das ihre wichtigste Frage im Moment ist.“ Oh ja. Das war es wirklich. Wie auf ein geheimes Zeichen standen die Lords auf und verneigten sich. Aber sie gingen nicht. Sie blieben nur stehen und sahen mich an.

Allein Alec kam auf mich zu uns nahm elegant meinen Arm. Bestimmt zog er mich hinter sich her, doch er machte es so, dass es nicht so aussah, als würde ich gezwungen werden. Und elegant kam ich auch noch rüber.

 

 

Die drei führten mich in ein gemütlich eingerichtetes Arbeitszimmer. Es war in rot und Gold eingerichtet und alles sah sehr antik aus. An einer Seite des Raumes stand ein riesiges Bücherregal. Es war vollgestopft mit Büchern. Der Rest des Zimmers bestand aus einem Schreibtisch, einem Bürostuhl, einem Tisch mit zwei Couch gegenüber, wo sich die drei anderen gerade hin setzten, und Blumenvasen. Weiße Rosen. Die Lieblingsblumen meiner Mutter. Mama! Sie machte sich bestimmt Sorgen!

„Caitlin. Setz dich doch.“ Die Stimme von Mister Dupont riss mich aus meinem Starren.

„Ähm. Ja. Tut mir leid.“ Ich sah auf und bemerkte, dass mich James, Alec und Mister Dupont beobachteten. Beschämt setzte ich mich auf die äußerste Kante des Sessels, der frei geblieben war. Unruhig sah ich zwischen den drei Männern hin und her.

„Caitlin. Du hast bestimmt viele Fragen oder?“ Mister Dupont lächelte mich beruhigend an. Allerdings hatte ich die, doch ich wusste nicht wo ich anfangen sollte. „Wie wäre es mit dem Anfang?“ Geschockt starrte ich den Mann vor mir an bevor ich mich an meine Manieren erinnerte und den Blick abwandte. Ich hatte meine Gedanken doch nicht laut ausgesprochen oder?

„Nein ,hast du nicht. Aber ich kann Gedanken lesen.“, antwortete der Mann mir gegenüber auf meine Frage, die ich mir eindeutig im Kopf gestellt hatte. Oh mein Gott! Ich werde verrückt! Ernsthaft! Was sollte der Scheiß? Mein Blick fiel auf ein Bild von meiner Mutter. Woher hatte Mr. Dupont ein Bild von meiner Mutter? Und woher kannte er sie?

„Vater. Ich denke nicht, dass du so mit dem erklären anfangen solltest.“, tadelte James seinen Vater. Dieser nickte und entschuldigte sich bei mir.

„Wie lange habe ich geschlafen?“, fragte ich.

„Ähm. Du meinst wie lange du weg warst? Du hast nicht geschlafen. Du warst in einer Art Trance, während dein Körper sich verwandelt hat.“ James überlegte. „Du warst drei Tage weg.“ Mein erster Gedanke war: Mama! Sie wird sich riesige Sorgen machen! Was sollte ich ihr denn sagen? Ich habe drei Tage schlafend in einem Schloss verbracht, oder was? Und wie wurde mein Fehlen in der Schule entschuldigt?

„Okay. Schon mal nicht gut. Nächste Frage: Was seid ihr?“

„Du meinst doch wohl was sind wir! Du gehörst jetzt schließlich dazu.“ Korrigierte Alec. „Wir sind Vampire. Das hab ich dir aber schon vorher gesagt. Da hast du mir aber noch nicht geglaubt.“

„Ja stimmt. Da wurden wir noch nicht von gruseligen Leuten mit rot leuchtenden Augen angegriffen und ihr habt sie auch nicht umgebracht!“ Die beiden sahen sich entsetzt an. „Dachtet ihr etwa ich vergesse das schlimmste was ich je in meinem Leben gesehen habe?“

„Nein. Das hatten sie wohl nicht gedacht. Eher, daran, dass sie es mir noch nicht erzählt haben.“, mischte sich Mister Dupont ein und sah die beiden Jungs an. „Aber darüber reden wir später!“

„Ähm. Vampire also? Aber... Müsstet ihr jetzt nicht in Särgen schlafen? Ich meine es ist mitten am Tag.“

„Wir schlafen doch nicht in Särgen Caitlin Schatz!“, lachte Alec.

„Ich bin nicht dein Schatz!“, fauchte ich und ich merkte wie meine Augen anfingen zu glühen. Erschrocken machte ich die Augen zu uns versuchte mich zu beruhigen.

„Du solltest sie in den ersten Wochen nicht provozieren Alec.“, sagte James ruhig. Dann antwortete er: „Wir schlafen wie normale Menschen in einem Bett.“

„Gut.“ Ich atmete tief ein und öffnete dann wieder meine Augen. „Was ist mit der Sonne?“

„Sie kann uns nichts anhaben. Sie ist für die Vampire - also die Richtigen so wie Raphael und ich - etwas unangenehm wenn sie ihren Ring nicht um haben aber sonst?...“, antwortete Alec. Ich nickte und fragte: „Werde ich mein jetziges Leben aufgeben müssen?“

„Nein! Du wirst dein Leben ganz normal weiter führen nur, dass du hier im Schloss leben wirst und du ein paar Mal im Monat auf Bälle gehen oder zu Konferenzen kommen musst...“, antwortete Raphael.

„Okay. Dann eine andere Frage. Sie ist mir sehr wichtig...“ Ich holte Luft und sah die drei fest an. „Wer sind meine richtigen Eltern? Denn ich denke nicht, dass ich das hier von den beiden habe.“

Überrascht starrten mich die drei an. Raphael fasste sich als erstes und fragte: „Wieso denkst du das?“

„Weil ich die beiden seit meiner Geburt kenne! Sie haben weder solche Augen wie ich, noch rote und ich denke nicht, dass sie sich von dem ernähren wie... wir.... es tun.“

„Ich kann dich beruhigen. Du wirst kein Blut trinken müssen. Außer du bist wirklich verletzt und hast viel Blut verloren.“ Ich war bei dem Wort Blut zusammengezuckt und atmete auf als mir James erzählte, dass ich kein Blut trinken musste.

„Und meine Eltern?“, fragte ich leise.

„Deine Mutter ist deine leibliche Mutter Caitlin.“, antwortete James.

„Und mein Vater?“ Ich wollte es nicht wissen. Ich wollte mein Leben behalten. Meine Eltern. Ich wollte normal sein!

„Er sitzt vor dir.“, flüsterte Raphael. Ich sah ihn an und nickte.

„Das hätte ich mir denken können. Ich hab deine Augen. Und James auch. Das heißt wohl er und ich sind Geschwister?“

„Ja. Ich habt sogar die gleiche Mutter.“ Ich nickte wieder. „Gut. Kennst du meine..., ich meine unsere Mutter James?“ Er schüttelte den Kopf und sah mich traurig an. „Willst du sie kennenlernen?“

„Ich würde aber... Sie hat dich nicht umsonst vor unserem Vater geheimgehalten.“

„Sie muss es wissen!“, sagte Raphael. „Ich hatte ihr gesagt, dass alle Kinder, die wir zusammen haben werden Vampire werden würden, wenn ihrer Zeit gekommen ist sich zu verwandeln“

„Wann kommt normalerweise die Zeit, dass sich Vampire verwandeln?“, wollte ich wissen.

„Kommt darauf an. Sie müssen bereit sein. Meist passiert es zwischen 13 und 15 Jahren. Du bist zwar ein wenig über der Zeit, jedoch ist das wahrscheinlich so, weil du nie Kontakt zu anderen unserer Art hattest. Dass du Alec und James kennengelernt hast, hat wohl die Verwandlung eingeleitet und ihre Erzählungen hat sie ausgelöst.“, erzählte Raphael.

„Dann fahren wir jetzt zu mir nach Hause. Da muss ich sowieso hin. Meine Mutter macht sich bestimmt schon Sorgen.“ 'Und nicht nur sie.', dachte ich. Ich stand auf und sah die drei auffordernd an.

„Ich bin der König und meine Tochter gibt mir Befehle.“ Ich zuckte zusammen bei dem Wort Tochter. Ich sah ihn noch nicht als Vater an. Für mich war mein Vater der Mann, der mich aufgezogen hat. Mich aufwachsen gesehen hat. Mir beigebracht hat wie man redet, schreibt, sich benimmt. Und König? Damit kam ich schon mal gar nicht klar. Es gab zwar eine Königin in England, doch die wusste wahrscheinlich kein bisschen von der Monarchie, die hier in Oxford herrschte.

Raphael gab den anderen beiden ein Zeichen und wir gingen nach draußen.

 

„Du kommst ganz gut mit der Sache klar.“, flüsterte Alec mir zu. Wir gingen etwas hinter den beiden Königlichen, weil das die Höflichkeit gebot. Eigentlich hätte ich ja neben meinem „Vater“ laufen können aber Raphael wollte mich noch nicht als seine Tochter entlarven. Erst wenn ich meine Kräfte und Fähigkeiten (was auch immer er damit meinte) unter Kontrolle halten konnte.

„Das denkst du.“, sagte ich und blickte zur Seite.

Wir kamen an einem Bild vorbei auf dem man einen Jungen mit blonden Haaren und azurblauen Augen sah. Er war das Ebenbild von meinem Vater. Er trug Kampfkleidung und strahlte eine Entschlossenheit aus, die ich nicht kannte. Ich blieb stehen und las das Schildchen unter dem Bild. 'Prinz Mason Dupont von England.“

„Wer ist das?“, fragte ich. Raphael und James drehten sich zu mir um. Als sie sahen vor welchem Bild ich stand verdunkelten sich ihre Augen vor Trauer.

„Das ist dein Bruder.“, erklärte Alec hinter mir. Auch er klang traurig. „Er... Er wurde von eurem Onkel entführt und getötet. Wir bekamen nichts mehr von ihm zurück.“

„Und woher wisst ihr dann, dass er wirklich tot ist?“, fragte ich. Mason sah lächelnd und königlich auf uns herunter.

„Unser Onkel hat noch nie irgendwelche Gefangenen genommen Caitlin.“, sagte James.

„Aber er kann doch nicht einfach seinen Neffen umbringen!“ Ich sah zu meinem Vater, der noch nichts gesagt hatte.

„Dein Onkel ist ein grausamer Mann Caitlin. Ich hoffe um deinetwillen, dass du ihn nie kennenlernen musst.“, sagte Raphael jetzt.

„Das hoffe ich auch.“, murmelte ich. Dann sagte ich lauter. „Wieso nehmt ihr ihn nicht gefangen und tötet ihn?“

„Wir bekommen ihn nie zu fassen. Und wenn wir einen seiner Spione erwischen, sind sie am gleichen Tag tot.“

„Sie begehen Selbstmord oder werden von Unbekannten umgebracht?“

„Entweder das eine oder das andere.“, antwortete Raphael. Schaudernd wandte ich mich wieder dem Bild von Mason zu. Er war wirklich gut aussehend. Jana würde ihn sofort anhimmeln. Ich lächelte traurig. Schade, dass ich ihn nie würde kennenlernen können. Er kam mir sympathisch rüber.

Wir gingen weiter und ich dachte über meine Situation nach. Wie meine Freundinnen wohl reagieren würden, wenn ich ihnen sagen würde, dass ich eine Vampirin bin.

Auf dem Weg nach draußen fragte ich: „Ich muss es vor meinen Freundinnen geheim halten, oder?“ James sah mich traurig an und nickte.

„Tut mir leid.“

„Schon gut. Wirklich.“ Seufzend trat ich in die Sonne und musste erst einmal meine Augen zusammenkneifen, da sie so hell war und mich blendete. „Es ist besser wenn sie von der Sache nichts erfahren. Es ist wahrscheinlich auch sicherer für sie.“

 

Als ich die Augen wieder öffnete sah ich eine Limousine vor uns stehen bleiben. Ein Chauffeur stieg aus und öffnete die Tür. Dann verbeugte er sich und ich schnaubte undamenhaft als Raphael ihm zunickte und einstieg. Dann James und dann Alec. Auch sie nickten ihm nur höflich zu. Mir hielt der Chauffeur sogar die Hand hin, die ich ihm natürlich nett gab und er half mir einzusteigen. Als ob ich das nicht selbst tun könnte!

„Vielen Dank.“ Er nickte und schloss sie Tür hinter mir. 'Netter Mann', dachte ich ironisch. Als ich saß sah ich meinen „neuen“ Vater an. „Noch auffälliger ging's nicht oder?“

„Was ist daran so schlimm mit der Limousine zu fahren?“, fragte mein Vater.

„Schon gut. Du wirst es schon sehen.“, winkte ich ab und sah aus dem Fenster. Wir fuhren durch einen Wald. Ich schlussfolgerte also, dass wir außerhalb der Stadt waren. Die Trennscheibe zwischen uns und dem vorderen Bereich fuhr herunter und im Rückspiegel sah ich das Gesicht des netten Chauffeurs.

„Sire? Wohin?“, fragte der Chauffeur. Fragend sah mich Raphael an.

„St. John Street 151.“, sagte ich. Der Chauffeur nickte und ließ die Trennscheibe wieder hochfahren.

„Ihr wohnt in der gleichen Straße?“ Ich sagte nichts, doch Alec antwortete mit ja. Doch dann wurde ich neugierig.

„Wieso wohnt ihr eigentlich nicht im Schloss?“, wollte ich wissen.

„Wir wollten ein normales Schuljahr erleben. Die Besitzer des Hauses sind das Jahr über verreist und wir haben uns angeboten darauf aufzupassen.“, erklärte James.

„Wirklich? Nun... Das muss ungewohnt für euch sein.“

„Das ist es wirklich.

Kapitel 4

 

Manchmal glaube ich, wir sind keine Familie, sondern ein biologisches Experiment.

(Al Bundy „Eine schrecklich nette Familie“)

 

 

Als wir eine halbe Stunde später ankamen, sprang ich aus dem Auto und lief die Treppen zu unserem Haus hinauf. Dann klingelte ich Sturm. Meine Mutter öffnete die Tür und nahm mich stürmisch in die Arme.

„Oh Caitlin! Mach mir bitte nie wieder solche Angst!“, murmelte sie in mein Haar. Ich schmiegte mich an sie und schüttelte den Kopf.

„Nein, Mama. Mach ich nicht.“ Dann löste ich mich widerstrebend von ihr und sah über meine Schulter. „Mama. Wir haben Besuch. Können wir rein gehen?“

„Wen...“, fing sie an, doch dann brach sie ab. „Raphael?“ Sie sah mich erschrocken an und ich musste den Blick senken. „Kommt rein.“ Ihre Stimme klang emotionslos. Sie trat zur Seite und hintereinander kamen wir alle ins Haus.

Meine Mutter führte uns ins Wohnzimmer wo meine kleine Schwester vor dem Fernseher saß. Als sie mich entdeckte schrie sie auf und rannte auf mich zu.

„Cat!“, schrie sie. Ich hob sie lachend hoch und wirbelte sie herum. „Wir haben uns Sorgen gemacht! Du warst ganze drei Tage nicht da! Wir wussten nicht wo du warst...“ Ihr liefen Tränen über die Wangen.

„Schhh. Ich bin doch wieder da Süße.“ Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn, wischte ihre Tränen behutsam ab und ließ sie runter.

„Du bist so ein Doofkopf!“, schimpfte sie. „Papa hat sich aufgeregt, dass du dein Handy nicht an hattest und er dich nicht orten konnte.“ Ja, das konnte ich mir vorstellen. Das würde riesigen Ärger geben.

„Tust du etwas für mich?“, fragte ich ohne auf das Gesagte einzugehen.

„Was?“ Sie sah mich mit großen Augen an.

„Gehst du bitte nach oben? Und kommst erst runter wenn ich dich rufe ja?“ Ich kramte mein Handy aus der Tasche und reichte es ihr. „Hier. Du darfst auch damit spielen, aber es muss aufladen ja?“ Sie nickte und rannte nach oben. Lächelnd sah ich ihr nach. Sie war wirklich ein kleines Energiebündel. Aber das liebte ich an ihr. Sie war genau das Gegenteil von mir.

 

 

 

Raphael

 

Es versetze mir einen Stich, dass Caitlin und ihre Halbschwester sich so nah waren. Wie ihre Augen gestrahlt hatten. Und wie liebevoll sie mit ihr umgegangen ist. Diese Beziehung hätte sie zu James haben können, hätte Desiree mir gesagt, dass sie mit ihr schwanger war.

Als sie sich zu uns umdrehte verrutschte ihr Lächeln ein wenig und sie setzte sich neben ihre Mutter, die ihre Hand nahm.

„Habt ihr die Polizei benachrichtigt?“, wollte meine Tochter wissen.

„Nein Cat. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass du bei Raphael bist. Ich meine es war langsam so weit.“

„Okay. Ich bin beruhigt. Dann haben wir jetzt Zeit zu reden.“, sagte sie und sah an die Wand. „James. Du wolltest doch deine Mutter kennen lernen. Hier ist sie.“ Desiree sah James ungläubig an und ihre Augen schimmerten. Ihre Hände schlossen sich noch fester um die Hände unserer gemeinsamen Tochter.

„Er sieht dir so ähnlich.“, flüsterte sie mir zu und wandte den Blick nicht von James. Auch James sah seine Mutter die ganze Zeit sprachlos an.

„Cat?“, schrie die Halbschwester von Caitlin von oben und sie zuckte zusammen. Caitlin hatte sich noch nicht daran gewöhnt, dass ihr Gehör besser geworden war. Sie stand einfach auf und ging nach oben. Ich blieb mit meinem Sohn und dem Besten Freund meines Sohnes und meiner.... wie sollte ich sie nennen, meine Ex?, alleine im Zimmer zurück. Eine ungemütliche Stille senkte sich über uns, die Desiree brach, als sie ihre Hand auf die von James legte und sagte: „Nett dich kennen zu lernen mein Sohn.“

 

 

CAITLIN

 

 

Ich rannte nach oben zu Anastasia. Meiner kleinen Schwester. Sie lag auf meinem Bett, ihren Teddybären, den ich ihr zu ihrem letzen Geburtstag geschenkt hatte, fest umklammert und sprach in mein Telefon. Warte. Sie sprach in mein Telefon?!? Wer war an der anderen Leitung?

„Ja. Sie ist hier. Warte.“ Sie reichte mir mein Handy und grinste.

„Hallo?“, fragte ich.

„Caaaaaaat!“, schrien Tristan, Sarah und Jana gleichzeitig ins Handy.

„Hallo? Danke! Durch euch bekomme ich einen Gehörschaden!“

„Wo verdammt warst du?“, fragte Tristan wütend.

„Ähm. Darf ich euch nicht sagen.“

„Willst du mich verarschen? Du kannst uns doch immer sagen was du gemacht hast!“, meinte Jana angepisst.

„Ja schon aber...“

„Sag nicht du bist auf Drogen gewesen!“

„Was? Willst du mich....“ Ich warf einen raschen Blick auf meine Schwester, die mich mit großen Augen ansah und lächelte und ging hinaus auf den Flur. „Nein. Ich nehme keine Drogen. Ich darf euch nur nicht sagen wo ich war, bis ich das mit meinen Eltern geklärt habe.“ Eltern. Ja. Mit meinem neuen Vater, den ich noch nicht mal kannte! Jemand durch den ich zu einem Vampir wurde. Etwas was ich niemals sein wollte. Ich war so in meine Gedanken vertieft, dass ich nicht mit bekam, dass Tristan mit mir sprach.

„Cat! Cat!“, sagte er lauter.

„Hm? Was? Sorry war in Gedanken. Was meintest du eben?“

„Können wir vorbei kommen?“, fragte er noch mal in Zeitlupe und extra deutlich damit ich ihn auch verstand.

„Nein. Sorry. Wir haben Besuch. Wir reden morgen in der Schule, ja?“

„Aber...“

Jana wurde von mir unterbrochen als ich sagte: „Sorry. Bis morgen! Viel Spaß noch!“ Ich legte auf und ging wieder zu meiner Schwester ins Zimmer. „Hier. Lehnst du bitte ab wenn jemand anruft? Egal wer es ist ja?“ Sie nickte ernsthaft und griff mit leuchtenden Augen mein Iphone. „Und nicht runter kommen, ja?“ Ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange und ging wieder herunter zu den anderen. Meiner 'Familie'.

 

Im Wohnzimmer angekommen, sah ich wie sich meine Mutter und James unterhielten. Alec und Raphael saßen stumm daneben und hörten zu. Meine Mutter schien meinem 'Bruder' etwas zu erklären, denn sie sah ernst aus und traurig zugleich.

„Setz dich Caitlin.“, sagte mein Vater ernst und nickte zu den freien Platz neben meiner Mutter. Verwirrt kam ich seiner Aufforderung nach und sah meiner Mutter zu.

„Ich bin deine und Caitlins Mutter. Ja. Und ich weiß, dass du wütend auf mich bist, weil du denkst, dass ich dich alleine gelassen habe. Doch ich hatte meinen Grund James. Zu der Zeit als ich erkannte, dass ich mit dir schwanger war, herrschte gerade Krieg im Land. Die Vampire bekämpften sich und Menschen starben, durch den Blutdurst der Vampire.“ Sie nahm die Hände von mir und James in ihre.

„Raphael wollte mich zu sich an den Hof holen, doch ich wollte nicht. Ich wollte, dass du behütet aufwächst. Genauso wie ich es bei dir wollte Caitlin. Als du geboren warst. In dem einen Jahr, den ich dich aufwachsen sah und ich mit Caitlin schwanger war, war ich der glücklichste Mensch der Welt. Doch dann sagte mir Raphael, dass er dich mit an den Hof nehmen würde und dich zu einem Prinzen erziehen lassen würde, der du ja warst. Wir stritten uns und ihr zogt fort. Als Raphael und ich uns kennenlernten war er Prinz, kein König. Aber er hatte an seine Pflicht zu denken und ging zurück an den Hof. Und ließ mich schwanger und allein zurück.“ Meine Mutter sprach emotionslos. Kein einziges Gefühl konnte man ihrer Stimme entnehmen. Doch als ich meinen Vater ansah, sah ich Schmerz, Trauer, Wut und Verzweiflung in seinen Augen.

„Und dann lerntest du Papa kennen.“ Ich konnte nicht anders als den Mann, der mich aufgezogen hatte Papa bezeichnen.

„Es war ein Jahr nachdem du geboren warst. Ich war beim Einkaufen. Du schliefst selig in deinem Kinderwagen. Er lächelte mir zu und machte mir ein Kompliment. Was er sagte weiß ich nicht mehr.“

„Ich weiß es aber noch ganz genau. Ich hab dir ein Kompliment für dein Kleid gemacht. Du trugst an diesem Tag dieses entzückende blaue Kleid.“ Mein Vater Daniel kam ins Zimmer. Sofort sprang ich auf und fiel ihm um den Hals.

„Das gibt Ärger junge Dame. Zwei Wochen Hausarrest.“ Daniel schob mich von sich und musterte mich streng.

„Alles was du willst Daddy.“

„Seit wann so einsichtig?“, wollte er wissen. Ich schüttelte nur den Kopf und drückte ihn wieder an mich. Als ich ihn wieder ansah, sah ich wie angespannt er war. Seine Stirn war in Falten gelegt. Er war unausgeschlafen. Wahrscheinlich hatte er zu viel gearbeitet und musste sich gleichzeitig große Sorgen um mich machen.

„Ist doch ganz normal, dass sechzehnjährige mal abhauen oder?“

„Andere vielleicht. Du nicht!“ Er grinste erschöpft. „Du bist eine sechzehnjährige, die niemals auf Partys geht! Und auch niemals irgendetwas verrücktes tun würde. Eigentlich hätte ich mir gewünscht, dass es mal passiert.“ Er machte eine Pause. „Obwohl. Nein das stimmt nicht. Vergiss das.“ Ich nickte bestätigend und sah ihn besorgt an. Sanft strich ich ihm eine Sorgenfalte aus dem Gesicht.

„Geh ins Bett. Du siehst müde aus.“ Er nickte und schlurfte nach oben. Er hatte noch nicht mal unsere Gäste begrüßt. Das sah ihm gar nicht ähnlich.

 

Ich gähnte und ließ mich wieder neben meiner Mutter auf die Couch fallen.

„Caitlin. Was habe ich dir schon eine Million mal gesagt?“, sagte meine Mutter streng.

„Nicht auf das Sofa schmeißen. Das macht eine junge Dame nicht, denn es gehört sich ja nicht. Jaja. Schon gut. Tut mir leid.“ Alec fing an zu lachen und ich verdrehte die Augen.

„Caitlin hast du noch Fragen?“ Raphael sah mich auffordernd an.

„Ja. Du meintest, dass ich besondere Fähigkeiten habe. Welche sind das?“ Er sah mich kritisch an und streckte seine Hand aus.

„Darf ich kurz deine Hand halten?“ Unsicher sah ich erst James, dann meine Mutter an. Beide nickten zuversichtlich. Also streckte ich ihm meine Hand entgegen und wartete. Raphael schloss die Augen und ließ meine Hand nach einer Minute los.

„Du hast wirklich beeindruckende Kräfte meine Tochter. Eine Sache, die jeder Vampir hat ist, dass du mit deinen Familienmitgliedern telepatieren kannst. Und mit deinem Seelengefährten.“ Ich stöhnte auf und ließ meinen Kopf gegen die Sofa lehne fallen.

„Seelengefährten. Ein Vampir an den ich für immer gebunden bin, richtig?“

„Genau. Auch wenn du dich auch gegen ihn entscheiden kannst. Doch entscheidest du dich gegen ihn, lebst du gefährlicher und auch kürzer.“

„Aber das muss ich noch nicht wissen, oder?“, fragte ich.

„Nein.“ Kurze Antwort seitens Alec.

„Nun gut. Und welche Kräfte hat sie noch?“, fragte meine Mutter.

„Sie kann das Element Feuer beherrschen.“ Meine Mutter zuckte zusammen. „Sie hat Waffen- und Kampfgeschick. Egal welche Waffe oder welche Kampfart. Sie kann sie beherrschen ohne sie jemals gelernt zu haben.“

„Das will ich sehen.“, sagte Alec und stand auf. Er sah mich auffordernd an.

„Was willst du sehen?“, fragte ich zickig.

„Steh auf!“ Augen verdrehend stand ich auf und stellte mich gegenüber von Alec.„Und was jetzt?“

„Alec. Ich denke nicht, dass...“, fing meine Mutter an.

„Ach schon gut Desiree. Das wird schon gut gehen.“, beruhigte mein Vater meine Mutter. „Er wird ihr schon nicht den Kopf abreißen. Ich denke er wird aufpassen müssen, dass sie ihn nicht zu sehr verletzt.“„Pah!“ Alec winkte ab. „Wo können wir kämpfen?“ Ich nickte zur Terrassentür und ging vor. Ich hörte die anderen folgen. Ich stellte mich auf den Rasen und starrte Alec an. Sein schwarzes enges T-Shirt betonte seine Muskeln und machte es mir nicht gerade leicht. Ich wandte mich ab und sah meinen Vater an.

„Und jetzt?“ Er sah zu Alec und dieser fing an zu grinsen.

„Bereit?“ ,fragte der Junge vor mir.

„Bereit wenn du es bist.“

 

Er stellte sich in eine Angriffsposition. Da ich nicht wusste wie er kämpfte, stand ich einfach nur da und wartete auf seinen Angriff. Ich merkte wie mein Gehirn abschaltete und eine befriedigende Ruhe überkam mich.

Alec kam auf mich zu und wollte mir einen Kinnhaken verpassen, doch ich wich ihm mühelos aus und lachte. Wieder kam er auf mich zu. Diesmal reagierte ich schnell und trat ihm die Beine weg. Er flog auf den Boden und starrte mich an. Dann rappelte er sich wieder auf und trat gegen mein Bein. Ich hatte nicht aufgepasst, doch ich sprang nach hinten, sodass ich nur einen kleinen Tritt abbekam, der mich ins Straucheln brachte. Schnell brachte Alec mich mit einem Stoß zu Fall und setzte sich auf mich drauf. Der Aufprall und sein Gewicht raubten mir den Atem. Meine Hände umklammerte er und hielt sie über meinem Kopf.

„Doch kein Kampfgeschick oder?“, lachte er. Wütend biss ich die Zähne zusammen und wackelte unter ihm. Er riss die Augen auf und ich sah wie er ein Stöhnen unterdrückte. Oh. Ich grinste in mich hinein. Noch ein wenig nachdrücklicher wackelte ich unter ihm und rieb meine Hüfte an seiner. James lachte unterdrückt auf. Er wusste was ich machte. Als ich zu meinen Eltern sah, bemerkte ich, dass meine Mutter rot wurde und wegsah. Tja. Sie hätte so etwas auch nicht von mir erwartet.

Ich wartete darauf, dass er unvorsichtig wurde, was auch bald geschah. Dank meiner wunderbaren Hilfe. Dann rollte ich mich so schnell herum, dass er unter mir lag. Ich sah ein Messer an seinem Gürtel, zog es mit einer Hand heraus und hielt es ihm an den Hals.„Noch eine Bewegung Alec...“ Ergeben hob er langsam die Arme. Ich stand von ihm auf und drehte mich zu meiner Familie um, das Messer unbekümmert schwingend.

Deshalb bemerkte ich nicht wie er aufstand und sich zu mir umdrehte. Erst kurz vor seinem Angriff erkannte ich an der entsetzten Miene meiner Mutter, dass er mich aus Rückhalt angreifen wollte. Ich warf das Messer zur Seite, duckte mich, zog mein Bein hoch und drehte mich, so dass mein Fuß ihn direkt in den Bauch traf. Er stöhnte auf und hielt sich seinen Bauch.

„Ist das denn Ritterehre? Seinen Gegner aus dem Hinterhalt anzugreifen?“, fragte ich.„Normalerweise nicht. Wahrscheinlich kann er es nicht ertragen von einem Mädchen geschlagen worden zu sein.“, lachte James und hielt die Hand hoch. Ich zuckte die Schultern, schlug ein, drehte mich zu Alec um und hielt ihm meine Hand hin. Er ergriff sie und zog sich hoch.

„Ich glaube ich sollte froh sein, dass du mich nicht weiter unten getroffen hast.“ Dann stöhnte er kurz auf und fügte hinzu: „Aber selbst der Tritt tat weh. Ach ja und das war kein wirklich fairer Kampf.“

Ich grinste ihn an und sagte: „Was kann ich dafür wenn du von unten gesteuert bist.“ Eigentlich wollte ich Schwanz gesteuert sagen aber meine Mutter und zwei Königliche waren bei uns und ich hielt es für angebracht nicht solche Ausdrücke zu benutzen. Erschöpft strich ich mir über die Stirn und ging ins Haus zurück.

Dort holte ich mir ein Getränk und nach kurzem Zögern auch eins für Alec. Auch wenn ich nicht wusste ob Vampire etwas anderes trinken mussten als Blut, musste ich ihm doch wenigstens etwas anbieten. Auch für die anderen brachte ich ein Getränk mit. Als ich in den Garten trat, sah ich meine Mutter und Raphael wild diskutieren.

„Sie muss!“

„Sie kann doch nicht einfach da hin ziehen! Was ist mit der Schule? Ihren Freunden? Soll sie ihr ganzes Leben aufgeben nur, weil sie jetzt eine von euch ist?“, rief Mama.

„Denkt ihr der Garten ist ein geeigneter Ort sich über so etwas zu streiten? Wir haben auch Nachbarn.“, unterbrach ich ihren Streit. Sie schwiegen sofort.

Lässig warf ich Alec und James eine Cola Dose zu. Alec nickte mir zu und auch James grinste dankbar.

Es war still. Man konnte die Vögel zwitschern hören und das Rauschen der Bäume. Doch plötzlich klingelte es an der Tür und ich zuckte zusammen. Auf der anderen Seite des Hauses konnte ich die Stimmen meiner Freunde erkennen. Oh shit!

„Da kann ich dir nur zustimmen.“, sagte James zu meiner linken. Verzweifelt sah ich meinen Vater an. Es überraschte mich noch nicht mal, dass James auf meine Gedanken antwortete.

„Mach ihnen auf. Ich kann ja gucken ob sie es würdig sind zu erfahren was du bist.“

„Ich werde sie da bestimmt nicht rein ziehen!“

„Komm schon! Ich hab schon eine Idee wie wir sie richtig schocken können!“ Alec Augen glitzerten freudig,„Was hast du vor?“

„Lass dich überraschen Prinzessin.“ Mit einem ernsten Gesicht ging ich zur Vordertür und riss die Tür auf. „Sagte ich nicht, dass wir Besuch haben?“

„Caitlin! Wir haben uns doch nur Sorgen um dich gemacht!“ Ich spürte Alec hinter mir.

„Kommst du wieder rein Schatz?“, fragte er den Mund nah an meinem Ohr. Er umschlang meine Taille mit einem Arm. Ich bekam Gänsehaut. Die Münder meiner Freunde klappten gleichzeitig auf. „Ihr habt ein schlechtes Timing Leute.“, murmelte Alec an meinem Hals. Die Münder meiner Freunde klappten so weit auf, dass sie bald den Boden berühren würde, wenn das so weiter ging.

„Da kann ich ihm nur zustimmen. Ich sagte doch, dass ich Besuch habe.“

„Aber. Aber...“, stotterte Jana. Alec und ich fingen an zu lachen. Er hob seine Hand und ich klatschte ein.

„Ich hab gerade voll den Schock bekommen!“, sagte Jana und fasste sich ans Herz.

„Wieso versteht ihr euch so gut? Caitlin! Vor drei Tagen hast du ihn noch als Arschloch beschimpft!“, fragte Tristan.

„Das ist er immer noch.“

„Hey!“ Augen verdrehend trat ich zur Seite und ließ meine Freunde rein. Meine Mutter, James und Raphael kamen aus dem Garten.

„Hey Desiree. Das T-Shirt steht ihnen hervorragend.“, sagte Tristan.

„Kein Wunder. Ist ja auch mein T-Shirt.“, knurrte ich.

„Wirklich?“ Tristan wandte sich an mich. „Tut mir leid aber deiner Mutter steht das T-Shirt besser als dir.“ Empört schnappte ich nach Luft und boxte dem lachenden Tristan in den Bauch.„Oh. James. Was machst du denn hier? Beziehungsweise wieso seid ihr beide hier?“

„Wir haben Caitlin nach Hause gebracht. Sie war die letzten drei Tage bei uns.“, mischte sich mein Vater ein.„Aber... Wieso? Sie hatte Schule! Genau so wie James und Alec! Die auch nicht da waren.“ Meine Freunde sahen meinen Vater verwirrt an. Ich beugte mich unauffällig zu Alec und meinte leise: „Ihr wart nicht in der Schule?“

„Nein. Wir wollten alle da sein wenn du aufwachst.“ Er grinste mich an. „Nett von uns nicht? Von wegen Arschloch!“

„Oh ich frage mich ob Chloe sich gewundert hat wieso du nicht gekommen bist.“ Er lachte.

„Bestimmt hat sie das. Sie hat den ganzen Tag an mich gedacht und hat sich gefragt wieso ich mich nicht bei ihr melde.“

„Genau! Sag mir bloß nicht, dass...“

„Caitlin? Möchtest du es deinen Freunden sagen?“ Dümmlich sah ich meinen Vater an. In meinem Kopf erklang die genervte Stimme meines Vaters: „Ihnen sagen, dass du meine Tochter bist! Und, dass James dein Bruder ist! Denk dir eine Geschichte aus, weswegen du die letzen drei Tage nicht zur Schule gegangen bist!“ Erschrocken setzte ich mich auf die Couch. Oh shit. Daran würde ich mich gewöhnen müssen.

„Was willst du uns sagen?“, wollte Jana wissen und setzte sich zu mir auf die Couch.

„Ich... Daniel ist nicht mein leiblicher Vater!“, platze es aus mir heraus.

„WAS?“, fragte Sarah und ich nickte.

„Mein Vater ist Raphael Dupont. Und dem entsprechend ist James mein Bruder.“

„WAS?“, fragte Sarah noch mal.

„Sie hat nichts gegen Sie Sir, aber sie hat wahrscheinlich Probleme das zu verstehen. Sie müssen wissen wir kennen Caitlin jetzt seit 5 Jahren. Und wir waren so oft hier...“, versuchte Tristan zu erklären. Auch wenn ich ihm ansah, dass auch er geschockt war, es aber versuchte zu verbergen.

„Ich verstehe schon mein Junge.“, winkte Raphael ab.

„Und wieso bist du nicht zur Schule gegangen? Und nie an dein Handy?“

„Weißt du... Es war so ein Schock, plötzlich einen neuen Vater zu haben. Jemanden, den man gar nicht kennt, dass ich erst mal alleine sein wollte. Ich wollte niemanden um mich rum haben und hab deshalb mein Handy ausgeschaltet und bin nicht zur Schule gekommen. Ich brauchte einfach ein paar Tage für mich.“ Schlechte Ausrede. Das sah ich als ich ihnen in die Augen sah. Sie waren misstrauisch. Wollten mir nicht glauben. Doch ganz plötzlich veränderten sich ihre Mienen in Verständnisvoll und Mitleidig.

„Wir können dich verstehen!“ Sie kamen auf mich zu und umarmten mich. Überrascht sah ich zu James, der mich geheimnisvoll angrinste. Was hatte er da gerade gemacht?

„Danke Leute.“

„Wir gehen dann mal und lassen dich allein.“, verabschiedete sich Jana von mir.

„Genau. Wir sehen uns morgen in der Schule oder? Ich meine Freitag ist dein Lieblingstag!“

„Ähm. Ich weiß noch nicht ob ich komme aber wir telefonieren. Bis dann.“ Sie gingen und ich war wieder allein. Allein mit meiner Familie und dem Arschloch.

„Anastasia? Hast du Hunger?“, rief ich nach oben.

„Ja! Darf ich runter kommen?“, kam es von oben.

„Ja!“

„Kein Wort wegen der Geschichte!“, sagte ich drohend zu meiner Familie. Alec kam grinsend auf mich zu und legte den Arm um mich.

„Keine Sorge. Wir schweigen wie ein Grab.“ Ich hörte meine Schwester die Treppe herunter kommen und wollte mich aus Alec Griff lösen, doch das Arschloch ließ mich nicht los.

„Alec. Ich schwöre dir...“ Weiter kam ich nicht, denn meine Schwester stand im Zimmer und sah mit großen Augen von Alec zu mir und wieder zu Alec.

„Bist du der Freund von Caitlin?“, fragte sie. James fing an zu husten und ich starrte ihn böse an.

„Nein, ist er nicht.“, sagte ich während Alec gleichzeitig „Ja“ sagte. Auch er bekam einer meiner Todesblicke ab.

„Hat James dir nicht geraten mich erst mal nicht zu reizen?“, flüsterte ich ihm bedrohlich zu und er nahm schleunigst seinen Arm von meinen Schultern.

„Caitlin. Hast du eigentlich irgendwann in den letzten drei Tagen was gegessen?“, fragte meine Mutter.

„Äh... Nein?“ Ich hatte die drei Tage ja damit verbracht im Koma zu liegen und mich in so einen scheiß Vampir zu verwandeln. Da hatte man keine Zeit um etwas zu essen. Und was bekam man wenn man drei Tage nichts gegessen hatte? Natürlich bekam man Hunger! Und wie aufs Stichwort begann mein Magen zu knurren. Alec fing an und lachen und fing sich dafür einen Boxhieb ein.

„Gut. Dann gibt es jetzt Essen.“ Meine Mutter wandte sich an Raphael. „Wollt ihr mit essen?“

„Gerne. Wenn es dir keine Umstände macht?“

„Nein. Gar nicht. Anastasia? Willst du mir helfen?“, fragte meine Mutter und meine Schwester nickte begeistert. Sie gingen in die Küche und ich sah meinen Vater an.

„Ihr könnt normale Nahrung zu euch nehmen?“

„Wir müssen sogar! Sonst werden wir krank, denn auch wir brauchen Vitamine.“ Er sah mich ernst an und ich nickte.

„Und jetzt zu dir James. Was. Hast. Du. Eben. Mit. Meinen. Freunden. Angestellt?“, fragte ich klar und deutlich.

„Ey! Sie haben dir nicht geglaubt! Also habe ich ihre Gefühle ein wenig beeinflusst und voilà sie glauben dir.“

„Du hast was getan?“

„Ich habe...“

„Ja schon verstanden! Wie konntest du nur? So was macht man nicht!“

„Ich wollte dir doch nur helfen!“, verteidigte er sich. Einerseits war das ja nett von ihm aber andererseits machte man so etwas nicht. James hörte wahrscheinlich meine Gedanken und nickte verständnisvoll.

„Ich mach es nie wieder.“, versprach er. „Außer es ist ein Notfall und du erlaubst es mir.“„Das will ich hoffen Bruderherz!“, knurrte ich. „Sonst fängst du dir welche wie Alec eben.“ Raphael fing an zu lachen und auch ich grinste über James entsetztes Gesicht.

„Du würdest doch nicht deinen eigenen Bruder schlagen oder?“, fragte er.

„Doch. Ich glaube ich würde auch meinen Seelengefährten schlagen wenn er mich aufregt!“ Da fingen die drei richtig an zu lachen.

„Dann solltest du deinen Seelengefährten vorwarnen.“

„Mach ich.“ auf dem Tisch klingelte mein Handy. Hatte meine Schwester es etwa mit nach unten genommen? Verwirrt griff ich danach.

„Ja? Hallo?“, fragte ich.

„Guten Tag meine Schöne.“, säuselte eine männliche Stimme.

„Wer ist da?“, fragte ich.

„Dein Herr und Meister.“

„Wollen Sie mich verarschen? Mein Herr und Meister? Sind wir hier in einem Horrorfilm oder was?“, wollte ich wütend wissen. „Stell auf Laut.“, sagte Raphael in meinen Kopf und ich schüttelte den Kopf und nickte zur Tür. Alec konzentrierte sich und die Tür zur Küche schloss sich. Also stellte ich auf laut. Telekinese also. Sehr nützliche Fähigkeit.

„Genauso unverschämt wie ihr Bruder. Gefällt mir. Es wird eine Freude sein dich als meine Gefangene zu halten.“

„Ähm. Wer sind Sie?“

„Ach ja. Du bist mit der Antwort dein Herr und Meister ja nicht zufrieden. Ich bin dein Onkel.“

„Ich kenne jeden meiner Onkel und Ihre Stimme kenne ich nicht.“, erklärte ich dem Unbekannten. „Ich dachte mir schon, dass so etwas kommt. Aber du kennst ja auch viele aus deiner Familie noch nicht.“

„Woher kennen Sie mich?“

„Ich beobachte dich schon seit längerem Prinzessin.“ Kleiner Stalker. James lachte sich innerlich einen ab. Auch wenn er zu mir meinte, dass es keine Situation war, bei der man lachen konnte.

„Auf Wiedersehen.“, sagte ich wütend und legte auf.

 

Kapitel 5

Kein Leben ist frei von Schmerz. Gerade der Kampf mit unseren Problemen ist es, der uns wachsen lässt.

(Fred Rogers)

 

 

Raphael sah mich entsetzt an. Genauso wie die anderen. „Euren entsetzten Gesichtern zu urteilen habe ich ein Problem.“, stellte ich fest.

„Ein sehr großes. Und wir hoffen, dass wir es lösen können.“ Raphael war blass.

„Ohne, dass jemand stirbt oder, dass du gefangen genommen wirst.“, ergänzte Alec.„Ach ganz einfach! Unser verrückter Mordlustiger Onkel will Caitlin und wird nicht Ruhe geben bis er sie hat! Und niemand hat ihn jemals zu fassen bekommen! Ganz einfacher Job!“, fauchte James sarkastisch.

„Ja, wenn sie den richtigen Schutz hat. Wir brauchen Dimitri. Jetzt sofort.“ Alec sah Raphael an. Dieser nickte.

„Du hast Recht. Dimitri ist derjenige, der am Besten auf sie aufpassen kann.“

„Wer ist Dimitri?“, fragte ich meinen Vater verwirrt. Doch dieser hatte sein Handy heraus geholt und telefonierte. Deshalb wandte ich mich an meine beiden Jungs. Halt. Meine beiden Jungs? Ich bin völlig durchgeknallt! Ich bezeichnete meinen Bruder und sein Arschloch Kumpel als meine Jungs. Na super. Diese Vampir Geschichte machte mich noch verrückt. Wenn ich das nicht schon war.

James prustete los. Na toll er hatte meine Gedanken gehört. Scheiß Spanner!

„Sorry Schwesterchen aber deine Gedanken waren zu laut! Du musst echt lernen deine Gedanken abzusperren. Aber echt süß was du über mich und Alec denkst.“ Er kicherte wieder los und ich wurde rot. Ich war froh, dass Alec meine Gedanken nicht hören konnte.

„Was hat sie gedacht?“, wollte dieser sofort wissen.

„James...“ Warnend sah ich ihn an.

„Ach Caitlin. Deine Jungs werden dir schon nichts tun!“, sagte meine Mutter plötzlich von der Tür her und ich wurde noch röter als ich schon war.

„Da hast du deine Antwort.“, grinste James. Auch auf Alec Gesicht bildete sich ein Grinsen.

„Aha. Deine Jungs also?“ Er legte den Arm um mich. Warnend sah ich ihn an. Und schon nahm er seinen Arm von meiner Schulter.

„Wir sind hier in einer ernsten Situation Jungs. Reißt euch zusammen und lasst das arme Mädchen in Ruhe.“, donnerte Raphael plötzlich. Wir hatten gar nicht bemerkt, dass er schon fertig war mit telefonieren. „Dimitri wird in 15 Minuten hier ankommen. Caitlin. Geh hoch und pack die Sachen ein, die du brauchst. Du schläfst ab sofort bei uns im Schloss.“

„Aber. Ich...“, stotterte ich.

„Tut mir leid mein Kind aber wir müssen uns jetzt auf deine Sicherheit konzentrieren. Du wirst deine Familie schon oft genug sehen.“ Ich nickte ergeben, denn ich wusste er hatte Recht. Auch meine Mutter sagte kein Ton. Ich stand wortlos auf und verließ das Zimmer. Oben angekommen nahm ich meinen riesigen Reisekoffer und packte alles ein was ich für nützlich hielt. Meine Klamotten, Schulsachen, Fotos, meinen Laptop, Kosmetikartikel.

Ich nahm natürlich nicht alles mit. Ich würde bald noch mal hier her kommen und den Rest abholen. Wenn ich wieder sicher war. Ich setzte mich auf mein Bett, lehnte mich an die Wand und starrte mein Zimmer an. Das Zimmer was ich seit fünf Jahren bewohnte. Dunkelblau und weiß gestrichen. Schwarze Möbel. Einfach meinem Stil entsprechend.

 

Mir liefen Tränen über die Wangen. Ihr dürft jetzt nicht denken, dass ich bei jeder kleinen Sache heule. Aber hier ging es darum mein altes Leben aufzugeben. In eine völlig neue Welt einzutauchen. Das war eine Sache mit der ich noch nicht klar kam. Klar, eigentlich sollte ich ja aufgeregt sein, in einem Schloss zu leben. Eine Prinzessin zu sein. Ein Traum zu leben, den so viele Mädchen träumen. Doch ich war es nicht. Vielleicht würde das Glücksgefühl kommen wenn ich mich erst mal in mein Leben eingewöhnt habe, doch jetzt im Moment sah ich noch keine Vorteile daran.

 

Ich schloss die Augen und dachte daran zurück wie es dazu kam, dass wir von Hamburg nach Oxford gezogen waren. Das war vor fünf Jahren. Mein Vater wurde von seiner Arbeit nach England versetzt. Wieso wissen wir immer noch nicht. Auf jeden Fall war ich froh darüber, denn ich hatte Stress in der Schule und meine einzige Freundin hatte sich von mir abgewandt. Als wir also hier her zogen erlaubten meine Eltern mir mein Zimmer selbst auszusuchen und sie erlaubten mir auch mein Zimmer selbst einzurichten. So weit wie möglich. Ich meine ich war erst 11 Jahre alt gewesen. Ich lächelte als ich daran dachte wie erstaunt meine Eltern waren als ich kein rosa Zimmer haben wollte. Aber ich war noch nie das Mädchen gewesen, dass auf rosa stand. Ich liebte es dunkler. Vielleicht hatte sich schon da meine vampirische Seite gezeigt.

 

Plötzlich klopfte es an der Tür und ich zuckte zusammen.

„Schatz. Dimitri ist hier. Ihr müsst los.“, sagte meine Mutter und öffnete die Tür. Schnell rappelte ich mich auf und warf mich ihr an den Hals. Wir beide weinten.

„Ich will hier nicht weg Mama.“, schluchzte ich.

„Nein. Ich weiß. Aber du wirst es gut haben dort. Und es ist sicherer. Denk daran, dass auch deine Schwester, dein Va.. Daniel und ich nicht sicher sind solange du hier bist. Ich hoffe ihr schafft es das Monster bald zu schnappen. Er hat schon früher für ordentlich Angst und Schrecken gesorgt.“ Ich nickte an ihrer Brust und löste mich schweren Herzens von ihr.

„Ich liebe dich Mama.“ Sie lächelte und gab mir einen Kuss auf die Stirn.

„Ich dich auch mein Kind. Komm jetzt.“ Sie nahm meinen Koffer und trug ihn nach unten. Ich nahm meine Laptoptasche und meine Handtasche und folgte ihr. Als ich am Spiegel vorbei kam, sah ich kurz hinein. Meine Augen waren gerötet und man sah, dass ich geweint hatte, aber meine Schminke war nicht verwischt. Dank dem Wasserfesten Maskara, welches ich von Jana bekommen hatte.

 

Unten an der Treppe standen die Jungs, Raphael, meine Schwester, mein Ziehvater und ein mir unbekannter Junger Mann. Der junge Mann sah gut aus. Schulterlange braune Haare, schokoladenbraune Augen, breite Schultern, circa 1,90 groß. Er sah zu mir, lächelte und verbeugte sich. Als ich vor ihm stand reichte ich ihm meine Hand. Er schüttelte sie kräftig und sagte: „Mein Name ist Dimitri Petrov. Zu Ihren Diensten.“ Russe also.

„Nett Sie kennen zu lernen Mr. Petrov.“

„Komm Caitlin. Wir müssen los.“, sagte mein Vater ungeduldig. Meine Schwester sprang mir in die Arme und weinte.

„Du darfst nicht gehen! Mit wem soll ich mich denn dann streiten?“, fragte sie weinend und ich lachte.

„Hey. Ich komm so oft wie möglich her und dann darfst du mich wieder hauen. So oft wie du willst.“ Alec lachte. „Ich hab dich liebt Anastasia.“

„Ich dich auch Cat.“ Widerwillig löste sie sich von mir und ich schloss meinen Ziehvater in die Arme.

„Verzeihst du uns, dass wir dir nicht die Wahrheit gesagt haben?“, murmelte er in mein Ohr.

„Das habe ich längst. Ich hab dich lieb Papa.“

„Ich dich auch Liebes. Komm uns so bald wie möglich besuchen.“ Ich nickte und wandte mich an meine Mutter.

„Wir haben uns schon verabschiedet Caitlin. Ich liebe dich.“, sagte meine Mutter. Ich nickte und sah Raphael an.

„Wir können.“ Ich wollte meinen Koffer nehmen, doch Alec hielt ihn schon in der Hand. Meine Laptoptasche trug Dimitri. Also nahm ich meine Handtasche und ging zur Tür. Dort drehte ich mich noch mal zu meiner Schwester um und sagte grinsend: „Hey Tassi? Wehe du gehst an meine Sachen ran. Dann bring ich dich um.“ Und wie erwartet rannte sie diabolisch grinsend nach oben. Augen verdrehend warf ich meiner Mutter den Zimmerschlüssel zu. „Pass auf den Schlüssel auf und lass sie nicht dran kommen. Das Zimmer soll heil sein wenn ich mal wieder komme.“ Meine Mutter nickte grinsend und ich ging nach draußen zur Limousine.

Der Chauffeur öffnete die Tür und ich setzte mich hinein. Auch die anderen kamen mit hinein. Raphael telefonierte wieder.

 

Auf dem ganzen Weg zurück zum Schloss sah ich aus dem Fenster und sagte nichts. Auch auf die Versuche von Alec und James reagierte ich nicht. Sie ließen mich erst in Ruhe als ich mich blitzschnell herum drehte und knurrte: „Lasst. Mich. In. Ruhe.“ Sie sahen mich erschrocken an und ich merkte, dass meine Augen wieder anfingen zu glühen. Aber egal wie oft ich versuchte mich zu beruhigen es funktionierte nicht. Ich drückte auf den Knopf, der die Trennscheibe herunter ließ und rief: „Halten Sie sofort den Wagen an.“ Der Fahrer fuhr an den Rand und ich riss die Tür auf.

„Caitlin! Bleib im Wagen!“, sagte James panisch. Aber ich hörte nicht auf ihn. Ich rannte den Berg rauf, den wir gerade erklimmen wollten und schrie. Wäre ich noch etwas länger da drinnen gewesen, wäre etwas schlimmes passiert. Und das wollte ich nicht. Also blieb mir nur die Flucht. Oben angekommen ließ ich mich auf den Boden sinken und schloss die Augen. Das Auto fuhr an mir vorbei und ich öffnete verwirrt die Augen um gleich darauf entsetzt zurück zu weichen. Schokoladenbraune Augen sahen mir entgegen.

„Dimitri. Sie haben mich erschreckt.“„Tut mir leid Prinzessin. Sie dürfen aber nicht alleine herum laufen. Gerade jetzt nicht.“

„Nein. Ich weiß.“ Ich merkte wie meine Augen wieder normal wurden. Als Dimitri aufstand und mir seine Hand hin hielt, ergriff ich sie und ließ mich nach oben ziehen.

„Gehen wir das letzte Stück?“, fragte er und bot mir seinen Arm. Lächelnd nickte ich und hakte mich bei ihm ein.

„Sie müssen wirklich geschockt sein plötzlich eine Vampirin und gleichzeitig Prinzessin zu sein.“

„Das stimmt. Und ich denke ich werde es nicht lange in dem Schloss aushalten und wieder daraus fliehen müssen wenn es so weiter geht mit meiner Gereiztheit.“

„Sagen Sie mir dann Bescheid, damit ich auf Sie aufpassen kann?“

„Wenn ich daran denke bestimmt.“ Er lächelte und wir kamen an ein Tor.

„Wächter Petrov.“, grüßte der Vampir am Tor und ließ uns passieren. Vor der Eingangstür des Schlosses wartete mein Vater.

„Oh bitte. Tu es nicht.“, murmelte ich und Dimitri drückte meinen Arm bevor er ihn los ließ. Er verbeugte sich vor dem König und ich machte gezwungenermaßen einen Knicks.

„Caitlin. Du wirst jetzt mit Ann mitgehen und dich umziehen. Ich erwarte dich in einer halben Stunde im Thronsaal. Sei pünktlich.“ Ich nickte und ging zu Ann, die mich vorwärts schob.

Direkt in das Zimmer in dem ich heute aufgewacht war.

„Ihr neues Zimmer Prinzessin.“

„Zimmer? Das ist eine kleine Wohnung.“, murmelte ich.

„Gegenüber von Eurer „kleinen Wohnung“ wie Ihr das Zimmer bezeichnet lebt Sir Alec. Rechts neben Euch sind die Gemächer von Prinz James. Und links neben Euch sind die Zimmer von Wächter Petrov.“ Dann zeigte sie mir alle meine Zimmer. Ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, ein Arbeitszimmer (dort waren meine Schulsachen schon verstaut) und das Beste: ein begehbarer Kleiderschrank! Ich fing an zu grinsen als ich hinein trat und mich umsah. Überall hingen die schönsten Kleider. Doch nicht nur Kleider, sondern auch Hosen, Blusen, Röcke, Taschen, Schuhe. Alles was das Herz eines Mädchens zum schmelzen brachte und in ein Ankleidezimmer gehörte.

„Und ich hab keine Ahnung wie ich gleich vor dem König erscheinen soll.“, murmelte ich.

„Aber ich Mylady.“

„Würdest du mir dann helfen?“, bat ich sie.„Gerne.“ Sie sah sich kritisch um und suchte ein wenig bis sie das richtige Kleid gefunden hatte.

„Ich danke dir.“ Sie hielt mir ein Kleid hin. Es war ein langes Prinzessinnen Kleid, blaugrün und mit langen, weiten Ärmeln.

„Zieht es an Prinzessin.“ Da mein Vater mich in zehn Minuten erwartete zog ich es an und setzte mich dann an den Frisiertisch wo Ann dann meine Haare öffnete und durchkämmte. Meine von Natur aus etwas lockigen Haare flossen wie Wellen meinen Rücken hinunter. Sie steckte die vorderen Strähnen mit zwei Haarklammern fest, damit sie mir nichts ins Gesicht fielen. Dann sprühte sie meine Haare mit Haarspray voll, damit sie hielten. Was ich für Schwachsinnig hielt, denn was sollte denn an offenen Haaren nicht halten. Doch ich hielt meine Klappe und ließ Ann machen. Sie schien ihre Arbeit zu verstehen und ich hatte Angst ihr zu widersprechen.

Als es an der Tür klopfte war ich fertig. Es ist anstrengend mit einem Kleid zu laufen und gleichzeitig drauf zu achten, dass man nicht erstickte. Denn Ann hatte mir eine Korsage angezogen und fest gezogen. 'Damit ihr gerade lauft.' hat sie gesagt. 'Jede Frau am Hof, die ein Kleid trägt, trägt eine Korsage.' Na danke. Ein gerade Rücken bringt mir auch nichts wenn ich ersticke. Doch Ann hatte nicht auf mein Flehen es ein wenig lockerer zu schüren gehört.

Ann öffnete die Tür und Dimitri trat über die Schwelle.

„Wir müssen los. Der König wartet.“

„Ja. Der König und seine lieben Untertanen.“, murmelte ich. Aber Dimitri hatte es gehört und grinste. „Ich habe doch Recht oder?“ Er nickte und ich hob den Kopf.

„Es ist aber noch nicht Eure 'Krönungszeremonie'. Er will Euch nur seinen Untertanen - wie Ihr sie nennt - als seine Tochter vorstellen.“

„Würden Sie mich bitte duzen wenn wir allein sind Dimitri? Ich bin jünger als Sie. Und an das ganze Prinzessinnen Getue habe ich mich auch noch nicht gewöhnt.“ Er lächelte und nickte.

„Dann sollst du mich aber auch duzen Prinzessin.“

„Gerne.“ Wir gingen die Flure entlang und jede Person an der wir vorbei kamen fing an hinter uns zu tuscheln.

„Was gibt es denn über uns zu tuscheln. Nur, weil sie mich nicht kennen?“, murmelte ich bissig.

„Sie denken wir wären verheiratet.“, lachte Dimitri. „Aber das ist kein Wunder. Ich war zwei Jahre nicht mehr am Hof. Da hätte viel passieren können.“

„Du bist also nicht verheiratet?“

„Nein. Ich hab noch nicht einmal eine Freundin. Zu wenig Zeit in meinem Job.“ Ich nickte. Dann standen wir vor dem Thronsaal und Dimitri nickte mir aufmunternd zu. „Zeig ihnen nicht deine Angst.“

„Soll ich ihnen also meine Wut zeigen?“ Ich versuchte zu grinsen. Doch es wurde nur eine Grimasse daraus.

„Lieber nicht. Wir wollen sie doch nicht verängstigen. Zeig ihnen dein schönstes Lächeln. Und sag Sire zu deinem Vater. Du kennst dich doch bestimmt ein wenig mit den Umgangsformen im Mittelalter aus oder?“ Zum Glück ja. Im stillen dankte ich meinem Vater, dass er so einen Mittelalter Freund war. „Dann weißt du auch wie du dich hier zu verhalten hast.“

Er nickte der Wache zu, die sofort die Tür öffneten. Wir traten hinein und gingen den roten Teppich entlang, der uns zu den Thronen brachte. Auf dem Weg blendete ich alle Menschen aus, die im Thronsaal standen. Das war eine Leistung, denn der Thronsaal war voller Menschen. Ich meine voller Vampire. 'Lächeln Caitlin!', ermahnte ich mich selbst.

Als Dimitri stoppte und seine Arm aus meinem zog machte ich einen tiefen Knicks und sah meinem Vater nur kurz in die Augen.„Hier ist sie Sire.“, sagte Dimitri und verbeugte sich. Die Leute im Thronsaal sahen gespannt auf mich. Wahrscheinlich dachten die, dass ich eine Mörderin war oder so.

„Erheben Sie sich Dimitri. Auch Sie Lady Caitlin.“ Wir kamen aus unserer Position in die normale und ich sah Raphael auf uns zu kommen.

„Ich habe euch nicht umsonst zu mir bestellt Freunde.“, fing mein Vater an zu sprechen. „Ich habe eine wichtige Ankündigung zu machen.“ Murmelnde Stimmen im Saal. Mein Vater wartete bis es wieder still war, nahm dann meine Hand und drehte mich zu der Masse um. „Dies ist Caitlin Sophie Adams. Jedenfalls war das ihr Name bis vor drei Tagen. Jetzt heißt sie Caitlin Sophie Dupont und ist meine Tochter und damit Prinzessin dieses Reiches.“ Es war still. Niemand sagte etwas. Alle sahen mich an und versuchten zu entscheiden ob der König einen Scherz mit ihnen trieb. Plötzlich sagte eine männliche Stimme: „Lang lebe Prinzessin Caitlin!“ Und alle anderen stimmten mit ein. Ich lächelte nur und sah mich um. Als mein Vater die Hand hob, wurde es wieder still.

„Morgen Abend möchte ich Sie alle auf einen Ball einladen um diesen Moment zu feiern!“ Und schon wieder brach Jubel aus. Die Frauen tuschelten und ich wusste, dass sie sich darüber unterhielten was sie anziehen sollten. „Ich danke euch. Nun lasst uns gemeinsam zu Abend speisen.“ Er ging vor durch eine Tür, die an den Thronsaal grenzte. Alle anderen folgten, doch ich blieb stehen.

 

„Caitlin. Kommst du?“, fragte Dimitri leise und tippte mir auf die Schulter. Ich nickte aber ich konnte mich nicht bewegen. „Was ist denn...?“ Ich sackte zusammen und krümmte mich zusammen. Ich bekam keine Luft und hatte Schmerzen überall. Aber ich schrie nicht. Nein, ich blieb leise und vergrub den Schmerz unter einer undurchdringlichen Maske der Gleichgültigkeit. Auch wenn es schwer fiel.

„Caitlin!“, schrie Dimitri und wollte nach mir greifen, doch ich rollte mich zur Seite.

„Fass mich jetzt nicht an.“, wisperte ich. Ich hatte Angst, dass es sich auf ihn übertrug wenn er mich jetzt berührte. Langsam verebbte der Schmerz. Ich bekam auch wieder Luft.

„Was machst du bitte auf dem Boden? Ihr wolltet es doch nicht hier treiben oder?“, erklang plötzlich Alec belustigte Stimme. „Würdet ihr bitte kommen der König...“ Er verstummte, holte zischend Luft und fragte: „Was ist passiert?“ Ich konnte nicht antworten, denn ich wusste es selbst nicht. Doch dann erklang die Stimme meines Onkels in meinem Kopf: „Du hast jetzt eine Kostprobe meiner Kräfte bekommen. Du solltest wirklich lernen dich abzuschirmen.“

Das sollte ich vielleicht wirklich mal lernen.“, antwortete ich der Stimme mühsam. Mein Onkel lachte und verschwand aus meinem Kopf. Langsam machte ich mich daran wieder aufzustehen. Als ich vor Alec stand, sah ich ihn nur an und meinte: „Ich glaube ich bin noch nicht mal hier vor ihm sicher wenn ich nicht weiß wie man sich abschirmt.“ Er riss die Augen auf und nickte.

„Wir werden dich darin unterrichten.“, sagte er. „So bald wie möglich.“

„Dann wollen wir den König nicht länger warten lassen.“, seufzte ich und klopfte mir den Dreck vom Kleid.

„Denkst du wirklich, dass du dazu in der Verfassung bist Caitlin?“, fragte Dimitri besorgt und ich nickte nur. „Du kannst auch wieder in dein Zimmer gehen wenn...“

„Mir geht’s gut! Ich brauche jetzt wirklich keinen der mich verhätschelt!“, fauchte ich. Die beiden jungen Männer sahen sich an und nickten.

„Na dann. Wollen wir mal essen gehen.“ Gemeinsam machten wir uns auf den Weg in den Speisesaal. Die Leute aßen alle schon, doch sie sahen auf als ich rein kam. Wie ich es hasste angestarrt zu werden.

Hab ich irgendetwas im Gesicht oder wieso starren sie mich so an?“, grummelte ich James zu, der am Kopfende des Tisches neben seinem Vater saß und aß.

Nein, aber du bist wirklich viel zu blass im Gesicht. Was ist passiert?

Später. Wo soll ich mich hin setzten?

Neben mich. Komm.“ Also machte ich mich auf den Weg und setzte mich ganz vorsichtig auf den Stuhl neben James. Ich verzog das Gesicht und unterdrückte ein Stöhnen.

„Wer sitzt links neben dem König?“, fragte ich. Denn dieser Platz war leer. Er war zwar gedeckt, war aber nicht benutzt worden.

„Die Königin.“, antwortete James und steckte sich einen Bissen Fleisch in den Mund. Ich nickte und fragte: „Und sie ist wo?“

„Tot.“ Oh.

„Tut mir leid.“, sagte ich leise.

„Schon gut mein Kind. Wir haben uns nicht wirklich geliebt. Es war eine Zwangsehe.“, antwortete mein Vater. „Wir waren eher wie gute Freunde.“

„Und deshalb müsstet Ihr doch eigentlich trauern Sire, oder?“, fragte ich.

„Du musst mich nicht in der Höflichkeitsform ansprechen. Du bist jetzt meine Tochter. Und ja, das sollte ich vielleicht wenn es vor kurzem passiert ist aber es ist jetzt sieben Jahre her. Sie starb bei einem Strigoiangriff. Mein Sohn Mason war gerade mal dreizehn.“ Ein Diener stellte mir einen Teller Essen vor die Nase.

„Ich hoffe Ihr mögt es Asiatisch Prinzessin.“, sagte er leise und verbeugte sich.

„Ja. Danke.“ Ich nahm die Gabel und fing an langsam zu essen. Doch schon nach ein paar Bissen konnte ich nicht mehr und legte das Besteck weg. Raphael sah mich besorgt an, doch ich winkte nur ab. Auch den Nachtisch ließ ich ausfallen. Ich ließ das Essen einfach an mir vorbei rauschen und war froh als ich endlich aufstehen konnte.

 

Dimitri begleitete mich zu meinem Zimmer und ich ging müde hinein. Doch mir war keine Ruhe vergönnt, denn kaum saß ich vor dem Spiegel und öffnete meine Haare, klopfte es und mein Vater kam herein. Dicht gefolgt von James und Alec. Kurze Zeit später kam auch Dimitri dazu.

„Das ist aber nicht gerade höflich. Stellt euch vor ich hätte mich gerade umgezogen.“, murmelte ich und legte meine Bürste weg.

„Was ist da eben passiert?“, fragte Raphael ohne auf meinen Wink einzugehen.

„Unser Onkel hat mir nur eine Kostprobe seiner Kräfte gegeben.“, antwortete ich gleichgültig und gähnte hinter vorgehaltener Hand.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte James.

„Ja. Ich hatte nur Schmerzen und hab keine Luft mehr bekommen. Jetzt ist alles wieder gut.“, antwortete ich gereizt.„Was denn mit dir los? Wieso so gereizt?“ Alec sah mich forschend an.

„Hey. Du weißt vielleicht nicht wie es ist plötzlich zum Vampir zu werden, zu erfahren, dass man eine Prinzessin ist, Ziel eines psychopathischen Onkels zu sein und dann noch dumme Fragen zu beantworten zu müssen wenn man einfach nur noch ins Bett und schlafen will. Aber ich bin müde, erschöpft und möchte einfach nur noch schlafen! Ich hab morgen auch noch Schule.“

„Schon verstanden! Ich geh ja schon!“, sagte Alec beleidigt.

„Und wir gehen auch. Gute Nacht.“, sagte mein Vater und sie alle verließen mein Zimmer. Oder wollten es jedenfalls, denn als sie an der Tür standen fiel mir noch was ein.

„Wie komme ich morgen zur Schule?“

„Alec wird dich morgen hin bringen. Sei pünktlich um halb acht unten.“ Ich nickte und sie gingen. Schnell ging ich in meinen begehbaren Kleiderschrank und suchte mir etwas zum Schlafen und meine Schuluniform für morgen raus. Dann ging ich ins Badezimmer und putzte mir die Zähne und ging duschen. Dann legte ich mich endlich ins Bett.

 

 

Mein Wecker klingelte um halb sieben. Stöhnend stand ich auf und zog mich an. Meine Schuluniform. Dann packte ich meine Tasche. Die passende zu finden war wirklich nicht schwer unter den ganzen Auswahlmöglichkeiten. Schminken, Haare machen, schnell die wichtigsten Hausaufgaben machen und schon war ich fertig.

In einer Schale in meinem Wohnzimmer lagen verschiedene Obstsorten und ich nahm mir ein Apfel. Genüsslich biss ich hinein. Ich schrieb einen kurzen Zettel an wer auch immer mich suchen sollte und ging pfeifend aus dem Zimmer. Es war zwar erst sieben aber das war mir egal. Ich hatte einen Garten gesehen als ich das erste mal hier war. Ich konnte mich da ja hin setzen.

 

Als ich endlich nach vielem Umherirren im Garten auf der Bank saß und die Sonne sanft auf mein Gesicht schien entspannte ich mich. Als ich mein Handy anschaltete sah ich, dass ich fünf Nachrichten hatte. Alle von meinen Freunden. Sie fragten alle ob ich heute zur Schule kam. Also antwortete ich ihnen und kurz darauf kam eine erfreute Nachricht von Tristan: Freut mich wirklich. Sehen uns später! Hab dich lieb! <3

Ich schloss die Augen und lächelte. Aber ein lautes Hupen riss mich aus meinen Tagträumen. Alec saß in einem BMW x6 am Steuer und sah mich an. Genau der BMW x6, den ich schon an ihrem ersten Schultag gesehen und bewundert hatte. James kam gerade auf mich zu. Seufzend stand ich auf, nahm meine Tasche und ging ihm entgegen.

„Bereit für deinen ersten Tag an der Schule seit du ein Vamp bist?“, fragte er.

„Ich werde keine Leute anfallen oder?“, fragte ich ihn.

„Nein. Und wenn dann halten wir dich davon ab.“

„Sehr aufmunternd. Besonders, weil ich weiß, dass ich euch mit Leichtigkeit besiegen kann.“

„Oh! Nur weil du Kampf und Waffengeschick hast, heißt das noch lange nicht, dass du mir das andauernd auf die Nase binden musst! Und vielleicht ist Dimitri ja ein würdiger Gegner!“, rief Alec aus dem geöffneten Fenster.

„Vielleicht. Aber ich weiß ganz sicher, dass er viel besser ist im Kämpfen als du. Und das sage ich obwohl ich ihn niemals kämpfen gesehen habe.“

„Woher willst du das bitte wissen?“

„Tja Arschloch. Mein Vater hätte wohl kaum Dimitri geholt wenn du ausreichender Schutz gewesen wärst, oder?“ Darauf wusste Arschloch erst einmal nichts zu sagen.

„Willst du nach vorne oder nach hinten?“, fragte James.

„Hinten.“, sagte ich bestimmt und stieg hinten ein. Auch Dimitri saß im Auto.

„Was machst du hier?“, fragte ich verwundert.

„Auf dich aufpassen und mal wieder nach langer Zeit zur Schule gehen.“

„Na dann. Viel Spaß!“

„Danke.“

„Kein Ding.“ Ich wandte mich an meinen Bruder. „Hey. Sollen wir sagen, dass wir verwandt sind?“

„Das wissen die in der Schule schon. Dein Name wurde auf allen Klassenlisten umgeändert zu Caitlin Sophie Dupont.“

„Sophie? Dein zweiter Name ist wirklich Sophie?“, lachte Alec.

„Konzentriere dich auf die Straße Arschloch!“, knurrte ich.

„Okay. Super. Dann... ist ja alles geklärt.“, sagte James vergnügt und wir schwiegen auf dem Weg zur Schule. Als Alec hielt sprang ich aus dem Wagen und wollte gerade zu meinen Freunden gehen als sich Chloe vor mich stellte.

„Hey Chloe. Schön dich wieder zu sehen.“ Ich lächelte liebenswürdig. „Dein Freund ist da hinten.“ Ich zeigte hinter mich auf das Auto.

„Ich weiß Süße. Geht es dir denn besser?“, fragte sie freundlich. Was war mir der los.

„Ja. Mir geht’s so weit gut. Danke der Nachfrage.“

„Hey. Hast du Lust heute in der Mittagspause bei uns zu sitzen?“ Ich starrte sie an.

„Ähm. Ich würde ja liebend gerne aber ich sitze wie immer bei meinen Freunden. Vielleicht ein anderes Mal.“ Sie lächelte.

„Na dann. Wir sehen uns Süße.“ und schon dampfte sie ab zu ihrem Freund. Was war das denn bitte?

James? Hast du schon wieder...?“, fragte ich ihn über Telepathie.

Nein! Diesmal hab ich wirklich nichts gemacht! Wirklich!“, kam prompt die Antwort. Gut. Denn ich wollte Chloe nicht an der Backe haben. Wahrscheinlich führte sie wieder mal etwas im Schilde.

 

In Englisch lasen wir weiter an Romeo und Julia und obwohl ich dieses Drama wirklich mochte, konnte ich mich nicht wirklich konzentrieren.

„Caitlin! Caitlin!“, meine Lehrerin schreckte mich aus meinen Gedanken.

„Ähm. Ja? Tut mir leid. Ich war in Gedanken.“

„Lesen Sie bitte den Part von Julia vor? Wir sind auf beim Akt 2, zweite Szene.“

„Natürlich.“

„James. Sie lesen den Part von Romeo.“ Er nickte. „Und bitte mit Begeisterung! So als stünden sie beide im Rampenlicht.“

„Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt.Doch still, was schimmert durch das Fenster dort?Es ist der Ost, und Julia die Sonne! -Geh auf, du holde Sonn! Ertöte Lunen,Die neidisch ist und schon vor Grame bleich,Daß du viel schöner bist, obwohl ihr dienend.O da sie neidisch ist, so dien ihr nicht!Nur Toren gehn in ihrer blassen, krankenVestalentracht einher; wirf du sie ab!Sie ist es, meine Göttin, meine Liebe!O wüßte sie, daß sie es ist! -Sie spricht, doch sagt sie nichts: was schadet das?Ihr Auge redt, ich will ihm Antwort geben. -Ich bin zu kühn, es redet nicht zu mir.Ein Paar der schönsten Stern am ganzen HimmelWird ausgesandt und bittet Juliens Augen,In ihren Kreisen unterdes zu funkeln.Doch wären ihre Augen dort, die SterneIn ihrem Antlitz? Würde nicht der GlanzVon ihren Wangen jene so beschämenWie Sonnenlicht die Lampe? Würd ihr AugAus luftgen Höhn sich nicht so hell ergießen,Daß Vögel sängen, froh den Tag zu grüßen?O wie sie auf die Hand die Wange lehnt!Wär ich der Handschuh doch auf dieser HandUnd küßte diese Wange!“ James hatte eine schöne Stimme. So ruhig und trotzdem kräftig. Eine Stimme wie für einen König gemacht.

„Weh mir!“, sagte ich ohne auf mein Buch zu schauen und gähnte hinter vorgehaltener Hand.

„Horch!Sie spricht. O sprich noch einmal, holder Engel!Denn über meinem Haupt erscheinest duDer Nacht so glorreich, wie ein FlügelboteDes Himmels dem erstaunten, über sichGekehrten Aug der Menschensöhne, dieSich rücklings werfen, um ihm nachzuschaun,Wenn er dahin fährt auf den trägen WolkenUnd auf der Luft gewölbtem Busen schwebt.“ Gekicher im Raum als der letzte Satz gesagt wurde, doch ich machte ohne mit der Wimper zu zucken weiter.„O Romeo! Warum denn Romeo?Verleugne deinen Vater, deinen Namen!Willst du das nicht, schwör dich zu meinem Liebsten,Und ich bin länger keine Capulet!“ 'Und ich bin länger keine Adams.', verbesserte ich in Gedanken und James sah mich an.

James murmelte: „Hör ich noch länger, oder soll ich reden?“

„Dein Nam ist nur mein Feind. Du bliebst du selbst,Und wärst du auch kein Montague. Was istDenn Montague? Es ist nicht Hand, nicht Fuß,Nicht Arm noch Antlitz, noch ein andrer TeilVon einem Menschen. Sei ein andrer Name!Was ist ein Name? Was uns Rose heißt,Wie es auch hieße, würde lieblich duften;So Romeo, wenn er auch anders hieße,Er würde doch den köstlichen GehaltBewahren, welcher sein ist ohne Titel.O Romeo, leg deinen Namen ab,Und für den Namen, der dein Selbst nicht ist,Nimm meines ganz!“

Die Klasse war still. Niemand sagte etwas, doch dann klingelte es zur Pause und wir alle packten leise und schnell unsere Taschen.

Man merkt, dass du Julia gespielt hast. Du hast es auswendig gesagt und wie in einem richtigen Theater.“ James Stimme erklang in meinem Kopf. Ich lächelte, sagte aber gar nichts. Ich ging zu meinem Spind, stopfte meine Englisch Sachen hinein und holte meine Deutsch Sachen heraus. Ja. Wir gingen hier an eine Deutsche Schule. Zwar sprach man hier mehr Englisch als Deutsch aber trotzdem war Deutsch eines der Hauptfächer hier.

„Kommst du Bruderherz?“, fragte ich lieblich.

„Klar doch.“ Wir gingen also in den Deutschraum und ich gähnte.

„Haste nicht gut geschlafen oder wieso bist du so müde?“, fragte Tristan an meiner rechten Seite.

„Nicht wirklich.“, murmelte ich. „Schlimme Nacht gestern. Konnte einfach nicht schlafen. Und als ich dann endlich eingeschlafen war, wurde ich von einem Alptraum aufgeweckt, der mich nicht loslässt.“ Die Wahrheit konnte ich ihm ja schlecht sagen.

„Willst du mir davon erzählen?“, fragte Tristan fürsorglich.

„Nein, das ist echt ein völlig blöder Traum gewesen. Mach dir keine Sorgen.“, winkte ich ab.

„Mister Harris. Miss Adams... Ich meine Miss Dupont. Würden Sie bitte ihr Geschwätz einstellen und meinem Unterricht folgen?“

„Natürlich. Tut uns leid Mr. Chamberlain.“, sagte Tristan. Der Lehrer sah uns noch einmal missbilligend an und wandte sich dann wieder dem schönen Thema Gedichtsanalyse zu. Woher soll ich bitte wissen was der Dichter oder die Dichterin mit dem Gedicht sagen wollte? Was soll der Schwachsinn?

 

Nach der Stunde setzte ich mich mit Tristan auf die Bank. Besser gesagt er lag auf der Bank. Den Kopf auf meinem Schoß gebettet. Jana war krank und Sarah war mit Chris in der Mensa um sich ein Brötchen zu holen. Alec hatte sich mit seiner Freundin verzogen. Dimitri und James standen in der Nähe und unterhielten sich. Sie wollten es nicht so aufdringlich machen, dass sie mich beschützten und mir meinen Freiraum lassen. Aber immer war einer der Jungs in der Nähe. Ich war vielleicht sicher vor körperlichen Angriffen aber nicht vor seelischen.

„Cat?“, fragte Tristan.

„Hm?“

„Ich muss dir etwas sagen.“ Ahnungslos sah ich ihn an.

„Na dann. Raus mit der Sprache.“

„Ich...Ich weiß nicht wie ich das dir sagen soll...“, murmelte er und wurde rot. In einem plötzlichen Anflug von Panik sagte ich: „Tristan? Jetzt sag mir bitte nicht, dass du in mich verliebt bist! Bitte! Weißt du ich liebe dich. Aber eher wie ein Bruder...“ Entsetzt sah er mich an und auch Dimitri und James starrten Tristan an. Dummes Vampirgehör. Dieses Gespräch ging sie nichts an.

„Nein. Das wollte ich dir nicht sagen. Obwohl ich mich geschmeichelt fühle. Aber ich kann dich gar nicht lieben, weil...“

„Du nicht auf Mädchen stehst. Du bist schwul.“, sagte ich plötzlich. Er nickte und wurde rot.

„Wenn du jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben willst kann ich das verstehen.“

„Nichts mehr mit dir zu tun haben wollen? Du bist mein bester Freund Tristan. Dass du auf Jungs stehst, ändert nichts daran.“

„Danke.“ Ich fing an zu grinsen und meinte: „Weißt du... Ich wollte schon immer einen schwulen besten Freund.“

„Haha. Und ich eine lesbische beste Freundin.“ Pikiert sah ich ihn an. „Was nur ein Scherz.“

„Das hoffe ich doch. Wissen es die anderen schon?“

„Nein. Ich wollte es dir als erstes sagen.“

„Ich fühle mich geschmeichelt. Wann sagst du es ihnen?“

„Wir wollten uns heute bei mir treffen. Filmabend und dann Übernachtung. Da wollte ich es ihnen sagen. Du kommst doch auch, oder?“ Ich überlegte. Keine gute Idee in meiner jetzigen Situation. Also einmal kurz den großen Bruder fragen.

James? Ich kann heute nicht bei meinen Freunden übernachten, oder?“, fragte ich ihn mittels Gedankensprache.

Nein. Heute Abend ist doch der Ball.

Ach ja. Richtig, Und ich hab keine Ahnung was mich erwartet.

Es wird schon nicht so schlimm.

Hoffe ich.“ Dann wandte ich mich an Tristan, der mich komisch ansah und meinte: „Sorry. Kann nicht. Wir gehen mit der Familie essen.“

„Aber... Ich hatte auf deinen Beistand gehofft.“

„Tut mir leid. Wirklich. Aber da kann ich nichts machen.“

„Nein. Wahrscheinlich nicht.“ Er stand auf als es zum ersten Mal klingelte. „Komm. Wir haben jetzt noch Biologie und dann können wir nach Hause.“

„Nach Hause? Wir haben dann noch zwei Stunden Physik!“

„Das fällt heute aus! Hast du nicht auf den Vertretungsplan geguckt? Er ist krank.“

„Geil!“ Er grinste und nahm mich am Arm.

„Komm schon. Wenn wir wieder zu spät kommen, müssen wir unser Wochenende damit verbringen einen zehn Seiten Aufsatz über irgendeinen Scheiß zu schreiben!“

„Warte. Wo ist James?“

„Mit Sarah vorgegangen.“ Also liefen wir über den schon fast leeren Schulhof. Wir entdeckten Alec und Chloe wie sie an der Wand zur Sporthalle lehnten und sich gegenseitig die Zunge in den Hals rammten.

„Hey! An eurer Stelle würde ich zum Unterricht gehen. Sonst habt ihr am Wochenende viel zu tun. Besonders du Chloe. Du weißt wie Mr. Arondal ist.“ Sie löste sich von ihrem Freund.

„Oh. Hat es schon geklingelt? Ich komme!“ Sie drückte ihrem Schatz noch einen kurzen Kuss auf die Lippen bevor sie zu mir und Tristan kam und sich bei mir einhakte. Dann zog sie mich mit sich. Hilfe! Die Schulschlampe fasst mich an! Ich brauche nachher unbedingt eine Dusche! Wenn nicht sogar zwei oder drei! Und mindestens zehn Liter Desinfektionszeug.

 

Als wir beim Bioraum ankamen, war unser Lehrer noch nicht da. Komisch. Er war doch sonst immer pünktlich!

„Ich hasse Bio! Ich meine wozu braucht man das?“, fragte Chloe und setzte sich auf meine Tischkante.

„Ja das frage ich mich auch. Wozu soll man wissen was im Körper ist, welche Hormone der Körper wann ausschüttet...“

„Eben! Genau das meine ich! Man könnte das Fach abschaffen und es durch ein anderes ersetzen! Zum Beispiel wie verhält man sich richtig auf einer vornehmen Veranstaltung.“, sagte sie und ich nickte. Dieses Fach könnte ich echt gebrauchen. Und immer wieder fragte ich mich: 'Was will sie von mir?' Dann kam endlich Mr. Arondal und befreite mich von ihr. Doch bevor sie ging drückte sie mir noch einen Schmatzer auf die Wange und ich hatte Mühe nicht geekelt auszusehen. James fing an leise zu kichern und obwohl er am anderen Ende der Klasse stand, hörte ich ihn und wusste auch, dass er über mich und Chloe lachte. Wie zur Bestätigung sah er mich an und nickte mir zu.

„Guten Morgen Klasse. Tut mir leid, dass ich zu spät bin aber ich war noch in ein wichtiges Gespräch mit einem Kollegen vertieft gewesen und konnte es nicht unterbrechen.“, sagte unser Lehrer. Er ließ uns noch nicht mal Zeit ihn zu begrüßen, sondern sprach gleich weiter: „ So. Fangen wir an. Schlagt euer Buch auf Seite 209 auf, lest euch den Text durch und bearbeitet die Aufgaben.“ Als ich den Text aufschlug, stöhnte ich leise auf. Hormone einer Frau bei der Schwangerschaft und während ihrer Periode. Als hätte ich es geahnt. Chloe warf mir ein Grinsen zu was ich leicht erwiderte. Die Jungs lachten unterdessen über die abgebildeten Bilder und machten frauenfeindliche Witze.

„Was ist mit Chloe los?“, zischte mir Sarah zu. Sie saß auf meiner linken Seite, Tristan auf meiner rechten. James saß eine Sitzreihe weiter hinten.

„Keine Ahnung. Seit heute ist sie wirklich nett zu mir. Wer weiß was sie ausheckt.“, murmelte ich.

„Ich hoffe du steckst nicht in ernsten Schwierigkeiten.“, flüsterte Tristan.

„Miss Adams. Mister Harris und Miss Benett. Das hier ist eine Einzelaufgabe. Und ich kann kaum glauben, dass Sie schon mit lesen fertig sind. Also? Was haben Sie eben besprochen?“ Mr. Arondal sah uns strafend an.

„Ich habe meinen Freunden eben erklärt, dass ich eigentlich gar nicht wissen will was mir für Hormone durch den Körper schießen. Weder jetzt, noch während meiner Periode, noch während einer späteren Schwangerschaft.“, erklärte ich meinem Lehrer.

„Wieso denn nicht? Das kann wirklich wichtig sein. Denn manchmal kann eine Frau nicht schwanger werden, da durch den Mangel an Östrogenen, die Eier in den Eierstöcken nicht reifen können...“ Und ich driftete ab.

Du solltest lieber zuhören. Wahrscheinlich schreibt er einen Test darüber.“, warnte James.

Wozu hab ich dich. Weißt du das Gedankenlesen hat auch seine Vorteile. Wir können im Test schummeln ohne, dass die Lehrer etwas merken.“ Er sah mich strafend an.

Das macht man nicht.

Lass mich raten. Du warst noch nie an einer öffentlichen Schule, sondern bekamst Hausunterricht?

Richtig.

Dann lass mich dir sagen, dass wir hier alle abschreiben, Spickzettel benutzen und den Lehrern Streiche spielen. Das gehört dazu.

Wenn du meinst. Es ist alles neu für mich.

Kann ich verstehen.“ Ich sah zu meinem Lehrer und lächelte. Endlich hörte er auf zu reden und gab uns die Anweisung weiter zu machen. Also las ich mir die sinnlosen Seiten durch. Ganz langsam. Am Ende der Doppelstunde hatte ich alle Aufgaben bearbeitet und bejubelte mich selbst, denn diejenigen, die das nicht geschafft hatten (und das waren eine ganze Menge), hatten die Aufgaben als Hausaufgaben auf bekommen.

Wir alle packten unsere Taschen und stürmten aus dem Raum.

„WOCHENENDE!!!“, schrie Sarah über den Schulhof und brachte Tristan und mich zum Lachen. Alec kam aus dem Musikraum.

„Seid froh! Ich muss noch zwei Stunden Chemie überstehen! Zum Glück habe ich ja Dimitri. Das Talent mit der Geige. Ein zweiter David Garret.“

„Und wie kommen James und ich nach Hause?“

„Gar nicht. Jedenfalls nicht bevor wir beide Schluss haben.“ Dimitri kam aus dem Musikraum und lächelte als er mich sah.

„Hey Dimitri.“

„Hallo Prinzessin.“ Warnend sah ich ihn an.

„Wie oft habe ich dir gesagt, dass du mich nicht so nennen sollst?“, fragte ich ihn tadelnd und betete, dass er mit spielte.

„Ich glaube an die fünfzig Mal? Und das obwohl du mich erst seit gestern kennst.“ Er grinste und seine Augen funkelten.

„Richtig. Und du kannst es nicht lassen oder?“

„Nein.“ Sarah grinste und sah mich bedeutungsvoll an wobei ich nur die Augen verdrehte und den Kopf schüttelte.

„Los jetzt. Geht zum Unterricht. Aber Alec gib mir die Autoschlüssel.“

„Was willst du mit denen? Du kannst doch nicht fahren.“

„Nein. Aber James und ich können uns schon mal ins Auto setzen, solange wir warten.“ Er warf sie mir zu und ich fing sie geschickt mit einer Hand.

„Danke.“

„Immer wieder gerne Prinzessin.“ Ich fauchte und sah ihn wütend an. Lachend machten sich die beiden davon.

„Wie kannst du ihn nur mögen James?“, fragte ich.

„Keine Ahnung. Hat sich so ergeben.“

„Egal. Wir haben ja genug Zeit um zu reden.“ Ich wandte mich an meine Freunde. „Wir sehen uns. Bis dann.“

„Cat? Dimitri sieht so...“, fing Sarah an, brach aber ab, da James noch neben uns stand.

„Ich weiß.“ Wir grinsten uns gegenseitig an. Dann umarmte ich sie und gab Tristan einen Kuss.

„Hey. Viel Glück heute! Du schaffst das!“, sprach ich ihm Mut zu.

„Denkst du?“, fragte er zweifelnd.

„Wieso nicht? Wenn ich kann rufe ich euch heute noch an. Aber ich weiß es noch nicht. Bis dann.“ Sie verschwanden. Ich schaffte es, den Schmerz auszuhalten bis sie verschwunden waren. Dann brach ich zusammen. Nur James schnelle Reflexe bewahrten mich davor Bekanntschaft mit dem Boden zu machen.

„Caitlin. Schon wieder?“, fragte er und ich nickte mit Mühe. Er hob mich auf und trug mich zum Auto. Dort legte er mich auf den Rücksitz. Der Schmerz in meinem Körper explodierte und ich schrie. Dann nahm ich meinen Arm und biss drauf um mich abzulenken.

Kind. Ich meinte doch du solltest lernen dich abzuschirmen.“, tadelte mich mein Onkel.

Ja. Ich hatte bis jetzt aber leider noch keine Gelegenheit dazu.“ Der Schmerz brachte mich beinahe um meinen Verstand und ich hatte meine liebe Not nicht in Ohnmacht zu fallen. Doch genauso plötzlich wie der Schmerz gekommen war, verebbte er auch. Erleichtert atmete ich auf. James sah erleichtert auf mich hinab.

„Geht es wieder?“, wollte er wissen. Und ich nickte.

„Hilfst du mir mich abzuschirmen? Ich will nicht, dass es schon wieder passiert.“ Er nickte ernst und fing an zu erklären: „Weißt du. Eigentlich ist es ganz einfach wenn man es kann. Du musst dir vorstellen, dass du einen Schutzwall um deine Gedanken legst... Schließ deine Augen.“ Ich folgte willig seinen Anweisungen. „Gut. Und jetzt stell dir deinen Kopf vor. Deine Gedanken wirbeln herum wie kleine leuchtende Punkte... Siehst du diese Punkte?“, fragte er.

„Hm.“, murmelte ich und nickte.

„Gut. Und jetzt ballst du sie zu einem Ball zusammen.“ Mit einiger Mühe schaffte ich es mir das vorzustellen was James von mir wollte. „Gut. Und jetzt stellst du dir eine dicke Wand vor, die deine leuchtenden Punkte umschließt. Sie muss fest sein, damit sie nicht sofort zusammen fällt.“ Auch das schaffte ich.

„Kannst du meine Gedanken sehen?“, fragte ich.

„Nein.“

„Wird meine Mauer zusammen brechen wenn ich die Augen öffne?“, fragte ich.

„Ich weiß es nicht. Du musst es ausprobieren. Bei manchen Vampiren ist es so, dass die Mauer so lange dort bleibt bis sie, sie zusammen fallen lassen. Sie denken gar nicht daran. Sie behalten ihre Gedanken für sich und schicken nur das nach draußen was sie anderen mitteilen wollen. Andere müssen sich die ganze Zeit darauf konzentrieren. Aber bei uns in der Familie passiert meistens nur das erste.“ Also vertraute ich darauf, dass James recht hatte und der erste Fall auch bei mir eintreten würde und öffnete meine Augen.

„Und?“, fragte ich unsicher.

„Nichts.“ Er grinste.

„Sag die Wahrheit. Kleiner Lügner.“

„Ich lüge wirklich nicht! Ich bin nur stolz auf dich... kleine Schwester.“ Ich wurde rot und sah weg.

„Danke.“

Caitlin? Caitlin bist du da?“, fragte plötzlich mein Vater panisch in meinem Kopf.

Ja. Ja, was ist denn los?

Ich kann deine Gedanken nicht mehr hören.

Ich weiß. James hat mir beigebracht meine Gedanken abzuschirmen.

Oh. Gut. Aber habt ihr kein Unterricht?“, wollte er wissen.

Nein. Wir haben schon seit einer halben Stunde Schluss.

Und wieso kommt ihr nicht nach Hause?“, fragte er wütend.

Weil wir noch auf Dimitri und Alec warten müssen. Wir haben nur ein Auto.

Wirklich? Wenn das so ist lass ich euch die Limousine kommen.

Aber. James und ich haben die Schlüssel fürs Auto.

Dann lasst euch was einfallen. Sie ist in zehn Minuten da.

Danke.“, brummelte ich. Dann sagte ich zu James: „Unser alter Herr hat uns die Limousine geschickt.“ Er grinste und nickte.

„Ich weiß.“

„Woher?... Er hat die Gedanken an uns beide geschickt oder?“

„Ja. Genau das hat er. Das dumme ist. Ich hab deine Antworten nicht mitbekommen, weil du sie nur an Vater geschickt hast.“„Das muss ich wohl noch lernen. Nachrichten an mehrere Personen zu schicken.“

„Weißt du, dass es ganz schön komisch ist nur eine Seite der Unterhaltung mitzubekommen?“

„Ja. Kann ich mir vorstellen.“„Was machen wir jetzt mit den Schlüsseln?“, fragte James ratlos und stieg aus. Ich folgte ihm, nahm den Schlüssel an mich und überlegte. Dann schloss ich das Auto zu und sah mich nach einem geeigneten Versteck um.

„Wie wäre es wenn wir Alec kurz aus dem Unterricht holen? Du hast doch seine Handynummer.“

„Gute Idee. Und ich weiß, dass sein Handy immer an ist.“

„Dann wollen wir hoffen, dass er raus kann.“ James nickte und schrieb seinem Kumpel eine kurze SMS. Kurz darauf hatten wir die Antwort. Er würde raus kommen.

„Ich geh ihm entgegen. Bin gleich wieder da.“ Und schon rauschte ich davon.

Kurz vor seiner Klasse kam er mir entgegen.

„Na Prinzessin? Wieso braucht ihr den Schlüssel jetzt doch nicht?“, fragte Alec.

„Raphael schickt uns einen Wagen.“

„Ganz schön praktisch, dass du jetzt eine Prinzessin bist. Jetzt brauchst du nicht mehr mit dem Fahrrad zu fahren.“

„Ich würde es immer noch tun. Im Gegensatz zu euch bin ich mir nicht zu bequem.“

„Wer sagt, dass du nicht mit dem Fahrrad fahren kannst?“

„Würdest du denn mit mir fahren um mich zu beschützen?“

„Oh. Ach ja richtig. Prinzessin ist ja in Gefahr.“

„Richtig. Viel Spaß im Unterricht noch Sir. Wir werden uns später auf dem Ball sehen.“ Und ich wandte mich ab. Aber nicht ohne meine Haare noch mal schwungvoll nach hinten zu werfen. Hinter mir vernahm ich Alec' belustigtes Lachen.

Kapitel 6

Das ist eines der Geheimnisse des Lebens: Die Seele mit den Mitteln der Sinne und die Sinne mit den Mitteln der Seele zu heilen.

(Oscar Wilde „Das Bildnis des Dorian Gray“)

 

Draußen wartete schon die Limousine. James stieg gerade ein und ich machte es ihm schnellstens nach.

„Und? Schon aufgeregt wegen dem Ball?“, fragte mein Bruder.

„Ein wenig.“, gestand ich ihm. „Ich weiß ja gar nicht was da getanzt wird und so. Wie man sich da benehmen soll. Diese Dinge eben.“

„Weißt du. Die Tänze sind gar nicht so schwer. Tango, Salsa, Walzer... So etwas eben. Wenn du sie nicht kannst lernst du eben nur den Walzer bis heute Abend und dann sehen wir weiter. Und wie du dich benehmen sollst ist auch nicht schwer. Einfach höflich bleiben und dich von deiner besten Seite zeigen.“ Zum Glück konnte ich tanzen. Meine Mutter hatte mich mal zu so einem Tanzkurs gesteckt. Zusammen mit Max. Wir haben getanzt wie die Verrückten. Waren bei Turnieren und haben irgendwann sogar die Meisterschaft gewonnen. Doch dann kam es zu dem Streit. Und wir hörten auf. Wir wollten nicht mehr.

„Dann werde ich das bestimmt überleben. Ich kann tanzen. So schwer ist das nicht für mich. Wer die Meisterschaften im Partnertanz gewinnt, kann auch diesen kleinen Ball überstehen.“

„Du hast mal eine Meisterschaft gewonnen?“ Ich nickte.

„Nichts besonders.“, winkte ich ab.

Wir fuhren durch das Tor und hielten vor der Haustür.

„Wie groß ist das Gelände eigentlich?“

„Frag nicht. Jedenfalls groß genug für einen Tennisplatz, einen Fußballplatz, einem großen Reitstall mit allem Drum und Dran, dazu gehören natürlich Weiden und Reitplätze. Und noch ein Garten.“

„Wow. Kann ich mir mal die Pferde ansehen?“

„Du kannst sie auch reiten wenn du willst. Heute noch. Wir haben ja noch mehr als sieben Stunden Zeit bevor der Ball anfängt.“

„Ja. Aber wer weiß wie lange Ann an mir herumzuwerkeln will. Ich muss das mit ihr absprechen.“ James führte mich zu meinem Zimmer und küsste mich auf die Wange.

„Bis später liebes Schwersterlein. Ich hole dich in einer Stunde zum Reiten ab. Sei bis dahin fertig.“

„Ist gut.“ Ich trat ein und legte meine Tasche ab. Dann setzte ich mich auf mein Sofa in dem Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an. Doch kurz darauf schaltete ich ihn wieder aus und ging in meinen Kleiderschrank um mir mein Reitoutfit zusammenzustellen. Ich hörte die Tür aufgehen und drehte mich um.

„Guten Tag Prinzessin. Kann ich Euch helfen?“

„Ja. Ähm. Ich denke du kennst dich besser in meinem Schrank aus als ich... Ich brauch eine Reithose und alles andere was zum Reiten gehört.“

„Das ist einfach. Hier seht ihr? Die Teile des Zimmers sind beschriftet.“ Sie zog eine schwarze Reithose aus einer Schublade, dann holte sie noch Reitbluse und -Jacke heraus. Stiefel und Gerte. Und schon war mein Outfit fertig.

„Wie lange denkst du brauche ich um mich fertig zu machen für den Ball?“, wollte ich wissen.

„So eineinhalb Stunden sicherlich. Darin sind natürlich Bad und Haare eingeschlossen.“

„Danke.“ Sie nickte und ging aus dem Zimmer. Schnell zog ich mich um. Dann ging ich nach draußen. Sie saß auf einem Stuhl und stickte.

„Denkst du, du kannst es so einrichten, dass ich ein langärmliges Kleid bekomme?“

„Natürlich.“ Sie neigte den Kopf.

„Wird es ein langes Kleid sein?“

„Nein. Der König meinte, dass es nicht Eurem Alter entsprechend ist ein langes Kleid zu tragen. Aber es wird auch nicht zu kurz.“

„Ich würde mich wohler fühlen wenn es ein lange wäre.“

„Natürlich Prinzessin.“ Sie schien verwundert. Aber das war kein Wunder. Kein Mädchen in meinem Alter zog sich lange Abendkleider an. Kurze Kleider bei denen man viel nackte Haut sah, waren besser. Ihrer Meinung jedenfalls.

Es klopfte an der Tür. Ann wollte aufstehen und öffnen, doch ich winkte ab und ging selbst. Es war James.

„Können wir los?“ ich nickte.

„Prinzessin seid bitte spätestens um 18 Uhr wieder hier.“, bat Ann.

„Ich werde da sein.“ James nickte und ging vor.

Auf dem ganzen Weg zum Reitplatz sah ich mich bewundernd um. Es war wunderschön hier. Blumen blühten, die Sonne schien. Und alles sah so gepflegt aus. Wahrscheinlich eine Drecksarbeit. Ich beneidete die Gärtner nicht um ihre Arbeit.

 

 

Am Stall angekommen gingen wir eine Runde. Edle Pferde sahen uns über die Boxe Tür hinterher. Es roch nach Pferden, Leder und Heu. Eine wunderbare Mischung und ich merkte wie ich mich entspannte.

Plötzlich ertönte ein erschreckter Ruf und ich drehte mich um. Ein schwarzes Pferd kam direkt auf mich zu. James stand wenige Meter vor mir in der Box seines Pferdes Nader. Es war ein sandfarbener Wallach. Sehr einfach zu reiten mit sehr viel Ausdauer und Kraft hatte mir James erzählt. Mein Bruder konnte mir nicht helfen. Und das Pferd kam immer noch auf mich zu. Doch ich wich nicht aus. Nein.

Ich hob langsam die Hand und steckte sie dem Rappen entgegen. Und er blieb tatsächlich schlitternd stehen und schnupperte. Langsam fasste ich ihn am Halfter und pustete ihm sanft in die Nüstern. Nach kurzem Zögern blies er zurück.

„Prinzessin? Ist alles in Ordnung mit euch?“, fragte der Stallbursche ängstlich.

„Ja. Der kleine Ausreißer hat es sich anders überlegt und mich doch nicht umgerannt.“ Der Junge stieß erleichtert die Luft aus. „Wie heißt er?“

„Argos Prinzessin.“

„Sehr passender Name.“ Ich strich Argos über die Nüstern. „Ein Englisches Vollblut oder?“ Der Stallbursche nickte.

„Sein Vater war ein Araber und seine Mutter ein englisches Vollblut.“ Sehr erhaben. Und sehr ausdauernd.

„Wer reitet ihn normalerweise. Oder besser wem gehört er?“

„Eurem Bruder Prinzessin.“

„James?“, fragte ich ungläubig. Ich kannte meinen Bruder zwar nicht sehr lange, aber ich würde meine rechte Hand verwetten, dass das Pferd nicht ihm gehört. James ist zu sanftmütig dafür. Er hatte nicht den Charakter um sich durchzusetzen. „Nein. Nicht Prinz James. Eurem älteren Bruder Prinz Mason. Seit er gestorben ist, reitet niemand dieses Ungeheuer hier. Er ist uns allen zu wild.“

„Ich reite ihn.“

„Das wirst du nicht tun. Er duldet niemand anderen auf seinem Rücken außer Mason.“, schritt James ein.

„Ich will es wenigstens versuchen James.“

„Und wenn du vom Pferd fällst und dich verletzt? Vater würde das nicht gefallen.“

„Nein, ich weiß. Und trotzdem ist er gerade lammfromm.“ Tatsächlich lehnte er seinen Kopf an meine Schulter und seufzte. „Ich bitte dich James. Ich pass auch auf. Und ich bin keine Anfängerin bei solchen Pferden. Ich hab vor zwei Jahren ein paar Pferde eingeritten.“ James seufzte und ich wusste, dass ich gewonnen hatte. „Danke.“ Ich band Argos an einen Ring an der Wand und folgte James zur Sattelkammer. Dort holte er Putzzeug, Sattel und Trense und ich begann das Pferd zu satteln.

Kurz bevor ich fertig war, kamen Dimitri und Alec in den Stall.

„Du wolltest doch nicht ernsthaft ohne uns los oder Prinzessin?“, rief Alec. Da er mich nicht sah, suchte er nach mir. „Wo bist du denn?“

„Caitlin? Ihr werdet doch nicht etwa Argos reiten, oder?“, fragte Dimitri, der mich schon in dem Moment entdeckt hatte, als er den Stall betrat.

„Doch. Genau das werde ich tun.“ Ich band das Pferd los und führte es nach draußen.

„Er ist völlig verwildert. Er wird euch abwerfen sobald ihr euch auf ihn gesetzt habt!“

„Lasst es Dimitri. Ich hab es schon versucht. Sie lässt nicht locker.“ James seufzte und sah mich verständnislos an.

Alec kam aus dem Stall. Ein fuchsfarbenes, fertig gesatteltes Pferd führte er neben sich her. Wie schaffte der das nur so schnell?

„Wartet! Ich komme mit!“, sagte Dimitri und lief in den Stall um zwei Minuten später mit einer weißen Stute hinaus zu kommen.

„Wie schafft ihr das, die Pferde so schnell zu satteln?“, wollte ich wissen. Das war nicht normal.

„Weißt du, es ist schon praktisch ein Vampir zu sein.“, sagte Alec geheimnisvoll grinsend und schwang sich auf den Rücken seines Reittieres.

„Wir haben geschummelt. James hat uns eine SMS geschickt und wir haben ihn gebeten, die Pferde vorzubereiten.“, erklärte Dimitri. Er nahm die Zügel ein wenig an und stieg auf. Jetzt stand ich als Einziges noch neben dem Pferd.

„Du meinst doch wohl vorbereiten lassen ihr Faulpelze.“

„Wieso hast du ihr denn die Wahrheit gesagt?“, fragte Alec. „Es wäre viel lustiger gewesen, wenn sie mir geglaubt hätte.“

„Man lügt eine Prinzessin nicht an Alec. Das solltest du lernen.“„Genau. Und besonders bei mir solltest du aufpassen was du sagst. Und ob du mir nicht doch lieber die Wahrheit sagst.“, sagte ich ernst. Er aber verdrehte nur die Augen und machte eine leichte Handbewegung.

„Willst du nicht langsam mal aufsteigen? Wir warten.“ Er grinste. „Ich will so gerne sehen wie du vom Pferd fällst. Mason hat so lange gebraucht bis das Biest Vertrauen zu ihm fand. Wochenlang musste er sich damit begnügen es zu streicheln und langsam zu zähmen. Du schaffst das nicht in fünf Minuten.“ Ich ignorierte ihn und legte meine Hand auf den Hals von Argos.

„Mach mir keine Schade Großer.“, flüsterte ich. Dann griff ich an den Sattelknauf und stieg vorsichtig und elegant auf. Und dann warteten wir. Nichts passierte. Argos stand da und zuckte mit den Ohren. „Wollen wir los?“ James nickte nur ungläubig und drückte seinem Pferd leicht in die Flanken. Wir anderen folgten. Bis kurz vors Tor ging es mit Argos, doch dann merkte ich wie er unruhiger wurde und los preschen wollte. Ich lächelte unwillkürlich. Da sah man wie wenig Bewegung er bekam. Das Pferd war zu bedauern.

„Caitlin!“, rief da plötzlich eine Stimme. Raphael. Ich seufzte und trabte an. Mein Vater stand an der Limousine und starrte mich an.

„Ja, Vater?“, fragte ich und machte Anstalten vom Pferd zu steigen.

„Bleib sitzen.“, sagte er nur und sah mich immer noch an. „Wie... wie hast du das geschafft?“

„Was?“, fragte ich dümmlich. Dann fiel es mir wieder ein. „Ach du meinst das mit Argos? Keine Ahnung. Im Stall wollte er mich noch umrennen, aber jetzt geht’s. James, Alec, Wächter Petrov und ich wollen einen Ausritt machen. Ich werde ihn richtig schön laufen lassen und dann wird er schon ruhiger werden.“

„Aber... Er hat sich von niemanden reiten lassen. Füttern, auf die Weide bringen und das alles ging ja noch. So lange es von Mason's Stallburschen gemacht wurde. Aber reiten? Niemand konnte ihn bezwingen.“

„Bezwingen und brechen ist kein Weg Vertrauen aufzubauen Vater.“, sagte ich scharf.

„Nein. Natürlich nicht. Und jetzt reitet los. Seid aber pünktlich zum Ball wieder da.“ Er sah Dimitri dabei an. „Und ihr kommt zurück bevor er dunkel wird. Es ist gefährlich.“

„Werden wir Sire. Ich verspreche es Euch.“, schwor Dimitri.

„Nun. Dann viel Spaß. Und macht keinen Unsinn. James ich verlasse mich auf dich.“ Bei diesen Worten sah er Alec bedeutungsvoll an und ich bekam so eine Ahnung was er meinte. Oh man. Er war ja schlimmer als mein Vater... Ich meine natürlich Daniel... meinen Ziehvater. Ich merkte wie eine leichte Röte mein Gesicht überzog. Alec sah beschämt grinsend zur Seite. Sein Blick war wohl beabsichtigt nicht mir zugewandt.

„Nein Sire. Nichts wird passieren.“, versprach er.

„Das will ich hoffen.“, brummte mein Vater und scheuchte uns dann lächelnd weg.

„Wollen wir zum Wasserfall?“, rief James über seine Schulter hinweg.

„Gute Idee. Aber über die Felder. Ich will Zacharias schön einmal laufen lassen. Und ein kleines Wettrennen mit Caitlin kann auch nicht schaden. Mal gucken ob sie sich auf Argos halten kann wenn er richtig in Fahrt kommt.“

„Da hat jemand so gar kein Vertrauen in die Reitkünste meiner Schwester! Sie wird es dir zeigen Alec.“, sagte James mit Eifer und lenkte Nader auf ein Feld. Sofort merkte ich wie Argos sich anspannte und los laufen wollte. Ich nahm die Zügel kürzer und setzte mich auf.

„Na dann komm Alec. Von hier bis...“ Ich sah mich nach einem geeigneten Ziel um, fand aber keins. „Dimitri? Würdest du bitte vor reiten und eine Stelle aussuchen? Ein wenig länger. Argos braucht viel Bewegung.“

„Wie du wünscht.“ Er ritt an und galoppierte ungefähr 300 Meter vor. Dann hielt er an und wendete sein Pferd um uns anschauen zu können.

„James? Würdest du bitte...“

„Gerne doch Schwesterchen. Auf die Plätze, Fertig.... Los!“ Und Alec galoppierte an. Ein kleiner Stoß in die Flanken genügte um Argos anzuspornen. Mit einem Schnauben galoppierte er los und ich konnte ein aufgeregtes Gekicher nicht unterdrücken. Argos lief leichtfüßig und ruhig und ich musste nicht viel machen. Auch wenn Zacharias schneller losgestürmt war, holten wir Alec mit Leichtigkeit ein und überholten sie. Kurz bevor wir Dimitri erreichten, musste ich das Tempo drosseln, doch ich merkte, dass Argos nicht gehorchen würde. 'Keine Panik Caitlin. Alles wird gut.', redete ich mir zu.

Ich denke ich werde noch weiter galoppieren müssen James. Wir sehen uns.“, entschuldigte ich mich bei meinem Bruder und ritt weiter. Egal wie sehr ich an den Zügeln zog, Argos gehorchte nicht.

„Caitlin!“, schrie Alec. „Halt das Pferd an!“

Sagst du Alec bitte, dass er aufhören soll zu schreien? Ich komm schon wieder. Ohne einen Kratzer.“ Wie um meine Lüge zu strafen, peitschte ein Ast in mein Gesicht. „Okay. Ein paar Kratzer wohl doch. Halb so schlimm.

Pass bitte auf dich auf.“, bat er.

Mach ich.“, versprach ich. Argos wurde langsamer. Schließlich trabte er auf eine Lichtung und blieb dort inmitten von einer Blumenwiese stehen. Staunend stieg ich ab und führte Argos zu einem Bach wo das Pferd anfing gierig zu trinken. Währenddessen sah ich mich um. Die Lichtung war nichts besonders. Sie war groß, und die Sonne schien durch das Blätterdach. Die verschiedenen Blumenarten schienen sich wohl zu fühlen. Langsam strich ich Argos über den Hals. „Du hast mich mit Absicht hierher gebracht oder? Was ist hier dran so besonders?“, murmelte ich. Vielleicht war Mason oft hier gewesen. Als ich mich an den Bach setzte und mit dem Wasser mein Gesicht abwusch, merkte ich wie geborgen ich mich hier fühlte. Ich war allein. Das einzige was ich hörte waren Vogelstimmen, das Pferd neben mir und das Blätter rascheln.

Doch von einem Moment auf den anderen wurde es kalt. Die Vögel verstummten und selbst der Wind schien still zu stehen.

Ich hob den Kopf und schrie auf. Eine Gestalt trat auf mich zu. Die junge Frau trug ein Mittelalterliches Kleid, welches zerfetzt war und nur noch sehr bedürftig ihren Körper bedeckte. Die schwarzen Haare, waren unordentlich und ihr Gesicht war voller Trauer.

Hilf mir.“, wisperte die Frau.

„Wie soll ich Ihnen denn helfen?“, fragte ich.

Hilf mir.“, wiederholte sie.

„Aber... Was ist passiert?“ Die Frau streckte mir ihre Hand entgegen und ich nahm sie zögerlich. Oder ich wollte sie nehmen, doch meine Hand ging durch die, der Frau. Erschrocken wich ich zurück.

„Sie sind nicht lebendig.“, flüsterte ich und sie schüttelte den Kopf. „Du bist tot!“

Du bis diejenige, die uns helfen kann. Diejenige, die uns von unserem Geistertod befreien kann. Hilf uns!

„Ich weiß nicht wie!“

HILF UNS!“, schrie sie und sprang auf mich zu. Ich wich aus und schrie.

„Verschwinde! Du bist hier nicht willkommen! Verschwinde von dieser Welt! Überquere die Brücke!“, kreischte ich. Die Frau schrie begeistert auf und löste sich auf.

Ich danke dir.“, waren die letzten Worte, die sie sprach. Dann war sie weg.

Zitternd starrte ich auf die Stelle wo die Frau eben noch gestanden hatte. Ich sah ein paar verschwommene Bilder. Die Frau, die über eine goldene Brücke ging. Am Ende der Brücke erwartete sie ihre Familie. Sie schlossen die Frau herzlich in die Arme. Und dann verschwand die Vision.

Der Wind setzte wieder ein, die Vögel nahmen ihren Gesang wieder auf, so als wäre nichts geschehen, doch ich wusste es besser. Auch wenn ich mir wünschte, dass mir meine Fantasie einen Streich gespielt hatte, wusste ich, dass es keine war. Das war alles wirklich passiert. Und ich war müde.

„Prinzessin.“ Dimitri trat auf die Lichtung, sein Pferd am Zügel und sah mich erleichtert an.

„Dimitri.“, flüsterte ich bevor ich zusammenbrach.

Willkommene Schwärze empfing mich. Es fühlte sich so an als würde ich von einer Wolke davongetragen. Ich seufzte und ließ mich widerstandslos fallen.

 

 

ALEC

 

Als ich hinter James auf die Lichtung trat, sprang mir als erstes das Bild von Dimitri und Caitlin ins Auge. Sie lag mit dem Kopf auf dem Schoß von Dimitri und hatte die Augen geschlossen. Sie bewegte sich nicht und war totenbleich, doch ich hörte ihren gleichmäßigen Herzschlag. Also war sie in Ordnung. Wenn man das als in Ordnung sehen konnte.

„Dimitri. Was ist passiert?“, fragte James erschrocken. Mein Freund ließ sein Pferd los, eilte auf seine Schwester zu und kniete sich neben sie. Der junge Wächter sah auf und schüttelte bloß ratlos den Kopf.

„Ich weiß es nicht. Kurz bevor ich die Lichtung betrat hörte ich sie schreien. Und dann war alles ruhig. Als sie mich sah, flüsterte sie nur noch meinen Namen und brach zusammen.“ Langsam kam ich näher. Ich band die Pferde an einen Ast und hockte mich dann neben meinen Freund. Caitlin stöhnte und drehte ihren Kopf hin und her.

„Alles ist gut... Du bist in Sicherheit.“, flüsterte sie.

„Was meint sie?“, fragte ich verwirrt.

„Ich hab keine Ahnung. Sie spricht schon seit sie zusammengebrochen ist. Immer so nichtssagende Sätze. Eben sagte sie irgendwas von Geistertod oder so ähnlich.“, meinte Dimitri.

„Wir können nichts anderes machen als warten, dass sie aufwacht. Und dann reiten wir zurück. Vielleicht kann sie uns erklären was sie meint.“ James zuckte mit den Schultern. Irgendwie regte Dimitri mich gerade auf mit seiner ruhigen Art wie er Caitlin bemutterte. Ich sprang auf und lief auf der Wiese hin und her. Wir warteten vielleicht zehn Minuten, als Caitlin stöhnte und blinzelnd die Augen öffnete. Sie zuckte zusammen als sie Dimitri so nah vor sich sah. Doch dann stieß sie erleichtert die Luft aus.

„Ist sie weg?“, wisperte sie so leise, dass ich mich, trotz meinem Vampirgehörs, anstrengen musste um sie zu verstehen.

„Wer Caitlin?“, fragte James.

„Die Frau. Die aus dem Mittelalter.“, sagte sie so als müssten wir doch wissen, wen sie meint.

„Ja. Sie ist weg.“, sagte Dimitri sanft. „Keine Sorge.“

„Gut.“, sie schloss die Augen um sie gleich wieder panisch aufzureißen. „Wie spät ist es?“

„Keine Sorge. Du kommst schon rechtzeitig zum Ball. Es ist gerade mal fünf.“

„Können wir nach Hause?“ Die beiden nickten und halfen ihr auf die Beine. Sie schlich mit gesenktem Kopf auf ihr Pferd zu und zog sich mühsam in den Sattel. Als sie es beim zweiten Anlauf nicht schaffte, trat James zu ihr und wollte sie hoch heben, doch sie zickte sofort los, genauso wie ich es mir gedacht hatte. Sie war nicht so ein Mädchen, was sich gern helfen ließ. Sie zog ihr eigenes Ding durch. Und das wusste ich obwohl ich sie erst seit ein paar Tagen kannte.

„Lass das James! Ich kann das selber.“, fauchte sie. James wich zurück als er ihre roten Augen sah und hob die Hände.

„Schon gut. Ich wollte ja nur helfen.“ James sah mich so an als würde er sagen: „Mädchen!“ Ja man konnte Mädchen einfach nicht verstehen. Viel zu kompliziert.

Caitlin hatte es geschafft in den Sattel zu kommen. Sie drückte dem Pferd ihre Hacken in die Seite und wartete nicht auf uns. Argos schien zu spüren, dass es seiner Reiterin nicht gut ging und ging langsam und mit vorsichtigen Schritten los.

„Hey! Prinzessin! Warte auf uns.“, rief ich ihr nach, doch sie hielt nicht an. Nein. Sie nahm die Zügel auf und galoppierte los. Ich seufzte. Konnte sie nicht einmal das machen was man von ihr wollte? Ich rannte zu Zacharias, sprang auf und preschte ihr hinterher. Einer musste doch auf sie aufpassen. Auch wenn es ihr nicht so vorkam, war sie doch in Gefahr. Und ich wollte verdammt sein – wenn ich das nicht schon war - wenn ihr etwas passierte. Also hielt ich mit ihr mit und gemeinsam ließen wir die anderen beiden weit hinter uns.

 

Im Schlosshof angekommen, zügelte sie ihren Liebling und sprang ab. Mit schnellen, meiner Meinung nicht sehr sicheren, Schritten brachte sie ihn in den Stall und gab das Tier ohne ein Wort zu sprechen in die Hände von Mason's Stallburschen. Dann rannte sie wieder zurück zum Schloss. Ich tat es ihr nach. Wieso hatte sie es denn so eilig? Sie lief durch das Schloss und riss dann die Tür zu ihrem Zimmer auf. Ann saß auf dem Stuhl und las ein Buch. Sie sah auf als sie die Tür hörte.

„Wo ist der König?“, fragte Caitlin außer sich.

„Ich denke er ist in seinem Arbeitszimmer Prinzessin... Was...?“

„Danke.“ Und sie drehte sich um und rannte gegen mich. Der Schwung warf uns beide um und ich hielt sie fest, damit sie nicht hinfiel.

„Du wirst dich nur verlaufen. Komm, ich bringe dich hin.“ Sie nickte, die Lippen zu einem Strich zusammengepresst. „Warum willst du jetzt so plötzlich zu deinem Vater?“ Vielleicht ging es mich nichts an aber ich war eben neugierig.

„Das geht dich einen Scheißdreck an!“, fauchte sie. Kapitulierend hob ich meine Hände.

„Schon gut. Brauchst dich ja nicht aufzuregen.“ Ich klopfte an eine Tür und öffnete sie für Caitlin als ich die Zustimmung hörte. Sie beachtete mich kaum, sondern stürmte in den Raum. Ich trat nach ihr ein, schloss die Tür und verbeugte mich vor dem König.

„Wieso hast du mir das nicht gesagt?“, schrie sie aufgebracht.

„Was hätte ich dir sagen sollen?“, fragte der König verwundert und sah von seinen Papieren auf dem Schreibtisch auf.

„Dass ich mit den Toten Kontakt aufnehmen kann!“ Der König riss die Augen auf und erhob sich.

„Du kannst was?“

„Du brauchst nicht so zu tun! Du bist doch derjenige, der die Gaben von anderen Vampiren erkennen kann!“, rief sie.

„Ja... Schon aber...“

„Nichts aber! Wieso hast du mich nicht vorgewarnt?“, fragte sie.

„Ich wusste das nicht! Weißt du... Meine Gabe, kann zwar Gaben erkennen, doch sie ist unzuverlässig.“ Sie schien ruhiger zu werden. „Wie hast du von ihr erfahren?“ Sie schloss die Augen und öffnete den Mund um zu sprechen. Doch dann schloss sie ihn wieder. Sie sah meinen Vater ernst an.

„Weißt du. Eigentlich sollte das ein ganz normaler Ausritt werden. Argos ging gut. Doch dann machten Alec und ich ein Wettrennen. Argos ging durch und rannte bis zu einer Lichtung mitten im Wald. Ich setzte mich an einen Bach und spritze mir Wasser ins Gesicht. Dann wurde es leise. Kein Vogelgezwitscher, kein Rauschen der Blätter, der Fluss gurgelte nicht mehr. Es schien so als wäre die Zeit stehen geblieben. Und dann trat sie auf die Lichtung. Eine junge Frau. Blonde Locken, Kleid aus dem Mittelalter. Es war zerrissen. Blut tropfte auf den Boden. Es floss aus ihrer Kehle. Sie sagte andauernd: 'Hilf uns'. Und streckte mir ihre Hand entgegen. Ich wollte nach ihr greifen, doch meine Hand glitt durch ihre. Wie bei einem Hologramm. Sie war nicht echt! Verstehst du? Und ab dem Moment wusste ich, dass sie tot war. Ich schrie sie an, dass sie verschwinden soll, dass sie nicht hierher gehöre und sie verschwand. Sie löste sich in Luft auf. Sie lachte noch und war dann weg. Einfach so weg!“ Sie schnappte nach Luft. „Dann sah ich etwas schönes. Sie ging über eine goldene Brücke. Sie vereint das Reich der Lebenden mit dem Reich der Toten. Auf der anderen Seite wartete bereits ihre Familie. Sie begrüßten sich herzlich und gingen weiter in das Totenreich hinein. Sie verschwanden hinter einem goldenen Tor.“

Der König kam auf sie zu und nahm sie in seine Arme. Sie schmiegte sich an ihn und fing an sich zu entspannen. Doch ich sah Tränen über ihre Wangen laufen. Es musste sie wirklich hart getroffen haben. Und ich meine was war schlimmer als plötzlich eine Tote Person zu sehen?

„Es tut mir so leid, dass ich dich nicht warnen konnte meine Tochter.“, flüsterte er und ich wollte mich gerade diskret zurückziehen als der König den Kopf hob und mir in die Augen sah. „Caitlins Gabe bleibt in diesem Raum. Verstanden?“

„Ja Sire. Doch wie wollen wir diesen Vorfall Prinz James und Wächter Petrov erklären?“

„Ich wurde ohnmächtig wegen des Schocks vom reiten. Und ich hatte ein Alptraum, deswegen die komischen Sätze, die ich beim Aufwachen gesagt habe.“

„Nicht nur beim Aufwachen.“, sagte ich schmunzelnd. Sie wurde rot.

„Bitte! Bitte sag nicht, dass ich auch geredet habe als ich weg war...“

„Dann sag ich es nicht Prinzessin.“ Ich machte eine ironische Verbeugung.

„Oh nein!“ Sie wandte den Kopf ab und zuckte zusammen als sie auf die Uhr sah. „Ich muss los. Ich habe Ann versprochen, dass ich um sechs zurück bin, damit sie mich fertig machen kann...“„Nun dann geh los Kind. Wir wollen doch nicht, dass die liebe Ann warten muss.“, sagte ihr Vater und ließ sie los. Doch sie zögerte.

„Vater? Wie alt ist Ann? Sie sieht so aus wie 15 aber als ich sie fragte, wich sie mir aus.“

„Wenn sie wollte, dass du weißt wie alt sie ist, hätte sie es dir gesagt Caitlin. Es ziemt sich nicht so neugierig zu sein.“

„Nein natürlich nicht. Entschuldige.“ Sie senkte den Kopf. „Ich werde jetzt gehen. Wir sehen uns auf dem Ball.“ Ihr Vater nickte und sagte noch einmal deutlich: „Alec. Das alles bleibt in diesem Raum.“ Ich nickte, verbeugte mich und öffnete Caitlin die Tür. Sie trat hindurch und wandte sich nach rechts.

„Wir müssen nach links um zu dir zu kommen Prinzessin.“

„Würdest du mal aufhören mich so zu nennen?“, fragte sie bissig.

„Wie Prinzessin? Aber das bist du doch.“

„Ich weiß! Und trotzdem regt mich dieses Prinzessin, Mylady, Eure Hoheit... und diese ganzen komischen Anreden auf. Ich bin jünger als alle, denen ich hier begegnet bin und sie behandeln mich als wäre ich eine weise Zauberin oder so was. Sie kennen mich noch nicht mal!“

„Und trotzdem erweisen sie dir den Respekt den du verdienst.“

„Einen Respekt den ich nicht verdient habe, denn was habe ich getan um ihren Respekt zu bekommen?.“, beharrte sie.

„Tja. Nichts aber da kann man wohl nichts gegen machen.“

„Nein. Leider nicht.“, knurrte sie. Wir kamen an ihrem Zimmer an und sie verabschiedete sich von mir.

„Bis später. Ich hoffe du trägst etwas schönes für mich.“ Ich grinste.

„Ha ha. Sehr lustig. Würde es nach mir gehen würde ich nicht hier sein, sondern bei meinen Freunden und wir würden einen Film gucken oder so.“

„Du magst sie wohl wirklich gerne.“, stellte ich fest.

„Ein Problem damit?“, fragte sie herausfordernd und hob das Kinn um mich anzusehen. Ihre Augen funkelten.

„Vielleicht? Ich teile nicht gern.“

„Was willst du denn bitte teilen? Ich gehöre dir nicht. Wenn es hier so zugeht wie im Mittelalter wird mein Vater mich an irgendeinen Prinzen oder König verheiraten und dann bin ich sowieso weg von hier.“

„Oder er verheiratet dich an einen seiner Lords um sie fester an sich zu binden.“

„Oder das.“, stimmte sie zu.

„Dann habe ich ja doch eine Chance dich zu bekommen.“, grinste ich.

„Wenn das passiert, stürze ich mich von der Klippe.“, fauchte sie mit plötzlicher Aggressivität und knallte die Tür hinter sich zu. Verwirrt sah ich die Tür an. Was hatte ich denn jetzt gemacht? Wir haben doch nur gescherzt. Oder nicht?

Kapitel 7

Der Mensch ist nicht zur Ruhe bestimmt.

(Adolf Diesterweg)

 

 

CAITLIN

 

Wütend stampfte ich zu Ann, die mich schon erwartete.

„Euer Handy hat öfters geklingelt Caitlin.“

„Danke. Ich ruf gleich zurück.“

„Das Bad ist eingelassen. Ihr könnt dort telefonieren. Und nun hopp, hopp! Wir haben einen Zeitplan ein zu halten.“

„Schon gut! Keine Panik! Wir haben doch noch zwei Stunden Zeit!“ Ich nahm mein Handy mit mir und ging ins Bad. Ich hatte es mir nicht besonders angesehen. Eigentlich hatte ich mein ganzes Zimmer nicht angesehen. Ich hatte es benutzt ohne hin zu sehen. Doch jetzt als ich in der Hammer Badewanne lag und mich in einem Schaumbad entspannte, sah ich mich neugierig um. Das ganze Bad war mit Marmor gebaut, alles sehr edel und verdammt teuer. Neben mir lag eine Fernbedienung. Als ich sie anschaltete, erklang leise klassische Musik. Sehr schön. Wirklich. Obwohl ich viel lieber Musik aus diesem Jahrzehnt hören wollte. Na ja. Vielleicht nächstes Mal.

Als ich mein Handy nahm und meine Anrufliste durchsah, sah ich nur Anrufe von Tristan und Sarah. Jana hatte einmal angerufen. Und ich hatte natürlich ein paar viele SMS bekommen. In denen fast immer das gleiche drinnen stand. Die ersten waren noch freundlich doch die letzte war wirklich hart. „Verdammt noch mal Caitlin! Würde die liebe Frau mal endlich an ihr verschissenes Handy gehen? Wir wissen ganz genau, dass du noch nicht essen gegangen bist! Also geh ran verdammte Scheiße!“ Und die war ausgerechnet von Tristan. Derjenige von uns, der fast nie fluchte.

Ich wählte also schnellstens die Nummer von Tristan, stellte mein Handy auf laut, legte es außer Reichweite des Wassers und wartete. Nach dem zweiten Klingeln nahm er ab.

„Verdammt Caitlin! Wieso gehst du nicht an dein Handy?“, fragte Tristan wütend.

„Weil...“

„Stopp. Ich stell mal schnell auf laut. Jana und Sarah sollen schließlich auch hören was du zu deiner Verteidigung zu sagen hast!“ Nach ein paar Sekunden sagte er: „Jetzt kannst du reden.“

„Ich war Reiten.“ Meine Entschuldigung.

„Und? Dass du Reiten warst ist kein Grund nicht an dein Handy zu gehen.“

„Wirklich? Wie willst du reiten und gleichzeitig telefonieren? Und ich hatte mein Handy nicht mitgenommen auf den Ausritt.“

„Wirklich? Und wo warst du bitte ausreiten?“

„In einem Wald?“, sagte ich sarkastisch. Denn ich hatte wirklich keine Ahnung wo ich hier genau war. „Und ich meine ihr führt euch auf wie eine Mutter! Ich kann langsam auch selbst auf mich aufpassen.“

„Klar kannst du das.“, sagte Jana beschwichtigend. Ich bewegte mich in meiner Badewanne und das Wasser plätscherte in der Stille plötzlich laut.

„Du liegst in der Badewanne?“, fragte Sarah.

„Ja. Ich meine wir gehen in einer Stunde los und ich stinke nach Pferd.“ Was noch nicht mal gelogen war. „Und Tristan? Hast du es ihnen schon gesagt?“

„Was hat er uns zu sagen?“, fragte Sarah sofort.

„Meine Frage ist somit beantwortet.“, seufzte ich. „Worauf wartest du noch? Sie werden dir schon nicht den Kopf abreißen. Und soll ich ehrlich sein? Wir hatten schon so oft den Verdacht dazu.“

„Was hast du uns zu sagen Tristan?“, fragte Jana jetzt ungeduldig.

„Du bleibst dran oder?“, bat mich Tristan.

„Klar!“, sagte ich.

„Also... Ich...“ Und plötzlich wurde die Tür zu meinem Badezimmer schwungvoll aufgerissen.

„Caitlin!“

„Raus!“, kreischte ich. „Hast du keinen Funken Anstand in deinem Hirn? Ich bin in der Badewanne du Idiot!“

„Das sehe ich.“, grinste der Eindringling, doch er hatte einen panischen Blick in den Augen.

„Caitlin? Ist das gerade Alec?“

„Ja.“

„Du Perversling! Geh sofort aus dem Bad!“, schrie Tristan wütend.

„Jaja. Schon gut! Bleib locker.“, sagte Alec zum Telefon und legte auf.

„Hast du sie noch alle? Raus hier! ANN!“ Ich rief nach meiner Zofe. Ich meine wie konnte sie diesen Idioten nur in mein Badezimmer lassen?

„Oh, oh.“ , sagte er und wich zurück. Doch gerade als er an der Tür stand und sich umdrehte sah er in Anns wütendes Gesicht.

„Was machen Sie im Badezimmer der Prinzessin, Sir?“, fragte sie mit unterdrückter Wut. „Kommen Sie. Das wird dem König nicht gefallen.“

„Nein. Ann du lässt den König da raus. Ich werde Alec schon zeigen, dass es eine ganz schlechte Idee war in mein Badezimmer einzudringen. Und du sagst nichts zu dem König.“

„Wie Ihr wünscht Prinzessin. Kommen Sie Sir!“ Sie führte Alec aus dem Zimmer. Ich duschte jetzt schnell fertig und hüllte mich in einen Bademantel, der an einem Haken hing. Zähne putzen nicht vergessen...

 

Als ich dann in mein Schlafzimmer ging, saß dort schon Ann und wartete auf mich.„Setz dich Caitlin. Wir fangen mit den Haaren an.“ Also setzte ich mich auf den Friseurtisch, sendete eine SMS an Tristan, in der ich ihn dazu ermutigte sich zu bekennen und ihm sagte, dass ich morgen anrufen würde und ließ Ann machen. Nach einer halben Stunde hatte sie eine aufwendige Hochsteckfrisur kreiert. Zum Schluss steckte sie mir noch schwarze Edelsteine ins Haar. Als ich meine Haare im Spiegel betrachtete seufzte ich entzückt auf. So wollte ich schon immer meine Haare zur Hochzeit haben.

Ich stand auf und zog mir meine Unterwäsche an. Dann brachte mir Ann das Kleid, welches ich auf dem Ball tragen sollte. Sie hatte meinem Wunsch entsprochen und mir ein langes Kleid ausgesucht. Purpurrot (einer Prinzessin entsprechend), lang mit einer nicht langen Schleppe aber mit nur einem kurzem Träger. Sie hatte kein Abendkleid gefunden, dass langärmlig war. Entschuldigend sah sie mich an.

„Nichts schlimm.“ Dann müssen sie mit meinen Narben auskommen.Sie half mir hinein. Ein wenig Ausschnitt genau meinem Geschmack entsprechend. Schwarze, schlichte High Heels. Ein Armband und die schwarze Tumalinkette meiner Mutter, denn ich hatte mich geweigert sie abzulegen. Auch wenn Ann mich händeringend darum gebeten hatte.

„Ist sie dir so wichtig?“, hatte sie gefragt.

„Oh ja. Ich legte sie nicht ab.“ Also hatte sie nachgegeben. Ich meine sie konnte ja nicht meinen Wünschen zuwider handeln oder? Ich war die Prinzessin nicht sie. Ich ging zum Fenster und sah hinaus. Ich konnte von meinem Zimmer aus in den Garten sehen.

„Prinzessin. Wir müssen los.“ Ich wandte mich um und nickte. So schlimm kann es ja nicht sein. Ein bisschen tanzen, mit den Lords und Ladys reden und lächeln. Aber ich würde trotzdem verschwinden so schnell ich konnte. Ich hob den Rock ein wenig hoch um nicht darüber zu stolpern und schon schnalzte Ann missbilligend mit der Zunge.

„Nicht so hoch Prinzessin. Wenn du schon ein langes Kleid trägst darfst du den Rock nicht höher heben als zu dem Ende deiner Hacken am Schuh.“ Ich nickte. Daran würde ich denken.

„Noch ein paar Ratschläge?“

„Beim lächeln nicht zu sehr die Zähne zeigen. Gerade stehen, immer freundlich und höflich bleiben, selbst wenn Ihr die Person nicht mögt mit der Ihr sprecht. Und keine Jugendsprache. Benutzt Euren umfangreichen Wortschatz und kommt intelligent rüber. Und Kopf immer gerade halten.“ Sie hob meinen Kopf an und nickte.

„In Ordnung. Ich werde daran denken wenn ich im Ballsaal stehe.“ Sie nickte und öffnete die Tür. „Brauche ich keine Krone oder ein Diadem?“

„Ihr werdet eins auf der Zeremonie aufgesetzt bekommen.“

„ZEREMONIE?“, rief ich ängstlich aus. „Wieso weiß ich nichts davon?“

„Das hatte ich vergessen dir zu erzählen. Mach genau das was Prinz James dir sagt, wenn du dort vor dem König stehst und die königliche Weihe bekommst. Ja?“ Ich brachte es zu Stande zu nicken. „Und jetzt viel Glück. Du schaffst das! Und vergiss nicht zu lächeln.“ Ich versuchte es und brachte aber nur eine Grimasse zu Stande.

„Denk an irgendetwas lustiges. Dann klappt das.“ Und ich dachte an etwas lustiges. Sofort waren meine Ängste verschwunden und ein zahnloses Lächeln erschien in meinem Gesicht. (Also ich hatte mir jetzt nicht meine Zähne ausgeschlagen wenn ihr das denkt. Ich dachte nur an den Ratschlag von Ann und zeigte nicht meine Zähne.)

„Gut so.“ Sie nickte den Wachen zu und der öffnete die Tür um hineinzuschlüpfen. Nach ein paar Sekunden kam er wieder heraus und nickte.

„Sie sind bereit für Eure Ankunft Prinzessin. Viel Glück.“

„Ich danke Ihnen.“

Bleib auf der Empore stehen bis der Herold deinen Namen genannt hat und der Applaus vorbei ist.“, wies mich mein Bruder an.

Der Wächter öffnete die Tür und ich trat auf die Empore auf der ich wie befohlen stehen blieb und auf die Leute unter mir sah. 'Lächeln', ermahnte ich mich selbst. Wir waren nicht im Ballsaal. Nein, ich stand im Thronsaal.

„Prinzessin Caitlin Sophie von England.“, verkündete der Herold und ein Trompetenstoß erklang. Alle Blicke waren nach oben gerichtet und ich lächelte ihnen freundlich entgegen. Sie fingen an zu klatschen und jubeln.

Du gehst jetzt langsam die Treppe hinunter und den roten Teppich entlang bis du am Fuß der kleinen Bühne bist auf der die vier Throne stehen. Dort machst du einen tiefen Knicks und wartest bis Vater dich aufhebt. Dann sprichst du deinen Schwur. Du solltest dir einen guten ausdenken.“ Das sollte zu schaffen sein. Ein Schwur ist doch einfach.

Wieso vier Throne?“, wollte ich wissen, doch James antwortete nicht. Also schritt ich langsam mit hoch erhobenem Kopf die Treppe hinunter. Das Kleid wie es sich gehörte nur bis zum Ende meiner High Heels Hacke angehoben. Unten angekommen ließ ich das Kleid los und schritt elegant auf die Throne zu. Und das obwohl ich wusste, dass alle Blicke auf mich gerichtet waren. Kurz davor blieb ich stehen und machte einen tiefen Knicks und blieb in meiner Position. Ich spürte die Präsenz meines Vaters genau vor mir.

„Erhebe dich meine Tochter.“ Erleichtert kam ich wieder auf die Füße, sah meinem Vater nur kurz in die Augen und lächelte.

„Heute trittst du vor mich nach langer Zeit, wo wir noch nicht einmal wussten, dass es dich gibt, und wirst deinen rechtmäßigen Platz als Prinzessin dieses Reiches einnehmen. Du wirst die Vampire in unserem geliebten England schützen und Freunde in unsere Familie bringen. Sei uns willkommen Tochter.“ Eine Pause trat ein und ich wusste instinktiv was ich jetzt zu sagen hatte.

„Ich danke Euch Vater. Ich werde alles tun um unser Volk zu schützen und ihm eine gute Prinzessin zu sein. Ich werde das Volk notfalls mit meinem Leben beschützen. So lange ich lebe.“

„Wohl gesprochen Tochter. Doch bist du bereit es zu schwören auf die Asche des ersten Vampirkönigs, der bei der Verteidigung des Schlosses gegen die Strigoi fiel?“ Er wies auf ein reich verziertes schwarzes Kästchen. Goldene Schnörkel verzierten das Kästchen.

„Ich bin bereit.“, sagte ich mit fester Stimme.

Das hoffe ich auch für dich, denn du wirst sterben wenn du auf das Kästchen schwörst ohne, dass du deinen Schwur ernst meinst.“, flüsterte James unbehaglich. Danke! Das machte mich jetzt gar nicht nervös oder so! Ich wette mein geliebter Bruder musste nichts schwören...

 

Mein Vater führte mich zu dem Kästchen und legte meine Hand darauf. Fast sofort erwachten die Schnörkel zum Leben und fesselten meine Hand an das Kästchen. Mein Instinkt wollte, dass ich floh, doch ich widerstand dem Gefühl und zuckte nicht einmal mit der Wimper.

„Wiederhole deinen Schwur meine Tochter. Wir werden sehen ob du würdig bist das Amt einer Prinzessin dieses Reiches zu bekleiden.“

„Ich schwöre, dass ich alles tun werde um unser Volk zu schützen und ihm eine gute Prinzessin zu sein. Ich werde das Volk mit meinem Leben beschützen. Notfalls mit meinem Leben. So lange ich lebe.“, schwor ich mit fester Stimme. Am meisten überraschte es mich, dass ich diesen Schwur auch wirklich ernst meinte. Ich würde mein Leben freiwillig opfern um die Leben eines anderen Vampirs zu retten.

Alle im Saal hielten die Luft an. Ich konnte es hören. Alle starrten wie gebannt auf die Schnörkel, die meine Hand fesselten. Diese fingen an sich zu bewegen und meinen Arm hoch zu kriechen.

Auf der Höhe meines Nackens machten sie halt und ich spürte es dort kribbeln. Es tat nicht weh, aber es war ein wenig unangenehm. Es fühlte sich so an als würde dort eine Schlange hocken und mit ihrer Zunge über meinen Nacken streichen. Dann krochen sie wieder hinunter und legten sich wieder auf das Kästchen wo sie erstarrten.

„Dreh dich mit dem Rücken zu mir meine Tochter.“, bat der König. Irrte ich mich oder klang seine Stimme belegt? Ich befolgte natürlich seiner Anweisung und spürte kurz darauf seine Finger an meinem Nacken. Dann scholl seine Stimme durch den ganzen Saal und ich zuckte leicht zusammen. „Unser Uhrahn hat die Prinzessin gezeichnet. Als ''Principem et protector''. Unsere ''Prinzessin und unserer Beschützerin''.“ Tosender Jubel stieg auf. Ich entspannte mich. Ich würde also nicht sterben. Danke für diese Gnade.

Knie dich nieder.“, flüstere James in meinen Gedanken. Gehorsam ging ich auf die Knie. Raphael strahlte und gab James ein Zeichen. Dieser trat mit einem Diadem auf einem Kissen auf uns zu.

„Hiermit ernenne ich dich zur Prinzessin des Reiches.“ Er setzte mir die Krone auf den Kopf und trat zurück. „Erhebt Euch Prinzessin Caitlin Sophie Dupont, Prinzessin von England zweite in der Thronfolge.“ Ich erhob mich und Raphael gab mir einen Kuss auf die Stirn. Er drehte mich zu den Vampiren um und ich sah ihnen zu wie sie jubelten und klatschten. Auch wenn ich eigentlich niemals Prinzessin über Vampire werden wollte, gefiel mir die Rolle, die ich bekommen hatte.

 

„Und nun lasst uns feiern. Tanzen, lachen und musizieren bis der Morgen graut.“ Bis der Morgen graut? Oh man. Wieso eigentlich immer ich? Aber ich lächelte. So wie es sich für eine Prinzessin gehörte.

Raphael nahm meine Hand und schritt mit mir an seiner Seite durch die Tür, die zum Ballsaal führte. Die Musiker nahmen gerade ihre Instrumente auf. Der König, mein Vater, gab ihnen ein Zeichen und sie fingen an zu spielen. Ein Wiener Walzer. Und echt lustig sie spielten Fluch der Karibik.

„Der erste Tanz gehört eigentlich immer dem König und seiner Königin. Aber da meine Frau tot ist und wir bis vor kurzem keine Frau im Haus hatten, begann der oberste Lord im Reich den ersten Tanz. Aber nun haben wir dich und beginnen mit etwas einfachen.“, flüsterte Raphael mir zu. Er verneigte sich und ich machte einen Knicks. Dann nahm er meine Hand und legte seine andere unter mein Schulterblatt. Ich legte meine linke auf seine Schulter und wir begannen uns im Kreis zu drehen. Er wirbelte mich mit so einer Genauigkeit und so einem Elan durch die Gegend, dass ich leise kicherte.

„Ihr seid ein wirklich guter Tänzer mein König.“

„Ich danke Euch Prinzessin. Ihr tanzt ebenfalls bezaubernd wenn ich das sagen darf.“

„Ich danke Euch.“ Wir beendeten den Tanz und ich machte einen Knicks. Doch gerade als ich von der Tanzfläche verschwinden wollte, hielt mich jemand am Arm fest. Ich sah vom Arm nach oben und sah meinem Bruder abwartend an.

„Ist was?“, fragte ich leise.

„Darf ich um diesen Tanz bitten liebste Schwester?“, fragte James lächelnd.

„Gerne doch Bruder.“ Also ging der nächste Tanz an James. Wieder ein Walzer. „Tanzt ihr nichts anderes als Walzer?“, fragte ich meinen Bruder als wir zusammen mit Alec an der Seite standen uns unterhielten. Lords und Ladys waren auf der Tanzfläche und tanzten ausgelassen.

„Natürlich nicht Prinzessin. Wir tanzen auch andere Tänze. Tango, Cha cha cha, Salsa...“, antwortete Alec ungewohnt höflich. Er sah mich bei der Antwort nur kurz an. Das wollte ich ihm auch geraten haben! Dieser kleine Spanner!

„Gut. Könnt Ihr den Paso Doble, Sir?“, fragte ich süßlich.

„Was denkt Ihr von mir Prinzessin? Natürlich!“

„Nun gut. Dann möchte ich Euch bitten mich bei diesem Tanz zu führen!“

„Sehr gern. Lasst mich nur kurz mit den Musikanten sprechen.“ Er verschwand in der Menge und kehrte nach drei Minuten zurück. Die Musiker beendeten den Tanz und der König bat die Tänzer von der Tanzfläche. Diese taten natürlich was ihr König von ihnen wollten und Alec führte mich auf die Tanzfläche.

„Seid Ihr wirklich sicher, dass...“

„Ja. Bin ich. Und jetzt... Ich hoffe Ihr macht mir keine Schande. Beim Tanzen ist es wichtig, dass der Mann gut führt.“

„Ich denke, dass ich gut führen kann Prinzessin.“ Er ließ mich los und ich machte einen kleinen Knicks. Er nahm meinen Arm und nickte den Musikern zu. Kaum hörte ich die Musik, wirbelte Alec mich schon herum. Drehungen, kurze Hebelfiguren... Alles ohne irgendeine Absprache. Es war so als wüsste mein Körper automatisch was Alec von mir wollte. Auch wenn wir uns immer nur kurz in die Augen sahen, spürte ich wie die Musik und der Tanz mich auflockerte. Ich drehte mich mehrmals unter seinem Arm hindurch und landete dann liegend in seinen Armen. Gerade als die Musik stoppte.

Ich sah in Alec Augen und hörte seinen schnellen Atem, fühlte sein rasendes Herz. Wir waren nicht allein im Raum und doch fühlte es sich so an. Doch dann brach Alec den Blickkontakt ab und brachte mich wieder in eine Aufrechte Haltung. Plötzlich hörte ich den Applaus und den Jubel. Er nahm meinen Arm und brachte mich wieder zu meinem Bruder.

„Es tut mir leid.“, sagte er noch, bevor er in der Menge verschwand.

„Was ist denn los? Ich dachte ihr hättet euch zusammengerauft...“, sagte James verwirrt und sah seinem Freund hinterher.

„Ja. Das dachte ich auch...“, sagte ich und sah meinen Bruder an. „Wäre es schlimm wenn ich kurz nach draußen gehen würde?“

„Nein. Aber allein?“

„Ich bleibe auf dem Balkon. Ich verspreche es.“

„Ich bleibe in der Nähe. Ich werde Euch nicht stören Prinzessin. Aber...“, sagte Dimitri der leise hinter mich getreten war.

„Ja ich weiß Wächter Petrov. Es ist gefährlich.“, seufzte ich und wandte mich ab um zum Balkon zu gehen.

 

Draußen an der frischen Luft atmete ich tief durch. Ich hatte gar nicht gemerkt wie stickig es drinnen im Saal war. Es war eine klare Nacht. Die Sterne funkelten und der Mond warf ein leichtes Licht auf die Erde. Dank meiner neuen Vampirkräfte erkannte ich alles in meiner Umgebung.

Als ich meinen Blick über das Gelände des weitläufigen Gartens wandern ließ, erhaschte ich eine silberne Silhouette. Die Frau winkte mich zu sich.

Erschrocken sah ich mich zu Dimitri um, der in die Gleiche Richtung wie ich sah und die Frau dennoch nicht bemerkte.

„Ich... Ich bin gleich wieder da. Ich stelle mich nur kurz an die Rosenhecke da drüben, ja? Bleib einfach hier stehen.“

„Wie Ihr wünscht Prinzessin.“ Ich lief vorsichtig die Treppe hinunter, die in den Garten führte und ging der Person entgegen. Die Frau trug weite Röcke und ihre schwarzen Haare waren lockig und gingen ihr bis zur Hüfte.

Caitlin. Tochter von Raphael Dupont und Desiree Adams.“, sprach sie.„Die bin ich. Und Ihr seid?“

Ich? Ich bin Königin Elisabeth. Frau von Raphael Dupont.

„Aber... Ihr seid...“, fing ich an, wagte meinen Satz nicht zu beenden.

Tot? Ja. Und doch blieb ich auf der Erde und hoffte auf eine Person zu treffen, die mit der Totengabe gezeichnet ist. Und ich habe dich endlich gefunden.

„Ihr möchtet mir etwas mitteilen? Soll ich es dem König weiter geben?“

Nein. Das was ich dir jetzt erzähle muss ein Geheimnis bleiben. Kannst du Geheimnisse wahren Caitlin?

„Natürlich kann ich das Majestät.“

Gut. Ich muss dir sagen, dass mein Sohn Mason Dupont nicht tot ist. Er wurde von deinem Onkel, der mein Bruder ist, in sein Schwert verbannt. Erst wenn mein Bruder mit seinem eigenen Schwert erschlägt wird, löst sich der Zauber und Mason wird endlich wieder frei sein!

„Das heißt... Wir müssen jemanden suchen, der meinen Onkel findet und ihm den Kopf abschlägt?“

Nein, nicht irgendjemanden. Jemand, der nah mit ihm verwandt ist. Du, James oder Raphael. Aber da er sich nie zeigt, wird das schwer.

„Er will mich...“, sagte ich langsam. Ein Plan reifte in meinem Kopf.

Du weißt, dass er dich will wegen deiner unglaublichen Kräfte oder?

„Nein. Aber wenn er mich will, könnte ich ihm nahe kommen, ihm irgendwie das Schwert abnehmen und Mason befreien.“

Das ist viel zu gefährlich!

„Aber ich muss es versuchen!“, protestierte ich. „Ich meine erst erzählt Ihr mir, dass er nicht tot ist und einer aus der Familie ihn befreien kann und jetzt wenn ich mich freiwillig melde, wollt Ihr das nicht!“

Ich habe dir nur erzählt, dass Mason noch lebt. Ich wollte nicht, dass du dich in Gefahr begibst.

„Ich werde über eine Lösung nachdenken. Darf ich jemanden einweihen?“

So wenige wie möglich. Pass auf wem du das Geheimnis verrätst. Du hast Freunde wie Feinde am Hof. Und wer auch immer meinem Bruder den Kopf abschlägt, er darf das Schwert nicht aus der Hand nehmen bis das Licht verschwindet.

„Ich werde daran denken.“, versprach ich. Gerade wollte ich Elisabeth was fragen als Alec Stimme erscholl.

„Prinzessin? Was macht Ihr hier allein? Es ist gefährlich. Besonders jetzt wo es dunkel ist!“, sagte er während er mit schnellen Schritten auf mich zu kam.

„Ich verabschiede mich jetzt von Euch Majestät. Wir werden bestimmt noch einmal reden können.“

Ich denke nicht, dass ich das möchte. Würdet Ihr mich zurückschicken Prinzessin? Ich bitte Euch darum.

„Ich werde Eurem Wunsch natürlich entsprechen. Möchtet Ihr mir noch irgendetwas sagen bevor ich Euch zurück schicke?“ Alec stand jetzt neben mir und sah mich ungläubig an. Ich wette er würde mich für verrückt erklären wenn er mein kleines Geheimnis nicht kennen würde.

Sagt Raphael, dass er auf sein Herz hören soll und der Frau, die er liebt seine Liebe gestehen soll. Sie wird anders reagieren als er denkt. Sagt James, dass ich stolz auf ihn bin. Und sagt Alec, dass ich ihn im Schlaf ersticken werde wenn er noch einmal in Eurem Badezimmer auftaucht ohne, dass Ihr ihm die Erlaubnis gebt.“ Ich grinste und Alec sah auf die Stelle wo die Königin stand, sah aber verständlicherweise nichts. „Und Euch gebe ich einen Rat. Achtet auf Eure Gefühle, sie können Euer Untergang sein aber Euch auch sehr viel erleichtern. Viel Glück Prinzessin.

„Ich danke Euch.“ Ich schloss die Augen und holte tief Luft. „Und nun überquert die Brücke. Ihr werdet erwartet!“ Ein starker Wind kam auf und zerrte an mir.

Ich danke Euch Prinzessin.

„Ich danke Euch. Glückliche Reise.“ Sie nickte und war verschwunden. Dann sah ich sie wieder in einer Vision. Sie schritt mit schnellen Schritten über die Brücke und wurde drüben stürmisch von einem jungen Mann in die Arme genommen und geküsst. Dann war sie verschwunden und ich stand Alec gegenüber.

 

Müde rieb ich mir meine Augen. Also das würde ich mir merken Tote zurückschicken gleich Müdigkeit. Verstanden.

Was ich nicht verstand war, dass ich mich irgendwie total an die Rolle der Prinzessin gewöhnt hatte, auch an das Tote sehen. Eigentlich war das nicht so meine Art. Normalerweise wäre ich vollkommen durchgedreht. Aber nein ich blieb vollkommen ruhig und schickte an einem Tag gleich zwei Tote Frauen zurück. Ich wurde ganz sicher verrückt!

„Caitlin. Caitlin! Alles in Ordnung bei dir?“, riss mich Alec Stimme aus den Gedanken.

„Ähm. Ja. Lass uns rein gehen.“ Jetzt wo ich mich nicht mehr unterhielt und ich mich nicht mehr konzentrieren brauchte, merkte ich erst wie kalt es draußen war. Ich wollte mich gerade zum Schloss drehen als ich eine Bewegung am Waldrand wahrnahm. Eine winzige Bewegung und schon erstarrte mein Körper. Angestrengt sah ich an die Stelle wo ich eben noch den Umriss einer Person gesehen hatte, doch sie war verschwunden. Ich sah nur die Bäume, deren Baumkronen sanft im Wind hin und her schaukelten.

„Caitlin?“, sagte Alec. Ich riss meinen Kopf zu ihm herum und sah seinen besorgten Gesichtsausdruck.

„Alles in Ordnung. Ich dachte ich hätte eben jemanden gesehen... Aber ich hab mich wohl geirrt.“ Jetzt war es Alec, der in Richtung Wald starrte. „Schon gut. Wirklich.“

Widerstreben wandte er sich ab und wir gingen gemeinsam zu Dimitri, der uns mit unbeweglichem Gesichtsausdruck entgegen sah.

 

Ohne ein Wort rauschte ich in den Saal. Dort waren die Menschen am Tanzen, doch andere standen an der Seite und unterhielten sich. Gerade als ich rein kam, kam ein junger Mann mit einer Frau als Begleitung auf mich zu.

„Guten Abend Prinzessin. Mein Name ist Lord Albert of Norwich und das ist meine Frau und Gefährtin Lady Alanya von Norwich.“

„Nett Euch kennenzulernen.“, erwiderte ich. Mir fiel auf, dass sie sich nicht verbeugten. Aber da ich wusste, dass das Gebot der Höflichkeit es vorschrieb und ich ihnen zeigen wollte, dass ich über ihnen stand, machte ich einen leichten Knicks. Der Mann war mir schon von der ersten Sekunde unsympathisch. Und seine Frau auch. Sie waren so schmierig und glatt.

„Ich hoffe, dass Ihr Euch schnell an das Leben als Prinzessin gewöhnt Mylady.“, sagte Alanya.

„Das hoffe ich auch.“, sagte ich und lächelte lieblich. „Und nun entschuldigt mich. Mein Vater, der König, ruft mich.“ Das war noch nicht einmal gelogen. Ich hatte sofort beim Eintreten gespürt, dass Raphael mit mir reden wollte.

„Natürlich Prinzessin.“ Ich wandte mich ab und sah den König, der sich mit einer jungen Frau unterhielt. Vielleicht hatte Elisabeth ja diese Frau gemeint als sie sagte, dass Raphael seine Gefühle gestehen sollte. Ich trat auf sie zu und stellte mich unauffällig neben meinen Vater und hielt den Mund.

„Oh. Caitlin. Darf ich dir vorstellen. Lady Saskia. Sie kommt aus Deutschland und wird dich in den höfischen Regeln, der Musik und dem Tanz unterrichten.“

„Nett Euch kennenzulernen Madame.“

„Die Freunde ist ganz auf meiner Seite Prinzessin.“ Sie machte einen Knicks den ich natürlich erwiderte.

„Caitlin. Möchtest du von einem Lehrer im Kampf unterrichtet werden oder von Wächter Petrov?“ Da musste ich nicht lange überlegen: „Wächter Petrov, Vater.“

„Das habe ich mir gedacht.“, sagte mein Vater lächelnd. „Du scheinst wirklich angetan von dem jungen Mann.“

„Vater!“, protestierte ich leise. „Wir kennen uns noch nicht einmal.“ Mein Vater fing an zu lachen.

„Ich wollte mir doch nur einen Spaß mit dir erlauben.“ Auch ich fing leise an zu lachen. „Tanzt du noch einmal mit mir? Ich war sehr beeindruckt von dem Tanz von dir und Alec.“

„Ich danke dir Vater. Gerne.“ Ich gab ihm meine Hand und er zog mich zu den Tanzenden und wir tanzten ausgelassen.

 

Irgendwann setzten wir uns an eine lange Tafel und aßen. Doch ich aß nicht viel. Ich hatte einfach keinen Hunger. Meine Augen brannten und ich wollte ins Bett. Es war zwar erst halb elf und doch konnte ich jeden Moment einschlafen. Das lag vielleicht daran, dass ich heute zwei Frauen ins Totenreich geschickt habe und dies erheblich an meinen Kräften zerrte.

Nach dem Essen fingen die Leute wieder an zu tanzen, doch ich konnte meine Augen kaum offen halten.

Dann plötzlich trat eine ältere Dame auf mich zu. Weiße Haare, Falten im Gesicht. Und dabei dachte ich, Vampire könnten nicht altern.

Sei höflich! Das ist die Älteste Vampirin, die es gibt! Sie hat schon alles mitgemacht. Sie ist weiser als jeder einzelne von uns.

Weißt du eigentlich, dass es mir völlig unmöglich ist nicht höflich zu sein? Ich kenne die Leute hier nicht!“ Die Frau fing an zu sprechen und ich sperrte James aus meinem Kopf aus.

„Guten Abend Prinzessin.“, sagte die Frau.

„Guten Abend. Ich muss mich entschuldigen. Ich kenne Euren Namen nicht Madame.“ Ich machte einen tiefen Knicks. Viel tiefer als vor den anderen Lords und Ladys. Irgendwie kam es mir richtig vor.

„Ich weiß. Wir hatten heute Abend auch noch nicht die Gelegenheit zu reden oder?“

„Nein, Madame.“ Sie sagte mir trotzdem nicht ihren Namen. Sie sah mir aufmerksam in die Augen so als würde sie darin alle meine Geheimnisse lesen.

„Ich sehe dir an, dass es dir nicht wirklich gefällt eine Prinzessin zu sein. Jedenfalls im Moment noch nicht. Und, dass du versuchst dich an dein neues Leben zu gewöhnen, aber du willst nicht dein altes Leben dafür aufgeben. Und du hattest Probleme, die dich zu den Narben an deinen Handgelenken gebracht haben. Du hoffst, dass es jetzt besser wird. Obwohl du viele persönliche Angriffe erleben musstest, denkst du nie an Rache. Du hast ein reines Herz Kind.“ Ich wusste nichts dazu zu sagen. Und das hat sie erkannt indem sie mich einfach nur angesehen hat? Und sie hat sofort die Narben gesehen. „Du bist jetzt sprachlos. Nicht wahr Kind?“

„Ja, Madame. Woher wisst ihr das alles?“

Es war leise im Saal. Die Musikanten hatten aufgehört zu spielen, die Leute aufgehört zu tanzen oder sich zu unterhalten und alle sahen zu uns. Unwohl drehte ich meine Hände so, dass sie meine Unterseite der Arme nicht sahen.

„Du brauchst sie nicht verstecken Kind. Sie sind ein Teil von dir. Ein sehr wichtiger Teil, denn sie werden dich immer daran erinnern. Und auch dein Tattoo ist etwas was du nicht verstecken brauchst.“ Und ab da wurde ich rot. Woher verdammt wusste die Frau davon? Sie hatte bestimmt einen Röntgenblick, denn das Tattoo wurde durch mein Kleid versteckt.

„Madame. Bei allem Respekt, aber denkt Ihr nicht, dass dies ein wenig zu viele Informationen über mich waren? Ich habe meine Gründe diese Dinge geheim zu halten. Und Ihr habt kein Recht diese Geheimnisse anderen zu erzählen. Selbst wenn es eigentlich nur an mich gerichtet war, haben doch alle mitbekommen was Ihr gesagt habt. Und das ist etwas, was ich nicht schätze.“ Ich hatte leise gesprochen aber scharf und alle hatten es mitbekommen.

Ich hörte leises Raunen und erschrockenes auf keuchen. Ich wandte mich ab und wollte den Raum verlassen, doch als ich ein leises Lachen hörte, drehte ich mich abrupt wieder um.

Die alte Dame stand an der gleichen Stelle, doch anstatt des ernsten Gesichtsausdruckes, den ich erwartet hatte, sah ich sie lachen. Das fand sie also lustig? Ja, ich lachte ich kaputt. „Ich freue mich Madame, dass Ihr mich so erheiternd findet.“

„Ach Kind. Ihr seid die erste, die es wagt so mit mir zu reden. Alle anderen trauen sich das nicht aus Angst vor meiner Rache. Ja, die Gabe des Tötens kann schon ein Fluch sein.“ Ich wollte gar nicht wissen was genau das war. Das merkte die Frau wohl, denn sie lächelte verständnisvoll. „Und Eure Gabe muss Euch nicht gruselig sein. Ihr seid die Richtige für diese schwere Gabe. Achtet darauf, dass Ihr das Richtige damit macht.“

„Das werde ich.“ Ich machte einen Knicks vor der alten Dame. „Ich werde mich jetzt zurückziehen Vater. Ich bin müde.

Mach das Kind.“ Ich wandte mich ab und verließ den Saal. Müde suchte ich meinen Weg durch das Gebäude und fand dann auch endlich mein Zimmer. Müde wie ich war, zog ich mir noch nicht einmal mein Kleid aus, sondern ließ mich auf mein Bett fallen. Kurz darauf war ich eingeschlafen.

 

 

Kapitel 8

Mut ist nicht die Abwesenheit der Angst, sondern die Erkenntnis, dass es etwas gibt, das wichtiger ist als die Angst.

(Ambrose Redmoon)

 

 

 

Stöhnend drehte ich mich auf die andere Seite und legte meinen Kopf auf ein schön weiches und sehr menschlich anfühlendes Kissen. Aber war das normal, dass es sich bewegte? Erschrocken hob ich meinen Kopf und riss meine Augen auf. Grüne Augen sahen mir schelmisch entgegen.

„Was machst du in meinem Bett?“, schrie ich panisch.

„Die Frage ist doch wohl eher: Was machst du in meinem Bett?“ Der junge Mann lächelte mich charmant an. Ein Lächeln was jedes Mädchen zum schmelzen brachte. Aber ich blieb dem Gegenüber immun.

„Wieso dein Bett?“

„Sieh dich doch mal um! Du bist in meinem Zimmer und liegst in meinem Bett.“ Als ich mich umsah, erkannte ich, dass er Recht hatte. Ich hatte wohl gestern die falsche Tür genommen. Mein Kopf lief rot an.

„Tut mir leid.“, flüsterte ich.

„Was hast du gesagt? Ich habe dich nicht verstanden.“ Wütend sah ich den grinsenden Macho an, der neben mir im Bett lag an und ballte meine Hände zur Faust.

„Es. Tut. Mir. Leid!“, sagte ich klar um deutlich.

„Schon gut ich fand es wirklich angenehm mit dir in einem Bett zu liegen. Auch wenn nicht mehr drin war als kuscheln.“ Wieder grinste er so blöd. Konnte der Typ nichts anderes?

„Schön, dass es dir gefallen hat! Ich hoffe du hast ein gutes Gedächtnis, denn es ist das letzte Mal.“

„Das denkst du!“, konterte er anzüglich.

„Bleib mal deiner Freundin treu.“, riet ich ihm und stand auf. Jedenfalls war das mein Plan. Aber dieses Arschloch zog mich wieder zu sich kaum hatte ich mich hingesetzt.

„Was ist wenn ich meiner Freundin nicht treu bin?“, flüsterte er rau und ich musste schlucken.

„Tja. Dann wird sie versuchen dich umzubringen. Obwohl ich nicht glaube, dass sie eine Chance gegen deine Vampirkräfte hat.“ Ich sah auf seine Hand, die mich festhielt. „Lässt du mich jetzt mal bitte los?“

„Was wenn nicht?“

„Dann...“ Weiter kam ich nicht, denn seine Lippen pressten sich auf meine. Und ich machte mit. Nicht, weil es mir gefiel, dass er mir meinen ersten Kuss stahl, sondern, weil ich einen Plan hatte. Als er sich von mir löste atmeten wir beide stark. Er grinste. Was sonst?!? Und sein Blick war verschleiert und ich konnte seine Begierde in seinen Augen sehen. Oha. So stark wollte er mich vögeln? Tja. Da würden eher Schweine fliegen lernen als das passieren würde!

„Hat es dir gefallen?“, fragte ich süßlich. Zu süßlich. Jeder der mich kannte, wusste, dass ich kurz vorm explodieren war.

„Ja. Sehr. Auch wenn du dich besser mit einbringen könntest.“

„Gut. Da du ja jetzt deinen Spaß hattest...“

Klatsch! Meine Hand traf mit voller Wucht seine Wange. Mit einem Schmerzenslaut wich er zurück und funkelte mich wütend mit seinen atemberaubenden, grünen Augen an. Doch ich bleib kalt, denn meine Wut, brachte meine Augen wieder zum Glühen. Ich erkannte meine eigene Stimme nicht mehr als ich sagte: „An deiner Stelle würde ich das nicht noch einmal versuchen.“ Meine Stimme war nur ein leises Knurren. Ich riss meine Hand aus seiner, stand auf, hob meine Schuhe vom Boden auf und ging zu Tür. Dort drehte ich mich noch einmal um, weil ich mich an gestern Abend erinnerte und sagte leise: „Ach ja bevor ich es vergesse. Königin Elisabeth bat mich Euch auszurichten, dass sie Euch umbringen wird, wenn Ihr noch einmal ohne meine Erlaubnis mein Badezimmer betretet oder mir in irgend einer Weise unschicklich zu nahe kommt. Sie mag zwar im Totenreich sein, doch ich kann sie auch zurück holen wenn ich will.“ Seine erschrockene Miene brachte mir Genugtuung. „Schönen Tag noch Sir.“

Ich öffnete die Tür, spähte den Gang entlang ob auch niemand da war und huschte in mein Zimmer. Dort wartete zum Glück niemand auf mich. Wäre auch ein wenig peinlich gewesen wenn mein Vater auf mich gewartet hätte und mich ausgefragt hätte.

Ich ging duschen und zog mir ein Top und eine Jeans an. Dann setzte ich mich an meinen Schreibtisch in meinem Arbeitszimmer und machte meine Hausaufgaben. Irgendwann musste man die ja machen. Und warum dann nicht jetzt wo man seine Ruhe hatte?

 

Als ich nach ungefähr eineinhalb Stunden fertig war, nahm ich mir mein Handy und rief Tristan an.

„Ja?“. Fragte ein verschlafener Tristan am Telefon.

„Hey Süßer!“, trällerte ich.

„Cat! Du weißt schon wie spät es ist oder?“, fragte er und ich warf einen Blick auf meine Uhr, die an der braunen Wand hing.

„Klar. Es ist halb eins.“

„Was? So spät?“ Ich hörte es rascheln als sich mein bester Freund aufsetzte.

„Habt ihr noch so lange geredet gestern?“

„Ja. Bis vier oder so.“

„Sie haben es also gut aufgenommen?“, wollte ich wissen.

„Ja. D hattest Recht. Sie sind gerade zu vor Freude explodiert. Sie wollen mich jetzt mit Derrick Johnson verkuppeln.“

„Derrick Johnson?“, murmelte ich. Der Name kam mir bekannt vor, doch ich konnte ihm kein Gesicht zuordnen.

„Ja. Eine Klasse über uns. Kapitän des Basketballteams. Schwul. Hat sich vor kurzem geoutet als ihm der Mädchenanlauf zu viel wurde.“

„Ach der! Er sieht wirklich gut aus.“

„Aber geschwärmt hast du nicht für ihn. Nie.“ Es war eine Feststellung, keine Frage.

„Nein. Für niemanden mehr seit... Du weißt schon.“

„Nicht jeder ist so wie Max. Du solltest mal lernen Jungs wieder zu vertrauen.“

„Ich vertraue Jungs doch!“, protestierte ich.

„Ach ja? Wem denn alles?“

„Dir, James, Daniel... meinem Vater und.... Dimitri.“, fügte ich nach kurzem Zögern hinzu.

„Ich bin schwul, James dein Bruder, Daniel dein Ziehvater, Mister Dupont dein Vater und Dimitri... Wer ist Dimitri?“

„Dimitri ist ein Freund von James. Der aus der Schule.“, antwortete ich bereitwillig.

„Ach ja der. Wie alt ist der denn?“

„20.“

„Vier Jahre unterschied?“ Skepsis klang aus seiner Stimme.

„Er ist genauso ein Kumpel von mir wie du! Ich hatte nicht vor etwas mit ihm anzufangen.“

„Das hoffe ich auch für dich.“, sagte er und lachte. „Obwohl... Nein eigentlich doch nicht. Ich bin froh wenn du glücklich bist. Hauptsache du verliebst dich nicht wieder in einen Idioten wie Max.“

„Hoffe ich auch.“

 

In diesem Moment klopfte es an meiner Zimmertür. Ich rief: „Herein wenn du nicht Alec bist! Ich bin im Arbeitszimmer!“

„Herein? Arbeitszimmer? Ihr habt doch gar kein Arbeitszimmer.“

„Es hat an meine Tür geklopft.“ Auf seinen zweiten Kommentar antwortete ich nicht. Was sollte ich ihm auch sagen? Ich bin zu meinem Vater in sein Schloss gezogen? Nachdenklich wanderte meine Hand zu dem eingravierten Tattoo auf meinem Nacken. 'Principem et protector.' Was auch immer das bedeuten sollte.„Achso.“

Dimitri steckte zögernd seinen Kopf ins Zimmer.

„Caitlin? Dein Training steht an.“, sagte mein Wächter.

„Alles klar. Dimitri. Muss ich mich umziehen?“ Nachdenklich ließ er seinen Blick über meine Klamotten gleiten.

„Nein. Du sollst ja lernen dich zu verteidigen wenn du deine normalen Sachen angezogen hast. Also ist es gut so.“

„Gut. Ich bin sofort bei dir.“, sagte ich und wandte mich dann wieder an meinen besten Freund, der noch am Handy hing und nichts sagte. „Ich muss auflegen. Bis morgen dann!“

„Warte! Training?“, fragte er schnell.

„Ja. Dimitri will mir beibringen wie ich mich richtig verteidigen kann.“ Das war ja noch nicht einmal gelogen.

„Wirklich? Das ist doch gut! Dann brauchst du dich nicht mehr zu fürchten wenn du Nachts alleine rum läufst. Was du ja immer noch machst auch wenn wir dir andauernd sagen, dass das gefährlich ist!“

„Ja. Stimmt wohl.“ Außerdem würde ich mich sicherer fühlen wenn ich dann meinem Onkel irgendwann einmal gegenüber stehen würde.

„Dimitri hört sich nett an. Machen wir mal was mit ihm?“

„Klar. Mach dir aber keine Hoffnungen!“, mahnte ich.

„Nein. Ich glaub auch nicht, dass er schwul ist.“

„Ich muss jetzt wirklich auflegen. Sorry wir sehen uns morgen. Hab dich lieb!“

„Ich dich auch! Viel Spaß!“ Es klickte und die Leitung war tot.

 

Seufzend stand ich auf und streckte mich. Dimitri stand immer noch an der selben Stelle. Ich lächelte ihm zu und kam ihm entgegen.

„Meinetwegen kann es losgehen.“ Er nickte knapp und ging vor.

„Heute werden wir uns nur um deine Balance und deine Ausdauer kümmern. Das ist das wichtigste im Moment.“

„Wieso denn? Ich meine ist es nicht wichtiger, dass ich weiß wie man richtig kämpft?“

„Ja, schon aber wir wollen dir beibringen schnell weglaufen zu können und nicht nach kurzer Zeit vor Erschöpfung umzukippen.“

„Weglaufen? Wieso weglaufen? Das bringt mir doch gar nichts wenn ich meinem Onkel entgegentreten muss!“

„Wir werden uns um deine Kondition kümmern, weil du vor den Strigoi weglaufen sollst! Und wenn du Glück hast wirst du deinem Onkel niemals entgegentreten müssen.“

„Aber...“

„Wirst du bitte tun was ich dir sage? Ohne wenn und aber?“ Ergeben nickte ich und wir betraten einen Sandplatz, der hinter dem Schloss lag. Überall waren die verschiedenste Geräte aufgebaut. Manche waren mir entfernt bekannt und andere waren mir völlig fremd. Balken, Böcke, Seile zum Balancieren... Dimitri stellte sich vor mich und sah mich ernst an.

„So Prinzessin. Zum aufwärmen läufst du 7 Runden um den Platz.“ Ergeben fing ich an meine Runden zu laufen. Dank dem Langlauffimmel meiner Lehrerin, wusste ich meine Kräfte gut einzuteilen und stand nach den Runden kaum außer Atem wieder vor Dimitri.

„Jetzt werde ich dir zeigen wie du den Parcours durchlaufen sollst. Pass gut auf ich mach es dir kein zweites Mal vor.“ Elegant nahm er Anlauf, sprang über den Bock, tauchte unter Ästen hindurch, sprang über einen Fluss, Balancierte auf den Seilen, kletterte Mauern hinauf und sprang sie wieder runter und machte am einen Salto am Ende des Parcours. Er machte wirklich eine gute Figur dabei...

Mit Skeptischen Blick betrachtete ich die Hindernisse vor mir. So wie Dimitri das machte, würde ich das bestimmt nicht hinbekommen. Nicht so flüssig und schnell.

„So und jetzt du. Beim ersten Mal zum ausprobieren. Beim zweiten Mal werde ich kleine Schwierigkeiten einbauen.“

„Na danke.“, seufzte ich. Ich schätze die Abstände ein und brachte den Parcours hinter mich. Springen, abtauchen, abrollen... Doch am Salto angekommen blieb ich stehen. Zum einen, weil ich mich fragte wieso ich bei meiner Flucht Saltos machen sollte, zum anderen, weil ich Angst hatte. Ein Bild von einer Cheerleaderin blitzte vor meinem Augen auf. Es war ein Rugbyspiel gewesen. Die ganze Schule war anwesend. Die Cheerleader durchliefen gerade ihre Choreographie und das Mädchen sollte einen Vorwärtssalto machen. Sie schaffte es auch fast, doch sie kam falsch auf und brach sich die Knochen. Die Folge aus diesen Brüchen war ein Leben im Rollstuhl.

„Caitlin!“, scholl Dimitri's Stimme zu mir. „Wieso hast du gestoppt?“ Er erwartete eine Antwort, doch ich gab ihm keine. Meine Sinne waren auf eine Szene am Hintertor fixiert. Eine dunkel gekleidete Gestalt erregte meine Aufmerksamkeit. Sie stand am Tor und diskutierte mit den Wachen davor.

„Dimitri. Da.“, sagte ich leise und unterbrach Dimitri damit, der einen Vortrag darüber hielt, dass ich keine Angst vor dem Salto zu haben brauche. Ich wies auf die Person am Tor. Mit Leichtigkeit sprang ich von dem hohen Kasten und ging mit festen Schritten auf das Tor zu. Dimitri hinter mir wie ein Schatten. Eine Hand an seinem Gürtel. Einsatzbereit mein Leben mit seinem zu verteidigen. Meine innere Stimme warnte mich davor zu dem Mann zu gehen, denn sie hatte ein schlechtes Gefühl bei ihm, doch wie so oft hörte ich nicht auf sie. Und das würde ich später bereuen.

„Was ist hier los?“, fragte ich als wir das Tor erreichten und ließ den Fremden dabei nicht aus den Augen.

„Prinzessin“, sagte der linke Wachmann und verbeugte sich vor mir. Er war circa 45 Jahre alt, jedenfalls sah er so aus, hatte braune Haare und schwarze Augen. „Ihr braucht Euch nicht über so eine Lappalie den Kopf zerbrechen.“

„Ich würde mir aber gerne den Kopf darüber zerbrechen Sir.“, sagte ich leise aber scharf. „Ich frage Euch jetzt noch einmal. Was ist passiert?“

„Dieser Mann hat angeblich ein Geschenk für Euch, doch als wir ihn baten es uns zu geben und es zu Euch zu bringen, wollte er es uns nicht geben und meinte, dass er es Euch persönlich übergeben soll.“ Ich wandte mich an den alten Mann. Graue Haare, Falten, graue Augen. Er schien nicht gefährlich zu sein, doch das machte die Bösewichte so gefährlich.

„Ist das wahr Sir?“, fragte ich ihn.

„Ja Madame.“ Hinter mir hörte ich Dimitri fauchen: „Sprich sie gefälligst mit ihrem richtigen Titel an!“

„Schon gut.“ Ich hob die Hand. „Würden Sie mir das Geschenk geben Sir?“ Der fremde Mann lächelte leicht und reichte mir ein kleines Päckchen. Es war nicht schwer und an mich adressiert. Das komisch war, dass keiner von meinen Verwandten wusste, dass ich umgezogen war und auch keinen Boten senden würden wenn sie es wüssten. Und von den anderen Untertanen meines Vaters konnte ich mir auch nicht denken, dass sie mir Geschenke machen würden.

„Ich danke Ihnen Sir.“

„Sehr gern Prinzessin.“, sagte der alte Mann. „Ich werde jetzt gehen.“ Ich nickte knapp und wandte mich ab.

„Wächter Petrov? Ich werde das Training wohl abbrechen müssen. Es tut mir leid.“

„Wie Ihr wünscht Prinzessin. Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen. Dürfte ich Euch zu Eurem Zimmer begleiten?“

„Gerne.“, murmelte ich abwesend und drehte das Päckchen nachdenklich in den Händen.

 

Wir gingen durch das Schloss und kamen bald bei meinem Zimmer an. Dort setzte ich mich auf einen Stuhl und riss das Papier auf. Mir fielen ein Brief und eine DVD in die Hände. Als ich das Wappen sah, fingen meine Hände plötzlich an zu zittern.

„Was für ein Wappen hat mein Onkel?“, fragte ich einer plötzlichen Eingebung folgend und hoffte, dass ich falsch lag.

„Es ist zweigeteilt. Ein grüner Hintergrund, ein silbernes Einhorn und ein Ahornblatt. Wieso?“, antwortete Dimitri.

„Würdest du bitte meinen Vater, meinen Bruder und auch Alec hier her bringen? Ich habe Post von meinem Onkel.“ Meine Stimme zitterte und ich verfluchte mich dafür. Ich spürte einen Luftzug und als ich den Kopf hob, war Dimitri verschwunden.

Schnell las ich mir den Brief durch.

 

Guten Tag meine geliebte Nichte,

es ist schön zu sehen, dass du deine Abschirmung zu perfekt beherrscht. Auch wenn ich dann mehr Anstrengungen unternehmen muss um mit dir in Kontakt zu treten. Du kannst also Stolz darauf sein, dass ich mich so sehr für dich interessiere. Und wie bedankst du dich? Du meldest dich nicht mehr bei mir.

Da du ja nicht freiwillig zu mir kommen willst, muss ich wohl ein wenig nachhelfen. Dafür habe ich dir die DVD geschickt. Viel Spaß damit.

 

Mit ergebenen Wünschen

Lord Salomon of Northumberland

 

PS: An deiner Stelle würde ich mich beeilen geliebte Nichte.

 

Meine zitternden Hände griffen automatisch nach der DVD. Hektisch schon ich sie in den DVD Player und schaltete den Fernseher an. Gerade als ich auf Play drücken wollte, ging meine Tür auf und mein Vater betrat mit besorgter Miene den Raum. Dicht gefolgt von meinem Bruder, Dimitri und Alec, der sich im Hintergrund aufhielt. Doch das nahm ich nur am Rande wahr.

„Was ist passiert?“, fragte mein Vater. Wortlos hielt ich ihm den Brief hin, den er an James weiterreichte, der ihn zusammen mit Alec und Dimitri durchlas. Ungeduldig wartete ich bis sie fertig gelesen hatten und fragte dann mit der Fernbedienung wedelnd: „Darf ich jetzt?“

„Natürlich!“ James setzte sich an meine Seite und ich griff nach seiner Hand. Raphael stellte sich hinter mich und legte seine Hände auf meine Schultern. Dimitri und Alec standen im Hintergrund, sahen aber gebannt zu dem Fernseher. Tief durchatmend drückte ich Play.

Ein schwarz gelockter, etwas älterer Mann mit grauen Augen trat in den Bildschirm. Er grinste und winkte.

„Guten Tag geliebte Nichte. Wie du wohl unschwer erkannt hast bin ich dein Onkel Salomon. Ich bin wirklich enttäuscht, dass du mich nicht besuchen möchtest.“ Er seufzte. „Daher werde ich dich wohl dazu zwingen müssen. Ich habe etwas für dich, dass dich bestimmt schnell zu mir bringt.“ Er öffnete die Tür hinter seinem Rücken und betrat den spärlich beleuchteten Raum. Die Kamera schwenkte auf drei am Boden liegenden Personen.

„Steht auf!“, erklang kalt die Stimme meines Onkels aus dem Off. Mühsam standen die Personen auf und ich sah ihre Gesichter. Erschrocken keuchte ich auf. 'Das kann nicht sein!', schoss es durch meinen Kopf. Ich hatte vor einer dreiviertel Stunde noch mit Tristan telefoniert! Doch es war ohne Zweifel Tristan. Ich würde ihn unter tausenden wieder erkennen. Auch wenn sein Gesicht blau geschlagen war und eine Platzwunde an seiner Stirn pragte. Langsam wandte ich den Kopf den beiden anderen zu. Die anderen beiden Personen waren Jana und Sarah. Verzweifelt schüttelte ich den Kopf. Das konnte einfach nicht sein! Ich hätte den Kontakt für längere Zeit abbrechen sollen aber ich egoistisches Schwein konnte mich nicht dazu hinreißen. Ich hatte mir doch geschoren sie aus dieser Sache herauszuhalten! Und was war jetzt? Die drei waren in irgendeinem Keller eingesperrt und wurden dabei noch misshandelt!

„Du erkennst sie doch oder?“ Mein Onkel trat wieder in den Bildschirm und stellte sich vor meine Freunde. „Ich muss leider zugeben, dass sie sich sehr gut gewehrt haben, doch gegen meine Krieger konnten sie nichts ausrichten. Deswegen die Kratzer und blauen Flecken. Aber das wird verheilen.“ Er sah höhnisch lächelnd in den Bildschirm. Eine Bewegung von Tristan weckte meine Aufmerksamkeit. „Wenn du sie retten willst, hebe deine Mauer auf und ich sage dir wo du hin musst. Nun denn Caitlin. Ich verabschiede mich jetzt. Wir sehen uns!“ Der Bildschirm wurde schwarz.

„Was machen wir jetzt?“, fragte Alec ratlos in die Runde. Ich hörte nicht auf ihn, sonder schaltete das Video noch einmal an. Ich ließ es langsam laufen und fing an Tristans vorsichtige Bewegungen zu folgen. Raus kam: 'Altes Jagdhaus im Wald.' Wie ich darauf kam war einfach. Als ich mit hierherzog und mich mit meinen Freunden anfreundete, dachten wir uns eine Geheimsprache aus damit uns die Lehrer und Erwachsenen nicht verstehen konnten. Und genau diese hatte Tristan gerade in dem Video angewendet.

„Ich denke Caitlin muss mit Salomon in Kontakt treten um zu erfahren wo sie sind.“

„Nein, muss ich nicht.“ Verwirrt sahen mich die Männer an.

„Caitlin. Du willst doch jetzt nicht, dass unser Onkel deine Freunde umbringt, oder?“

„Ähm. Nein. Aber ich weiß wo sie sind.“

„Wie du weißt wo sie sind?“ Alec sah verwirrt von mir zu dem jetzt schwarzen Bildschirm.

„Tja. Sie sind im alten Jagdhaus in dem Wald wo wir zusammen gesessen haben.“

„Und das weißt du woher?“

„Ist doch egal! Das Einzige was uns jetzt interessiert ist, dass wir unserem Onkel den Kopf abschlagen.“ Mit seinem eigenen Schwert. Ich war einen Moment lang versucht den anderen zu erzählen was Königin Elisabeth mir erzählt hatte, doch ich brachte es irgendwie nicht über mich.

„Kopf abschlagen? Für Hochverrat steht eine ganz andere Strafe an. Was genau brauchst du nicht zu wissen.“ Gut, danke.

„Wir brauchen einen Plan!“, meinte ich und stand auf um ruhelos im Zimmer herumzugeistern.

„Wir greifen sie aus dem Hinterhalt an.“, meinte Alec und sah Dimitri an.

„Wir wissen nicht wie viele da sind!“, meinte ich zweifelnd.

„Ja schon. Aber Dimitri und ich zählen zwei. Wenn wir dann noch zwei, drei Leute mitnehmen haben wir eine Chance.“

„Du hast mich vergessen.“, erinnerte ich ihn.

„Nein. Du kommst nicht mit Caitlin!“, sagte Alec sofort. „Genauso wie James nicht mitkommt.“ Langsam trat ich auf ihn zu. „Bei James kann ich das ja noch verstehen aber Salomon wartet auf mich! Das heißt ich kann ihn ablenken während ihr die anderen fertig macht!“

„Sie hat Recht Alec.“, meinte mein Vater.

„Aber Sire!“, protestierte Alec. Doch als er den Blick von meinem Vater sah, senkte er ergeben den Kopf.

Wir planten und verwarfen die Pläne wieder und nach einer Stunde hatten wir unseren Plan.

 

 

Kapitel 9

I really think everyone should be important enough to just one other person on this freaking planet to be fought for. Even me. And nobody’s fighting for me. So I’m done.

(Ka Hancock „Tanz auf Glas“)

 

 

Alec verschwand für zehn Minuten in seinem Zimmer und kam danach in Kampfkleidung und bis an die Zähne bewaffnet zurück ins Zimmer. Er kam auf mich zu uns sagte: „Zieh dich um. Kampfkleidung müsste auch bei dir im Kleiderschrank hängen.“ Ich nickte und verzog mich in meinem Ankleidezimmer. Ich zog mir eine schwarze Bluse und eine Lederhose an. Stiefel, die sehr praktisch waren, weil sie nicht zu schwer waren und trotzdem einen richtigen Schaden anrichten konnten. Meine Haare band ich zu einem Pferdeschwanz. Als ich wieder raus kam war auch Dimitri bewaffnet. Neben ihm standen noch zwei Krieger. Er stellte sie als Simon und Maik vor. Außerdem war auch noch Lord Albert dort. Ich nickte ihnen knapp zu.

„Ich habe keine Waffen.“, sagte ich in dem Raum. Alec stand auf und holte ein Messer, ein leichtes aber sehr effektives Schwert und zwei Dolche hervor. Er reichte mir die Waffen und seufzte.

„Das Messer in die Hülle an deiner rechten Seite stecken und das Schwert links an deinen Gürtel und die beiden Dolche in die Stiefel.“ Ich nickte und folgte seinen Anweisungen. „Pass auf das Schwert auf. Es ist ein wirklich gutes und zerbricht auch bei sehr schweren Schlägen nicht.“ Ich nickte wieder.

„Kämpft ihr nie mit Pistolen?“

„Doch aber sie können uns nur verletzen nicht töten. Töten können uns nur ein genauer Treffer ins Herz, verbrennen und Kopf abschlagen.“ Wieder nickte ich.

„Ich werde ihm jetzt wohl antworten müssen.“, murmelte ich und mein Vater nickte. Ich schloss die Augen und ließ meine Barrieren nur so weit fallen, dass er mit mir sprechen konnte, aber nicht seine Fähigkeiten an mir anwenden konnte.

Geliebter Onkel. Tut mir leid, dass ich deinen Brief erst jetzt gelesen und deinen entzückenden Film erst jetzt gesehen habe.“, sagte ich sarkastisch.

Nun gut. Nicht schlimm mein Kind. Du willst deine Freunde doch an einem Stück wieder haben oder?

Das hatte ich vor Onkel.

Nun gut. Dann komm heute Abend um sieben zum Alten Jagdhaus im Wald. Du weißt doch wo es ist oder?

Ja.

Nun gut. Aber wenn du in Begleitung deiner Wache kommst, werde ich deine Freunde genauso töten wie deinen älteren Bruder Mason. Dieser unverschämte Bengel.

Ich werde da sein. Allein.“ Und damit fuhr ich meine Barriere wieder hoch. „So wie besprochen oder?“ Die anderen nickten alle. Lord Albert war schon einmal vor geritten um einen geeigneten Platz zu suchen wo sie sich verstecken konnten. Ich war von der Idee nicht sehr begeistert gewesen, musste mich aber dem Willen der Mehrheit beugen. Ich traute diesem Mann einfach nicht. Etwas an ihm kam mir falsch vor.

 

Ich warf einen Blick auf die Uhr und merkte, dass ich nur noch eine Stunde hatte um dort hinzukommen. Und ich musste noch mein Pferd satteln und mich Mental darauf vorbereiten. Ich hatte mir auch schon einen Plan überlegt wie ich es schaffte meinem Onkel den Kopf abzuschlagen und Mason zu befreien. Langsam wandte ich mich um und schritt zur Tür.

„Du gehst?“, fragte James.

„Ich muss Argos vorbereiten. Ich hab nur noch eine Stunde und ich sollte pünktlich sein.“

„Wir werden da sein Prinzessin und so bald wie möglich zu Euch kommen.“

„Denkt daran. Bleibt ein bis zwei Kilometer weg. Ich sag Euch Bescheid wenn ich Eure Hilfe brauche.“ Wir hatten beschlossen, dass James mitkam und als unser Kontaktmann funktionierte. Ich würde mit ihm in Verbindung treten wenn es so weit war. Raphael trat auf mich zu uns nahm mich in seine Arme.

„Mögen unsere Vorfahren eine schützende Hand über dich halten und dir zur Seite stehen im Kampf gegen das Böse.“

„Ich hoffe es Vater.“, murmelte ich. Dann nahm ich James in die Arme und lief zum Stall. Dort sattelte ich schnell Argos und machte mich auf de Weg. Alec und die anderen Kämpfer würden mir bald folgen. Mit gemischten Gefühlen trabte ich auf die Lichtung wo das alte Jagdhaus stand. Es war zwei vor sieben und mein Onkel stand vor dem Haus. Meine Freunde wurden von zwei Wächtern bewacht.

„Hier bin ich Onkel. Wie Ihr wolltet. Würdet Ihr jetzt bitte meine Freunde gehen lassen?“

„Caitlin meine Liebe! Schön dich zu sehen! Wie geht es meinem Schwager?“

„Es geht ihm wunderbar Sir.“, antwortete ich. Ich sah meine Freunde aufmunternd an, die mein lächeln aber nicht erwiderten, sondern unruhig auf der Stelle traten. Als ich Tristan sah wusste ich wieso. 'Falle. Er weiß, dass du nicht alleine bist.' Ich schloss kurz die Augen. Als ich sie wieder öffnete stand mein Onkel immer noch an der selben Stelle.

„Sir. Ich frage Euch noch einmal: Würdet ihr meine Freunde jetzt gehen lassen?“

„Caitlin. Ich frage mich wieso ich mich an die Abmachung halten sollte wenn du es auch nicht getan hast.“

„Was meint Ihr Sir?“, fragte ich und tat überrascht.

„Du bist nicht allein hergekommen.“

„Und das wollt Ihr woher wissen?“, fragte ich. Er grinste überlegen, wedelte einmal kurz mit der Hand und Lord Albert trat aus dem Schatten hervor. Meine Augen weiteten sich erschrocken.

„Wieso? Mein Vater hat Euch vertraut!“, stieß ich hervor.

„Jeder muss eine Seite wählen Prinzessin. Und ich hab meine gewählt.“

James! Hau sofort von da ab! Das ist eine Falle!“, rief ich, doch ich bekam keine Antwort. Ich war mir noch nicht einmal sicher ob er meine Nachricht bekommen hatte.

„Nutzlos Prinzessin. Ich hab eine Barriere über diesen Ort gebracht. Kein Gedanke kommt hinaus und keiner herein.“, lachte Lord Albert.

„Ist Eure Frau auch irgendwo hier?“, fragte ich.

„Natürlich.“, sagte eine bekannte Stimme und trat neben Lord Albert. Seine Frau.

„Nun. Waren das nun alle Verräter?“, fragte ich bissig und starrte meine Feinde an. Das Schwert blitzte an der Seite meines Onkels auf. Er hatte sich darauf gestützt und lachte. Die Situation machte mich wütend. Aber bevor ich angreifen konnte, mussten meine Freunde hier weg.

„Nun. Aber meine Freunde sind zwei Kilometer von hier weg. Und wenn ich Recht habe sind sie bald tot. Dann habt ihr die beiden Thronfolger auf einen Schlag getötet. Stimmt Euch das nicht milde Onkel?“, fragte ich. Nachdenklich sah er mich an. Dann zu meinen Freunden und wieder zurück zu mir. Dann fing er an zu grinsen.

„Nun. Du willst sie wohl so sehr am Leben behalten, dass es dir wohl nichts ausmacht auf Knien darum zu bitten oder?“ Ohne zu zögern sank ich auf die Knie und sah meinem Onkel in die Augen. „Ich bitte dich zum dritten Mal Onkel. Würdest du bitte meine Freunde gehen lassen? Sie haben mit der Sache nichts zu tun.“

„Nun gut.“ Er nickte seinen Wachen zu, die meine Freunde sofort los ließen. Ich drehte meinen Kopf zu ihnen.

„Sagt ihr meiner Mutter, dass ich sie geliebt habe? Und ich hab auch Anastasia und Daniel geliebt. Sie sollen meinem Vater Raphael ausrichten, dass es mir leidtut, dass ich seinen Sohn in seinen Tod geführt habe.“ Ich lächelte ihnen zu. Sarah liefen Tränen über die Wange. „Ihr braucht nicht um mich zu weinen. Ich werde euch von da oben beobachten. Ich hab euch lieb! Und jetzt geht!“ Sarah und Jana bewegten sich nicht von der Stelle. Hilfesuchend sah ich Tristan an der nickte und die beiden am Arm packte.

„Wir lieben dich Cat.“ Lächelnd sah ich meinen Freunden nach bis sie nicht mehr zu sehen waren. Dann stand ich langsam auf und ging einen Schritt auf meinen Onkel zu.

„Was habt ihr jetzt mit mir vor?“

„Ersteinmal werde ich durch deine Hilfe eine Totenarmee aufstellen, die Raphael von seinen Thron fegt. Dann werde ich noch ein paar weitere Dienste von dir fordern und dann werde ich dich töten.“

„Gut zu wissen.“, murmelte ich. „Darf ich wenigstens versuchen mich zu befreien oder habe ich keine Wahl?“

„Als ob du gegen meine beiden Wächter hier, Lord Albert und mich eine Chance hättest.“

„Habt ihr die Lady nicht vergessen?“, fragte ich.

„Nein. Sie kann nicht kämpfen.“ Ich nickte und zog mein Schwert aus der Scheide. Ein erschreckend lautes Geräusch in der plötzlichen Stille. Nun denn auf in den Kampf.

„Ihr könnt sie verletzen, doch ich brauche sie lebend!“, erklang die Stimme von meinem Onkel. Ich lächelte und trat vor. Der erste Kämpfer trat vor mich. Er war groß und sein Schwert schon ziemlich mächtig. Gegenüber von ihm wirkte ich klein und schmächtig. Doch als ich tief Luft holte, wich alle Anspannung aus meinem Körper und eine angenehme Ruhe überkam mich. Genauso wie beim Kampf mit Alec.

Ich wich dem ersten Schwerthieb meines Gegners aus. Er schlug noch mal von der Seite nach mir, doch ich wich ihm wieder aus und zielte auf seine Hüfte. Ich streifte ihn, doch mehr auch nicht. Als ich auf ihn zu trat funkelten meine Augen vor Wut. Ich senkte mein Schwert um meinen Gegenüber zu provozieren. Dieser ging natürlich sofort darauf ein und ich versenkte meine Klinge tief in sein Herz bevor er überhaupt zuschlagen konnte. Er keuchte überrascht auf bevor er nach unten sackte. Seine Augen blickten mich jetzt leblos an, doch ich versuchte auszublenden, dass ich gerade meinen ersten Menschen getötet hatte. An solche Gedanken, konnte ich jetzt nicht meine Konzentration verschwenden, denn mein nächster Gegner trat auf mich zu. Ich wechselte mein Schwert in die linke und zog mein Messer von Gürtel. Ich sah meinen Gegner genau in die Augen und zielte. Lord Albert sackte mit einem erstaunten Laut zu Boden. Doch seine Frau zog ihm das Messer aus der Brust und er stand wieder auf. Scheiße auch! Ich hatte das Herz verfehlt. Wütend griff mein Gegner, der zweite Wachmann meines Onkels, an und ich hatte gerade noch genug Zeit um auszuweichen. Wütend griff er wieder an. Ich rannte weg und er mir wütend hinterher. Ich wurde umgerissen und fand mich Auge in Auge mit dem Wachmann wieder. Er nahm meine Haare und knallte meinen Kopf mit voller Wucht auf den Boden. Mein Blick wurde schummerig und ich hatte Mühe nicht in Ohnmacht zu fallen.

„Das wird ein Spaß.“, keuchte er. Ich zappelte als wollte ich mich befreien, doch in Wahrheit griff ich nach dem Messer in meinem Stiefel. Der Wachmann hob mit blutdurstigem Blick seinen Dolch. Er schnitt mir mit dem Messer eine tiefe Wunde in den linken Arm. Es brannte. Es brannte wie Feuer und ich schrie. Mein Gegner hatte aber nicht genug. Nein. Er schnitt mir lauter tiefe Schnitte in meinen Körper und sah dem Blut gierig zu wie es zu Boden sickerte.

Voller Wut hob ich meinen unverletzten Arm und stieß nach vorne mitten in das Herz meines Gegners. Jetzt waren nur noch Lord Albert, seine Frau und mein Onkel da, die ich fertig machen musste. Als ich mühsam den Kopf hob und aufstand, sah ich, dass Lord Albert mit jemanden in einem Kampf verwickelt war. Lady Alanya wurde von einer Wache gehalten. Und mein Onkel von niemand anderem als von Dimitri. Ich stand auf und schob mein Schwert und meine Dolche zurück an die Stelle wo sie hingehörten.

Gerade als Dimitri sein Schwert hob rannte ich auf ihn zu und schubste ihn zur Seite. Er stolperte und fiel ins Gras. Ich sah das Schwert meines Onkels vor Dimitri liegen und griff danach. Dann stellte ich mich vor meinen Onkel, der mich grinsend ansah.

„Du willst mich verschonen Caitlin?“

„Nein, aber ich will meinen Bruder zurück!“ Ich hob das Schwert und ließ es auf seinen Hals hinab fallen. Es knirschte fürchterlich und ich musste noch einmal zuschlagen um sein Kopf zu durchtrennen. Ich sah blinzelnd auf das Schwert, welches sich blau verfärbte. Ich erinnerte mich schwach an die Anweisung von Elisabeth und hielt das Schwert umklammert. Nebel steig auf und die Flamme des Schwertes erlosch.

„James?“, fragte ich leise.

„Caitlin? Alles gut bei dir?“

„Hm. Sagst du Mason bitte, dass du ihn befreit hast? Ich will nicht, dass er weiß, dass ich seine Schwester bin.“ Ich drückte ihm das Schwert in die Hand und wankte ein paar Schritte weit weg.

 

Plötzlich stand ein blonder, junger Mann mit blauen Augen vor James und blickte ihm dankbar in die Augen.

„Danke James!“ James starrte seinen Bruder an als wäre er eine Fata Morgana.

„Er existiert wirklich.“, meinte ich erschöpft. Mason riss seinen Kopf zu mir herum und starrte mich an.

„Und Ihr seid?“, fragte er hochmütig. Nein, ich hatte unrecht damit gehabt, dass Mason sympathisch war. Er war ein egoistisches Schwein. James wollte gerade antworten, doch ich kam ihm zuvor.

„Niemand mein Prinz. Ich bin einfach nur jemand, der Eurem Bruder half Euch zu retten.“ Ich verbeugte mich und wankte auf Argos zu, der mir freundlicherweise ein wenig entgegen kam. Sanft streichelte ich seinen Hals und er legte seinen Kopf auf meine Schulter.

„Was machst du mit meinem Pferd?“, rief Mason aufgebracht. Er schritt auf mich zu und riss mir die Zügel aus der Hand.

„Tut mir leid mein Prinz. Argos ließ sich von niemandem reiten außer von Euch und da habe ich ihn ein wenig geritten und bei mir ging er hervorragend.“, murmelte ich. Jetzt sah ich nichts mehr scharf.

„Caitlin!“, rief Alec verzerrt. Doch ich fiel in eine tiefe Schwärze, aus der mich so schnell niemand mehr reißen würde.

 

 

 

ALEC

 

So froh ich war, dass Mason doch nicht tot war, Caitlin war mir im Moment ein wenig wichtiger. Auch wenn ich nicht verstand wieso sie Mason nicht gesagt hatte wer sie ist, war sie doch diejenige, die uns vor der Grausamkeit ihres Onkels gerettet hatte.

„Sie braucht Blut.“, sagte James als ich mich neben Caitlin kniete und sie vorsichtig auf meinen Schoß zog. „Wir haben aber keine Blutkonserven hier. Wir müssen schnellstens zurück zum Schloss und ihr etwas geben.“

„Bis wir da sind, ist sie längst verblutet. Ihre Wunden sind tief.“, meinte ich. „Der König wird uns umbringen wenn sie stirbt!“ Wäre dieses Schwein noch am Leben, würde ich ihn am liebsten langsam und qualvoll töten.

„Was macht Euch solche Sorgen?“, fragte Mason verwirrt. „Und wieso sollte mein Vater euch umbringen wenn sie stirbt? Jeder Krieger stirbt irgendwann. Sie kann sich glücklich schätzen, dass sie im Kampf fiel.“ James sprang wütend auf.

„Sie ist deine SCHWESTER verdammt!“, schrie er.

Was?“, fragte Mason. Doch ich hörte ihrer Unterhaltung nicht mehr zu, denn ein brennen, breitete sich auf meinem Unterarm aus. Überrascht krempelte ich meinen Arm auf und sah wie sich Linien auf meinem Unterarm verbreiteten. Sie zogen sich zurück und ich zog zischend die Luft ein. Als ich ihren linken Ärmel aufkrempelte, wurden James und Mason auf mich aufmerksam.

„Was machst du da Alec?“

„Ich muss etwas prüfen.“, murmelte ich. Ich drehte ihren Arm vorsichtig um und stieß die angehaltene Luft aus. „Ich kann sie retten.“ Ungläubig starrten mich die völlig verschiedenen Brüder an.

„Wie willst du das machen Alec?“, fragte James.

„Indem ich ihr mein Blut gebe.“

„Du weißt schon, dass du das nicht kannst. Ihr seid keine...“ Weiter kam Mason nicht,denn ich hatte den Arm gehoben und ihm mein Tattoo gezeigt. Auf meinem Arm pragte in verschnörkelter Schrift der Name Caitlin. Als ich dann noch ihren Arm hob schrie James mich an: „Mach schon du verdammter Sack! Oder willst du sie sterben lassen?“

Nein, sie war zwar komisch aber ich würde sie ganz bestimmt nicht sterben lassen. Dafür waren mir unsere Wortgefechte viel zu lieb.

Kurz entschlossen nahm ich mir einen Dolch und ritzte mir einen Schnitt an den Arm. Ich hob den Kopf meiner Gefährtin und drückte meinen Arm an ihre Lippen. Sie wollte aber nicht schlucken also ließ ich es langsam in ihrem Mund tropfen und, weil sie nicht daran ersticken wollte, musste sie wohl oder übel schlucken. Ich machte das noch ein paar Schlucke und leckte mir dann selbst über die Wunde, die sich danach fast sofort wieder schloss.

„Denkst du denn das war genug?“, fragte James. Caitlin fing an zu stöhnen und riss die Augen auf. Da hatte er seine Antwort. Sie sah mich an und stand dann langsam auf indem sie sich von Dimitri hochziehen ließ. Dann fiel sie beinahe wieder nach hinten, denn sie hatte einen erschrockenen Schritt nach hinten gemacht und wäre beinahe über mich gestolpert. Doch super Dimitri hatte sie schon wieder aufgefangen, doch sie starrte immer noch erschrocken auf die Stelle wo niemand stand. Sie war völlig leer und deshalb wusste ich fast sofort wen oder was sie dort gerade sah.

„Caitlin. Sie tun dir nichts.“, sagte ich beruhigend zu ihr.

„Es sind aber so viele!“, kreischte sie. Aber es müssten eigentlich nur vier Leute sein.

„Wie viele Caitlin?“, fragte ich sanft und ignorierte die verwirrten Blicke von Dimitri, James und Mason.

„Mindestens zehn oder so!“, schluchzte sie.„Schick sie zurück!“

„Sie wollen hier bleiben!“

„Schick sie trotzdem zurück. Dorthin wo sie hingehören.“, bat ich sie. Sie sah mich mit schreckgeweiteten Augen an und nickte. Sie holte tief Luft und sagte mit einer ganz anderen Stimme als mit, der mit der sie die Königin zurückgeschickt hatte: „Verschwindet von hier! Ihr seid hier nicht willkommen! Geht dorthin wo ihr hingehört! In die Hölle!“ Ihr Stimme klang als würden mehrere Personen gleichzeitig sprechen. Alte und junge. Wind peitschte auf und riss an ihren nun geöffneten Haaren und ihrer Kleidung. Sie zuckte zusammen und wankte. Der Wind hörte auf zu peitschen und wurde ruhiger. Sie hielt sich an mir fest und sah mir erleichtert in die Augen.

„Sie sind weg!“, flüsterte sie.

„Gut. Nun lass uns zum Schloss zurück gehen.“ Sie nickte und krallte sich in meinen Arm. Ich merkte, dass sie nicht lange würde durchhalten können und hob sie vorsichtig in meine Arme. Ihr müsst wissen, dass ich sie immer noch ein wenig hasste, denn auch wenn wir Gefährten waren, wurden wir nicht zu verliebten Zombies. Auch wenn Gefährten oft Gefühle füreinander entwickelten, weil sie sich so nah waren, musste dies nicht immer eintreten. Und ich wollte das auch gar nicht. Sie würde ihr Leben weiter leben und ich meins. Wir würde vielleicht zusammen kämpfen oder zusammenarbeiten um effektiver für die Kämpfe gegen die Strigoi zu sein, doch ein Liebespaar würden wir ganz bestimmt nicht werden!

„Was war das eben Alec?“, fragte James. Caitlin starrte mich erschrocken an.

„Sag nichts!“, bat sie mich flüsternd. Ich schüttelte den Kopf.

„Tut mir leid. Ich bin nicht ermächtigt Euch das zu sagen mein Prinz.“, sagte ich uns senkte den Kopf. Auch wenn James und ich Freunde waren, konnte ich ihn trotzdem nicht vor seinem großen Bruder duzen, der sich aus so etwas gar nichts machte.

„Alec.“

„Tut mir leid. Befehl des Königs. Caitlin und der König entscheiden wer wissen darf was das war und wer nicht.“

„Caitlin...“, sagte James bittend. Doch auch Caitlin schüttelte den Kopf.

„Argos!“, rief sie plötzlich erschrocken. Sofort hob das große Pferd, was von Mason geführt wurde den Kopf und wollte zu Caitlin hinüber. Doch Mason fasste die Zügel noch fester.

„An deiner Stelle würde ich die Zügel loslassen, Bruder.“, meinte James.

„Was hat sie mit meinem Pferd gemacht?“, fragte Mason sauer als er die Zügel losließ und Argos zu Caitlin trottete.

„Was weiß ich. Aber er scheint sie zu mögen.“, sagte James schulterzuckend.

„Alec. Hilfst du mir auf Argos?“

„Caitlin denkst du wirklich...“, fing James an, doch sie winkte ab. Besorgt setzte ich sie auf das Pferd und sie preschte davon. James seufzte. „Sie ist einfach total unvorsichtig! Sie will Vater auf unsere Rückkehr vorbereiten.“

„Sie sollte trotzdem vorsichtiger reiten.“, seufzte ich.

„Oh höre ich da etwa Sorge aus der Stimme des Playboys Nummer 1?“, grinste James.

„Wirklich mein Prinz. Manchmal seid Ihr wirklich...“

„Hör auf mich zu siezen!“, sagte James barsch. „Wir sind Freunde und du kannst mich duzen wo du willst! Auch vor dem gesamten Hof.“ Ich nickte und schwieg. „Ich denke du solltest ihr schnell sagen, dass du ihr Gefährte bist. Sie wird sonst voll den Schock bekommen.“ James sah mich an.

„Und was soll ich ihr sagen? 'Hey Caitlin! Du hasst mich zwar aber wir sind jetzt Gefährten und miteinander verbunden! Und wenn wir uns noch näher aneinander binden wollen, müssen wir miteinander schlafen'? Ja super Plan James.“ Ich seufzte frustriert.

„Das mit dem miteinander schlafen würde ich weglassen.“, meinte Mason. „Sag ihr die Wahrheit aber nur so viel wie sie im Moment auch verträgt.“

„Ich werde daran denken. Ich danke Euch mein Prinz.“ Ich verneigte mich. Wir kamen am Schloss an und ich sah Caitlin und Raphael diskutieren. Na das konnte ja heiter werden.

 

 

 

CAITLIN

 

„Es ist wirklich wahr! Unser Onkel ist tot! Und Mason lebt!“

„Caitlin. Wie soll ich dir das glauben? Niemand wurde von deinem Onkel verschont! Dass er tot ist kann ich noch glauben. Aber das mit Mason“ Ich wandte mich frustriert ab und sah Alec und meine beiden Brüder kommen.

„Würde dir das als Beweis reichen?“, fragte ich uns zeigte auf die Karawane. Raphael ließ mich stehen und rannte auf seine Söhne zu. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Er kannte sie besser als mich und es war klar, dass er sich mehr darüber freute, dass sie gesund und wohlbehalten aus einem Kampf zurückkamen als ich. Und doch schmerzte es.

Ich wandte mich ab und lief langsam ins Schloss. Ich musste duschen. Das Blut, mein eigenes aber auch das meiner Gegner klebte an mir und ich wollte es von mir weg haben. Müde und abgekämpft kroch ich in mein Zimmer. Was mich wunderte war, dass ich fast gar keine Wunden mehr hatte. Nur noch kleine Kratzer, die dabei waren zu heilen.

Als ich meine Tür aufstieß und eintrat, sprangen drei Personen auf. Reflexartig wich ich zurück und ging in Angriffsposition. Doch dann erkannte ich meine Freunde und entspannte mich. Langsam ließ ich meinen Blick über die Gesichter meiner Freunde wandern. Sie weinten.

„Ihr braucht doch nicht zu weinen. Ich bin doch nicht tot!“, sagte ich sanft und zuckte mit den Schultern. Da stürzten sie sich alle auf mich und ich wurde von ihnen fast zerquetscht. „Keine Luft!“ Sofort ließen sie mich los.

„Du bist voller Blut.“, sagte Sarah besorgt.

„Ihr jetzt auch.“ Auf ihren wütenden Blick sagte ich beschwichtigend: „Ist nicht meins. Jedenfalls nicht alles.“ Ich zuckte wieder mit den Schultern und fing plötzlich an zu weinen. „Ich hab drei Menschen umgebracht!“ Sie wichen nicht erschrocken zurück wie ich gedacht hatte, sondern sahen mich mitleidig an.

„Das musstest du tun. Aus Notwehr.“ Ich schüttelte den Kopf.

„Nein. Ich hätte es auch andere tun lassen können.“ Sie wollten was sagen, doch ich meinte schnell: „Ich geh duschen. Ich muss den Gestank von mir bekommen.“ Sie nickten und setzten sich wieder. Lächelnd beobachtete ich meine Freundinnen, die sich gar nicht wohl in ihrer Haut fühlten. Um sie auf andere Gedanken zu bringen meinte ich betont gleichgültig: „Sucht ihr mir neue Klamotten raus? Hinter der Tür da. Aber bitte kein Kleid! Eine Jeans und ein Top genügt.“ Verwirrt nickten sie und öffneten die Tür.

„OH MEIN GOTT!!!“, kreischten beide los.

„Jaja ich weiß. Wunderbar so viel Auswahl.“ Wieder gab ich meiner Stimme einen gleichgültigen Klang. Meine Freundinnen sahen mich mit einem wütenden Blick an, bevor sie im Zimmer verschwanden. Tristan und ich tauschten ein Verschwörer grinsen und ich verschwand im Badezimmer. Mechanisch duschte ich drei Mal um alles Blut von meinem Körper zu waschen und roch danach schön nach Rosen. Als ich in einen Bademantel gehüllt herauskam, lagen meine neuen Klamotten auf dem Bett. „Wollt ihr duschen? Dann rein da.“ Das ließen sich Jana und Sarah nicht zwei Mal sagen und verschwanden im Bad. Ich hörte sie begeistert seufzen und lächelte. Schnell zog ich mir meine Jeans und mein Top an. Als ich nach dem Blazer griff, zuckte ich zurück. Auf meinem linken Arm war in schnörkelhafter Schrift der Name Alec tätowiert. Oh, oh. Was sollte der Scheiß? Wie hatte ich den Namen auf meinen Arm bekommen? Ich würde wohl nachher mal fragen müssen. Als ich meinen Blazer angezogen hatte, ging ich zu Tristan ins Arbeitszimmer. Er betrachtete die Fotos, die ich aufgehängt hatte. Oder versuchte es jedenfalls. Ich wusste nicht ob er mit dem geschwollenen Auge sehen konnte.

„Brauchst du einen Heiler?“

„Heiler?“, fragte er ohne sich umzudrehen.

„Ja. Wir haben hier Menschen, die deine Verletzungen schnell verarzten können.“

„Darf ich vorher duschen?“

„Klar. Ich bin gleich wieder da. Sag den Mädels, dass sie sich an meinen Kleidern vergreifen dürfen. Dir hole ich kurz etwas neues.“ er nickte und ich huschte aus dem Zimmer. Weil James und Tristan ungefähr die gleiche Größe hatten, holte ich meinem besten Freund ein paar Klamotten aus dem Zimmer meines Bruders und ging schnellstens zurück in mein Zimmer.

Jana und Sarah saßen auf dem Bett, fertig angezogen und lächelten mir leicht zu. Sie hatten sich natürlich buntere Sachen aus dem Schrank geholt. Tristan war in der Dusche. Ich hörte das Wasser prasseln. Die Mädels sahen mich an, sagten aber nichts. Ich konnte es ihnen aber nicht verübeln. Sie hatten durch mich viele üble Dinge durchmachen müssen. Das Rauschen stoppte und Tristan steckte seinen Kopf aus der Tür. Grinsend hielt ich ihm die neuen Klamotten hin, die er dankbar entgegennahm. Nach fünf Minuten erschien er wieder. Er setzte sich neben meine Freundinnen und sah mich an.

„Kommt wie gehen zum Heiler.“, meinte ich und sprang auf, weil mich das Angestarre unruhig machte.

„Wir gehen nirgendwo hin Caitlin, bis du uns gesagt hast was hier los ist!“, sagte Sarah scharf.

„Ich... Also wollen wir nicht doch lieber erst...“

„Keine Ausflüchte!“, schimpfte Tristan. „Sag uns einfach dir Wahrheit!“

Ähm. Vater? Ich will Eure Wiedersehensfeier nicht stören aber ich habe drei Freunde, die wissen wollen was los ist.

Sag ihnen die Wahrheit. Du kannst sie ihnen nicht mehr verschweigen. Doch lass deine Totengabe aus dem Spiel!“, bestimmte er. Unbewusst nickte ich und holte tief Luft. Meine Freunde sahen mich abwartend an.

„Ihr werdet mich für verrückt halten.“, prophezeite ich. „Aber ihr wolltet es ja nicht anders haben.“

„Jetzt spann uns nicht auf die Folter Cat! Bist du bei der Mafia oder ist dein Vater ein Drogendealer, der seine Rechnung nicht bezahlt hat..“, sagte Jana.

„Nichts von alldem. Ich... Ich bin ein Halbvampir.“, stieß ich heraus. Mit offenem Mund sahen mich meine Freunde an.

„So wie Renesmee wie bei Twillight?“, lachte Tristan. Ich seufzte. Aber ich hatte ja gewusst, dass es nicht einfach werden würde.

„Nein.“, sagte ich einfach.

„Du erlaubst dir einen Scherz mit uns oder?“, fragte Jana. Traurig schüttelte ich den Kopf. Sie stießen gleichzeitig den Atem aus. Ich hörte ihren Herzschlag. Zu schnell für Menschen, die gerade nichts machten. Sie hatten Angst.

„Erzählst du mir bitte was Halbvampir bedeutet?“, fragte Tristan.

„Also. Mein Vater Raphael ist ein Vampir und meine Mutter Desiree ist ein Mensch. Ich habe also einen menschlichen und einen vampirischen Teil in mir. Mein vampirischer Teil ist vor einer Woche erwacht als James und Alec mir davon erzählt haben. Ich habe mich verwandelt und lag drei Tage lang in einer Art Koma wo mein Körper sich an die neuen Fähigkeiten gewöhnt hat. Deswegen kam ich auch nicht zur Schule.“

„Und was ist mit den Vampiren? Sind sie so wie bei Twillight?“

„Sie sind ähnlich. Sie leben fast genauso wie wir Menschen. Sie schlafen, essen, gehen arbeiten und bekommen Kinder.“

„Sie essen?!“, sagte Sarah aufgebracht. „Sie trinken Blut Caitlin!“

„Ja, das tun sie. Aber sie essen auch normale Nahrung wie wir. Wenn sie es nicht tun werden sie krank. Sie brauchen die Vitamine im Essen um gesund zu bleiben.“

„Du meinst sie sind gar nicht so schlimm?“

„Es gibt gute und böse Vampire Jana. Die bösen erkennst du an ihren roten Augen. Und dann solltest du laufen, denn sonst bist du tot. Die guten trinken Blut nur in geringen Mengen. Sie nehmen sich Spender. Das sind Leute, die freiwillig Blut spenden um die Vampire am Leben zu erhalten.“

„Es gibt Leute, die das freiwillig machen?“ Ich nickte.

„Und du? Musst du...“

„Nur wenn ich stark verletzt bin. Eben zum Beispiel. Ich glaube Alec oder so haben mir Blut zum schlucken gegeben. Ohne das wären meine Wunden nicht geheilt und ich wäre verblutet.“

 

Es klopfte. Ich stand auf und öffnete die Tür. Vor mir stand Ann mit einem Tablett wo Cremes und Tabletten drauf lagen.

„Guten Tag Prinzessin. Ich bin froh, dass sie gesund aus dem Kampf zurückgekommen sind!“ Ann lächelte mich an. Ihr noch etwas kindliches Gesicht leuchtete.

„Danke Ann.“

„Ich soll mich um die Verletzungen Eurer Freunde kümmern.“ Wortlos trat ich zur Seite und ließ sie eintreten.

„Du bist also eine Heilerin Ann?“, fragte ich sie als wir zusammen ins Zimmer traten.

„Ja, Prinzessin.“

„Sehr schön.“, lächelte ich. Meine Freunde sahen mich neugierig an. „Ja ich bin eine Prinzessin. Deswegen lebe ich in diesem Schloss.“ Ann trat vor Tristan, der mich hilflos ansah. „Komm schon Tristan. Auch wenn sie eine Vampirin ist, heißt das noch lange nicht, dass sie dir dein Blut aussaugt.“ Wütend blitzte er mich an, ließ sie aber widerstandslos von Ann untersuchen. Sie nahm eine Creme vom Tablett und rieb seine Verletzungen damit ein.

„Die Verletzungen müssten morgen nicht mehr zu sehen sein.“, sagte sie zu meinem Freund. „Doch ich würde erst einmal kein Auto oder Fahrrad fahren.“ Er nickte. Dann widmete sie sich meinen Freundinnen. Als sie fertig war, stand sie auf und machte einen Knicks.

„Habt ihr noch einen Wunsch Prinzessin?“

„Eine Frage. Habt ihr hier ein Musikzimmer?“ Sie nickte.

„Natürlich! Was wäre ein Hof ohne Musik?“

„Ist er frei? Würden wir dort ungestört musizieren können?“ Sie nickte.

„Gut. Könntest du uns dorthin führen?“ Wieder nickte sie und wir folgten ihr die langen Korridore entlang. Im Erdgeschoss bog sie in eine kleine Tür ein und wir taten es ihr nach.

„Wow. Ist das schön!“, hauchte Jana. Da konnte ich ihr nur zustimmen. Es war ein heller, Lichtdurchfluteter Raum. Sie Wände waren golden und sahen sehr gemütlich aus. In dem Zimmer standen ein Klavier und ein Schlagzeug. Ein paar Gitarren standen an der Wand. In einer Glasvitrine lag eine Violine. Ein riesiges Bild von einem Ritter auf einem Pferd hing an der Wand.

„Das ist das persönliche Musikzimmer der königlichen Familie. Ihr werdet also ungestört musizieren können.“

„Danke Ann. Würdest du uns noch eine Kleinigkeit zu Essen bringen?“, fragte ich sie. Sie nickte lächelnd und verschwand.

„Was machen wir hier?“, fragte Tristan verwirrt.

„Ja, hm. Was macht man wohl in einem Zimmer mit Musikinstrumenten?“, fragte ich sarkastisch. „Natürlich Musik machen. Also hopp, hopp ans Schlagzeug Kumpel.“ Sarah und Jana hatten sich schon ihre Musikinstrumente geschnappt. Jana spielte die Gitarre und Sarah das Klavier.

„Sarah. Bekomme ich das Klavier? Du weißt, dass ich nichts anderes spielen kann.“

„Ja ich weiß. Aber du kannst singen!“, lachte meine beste Freundin. Ich verzog den Mund. „Och komm schon Cat! Du kannst am Besten singen!“

„Na gut! Aber ich such das Lied aus!“ Sie nickten eifrig. „Wir nehmen When you're gone von Avril Lavigne.“

„Wieso wundert mich das eigentlich nicht?“, murmelte Tristan und ich warf ihm einen wütenden Blick zu. „Sag nicht du hast das gehört?“

„Hallo? Vampir? Besseres Gehör?“

„Daran muss ich mich gewöhnen.“

„Nicht nur du.“

„Lasst uns anfangen.“, meinte Sarah und fing an zu spielen.

 

„I always needed time on my ownI never thought I'd need you there when I cryAnd the days feel like years when I'm aloneAnd the bed where you lie is made up on your sideWhen you walk away I count the steps that you takeDo you see how much I need you right now?When you're gone (...)”

 

„Bravo!“, applaudierte plötzlich jemand. Erschrocken drehten wir uns um. Alec stand an der Wand gelehnt da und lächelte. Doch ich wurde wütend. Meine Augen glühten. Ich warf einen Blick auf meine Freunde und sie wichen erschrocken zurück als sie meine rot leuchtenden Augen sahen.

„Oh. Warum bist du jetzt wütend auf mich?“, stöhnte Alec. Ich zog meinen Ärmel grob nach oben und präsentierte ihm das Tattoo.

„Nicht, dass ich mir selbst schon eins gestochen habe, nein ich bekomme noch eins in den Nacken von der Asche des ersten Königs der Vampire! Und jetzt noch eins? Willst du mich eigentlich verarschen Alec? Du hast mir aus Bock deinen Namen auf meinen Arm tätowiert?“, schrie ich.

„Nein. Ich hab das nicht getan. Der Typ, dem es gefällt das Schicksal der Vampire zu lenken hat das getan. Wir sind Gefährten Caitlin.“, sagte er ruhig. Überrascht setzte ich mich auf einen Stuhl, der neben der Wand stand.

„Aber... Ich kann dich doch gar nicht leiden!“, sagte ich verzweifelt.

„Denkst du mir gefällt das plötzlich zu wissen, dass du immer mit mir telepatieren kannst? Oder, dass ich deine Schmerzen fühlen kann? Oder deine Gefühle?“

„Aber... Wieso?“, fragte ich verständnislos. „Findet der Typ das so witzig Vampire aneinander zu binden, die sich nicht mögen?“

„Ich hab keine Ahnung Schätzchen.“ Warnend funkelte ich ihn an. „Aber wir sollten einen Waffenstillstand vereinbaren. Denn Gefährten sind ganz schön nützlich. Wenn sie ganz aneinander gebunden sind haben sie die gleichen Kräfte wie der Partner. Jedenfalls die normalen Fähigkeiten. Ich weiß nicht ob das auf deine... andere Fähigkeit auch zutrifft aber...“

„Was meinst du mit ganz aneinander binden?“, unterbrach ich ihn. Jetzt wurde er verlegen und konnte mir nicht in die Augen sehen.

„Ja also... Ich denke das ist im Moment nicht so wichtig, weil wir uns doch sowieso nicht aneinander binden wollen und...“

„Er meint Sex.“, eröffnete mir Tristan unverblümt. Ich wirbelte zu ihm herum.

„Du.. Wie.... Wie kommst du da drauf?“, fragte Alec verblüfft.

„Er hat also Recht?“, fragte ich. Er sah mir in die Augen und nickte. Schaudernd wandte ich mich ab und meinte: „Ehe das passiert friert die Hölle ein Alec!“ Gerade als ich die Tür aufreißen wollte, wurde sie schon geöffnet und Ann erschien. Überrascht wich sie zurück.

„Prinzessin hier sind...“

„Jaja. Sie sind für meine Freunde.“, unterbrach ich sie und drängte mich an ihm vorbei.

„Und der König will mit Euch sprechen.“

„Der König kann mich mal!“, schrie ich und rannte aus dem Gebäude.

 

Kapitel 10

An Ärger festzuhalten ist wie Gift zu trinken und erwarten, dass der andere dadurch stirbt.

(Buddah)

 

 

Was soll der Scheiß mit der Gefährtennummer mit Alec? Ich wollte das nicht! Wir hassten uns und das war auch gut so! Ich wollte nicht, dass er wusste wie es mir ging oder wann ich Schmerzen hatte. Ich wollte Herr über meinen eigenen Körper sein. Niemand sollte mir dazwischen funken! Meine Gedanken waren weit weg und ich überließ es meinen Beinen ihren Weg zu finden. Sie brachten mich zu der Lichtung, wo ich zum ersten Mal eine Tote gesehen hatte. Ich ließ mich ins Gras fallen und schrie. Schrie meine Wut hinaus. Die Wut darüber, dass mir meine Chance über mein Leben zu bestimmen, genommen worden war.

Kind. So beruhige dich doch.“, sagte eine männliche Stimme in meinem Rücken. Ich spürte eine federleichte Berührung auf meinem Rücken und ich zuckte zusammen. Sofort war die tröstende Hand verschwunden. Langsam hob ich den Kopf und blickte in freundliche braune Augen.

„Wenn das Beruhigen so leicht wäre Sir.“, sagte ich.

Du kannst mich sehen?“, fragte er erstaunt und ich nickte. „Du kannst mich wirklich sehen und hören was ich sage?

„Ja doch!“

Nun. Dann will ich mich vorstellen. Mein Name ist John of Leeds. Ehemaliger Berater von König Raphael of England.

„Nett Euch kennenzulernen Sir. Mein Name ist Caitlin Sophie Dupont. Tochter von Raphael Dupont, König von England und dritte in der Rangfolge.“ Dritte deshalb, weil Mason jetzt ja wieder da war und ich eine Stelle nach hinten rückte, da er ja älter als ich war.

Eine Ehre Prinzessin. Wieso seid Ihr hier?

„Ich hatte meine Probleme am Hof und wollte ein wenig Abstand. Und bitte, duzen Sie mich Sir. Mir wäre dann deutlich wohler.“

Nun. Das werde ich gerne tun. Da wir beide hier sind kann ich dir doch mal zuhören wie du dich über das Leben aufregst und dir dann vielleicht einen Ratschlag geben. Ich war nicht umsonst königlicher Berater.“, meinte er und lächelte mich an.

Eigentlich kannte ich diesen Toten nicht, doch plötzlich sprudelte meine Geschichte aus meinem Mund und der Mann unterbrach mich kein einziges Mal. Als ich am Ende angekommen war, hatte er seine Stirn nachdenklich in Falten gelegt.

Mein Tipp wäre, dass du diesem Waffenstillstand zustimmst, ihm aber so gut wie möglich aus dem Weg gehst. Wie du ihn mir beschrieben hast, wäre er sowieso nicht der richtige Umgang für dich.“ Nachdenklich sah ich zum jetzt pechschwarzen Himmel hinauf. Die einzige Lichtquelle war der Mond und die Sterne.

Bevor ich angefangen hatte mich mit dem alten Mann zu unterhalten, hatte ich meinen Kopf vor allen anderen abgeschottet. Auch vor Alec. Auch wenn ich nicht genau wusste, was ich getan hatte, hatte ich alle aus meinen Gedanken verdrängt. Sie nervten mich jetzt nicht mehr. Kein einziger Gedanke von ihnen drang zu mir durch und ich war froh darüber. Der Wind wehte leicht und brachte mich zum frösteln. Ich hatte eben nicht dran gedacht, so lange wegzubleiben, doch ich wollte nicht zurück ins Schloss. „Kind. Du hast doch die Gabe des Feuers. Wieso setzt du sie nicht ein und machst ein Feuer?

„Ich weiß nicht wie ich sie kontrollieren kann.“, gestand ich. Da fing der alte Mann breit zu lächeln.

Aber ich. Komm. Hol Feuerholz und ich sage dir wie du das aufschichten musst und wie du ein Feuer machen kannst.“ Ich nickte und fing an, altes Holz zu suchen. Irgendwann hatte ich genug und ich schichtete es so auf wie der alte Mann es sagte.

Gut. Jetzt musst du dich ein wenig konzentrieren. Schließ deine Augen.“ Gehorsam tat ich was er von mir erwartete. „Und jetzt musst du dir vorstellen wie eine Flamme aufgebaut ist. Stell es dir bildlich vor wie sie knistert und flackert.“ Vor meinem geistigen Auge flackerte eine Kerze auf. Ihr Licht spendete ein wenig Licht und ihre Wärme durchfuhr mich. „Hast du es? Dann stell dir vor wie die Flamme auf deinen Haufen Holz springt. Wie sie es anzündet und die Wärme dich durchfährt.“ Angestrengt versuchte ich es, aber bekam es nicht hin. „Nicht aufgeben. Du schaffst das. Niemand schafft das beim ersten Mal und Übung macht den Meister.“ Ich konzentrierte mich stärker aber erst beim fünfzehnten Versuch schaffte ich es einen Funken auf das Holz fliegen zu lassen. Nach weiteren 6 Versuchen hatte ich endlich das Feuer in Gang gebracht. Jetzt knisterte es munter in der Nacht.

„Ich danke Ihnen.“

Ach kein Problem Kind. Es ist schön jemanden helfen kann, auch wenn man schon tot ist. Besonders wenn es die Tochter unseres Königs ist. Ich bin für ihn gestorben weißt du? Ich war sein Berater. Doch dann kam es zu den Kämpfen vor 17 Jahren. Einige Lords wollten die königliche Familie von ihrem Thron stürzen und taten alles um dieses Ziel zu erreichen. So viele Vampire wurden in diesen Kämpfen niedergemetzelt. Dazu zählen auch meine Frau und meine zwei Töchter. Ich stand bei seinem letzten Kampf an der Seite deines Vaters. Sein Vater, der alte König, war gestorben und er wollte seinen Thronanspruch gültig machen. Die ganze Schlacht über war ich an seiner Seite. Als ein tückischer Lord ihn von hinten abschlachten wollte, warf ich mich in die Bahn seines Schwertes. Ich verblutete, doch die ganze Zeit war dein Vater an meiner Seite. Er ist ein wunderbarer König.“

„Das ist er.“, stimmte ich zu. Der alte Mann schien in der Vergangenheit versunken aus der ich ihn nicht herausholen wollte doch ich hatte eine Frage. „Darf ich Sie etwas persönliches fragen?“, fragte ich zögernd.

Ich bitte darum.“ Er grinste sein liebevolles Grinsen.

„Wieso sind Sie nie über die Brücke gegangen? Dort warten Ihre Familie und Freunde.“ Seine Lächeln wurde herzlicher.

Weil ich noch ein wenig auf der Erde bleiben wollte. Ich wollte ihre Veränderungen sehen. Weißt du ich war schon immer ein neugieriger Mensch. Und als ich dann vor einem Jahr zurück wollte zu meiner Familie, war das Tor verschlossen. Ich habe also meine Chance verspielt mit meiner Familie zusammen zu leben.

„Und wenn Sie die Chance hätten zu ihr zurückzukehren... Würden Sie es tun?“ Nachdenklich sah er mich an.

Ja. Das würde ich. Du nicht auch?

„Doch natürlich.“ Lächelnd sah ich den alten Mann an. „Ich habe nicht nur die Fähigkeit Geister zu sehen, sondern kann sich auch zurückschicken. Wollen Sie, dass ich das tue?“ Die Augen des Alten weiteten sich und ein freudiger Glanz trat in sie.

So etwas würdest du für mich machen?

„Das würde ich.“, sagte ich fest. Er war für meinen Vater da und starb für ihn, da konnte ich ihn beruhigt und voller Stolz ins Paradies führen. Der Mann stand mit einer fließenden Bewegung auf und kam auf mich zu. Vor mir hockte er sich hin und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.

Sei gesegnet Kind. Ich bitte dich darum mich zurückzuschicken.“ Lächelnd nickte ich.

„Diese Bitte will ich Ihnen gerne erfüllen.“

Darf ich dir noch einen Rat geben bevor ich gehe?“, fragte er.

„So viele Sie wollen. Ich kann nicht genug bekommen.“ Da fing er an zu lachen.

So viele brauchst du nicht Kind. Du weißt was richtig und was falsch ist. Eine sehr gute Gabe im Leben. Doch hier ist mein Tipp. Achte auf deine Gefühle. Sie können dein Untergang sein, aber sie können dir auch helfen.“ Genau das hatte mir die Königin auch geraten bevor sie dank meiner Hilfe die Brücke überquerte.

„Darf ich Sie um etwas bitten Sir?“

Natürlich. Ich werde alles was in meiner Macht steht tun um deinen Wunsch zu erfüllen.

„Würden Sie zu Königin Elisabeth gehen und ihr mitteilen, dass Ihr Sohn wieder zwischen uns weilt? Dass es ihm gut geht und sie sich keine Sorgen um ihn machen zu muss?“

Das werde ich tun.“, schwor er.

„Ich danke Ihnen. Alles gute mit ihrer Familie Sir. Sie haben das Glücklichsein verdient.“ Er lächelte sanft.

Genauso wie du Kind. Pass auf dich auf.“ Ich nickte und sammelte mich.

„Und nun Sir, ist es an der Zeit die goldene Brücke zu überqueren und sich endlich wieder mit Ihren Freunden und ihrer Familie zu vereinen.“ Wind kam auf und zerrte an meiner Kleidung und an meinen Haaren. Der alte Mann wurde langsam blasser bis er ganz verschwand. In meiner Vision sah ich ihn langsam die Brücke überqueren. Am Ende stand eine ältere Frau mit zwei wunderschönen Töchtern. Sie lächelten ihm zu und er wurde von ihnen herzlich begrüßt. Der alte Mann sah auf und es schien so als würde er direkt in meine Augen sehen und als er lächelte, wurde es mir warm ums Herz. Dann zerplatzte die Vision wie eine Seifenblase und ich war wieder in der Realität. Das Feuer war durch den starken Wind erloschen und ich machte mich wieder daran es wieder zum brennen zu bringen. Als ich es geschafft hatte, stapelte ich schön viel Holz auf den Haufen und legte mich neben die Wärmequelle. Meinen Dolch, na ja Alec Dolch, hatte ich griffbereit neben mir liegen.

Ich schloss die Augen und fiel langsam in einen ruhigen Traum.

 

 

Die Sonne blendete direkt in mein Gesicht und ich schlug meine Hand über die Augen. Vögel sangen und ein Bach plätscherte in der Nähe. Halt! Ein Bach plätscherte? Ich riss meine Augen auf und nahm meine Umgebung in Augenschein. Langsam fielen mir wieder die Geschehnisse von gestern ein. Ich setzte mich auf und bemerkte, dass meine Klamotten völlig durchweicht waren von dem morgendlichen Tau. Das Feuer war erloschen und als ich das sah, merkte ich auch wie ausgekühlt ich war. Schwankend stand ich auf und ging zurück zum Schloss. Der Weg zurück kam mir viel länger vor als der Hinweg. Vielleicht lag es daran, dass ich völlig entkräftet war. Ich meine ich hatte seit gestern morgen nichts gegessen oder getrunken und habe bis jetzt elf Leute zurückgeschickt. Da war es klar, dass ich so entkräftet war. Stolpernd bahnte ich mir meinen Weg durch das Dickicht. Nach einer Stunde sah ich von meiner Anhöhe das Schloss. Mühsam machte ich mich auf den Weg die letzten Meter zurückzulegen. Am Tor standen Wachposten, die mich erleichtert ansahen.

„Prinzessin! Wo wart Ihr bloß? Wir haben uns große Sorgen gemacht!“, sagte der eine Soldat.

„Keine Sorge ich bin doch wieder hier.“, meinte ich. „Darf ich jetzt vorbei?“ Wortlos traten die beiden Männer zur Seite und ich wankte in den Schlosshof. Als ich die Treppe hinaufgegangen war und die Tür gerade aufmachen wollte, wurde sie auch schon aufgerissen und ich stand vor einem sehr wütend aussehenden Mason.

„Guten Tag mein Prinz. Ich entschuldige mich schon einmal für mein Aussehen aber...“

„Hör auf mit der Lügerei! Ich weiß, dass du meine Schwester bist!“, fauchte er.

„Nun gut. Als deine Schwester bitte ich dich, lass mich vorbei. Ich hatte ein paar schlimme Tage. Jetzt möchte ich nur in mein Bett, mich aufwärmen und etwas essen.“ Erst jetzt schien er zu bemerken wie sehr ich zitterte. Er bemerkte wohl auch meine nassen Sachen und die zerwühlten Haare.

„Wo warst du nur die ganze Nacht? Wieso hast du dich von uns abgeschottet?“, wollte er wissen. Doch ich machte meinem Privileg als Prinzessin Gebrauch und antwortete nicht. Ich drängte mich einfach an ihm vorbei und ging langsam die Treppen hoch, wobei ich mich am Geländer festhielt. Als ich vor meinem Zimmer stand, öffnete ich mit zitternden Händen meine Tür und trat hinein. Sofort sprang mir das Bild in die Augen, dass mich dort bot.

„Caitlin Sophie Dupont! Wo zur Hölle warst du? Wir haben uns solche Sorgen gemacht!“, brüllte mein Vater der König los. Er musterte mich von oben bis unten und sein Gesicht verfinsterte sich um einiges.

„Es tut mir leid Sire, dass ich Euch Sorgen um mich machen musstest, doch ich wollte meine Ruhe haben und konnte dabei keinen gebrauchen! Und wie Ihr wisst, kann ich gut auf mich selbst aufpassen.“ Besonders gebrauchen konnte ich nicht den jungen Mann, der schräg hinter meinem Vater stand und mich ansah.

„Hättest du uns nicht sagen können wo du ungefähr bist?`“, fragte James.

„Wenn ihr es wissen wollt wo ich war... Ich war im Wald auf der Lichtung.“, brummte ich.

„Und da warst du die ganze Nacht?“, schrie mein Vater.

„Ja. Das war ich Sire.“

„Und wieso bist du nicht erfroren?“

„Ich bin sehr wohl in der Lage ein Feuer zu machen Sire.“

„Und womit? Du hattest nichts mit genommen als du gingst!“

„Nein, das hatte ich nicht. Aber ich habe doch wohl die Fähigkeit das Feuer zu rufen und zu beherrschen.“

„Aber doch nicht ohne Übung oder Anleitung!“

„Nein. Das ist wohl wahr Sire. Aber ich war ja nicht allein. Ich hatte Gesellschaft von Eurem früheren Berater Lord John of Leeds.“

„Aber... Der ist doch schon seit Jahren tot Caitlin!“, sagten James und Mason gleichzeitig. Überrascht drehte ich mich um. Mein ältester Bruder stand hinter mir am Türrahmen und sah mich ruhig an.

„Nun. Vielleicht ist er das. Aber er brachte mir bei wie ich mir ein richtiges Lagerfeuer machte.“, sagte ich und sah meinem Vater fest in die Augen. „Und nun möchte ich mich ein wenig aufwärmen. Eine Nacht im Wald auf dem Boden ist nicht sehr angenehm. Besonders nicht zu dieser Jahreszeit.“

„Nein. Das stimmt. Diese Erfahrung musste ich auch schon einmal machen.“, sagte Alec und beteiligte sich damit zum ersten Mal an diesem Gespräch. Betont freundlich sah ich ihn an und meinte: „Mein Beileid Sir.“

„Caitlin...“

„Nein. Ich habe gerade nicht die Lust oder die Nerven Ihnen zuzuhören Sir. Raus hier! Ihr alle!“, bestimmte ich. Gehorsam gingen sie durch die Tür.

„Deine Freunde sind bei uns im Gästetrakt untergebracht. Vielleicht solltest du sie aufsuchen wenn du fertig bist. Sie sind außer sich vor Sorge.“, riet mein Vater.

„Das werde ich tun Sire. Vielen Dank für den Tipp.“ Ich hatte meiner Stimme das ganze Gespräch über, einen kalten Klang gegeben, den ich auch nicht veränderte. Er nickte und ging den anderen hinterher aus dem Zimmer.

 

Als ich allein war, schlurfte ich in mein Ankleidezimmer und holte mir neue Kleidung heraus. Dann ging ich schnell duschen. Das warme Wasser lockerte meine verspannten Muskeln auf und nach der Dusche fühlte ich mich schon viel besser. Ich zog mir meine neuen Klamotten an und ging zur Tür. Vor der Dimitri stand.

„Was macht Ihr hier Dimitri?“, fragte ich überrascht.

„Auf Euch aufpassen. Hattet Ihr mir nicht versprochen, dass Ihr mir Bescheid sagt wenn Ihr aus dem Schloss flüchtet?“

„Ja. Wenn ich daran denke.“ Nachdenklich machte ich mich auf den Weg.

„Prinzessin? Wo wollt Ihr jetzt hin?“, fragte Dimitri.

„Zu den Gästezimmern. Meine Freunde besuchen.“

„Dann geht ihr in die falsche Richtung.“„Oh. Nun... Würdet Ihr mir den Weg zeigen?“, bat ich. Er grinste.

„Natürlich Prinzessin.“ Er ging neben mir her und führte mich durch die verwirrenden Korridore. Vor einer Tür blieb er stehen und klopfte. Die Tür wurde schwungvoll geöffnet und Sarah fragte: „Habt Ihr sie gefunden?“ Da Dimitri vor mir stand, hatte sie mich nicht sehen können. Daher ging mein Wächter einen Schritt zur Seite und meine beste Freundin sprang mir schreiend in die Arme, so dass ich ein paar Schritte zurück taumelte.

„Mach das nie wieder!“, schrie sie schluchzend.

„Das muss ich mir noch überlegen.“, grinste ich. Für die Antwort bekam ich einen Boxhieb. „Schon gut, schon gut!“ Sie zog mich ins Zimmer und schlug Dimitri die Tür vor der Nase zu. Strafend sah ich sie an und öffnete die Tür. Dimitri stand dort völlig entgeistert und starrte mich an.

„Tut mir leid. Sie hat sich nur Sorgen gemacht.“

„Natürlich. Ich warte dann hier und bringe Euch zurück zu Eurem Zimmer.“

„Das brauchst du nicht.“

„Ich werde es aber trotzdem tun.“ Und da dämmerte es mir.

„Mein Vater will, dass du mich bewachst, damit ich nicht noch einmal weglaufen kann.“ Er nickte betrübt. „Das war so was von klar. Würdest du bitte dafür Sorgen, dass wir in einer Stunde eine Mitfahrgelegenheit haben? Ich will sie nach Hause bringen und meine Mutter besuchen.“ Er nickte und ich wandte mich ab und schlug die Tür zu. Und plötzlich wurde ich gegen die Tür gedrückt und von meinen Freunden umarmt.

„Weißt du eigentlich wie blöd du bist? Wir mussten gestern um dich bangen und auch noch heute Nacht? Willst du uns einen Herzinfakt bescheren?“, schrie Jana.

„Hm. Eigentlich nicht nein. Aber das musste mal sein.“

„Wir erkennen dich gar nicht wieder. Du bist so angriffslustig und vollkommen kalt gegenüber deiner Familie und auch Alec gegenüber.“, sagte Jana.

„Ja. Das stimmt. Ich hab keine Ahnung wieso das so ist...“, murmelte ich.

„Denkst du nicht, dass du dich mal ein wenig beruhigen solltest? Und dich ein wenig zusammennehmen solltest?“

„Ja. Doch es ist so schwer! Jetzt hat mein Vater mir gerade Dimitri zur Seite gestellt damit er mich bewacht und mich wieder nach Hause bringt wenn ich weglaufe. Als ob ich einen Wächter brauchen würde.“

„Du weißt, dass dein Vater dich nur beschützen will!“

„Und er übertreibt.“

„Denkst du nicht, dass er seine Gründe hat?“

„Genau Cat. Ich meine denk nur an deinen komischen Onkel.“

„Ja. Der ist tot! Ich habe ihn umgebracht. Also sollte er sich nicht so anstellen.“, brummte ich.

„Egal. Lass uns nicht streiten.“, meinte Tristan. „Lass uns über etwas anderes reden.“

„Gute Idee.Habt ihr irgendwas zu essen?“, fragte ich hoffnungsvoll.

„Wieso? Ich dachte eine Prinzessin bekommt viel zu viel Essen.“

„Hallo? Ich hab die Nacht im Wald verbracht! Da gab es nichts was ich essen konnte. Und am Tag davor habe ich nur ein kleines Frühstück bestehend aus einem Apfel und einer Banane gehabt!“

„Wieso Cat? Wieso machst du das? Denkst du, dass du zu dick bist oder was?“, fragte Sarah.

„Nein. Oder vielleicht ein bisschen.“, meinte ich und bekam dafür einen strafenden Blick von meinen drei Freunden. „Ich hatte einfach nur keinen Hunger!“ Tristan hielt mir eine Schale voll Obst hin. Gierig nahm ich mir einen Apfel und biss hinein.

„Könnt ihr mir mal verraten wieso ihr nicht in der Schule seid?“, fragte ich.

„Hm. Wir schwänzen.“

„Ihr tut was?“, schrie ich aufgebracht.

„Was nur ein Scherz!“, lachte Sarah. „Wir haben heute doch diesen Ausflug ins Kino gemacht. Da waren wir heute schon. Und der fing schon um neun an und war um zwölf zu Ende. Jetzt haben wir es drei Uhr.“

„Wartet. Das heißt ich war bis um zwei im Wald!“

„Du hast deine Nacht in einem Wald verbracht?“, fragte Jana entgeistert. Genüsslich biss ich noch ein weiteres Stück ab und nickte. „Solche Sachen hättest du früher nicht gemacht.“ Ihre Stimme klang vorwurfsvoll. Schulterzuckend biss ich noch ein Stück ab. Dann klopfte es an der Tür.

„Herein.“, rief Tristan. Die Tür öffnete sich und Dimitri stand vor uns.

„Prinzessin? Wir sind bereit und können Eure Freunde jetzt nach Hause fahren.“ Ich nickte.

„Kommt ihr?“, fragte ich.

Meine Freunde standen auf und folgten mir aus dem Zimmer. Gemeinsam liefen wir hinter Dimitri her, der uns nach draußen brachten. Dort wartete, wie nicht anders zu erwarten, die schwarze Limousine meines Vaters. Das war so was von klar gewesen.

„Wieso? Wieso nehmen wir nicht einfach den x6?“, fragte ich.

„Weil Euer Vater möchte, dass Ihr wie eine Prinzessin herumfahrt.“

„Eine Prinzessin kann doch wohl machen was sie will! Oder nicht?“, fragte ich sauer.

„Na ja. Theoretisch gesehen schon. Aber auch nur das was ihr Vater ihr erlaubt.“

„Sehe ich denn wenigstens gut aus? Damit ich auch wirklich aussehe als wäre ich eine Prinzessin dieses Reiches und nicht irgendein normaler Mensch.“

„Du siehst perfekt aus Cat. Die Bluse und auch die Hose. Dann noch die Schminke. Wirklich gut gemacht.“, sagte Sarah.

„Ja. Gute Arbeit von deiner Zofe.“, sagte Jana bewundernd.

„Vielen Dank wie viel Vertrauen in mich habt! Das war ich selbst!“

„Was? Ernsthaft jetzt? Du kannst dir auch andere Dinge anziehen außer Pullover und zerrissenen Jeans?“, fragte Tristan gespielt erstaunt.

Augen verdrehend stieg ich ins Auto. Meine Freunde und Dimitri taten es mir nach und gemeinsam fuhren wir in die Stadt. Wir würden meine Freunde bald wieder abholen, weil Dimitri meinte, dass mein Vater das gesagt hatte. Weswegen sie wieder kommen sollten, wusste ich nicht. Wir setzten meine Freunde an ihrem jeweiligen Zuhause ab und fuhren dann weiter zu meiner Mutter. Während der wenigen Minuten, die wir alleine im Auto saßen sagten wir beide nichts. Wir genossen die Stille und sahen aus dem Fenster. Als der Fahrer dann hielt, wartete ich bis er die Tür aufgemacht und mir die Hand entgegengestreckt hatte bevor ich ausstieg. Natürlich mit der Hilfe des Chauffeurs. Wir wollten doch die ganze Welt sah wie gesittet ich war! Dann ging ich gefolgt von Dimitri die Stufen zu unserem Haus hinauf und klingelte. Ich hörte die Schritte meiner Mutter auf dem Paketboden im Flur und kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Meine Mutter stand im Türrahmen und sah mich freudig überrascht an.

„Guten Tag Mama. Dürften wir herein kommen oder stören wir?“, fragte ich.

„Du störst doch nicht Caitlin. Kommt nur rein.“ Sie trat zurück und ließ uns eintreten. Im Flur zogen wir uns unsere Schuhe aus und setzten uns ins Wohnzimmer auf die Couch. „Denkst du wirklich, dass es eine gute Idee ist hierher zu kommen? Ich meine dein Onkel...“

„Mein Onkel ist tot!“, eröffnete ich ihr. Ihr Mund klappte auf.

„Du willst mir sagen, dass der Mann, der schon seit Jahren gesucht aber nie gefunden wurde tot ist?“

„Genau das will ich dir sagen.“, sagte ich.

„Gott sei Dank.“, sagte sie. Meine Mutter beobachtete mich kritisch. „Wer hat ihn...“

„Umgebracht? Ich. Und dabei gleich Mason zurück gebracht. Gleich nach unserer Ankunft im Schloss ist mein geliebter Vater auf seinen seit Jahren tot geglaubten Sohn zu gerannt und ihn in die Arme genommen. Und ich. Halb tot, vollkommen geschockt über meine Taten, wurde zurück gelassen. Denn ich war ihm ja nicht wichtig genug!“ Meine Stimme war bitter. Genauso bitter wie ich mich seit zwei Tagen fühlte.

„Das denkst du also? War das der Grund wieso du weggelaufen bist Caitlin?“, fragte meine Mutter.

„Woher...“

„Raphael hat mich angerufen in der Hoffnung, dass du bei mir bist. Du siehst also. Du bist ihm nicht egal.“

„Tja. So macht es aber den Anschein.“, sagte ich trotzig, „Und er sagt dir, dass ich weggelaufen bin aber nicht, dass mein Onkel tot ist?“

„Ich denke, dass seine Sorge um dich nicht zugelassen hat, dass er an etwas anderes denkt.“, meinte meine Mutter. Schnaubend sah ich meine Mutter an. Jetzt verteidigt sie ihn auch noch!

„Ah ja. Genau! Der Vampirkönig Englands kann sich wegen mir nicht mehr konzentrieren.“, spottete ich. „Als ob ich so wichtig für ihn wäre!“

„Das bist du Caitlin!“, sagte Dimitri und mischte sich zum ersten Mal in unser Gespräch ein. „Weißt du eigentlich wie unfair du bist? Der König weiß vielleicht noch nicht lange, dass du seine Tochter bist und muss sich noch daran gewöhnen aber er liebt dich! Genauso wie er Mason und James liebt!“

„Woher willst du das wissen?“, fragte ich bissig. Doch Dimitri's Worte brachten mich zum nachdenken. Sind die Worte denn die Wahrheit, die mein Wächter gerade gesagt hatte? Liebte mich mein Vater?

„Ich habe Augen im Kopf! Seine Augen fangen an zu strahlen wenn er dich sieht! Er grinst öfters nach Gesprächen mit dir. Er ist nicht sauer darüber, dass du ihn nicht in der Nähe haben willst, nur etwas enttäuscht und er fragt sich wieso du so abweisend bist....“ Verlegen schlug ich die Augen nieder.

„Weißt du Dimitri. Ich glaube dieser Mord an meinem Onkel...“

„Es war kein Mord. Es war eine Entscheidung, die du fällen musstest, denn hättest du ihn gefangen genommen, wäre er bald wieder entwischt und wir hätten Mason nicht zurückbekommen!“, unterbrach mich Dimitri sofort.

„Der Mord an meinem Onkel hat mich wahrscheinlich viel zu sehr mitgenommen. Ich kann nicht mehr klar denken. Und dann das mit Alec... Ich habe das Gefühl ich platze. Ich meine ich bin doch auch nur ein Mensch! Jedenfalls zum Teil...“, schloss ich bitter.

„Was ist mit Alec?“, wollte meine Mutter wissen. Ich antwortete nicht. Dimitri warf mir einen Blick zu und erklärte: „Caitlin wurde bei dem Kampf schwer verletzt. Sie tötete ihren Onkel, doch wurde von seinen Wachen angegriffen und verletzt, verlor sehr viel und sehr schnell Blut aus den Wunden. Alec kniete sich neben sie und untersuchte sie. Kurz nachdem er feststellte, dass sie nicht überleben konnte wenn Caitlin nicht bald Blut bekäme, wurde er an sie gebunden. Mit Hilfe seines Blutes, schlossen sich die Wunden von Caitlin und sie überlebte.“ Meine Mutter hatte die Hände vor dem Mund geschlagen und entsetzt den Ausführungen meines Wächters gelauscht.

„Na danke. Hättest du ihr das erzählen müssen? Also das mit dem fast sterben? Eigentlich wollte ich ihr nur sagen, dass Alec und ich jetzt verschissene Gefährten sind!“

„Du bist jetzt mit Alec verbunden? Dem Alec, mit dem du im Garten gekämpft hast?“

„Genau der.“, grummelte ich. „Und nicht, dass ich jetzt schon ein Tattoo habe, das ich mir selbst stechen ließ, nein jetzt habe ich noch ein, das mich an meinen Titel erinnert und ich habe den Namen dieses Arschloches auf meinem Arm!“

„Er sieht gut aus. Alec meine ich.“, sagte meine Mutter beiläufig.

„Mutter!“, sagte ich entgeistert. Dimitri fing an zu lachen. „Was sollte der Kommentar jetzt?“

„Nichts. Ich stelle nur Tatsachen fest. Du bist jetzt von lauter gutaussehenden Jungs umgeben da...“

„Zwei von ihnen sind meine Brüder und der andere ist mein Gefährte und ich hasse ihn.“

„Und was ist mit mir?“, fragte Dimitri lachend.

„Oh dich habe ich natürlich vergessen. Du bist mein Wächter. Und Mama. Du weißt was ich gesagt habe als das mit Max passiert ist.“

„Ja. Aber das ist jetzt zwei Jahre her. Und du solltest wirklich anfangen...“

„Nein.“, schnitt ich ihr das Wort ab. „Und ich habe nicht vor das noch weiter zu diskutieren. Themawechsel bitte!“

„Gute Idee.“ Dimitri stand auf und ging in den Flur. Verwundert sah ich ihm hinterher und wechselte einen Blick mit meiner Mutter, die nur verwirrt den Kopf schüttelte. Kurz darauf kam er wieder zurück, einen Brief in der Hand, den er meiner Mutter reichte. „Der König lädt Sie zu dem heute angesetzten Ball ein.“

„Nicht schon wieder ein Ball!“, stöhnte ich. „Hatten wir nicht erst vorgestern einen?“

„Daran wirst du dich gewöhnen müssen Prinzessin. Du wirst ab jetzt mehrere erleben müssen.“, sagte Dimitri.

„Nein. Zum Glück nicht wenn ich hier Zuhause lebe.“ Da wechselten meine Mutter und mein Wächter so einen Blick.

„Was war das für ein Blick?“, wollte ich wissen. Da wechselten sie noch so einen Blick und meine Mutter gab sich sichtbar einen Ruck.

„Caitlin. Raphael und ich haben beschlossen, dass du im Schloss leben sollst.“

„Aber...“, sagte ich schwach. „Was ist mit Anastasia und Daniel und dir?“

„Du wirst uns schon oft genug sehen. Keine Sorge.“, beruhigte sie mich. „Und wenn es dir zu viel wird, dort im Schloss, kannst du immer zu uns kommen und für ein paar Tage bei uns wohnen.“ Ich nickte. Meine Mutter öffnete den Brief und las ihn sich schnell durch.

„Kommen Sie jetzt mit?“, fragte Dimitri.

„Ja. Ich brauche ein Kleid und das andere und dann können wir los.“ Sie stand auf und sah mich lächelnd an. „Bis gleich.“

„Nimm das violette. Es passt perfekt zu deinen Braunen Haaren.“, riet ich ihr. Sie lachte und antwortete: „Ob du es glaubst oder nicht, genau das hatte ich vor.“ Sie verschwand und ich saß mit Dimitri alleine im Wohnzimmer. Ich seufzte und er sah mich an.

„Was ist los Prinzessin?“, fragte er.

„Weißt du. Es wächst mir alles über den Kopf. Ich denke immer, dass ich nicht dazu gemacht bin eine Prinzessin zu sein.“

„Doch. Du hast Raphaels Blut in den Adern. Sie geben dir auch die Macht und das Geschick eine Prinzessin zu sein. Und wärst du keine würdige Prinzessin hätte der erste König der Vampire, er hieß Edward, dich nicht gezeichnet.“

„Vielleicht hat er sich geirrt.“

„Der König irrt sich nie. Jeder Einzelne, den er gezeichnet hat, wurde zu einem wunderbaren Herrscher der Vampire.“

„Na gut. Und trotzdem steigt mir das zu Kopf. Ich meine ich erfahre von Heute auf Morgen, dass ich eine Prinzessin bin und gleichzeitig eine Vampirin. Da ist es normal, dass ich manchmal ein wenig durchdrehe. Ich habe das königlich sein nicht mit der Muttermilch aufgesogen wie James und Mason.“

„Nein. Aber dafür weißt du wie die normalen Menschen ticken. Das ist wirklich hilfreich. Du wirst schon sehen. Du wirst eine wunderbare Prinzessin sein.“

„Wenn du dich da mal nicht irrst.“, murmelte ich. Er schüttelte nur lächelnd den Kopf. Plötzlich hörte ich wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde und meine kleine Schwester kreischen. Lächelnd rief ich: „Na Anastasia! Hast du schon versucht mein Zimmer zu verwüsten?“ Noch ein Schrei und schon schlitterte meine Schwester in den Raum und warf sich mir an den Hals. Lachend drückte ich sie an mich. „Ja. Ich hab dich auch lieb. Würdest du aber locker lassen? Du erstickst mich.“ Sofort nahm sie ihre Arme von meinem Hals, machte es sich aber auf meinem Schoß gemütlich.

„Wie alt ist deine Schwester Caitlin?“, fragte Dimitri.

„Ich bin schon fünf!“, sagte meine kleine Schwester stolz.

„Wow. Das ist aber ganz schön alt!“, sagte Dimitri gebührend beeindruckt und meine Schwester nickte hochmütig. Das hatte sie drauf. Er lächelte mir zu.

„Wie heißt du?“, fragte die kleine.

„Dimitri.“

„Und bist du der Freund von Caitlin?“, fragte sie und ihre großen braunen Augen fixierten ihn.

„Nein. Ich bin ein Kumpel von ihr.“, antwortete er.

„Hey Schatz.“, sagte Daniel von der Tür her. Ich setzte Anastasia auf den Schoß von Dimitri wo sie sich vertrauensvoll in seine Arme kuschelte und stand auf um meinen Ziehvater zu begrüßen.

„Hey. Na wo kommt ihr denn her?“, fragte ich.

„Vom Einkaufen. Tassi übernachtet heute bei ihrer Freundin und brauchte unbedingt noch Schokolade.“

„Papa! Sie soll sich doch gesund ernähren!“, schimpfte ich. Aber bevor er zu Protesten ansetzen konnte, kam meine Mutter in den Raum. Eine Tasche über der Schulter.

„Hey Daniel. Gut, dass du da bist. Anastasia ist ja heute bei ihrer Freundin. Und du beim Fußball. Ich geh heute mit Caitlin mit und verbringe da die Nacht.“

„Du bist eingeladen worden?“, fragte Daniel.

„Ja. Heute ist ein Ball zur Feier dass Caitlins Onkel weg ist und ihr Vater hat mich eingeladen.“

„Okay. Na dann viel Spaß.“ Daniel gab mir einen Kuss auf die Wange und ging nach oben. Dimitri setzte meine Schwester ab und sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. Überrascht sah er mich an und ich nickte ihm lächelnd zu. Sie rannte auf mich zu und ich verabschiedete mich von ihr. Wir stiegen in die Limousine. Jedenfalls wollte ich das, doch dann sah ich Chloe auf mich zu kommen. Sie sah wütend aus.

 

„Oh. Hey Chloe. Was ist passiert?“, fragte ich.

„Was passiert ist?“, schrie sie aufgebracht. „Alec meldet sich nach Tagen mal wieder, sagt er muss mich treffen und was passiert dann? Er macht Schluss!“

„Er hat Schluss gemacht?“, fragte ich erstaunt.

„Ja. Einfach so. Ohne Grund!“ Jetzt liefen ihr Tränen über die Wange. „Oder doch. Er meinte er könne das nicht mehr. Es wäre nicht fair ihr gegenüber.“

„Wer ist sie?“, wollte ich wissen.

„Keine Ahnung! Wahrscheinlich irgendeine Schlampe von ihm.“ Ich konnte sie vielleicht nicht leiden, doch wenn ein Junge ein Mädchen verarschte, dann hielten sie zusammen. Also nahm ich vorsichtig ihre Hand und sah sie an.

„Guck mal. Er hat deine Tränen gar nicht verdient.“ Ich horchte in mich hinein und „schickte“ Alec ein Bild der weinenden Chloe.

Findest du das witzig? Sie zu vögeln und dann fallen zu lassen wenn du genug hast?“, fragte ich wütend.

Hey! Ich kläre sie auf, dass es nicht mehr ist als Sex.

Das ist so ein Grund wieso ich dich hasse Alec.“, knurrte ich ihn in Gedanken an.

Wieso bist du denn so wütend? Du magst sie doch noch nicht mal!

Nein. Aber kein Mädchen hat es verdient verarscht zu werden!“ Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder Chloe zu. „Weißt du was? Ruf deine Freundinnen an und lästre mal schön über ihn ab. Wetten er ist gar nicht so gut im Bett wie er immer sagt?“ Ich hatte es extra an Alec geschickt und sofort hörte ich ein knurren in meinen Gedanken. „Bist du sicher, dass du nicht doch ein Werwolf bist? Du knurrst die ganze Zeit wie einer.“, feixte ich.

Ich werde gleich zum Werwolf Prinzessin und dann ist nicht mehr zu spaßen!

„Er ist wirklich nicht gut im Bett. Ich hatte schon viel bessere.“ Sie lächelte überheblich.

„Siehst du. Und jetzt machst du schön irgendwas was dir gefällt. Keine Ahnung Frust shoppen oder so und verschwendest keinen einzigen Gedanken an dieses Arschloch.“ Sie nickte und wollte sich umdrehen. Doch dann überlegte sie es sich anders und nahm mich in den Arm.„Danke, dass du mir hilfst obwohl ich so scheiße zu dir war.“

„Hey, kein Ding. Dafür musst du mir aber all die schlimmen Sachen über das Arschloch erzählen.“ Sie fing an diabolisch zu grinsen.

„Abgemacht. Willst du dich am Montag zu uns setzten? Wir haben ja morgen frei wegen den Gesprächen und da können wir dann reden.“, schlug sie vor.

„Klar.“ Ich grinste sie an. Sie umarmte mich noch einmal und ging dann davon. Als ich mich zum Auto umdrehte sah ich meine Freunde an, die mich entgeistert ansahen.

„Was war das bitte?“, fragte Jana. Ich setzte mich in die Limousine und sagte nichts. „Hallo? Ich rede mit dir!“

„Ja. Und ich habe dich gehört, will aber dazu nichts sagen.“, sagte ich.

„Wieso...“ Sie sah meinen Blick auf Dimitri und meine Mutter und verstummte. „Oh Desiree was machst du denn hier?“

„Raphael hat mich eingeladen.“

„Nun das wird interessant.“, lachte ich.

„Wieso?“, fragte meine Mutter aber ich winkte ab. „Caitlin.“

„Du wirst wahrscheinlich die ganze Zeit versuchen mich davon abzuhalten Alec an die Gurgel zu springen. Und dann wirst du dich noch mit dem König unterhalten müssen und tanzen...“

„Ach was. Das wird toll!“ Ja, ganz bestimmt. Besonders für mich. Diejenige, die sich den ganzen Abend zu benehmen hatte.

 

 

Kapitel 11

Damit ein Kuss wirklich gut ist muss er einem schon richtig etwas bedeuten. Er sollte mit jemand sein, den man nicht mehr aus dem Kopf kriegen kann. So das man es überall spürt wenn die Lippen sich endlich berühren. Ein Kuss so heiß und so tief das man nie wieder Luft holen will. Beim ersten Kuss sollte man nicht mogeln. Vertrau mir das wäre nicht gut. Wenn man erst mal den richtigen gefunden hat wird der erste Kuss einfach alles sein.

(Alex Karev „Greys Anatomy“ Staffel 2 Episode 7)

 

 

 

Wir kamen im Schloss an und meine Mädels und ich zogen in mein Zimmer. Tristan ging mit Dimitri mit. Die Mädels kicherten die ganze Zeit und scheuchten mich ins Bad. Die hatten natürlich schon geduscht und nun suchten sie nach Kleidern für heute Abend. Das wird ja super... Also duschte ich mich in Schallgeschwindigkeit und gesellte mich dann zu meinen Mädels, die schon einige Kleider raus gelegt hatten. Nach einer Stunde endlosem Suchen hatten wir alle unsere Outfits.

Sarah hatte sich für ein gold-blaues Kleid entschieden. Oben bis kurz unter die Brüste war es golden mit Pailletten. Als Übergang gab es eine goldene Schleife. Dann floss es in einem dunkelblau an ihrem Körper herunter. Es stand ihr perfekt. Goldene Riemen Sandalen mit Absatz vervollständigten ihr Outfit. Ann, die freundlicherweise auch meinen Freundinnen die Haare und das Make-up machte, hatte ihre schwarzen Haare offen gelassen, doch an den Spitzen gelockt und ihr eine goldene Spange ins Haar gesteckt.

Jana und ihr rotes Haar waren ein kleines Problem, denn ich hatte nicht so viele Kleider, die zu so einer Haarfarbe passten und zusätzlich war Jana ganz schön wählerisch. Doch endlich hatten wir auch für sie ein Kleid gefunden. Ein schwarzes Kleid mit Spaghettiträgern, welches rückenfrei war und eng an ihrem Körper hinunter floss. An der linken Seite waren Perlen hinein gestickt. Es stand ihr wirklich gut. Dazu hatte sie sich perlmuttfarbene Pumps ausgesucht, die perfekt zu den Perlen passten. Ihre roten Haare ließ sie sich zu einem Seitendutt machen und einige Perlenstecker waren in ihrem Haar befestigt. Ein Perlenarmband vervollständigte ihr Outfit. Jetzt gab es nur noch mich.

Ich hatte mich für ein, ein Träger Kleid entschieden. Roséfarben, lang, doch es hatte einen langen Schlitz, der bis kurz unter die Hüfte ging, sodass ich tanzen konnte und auch schön meine Beine Bewegungsfreiheit hatten. An der Brust waren kleine Diamanten eingelassen und funkelten bei der Lichtreflektion. Ein Diamanten Collier mit Roséfarbenen Blumen schmiegte sich um mein Hals und das Diadem auf meinem Kopf funkelte. Ein dünnes Diamantenarmband lag um mein linken Arm. Meine Haare waren gelockt und zu einer Hochsteckfrisur frisiert. Das Diadem saß sicher auf meinem Kopf und bewegte sich nicht und auch meine Frisur hielt den wilden Bewegungen stand als ich es austestete. Die Mädels sahen mich ehrfürchtig an und klatschten.

„Danke Ann. Du hast mal wieder ein Kunststück geschaffen. Bei uns Dreien.“, sagte ich und küsste sie auf die Wange. Ann wurde rot und verabschiedete sich eilig.

„Du siehst wunderschön aus meine Süße!“, sagte Jana und lächelte.

„Und ihr erst! Ihr wärt wunderschöne Prinzessinnen. Und ich wette ihr verdreht meinen Brüdern den Kopf!“

„Das glaubst du doch selbst nicht! Mason ist ein...“, Jana brach ab.

„Ich weiß. Aber es ändert nichts an den Tatsachen, dass er mein Bruder ist.“, sagte ich. Es klopfte. Ich stand auf und öffnete.

 

Dort vor der Tür standen meine Brüder, Dimitri und Alec.

„Wo ist Tristan?“, fragte ich.

„Schon im Saal.“, antwortete James und ich nickte. Er ging auf Sarah zu und machte eine Verbeugung. „Darf ich Sie fragen ob sie meine heutige Begleitung sein wollen?“ Ganz der Gentleman. Sarah verfiel ihm sofort. Sie nickte kichernd und ließ sich nach draußen führen. Mason ging auf meine andere Freundin zu. Jana erwartete ihn mit ausdruckslosen Gesicht. Mein Vater hatte ihr gesagt, dass sie mit Mason den Ball besuchen müsse. Das gefiel ihr gar nicht, doch sie wollte unbedingt hin und hatte deswegen murrend zugestimmt.

„Lady Jana? Dürfte ich bitten?“, fragte Mason freundlich. Ganz anders als der Mason den ich kannte. Anders als Jana ihn kannte. Meine Freundin warf mir einen verwirrten Blick zu, den ich verständnislos und schulterzuckend erwiderte. Sie reichte ihm leicht lächelnd die Hand und sie gingen hinaus. Dimitri hatte sich mit ihnen verduftet. Nun waren nur noch Alec und ich im Raum.

„Prinzessin Caitlin. Düfte ich Euch bitten meine heutige Begleitung zu sein?“ Mit verschränkten Armen nickte ich.

„Natürlich Lord Alec. Mein Gefährte.“ Spöttisch hatte ich den Mund verzogen. Ich hielt ihm die Hand hin, die er ergriff und mich nach draußen führte.

„Ihr seht heute Abend wirklich königlich aus Prinzessin.“, sagte Alec. Er führte mich durch die Korridore, hinter meinem ältesten Bruder her.

„Wieso hast du mit Chloe Schluss gemacht?“, fragte ich ohne auf sein Kompliment einzugehen. Er wandte seinen Kopf zu mir und lächelte. „Ich meine es wäre ihr gegenüber nicht fair ist kein sehr aufschlussreicher Grund.“ Er schüttelte den Kopf.

„Nein, ist es nicht. Und ich denke nicht, dass ich einen Grund habe Euch zu erklären wieso ich mit meiner Freundin Schluss gemacht habe.“

„Nein, hast du wahrscheinlich nicht. Aber denkst du nicht, dass sie einen Grund hat es zu erfahren. Also Chloe meine ich.“

„Ich hab ihr gesagt wieso ich Schluss gemacht habe und das reicht.“, sagte er und ich merkte, dass er das Thema mit diesen Worten für beendet erklärte. Ich hakte nicht weiter nach. Wir bogen um die Ecke und sahen gerade Mason und Jana im Ballsaal verschwinden. Kurz darauf hörte ich einen Ohrenbetäubenden Jubel.

 

„Wussten die Lords und Ladys nicht, dass Mason wieder da war?“, fragte ich meine Begleitung.

„Nein. Vater wollte es als Überraschung machen. Er wird heute James dafür auszeichnen, dass er deinen Bruder und Thronfolger wieder zu uns gebracht hat.“ Er machte eine Pause und sah mich neugierig an. „Wieso hast du ihnen nicht die Wahrheit gesagt?“ Ich wusste was er meinte. Wieso hatte ich meinen Bruder und meinen Vater angelogen und gesagt, dass James Mason befreit hatte? Tja, die Antwort ist ganz einfach.

„Ich wollte keine Heldin sein. Weißt du ich konnte nichts dagegen machen, dass ich zum Halbvampir wurde, dass ich zur Prinzessin des Königreiches wurde, dass wir zu Gefährten wurden. Doch ich konnte verhindern, dass ich zur Heldin wurde. Jetzt bin ich nur diejenige, die ihrem Bruder zur Seite stand als dieser den ältesten Sohn des Königs befreite.“

„Du willst also keinen Ruhm? Keine Ehre?“

„Was soll ich mit Ruhm und Ehre wenn ich dieses Leben in Wirklichkeit noch nicht einmal will? Da bin ich lieber die Unbedeutende kleine Prinzessin, der Bastard des Königs.“

„Bastard? Du weißt ehrlich was das ist?“

„Im Gegensatz zu dir weiß ein paar Dinge über das Mittelalter, die Geschichte unseres Landes und andere Fachausdrücke.“

„Nein, ich meinte das jetzt nicht spöttisch, sondern ich war beeindruckt, weil nicht so viele Leute sich mit solchen Ausdrücken auskennen.“, beeilte er sich zu sagen.

„Danke.“ Die Wache vor der Tür winkte uns hinein.

„Ihr seid dran. Viel Spaß auf dem Ball!“

„Danke.“, sagten Alec und ich wie aus einem Mund. Er winkte uns hinein und der Herold sagte: „Prinzessin Caitlin Sophie und Lord Alec of Manchester.“ Wir blieben stehen und lächelten, dann gingen wir die Treppe hinunter und auf die Throne zu. Wir verneigten uns vor dem König und ich setzte mich auf meinen Thron ganz links, so dass ein Platz zwischen mir und dem König leer blieb. Meine Brüder saßen rechts vom König. Alec hingegen ging zu meinen Freundinnen und meiner Mutter, die sich ans Fenster gestellt hatten. Sie sahen mich an und lächelten. Plötzlich stand der König auf und wir sahen ihn an. Es wurde vollkommen still im Saal. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Jedenfalls diejenigen unter uns mit einem überdurchschnittlich guten Vampirgehör.

„Wir sind heute zusammengekommen um das Wunder zu feiern, dass mein Sohn Mason, Thronfolger meines Platzes, wieder zu uns zurück gekehrt ist. Dies verdanken wir James, der mit Mut seinen Onkel Salomon of Northumberland tötete und seinen Bruder aus dem Schwert befreite, dass ihn für so lange Zeit gefangen hielt.“ Er wartete den Applaus ab bevor er weiter sprach. „Dieser Ball ist deshalb nicht nur ein Fest um die Rückkehr meines ältesten Sohnes zu feiern, sondern auch den Tod von Salomon und den Mut meines zweitältesten Sohnes James.“ Ich sah James in die Augen und lächelte ihm zu. Doch er schüttelte nur den Kopf und stand auf.

„Darf ich etwas sagen Vater?“, fragte er ernst und ich bekam ein ungutes Gefühl im Bauch.

James was hast du vor?“, flüsterte ich ihm in Gedanken zu, doch er ignorierte mich.

„Natürlich mein Sohn.“, sagte Raphael und trat einen Schritt zurück.

„Ich muss euch etwas gestehen. Ich war es nicht, der Mason zu uns zurück holte. Nein, es war meine Schwester Caitlin.“ Ein Raunen erhob sich und alle Leute sahen mich an. „Sie bat mich diese Sache auf meine Schultern zu nehmen, der Grund ist mir selbst unklar, und ich tat ihr den Gefallen. Doch jetzt kann ich mit dieser Lüge nicht mehr leben. Ich kann nicht gepriesen werden für eine Sache, die ich nicht getan habe. Es tut mir leid.“ Fassungslos starrte ich meinen Bruder an. Er hatte mich verraten. Er hatte mich wirklich verraten.

Wieso James? Wieso?“, fragte ich verständnislos. „Du weißt ganz genau, dass ich das nicht wollte!

 

„Ist das wahr Caitlin?“, fragte der König. Langsam wandte ich den Kopf und sah meinem Vater in die Augen.

„Ja, Vater ich habe Mason zurückgebracht.“, sagte ich tonlos.

„Und woher wusstest du von dem Zauber mit dem dein Onkel deinen Bruder gefangen hielt?“

„Ich...“, fing ich an. Ich wollte meine Gabe nicht preisgeben, doch mein Vater wollte die Wahrheit hören, seine Untertanen genauso und mir fiel keine glaubwürdige Lüge ein. „Ich habe doch die Gabe mit den Toten zu sprechen und sie zurückzuschicken Vater. Vor einigen Tagen sprach ich mit Königin Elisabeth, der Mutter von Prinz Mason, meinem Bruder. Sie trat nicht in die Anderernwelt ein als sie starb, sondern blieb hier auf der Erde. Die Königin sagte mir was zu tun ist.“ Niemand lachte, doch ich sah die Ungläubigkeit in ihren Gesichtern. Da trat die älteste Vampirin aus der Menge hervor.

„Nun. Wieso wolltest du nicht, dass wir wissen, dass du Prinz Mason befreit hast?“, fragte sie.

„Ich denke nicht, dass es Euch etwas angeht. Euch alle.“, erwiderte ich.

„Nein. Doch neugierig sind wir doch.“, sagte sie lächelnd. Ich erwiderte das Lächeln und sah zu meinem Vater. Der starrte mich an. Auch Mason starrte mich ungläubig an. Tja. Er hatte wohl nicht erwartet, dass ich das konnte. Ich zuckte nur die Schultern.

Wollten wir nicht feiern?“, fragte ich ihn in Gedanken und er erwachte aus seiner Starre.

„Nun. Dann lasst uns feiern!“, sagte er. „Der erste Tanz gehört meinen Kindern. Los.“ Meine Brüder standen sofort auf und gingen zielstrebig auf meine Freundinnen zu. Zum Glück konnten sie den Walzer tanzen. Und auch ein paar andere Standarttänze. Ich hatte sie und auch Tristan dazu gezwungen mit mir zum Unterricht zu gehen. Doch als ich dann weiter machte und bei meinen ersten Wettkämpfen teilnahm, haben sie aufgehört und sich ihre eigenen Hobbys gesucht. Das war jetzt erst ein Jahr her.

 

Als ich den Blick von meinem Vater spürte, stand ich langsam auf und ging auf Alec zu. Ich machte einen Knicks vor ihm und er verbeugte sich. Und schon führte er mich auf die Tanzfläche wo meine beiden Brüder schon mit ihren Begleitungen warteten. Die Musiker fingen an zu spielen und Alec führte mich elegant durch den Tanz. Wir wirbelten herum, so dass mir am Ende schon ein wenig schwindelig war. Und dann wurde ich von James durch die Gegend gewirbelt und von Mason. Auch mein Vater war mit von der Partie. Und dann kam Alec noch einmal dran. Er führte mich durch einen anmutigen Tango. Anmutig tanzten wir über die Tanzfläche. Er hob mich hoch und wirbelte mich herum. Fröhlich passte ich mich seinem Tanzstil an und merkte, dass ich mit ihm an meiner Seite viele Meisterschaften gewonnen hätte. Am Ende lag ich in seinen Armen und war von seinen Augen gefesselt. Sie glühten regelrecht. Als er mich wieder in die aufrechte Position brachte machte ich einen leichten Knicks und ging auf meinen Thron zu. Doch bevor ich mich hinsetzte nahm ich mir ein Glas Champagner von einem Tablett eines Dieners.

Als ich saß nahm ich einen Schluck und beobachtete die Leute, die jetzt fröhlich tanzten oder sich unterhielten. Es herrschte allgemein eine sehr ausgelassene Laune. Ganz anders als zu meiner Krönung zur Prinzessin. Das war aber kein Wunder, denn ihr geliebter Prinz war wieder da. Ein Prinz, der immer sehr nett, höflich und gütig zu ihnen gewesen war. Er war der Sonnenschein im Schloss gewesen. Und so wie er sich gerade ungezwungen mit den Leuten unterhielt, konnte ich diese Meinung der Leute nur teilen. Ich sah meinen Brüdern bei ihren Unterhaltungen mit den anderen Vampiren zu und merkte wie wenig ich hier her gehörte. Ich war nicht dazu geboren eine Vampirprinzessin zu sein. Nachdenklich nahm ich einen Schluck von meinem Getränk.

„Sie sieht echt wunderschön aus in ihrem Kleid.“, sagte jemand an meiner linken Seite. Überrascht sah ich auf und sah meinen Vater neben meinem Thron stehen.

„Wer?“, fragte ich und nahm einen Schluck aus meinem Glas.

„Deine Mutter.“, antwortete er und sieht lächelnd in ihre Richtung. Ich folgte seinem Blick und beobachtete meine Mutter, die sich mit der Vampir ältesten unterhielt. „Ich habe ihr das Kleid geschenkt. Kurz nachdem ich erfuhr, dass sie mit James schwanger war.“

„Sie hat es nicht ein einziges Mal getragen.“, erwiderte ich.

„Wirklich nicht?“ Überrascht sah mein Vater zu mir, wandte seinen Blick aber schon kurz darauf wieder meiner Mutter zu.

„Nein. Immer wenn wir eingeladen wurden und ich wollte, dass sie ihr Kleid anzog sagte sie zu mir immer den gleichen Satz. ''Nein Schatz. Dieses Kleid ist Teil meiner Vergangenheit. Es ist mit viel Liebe und Trauer verbunden. Es ist eine Erinnerung an eine Zeit, die ich mir so sehr zurück wünsche.'' Nun und sie trug das Kleid nie.“ Ich sah meinen Vater an, der einen abwesenden Ausdruck im Gesicht hatte. Und doch sah ich Liebe in seinen Augen. Und Hoffnung. Plötzlich wusste ich welche Frau Elisabeth gemeint hatte. Doch wollte ich das? Wollte ich, dass meine Mutter dieser Gefahr ausgesetzt war? Die Antwort war einfach. Nein, wollte ich nicht.

Plötzlich wurde mir schwindelig. Ich fasste mir an den Kopf und ein nicht auszuhaltender Schmerz explodierte in ihm. 'Nicht schon wieder!', seufzte ich in Gedanken als mich eine wohl bekannte Schwärze empfing. Und dann schwebte ich davon.

 

 

ALEC

 

„Caitlin!“ Der Schrei von Raphael kam gleichzeitig mit dem Schmerz. Ich zuckte zusammen, doch es war nicht mein Schmerz, der meinen Kopf zum explodieren brachte, sondern der von Caitlin. Ich hob den Kopf und sah gerade noch wie Caitlins Kopf zur Seite sackte. Das Glas Champagner, das sie in der Hand gehalten hatte, fiel ihr aus der Hand und zerschellte auf dem Boden.

„Entschuldige mich bitte.“, sagte ich zu meiner Gesprächspartnerin. Sarah nickte und ich eilte zum Thron. Doch dann blieb ich wie angewurzelt stehen als Caitlin den Kopf hob. Jedenfalls war es der Körper von Caitlin. Und doch war es nicht die Caitlin, die ich kannte. Ihre blauen Augen mit dem Goldenen Strich waren verschwunden und mir sahen jetzt graue Augen entgegen.

„Nun. Raphael. Es ist schön dich wieder zu sehen und mit dir reden zu können.“, sagte Caitlin, doch es war nicht Caitlins Stimme, die sprach.

„Elisabeth. Verschwinde aus dem Körper meiner Tochter.“, befahl Raphael sauer.

„Werde ich. Aber erst werde ich ein paar Dinge loswerden, die deine Tochter euch von mir ausrichten sollte und doch nicht tat.“

„Dann sprich.“, sagte Raphael.

„Erst einmal zu Mason.“ Caitlins Körper schritt an Raphael vorbei, die wenigen Stufen hinunter und ging zielstrebig auf den ältesten Sohn zu. „Guten Tag mein Sohn. Schön dich wieder zu sehen nach all den Jahren.“

„Ich würde mich mehr freuen wenn du in deinem Körper stecken würdest und nicht in dem meiner kleinen Schwester.“, meinte Mason.

„Ach. Keine Sorge. Wenn sie aufwacht wird sie sich an dieses kleine Abenteuer meinerseits gar nicht erinnern.“

„Du möchtest mir etwas sagen Mutter?“, fragte Mason.

„Ja. Ich freue mich, dass du wieder da bist und ich bin stolz auf dich. Du wirst ein wunderbarer Herrscher sein.“

„Ich danke dir Mutter.“ Sie nickte knapp und wandte sich an meinen besten Freund.

„Du bist mild und warmherzig. Du vertraust deinen Freunden blind. Achte ein wenig mehr darauf wem du vertrauen willst. Nicht alle sind so rein wie sie scheinen.“ Er nickte. Sie wandte sich an mich.

„Du! Caitlin hat dir schon gesagt was mit dir passiert wenn du ihr ohne ihre Einwilligung zu nahe kommst. Du magst ihr Gefährte sein, doch das gibt dir nicht das Recht sie zu benutzen und zu verletzen. Also pass auf!“ Sie trank ihr Glas Champagner aus. Erschrocken zuckte ich zusammen und sah zum König. Weder Caitlin noch ich hatten ihm etwas von unserer Verbindung gesagt. Sie aus Bock nicht und wahrscheinlich auch deshalb, weil sie es noch nicht wahrhaben wollte und ich, weil ich wusste, dass sie es nicht hinausposaunen wollte. Und ich selbst wollte es auch nicht. Und jetzt machte die ehemalige Königin uns einen Strich durch die Rechnung. Na danke. Der König starrte mich nur an. Die anderen Vampire raunten. So viele Neuigkeiten heute. Sie würden viel zu tratschen haben.

„Ich werde aufpassen.“, versprach ich. Sie warf mir noch einen aufmerksamen Blick zu bevor sie sich abwandte. Sie schritt auf den König zu und blieb dicht vor ihm stehen. Doch bevor sie sprach, nahm sie einen Schluck aus ihrem Champagner Glas, dass sie sich von einem Diener geholt hatte. Um ihretwillen hoffte ich, dass Caitlin ein wenig mehr davon vertrug. Sie hatte ganz schön reingehauen.

„So. Und nun kommen wir zu dir werter Gemahl. Deine Tochter wollte es dir nicht erzählen. Warum auch immer. Aber du solltest der Frau, die du liebst deine Gefühle gestehen. Sie wird anders reagieren als du denkst.“ Sie winkte einem Diener und nahm sich noch ein Glas. Der König sah sie mit einem undurchschaubaren Gesichtsausdruck an und nickte. Sie nahm einen letzten Schluck bevor sie das Glas auf ein Tablett eines Dieners stellte und sich auf den Thron von Caitlin setzte. Sie sah lächelnd in die Menge und sagte: „Und nun werde ich mich verabschieden. Au revoir.“ Sie schloss die Augen.

 

Nach wenigen Minuten öffnete Caitlin die Augen. Diesmal war sie es wirklich. Azurblaue Augen suchten verwirrt meinen Blick.

Wieso starren die mich alle so komisch an?“, wollte sie wissen. Das brachte mich irgendwie zum schmunzeln.

Ach. Wir haben nur gerade gesehen wie Elisabeth sich Zugang zu deinem Körper geschaffen hat. Sie hat sich deinen Körper geborgt und uns das gesagt was sie uns sagen wollte.

Oh. Shit. Auch meinem Vater... Das mit seinen Gefühlen?

Ja.“ Ich hörte sie in Gedanken fluchen. Das brachte mich innerlich zum lachen.

Hör auf mit lachen! Das ist eine ernste Angelegenheit!“, fauchte sie mich an.

Richtig. Besonders, weil dein Vater und der ganze Hofstaat jetzt weiß, dass wir Gefährten sind.“ Entsetzt riss sie die Augen auf.

Nein!“, schrie sie mich an.

Sorry. Wirklich. Aber Elisabeth hat geredet und bevor ich wusste was geschah war es aus ihrem Mund.

„Caitlin? Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte ihr Vater. Sie sah zu ihrem Vater.

„Ja Vater. Wirklich. Doch wirklich lustig ist das Ohnmächtig werden nicht.“ Sie lächelte gespielt.

„Nein. Dass kann ich mir vorstellen. Nun. Möchtest du ein wenig mit deinem Gefährten nach draußen gehen?“ Ganz anders als ich gedacht hatte, stimmte sie zu und kam auf mich zu. Ihre Schritte waren unsicher und ich sah, dass sie schon ein wenig beschwipst war. Ich nahm vorsichtshalber ihren Arm und stützte sie unauffällig.

„Vater? Ich denke, dass ich mich zu Bett begeben werde.“, sagte sie an der Tür. „Aber ich wünsche euch allen noch einen fröhlichen Abend.“ Sie lächelte und wir gingen hinaus.

„Und was hast du jetzt vor?“, fragte ich.

„Ich gehe in den Garten und bewundere die klare Nacht. Oh man. Mir ist echt schwindelig. Dabei habe ich gar nicht so viel getrunken aus meinem Champagner Glas. Nur ein bisschen dran genippt.“

„Tja. Und dafür hat Elisabeth richtig reingehauen. Ich weiß gar nicht wie viel sie getrunken hat. Und wenn dir jetzt schwindelig ist, solltest du dich lieber ins Bett legen. Du scheinst auch nicht sehr viel zu vertragen.“ Besorgt musterte ich sie. Da fing sie an zu lachen. „Der Player Alec of Manchester sorgt sich um das Mädchen, welches ihn die ganze Zeit abblitzen lässt.“ Sie ließ sich unsicher auf die Bank plumpsen.

„Sollte ich mir keine Sorgen machen, wäre ich ein Kaltherziger Arsch.

„Ja. Aber ein heißes, kaltherziges Arsch. Und eines, dass gut küssen kann.“ Sie lächelte.

„Du meinst ich kann gut küssen?“ Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.„Oh ja. Auch wenn ich nicht viel Erfahrung darin habe... Aber es war toll. Abgesehen davon, dass es gegen meinen Willen geschah...“ Ich beugte mich vor. Unsere Lippen waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Ich merkte wie sich ihr Atem beschleunigte. Doch ich wollte sie nicht gegen ihren Willen küssen. Doch das brauchte ich nicht, denn sie beugte sich noch weiter nach vorne und legte ihre Lippen auf meine. Ihre Lippen fühlten sich so weich und warm an. Und ihr Kuss war sanft und verspielt. Ganz anders als ich es gewohnt war. Doch es gefiel mir. Ich fuhr mit der Zunge ihre Lippen nach und sie öffnete den Mund. Die Gelegenheit ließ ich nicht verstreichen und ließ meine Zunge in ihren Mund. Dort begann ich ein vorsichtiges Spiel mit ihrer Zunge. Sie lächelte in den Kuss hinein und legte ihre Hände um meinen Nacken. Meine Hände währenddessen erforschten ihren Körper. Sie hatte einen wirklich hübschen Körper. Kein Gramm zu viel oder zu wenig. Genau richtig. Wie zufällig strich meine Hand über ihre Brust und sie stöhnte in den Kuss hinein. Doch genau als es so schön wurde, musste uns jemand stören.

„Ja. Ich weiß! Irgendwie kann ich es ihr nicht abnehmen, dass sie Salomon getötet hat. Ich meine ausgerechnet sie? Sie ist ein nichts! Ein Bastard, genauso wie ihr Bruder James. Ein Glück, dass Prinz Mason wieder da ist. Er ist der Einzige, der es würdig ist König zu werden.“

„Ja ich meine was erlaubt sie sich? Erscheint einfach mal nach sechzehn Jahren hier am Hof und will hier die Prinzessin und Beschützerin spielen! Sie ist doch nur ein dummes Bauernmädchen. Weiß nichts von Politik oder von den Benimmregeln. Eine Schande so etwas!“ Caitlin löste sich von mir und sah in die Richtung aus der die Stimme kam. Sie zuckte zusammen. Ich wurde wütend. Wie konnten sie es nur wagen Caitlin so dermaßen zu beleidigen? Sie war eine wunderbare Prinzessin! Warmherzig, klug, höflich. Alles Dinge, die eine wahre Prinzessin ausmachten!

„Es tut mir leid.“, flüsterte sie. „Ich wollte das nicht.“

„Schon gut. Ich weiß was Alkohol mit einem anstellen kann.“, winkte ich ab. Doch in Wahrheit war ich auf hundert achtzig. Hätten diese Frauen uns nicht gestört, wären wir wahrscheinlich noch ein wenig weiter gegangen. Und jetzt? Caitlin stand wackelig auf und ich ging mit ihr leise zu ihrem Zimmer. Dort stellte sie sich auf Zehenspitzen und drückte mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. „Das heißt jetzt aber nicht, dass ich dich mag,“, wisperte sie. „Du bist immer noch ein Arschloch.“ Sie stieß die Tür zu ihrem Zimmer auf und war verschwunden. Ich stand noch eine Weile vor ihrem Zimmer bevor ich mich in mein Zimmer begab. Ihre Worte hatten mich am Anfang kein bisschen interessiert. Und jetzt? Jetzt beschäftigten sie mich schon eine Weile. Sie hatte Recht. Ich war ein Arschloch. Ein riesiges. Doch es hatte mich noch nie gestört. Wieso denn auf einmal jetzt? Es dauerte lange bis ich einschlafen konnte.

 

Kapitel 12

Fight and you may die. Run, and you'll live... at least a while. And dying in your beds, many years from now, would you be willin' to trade ALL the days, from this day to that, for one chance, just one chance, to come back here and tell our enemies that they may take our lives, but they'll never take... Our Freedom!

(William Wallace „Breaveheart“)

 

 

 

CAITLIN

 

Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug, musste ich aufstöhnen. Mein Schädel dröhnte. Langsam stand ich auf und ging duschen. Danach suchte ich in meinen Schränken eine Aspirin, die ich aber nicht finden konnte. Wieso denn auch? Vampire wurden nicht betrunken. Jedenfalls nicht sehr schnell. Seufzend ging ich in meinen Kleiderschrank und suchte mir etwas zum anziehen raus. Einen Hoddie und Jeans. Dann noch Turnschuhe und los ging es. Doch bevor ich los ging, schrieb ich noch eine kurze Nachricht an Dimitri damit er wusste wo ich war. Mit Hilfe von einem Streifen Tesafilm hängte ich es an meine Tür bevor ich mich mit zwei Äpfeln bewaffnet nach draußen begab. Es war erst sieben Uhr morgens und fast jeder schlief noch. Kein Wunder. Der Ball war bestimmt bis zum Morgengrauen gegangen. Doch viele Diener waren schon auf den Beinen und liefen geschäftig herum. Grinsend hielt ich einen jungen Mann mit einem Berg Schüsseln auf mit denen er wohl wirklich zu kämpfen hatte: „Entschuldigung. Ich möchte dich wirklich nicht von der Arbeit abhalten, aber würdest du mir wohl bitte sagen wo die Küche ist?“

„Natürlich Prinzessin. Und Ihr haltet mich nicht von der Arbeit ab. Ich wollte sowieso da hin.“ er lächelte mich herzlich an.

„Darf ich dir helfen? Das sieht so aus als würde es dir gleich alles aus den Händen gleiten.“

„Ihr... Ihr wollt mir helfen?“, fragte er erstaunt.

„Wieso nicht? Du kannst doch bestimmt eine helfende Hand gebrauchen oder?“, fragte ich.

„J-ja. E-eigentlich s-schon.“

„Na siehst du.“ Ich nahm ihm einen Teil seiner Ladung ab und wir gingen gemeinsam durch die Korridore.

„Prinzessin? Darf ich... darf ich Euch eine Frage stellen?“, fragte der junge Mann schüchtern.

„Frag deine Frage. Wenn ich sie nicht beantworten will, sage ich nichts, ja?“ Er nickte zaghaft bevor er fragte: „Habt Ihr wirklich Lord Salomon umgebracht?“ Ich sah ihn kurz an und nickte. Er starrte mich mit großen Augen an und wäre beinahe gestürzt. Doch schnell packte ich mit meiner freien Hand seinen Arm und bewahrte ihn damit vor seinem Fall. Er dankte mir und dann kamen wir in der Küche an in der schon eifrig hantiert wurde.

 

Die Küche war riesig! Aber das war kein Wunder bei so vielen Mäulern, die gestopft werden mussten. Überall waren Vampire damit beschäftigt zu kochen oder abzuwaschen. In der Mitte in all diesem Trubel stand eine etwas ältere Frau, die mit heftigen Handbewegungen die Leute herum scheuchte. Dabei musste ich an meine Großmutter denken und fing an zu grinsen. Sie hatte mich und meine Familie auch immer herum gescheucht, so als wären wir ihre Untertanen. Aber ich hatte sie gern und habe immer sofort das gemacht was sie von mir wollte. Leider war sie vor drei Jahren gestorben. In diesem Moment entdeckte mich die Frau und kam mit eiligen Schritten auf mich zu.

„Prinzessin Caitlin. Was macht Ihr denn hier?“, fragte sie überrascht.

„Ich wollte mir nur ein oder zwei Scheiben Brot holen. Wissen Sie... ich habe seit Tagen nichts anständiges gegessen und habe wirklich Hunger.“ Ich merkte wie ich rot wurde, aber sie lächelte nur verständnisvoll und bedeutete mir, mich an einen Tisch zu setzen. Sie verschwand und kam nach wenigen Minuten mit einem Teller voller Brote wieder.

Auf dem Tablett standen noch ein Glas Orangensaft und eine Schale Obstsalat. Erschrocken sah ich sie an und fragte: „Das ist zu viel. Wer soll das denn alles essen?“ Die Frau grinste und meinte: „Esst Prinzessin. Wenn Ihr nicht mehr könnt, bringen wir es weg.“ Sie nickte mir aufmunternd zu und ich begann zu essen. Und welch ein Wunder, ich hatte am Ende alles aufgegessen! Wow. Dass ich so ausgehungert war, hatte ich nicht mitbekommen. Zufrieden und satt stand ich auf.

„Dankeschön. Ich werde Sie jetzt nicht weiter von der Arbeit abhalten.“ Sie knickste und ich verschwand aus der Küche um endlich in die Trainingshalle zu gehen wie ich es schon seit dem Aufwachen vorgehabt hatte.

 

Fröhlich vor mich hin pfeifend, trotz der mörderischen Kopfschmerzen, ging ich noch einmal in mein Zimmer und holte mir mein (Alec') Schwert und die Dolche und verließ das Schloss um sofort in Richtung Trainingshalle zu gehen. Als ich dort ankam, sah ich mich aufmerksam um. Ich ließ meine Waffen zurück und joggte zum Laufplatz um mich erst einmal aufzuwärmen. Also lief ich einmal sieben Kilometer und dehnte mich anschließend. Der Parcours, den Dimitri für mich aufgebaut hatte, stand noch auf dem Sandplatz. Also ging ich ihn noch einmal durch. Und diesmal machte ich einen vorsichtigen Salto am Ende. Doch das Springen war nicht gut für meinen Kopf. Die Schmerzen explodierten wieder. Ich stöhnte und lehnte mich gegen das Gatter. Als es mir besser ging, ging ich zurück in die Halle und nahm Pfeil und Bogen vom Haken. Natürlich achtete ich darauf, dass ich welche nahm über denen fett aufgeschrieben war: Trainingsgeräte.

Dann stellte ich mich an die Markierung und nahm den Langbogen in die Hand. Ich stellte mich automatisch 90 Grad zur Zielscheibe, meine Beine parallel und in einem Abstand von einer Schulterbreite. Mein Oberkörper war gerade und mein Blick direkt auf mein Ziel gerichtet. Dann hob ich meinen Bogen, legte einen Pfeil an und visierte den roten Punkt in der Mitte der Scheibe. Schon als kleines Kind wollte ich Bogenschießen lernen und jetzt konnte ich es endlich ausprobieren. Ich spannte und ließ den Pfeil fliegen. Da ich es das erste Mal gemacht hatte, traf er nicht genau die Mitte, doch er war schon einmal nah dran. Und wenn ihr euch jetzt fragt wieso ich kämpfen übte, obwohl ich doch mein Waffengeschick hatte... Selbst damit, konnte ich nicht alles perfekt. Ich musste genauso üben wie jeder andere auch. Also nahm ich mir noch einen Pfeil aus dem Köcher, nahm einen tiefen Atemzug und schoss wieder. Dies tat ich so lange bis der Köcher leer war.

Gerade als ich die Pfeile wieder einsammelte, hörte ich hinter mir ein Räuspern und fuhr auf dem Absatz herum. Dort stand Alec und sah mir lächelnd entgegen. Als ich ihn sah, fiel mir wieder gestern Nacht ein und ich wurde rot. Schnell wandte ich mich ab und sammelte weiter meine Pfeile ein. Wie konnte ich ihn nur küssen? Ich hasste ihn doch! Und er mich. Das mit dem Kuss war völlig inakzeptabel. Innerlich donnerte ich meinen Kopf öfters mit voller Wucht gegen eine Wand.

„Hey Caitlin.“, sagte Alec.

„Guten Morgen Alec.“, sagte ich, sah ihn aber immer noch nicht an. Als ich den letzten Pfeil zurück in den Köcher gelegt und ihn zurückgehängt hatte fragte ich ohne ihn anzusehen: „Hast du gut geschlafen?“

„Ja. Sehr gut.“ Er log. So gut kannte ich ihn schon. Als ich mich umdrehte und ihn ansah, sah ich meine Vermutung bestätigt. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und gerade versuchte er ein Gähnen zu unterdrücken.

„Kleiner Lügner.“, sagte ich lächelnd. Er zuckte nur mit den Schultern.

„Normalerweise wäre ich jetzt noch nicht wach, aber deine Kopfschmerzen haben mich geweckt.“ Schuldbewusst zuckte ich zusammen.

„Tut mir leid.“, meinte ich zerknirscht.

„Hey. Kein Ding. Elisabeth hat sich den Alkohol auch reingezogen als ginge es um ihr Leben. Da ist es kein Wunder wenn du solche Kopfschmerzen hast.“ Er warf mir einen kleinen Gegenstand zu und gleich darauf eine Wasserflasche. „Hier eine Aspirin. Die hilft dir sicher schnell.“

„Danke.“ Schnell steckte ich mir die kleine Tablette in den Mund und spülte sie mit einigen Schlucken Wasser hinunter. Als ich die ekelhaft schmeckende Tablette hinuntergeschluckt hatte, fragte ich Alec: „Du hast nicht zufällig Lust mit mir Laufen zu gehen?“

„Laufen? Jetzt? Es ist gerade mal kurz nach acht!“

„Ja. Und?“

„Es ist doch viel zu früh fürs Laufen!“

„Nein?!? Ich bin heute schon gelaufen. Sieben Kilometer. Dann war ich noch auf dem Sandplatz und habe den Trainigspacours von Dimitri durchgelaufen und dann hab ich mich an Pfeil und Bogen versucht.“„Dann hast du für heute erst einmal genug trainiert.“, sagte Dimitri plötzlich. Überrascht wirbelte ich herum zur Tür.

„Wie lange stehst du da schon?“, wollte ich wissen.

„Nicht lange. Ich habe nur eurer kleinen Diskussion über das Laufen gelauscht und mich dann bemerkbar gemacht. Und ich meine das ernst. Du machst jetzt keine weiteren Übungen mehr. Du sollst fit sein für deine anderen Unterrichtsstunden heute.“ Er sah kurz auf die Uhr an seinem Handgelenk. „So. Es ist jetzt gleich halb neun. Um halb zehn gibt es Frühstück. Ich würde vorschlagen du gehst jetzt in dein Zimmer duschen und dann Hausaufgaben machen. Ich hole dich dann zum Frühstück ab.“ Er hörte sich an wie mein Vater. Also Daniel. Denn Raphael hatte das noch nie gemacht. Aber er hatte wohl auch anderes zu tun als mir Befehle zu geben.

„Dann kann ich machen. Schon gut.“, sagte Alec schnell.

„Wie du willst. Dann sage ich deinen Freunden Bescheid Caitlin.“, meinte Dimitri.

„Das ist eine gute Idee. Bis später Dimitri!“, sagte ich und machte mich gefolgt von Alec auf den Weg zu meinem Zimmer. Wir redeten nicht. Das war auch gut so. Sonst wären wir wahrscheinlich zwangsläufig auf den Kuss zurückgekommen. Und das war ein sehr schlechtes Gesprächsthema. Denn am liebsten würde ich es vergessen. Wie ich mich an ihn ran geschmissen hatte! Vollkommen bescheuert. Doofer Alkohol! Aber es hatte sich gut angefühlt seine Zunge in meinem Mund zu spüren. Und in seinen Haaren zu wühlen. Seine starken Arme um mich. Ich bemerkte gar nicht, dass wir schon angekommen waren und ich wie blöd vor meiner Zimmertür vor mich hinstarrte.

„Caitlin?“, fragte Alec und riss mich aus meinen Gedanken. Erschrocken sah ich auf und wurde rot. Zum Glück konnte er meine Gedanken nicht lesen, da ich mir einen Schutz um meine Gedanken gebaut hatte.

„Hmm?“, machte ich zerstreut.

„Wo bist du nur mit deinen Gedanken?“, wollte er wissen. Bei dir, antwortete ich ihm in Gedanken. Doch laut sagte ich nur: „Weit, weit weg von hier.“ Er sagte nichts mehr, sondern machte einfach nur meine Tür auf und bedeutete mir hineinzugehen was ich dann auch Kommentarlos tat. Als er mir dann folgen wollte, hielt ich ihn aber auf. „Du wirst nicht mit rein kommen. Ich gehe duschen! Und du weißt ganz genau was passiert.“ Er grinste schief.

„Ich setze mich ins Arbeitszimmer und du schließt die Dusche ab. Wie wäre es damit?“, schlug er vor. Mit zusammengekniffenen Augen sah ich ihn durchdringend an. Er sah mir mit einem Hundeblick in die Augen, dem noch nicht einmal Gott widerstehen konnte.

„Na gut!“, seufzte ich. „Aber du bleibst im Arbeitszimmer und rührst dich nicht vom Fleck!“ Er nickte und ging. Entspannt ging ich in meinen Kleiderschrank und holte mir ein geblümtes Kleid raus. Oben war es schwarz und langärmlig und unter der Brust wurde es zu einem geblümten Muster. Es ging mir bis zu den Knien. Ich ging ins Bad und schloss hinter mir ab. So schnell ich konnte, duschte ich mich und zog mich um. Als ich dann vor dem Spiegel stand und meine Haare föhnte, überlegte ich mir was für eine Frisur ich mir machen wollte. Aber da ich keine Lust auf etwas aufwendiges hatte, ließ ich meine Haare einfach offen über meinen Rücken fließen. Ich steckte mir noch eine kleine Spange ins Haar und ging dann aus dem Bad.

„Geht das so?“, fragte ich Alec, der wie versprochen im Arbeitszimmer auf mich wartete. Er drehte sich von den Fotos an der Wand weg und starrte mich an. Als er nach ein paar Minuten immer noch nichts sagte, wurde ich nervös und meinte: „Ja, ich finde auch, dass es ein wenig...“

„Du siehst wunderschön aus!“, unterbrach er mich. Seine Augen wanderten nach oben und suchten Blickkontakt. Ich wurde rot und sah zur Seite.

„Danke.“, flüsterte ich und lächelte. Wir standen nur da ohne uns zu bewegen. Er sah mich einfach nur an. Irgendwann wurde es mir zu viel und ich meinte: „Komm. Wir sollen Frühstücken kommen. Es ist schon kurz vor 10.“ Er nickte und wir gingen wieder durch die verwirrenden Gänge des Schlosses. Werde ich mich hier jemals zurecht finden? Bis jetzt schaffte ich es von meinem Zimmer nach draußen. Mehr aber auch nicht. Das Schloss schien so groß zu sein. Alec führte mich in einen kleinen Raum. Er war hell und in Brauntönen gehalten. In der Mitte des Raumes stand ein langer Tisch, wo meine Familie und meine Freunde schon saßen und uns entgegen sahen.

„Meinte ich nicht zehn Uhr?“, fragte Raphael streng. „Es ist jetzt zehn nach! Caitlin. Eine Prinzessin muss lernen pünktlich zu sein.“ Innerlich verdrehte ich die Augen und meinte zu Alec: „Bla, bla, bla!“ Er grinste und auch ich lachte leise.

„Das ist nicht lustig!“, fauchte Raphael. „Ich meine das tot ernst! Wo warst du heute morgen?“

„Ich war in der Küche essen und war dann Laufen. Dann habe ich noch mit Pfeil und Bogen geübt.“, gab ich freundlich Auskunft. Ich setzte mich zusammen mit Alec an den unteren Teil des Tisches zu meinen Freunden. Dort griff ich nach einer Scheibe Brot, die ich mit Honig bestrich. „Na? Wie war der Ball noch als ich gegangen bin?“

„Gegangen? Du bist so was von getorkelt.“, grinste Alec.

„Ha ha. Dankeschön Alec. Sehr freundlich mich daran zu erinnern!“, meinte ich sarkastisch.

„Es war wirklich gut. Die Stimmung war ausgelassen und Mason konnte ich von dem Ansturm der Ladys gar nicht mehr retten.“ Jana grinste mich an.

„Ja. Kann ich mir vorstellen.“, grinste ich. „Ich hoffe du hast schon eine gefunden, die du zu heiraten erwägst Mason.“ Mason starrte mich an. Sein Gesichtsausdruck brachte mich zum Lachen. „Ach sag bloß nicht du hast keine gefunden!“ Er grinste und ich biss in mein Brot.

„Doch habe ich. Mehrere sogar. Sie reißen sich ja förmlich um mich.“ Das war doch schön. Mason war schon mal glücklich. Seinen überheblichen Ton überhörte ich geflissentlich.

„Cat? Deine Verwandten sind lauter Arschlöcher!“, murrte Tristan.

„Na, na, na junger Mann. Ich dulde solche Aussagen nicht an meinem Tisch! Untereinander könnt ihr reden wie ihr wollt aber hier seid ihr bitte höflich zu einander.“, ermahnte uns Raphael.

„Natürlich.“, sagte Tristan und senkte den Kopf. Doch ich sah das rebellische Aufblitzen in seinen Augen. Er ließ sich nicht gerne irgendwelche Sachen vorschreiben.

„Und welche hast du denn so im Sinn Mason?“, fragte James. Jetzt grinste Mason noch breiter.

„Also. Einmal würde ich gerne Caitlin heiraten...“ Ich schnappte nach Luft. „Aber wir sind ja Geschwister und das geht ja nicht. Dann habe ich noch Lady Lavina im Sinn gehabt. Doch die ist dumm wie ein Stück Brot. Und als letztes... hatte ich die bezaubernde Lady Jana im Sinn.“

„Lady Jana? Von wo?“, fragte James interessiert.

„Tja. Das wüsste ich gerne.“ Er wandte sich an Jana. „Und? Von wo kommt Ihr Lady?“ Jana schnappte nach Luft.

„Darüber macht man keine Scherze!“, fauchte sie und stand auf. „Ich habe keinen Hunger mehr. Entschuldigt mich bitte.“ Sie rauschte aus dem Raum. Wütend funkelten Sarah, Tristan und ich Mason an. Dieser sah ratlos auf die Tür wo Jana durch verschwunden war. Ich stand auf und meinte: „Ich gehe ihr nach. Sie braucht jetzt eine Freundin.“

„Wir kommen mit. Wir sind sowieso schon fertig mit Essen.“, sagte Sarah und Tristan nickte. „Entschuldigt uns.“, sagte Tristan. Zusammen mit meinen Freunden rauschte ich aus dem Raum.

 

 

MASON

 

Ich verstand meine Schwester und ihre Freunde einfach nicht. Caitlin zum Beispiel. Sie hatte mich aus dem Schwert meines Onkels gerettet. Doch anstatt mir das zu sagen, lügt sie mich an indem sie sagt, dass sie nicht meine Schwester ist und, dass James mich gerettet hat. Wieso? Ich meine wollte sie keinen Ruhm oder Ehre? Sie war einfach undurchschaubar. Genauso wie Alec. Die beiden passten gut zusammen, doch nein, sie schlugen sich meistens gegenseitig die Köpfe ein. Ob sie so viel Gefallen daran fanden sich zu streiten? Ich wusste es nicht.

Und dann war da noch Jana. Mal war sie wirklich gut drauf und man konnte sich wirklich gut unterhalten und dann plötzlich schwankt ihre Stimmung total. So wie eben. Eigentlich hatte ich das sogar Ernst gemeint. Aber aus irgendeinem mir unbekannten Grund glaubte sie mir das nicht. Doch leider konnte ich sie nicht heiraten, weil ich ein Vampir war und sie ein Mensch. Und ich war ein Prinz. Da kam es nicht in Frage, dass wir zusammen kommen könnten. Und ich war mir meiner Gefühle noch nicht sicher. Vielleicht hatte ich mich ja in ihr Aussehen verguckt. Ich hatte keine Ahnung. Als Thronfolger hatte ich nie die Zeit gehabt mich mit Mädchen zu verabreden. Ein ganz normales Leben zu führen. Manchmal bedauerte ich es, doch meistens war ich sehr zufrieden mit meinem Leben.

„Was ist denn mit denen los?“, fragte James und riss mich aus meinen Gedanken. Ich zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung. Aber ich verstehe unsere Schwester und ihre Freunde sowieso nicht.“ Ich wandte mich an den Gefährten meiner Schwester. „Weißt du vielleicht was mit Jana los ist?“

„So weit ich Caitlins Gedanken nachgehen kann, wurde sie vor kurzem von einem Jungen ziemlich enttäuscht. Er hat ihr vorgespielt in sie verliebt zu sein, doch in Wahrheit wollte er einfach nur mit ihr ins Bett.“, meinte dieser.

„Also noch so einer wie du.“ Jetzt sah Alec bedrückt auf seinen Teller vor sich.

„Ja. So einer wie ich. Doch ich werde damit aufhören.“, sagte er mit fester Stimme. James sah seinen Freund erstaunt an.

„Wie du willst aufhören?“

„Ja ich werde halt keine Mädchen mehr verarschen. Wenn ich nicht mehr kann geh ich in ein Freudenhaus oder so. Keine Ahnung.“ James starrte seinen Freund ungläubig an.

„DU! Du möchtest aufhören Mädchen zu verarschen? Wie kommst du jetzt da drauf?“ Er sagte nichts. Er stand einfach nur auf, verneigte sich vor uns und ging aus dem Zimmer.

„Es hat sich irgendwie alles verändert seit dem Überfall von Salomon.“, sagte ich nachdenklich.

„Ja. Stimmt. Aber vieles zum Guten. Wusstest du, dass Lord Albert uns verraten hat? Er ist zu Salomon übergelaufen. Und wegen diesem Idioten wäre Caitlin beinahe gestorben.“

„Ich war wirklich ein Arschloch zu ihr.“

„Oh ja. Sie hat sich wirklich über dich aufgeregt. Aber als ich ihre Gedanken noch lesen konnte und sie dich auf dem Bild gesehen hat, hat sie sofort daran gedacht wie sehr du zu Jana passen würdest. Ist das nicht lustig?“

„Hm.“ Nachdenklich sah ich aus dem Fenster. „Sie sieht wirklich gut aus.“

„Ja stimmt.“ Hm. Auf jeden Fall war sie freundlich. Und wirklich heiß. Doch sie war unerreichbar. Ärgerlich schüttelte ich den Kopf. Wieso dachte ich an so etwas? Ich meine ich kannte sie gerade mal seit zwei Tagen! Da konnte ich etwas wie Gefühle noch nicht entwickeln. An Liebe auf den ersten Blick glaubte ich zu dem Zeitpunkt auch nicht. Ich fasste einen Entschluss und stand auf.

„Entschuldigt mich bitte. Wir sehen uns beim Essen.“, meinte ich und verließ mit schnellen Schritten den Raum.

 

 

CAITLIN

 

Mit schnellen Schritten liefen wir Jana hinterher. Sie lief direkt auf den Stall zu. Ich hörte ihr Schluchzen selbst auf zwanzig Meter Entfernung. Das nur wegen meinem Vampirgehör. Sie kletterte auf den Heuboden und wie bekamen viele verwunderte und abschätzende Blicke zu sehen. Doch da meine Freunde auf Jana fixiert waren, bemerkten sie dies nicht und liefen ihr hinterher. Doch ich blieb stehen und drehte mich zu den Leuten um.

„Wolltet ihr mir irgendetwas sagen?“, fragte ich und funkelte die ''Gäste'' meines Vater wütend an.

„Prinzessin? Ich habe eine Frage. Wieso hängt ihr mit diesen Sterblichen ab. Sie sind so...normal!“ Der junge Mann, sprach das Wort Sterbliche so verächtlich aus, dass ich buchstäblich nur rot sah. Ich merkte wie meine Augen anfingen zu glühen.

„Falls Ihr Euch noch daran erinnert Sir, war ich vor einer Woche auch noch eine Sterbliche! Und ich verbiete Euch so über meine Freunde zu reden! Habt Ihr mich verstanden?“, fauchte ich. Ich versuchte noch nicht einmal meine Augen wieder unter Kontrolle zu kommen. In diesem Moment war mir das alles egal. Der Mann wich zurück.

„Nein Prinzessin... I-ich...“, er brach ab.

„Was?!“ Er zuckte zusammen und verbeugte sich tief.

„Es tut mir leid.“, murmelte er.

„Das dürfte ich Euch auch geraten haben!“ Wütend stieg ich die Treppe hinauf. Oben im Heu sah ich sofort meine Freunde. Sie saßen dicht nebeneinander und Tristan und Sarah trösteten eine völlig am Boden zerstörte Jana. Langsam ließ ich mich vor ihr sinken und nahm sie in den Arm.

„Ich kann mir einfach nicht vorstellen wie naiv ich gewesen bin. Ich schäme sich so!“ Sie schluchzte.

„Hey. Niemand konnte wissen, dass er ein Arschloch ist.“, widersprach ich ihr. Die anderen murmelten zustimmend. Ein Ruck ging gegen Janas Körper. Sie setzte sich auf und wischte sich mit einer heftigen Bewegung die Tränen aus dem Gesicht.

„Ihr habt Recht. Ich sollte mich nicht so fertig machen. Er ist jetzt ein Teil meiner Vergangenheit und das ist auch gut so!“ Ihr Stimme klang fest. Plötzlich zuckte sie zusammen und legte ihre rechte Hand auf den linken Unterarm. Sie schob ihren Ärmel nach oben und wir sahen zu wie sich goldene Schnörkel über ihren Arm zogen.

„Nein! Nein! Das kann nicht wahr sein! Bitte nicht!“, flüsterte ich verzweifelt.

„Caitlin? Was ist das?“, fragte Jana panisch.

„Du wirst zur Gefährtin.“ Ich sah auf ihren Arm. „Und wie es aussieht zur Gefährtin meines Bruders.“ Ich hatte Recht. Der Name Mason war nun auf ihrem Arm. Klein und leicht. Die Schrift schimmerte als Jana ihren Arm zum Licht hielt.

„Aber...“, sie brach ab als sie einen Ruf hörte. Mason. Er stand genau unter uns. Ich hörte seinen Atem.

„Wir sind hier oben Mason.“, sagte ich leise.

„Wie?“, fragte Tristan erschrocken.

„Vampirsinne.“, sagte ich nur. Mason kletterte jetzt behände die Sprossen der Leiter hinauf.

„Wir müssen reden Jana.“ Die Stimme meines Bruders klang ernst und gepresst. Meine Freundin nickte. „Allein.“ Wir verstanden sofort und verließen den Heuboden.

„Was passiert jetzt mit Jana?“, fragte Tristan ängstlich.

„Ich weiß es nicht.“, musste ich gestehen. Wir gingen gerade über den Vorplatz des Schlosses als Dimitri uns entgegen kam. Hinter ihm mehrere Wächter in der gleichen Kampfuniform, die auch ich getragen hatte.

„Was ist passiert?“, fragte ich Dimitri, der vor mir anhielt, den anderen aber befahl schon zu den Autos zu gehen.

„Wir hatten einen Strigoiangriff in der Schule.“

„In der Schule?!? Welcher?“, fragte ich panisch.

„Nicht in deiner! Im Vampirinternat. Das ist auch in Oxford aber etwas außerhalb.“

„Oh. Wie viele?“

„Laut dem Schulleiter ungefähr fünfundvierzig. Wenn nicht noch mehr.“

„Und das schaffst du mit nur 13 Wächtern?“, fragte ich entsetzt. Er sah mich ein wenig verzweifelt an. „Nein. Leider nicht. Aber der König kann nicht mehr entbehren. Doch es sind noch ungefähr sieben Wächter in der Schule. Doch von denen sind schon drei verletzt.“ Sofort fasste ich einen Entschluss.

„Gut. Dann komme ich mit.“

„Caitlin!“, rief Sarah erschrocken.

„Tut mir leid. Aber das ist eine meiner Aufgaben als Prinzessin!“

„Ist es nicht!“, widersprach Tristan heftig. Seufzend drehte ich ihm meinen Rücken zu und schob die Haare zurück.

„Prinzessin und Beschützerin. Meine Aufgabe ist es die hier in England lebenden Vampire zu beschützen!“

„Du bist noch nicht einmal wirklich darin ausgebildet!“, rief mir Sarah in Erinnerung.

„Nein. Aber mein Körper weiß was zu tun ist. Und wenn ich heute sterbe, dann aus dem Grund, weil ich die beschützt habe, die mir anvertraut wurden.“ Meine Freunde merkten, dass ich nicht umzustimmen war und seufzten. Sie sagten gleichzeitig: „Pass auf sich auf. Und komm heil zurück!“

„Das werde ich.“ Zu Dimitri gewandt fragte ich: „Wo muss ich hin? Du kannst dann vor fahren und ich komme nach.“

„Du fährst ganz bestimmt nicht alleine! Und kämpfen wirst du ganz bestimmt nicht ohne mich!“, sagte in diesem Moment Alec, der zu uns getreten war.

„Alec. Du und Caitlin zieht euch um und kommt dann hinterher. Doch seid schnell. Die Schilde werden Euch zwar durchlassen, doch nach Einbruch der Nacht wird die Schule verriegelt. Völlig. Dann kommt niemand mehr rein oder raus.“

„Ich weiß. Wir werden in spätestens einer Stunde da sein.“, versprach mein Gefährte.

Ich wandte mich ohne ein weiteres Wort ab und lief in mein Zimmer. Ann stand schon dort und hatte mir meine Kampfkleidung heraus gelegt. Ich zog mich in Rekordgeschwindigkeit an und bürstete mir meine Haare um sie mir zu einem Zopf zu binden. Schnell ließ ich mir von Ann meine Waffen anlegen, dann ging ich aus dem Zimmer.

Ich ging einfach ohne anzuklopfen in Alec Zimmer. Hätte ich das doch bloß nicht getan. Denn als ich ins Zimmer platzte stand dort Alec. Und das nur in Boxershorts! Ach du heilige Scheiße sieht der heiß aus!, fuhr mir durch den Kopf. Er stand mit dem Rücken zu mir und ich konnte seinen Rücken wunderbar betrachten. Oh man. Hatte der einen Knackarsch.

„Danke. Dir gefällt also was du siehst?“ Meine Gefährte lächelte mich freundlich an. Er drehte sich zu mir um und ich konnte nicht anders als auf seine muskulöse Brust zu starren. Als ich das bemerkte lief ich rot an und wandte den Kopf beschämt ab. Zum Glück hatte ich nicht angefangen zu sabbern. Das wäre ja noch peinlicher gewesen!

„Sorry.“, murmelte ich. Mit übereifrigen Interesse musterte ich sein Zimmer. Er hatte einen ähnlichen Geschmack wie ich. Sein Zimmer war in dunkelblau und schwarz gehalten. Es standen ein Bett, ein Schreibtisch und eine Gitarre im Zimmer. Der Schreibtisch war hoffnungslos überfüllt und ich musste lächeln. Links und rechts im Raum waren Türen, die wahrscheinlich zum Bad und zum Ankleidezimmer führten.

„Schon gut.“ Aus den Augenwinkeln sah ich wie er nach seiner Hose griff und sie anzog.

„Ich warte dann...“, sagte ich und zeigte unbeholfen auf die Tür.

„Du kannst gerne hier bleiben.“ Ich hatte einen anzüglichen Ton erwartet, doch der sanfte Ton überraschte mich. „Schon gut. Du kannst dich wieder umdrehen. Ich bin angezogen.“ Langsam sah ich ihn an. Meine Röte im Gesicht hatte sich ein wenig gelegt. Er kämmte sich gerade die schulterlangen Haare.

„Dir würden kurze Haare viel besser stehen.“, platzte es aus mir heraus. Und schon wurde ich wieder rot. Ich und meine verdammte Klappe! Konnte ich nicht ein mal keine Scheiße labern?

„Danke. Vielleicht gehen wir mal zusammen zum Friseur.“, sagte er grinsend.

„Wi-wieso nicht?“, stotterte ich. Er kam auf mich zu und kniff mir in die Wange.

„Du bist so süß wenn du nicht weißt was du sagen sollst:“ Sofort schlug ich ihn gegen die Brust.

„Ich bin nicht süß!“, protestierte ich sofort.

„Nein natürlich nicht!“ Er grinste. Doch kurz darauf erlosch sein Grinsen und sein Blick wurde ernst. „Wir müssen los.“ Er musterte meine Waffen. Dann ging er zu einem großen Schrank und öffnete die Tür. Ich hatte Bücher oder Ordner erwartet, doch das was ich jetzt sah, warf mich völlig aus der Bahn. Der Schrank war voller Waffen. Pistolen, Gewehre, Bogen, Pfeile und alles was es sonst noch gab. Er holte sich Waffen aus dem Schrank und legte sie sich um. Dann nahm er einen Bogen und einen Köcher heraus und reichte ihn mir. „Hier. Pass auf ihn auf. Er ist mir wirklich wichtig.“ Ich nickte und zusammen liefen wir nach draußen.

„Ist dir eigentlich aufgefallen, dass meine ganzen Waffen eigentlich dir gehören?“, fragte ich ihn während wir durch die Korridore liefen.

„Dann können sie dir ja nur Glück bringen.“ Ich lachte.

„Stimmt. Die Waffen eines Gefährten. Vielleicht die Beste überhaupt.“ Er fiel in mein Gelächter ein, doch es verstummt kurz darauf. Wir liefen in die Tiefgarage wo lauter Autos standen. Dort stießen wir auf meinen Vater, meine Brüder und meine Freunde.

„Caitlin...“ Mein Vater sah mir mit unbewegter Miene entgegen.

„Vater ich weiß, dass ich nicht mitkämpfen sollte, doch es ist meine Bestimmung als Beschützerin dieses Reiches und...“

„Ich bin so stolz auf dich!“, unterbrach er meinen Redefluss und ich starrte ihn nur an, bevor ich ihm in die Arme fiel. „Viel Glück mein Schatz.“ Er flüsterte.

„Ich danke dir Vater.“ Ich drückte ihn noch einmal kurz und wandte mich an Mason.

„Pass auf Jana auf!“, mahnte ich.

„Das werde ich.“, versprach er mir ernst. „Sie und deine Freunde sind bei uns in Guten Händen. Wir werden sie beschützen.“

„Anderes hätte ich von euch gar nicht erwartet.“ Ich umarmte noch kurz die anderen bevor ich zu Alec in den BMW stieg. Er gab Gas und wir brausten davon. Zu der Schule, wo lauter Vampire auf unsere Hilfe warteten.

 

„Können sich die Vampire denn nicht selbst helfen?“, fragte ich Alec nach wenigen Minuten Stille. „Ich meine sie haben doch auch Fähigkeiten, die ihnen helfen können oder?“

„Wenn sie fertig ausgebildet sein würden, könnten sie sich wirklich selbst helfen, doch die Schüler stehen meist am Anfang ihrer Ausbildung. Und es ist auch nur eine kleine Schule. Die größere befindet sich in Manchester. Auf der wo wir jetzt hin fahren, gibt es gerade mal 300 Schüler und circa 36 Lehrer.“

„Und die Lehrer? Können die nicht kämpfen?“, fragte ich.

„Die Lehrer, die dort auf der Schule sind, sind nicht zu ersetzen, deswegen wäre es ein Desaster wenn sie sterben würden. Natürlich werden die Kampflehrer mithelfen, doch das sind auch nur 5 oder 6.“ Ich nickte und sah aus dem Fenster. Die Landschaft flog an uns vorbei. Ich hatte meine Gedanken vorsorglich vor ihm verborgen, so dass er nicht noch einmal etwas erfuhr, dass so peinlich war wie das in seinem Zimmer.

„Wie viele Vampire gibt es hier in Großbritannien?“, fragte ich.

„Also insgesamt leben ungefähr 62,6 Millionen Leute in Großbritannien. Und ungefähr ein fünftel davon sind Vampire.“

„Aber das sind ungefähr 12,5 Millionen!“, stieß ich nach einer kurzen Rechnung hervor.

„Hm. Ganz schön viele oder?“ Er sah mich kurz an bevor er seine Aufmerksamkeit wieder der Straße widmete. „Und von diesen 12,5 Millionen sind ungefähr ein siebtel Strigoi.“

„Das sind...“

„1,7 Millionen. Ja. Aber in letzter Zeit werden es weniger, denn wir haben eine Organisation gegründet, die sich um die Strigoi in unserem Land kümmert. Zu ihr gehören ungefähr 1,9 Millionen Vampire.“

„Das sind ganz schön viele.“

„Zu wenig für die Eliminierung der Strigoi. Die Strigoi sind sehr stark Caitlin. Für einen von ihnen braucht man normalerweise zwei normale Vampire.“

„Du und James habt aber drei Strigoi getötet. Das heißt ihr wart besser als sie.“, wandte ich ein.

„Das war Glück. Sie waren nicht sehr gut im Kampf und viel zu sehr darauf fixiert dich nicht zu töten, sondern zu ihrem Meister zu bringen als uns zu hören. Sie haben uns erst gehört als es zu spät war.“ Er sah noch ein mal kurz zu mir und in seine Augen trat ein besorgter Ausdruck. „Caitlin. Sei bitte vorsichtig. Keine Heldentaten. Du hörst auf die Befehle von Dimitri. Wenn er sagt zurückziehen, ziehst du dich zurück. Verstanden?“

„Jaha! Wieso machst du dir nur solche Sorgen?“, fragte ich. Seine Augen verdunkelten sich vor Trauer.

„Ich könnte es nicht ertragen noch eine Person zu verlieren, die mir am Herzen liegt.“ Oh mein Gott! Ich lag ihm am Herzen! Mein Herz raste.

„Wieso noch eine Person?“, fragte ich leise. Er seufzte, sagte aber nichts. Ich beschloss ihn nicht noch einmal danach zu fragen. Es schien ein sehr schlimmes Thema zu sein. Doch nach mehreren Minuten des Schweigens brach er die Stille und erklärte: „Vor 11 Jahren, da war ich 8, wurde in unserem Haus in Manchester eingebrochen. Es waren zwei Strigoi. Wir saßen gerade im Wohnzimmer und sahen uns einen Film an. Sie platzten hinein und gingen auf meine Eltern los. Sie wehrten sich gut, doch mein Vater achtete einen Moment nicht auf seinen Gegner, denn der andere hatte mich und meine Mutter in die Ecke gedrängt. Und dies kostete ihn das Leben. Ich sah zu wie der Strigoi meinen Vater vor meinen Augen zerstückelte. Meine Mutter tötete sie, doch das brachte uns Papa nicht mehr zurück.“ Seine Stimme hatte bei seiner Ausführung einen monotonen Klang gehabt, doch seine Augen verrieten seinen Schmerz und seine Wut auf die Strigoi. Mitfühlend legte ich meine Hand auf seinen Arm.

„Tut mir wirklich leid.“, flüsterte ich. „Ich wollte keine schlimmen Erinnerungen wecken.“ Er lächelte gezwungen und sagte: „Ist schon gut. Du konntest es ja nicht wissen.“

„Doch als du gesagt hast eine Person, die dir am Herzen liegt, hätte ich nicht weiter nachfragen sollen.“ Wir schwiegen.

Dann, nach weiteren zehn Minuten Autofahrt, tauchte vor uns plötzlich ein riesiges schmiedeeisernes Tor auf. Hinter dem Tor war eine riesige Burg, die wohl die Schule sein sollte. Ich wurde langsam etwas wütend. Ich lebte jetzt seit 5 Jahren in Oxford und weiß nichts von diesen Sachen! Das war doch wohl zum kotzen! Alec fuhr langsamer und stoppte dann. Uns kamen zwei Wächter entgegen und Alec ließ das Fenster hinunter.

„Guten Tag Miles. Die Prinzessin und ich wollen zu Dimitri stoßen um die Schule zu verteidigen.“, sagte Alec. Die Augen der Wächter wurden groß und sie sahen schnell zu mir.

„Guten Tag Prinzessin. Ihr solltet nicht hier sein. Die Strigoi...“

„Sind gefährlich und haben die Schule angegriffen. Ich weiß.“, unterbrach ich Miles. „Und ich bin hier um die Schule zu beschützen. Genauso wie ich es bei meiner Krönung geschworen habe.“

„Dafür werden wir Euch ewig dankbar sein.“

„Nein. Es ist selbstverständlich, dass ich die Schule verteidige. Doch dürfen wir nun rein? Wir müssen uns mit Wächter Petrov unterhalten.“ Die Wächter traten unter mehreren Verbeugungen zurück und ließen uns das Tor passieren.

„Die hast du wirklich um den Finger gewickelt.“, grinste Alec. Seine Trauerstimmung war wie weggeblasen. Doch ich wusste es besser. Tief in seinen Augen konnte ich sie immer noch entdecken. Wir stiegen aus und ich lehnte mich an das Auto.

„Hm. Denkst du? Miles vielleicht aber der andere? Der sah nicht wirklich begeistert aus.“ Er sah zu den Wachen, die uns nicht mehr beobachteten.

„Der denkt wahrscheinlich nur, dass sie jetzt noch eine Person haben auf die sie aufpassen müssen. Doch da haben sie dich nicht kämpfen gesehen.“ Ich lachte. Er kam um das Auto herum, nahm mich am Arm und wir liefen gemeinsam auf die Schule zu. Als wir in den großen Essenssaal traten, herrschte ein heillosen durcheinander. Verschiedene Schüler saßen an den Tischen und Lehrer versuchten für Ordnung zu sorgen. Doch gelingen wollte ihnen das nicht so recht.

Als Alec und ich auf das Podest gingen wo Dimitri schon stand und auf die Vampire hinunter sah, wurde es nach und nach Still im Raum. Alle Blicke waren auf mich gerichtet und diejenigen, die bis jetzt immer noch nicht leise waren, wurden von ihren Sitznachbarn angestubst. Ich hörte Satzfetzen wie: „Da ist die Prinzessin!“ und „Was macht die Prinzessin hier?“

Woher kennen dich mich alle?“, fragte ich Alec per Telepathie.

Vampir-fernsehen, Zeitungen, Radio...“ Er zuckte die Schultern.

Das gibt es?“, fragte ich erstaunt und er nickte. Und schon wieder hörte ich Satzfetzen wie: „Es stimmt was man erzählt!“ und „Sie ist wirklich die Gefährtin von Lord Alec!“ und „Wie ich sie beneide.“ Alles das wurde von Mädchen gesagt. Sie mussten wohl sehr enttäuscht sein, dass er jetzt nicht mehr als Gefährte zu haben war. Alec grinste als er meine Gedanken las. Ich schlug ihm leicht gegen den Arm.

„Hör auf damit!“, zischte ich leise. Er grinste nur und sagte nichts. Dimitri räusperte sich. Alle Aufmerksamkeit wandte sich nun ihm zu.

„Die Prinzessin und wir sind hier um die Schule vor dem Bösen zu beschützen. Wir sind hier um Leben zu retten und im Notfall unseres dafür zu geben.“ Gemurmel und unsichere Blicke in meine Richtung. Dimitri wartete bis es wieder ruhig war und sprach dann weiter: „Ich möchte, dass ihr nicht allein in der Schule herum lauft. Ich möchte, dass die verschiedenen Jahrgänge zusammen in ihren Häusern sind und in jedem Haus mindestens zwei Wächter sind. Wir werden alles versuchen, damit kein Strigoi hier rein kommt, doch wenn es dazu kommt möchte ich, dass die Älteren von euch gewappnet sind!“ Die Schüler nickten. In mir reifte blitzschnell ein Plan. Ich trat vorsichtig vor. Sofort hatte ich alle Aufmerksamkeit.

„Ich habe zwei Fragen an euch. Aber sie sind an diejenigen gerichtet, die ihren Abschluss bald machen. Wer von euch kann gut mit Pfeil und Bogen umgehen?“ Einige Hände schossen in die Luft. Besonders viele Jungs zwischen meinem und Alec Alter hoben ihre Hand. Dimitri sah mich verwirrt an.

„Und wer ist sehr gut in seinem Element Feuer?“ Da schossen noch mehr Hände in die Luft. Ich hatte jetzt die volle Aufmerksamkeit. „Ich würde euch bitten mit an meiner Seite zu kämpfen. Ich weiß dies ist eine sehr bedeutsame Bitte und ich bitte euch nicht darum mitten im Schlachtgetümmel zu kämpfen, sondern die Schule von ihren Mauern aus zu verteidigen. Ich kann verstehen wenn ihr das nicht wollt, doch es wäre eine große Hilfe für uns und würde die Verluste verringern.“ Plötzlich kam Bewegung in die Schüler. Mehrere standen auf und traten vor. Erst einzeln und dann in Gruppen. Sie stellten sich vor mich und verneigten sich.

„Es wäre uns eine Freunde mit Euch zu kämpfen Prinzessin.“, sagte ein Junge. Er war im Alter von Alec und schien selbstbewusst und mutig zu sein.

„Nein, es ist mir eine Ehre mit euch in die Schlacht zu ziehen.“ Eine Bewegung auf meiner linken Seite erregte meine Aufmerksamkeit. Ein kleiner Junge kam auf mich zu. Er war gerade erst zehn Jahre alt. Seine schwarzen Haare umrahmten sein noch so kindliches Gesicht. Kurz vor dem Podest wo ich stand hielt er und verbeugte sich. Er sah mir fest in die Augen und sagte mit seiner piepsigen Kinderstimme: „Prinzessin. Ich bitte Euch mir zu erlauben mit Euch in die Schlacht zu ziehen.“ Gelächter war im Saal zu hören, doch ich blieb völlig ernst. Ich stieg die Treppen hinunter und ging auf den kleinen Jungen zu. Vorsichtig kniete ich mich vor ihn und sah ihm ernst in die Augen.

„Wie heißt du?“, fragte ich.

„Mein Name ist Mason Prinzessin.“

„Du heißt genauso wie mein Bruder. Du kannst stolz auf diesen Namen sein Mason.“ Er fing an zu lächeln.

„Ich danke Euch Prinzessin.“ Er verbeugte sich vor mir. „Werdet Ihr mich in der Schlacht mitkämpfen lassen Prinzessin?“

„Mason. Ich sehe, dass du später ein wunderbarer Krieger im Dienst meines Bruders Mason sein wirst. Du wirst dem Königreich loyal dienen. Doch heute wirst du noch nicht gebraucht. Ich bitte dich. Trainiere fleißig in der Schule und irgendwann wirst du deinen Platz in der königlichen Wache einnehmen. Du wirst einer der Besten sein.“

„Denkt Ihr das?“, fragte er und seine Augen begannen zu strahlen. Ich nickte ernst. „Würdet Ihr mir erlauben dann Euch als Wache zu dienen?“ Wie ernst er für sein Alter war! So ernst und so verantwortungsbewusst. Und dabei war er gerade einmal ein Kind!

„Du wirst einmal in meiner Wache sein. Ich verspreche es dir Mason. Aber jetzt wirst du mit den Wächtern mitgehen und auf die anderen aufpassen? Versprichst du mir das?“ Sanft nahm ich seine kleine Kinderhand in meine und hauchte einen Kuss drauf.

Mason hob die Hand und legte sie auf seine Brust. Genau an die Stelle wo sein Herz war. Mit fester Stimme sagte er: „Ich verspreche es Euch Prinzessin. Als Euer zukünftiger Wächter.“ Er verbeugte sich und ging zu seinem Tisch wo er sich elegant hinsetzte und zu mir sah. Ich erhob mich und ging zu Dimitri und Alec auf das Podest. Dimitri erklärte noch ein paar Taktiken und dann verließen wir die Halle.

Wir setzten uns nach draußen auf eine Bank und ich starrte zum Wald.

„Wieso zeigen sie sich nicht? Sie könnten uns doch jeden Moment angreifen. Wieso tun sie es nicht?“, murmelte ich.

„Die Sonne. Strigoi können keine Sonne ab.“, erklärte Dimitri.

„Aber... Die Strigoi im Wald!“, wandte ich ein. „Die Sonne hat geschienen und es schien ihnen nichts auszumachen!“ Alec schüttelte den Kopf.„Sie können nicht länger als eine Stunde in der Sonne bleiben. Sonst sterben sie. Deswegen greifen sie Nachts an. Ein anderer Grund für einen Nachtangriff ist, dass sie uns unvorbereitet treffen wollen.“

„Sie wissen schon, dass wir gewappnet sind oder?“, fragte ich.

„Strigoi, besonders die ''Neugeborenen'', sind nicht gerade helle. Doch es gibt auch welche, die wirklich gefährlich sind. Und vor denen solltest du dich fürchten und rennen wenn sie dich angreifen wollen.“, riet Alec. Ich nickte.

 

Wir saßen hier bestimmt schon vier Stunden, entspannten uns, redeten über alles mögliche und bereiteten uns auf den Kampf vor als Dimitri sich erhob und auf uns herunter sah.

„Es ist so weit.“, sagte er. Seine Stimme klang ernst und sein Gesicht zeigte seine Entschlossenheit. Ich sah zum Himmel. Es stimmte. Die Sonne ging zwar noch nicht unter, doch sie stand schon gefährlich tief am Horizont. Schweigend standen wir auf und gingen wieder in die Halle. Es hatte sich vieles verändert seitdem wir sie verlassen hatten. Überall standen jetzt Vampire in kleinen Gruppen zusammen. Alle trugen Kampfkleidung und hatten die verschiedensten Waffen umgeschnallt. Nervös fummelte ich an meiner Kette herum und biss mir auf die Lippe. Ich spürte eine Hand auf meiner und ich sah an ihr nach oben. Alec sah mich zuversichtlich und auch ein wenig tadelnd an.

„Hör auf auf deine Lippe zu beißen. Du brauchst nicht nervös sein. Es wird alles gut.“

„Das wird es bestimmt. Und doch habe ich ein ganz komisches Gefühl. Als würde irgendetwas schlimmes passieren.“

„Es passiert was schlimmes! Wir werden von bösen Vampiren angegriffen! Caitlin!“ Alec starrte mich an.

„Das meine ich nicht.“, murmelte ich. Ich schritt durch den Raum und starrte zum angrenzenden Wald. Ich sah wie sich Schatten bewegten.

„Wir haben Beobachter.“, sagte eine ältere weibliche Stimme neben mir. Erschrocken zuckte ich zusammen. Neben mir stand eine ältere Dame. Sie war nicht groß, schmal und hatte graue Augen, die konzentriert die Umgebung beobachteten. Ich wusste nichts zu antworten, sondern beobachtete die Schatten weiter. „Ich danke Euch Prinzessin, dass ihr die Schule verteidigt.“ Sie sah mich dankbar an.

„Das ist meine Aufgabe. Ich tu es gern.“, erwiderte ich.

„Habt Ihr gar keine Angst zu sterben?“, wollte sie wissen. Doch natürlich hatte ich das!

„Ich denke jeder hat Angst zu sterben. Doch wenn ich heute falle, weiß ich, dass mein Tod geholfen hat das Leben hunderter Vampire zu retten. Das heißt ich könnte mit Stolz sterben. Natürlich würde ich gerne noch etwas länger leben und meine Träume verwirklichen, doch wenn ich heute sterben sollte, dann soll mir kein langes Leben gegeben sein.“ Sie nickte. Dimitri räusperte sich und alles wurde leise.

„Es ist so weit meine Brüder und Schwestern. Wir sind hier aus dem Grund diese Schule zu verteidigen. Wenn es sein muss mit unserem Leben. Wir werden diese Schule mit allen Mitteln von den Strigoi verteidigen. Und auch wenn diese Vampire einst Freunde oder Verwandte waren, sind sie heute nur bösartige Monster! Sie müssen vernichtet werden! Und ich wünsche euch allen viel Glück. Mögen die Götter mit euch sein.“ Einstimmiger Gruß zurück und schon strömten die Massen hinaus.

„Wie wird das eigentlich mit dem Schutzschild? Wird der uns nicht aussperren?“, frage ich Alec, der sich zu mir gestellt hatte. Wir warteten darauf, dass die letzten die Halle verließen um ihnen dann zu folgen.

„Er wird diese Nacht offen bleiben damit wir jederzeit zurück kommen können.“ antwortete er und ich nickte. Als alle draußen waren, wollte ich gerade raus gehen als Alec mich am Arm packte und mich zu ihm zog. Überrumpelt sah ich ihm in die Augen. Sie sahen mich so intensiv und voller Angst an.

„Was ist Alec?“ Ich flüsterte diese Worte. Er nahm meine Hände und verwob sie mit seinen. Sanft sagte er: „Pass auf dich auf Caitlin.“

„Das werde ich. Und du auf dich. Nicht, dass ich mir nachher die Hand aufschneiden und dich retten muss.“ Da lachte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.

„Vielleicht lasse ich mich jetzt absichtlich schwer verletzen, damit ich dein Blut kosten darf.“ Erbost schlug ich ihm mit unseren verschränkten Händen auf die Brust.

„Wehe Alec!“ Er lachte nur und zog mich nach draußen. Wir stellten uns zu Dimitri, der letzte Anweisungen gab. Es wurde dunkel. Jetzt im Frühling wurde es noch schnell dunkel. Wir beobachteten die Strigoi. Es waren ein paar mehr als wir angenommen hatten. Es waren fünfzig. Wir waren dreißig Leute, die offen auf dem Schlachtfeld kämpfen würden. Und dreißig, die mit Pfeil und Bogen kämpfen würden. Wir waren also ein wenig überlegen. Doch würden wir siegen? Alec ließ meine Hand los. Jetzt wo ich sie am meisten brauchte.

Ich liebe euch.“, sagte ich zu meiner Familie, die unwissend im Schloss saß und hoffte. Hoffte, dass wir siegen und gesund zurückkommen würden. Doch würden wir das?

Wir lieben dich auch Caitlin. Viel Glück in der Schlacht.“ Die Stimme meines Vaters beruhigte mich. Ich konzentrierte mich auf den bevorstehenden Kampf und wie immer wenn ich kämpfen sollte, wurde ich ruhiger. Dann endlich befahl Dimitri den Angriff. Eine Salve Pfeile sirrten durch die Luft. Viele trafen ihr Ziel und Strigoi gingen zu Boden. Ich wusste, dass man sie mit Pfeilen nicht töten konnte, doch sie konnten sich nicht bewegen ohne Schmerzen zu erleiden während der Pfeil in ihrer Brust steckte.

Wir gingen mutig vor und wurden von allen Seiten angegriffen. Mein Kopf hatte sich abgeschaltet. Ich war eine Maschine und folgte meinen Vampirinstinkten. Ich trat und schlug um mich und tötete jeden Strigoi, der es wagte mich anzugreifen. Dies alles tat ich ohne mit der Wimper zu zucken. Dies waren alles Monster, die viele Menschen töten würden wenn ich sie nicht tötete. Und doch würde ich später riesige Schuldgefühle bekommen.

Irgendwann hatte ich mich gefährlich weit von der Gruppe entfernt und wollte mich gerade zurück ziehen als jemand auf mich zu trat. Sofort wusste ich wer es war. Max! Doch was machte er hier? Er war doch nur ein... Strigoi. Das sah ich als ich ihm in die Augen blickte. Sie waren blutrot und glühten vor Blutdurst. Seine Bewegungen kamen ins Stocken als er mir ins Gesicht sah. Erkannte er mich? Nach all den Jahren? Schwach hörte ich Dimitri den letzten Angriff schreien. Es waren nicht mehr viele Strigoi übrig. Doch ich ließ mich von meinen schnellen Gedankengängen nicht ablenken, sondern musterte Max mit bösem Blick. Seine blonden Haare waren zu einem Undercut frisiert und er hatte eine schwarze Jeans und ein weißes T-Shirt an, welches schon mit übermäßig viel Blut bedeckt war. Seine blauen Augen fixierten mich. Er schien nachzudenken.

„Hey Max. Lange nicht mehr gesehen. Du bist also ein Strigoi. Nicht cool.“, plapperte ich einfach mal los.

„Wer zum Teufel bist du?“, fragte er mit rauer, tiefer Stimme. Der Klang seiner Stimme ließ mich zusammenzucken. Doch ich sagte so lässig wie ich konnte: „Ach klar erinnerst du dich nicht mehr an mich! Ich bin´s Caitlin. Deine ex beste Freundin.“ Seine Augen wurden Teller groß. Wir starrten uns gegenseitig an, doch dann hörte ich jemanden von der Seite laufen. Ein Strigoi griff mich von der Seite an. Blitzschnell duckte ich mich unter seinem Angriff hindurch und fauchte leise.

„Ernsthaft jetzt? Hast du denn keine Manieren?“, zischte ich. Er bleckte nur die Zähne und griff mich erneut mit einem Messer an. Es schrammte mir meine Haut auf und ich stieß zischend die Luft aus. Bis jetzt war ich nur mit blauen Flecken davon gekommen, doch jetzt blutete ich aus mehreren Stellen. Ich merkte wie mich meine Kräfte verließen. Ich musste es hier zu Ende bringen! Ich sammelte meine Kräfte und warf einen kleinen Feuerball auf meinen Gegner. Der genügte. Seine Kleidung ging in Flammen auf. „Leg dich nicht mit der Prinzessin von England an!“, rief ich und ich stieß meinen Pflock in sein Herz. Der Typ sackte zusammen und sein Leben floss aus ihm heraus. Keuchend stand ich auf und blickte in die Augen von Max. Er blickte mich ausdruckslos an.

„Und? Wie ist es so eine Prinzessin zu sein?“, fragte er und glitt auf mich zu.

„Sehr gut. Und anstrengend. Und wie ist ein Leben als lebender Toter?“ Seien Augen, die eben noch gefährlich normal ausgesehen hatten, wurden wieder rot.

„Sehr gut. Es tut mir wirklich gut Macht zu haben. Eine Macht, die ich schon lange hätte haben sollen.“

„Und du findest es gut Menschen umzubringen. Denkst du auch manchmal daran deine Familie umzubringen? Wie wäre es denn mit Felix? Dein kleiner Bruder? Er würde doch eine perfekte Leiche abgeben oder nicht?“ Ich wusste, dass ich ihn gerade provozierte, doch genau das war mein Plan. Wenn er wütend war, würde er vielleicht nicht so sehr an seine Deckung denken und ich würde ein leichteres Spiel mit ihm haben. Und ich könnte meine wahren Gefühle vor ihm verstecken. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt um den Gefühlen freien Lauf zu lassen. Das müsste ich auf später verschieben... Wenn ich diesen Angriff überlebte, denn ich hatte seine Kraft unterschätzt. Seine Angriffe kamen schnell und präzise. Seine Messerspitze bohrte sich in meinen Bauch und ich sackte mit einem Ächzen zusammen,

„Tja. Es ist keine gute Idee sich mit mir anzulegen.“, meinte er gelangweilt. Ich starrte ihn nur an. Das Atmen fiel mir schwer und ich musste mich zusammen zu reißen um nicht in Ohnmacht zu fallen.

„Max... Wieso?“, wisperte ich. Doch ich wusste, dass er mich gehört hatte und er wusste auch wovon ich sprach.

„Wieso?“ Er lachte hart und grausam. „Ich war schon immer ein Mensch gewesen, der Leute brauchte, die ihm untertan waren! Und jetzt wo ich durch einen Unfall vor zwei Jahren verwandelt wurde, bin ich ein wichtiger Mann im Geschäft der Strigoi. Ich bin der Chef der Gruppe in England. Und das ist auch gut so, denn durch mich werdet ihr dummen Normalos ausgerottet und wir werden hier herrschen.“ Er warf sein Messer und es sauste auf mein Bein zu. Ein nichts auszuhaltender Schmerz explodierte in ihm und ich schrie. Ein grauenhafter Ton in der plötzlichen Stille. Schwach wunderte ich mich wieso es so still war, denn eigentlich müsste ich doch Kampfgeräusche hören, doch es war totenstill. Noch nicht einmal die Vögel sangen.

„Und ich habe dich geliebt.“, flüsterte ich. „Ich war am Boden zerstört als du den Kontakt abgebrochen hast. Ich hab mir deinetwegen ein Tattoo stechen lassen. 'Never lose hope.' Doch anscheinend bin ich dir egal. Gut zu wissen. Dann kann ich ja beruhigt sterben.“ Er sah mich verächtlich an.

„Du hast mich noch nicht einmal interessiert. Ich war nur mit dir 'befreundet', weil ich sonst in der Schule durchgefallen wäre. Das war alles. Du warst, bist und bleibst ein Nichts!“ Ich nickte nur schwach und schloss die Augen. Keine Schwäche zeigen!, befahl ich mir selbst. Ein Windhauch und als ich die Augen öffnete war Max nicht mehr da.

„Ein Nichts. Du hast Recht.“, flüsterte ich nur noch. Und dann verlor ich das Bewusstsein.

 

 

ALEC

 

Ich rannte jetzt schon eine Weile durch den Wald. Die Truppe hatte die Strigoi in die Flucht geschlagen und Dimitri hatte den Befehl zum Rückzug gegeben. Die Strigoi, die überlebt hatten, würden sich hier nicht so schnell wieder blicken lassen. Doch das war alles nebensächlich. Hauptsache war, dass Caitlin nicht aufgetaucht war als Dimitri den Angriff abgeblasen hatte. Und auf meine telepathischen Fragen antwortete sie auch nicht. Ich hatte noch nicht einmal ein einziges Gefühl von ihr bekommen. Das war es was mir Sorgen machte und ich stürmte jetzt also durch den Wald um sie zu suchen. Plötzlich hörte ich einen grellenden Schrei einer Frau, der nur von Caitlin kommen konnte und ich rannte los. Als ich auf die kleine Lichtung kam sah ich nur noch einen Schatten davon rennen und ich überlegte kurz ihm hinterher zu rennen doch ich tat es nicht, denn der Anblick von Caitlin brachte mich völlig aus dem Konzept. Sie lag da in ihrem eigenen Blut, welches immer noch aus ihren offenen Wunden am ganzen Körper floss. Ihre Haut war weiß. Blutleer, schoss es mir durch den Kopf. Schnell rannte ich auf sie zu uns kniete mich neben sie. Ihr Atem ging langsam und abgehackt. Ihr Herz flatterte.

„Oh scheiße! Bitte nicht! Verdammt!“, fluchte ich. Schnell schnappte ich mir das Messer, welches von ihrer Hand umklammert wurde und schnitt mir die Handfläche auf. Dann presste ich meine blutende Stelle auf ihren Mund und sie schluckte. Doch als sich ihre Wunden nicht schlossen, bekam ich Panik. Wieso funktionierte das nicht? Die Wunden müssten sich eigentlich schließen! Vielleicht hatte ich ihr zu wenig Blut gegeben. Ich ließ sie noch ein paar Schlücke nehmen. Doch die Wunden schlossen sich nicht. Da bekam ich riesige Panik. Ich hob sie nicht gerade sanft hoch und lief los in Richtung Schule.

Erschrockenes Auf keuchen von den Schülern, die freudig im Garten der Schule feierten als ich mit Caitlin in den Armen ankam.

„Wo ist hier die Krankenstation?“, rief ich. Dimitri kam uns entgegen und ein Blick von ihm auf Caitlin genügte. Er winkte mir ihm zu folgen was ich natürlich auch tat. Er öffnete eine Tür und ich trat hinein. Eine Krankenschwester kam uns geschäftig entgegen und zog erschrocken die Luft ein als sie Caitlin sah.

„Helfen Sie ihr doch!“, flehte ich.

„Legen Sie, sie hier hin.“ Sie eilte schnell davon und kam mit ein paar Geräten zurück. „Sie müssen nun raus gehen.“ Unwillig schüttelte ich den Kopf. Ich wollte bei ihr bleiben. Dimitri nahm mich an der Schulter und führte mich aus dem Zimmer. Wütend versuchte ich ihn abzuschütteln, doch er packte mich noch fester und zerrte mich mit Gewalt aus dem Raum. Er schleifte mich in einen leeren Raum und drückte mich auf einen dort stehenden Stuhl.

 

„Reiß dich zusammen!“, fauchte Dimitri. Er schlug mir einmal mit der flachen Hand ins Gesicht. Verdattert starrte ich den Wächter an. „Es hilft ihr auch nicht weiter wenn du dich hier so verrückt machst!“ Nein. Das tat es nicht.Doch machte ich mir riesige Sorgen um Caitlin. Sie so leblos auf dem Boden liegen zu sehen... Ich schüttelte mich.

„Danke.“, murmelte ich. Er nickte knapp. Die Schelle hatte ich gebraucht. Sie hatte mich wieder auf den Boden zurückkommen lassen. Dimitri sah mich mit undefinierbaren Blick an. Ich ließ den Kopf hängen. Sein Blick machte mich nervös und ich schämte mich, dass er mich so gesehen hatte. Ich meine ich war vollkommen außer mir gewesen. Lange Zeit schwiegen wir. Dann plötzlich sagte Dimitri leise: „Du liebst sie.“ Ich riss meinen Kopf nach oben.

„Ich liebe sie nicht!“, stritt ich seine Behauptung ab. „Ich mag sie noch nicht einmal!“

„Ach wirklich nicht? Deshalb drehst du auch so durch. Du bist vollkommen krank vor Sorge.“

„Sie ist eine Gefährtin! Da darf man sich doch wohl Sorgen um sie machen!“

„Ja. Aber nicht so wie du es machst! Verdammt!“ Er stieß die Luft aus. „Ich habe deinen Blick gesehen! Das ist Liebe Alec!“ Auf seine Worte antwortete ich erst einmal gar nichts. Ich dachte nach. Liebte ich Caitlin? Sie war mir an Herz gewachsen. Zwar auf eine komische Art und Weise, die ich gar nicht kannte, doch sie ist mir auf jeden Fall nicht egal. Doch war das Liebe?

„Ja. Ich liebe sie wie eine Schwester.“, murmelte ich. Dimitri lachte.

„Nein. Ich liebe Caitlin wie eine Schwester. Oder James und Mason lieben sie wie eine Schwester. Vielleicht auch noch ihre Freunde. Doch du liebst sie nicht so. Du liebst sie tiefer.“ Ich hob den Kopf und sah dem Wächter in die Augen. In die Augen denen nichts verborgen blieben. „Hör in dich hinein Alec. Du wirst das merken.“ Ich befolgte seinem Rat und suchte in meinem Inneren nach meinen Gefühlen für Caitlin. Erschrocken erkannte ich: Ja. Ja, ich hatte mich in Caitlin verliebt.

„Scheiße!“, entfuhr es mir. Dimitri fing an zu lachen.

„Das ist doch nicht scheiße!“ Er wischte sich die Tränen aus den Augen.

„Nicht lustig Dimitri!“, zischte ich. „Ich habe ein ernsthaftes Problem.“

„Das du liebst, ist kein Problem. Es ist ein Wunder! Der unnahbare Alec of Manchester hat sich verliebt! Das einzige Problem ist, dass du sie vielleicht nicht haben kannst.“ Verständnislos sah ich ihn an. Dimitri fing an zu erklären: Erstes Problem: Du weißt nicht ob sich dich auch liebt. Da solltest du vielleicht James zu Hilfe holen. Er kann ein wenig in ihr nach Gefühlen für dich suchen.“ Wie ein Roboter nickte ich. Es war verrückt. Wir redeten hier darüber wie ich Caitlin am Besten bekommen könnte und dabei lag sie im Nebenzimmer und kämpfte gerade um ihr Leben.

„Aber er wird das nicht tun. Er achtet auf die Privatsphäre anderer.“

„Vielleicht macht er ja eine Ausnahme. Ich meine du bist sein bester Freund.“

„Hm...Sie ist seine Schwester.“ Ich machte eine Pause bevor ich fragte: „Und das zweite Problem?“

„Tja. Das zweite Problem ist: Sie ist eine Prinzessin.“

„Was hat das bitte damit zu tun ob ich sie bekommen kann oder nicht?“, wollte ich wissen.

„Denk doch mal nach! Sie ist die Prinzessin dieses Reiches! Der König könnte sie mit irgendeinem Prinzen verheiraten. Damit würde er das andere Land stärker an sich binden.“

„Das würde Desiree niemals zulassen. Sie hat als Mutter doch wohl ein Recht zu entscheiden was mit ihrer Tochter gemacht wird. Und Caitlin wird das auch nicht machen!“

„Du weißt, dass sie verstoßen und verbannt wird wenn sie sich dem Willen des Königs widersetzt.“ Dimitri sah mich streng an. Allerdings. Das wusste ich. Doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, ging die Tür auf und die Schulärztin kam ins Zimmer. Sie sah erschöpft aus. Ihre Augen waren dunkel vor Besorgnis. Ich sprang auf.

„Was ist mit ihr?“, fragte ich. Ich hörte selber wie besorgt und verliebt ich mich anhörte und schlug mich im innersten gegen den Kopf.

„Die Prinzessin ist nicht bei Bewusstsein. Ihre Wunden schließen sich nur langsam. Sie kämpft, doch ich weiß nicht ob sie es überlebt. Wenn dann nur, dank Eurem Blut Sir Alec. Die Waffe mit der sie verletzt wurde war mit Werwolfsblut eingeschmiert.“

„Was? Aber es gibt doch nur noch etwa 100 Werwölfe auf der ganzen Welt! Man kann....“ Mehr bekam ich von Dimitri´s Rede nicht mehr mit, denn ich stürmte in das Krankenzimmer wo meine kleine Prinzessin um ihr Leben kämpfte. Dort lag sie. Weiß wie Schnee. Ihr Körper war mit Verbänden zu gekleistert. Ihre azurblauen Augen, die mich oft voller Wut angefunkelt hatten, in die ich mich aber trotzdem verliebt hatte, waren geschlossen. Ihr Atem ging langsam und unregelmäßig. Es brach mir das Herz sie so zu sehen. Meine kleine, süße Katze lag vollkommen bewegungslos auf dem Bett.

Vorsichtig setzte ich mich auf die Bettkante und nahm ihre zierliche Hand in meine. Ihre Hand war kalt und ich zuckte zusammen.

„Bitte. Wach auf! Ich flehe dich an. Was sollen wir denn ohne dich machen? Der König, dein Vater hat dich doch gerade erst gefunden. Und James und Mason? Deine Freunde. Dimitri. Ich. Wir werden dich vermissen. Wir würden dich niemals vergessen. Doch wir wollen dich nicht jetzt schon betrauern müssen.“ Ich war nicht gut darin meine Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Ich versteckte meine Gefühle lieber tief in meinem Inneren. Dort wo ich nicht verletzt werden konnte. Das tat ich nicht, weil ich schon einmal verletzt worden war. Nein. Solche Probleme hatte ich noch nie gehabt. Es war einfach so, dass ich nicht wollte, dass jemand meine Gefühle sah und mich für ein Weichei hielt. Da war ich lieber der unnahbare Playboy, der niemals etwas festes mit einem Mädchen hatte. Doch dieses Mädchen machte mich zum typischen Schwächling. Doch es war mir fast vollkommen egal. Natürlich wehrte ich mich gegen diese Umwandlung meinerseits, doch sie zeigte mir, dass es nicht so schlimm war einmal Gefühle zu zeigen. Und das obwohl sie mir oder einem anderen außer ihren Freunden niemals einen Einblick in ihre Gefühlswelt gab.

„Wach auf!“, flehte ich. Ich atmete tief ein und lehnte mich weiter vor. Mein Gesicht war jetzt ganz nah ein ihrem. Unsere Lippen waren nur noch ein paar Millimeter voneinander entfernt. Ich wollte gerade meine Lippen auf ihre legen als sie ihre Augen flatternd öffnete und einen erstickten Schrei ausstieß.

„Was machst du da?“, flüsterte sie müde. Ihre Stimme klang schleppend und schmerzerfüllt.

„Nichts Prinzessin.“ Schnell wich ich zurück. Doch dann fing ich an zu grinsen. Ich wollte sie ein wenig ärgern. „Na ja. Als nichts kann man das nicht bezeichnen. Ich wollte die Prinzessin wach küssen. Doch dann wurde sie ja von selbst wach.“ Sie wurde leicht rosa im Gesicht. Wenigstens etwas mehr Farbe. Dieses bleiche Gesicht machte mich fertig.

„Das ist aber nicht nett.“, meinte sie immer noch flüsternd.

„Was? Dass ich dich wach küssen wollte?“, fragte ich.

„Nein, dass du es nicht getan hast.“ Sie wurde noch einen Ton dunkler. Ich grinste.

„Soll ich es denn jetzt machen?“, fragte ich.

„Ich bin jetzt wach. Wachküssen geht da jetzt nicht mehr.“ Auch sie lächelte leicht, doch dann verzog sie ihr Gesicht. Ich spürte ihre Schmerzen durch das Band, welches uns beide verband.

„Ich hole die Ärztin. Warte. Nicht bewegen.“

„Wie sollte ich das bitte anstellen?“, fragte sie sarkastisch.

„Auch wieder Recht.“ Ich beugte mich über sie und drückte ihr einen leichten Kuss auf die Lippen. Ihre Lippen waren so weich. 'Wie für mich gemacht.', schoss mir durch den Kopf. Ich ging schnellen Schrittes aus dem Zimmer und suchte nach der Ärztin. Sie unterhielt sich mit Dimitri in dem Raum wo der Wächter und ich auf sie gewartet hatten. Als ich den Raum betrat, sahen sie auf.

„Die Prinzessin ich wach.“, meinte ich selig. Sofort stürmte die Ärztin aus dem Raum.

„Hör auf so verliebt zu grinsen.“, befahl Dimitri barsch. „Das sieht total bescheuert aus!“ Doch selbst sein dummer Kommentar brachte mich nicht dazu aufzuhören.

„Komm.“, sagte ich nur und lief der Ärztin nach. Natürlich folgte er mir, doch als wir das Krankenzimmer betreten wollten, wurden wir von einer Assistenzärztin aufgehalten.

„Ihr dürft hier nicht rein.“, sagte sie bestimmt.

„Aber...“

„Tut mir leid. Die Prinzessin wird gerade behandelt. Dort würdet Ihr nur stören Sir.“ Ergeben setzte ich mich auf den Stuhl an der gegenüberliegenden Wand. Es vergingen weitere 10 Minuten bevor sich die Tür wieder öffnete und die Ärztin erschien. Sie lächelte.

„Sir Alec. Ich würde Euch bitten Eurer Gefährtin noch ein wenig Blut zu geben. Wenn alles gut geht ist sie dann in einer halben Stunde wieder heil. Jedenfalls fast ganz.“

„Das werde ich machen.“ Sie nickte knapp und ging. Dimitri und ich traten ins Zimmer, wo uns Caitlin schon entgegen lächelte.

„Hey Caitlin. Ist alles gut bei dir?“, fragte Dimitri.

„Ja. Alles gut.“ Sie sah meinen skeptischen Blick, der sie durchbohrte und gab dann zu: „Ich hab noch ein paar Schmerzen. Aber das wird schon wieder. Ich meine ich hab doch einen beschleunigten Heilungsprozess.“

„Ja. Und noch ein schnelleren wenn du Alec' Blut trinkst.“ Sie verzog den Kopf.„Das ist schon das zweite Mal...“

„Das Dritte.“

„Das Dritte?!“ Sie klang so geschockt, dass ich lachen musste und nickte.

„Heute auf der Lichtung hab ich das noch mal ein paar Tropfen gegeben.“, erklärte ich. „Und jetzt bekommst du noch eine Portion.“

„Bäääh!“ Sie verzog ihr Gesicht.

„Komm schon.“ Ich trat auf sie zu und setzte mich auf ihr Bett. Dann streckte ich ihr die Hand entgegen. Sie schielte vorsichtig auf meine Hand bevor sie mich wieder ansah. Dann fragte sie: „Und was soll ich jetzt machen?“

„Mich beißen?“, fragte ich, so als hätte sie wissen müssen was sie machen muss.

„NEIN! Bist du vollkommen bescheuert?“ Dimitri lachte und kam dann auf uns zu. Er hatte ein Messer in der Hand. Er streckte es mir entgegen und ich nahm es seufzend. Dann schnitt ich mir schnell die Hand auf und bedeutete ihr den Mund zu öffnen. Sie öffnete ihn zögerlich und ich ließ die rote Flüssigkeit in ihren Mund fallen. Als sie meiner Meinung nach genug hatte, nahm ich die Hand weg und leckte einmal kurz rüber um die Wunde schließen zu lassen. Als ich aufstand wurde mir schwindelig und ich musste mich am Bett festhalten um nicht zu fallen. Caitlin musterte mich besorgt.

„Was ist los Alec?“, fragte sie.

„Nichts.“, murmelte ich.

„Alec. Wann hast du zum letzten Mal getrunken?“, wollte Dimitri von mir wissen. Ich dachte nach. Dann schüttelte ich den Kopf und antwortete: „Ich weiß es nicht.“

„Geh zu den Spendern. Du musst unbedingt trinken.“, befahl Dimitri. Ich nickte.

„Ich bin sofort wieder da!“, versprach ich und machte mich auf den Weg zu den Spendern. Soweit ich wusste, waren die Spender im Untergeschoss untergebracht. Also lief ich durch die Gänge und kam dann endlich an. Überall saßen Menschen, die sich freiwillig anboten Vampire von ihnen trinken zu lassen. Suchend sah ich mich in dem Raum um. Ich brauchte unbedingt das Blut und ich würde es mir holen.

„Ihr müsst wohl trinken Sir?“, fragte ein Mann, der plötzlich auf mich zu trat. Ein Vampir.

„Ja. Dürfte ich mir einen Spender nehmen?“

„Natürlich. Folgt mir Sir.“ Wir gingen durch den Raum und gingen dann zu einer jungen Frau. Sie lächelte mir entgegen. Sie war höchstens 24 und sehr gut aussehend. Normalerweise hätte ich sie in mein Bett genommen und sie so richtig durchgenommen, doch es war alles anders seit ich Caitlin kannte. Ein Namensschildchen auf ihrer Brust sagte mir, dass ihr Name Julia war.

„Hey.“, meinte sie und ich winkte ihr stumm zu. „Nun denn... Lass uns anfangen.“ Sie deutete auf den Stuhl neben sich und ich setzte mich schweigend. Die Frau legte ihren Kopf schief, so dass ich freie Bahn hatte. Ihr hörte ihr Blut durch ihren Körper rauschen. Der Blutdurst überwältigte mich und ich legte meinen Mund auf ihren Hals. Vorsichtig um ihr nicht unnötig wehzutun biss ich ihren Hals und fing an zu saugen. Sie stöhnte und bäumte sich unter mir auf. Für Menschen war ein Biss eines Vampirs genauso erregend wie Sex. Für manche sogar noch besser. Als ich genug hatte leckte ich ihr über die Wunde um sie zu schließen bevor ich mich bedanke.

„Kein Problem. Weißt du es ist schön wenn einen die Gefühle überfluten. Es ist wie in einem Rausch. Du bist vollkommen high und wie auf Drogen.“

„Und das findest du gut?“, fragte ich skeptisch.

„Klar.“ Sie sah mich fragend an. „Ist diese Caitlin deine Gefährtin?“

„Ja.“

„Vielleicht werdet ihr beide das ja auch erleben wenn ihr vollkommen aneinander gebunden seid.“

„Vielleicht.“ Ich erhob mich. „Ich muss gehen. Danke Julia.“

„Immer wieder gerne.“ Ihre weißen Zähne blitzten. Mit schnellen Schritten lief ich aus dem Zimmer. Ich wollte schon den Weg zu den Krankenzimmern einschlagen als ich Caitlins Stimme in meinem Kopf vernahm. „Wir sind draußen. Die Party wegen dem Sieg gegen die Strigoi ist im vollen Gange.

Ihr seid im Garten? Ist das denn gut für dich? Ich meine du bist verletzt.

Alles wieder gut. Komm schon!“ Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen. So schnell ich konnte lief ich nach draußen zum Park der Schule, wo die Siegesfeier stattfand. Schnell hatte ich Caitlin und Dimitri gefunden. Was ich aber komisch fand war, dass Caitlin nicht ihre Kampfkleidung trug. Sie trug jetzt eine schwarze Shorts und ein Türkises one-shoulder Top. Sie lief zwar nicht mit High Heels durch die Gegend wie die anderen Mädels, sondern trug Türkise Ballerinas doch sie war genauso gestylt wie die anderen. Dimitri jedoch trug immer noch seine Kampfuniform. Sie war aber sauberer als vorher und ich kam mir schäbig vor in den Klamotten, die ich gerade trug. Sie waren zerrissen, voller Blut und dreckig vom Waldboden auf dem ich mich mit meinen Gegnern gewälzt hatte.

Gerade als ich mich umdrehte um die Party zu verlassen, kam ein Mädchen auf mich zu. Sie musterte mich kritisch und streckte dann die Hand aus um sie mir auf den Arm zu legen. Ich wollte sie gerade weg schlagen als sie zischte: „Lass mich jetzt machen oder willst du in den Klamotten zu der Party?“ Ich schüttelte stumm den Kopf. Sie schloss die Augen und ich wollte sie gerade fragen was das sollte als sie die Augen wieder öffnete und ihren Blick dann langsam über meinen Körper gleiten ließ. „Perfekt!“ Verwirrt sah ich an mir herunter und erstarrte. Ich hatte nicht mehr meinen zerrissene, mit Blut befleckte Kampfuniform an. Nein. Ich trug ein weißes T-Shirt mit Aufdruck und darüber ein schwarzes Hemd. Ich hatte eine schwarze Jeans an und trug normale Sneakers.

„Wow.“, brachte ich nur heraus. Das Mädchen fing an zu kichern.

„Das meinte die Prinzessin auch als erstes als ich ihr das Outfit zauberte.“

„Das ist eine wunderbare Gabe.“

„Ich danke Euch Lord Alec.“ Ich bedankte mich und machte mich auf den Weg zu meinen beiden Freunden.

„Gut siehst du aus Alec.“, empfing mich die Prinzessin. Sie lächelte zwar, doch ich merkte, dass sie nervös war.

„Danke. Wie geht es dir?“, fragte ich.

„Super. Dank deinem Blut sind die Wunden schnell geheilt. Und dir?“

„Mir geht’s super. Dank dem Blut, dass sich im Moment wieder in meinem Körper befindet.“ Sie verzog den Mund. Dimitri meinte: „Du hast die Rede verpasst, die die Schulleiterin gehalten hat. Prinzessin Caitlin hat auch ein wenig geredet. Die Schule hat nicht viele Verluste. Ungefähr fünf Leute sind gestorben. Sieben sind auf der Intensivstation. Noch ungefähr drei sind leicht verletzt.“ Gerade wollte ich antworten als das Handy von Caitlin klingelte. Sie holte es aus ihrer Hosentasche und ging ran.

„Hey James... Ja alles gut gegangen. Wir haben gewonnen und die restlichen in die Flucht geschlagen... Was ist los? Du hörst dich so traurig an....“ Ihre Gesichtszüge entglitten ihr. „Nein...“ Sie flüsterte. „Das kann nicht sein. Er kann doch nicht....“ Sie starrte in den Wald. „Ich bin auf dem Weg.“ Sie legte auf und sah uns an. Caitlin war kreidebleich und ihre Augen schimmerten. Sie wollte weinen, doch sie hielt ihre Tränen zurück.

„Was ist passiert?“, fragte Dimitri, doch sie schüttelte einfach nur den Kopf.

„Ich muss nach Hause. Kommt ihr mit?“, fragte sie. Der Wächter und ich sahen uns an und kamen wohl zu dem gleichen Entschluss. Wir würden nichts aus ihr heraus bekommen. Sie müsste von selbst reden.

„Na klar.“ Wir verabschiedeten uns von der Schulleiterin und machten uns auf dem Weg zum Auto. Diesmal fuhr Dimitri. Caitlin und ich saßen auf dem Rücksitz. Es war still im Auto. Niemand redete und das Radio war ausgeschaltet. Ich machte mir Sorgen um Caitlin. Sie starrte blicklos ins Leere. Einzelne Tränen liefen ihr über die Wangen und ihre Hand krallte sich in ihr Top. Sie hatte nur noch ein einziges Mal geredet als sie Dimitri sagte, dass wir zu dem Haus ihrer Eltern fahren würden.

„Er ist tot.“, sagte sie plötzlich leise. Sie wandte mir ihr Gesicht zu.

„Wer ist tot Caitlin?“ Ich hatte meiner Stimme einen sanften Klang gegeben. Vielleicht war ihr Opa gestorben. Oder ihr Haustier. Oder...

„Daniel. Mein Ziehvater.“ Ihre Augen wurden rot. „Er wurde von einem verdammten Strigoi getötet! Er hat ihm einfach die Kehle durchgebissen!“ Jetzt ließen ihr die Tränen wie ein Wasserfall über die Wangen. Mitgefühl durchfuhr mich. Ich hatte das Gleiche durchstehen müssen. Doch anders als bei Caitlin hatte ich gesehen wie es passiert ist und wer es tat. Ohne, dass ich nachdenken musste, zog ich sie an mich und streichelte ihr sanft über den Rücken. Sie krallte ihre Hände in mein T-Shirt und schluchzte leise.

„Ich weiß wie du dich fühlst Caitlin.“, flüsterte ich. „Ich bin immer für dich da. Ich hoffe das weißt du.“ Sie wimmerte und nickte. Der Wagen hielt und Dimitri sagte leise: „Wir sind da Caitlin... denkst du wirklich, dass das eine gute Idee ist?“

„Ich muss ihn sehen.“ Ihr Stimme klang fest und sie löste sich von mir. „Vielleicht finden wir einen Hinweis wer es getan hat.“ Sie wischte sich unbeholfen über die Augen und suchte nach einem Taschentuch, welches sie natürlich nicht fand. Doch da half Dimitri ihr schon als er ihr ein Päckchen reichte. Sie nickte ihm dankbar zu und schnäuzte sich die Nase. Mit einem weiteren wischte sie sich über das Gesicht.

„Du hast da noch ein wenig Schminke.“, meinte ich leise.

„Wo?“, fragte sie und ich deutete auf meine Rechte Wange. Da wir uns gegenüber saßen wischte sie sich über die linke Seite, die aber schon frei von Wimperntusche war. Um ihr zu helfen nahm ich ihr das Taschentuch aus der Hand und tupfte ihr Gesicht damit ab. „Danke.“

Sie stieg aus dem Auto und machte sich langsam auf den Weg zum Haus. Es sah so aus wie vor zwei Wochen als ich ihr Haus zum ersten Mal betreten hatte. Die Tür war nicht aufgebrochen worden und auch das Haus zeigte von Außen keine gewalttätige Zerstörungen. James stand vor der Tür. Er sah bekümmert aus und streckte unbeholfen die Arme aus. Caitlin ließ sich in eine Umarmung ziehen und ihr Bruder meinte: „Tut mir so leid Caitlin.“ Er sah sie aufmerksam an. „Möchtest du ihn wirklich so sehen?“ Sie nickte nur und ging ins Haus.

 

Das Bild des inneren Hauses erschreckte nicht nur Caitlin. Das ganze untere Geschoss war vollkommen zerstört. Die Wände hatten Löcher, die Schränke waren zertrümmert, die Blumen, die überall im Raum in Blumenvasen gestanden hatten, waren überall auf dem Boden verteilt. Scheiben waren zerschlagen... Doch das schlimmste war Caitlins Ziehvater zu sehen. Ihm wurde nicht nur die Kehle raus gerissen. Nein. Seine Arme und Beine standen unnatürlich von seinem Körper ab und sein Gesicht war komisch verschoben. Erschrocken keuchte Caitlin auf. Ich hörte ihre Gefühle. Caitlin hatte ihre Mauer im Moment nicht gut unter Kontrolle. Sie wollte den Kopf von dem schrecklichen Bild abwenden, doch ihr Körper wollte ihr nicht gehorchen. Also half ich ihr und trat ihr in dem Weg. Ich zog sie in einen anderen Raum wo Raphael mit Desiree stand. Auch die Mutter von Caitlin hatte geweint.

„Sind alle Räume so zerstört worden wie das Wohnzimmer?“, fragte Caitlin emotionslos.

„Ja. Alle bis auf dein Zimmer.“ Überrascht weiteten sich ihre Augen, dann drehte sie sich um und raste die Treppe rauf in ihr Zimmer. Ich hörte sie über mir in ihrem Zimmer herum rennen.

„Wie habt ihr davon erfahren?“, fragte ich. „Es war doch niemand hier.“

„Die Mutter von der Freundin von Anastasia hat angerufen. Niemand ist ans Telefon gegangen. Deshalb hat sie mich angerufen. Ich wusste, dass Daniel normalerweise um diese Uhrzeit nicht mehr arbeiten würde, deshalb habe ich noch ein paar Mal versucht ihn auf dem Handy anzurufen. Ich wurde immer nervöser und dann hat Raphael mich hier her gefahren...“ Sie fing an zu weinen und Raphael schloss sie in die Arme.

„Was machen wir mit der Leiche?“, fragte ein Wächter, der wohl die Spuren sichern sollte.

„Wir nehmen sie mit ins Schloss. Daniel wird dort auf dem Friedhof beigesetzt.“, erklärte Raphael. Der Wächter nickte und verschwand. Kurz darauf kam Caitlin wieder. Ihr Gesicht war kreidebleich und ihre Augen leuchteten rot. Sie war traurig und gleichzeitig wütend auf jemanden. Doch sie hatte ihre Gefühle jetzt besser unter Kontrolle.

„Caitlin. Was ist los?“, fragte James. Er hatte ihre Gefühle ebenfalls gespürt.

„Nichts...“ Sie sah in die Runde und schien zu überlegen. „Ich... Ich weiß wer ihn umgebracht hat.“ Sie ließ damit eine Bombe platzen.

„Was meinst du? Es ist ein Strigoi gewesen. Und du kennst doch niemanden.“

„Doch. Ich kenne ihn. Der Mörder heißt Max. Ich bin mit ihm gemeinsam zur Schule gegangen. Außerdem habe ich ihn heute gesehen und wohl provoziert... Es ist also meine Schuld, dass Daniel jetzt tot ist.“

„Cat. Es ist doch wohl nicht der Max?“, fragte ihre Mutter.

„Doch. Eben dieser.“

„Woher weißt du das?“, fragte sie. Caitlin hielt ihr eine Kette hin. Es war das Gegenstück ihrer Kette. Ein weißes Stück Tumalin an einer Kette. „Es ist das was du ihm geschenkt hast. Als du ihm sagtest, dass du...“

„Ihn liebe. Ja.“ Ihre Stimme war emotionslos. Sie sah unsere verwirrten Gesichter und fing an zu erklären: „Es war in der neunten Klasse. Ich hatte einen besten Freund. Damals war ich auch mit Jana, Sarah und Tristan befreundet gewesen. Max und wir waren eine Clique. Wir hielten zusammen. In guten wie in schlechten Zeiten. Ich hatte mich wahnsinnig in Max verliebt. Ich wollte alles für ihn tun. Also traf ich mich eines Tages alleine mit ihm. Wir waren im Kino und haben uns dann den Sonnenuntergang angesehen. Dort schenkte ich ihm die Kette und erklärte ihm meine Gefühle. Zu der Zeit wusste ich noch nicht, dass ich ihm völlig egal war. Dass er nur mit mir befreundet war, weil er sonst in der Schule sitzen geblieben wäre. Das ich für ihn nur ein Nichts, ein Niemand war. Er lachte mich aus und brach den Kontakt ab. Für mich brach die Welt zusammen. Er ging kurz nach dem Kontaktbruch von der Schule. Wir hörten nie wieder etwas von ihm.“ Sie machte eine Pause. Sie wagte es nicht irgendjemanden in die Augen zu sehen.

„Und dann hast du ihn heute bei der Schlacht getroffen.“, stellte ich fest. Sie nickte.

„Wir waren allein. Ich erkannte ihn sofort. Er mich wohl nicht. Ich provozierte ihn damit, dass ich ihn fragte wie es für ihn wäre wenn er seinen kleinen Bruder oder seine Mutter umbringen würde. Er griff mich an und verletzte mich. Ohne Alec wäre ich wohl tot.“

Stille folgte auf ihre Worte. Dimitri wagte sie als erstes zu durchbrechen. „Und woher weißt du, dass er es gewesen war? Es hätte doch auch jemand anders sein können, der wollte, dass du denkst, dass Max es gewesen ist.“

„Er hat mir einen Brief hinterlassen. Beziehungsweise meiner Mutter. Er ist ja davon ausgegangen, dass ich an dem Werwolfsblut in meinem Körper sterben würde. Er weiß ja nicht, dass ich einen Gefährten habe.“„Was wollen wir gegen ihn tun?“, fragte James.„Wir werden gar nichts tun. Ich werde ihn suchen gehen und ihn töten.“, sagte sie mir fester Stimme und sah ihrem Bruder fest in die Augen.

„Bist du völlig bescheuert? Du hast doch keine Chance gegen ihn!“, rief ich.

„Nein. Und doch möchte ich ihn töten. Es soll meine Rache an ihn sein. Und mein letztes Geschenk an ihn.“ Stille folgte auf ihre Aussage. Niemand wusste was er sagen sollte. Schließlich rührte sich der König.„Gut. Du wirst bevor du los ziehst aber das Schuljahr beenden. Es sind ja nur noch drei Wochen. Und du wirst täglich mit Dimitri und Alec trainieren. Wir wollen, dass du lebend aus der Sache raus kommst.“ Sie nickte nur und zerknüllte die Zettel in der Hand. Vorsichtig löste ich ihre Hand von ihnen und sie ließ die Blätter zu Boden fallen. Ganz plötzlich wirkte sie schlaff. Erschöpft. Ich wollte sie in den Arm nehmen und nie wieder loslassen. Sie sollte den Kampf nicht alleine durchstehen müssen. Besonders nicht wenn es dabei um Max ging. Ich merkte, dass sie für diese Aufgabe noch nicht stark genug war. Dass sie daran zerbrechen würde. Doch ich sagte nichts, denn ihre Entscheidung war gefallen. Daran würde sich nichts ändern. „Komm wir gehen nach Hause.“, schlug ich leise vor.

 

Kapitel 13

 

Unsere Toten sind niemals wirklich tot für uns, solange wir sie nicht vergessen.

(George Eliot)

 

 

CAITLIN

 

Die Beerdigung fand drei Tage darauf statt. Es war ein warmer Morgen, die Sonne schien. Dieser Tag passte so gar nicht zu dem Ereignis welches heute stattfinden sollte. Meiner Meinung sollte es immer regnen zu Beerdigungen. Sonne und Trauer passte nicht zusammen. Doch im Juni war es schwer einen regnerischen Tag zu erwischen. Wir waren nur in einem kleinen Kreis versammelt. Mama, Raphael, Alec, meine drei besten Freunde und meine Brüder. Verwandte hatte mein Ziehvater keine mehr. Er war ein Einzelkind und seine Eltern waren früh gestorben. Wir alle waren in schwarz gekleidet. Der Farbe der Trauer. Der Sarg stand vor uns auf einem kleinen Altar. Es war ein schöner Sarg. Blank poliertes Ebenholz mit wunderschönen Verzierungen.Der Pastor redete die ganze Zeit über Daniel. Was er für ein wunderbarer Mensch gewesen ist. Wie sehr er seine Familie geliebt hatte. Doch woher wollte der Pastor das wissen? Er war, ist und wird auch nie ein Teil unserer Familie sein. Ich sah zu meiner Mutter. Sie weinte schon den ganzen Tag lang. Auch jetzt hielt sie die Hand von Raphael und weinte lautlos. Ich hatte nicht ein einziges Mal geweint seit wir in dem Haus die Leiche sahen. Es schien so als hätte m ein Körper keine Flüssigkeit übrig für Tränen. Ich trauerte lautlos. Tief in meinem Inneren. Von Außenstehenden hieß es ich würde nicht um meinen Vater weinen. Selbst die Lehrer an der Schule sagten das. Sie redeten so oft über die Eltern und wie wichtig sie für die Kinder waren und ich würde sie dafür am liebsten durch die Wand schleudern, doch ich beherrschte mich. Ich wollte ja nicht von der Schule fliegen. Doch dass sie mich als emotionsloses Kind bezeichneten, machte mich rasend. Ich würde noch nicht einmal um ihn trauern. Doch das stimmte nicht. Ich trauerte sehr wohl. Auf meine Weise. Jetzt war es Zeit für die Reden der Trauernden. Ich war die Letzte. Als ich so am Rednerpult stand und auf die Menschen vor mir sah, wollte ich so schnell wie möglich wieder weg von hier. Doch ich durfte nicht. Ich schuldete meinem Vater diese Rede. Er war schließlich meinetwegen gestorben. Ich hatte ihn indirekt umgebracht.„Daniel war ein wunderbarer Mensch. Da hat Vater Peter schon Recht gehabt. Er hat seine Familie auch wirklich geliebt. Selbst mich, die nicht einmal wirklich seine Tochter war. Er hat mich wie sein eigenes Kind aufgezogen. Hat mir das Laufen beigebracht. Das Reden. Ohne ihn wäre ich nie die Person, die ich heute bin. Und dafür danke ich ihm.“ Ich schluckte und schloss für einen kurzen Moment die Augen bevor ich weiter sprach: „Es wird nie wieder wie früher sein. Er hat eine Lücke hinterlassen, die nie wieder geschlossen werden kann. Natürlich werden wir irgendwann einmal wieder lachen können. Wir werden unsere Trauer irgendwann einmal überwinden, doch es wird niemals das Selbe sein wie vorher. Nein. Denn Daniel wird niemals wieder zurück kommen.“ Ich atmete tief ein und schloss sie Augen.

„Einen geliebten Menschen zu verlieren ist für jeden von uns mit großer Trauer und tiefem Schmerz verbunden. Deshalb ist es wichtig, dass man Personen um sich hat, die einem wieder auf die Beine helfen können. Und die habe ich gefunden. Gott sei dank. Denn sonst würde ich zerbrechen. Zerbrechen an dem Tod meines Vaters, der nur meinetwegen gestorben ist.“

Ich trat zurück und setzte mich zurück auf meinen Platz. Meine Mutter drückte mir die Hand. Vier Wächter trugen meinen Ziehvater zu seinem Grab. Das Schloss hatte – das hatte ich gestern erfahren – einen eigenen Friedhof. Doch auf diesen kamen nur die königliche Familie. Also waren meine Vorfahren auch hier begraben. Ich ließ meinen Blick über die gepflegte Friedhofsanlage schweifen und wusste, dass ich meine Zeit wohl meistens hier verbringen würde. Die Wächter ließen meinen Vater nun langsam hinab in die Erde und meine Mutter fing wieder an zu weinen. Doch auch hier kamen mir keine Tränen. Ich starrte nur ausdruckslos auf die Erde vor mir. Der Priester segnete noch das Grab als es geschlossen war und dann standen wir noch ein paar Minuten davor. Ich ging als erstes. Ich hatte es furchtbar eilig. Vielleicht wirkte es unhöflich, doch ich musste unbedingt etwas wissen.

 

Nervös klopfte ich an die Tür. Ich hatte mich vor meinem Besuch etwas schlau gemacht und war nun bereit für dieses Gespräch. Ich wollte noch so viel wissen. Und vielleicht war die Älteste, wie sie hier von allen genannt wurde, die Richtige um mir meine Fragen zu beantworten. Schritte nährten sich der Tür und dann wurde sie geöffnet. Die Älteste sah mich überrascht an.

„Prinzessin. Was macht Ihr denn hier? Ich dachte es wäre die Beerdigung Eures Vaters. Daniel meine ich.“

„Zu Ende.“, sagte ich nur. „Dürfte ich herein kommen?“ Ich sah sie bittend an. Sie trat wortlos zur Seite und ich betrat langsam ihr Zimmer. Ihr Zimmer sah ganz anders aus als ich es mir gedacht hatte. Eigentlich hatte ich ein Wahrsager-Zimmer erwartet. So von wegen viel Weihrauch, Kerzen, Kristallkugeln und halt das alles was Wahrsagerinnen sonst noch so brauchten. Oder ein Zimmer aus einem längst vergangenen Jahrhundert. Doch es war vollkommen anders eingerichtet. So unser Zeit entsprechend. Es war ein kleines Apartment. Das Wohnzimmer, welches wir betraten war wirklich schick eingerichtet. Es war in Brauntönen gehalten und wirkte schon vom ersten Moment gemütlich. Die Älteste setzte sich auf den Sessel und bedeutete mir es ihr gleich zu tun. Zögerlich folgte ich ihrer Anweisung. Die Älteste drängte mich. Sie fing an zu sprechen: „Mein Name ist Camilla. Camilla de León.“ Verständnislos sah ich sie an. „Ich habe Euch nie meinen Namen verraten. Jetzt wisst ihr ihn.“

„Ihr seid also aus Spanien? Sehr aufregend. Ein wunderschönes Land. Mit viel Kultur.“

„Ja. Das stimmt.“

„Vermisst ihr Eure Heimat?“, wollte ich wissen.

„Ein wenig. Doch ich gehe sie ja immer wieder besuchen.“ Schweigen. Plötzlich platze ich mit meiner Frage heraus: „Wie habt ihr gelernt mit dem Tod umzugehen?“ Nachdenklich sah mich Camilla an.

„Wie kommt Ihr auf so eine Frage?“, stellte sie eine Gegenfrage.

„Ich habe bei der Schlacht in der Akademie so viele Strigoi angegriffen und getötet. Ich kannte sie nicht, doch bestimmt waren nicht alle böse. Bestimmt wollten viele davon nicht böse sein. Bestimmt wollten sie nicht töten. Sie wollten vielleicht einfach nur normal sein. Etwas was ihnen genommen wurde.“

„Aber nicht alle waren gegen ihren Willen dort. Viele haben sich bewusst für so ein Leben entschieden. Du kannst nicht wissen wer, doch findest du nicht für die, die niemals so ein Leben haben wollten ist der Tod eine süße Erlösung?“

„Vielleicht. Doch damit umgehen zu müssen, dass ich sie getötet bereitet mir Alpträume. Ich kann Nachts nicht schlafen. Die Schreie und die Gesichter kommen mir in meinen Träumen entgegen. Sie schreien um Hilfe. Sie betteln um ihr Leben. Sie verfluchen mich... Ich kann... ich kann mit diesem Druck nicht umgehen. Immer wenn ich unterwegs bin habe ich Angst, dass ich ihren Geistern begegne. Die mich beschimpfen oder vielleicht sogar angreifen.“

„Das werden sie aber nicht.“, versuchte sie mich zu beruhigen. „Geister können den Lebenden kein Haar krümmen.“ Nachdenklich sah ich mich in dem warmen Zimmer um. Mir fiel auf, dass sie keine Fotos oder Bilder in ihrem Zimmer aufgestellt hatte.

„Und auch mein Ziehvater. Ich kann nicht mit dem Gedanken umgehen, dass ich indirekt für seinen Tod verantwortlich bin.“ flüsterte ich.

„Ihr seid doch nicht verantwortlich dafür. Das hätte jedem...“

„Nein, hätte es nicht. Es passierte dank mir.“ Und die Geschichte meiner Vergangenheit sprudelte so aus mit hinaus. Camilla hörte mir schweigend zu und unterbrach mich kein einziges Mal.

„Ihr werdet ihn rächen. Das glaube ich ganz bestimmt. Und Ihr werdet auch seinen Tod irgendwann einmal überwinden. Es dauert alles seine Zeit. Die Zeit heilt alle Wunden Prinzessin.“ Ich nickte knapp und sah aus dem Fenster.

Plötzlich fragte sie: „Aber das war nicht alles oder?“ Es war eher eine Feststellung als eine Frage.

„Wieso überrascht es mich nicht, dass Ihr wisst, dass das noch nicht alles war.“ Sie lächelte leicht.

„Nun?“

„Na gut... Wisst ihr... wisst ihr wie man Strigoi wieder in einen normalen Menschen verwandelt? Wenn er vor seiner Verwandlung einer war?“ Überrascht sah sie mich an und fragte fordernd: „Wieso wollt Ihr so etwas wissen Prinzessin?“ Trotzig verschränkte ich die Arme und sah sie an.

„Ich glaube nicht, dass das Sie etwas eingeht.“

„Nein. Das stimmt.“ Sie sah mich nachdenklich an. „Es gibt keine Methode um Strigoi wieder in ihren ursprünglichen Menschen zu verwandeln. Tut mir leid.“

„Oh. Nun... da ist nichts zu machen nicht wahr?“ Mitleidig sah sie mich an. Und da platze es aus mir heraus. Die Geschichte ging mir so leicht über die Lippen. Am Ende sah sie mich traurig an.

„Wenn Ihr ihn wirklich liebt könnt ihr nur eins machen. Ihn von diesem Schicksal befreien. Selbst wenn er gerne ist was er ist.“ Ich nickte. Natürlich musste ich es tun. Was hatte ich denn für eine Wahl?

„Danke für den Rat.“, meinte ich und stand auf. „Jetzt werde ich Euch nicht weiter belästigen und gehen.“

„Ihr seid immer wieder willkommen.“, sagte sie und es klag aufrichtig.

„Dankeschön.“ Sie schloss die Tür hinter mir und ich stand in dem leeren Flur. Ich wusste nicht was ich machen sollte. Ohne ein besonderes Ziel schlenderte ich durch das Schloss. Ich war mit meinen Gedanken ganz wo anders und achtete nicht auf den Weg. Plötzlich lief ich in jemanden rein und fiel prompt auf den Hintern. Der mir gegenüber lachte unterdrückt. Es war Alec, was total klar gewesen war. Als ich aufsah und ihn mit wütender Miene an funkelte unterdrückte er rasch sein Gelächter.

„Was?“, fragte ich patziger als beabsichtigt.

„Du sollst in das Gästezimmer von Jana kommen. Sie wollen sie jetzt verwandeln.“

Was!?“ Meine Stimme hallte durch den leeren Korridor.

„Ich habe gesagt...“ Alec wollte seinen Satz wiederholen, doch ich unterbrach ihn einfach.

„Bring mich hin.“ Und das tat er. Gemeinsam liefen wir durch die unendlichen Gänge des Schlosses.

„Du hast dich noch nicht umgezogen.“, sagte er. Unbeteiligt sah ich an mir herunter. Er hatte Recht. Ich trug immer noch das schwarze Kleid welches ich zu der Beerdigung getragen hatte und den Hut auf dem Kopf. Doch es interessierte mich nicht deshalb zuckte ich nur mit den Schultern.

„Hatte noch nicht die Zeit mich umzuziehen.“, erwiderte ich deshalb nur.

„Wo warst du eigentlich hin verschwunden als du so plötzlich gegangen bist?“, fragte er vorsichtig. Eigentlich wollte ich es ihm nicht erzählen, doch ich wollte es doch jemanden sagen, der noch nicht so viel von mir wusste. Der mich nicht verurteilen konnte wegen dem was ich versuchen wollte. Und doch traute ich mich nicht.

„Ich war bei der Ältesten.“ Ich wusste nicht ob ich ihren Namen sagen durfte und sagte deshalb nur den Namen, der im Schloss sowieso nur zu hören war.

„Ah. Camilla. Nun. Ich hoffe sie konnte dir bei deinen Fragen helfen.“

„Ja. Und dafür bin ich ihr auch sehr dankbar.“ Ich wusste es zu schätzen, dass er nicht weiter nachfragte, sondern stumm neben mir herlief.

„Wie läuft das mit der Verwandlung ab?“, wollte ich wissen und lenkte damit auf ein anderes Thema.

„Ach. Das ist ganz einfach. Es ist fast so wie das erste Verbinden mit den Gefährten. Mason muss Jana einfach mit einem in ein besonderes Gift getauchten Dolch ins Herz stechen. Das Gift muss sich fünf Minuten im Körper befinden. Dann muss er sie beißen und ihr sein Blut geben.“

Wie bitte?!“, fragte ich entsetzt.

„Ich weiß es hört sich schlimm an und wird weh tun, jedenfalls am Anfang, doch es ist die einzige Möglichkeit wenn du nicht möchtest, dass Mason Jana erst fast leer saugt und ihr dann sein Blut zu trinken gibt. Da ist die Chance, dass sie stirbt wesentlich höher.“

„Wesentlich höher?! Das heißt sie könnte auch bei der ersten Möglichkeit sterben?“

„Ja. Aber die Chance ist sehr gering.“ Er stieß die Tür zu Janas Zimmer auf, welches sie jetzt immer bewohnen würde wenn sie hier zu Besuch sein sollte. Jana lag schon auf dem Bett und schien bereit. Sie hatte sogar den Mut mir fröhlich zuzulächeln. Das machte mich ein wenig sauer, doch ich beherrschte mich und sah sie emotionslos an.

„Und du hast es dir wirklich überlegt Jana? Danach gibt es kein zurück mehr.“, sagte ich ihr. Sie lächelte.

„Weißt du... Ich hab mir das schon seit ich Klein war gewünscht. Dass ich von einem Vampir gebissen werde, meiner großen Liebe begegne. Du weißt schon!“

„Aber...“

„Damit meine ich: Ja. Ja ich habe es mir überlegt und werde es machen. Und das allein. Aber ich möchte, dass ihr dabei seid wenn ich wieder aufwache.“

„Das werden wir!“, versprach Sarah, die zusammen mit Tristan schräg hinter mir stand.

„Nun gut. Dann wäre es nett wenn ihr uns alleine lassen würdet. Ich will es so schnell wie möglich hinter mir haben.“ Wir taten was sie sagte und gingen aus dem Raum. Dort lehnten sich Tristan und Sarah entspannt an die Wand.

„Gibt es keine andere Möglichkeit?“, fragte ich verzweifelt. Alec schüttelte den Kopf.

„Würden wir warten bis ihre Verwandlung von alleine anfängt würde sie vielleicht an den Schmerzen sterben. Und sie würde ihren Blutdurst nicht kontrollieren können. So ist es am Besten.“ Sarah und Tristan schien es nicht wirklich etwas auszumachen was mit Jana passierte, doch in mir stieg plötzlich eine unglaubliche Wut auf. Eine Wut, die ich nicht kontrollieren konnte. Oder wollte.

„Wo ist Dimitri?“, knurrte ich. Meine Augen fingen an zu glühen und Alec trat vorsichtig auf mich zu.

„Er ist mit den Wächtern zu einem Patrouille los gegangen. Wieso willst du das wissen?“

„Ich brauche jetzt jemanden mit dem ich mich schlagen kann. Oder jemand der aufpasst, dass ich mich nicht zu sehr verletze während ich auf einen Gegenstand schlage.“

„Nun... Dann lass und in die Halle gehen. Ich werde mich mit dir prügeln. Falls du dich verletzt kann ich dir immer noch Blut geben.“ Unbewusst fragte ich mich ob zu viel Blut schädlich sein konnte. Doch ich nickte nur und machte mich auf den Weg nach draußen. Langsam fand ich mich in dem Schloss einigermaßen gut zurecht. Ich hörte wie mir mehrere folgten. Also wollten sich Tristan und Sarah das Spektakel nicht entgehen lassen. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Sie hatten mich noch nie durchdrehen sehen. Doch jetzt stapfte ich einfach in die Halle wo sich in einer Ecke mehrere Wächter unterhielten. Anscheinend hatten sie gerade ihr Training beendet, denn ihre Haare waren nass vom Schweiß und sie atmeten schwer. Doch ich beachtete sie nicht weiter und stellte mich in die Mitte. Dort drehte ich mich zu Alec um und knurrte: „Ein Kampf ohne Waffen. Aber mit vollem Körpereinsatz. Du hältst dich nicht zurück.“ Zögernd nickte er nachdem er meinen Freunden einen langen Blick zugeworfen hatte. Mit geübten Griffen legte er seinen Waffengurt ab und reichte ihn Tristan zusammen mit seinem Dolch, welchen er an seinem Arm befestigt hatte. Dann kam er zu mir in die Mitte der Halle und stellte sich dicht vor mich.

„Willst du das wirklich Caitlin?“, fragte er leise. Ohne zu antworten riss ich meine geballte Hand hoch und schlug ihm mit voller Kraft ins Gesicht.

 

 

ALEC

 

Ihre geballte Hand traf mit voller Wucht meine Mundpartie. Ich verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Als ich aufschaute sah ich in ihre azurblauen Augen, die normalerweise immer vor Freude funkelten, doch jetzt starrte ich nur in kalte, emotionslose Augen. Im Gegensatz zu mir war Caitlin Innerlich am kochen. Ich wusste zwar nicht auf wen sie so wütend war, doch ich konnte es mir denken. Sie war wütend auf Max, der ihr einen geliebten Menschen nahm, auf Raphael, der sie in diese Welt gebracht hatte, auf mich, weil wir nun aneinander gebunden waren und sie nichts dagegen tun konnte. Und jetzt konnte sie diese Wut auslassen. Ich wischte mir das Blut von meiner aufgeplatzten Unterlippe und grinste sie an. Die Wächter murmelten untereinander. Sie waren erstaunt.

„Guter Schlag Prinzessin.“, bemerkte ich. Ihre Augen funkelten mich wütend an.

„Willst du noch mehr? Dann steh auf und komm her!“, forderte sie mich auf. Nur zu gern folgte ich ihrer Aufforderung. Normalerweise war ich nicht dafür Frauen zu schlagen, selbst wenn sie Vampire waren wie ich, doch dieses eine Mal wollte ich mich mit diesem Mädchen messen. Wollte herausfinden wo ihre Schwächen und Stärken lagen. Also rannte ich auf sie zu und rammte sie mit meinem Körper zu Boden. Ich hörte wie ihr durch den Aufprall die Luft aus den Lugen gepresst wurden, doch sie lächelte und schlug nach meinem Gesicht. Ich aber hatte genau diesen Angriff erwartet und hielt ihre Hand umklammert. Caitlin versuchte sich zu befreien und zischte die ganze Zeit üble Beleidigungen. Aus den Augenwinkeln sah ich wie die Wächter näher kamen um ihrer Prinzessin zu helfen, deshalb sprang ich auf und brachte Abstand zwischen uns. Sie rannte auf mich zu und ich wich geschickt auf und trat ihr die Beine weg. Sie fiel hin und rappelte sich sofort wieder auf und mich noch einmal anzugreifen. Doch diesmal kam ihre Attacke geschickt. Sie holte aus um mir ins Gesicht zu schlagen und als ich ihre Hand festhalten wollte, ließ sie sich fallen und trat mir die Beine weg. Ich fiel auf den Rücken und sie ließ sich auf meinen Bauch fallen. Ich grinste. Meine Wildkatze hatte ganz schön Power. Ich nahm Schwung und rollte sie herum damit lag ich auf ihr und sie fauchte wütend. Ich schlug ihr ins Gesicht und Blut spritze auf.

„Hört auf!“, befahl uns eine ruhige aber autoritäre Stimme. Der König. Sofort ließ ich von Caitlin ab und stand auf. Dann kniete ich mich vor Caitlins Vater und senkte den Kopf. Genauso wie alle anderen in der Halle. Einzig und allein Caitlin sprang auf und funkelte ihren Vater wütend an. „Was soll das? Wieso schlägst du meine Tochter Alec? Das war auf keine Fall ein Übungskampf.“

„Nein, Vater. War es nicht.“, antwortete Caitlin. Das Wort Vater betonte sie sarkastisch. „Ich war wütend und wollte sie nicht an den armen Gegenständen auslassen. Deshalb habe ich Alec geschlagen. Er konnte nichts dafür. Es war meine Schuld. Er hat sich nur verteidigt.“ Sie wollte mich schützen? Wieso? Mein Blick wanderte unauffällig zu meiner Gefährtin, die ihrem Vater ruhig entgegensah und sich das Blut vom Gesicht wischte. Sie sah aus wie eine Kriegerin mit ihrem aufgelösten Haar, dem blutenden Gesicht und der stolzen Körperhaltung.

„Deine Schuld also Caitlin. Wieso warst du wütend?“ Sie sah sich um und bemerkte, dass alle Wächter aus der Halle verschwunden waren. Es waren also nur noch Tristan, Sarah, sie, ihr Vater und ich dort. Sie wandte sich wieder ihrem Vater zu.

„Falls es dir aufgefallen ist: Ich hab gemordet als ich in der Akademie gegen die Strigoi kämpfte. Ich habe Alpträume seit dieser Nacht! Ich habe Angst ihren Geistern zu begegnen wenn ich unterwegs bin! Ich habe Angst um das Leben der Menschen, die ich liebe, denn ich weiß nicht wer als nächstes auf der Liste von Max steht! Ich trauere um diese Person, die ich einst kannte auch wenn ich weiß wie naiv ich gewesen bin! Ich will ihn nicht töten, werde es aber trotzdem tun, weil es meine verdammte Pflicht ist! Weil ich nicht will, dass noch mehr zu schaden kommen! Doch ich werde an seinem Tod zerbrechen. Ich werde niemals wieder so sein wie ich früher war. Ich trauere um meinen Vater, der dank mir tot ist!“, sie holte tief Luft und sah ihrem Erzeuger tief in die Augen. Ihre Augen glühten vor Hass auf sich selbst und ihren Vater oder Erzeuger. „Wenn das keine Gründe für dich sind dann ist hier noch einer. Ich hasse mein neues Leben! Ich hasse das was aus mir geworden ist! Ich wünschte ich wäre ein normaler Mensch. Ich wünschte meine Freunde wären nie in diese Sache hineingezogen worden! Aber dank dir lebe ich halt so und ich kann nichts aber auch gar nichts dagegen tun!“ Und mit diesen Worten stürmte sie aus der Halle. Raphael war blass geworden bei ihren Worten. Er sah mich traurig an.

„Tut mir leid Sire. Sie... sie kann sehr impulsiv sein wenn sie wütend ist.“, sagte Sarah in diesem Moment. „In dieser Stimmung sollte man sie am Besten in Ruhe lassen. Sie ist dann auch ein wenig unfair und wirft mit Sachen durch die Gegend, die sie im Nachhinein bereut....“

„Nein, sie hat Recht. Sie ist nicht für so ein Leben ausgebildet. Wir reißen sie aus ihrem alten Leben. Und sie wird mich immer hassen.“, sagte der König. „Und ich kann dagegen nichts tun.“

„Sire. Darf ich Euch einen Vorschlag machen?“, fragte ich leise. Mir war etwas eingefallen bei Caitlins Worten.

„Du immer Alec.“ Raphael klang... gebrochen man konnte es nicht anders nennen.

„Ich würde eine oder zwei Personen mit Caitlin mitschicken wenn sie Jagd auf Max macht. Die Personen könnten ihr helfen und ihr zur Seite stehen bei ihrem Kampf.“

„Das würde Caitlin nie gefallen.“, sagte Tristan und Sarah nickte zustimmend.

„Sie hätte viel zu viel Angst, dass die Menschen, die sie beschützen wollen, dank ihr verletzt werden oder sterben.“, sagte das Mädchen, was James viel zu ähnlich war.

„Dann schicken wir die Personen eben im Geheimen. Caitlin würde gar nicht erfahren, dass sie da sind.“, schlug ich vor. Raphael nickte geistesabwesend. Plötzlich hörte ich Kampfstiefel auf dem Weg hierher und drehte mich um. Dimitri kam um die Ecke geschlendert und fragte: „Warum ist die Prinzessin gerade mit einem großen Rucksack bepackt auf Argos vom Hof galoppiert? Und das ganz alleine?“

„Oh man. Ich geh schon.“, stöhnte ich und setzte mich in Bewegung. Über die Schulter sagte ich: „Ihr solltet zu Jana gehen. Ich denke ihre Verwandlung ist bald abgeschlossen. Erzählt ihr wieso Caitlin nicht da ist. Sie wird es bestimmt verstehen.“ Ich hörte sie zustimmend murmeln, doch ich hörte nicht wirklich hin, denn ich plante was ich jetzt machen musste. Ich rannte schnell ins Schloss und holte verschiedene Sachen aus meinem Zimmer. Dann rannte ich zum Stall und sattelte Zacharias und ritt vors Tor. Dort hielt ich an und schnupperte. Ihre Fährte war noch gut zu erkennen. Sie ritt Richtung Wasserfall. Also galoppierte ich los und folgte dem Mädchen, welches vollkommen verrückt geworden war und alleine weg ritt ohne sich Gedanken darum zu machen irgendjemanden etwas zu sagen. Die sich keine Gedanken darum machte, dass ihr psychopathischer... Ex-Freund... sie umbringen wollte. Ihre Duftnote wurde stärker. Sie führte nach Norden. Auf die Lichtung wie es schien. Was machte sie bloß da? Dort war niemand. Ich verlangsamte das Tempo als ich durch das Gebüsch ritt. Caitlin wirbelte herum als ich mich hörte, den Dolch kampfbereit gehoben. Zacharias stoppte und ich hob meine Hände.

„Ganz ruhig Prinzessin! Ich bin´s doch nur!“, meinte ich.

„Alec!“, stieß sie hervor. „Was machst du hier?“

„Auf dich aufpassen.“ Ich lächelte. Sie jedoch verzog bitter den Mund und wandte sich ab. Sie stapelte gerade Holz auf einen Haufen und wollte wohl ein Lagerfeuer entfachen. „Soll ich dir helfen Caitlin?“

„Du könntest mir helfen indem du verschwindest und mich in Ruhe lässt!“ Sie klang traurig, verletzt und alleine gelassen. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Sie durfte nicht traurig sein.

„Tut mir leid. Aber ich kann und werde dich nicht alleine lassen.“

„Nein, natürlich nicht.“ Sie schnaubte und setzte sich auf eine Decke, die sie vor ihrem noch nicht angezündeten Feuer gelegt hatte. Argos graste in der Nähe des Baches. Ich stieg von Zacharias und setzte mich ihr gegenüber nachdem ich ihn angebunden hatte. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Kurz darauf sprühten Funken aus ihren Fingern und sprangen auf das trockene Holz über. Es steckte die kleinen Zweige in Flammen. Ich schnappte nach Luft, denn ich hatte nicht gewusst, dass sie das konnte. Sie öffnete die Augen und grinste mich an.

„Na? Überrascht?“

„Ein wenig.“, gab ich zu und grinste zurück. „Du hast ja noch nicht ein Mal deine Kräfte trainiert.“

„Welches Element hast du?“, fragte sie ohne auf meine Stichelei einzugehen.

„Wasser. Gefährten haben immer entgegengesetzte Elemente.“

„Und was kannst du so damit tun?“, wollte sie wissen und sah mich neugierig an.Ohne etwas zu sagen streckte ich meine Hand dem Bach entgegen und ballte sie zur Faust. Dann hob ich den Arm und eine riesige Wasserfontäne spritze nach oben. Dass Wasser teilte sich an seinem höchsten Punkt und flog durch die Luft. Caitlin schnappte nach Luft und sah dem Wasserspiel fasziniert zu. Ich senkte die Hand und das Wasser floss zurück in den Bach.

„Das kannst du auch wenn du trainierst. Es ist schwer, weil du dich wirklich konzentrieren musst, aber es geht. Mit Feuer ist es aber viel gefährlicher als mit Wasser.“ Sie schnaubte abfällig.

„Das hätte ich jetzt aber nicht gedacht!“ Und dann brach ich in Gelächter aus. Weshalb wusste ich nicht aber es tat gut zu sehen, dass sie damit kämpfte ihr gereiztes Gesicht zu behalten und nicht auch loszulachen. Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus und lachte mit. Doch sie fing sich schnell wieder und ihr wunderschönes Lachen verstummte. Stumm nahm sie ein Holzscheit und stocherte damit im Lagerfeuer herum.

„Wie lange gedenkst du hier zu bleiben Caitlin?“, verlangte ich zu wissen.

„Die ganze Nacht. Ich traue mich nicht meinem Vater entgegen zu treten. Ich habe viel zu harte Sachen zu ihm gesagt. Auch wenn manche Sachen stimmen... ich hätte ihn nicht so anschnauzen sollen. Das hat er nicht verdient.“

„Er weiß wie du dich fühlst Caitlin. Er weiß, dass du viel lieber ein normaler Mensch wärst. Und auch, dass du deine Freunde aus so einem gefährlichen Leben heraushalten möchtest. Das verstehen wir alle.“ Und plötzlich fing sie an zu weinen. Im ersten Moment wusste ich nicht was ich tun sollte, denn ich war es nicht gewöhnt jemanden trösten zu müssen, doch dann stand ich auf, ging um das Feuer herum und setzte mich neben meine Gefährtin. Sie sah mich mit ihren blauen Augen traurig an und schlang plötzlich ihre dünnen Arme um mich. Perplex erwiderte ich ihre Umarmung und drückte sie noch näher an mich so, dass sie fast auf meinem Schoß saß. Sanft strich ich ihr über den Rücken und gab ihr einen sanften Kuss auf den Kopf. „Alles wird gut Caitlin.“ Sofort schüttelte sie den Kopf.

„Nein... Wird es nicht.“ Sie holte tief Luft und hob den Kopf. „Ich werde bei dem Kampf gegen Max höchstwahrscheinlich sterben Alec.“

„Nein, das wirst du nicht!“, knurrte ich entschlossen.

„Versprich mir etwas.“, bat sie mich.

„Alles.“

„Wenn ich tot bin...“ Ich knurrte, doch sie sprach einfach weiter. „Dann pass bitte auf meine Freunde auf. Ich könnte es nicht ertragen wenn sie irgendwie in Gefahr wären nur, weil ich sie in diese Welt gezogen habe.“ Sie sah mir eindringlich in die Augen. Ihre Augen blickten mich flehend an.

„Ich verspreche es.“, flüsterte ich und strich ihr sanft über das Gesicht.

„Danke.“ Ich kratzte meinen ganzen Mut zusammen und fragte: „Cat... Würdest du mir einen Gefallen tun?“

„Welchen?“, fragte sie misstrauisch.

„Bitte. Nimm wenigstens Dimitri mit wenn du sich auf die Jagd nach Max machst. Du kannst jemanden gebrauchen, der dir dabei hilft.“

„Ich möchte da niemanden reinziehen Alec. Es soll nicht noch jemand dank mir verletzt werden. Kannst du das verstehen?“

„Ja kann ich. Aber was ist mit dir? Ich könnte dich heilen wenn du dabei verletzt bist. Und du mich. Bitte. Lass mich mitkommen! Zu zweit ist es besser als allein.“ Lange Zeit sah sie mich einfach nur an. Doch schließlich nickte sie leicht und meinte: „Alec. Glaub ja nicht, dass mir das gefällt. Und wir werden niemand anderen mitnehmen. Hast du verstanden?“ Ich nickte und sie sah hinauf in den Himmel. „Guck mal. Was für ein schöner Sonnenuntergang. Er ist so...“, sie brach ab und wurde rot.

„Was?“, grinste ich. „Er ist so...?“

„So romantisch.“ Sie wurde knallrot und sah auf das Feuer. Ich schlang meinen Arm um ihre Schultern und zog sie an mich ran. Sie schmiegte sich an mich und lächelte zaghaft. Plötzlich fing sie an zu kichern. „Wir sitzen hier und sehen so aus wie ein Pärchen.“

„Daran könnte ich mich gewöhnen.“, murmelte ich. Sie drehte ihren Kopf zu mir.

„Wo ist eigentlich der Playboy Alec of Manchester? Der, der jede geknallt hat?“, wollte sie wissen. Ich zuckte die Schultern. „Was hat dich denn so verändert Alec?“ Du. Doch ich sagte es nicht laut. Es war noch nicht der richtige Zeitpunkt ihr zu sagen was ich für Gefühle für sie hegte.

„Keine Ahnung. Vielleicht hat es mich gelangweilt. Irgendwann kommt immer die Zeit wo ein Mann sich entscheiden muss ob er weiter seine Bitches knallen will oder ein normales Leben, leben will. Eine Freundin, der man treu ist..., die man vielleicht irgendwann einmal heiratet...“ Ich seufzte und sah verstohlen zu ihr. Dass ich sie mir bei den ganzen Sachen vorstellte, sagte ich nicht. Doch tausend Bilder schossen mir durch den Kopf. Caitlin wie sie mit mir vor dem Altar steht. Caitlin wie sie mich liebevoll mit einem Kuss begrüßt wenn ich von der Arbeit komme. Caitlin mit unseren gemeinsamen Kindern...

„Wie süß. Du machst dir über so etwas Gedanken? Ich hätte dir so etwas niemals zugetraut. Dazu bist du nicht der Typ für Romantik.“ Ihre Stimme riss mich aus meinen viel zu kitschigen Gedanken.

„Nicht?“, fragte ich erstaunt.

„Nicht, dass ich wüsste.“ Sie bedachte mich mit ihrem Lächeln, welches meine Knie wackelig machten. „Hast du ein Mädchen jemals richtig um ein Date gefragt. Ohne Hintergedanken? Also ohne, dass du sie ins Bett kriegen wolltest?“ Ich überlegte während sie mich abwartend ansah.

„Noch nie.“, gestand ich. Ungläubig sah sie mich an.

Noch nie?“, hakte sie schockiert nach. Ich schüttelte den Kopf. „Oh man. Sogar ich hatte schon mal ein Date mit einem Typen ohne, dass wir nachher im Bett waren. Also echt Alec!“

„Nun gut. Dann bist du eben mein erstes richtiges Date. Caitlin? Möchtest du mit mir am Freitag ausgehen?“ Sie lachte.

„Gerne doch Alec. Was werden wir denn machen?“

„Keine Ahnung. Ich überlege mir was.“

„Sag mir Bescheid wenn du es weißt! Ich muss doch das richtige Outfit finden.“ Ich nickte lächelnd. Mir wurde bewusst, dass ich immer noch meinen Arm und ihre Schultern hatte und sie nichts dagegen sagte. Sie lehnte sogar ihren Kopf gegen meine Schulter und schloss müde die Augen. „Weißt du... Es ist wirklich schön hier nicht alleine zu sitzen. Es lenkt mich von meinen Problemen ab.“ Sie gähnte. „Leg dich hin Süße. Du solltest schlafen.“ Sie nickte und legte sich nah neben mich. „Wieso so im Kuschelmodus Prinzessin?“

„Es ist kalt. Und ich habe nur eine Decke mitgebracht auf der wir beide gerade liegen falls dir das aufgefallen ist. Und das Feuer hält mich nicht wirklich warm.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich kann aber auch wegrutschen wenn es ein Problem für dich ist...“

„Nein.“ Meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen und ich wurde rot. „Nein. Schon gut. Aber du musst kurz einmal ohne mich auskommen. Ich hole noch mehr Feuerholz.“ Sie nickte und sah mir hinterher während ich aufstand und nach Holz suchte. Schnell hatte ich welches gefunden und stapelte es auf das Feuer damit es schön lange brannte. Dann legte ich mich neben Caitlin auf den Rücken und sah hinauf in die funkelnden Sterne, die überall am Himmel verstreut waren.

„Caitlin?“, fragte ich leise.

„Hm?“, brummte sie verschlafen.

„Du hast deinen Kopf verschlossen oder?“, fragte ich. „Du nimmst mit niemanden Kontakt auf. Niemand weiß wo wir sind oder?“ Sie schüttelte träge den Kopf.

„Sie werden sich schon keine Sorgen machen. Ich meine du bist doch bei mir und passt auf mich auf.“ Und mit diesen Worten rückte sie näher an mich, schlang ihren Arm um meine Brust und legte ihren Kopf auf meine Schulter.

So lagen wir dort mitten im Wald. Eng umschlugen und horchten auf die Musik der Nacht. Ich fühlte mich frei und zufrieden. Lächelnd lauschte ich Caitlins gleichmäßigen Atem und konnte nicht widerstehen und drückte ihr einen sanften Kuss auf den Kopf. Doch plötzlich wurde Caitlin unruhig. Sie zappelte und murmelte komische, unverständliche Dinge. Und dann fing sie an zu schreien. Es war ein Schrei der Verzweiflung und der Angst.Sofort wusste ich von was sie träumte. Ich hatte es selbst schon erlebt. Die Seelen der Menschen, die sie getötet hatte, suchten sie heim.Ich rüttelte an Caitlin und sie wachte mit einem Schluchzen auf.

„Die Männer...“, flüsterte sie als sie mich erkannte.

„Ich weiß Süße. Ich weiß.“ Sie klammerte sich an mich wie eine Ertrinkende und ich ließ sie gewähren

„Wird es irgendwann aufhören?“, fragte sie schwach.

„Ja. Doch dazu musst du abschließen. Und dann bist du frei von den Monstern, die dich quälen.“

Es dauerte lange bis sie endlich einschlief.

 

Mein Handy klingelte und weckte mich damit auf. Der Wecker den ich gestellt hatte damit ich rechtzeitig zur Schule kam. Ich öffnete stöhnend die Augen und blickte mich verwirrt um. Wo verdammt war ich? Ich spürte jemanden neben mir liegen. Hatte ich gestern jemanden abgeschleppt? Ich hatte mir doch geschworen damit aufzuhören. Ich blickte zur Seite. Dort lag Caitlin. Schlafend und so friedlich. Sofort fiel mir der gestrige Tag wieder ein und ich fing an zu lächeln. Mein Handy klingelte immer noch. Grummelnd nahm ich es in die Hand und schaltete den Wecker aus. Dann setzte ich mich auf. Wir sollen schnellstens zurück wenn wir pünktlich zur ersten Stunde kommen wollten. Also rüttelte ich Caitlin sanft an der Schulter. Sie grummelte nur mürrisch und drehte sich zur anderen Seite. Auch meine weiteren drei Versuche blieben erfolglos. Also beugte ich meinen Kopf nach unten und gab ihr einen Kuss auf den Mund.

„Aufstehen Schatz!“, trällerte ich. Fast sofort riss sie den Kopf hoch und starrte mich erst erschrocken und dann wütend an. Bevor sie zu einer Schimpftirade ansetzen konnte, sagte ich nur unschuldig: „Du wolltest ja nicht aufstehen. Und wir müssen ganz schnell los, falls wir beide pünktlich zur Schule kommen wollen.“

„Wie spät ist es denn?“, krächzte sie.

„Viertel vor sechs.“ Sie stöhnte und stand auf. „Ich muss unbedingt duschen bevor wir los fahren. Ich hab überall Gras kleben!“ Ich konnte nicht anders. Es war so ein Reflex so, dass ich raunte: „Ich kann dir ja helfen Babe.“ Grinsend drehte sie sich um und meinte: „Da ist ja mein Lieblingsplayboy!“ Ich verbeugte mich und hob die Decke auf, die durch den Tau ganz schön aufgeweicht war. Ich faltete sie ordentlich und wollte sie Caitlin geben, doch die aß seelenruhig einen Apfel. Als sie meinen entgeisterten Blick sah, lachte sie und streckte mir einen weiteren entgegen.

„Im Gegensatz zu dir denke ich an Essen und nehme nicht nur Waffen mit.“, sagte sie lachend. Wir aßen unser Frühstück was aus mehreren Äpfeln und ein paar Scheiben Brot bestand und machten uns auf den Weg zum Schloss. Dort kamen wir so gegen kurz nach sechs an. Wir brachten die Pferde in ihre Boxen und gaben ihnen ihre verdiente Portion Essen. Leise schlichen wir uns dann in unsere jeweiligen Zimmer. Schnell duschte ich mich, zog meine Uniform an und packte meine Tasche. Als ich fertig war klopfte ich an Caitlins Tür und gemeinsam machten wir uns auf in die Küche. Dort schmierten wir uns ein paar Brote und dann schlenderten wir durch die riesige Parkanlage. Pünktlich um halb acht standen wir jedoch vor dem x6 und warteten auf die anderen.

„Denkst du Jana wird zur Schule gehen?“, fragte sie. Ich nickte. Und schon kamen unsere Freunde und ihr Bruder die Treppe hinunter.

„Caitlin was hast du dir bloß dabei gedacht!“, schimpfte James gleich los. Caitlin und ich verdrehten synchron die Augen.

„Es ist nichts passiert.“ Caitlin sah die neugierigen Gesichter ihrer Freunde und meinte: „Nein, es ist nichts zwischen Alec und mir gelaufen.“

„Außer dass wir wunderbar miteinander gekuschelt haben Süße. Vergiss das nicht! Aber vielleicht wird das ja noch was mit uns beiden Cat. Ich meine wir haben ein Date.“ Offene Münder wohin wir beide auch blickten.

„Ja. War wirklich schön gemütlich auf dir. Und wer weiß. Vielleicht wird das ja doch was mit uns beiden“ Nachdenklich sah sie mich an und sagte dann allen ernstes: „Nein. Ich glaube das wird doch nichts.“ Ihre Freunde lachten während ich ein entgeistertes Gesicht machte. Meine Gefährtin wandte sich an Jana. „Es tut mir so leid, dass ich gestern nicht da war! Wirklich! Wie war deine Verwandlung?“ Ihre beste Freundin winkte ab.

„Halb so schlimm. Das schlimmste war der Dolch. Danach war alles halb so wild. Es hat komisch gekribbelt und dann bin ich eingeschlafen. Als ich aufwachte wusste ich sofort was anders war. Ich hab ein wenig Blut bekommen und schon ging es mir so gut wie noch nie.“ Sie log nicht.

„Dann war deine Verwandlung angenehmer als meine. Ich hatte Schmerzen bis ich ohnmächtig wurde. Hm. Und dann lag ich drei Tage lang in einem Bett und bin nicht ein einziges Mal aufgewacht.“

„Tja. Pech gehabt würde ich mal sagen.“, sagte sie eiskalt. Doch ich sah ihr Funkeln in den Augen und Caitlin sah es und nahm ihr das nicht übel.

Wir fuhren mit zwei Autos da wir nicht alle in den x6 passten. Als Caitlin das Auto sah, welches James vorfuhr klappte ihr der Mund auf. Es war ja auch ein verdammter Porsche panamera turbo.

„Du darfst dieses Hammer Teil fahren?“, hauchte sie entzückt. James lachte und nickte.

„Fährst du jetzt bei mir oder bei Alec mit?“, fragte er. Ohne ein weiteres Wort stieg sie auf den Beifahrersitz des Porsche.

 

 

CAITLIN

 

Auf dem Weg zur Schule fragte mich James über die letzte Nacht aus.

„Nein. Zum ein tausendsten Mal. Es lief nichts. Wir haben miteinander geredet, gelacht und zusammen auf der Decke geschlafen. Wie haben uns gegenseitig warm gehalten und sind dann wieder zum Schloss zurück.“ Zum Glück kamen wir schnell in der Schule an und ich stieg aus dem Wagen. Meine Freunde standen in einer kleinen Gruppe zusammen und ich lächelte als ich sie so zusammen sah. Plötzlich kam Chloe auf mich zu.

„Caitlin! Wir haben dich in den letzten Tagen vermisst! Und ich habe erfahren was mit deinem Vater passiert ist. Es tut mir so leid!“ Sie schloss mich in eine innige Umarmung, die ich nur unbeholfen erwidern konnte.

„Danke Chloe. Aber ich hab dir doch eine Mittagspause versprochen oder? Wollen wir die heute einlösen?“, lenkte ich vom Thema ab. Ihre Augen leuchteten auf.

„Richtig! Ich wollte dir doch interessantes über Alec verraten!“ Dass dieser direkt neben mir stand ignorierte sie geflissentlich. Innerlich musste ich grinsen.

„Genau!“

„Cool. Wir sehen uns in der Mittagspause.“ Und schon verschwand sie mit ihren beiden Schatten.

„Ach komm schon! Ich dachte du kannst mich jetzt besser leiden!“, meinte Alec beleidigt.

„Na und? Ich meine ein paar pikante Details braucht man doch immer.“, grinste ich. „Viel Spaß im Unterricht.“ Und damit verschwand ich in der Sporthalle. Ich zog mich um und stellte mich einer Leistungssportstunde. Danach ging es weiter zu Englisch wo wir weiter an Romeo und Julia arbeiteten und die ganze Zeit die verschiedenen Stellen analysierten und interpretierten. Ich starb beinahe vor Langeweile. Aber auch Tristan und Sarah ging es nicht anders. Ich meine wieso lernten wir denn noch so hart, wenn morgen sowieso die Zeugnisse ausgeteilt werden würden? In der Pause saßen wir zusammen auf der Bank und redeten.

„Wisst ihr wie ich Chemie hasse!“, knurrte Alec gerade.

„Wieso das denn?“, fragte Sarah. Ich lag auf dem Gras, hatte meine Augen geschlossen und hörte den Gesprächen nur mit halben Ohr zu.

„Eine von Chloe´s Freundin aus meinem Jahrgang wollte mich heute umbringen!“ Da prustete ich los.

„Als ob sie das schaffen würde Alec.“

„Nein, natürlich würde sie es nicht schaffen aber trotzdem ist es nicht gerade nett Säure über die Hand geschüttet zu bekommen. Das brennt wie Sau.“

„Hey. Es gibt Momente da würde ich dir liebend gerne Säure über den Kopf schütten.“ Immer noch waren meine Augen geschlossen, doch ich riss sie auf als Alec mich über seine Schulter schmiss und mich zum Springbrunnen trug. Ich klammerte mich schreiend an ihm fest, während er nur lachte. Er hielt mich mit ausgestreckten Armen über den Pool und ich kreischte noch lauter.

„Alec wenn du das machst dann....“ Er ließ mich los und fing mich vor kurz bevor ich das Wasser berührte wieder auf.

„Was dann?“, flüsterte er.

„Dann bring ich dich um! Und du weißt, dass ich das schaffe!“, wisperte ich zurück. „Und wieso flüstern wir?“

„Gute Frage Süße.“ Er ließ mich vor dem Brunnen runter. Aber immer noch hielt er mich an der Hüfte umklammert und ich hatte meine Arme immer noch um seinen Hals geschlungen. „Gibst du mir wenigstens einen Kuss. Ich meine dein Kommentar war ganz schön gemein.“ Ich hob eine Augenbraue.

„Wieso sollte ich?“

„Weil wir nachher noch Unterricht haben und du keine Ersatzuniform mehr im Schrank hast?“

„Das ist unfair! Das ist Erpressung!“ Aber er sah mich nur abwartend an. Seufzend sagte ich: „Aber nur auf die Wange.“ Er schüttelte den Kopf.

„Auf den Mund.“ Ich verdrehte die Augen.

„Wie war das mit ich will kein Playboy mehr sein?“, seufzte ich und drückte ihm einen kurzen Kuss auf den Mund. Dann löste ich mich von ihm und ging zu Geschichte. Wieder eine wunderbare Stunde voller wunderbarer Geschichte.

 

In der Mittagspause setzte ich mich zu Chloe und ihren Freundinnen.

„Du hast heute ernsthaft Alec geküsst?“, fragte Chloe zum zehnten Mal. Innerlich verdrehte ich die Augen.

„Ja. Musste ich. Sonst hätte er mich in den Springbrunnen geschmissen.“, verteidigte ich mich.

„Das hätte er wirklich gemacht?“, fragte Gina.

„Na ja. Ich lebe mit ihm in einem Haus und da lernt man ihn schon gut kennen und er wäre zu so etwas sehr wohl in der Lage.“, meinte ich.

„Du lebst mit ihm in einem Haus?“, fragte Chloe. „Wieso?“

„Weil er bei meinem Vater und bei meinem Bruder lebt.“

„Und da lief noch nichts zwischen euch?“, fragte Jennifer.

„Nein. Und es wird auch nichts laufen.“ Wieso fragten mich denn alle ob etwas zwischen uns beiden was lief?

„Da kannst du dir nicht so sicher sein.“, meinte Chloe geheimnisvoll.

„Was meinst du damit?“ Verwundert runzelte ich die Stirn.

„Na ja. Er sieht heftig verliebt aus.“ Jetzt musste ich lachen.

„Vor ein paar Tagen war er ein Playboy und jetzt willst du mir sagen er ist in ein Mädchen verliebt? Das geht doch nicht so schnell!“

„Nicht nur irgendein Mädchen Caitlin. Ich meine dich. Vielleicht hat er mich ja wegen dir verlassen.“

„Du spinnst doch!“, lachte ich. Dann wurde ich ernst. „Bist du noch verliebt in ihn?“

„Nein. Ich denke nicht. Das war nur eine Sexbeziehung zwischen uns beiden. Nichts mehr.“

„Wie würdest du reagieren wenn er plötzlich eine andere Freundin hätte?“

„Ich würde mich für die beiden freuen. Besonders wenn du es wärst.“

„Wie gesagt da wird nichts laufen.“ Ich beugte mich zu ihr rüber und flüsterte schmunzelnd: „Und jetzt raus mit seinen dreckigen Geheimnissen.“ Und sie fing an zu erzählen. Dafür, dass die beiden gerade mal eine Woche zusammen waren, hatte sie viel über ihn zu erzählen. Sie endete erst am Ende der Mittagspause.

Ich musste jetzt nur noch eine Doppelstunde mit normalem Sport überstehen und schon war die Schule zu Ende. Doch das Sport so langweilig sein konnte, hatte ich nicht gewusst. Wir übten Parcours laufen. Also das Gleiche was ich mit Dimitri seit Wochen trainierte. Es ging um Schnelligkeit und Geschick und ich war (natürlich) die Beste darin, da ich die Aufgaben im Schlaf bewältigen konnte. Also stand ich die meiste Zeit neben den verschiedenen Geräten und stand als Hilfe daneben. Ich machte also kaum Sport, sondern sah den anderen dabei zu wie sie sich auf den Sportgeräten abmühten. Dann endlich gingen auch diese eineinhalb Stunden zu Ende und wir zogen uns um. James und ich verabschiedeten uns von meinen Freunden und fuhren zurück zum Schloss.

„James?“, fragte ich zögernd.

„Ja?“

„Wie hat sich Raphael gefühlt als ich abgehauen bin?“, wollte ich leise wissen. James seufzte. „Er war traurig Caitlin. Wirklich. Und er denkt, dass du ihn hasst und dass...“

„Ich hasse ihn nicht! Wirklich! Aber es wird mir im Moment einfach zu viel. Die Gefährtennummer mit Alec, der Tod von Daniel, die Suche nach Max... Ich habe das Gefühl bald zu platzen James.“

„Das habe ich ihm auch gesagt. Und er versteht dich. Doch er macht sich Vorwürfe, dass er dich zu einem Leben als Prinzessin verdammt hat. Er hätte dich auch als normales Vampirmädchen vorstellen können.“

„Man sieht mir meine Ähnlichkeit mit Raphael sofort an. Das konnte er nicht machen. Es hätte nur Gerede gegeben.“

„Willst du nicht mit Vater reden? Dann versteht er wenigstens deine Sicht.“ Ich nickte. Das hatte ich mir fest vorgenommen. Nicht nur wegen diesem Thema. Ich wollte ihm sagen, dass Alec mich auf meiner Mission begleiten würde.

James hielt vor dem Eingang und ließ mich raus. Er hingegen fuhr wieder weiter. Wohin auch immer. Schnell lief ich in meine Suite, duschte mich und zog mir ein einfaches , schulterfreies, kurzes, schwarzes Kleid an. Ich bürstete mir meine Haare durch und ließ sie mir offen über den Rücken fallen. Dann rief ich nach Ann. Sie stand genau fünf Minuten später vor meiner Tür.

„Bringst du mich bitte zu meinem Vater?“, fragte ich sie.

„Gerne Prinzessin.“, antwortete sie fröhlich und führte mich durch die Gänge zu seinem Büro. Dort bedankte ich mich und sie ging ihren anderen Arbeiten nach. Ich klopfte und öffnete nach kurzem Zögern die Tür.

„Entschuldigung, dass ich störe ich würde nur gerne... Oh. Entschuldigung.“ Verdattert blieb ich am Türrahmen stehen und sah zu den jungen Männern, die vor dem Schreibtisch meines Vaters saßen. „ich werde dann mal...“ Ich wandte mich zum Gehen als plötzlich einer der beiden Typen vor mir stand und knurrte: „Wie kannst du es wagen so mit dem König umzugehen! Man verbeugt sich vor dem König. Wer bist du überhaupt?“ Ich öffnete den Mund um zu antworten als mein Vater mir zuvorkam. „Das John ist deine Cousine Caitlin.“ Sofort wurde seine wütende Miene bestürzt.

„Oh das tut mir leid! Wirklich! Das habe ich nicht gewusst!“ Er verbeugte sich galant und gab mir einen Handkuss. Höflich lächelnd machte ich einen leichte Knicks und meinte: „Schon gut. Das hättet Ihr auch nicht wissen können Sir.“

„Caitlin. Du wolltest mit mir reden?“, fragte Raphael jetzt.

„Ja, Vater. Aber wenn du zu tun hast, dann komme ich später wieder...“

„Nein, sprich nur.“

„Eigentlich wollte ich mich nur entschuldigen. Das was ich gestern gesagt habe tut mir wirklich leid. Es ist mir einfach zu viel gewesen. Alles im Moment. Da ist mir das alles so raus gerutscht. Du weißt, dass ich nicht wie eine Prinzessin erzogen wurde.“

„Ich nehme deine Entschuldigung an Caitlin.“ Ich stürzte auf meinen Vater zu und umarmte ihn. Überrascht erwiderte er sie. Als ich mich von ihm löste sah ich ihm nur kurz in die Augen. „Da ist aber noch etwas oder?“

„Ähm. Ja. Ich werde Alec auf die Mission mitnehmen.“

„Denkst du ihr schafft das zu zweit?“, fragte Raphael zweifelnd. Ich zuckte mit den Schultern.

„Kommt drauf a ob wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite haben. Und wir brauchen einen Plan.“

„Mission?“, fragten John und der andere junge Mann gleichzeitig.

„Ja. Mission. Ich werde in zwei Wochen... jagen... gehen.“, antwortete ich.

„Du? Du bist eine Frau, eine Prinzessin obendrein. Die gehen keine Strigoi jagen.“ Ich verdrehte die Augen. Typische veraltete Vorstellung der Männer. Frauen bleiben Zuhause und kochen und was weiß ich und die Jungs gehen jagen.

„Nein, natürlich nicht. Selbst als Beschützerin dieses Reiches ist es mir verboten Strigoi jagen zu gehen. Wieso habt ihr Männer hier im Schloss eigentlich immer so eine veraltete Ansicht?“ Sofort verdüsterten sich ihre Miene. „Tut mir leid. Ich habe noch zu tun. Dimitri wollte noch einmal mit mir trainieren und danach wollte ich am Grab vorbeischauen. Bis heute Abend Papa.“ Raphaels Miene hellte sich auf bei meinen Worten. Mir war das Papa einfach so herausgerutscht. Eigentlich hatte ich Vater sagen wollen. Aber es fühlte sich gut an ihn strahlen zu sehen.

„Bis heute Abend Caitlin.“ Ich rauschte aus dem Raum.

 

Kapitel 14

'Ich weiß, dass es schwer zu verstehen ist', flüsterte sie. 'Und auch, dass er nicht der ideale Mann für mich ist. Und ich ahne, dass es höchstwahrscheinlich kein gutes Ende nehmen wird.'

'Aber warum tust es dann, um alles in der Welt?'

'Weil ich mir sicher bin, dass die Zeit dazwischen es wert ist. Kannst du das nicht verstehen?'

(Heike Wanner „Für immer und eh nicht“)

 

 

Dimitri lehnte schon an der Wand neben meinem Zimmer und wartete.

„Tut mir wirklich leid! Ich war noch bei meinem Vater und...“

„Schon gut Caitlin. Alles gut. Zieh dich um und dann fangen wir an.“, beruhigte mich mein Mentor. Ich nickte und zog mich so schnell wie möglich an. Es war das vorletzte Training vor meiner Reise. Morgen würden wir Zeugnisse bekommen und dann würde ich mich übermorgen zusammen mit Alec auf den Weg machen und Max suchen gehen.

„Was machen wir heute?“, fragte ich als er mich nicht wie sonst auf das Trainingsgelände führte.

„Wir kämpfen.“, antwortete er kurz und knapp. Überrascht sah ich ihn an. Normalerweise kämpften wir nicht. Er schickte normalerweise Alec in den Kampf gegen mich.

„Wir beide?“, hakte ich noch einmal nach.

„Ja wir Beide.“, meinte er und stellte sich vor mich. „Aber bevor wir anfangen, wünsche ich dir viel Glück auf der Reise.“

„Danke.“ Ich neigte meinen Kopf. Doch er nahm mich in den Arm und umarmte mich.

„Pass auf dich auf Prinzessin. Stirb nicht.“

„Ich versuche es.“ Er ließ mich los und lächelte mich zuversichtlich an.

„Du wirst dein Bestes geben. Das weiß ich Prinzessin.“

Dann fingen wir an. Unzählige Schläge und Tritte musste ich einstecke. Trotz meines Kampfgeschickes. Doch irgendwann hatte ich rausbekommen wie seine Taktik war und landete auch einige Treffer. Mir war klar, dass wir Zuschauer hatten, doch John und der andere Unbekannte aus dem Arbeitszimmer meines Vaters interessierten mich nicht. Im Moment war der Kampf das Einzige auf das ich mich konzentrierte. Wir hatten beide ein wenig Blut des anderen an uns kleben, denn wir schonten uns nicht.

Plötzlich fühlte ich ein Brennen auf meinem rechten Arm. Schmerzerfüllt zischte ich. Aber auch Dimitri wich zurück. Erschrocken hielt er seinen rechten Unterarm fest.

„Was ist das?“, fragte ich erschrocken. Gleichzeitig schoben wir unseren Ärmel nach oben und gleichzeitig stießen wir die Luft aus. Auf unseren Armen waren jeweils der Name des anderen tätowiert. Der Name war in Geschwungenen Buchstaben auf einem kleinen Pegasus tätowiert worden. Dimitri fing an zu lächeln. „Dimitri? Was ist das? Wir sind keine Gefährten... Ich habe doch schon einen oder kann ich zwei haben...“

„Wir sind keine Gefährten Caitlin. Jedenfalls nicht auf die Art, die du denkst.“

„Was ist es dann für eine Art?“ Meine Stimme klang schrill.

„Wir sind so etwas wie Waffenbrüder.“ Dimitri setzte sich in den Sand und ich tat es ihm nach.

„Das heißt?“

„Wir sind so miteinander verbunden wie Gefährten es sind, doch wir müssen nicht miteinander schlafen um unsere Verbindung zu besiegeln. Wir müssen zusammen eine Schlacht bestritten haben. Einen Kampf. Egal wo oder wie.“

„Und bis wir das gemacht haben?“, fragte ich ihn.

„Bis dahin können wir nur gegenseitig unsere Gefühle und Verletzungen sehen. Doch die Verletzungen kann man nicht verbergen. Die sieht der Waffenbruder immer.“

„Und Waffenbrüder sind wozu da?“

„Um sich gegenseitig im Kampf zu unterstützen.“

„Aber dazu gibt es doch die Gefährten.“

„Ja. Aber dank dem Waffenbruder verdreifachen sich die Kräfte. Außerdem bekommt man dank ihm weitere Gaben, die einem im Kampf helfen. Waffenbrüder sind sehr selten. Aber deshalb auch sehr gefürchtet.“

„Au.“, sagte ich nach einer Weile des Schweigens. Dimitri sah mich überrascht an. „Ich kann deine Schmerzen fühlen. Wir haben uns gegenseitig nicht geschont oder?“

„Nein. Und ich möchte, dass du dich auch bei Max nicht schonst. Du wirst da gesund wieder raus kommen! Verstanden?“

„Ja.“ Dimitri stand auf und hielt mir seine Hand hin. Ich ergriff sie dankbar und ließ mich hochziehen.

„Wir gehen jetzt zum König und sagen ihm das.“

„Was wollt ihr mir sagen?“, erklang da die Stimme meines Vaters. Und schon fing Dimitri an zu erklären. Die Augen meines Vaters glänzten.

„Das ist seit fünfzig Jahre nicht mehr vorgekommen. Ein besonderer Anlass. Das schreit nach einem Ball.“ Ich verdrehte die Augen.

„Dazu habe ich besonders jetzt die Nerven zu. Ist richtig. Nein, kein Ball. Und nun entschuldigt mich, ich möchte zum Friedhof.“ Und ich drehte mich um um zu sehen wie John einen kleinen Jungen in den Arm nahm. Der Junge kam mir bekannt vor. Und als er den Kopf hob und mir in die Augen sah, wusste ich auch sofort woher. Es war der kleine Mason aus der Akademie. Er wurde von John hinuntergelassen und schritt sofort selbstbewusst auf mich zu. Sofort fing ich an zu lächeln und hockte mich vor den Kleinen.

„Hallo Mason. Schön dich wieder zu sehen.“, begrüßte ich den Jungen lächelnd. Er verneigte sich mit der Faust auf dem Herzen vor mir und sagte: „Guten Tag Prinzessin. Ich hatte letztens in der Akademie nicht die Zeit Euch zu danken. Ohne Euch wären wir untergegangen.“ Ich schüttelte den Kopf.

„Nein, Mason. Da war nicht nur ich für verantwortlich. Auch die Wächter und die Schüler haben für unseren Sieg gesorgt.“ Er lächelte als hätte er genau diese Antwort erwartet.

„Ich habe gehört Ihr wurdet stark verletzt als Ihr gekämpft habt. Mit Werwolfsblut.“ Seine Stimme klang ernsthaft besorgt.

„Das stimmt.“

„Und Ihr habt es überlebt.“ Er klang jetzt ehrfürchtig.

„Das habe ich. Aber nur dank meinem Gefährten Alec. Sonst würde ich hier nicht stehen.“ Staunend sah er mich an.

„Lord Alec kann sich glücklich schätzen Euch als Gefährtin haben zu dürfen.“ Ich lachte auf.

„Das musst du ihm mal sagen. Wir sind eigentlich fast nur am Streiten.“ Aber er konnte auch ganz anders sein. Ich dachte an die gemeinsame Nacht im Wald und lächelte versonnen vor mich hin.

„Wie kann man sich nur mit Euch streiten. Ihr seid doch wirklich bezaubernd.“, sagte in diesem Moment John, der unbemerkt zu uns getreten war.

„Ach Ihr schmeichelt mir Sir.“

„Immer wieder gerne.. Cousine. Und nun komm Mason. Wir wollen die Prinzessin nicht weiter stören.“

„Mason stört mich nicht. Er ist ein wunderbarer Gesprächspartner und wird es sehr weit bringen. Sie können stolz auf ihren Sohn sein, Sir.“

„Dankeschön Prinzessin.“

„Papa. Die Prinzessin hat mich als ihren späteren Wächter erkoren.“, erzählte Mason seinem Vater stolz.

„Wirklich? Eine Ehre Mason.“, sagte John.

„Nun. Entschuldigt mich. Ich habe noch etwas zu tun.“ Ich beugte mich vor und küsste den kleinen Jungen auf die Wange und erhob mich. „Du kannst immer zu mir kommen Mason. Du bist immer willkommen.“

„Schönen Tag noch Prinzessin.“, sagte John mit einer Verbeugung.

„Prinzessin. Dürfte ich Euch noch eine Frage stellen?“

„Natürlich Mason.“

„Dürfte ich einmal mit Euch kämpfen?“ Ich sah zu seinem Vater, der mich abwartend ansah.

„Irgendwann einmal Mason. Doch bevor wir zusammen kämpfen muss ich für eine Weile vom Hof. Wenn du dann noch hier bist. Oder danach noch einmal den Hof besuchst werden wir bestimmt zusammen kämpfen. Doch davor wirst du schön trainieren.“ Der kleine Junge nickte eifrig und stob nach einer Verbeugung davon zu seinen Freunden. Sie fingen sofort an mit einem Ball Fußball zu spielen. Sie lachten und Mason schrie begeistert auf als er ein Tor schoss. Da sah man wie sehr er noch ein Kind war. Ich wandte mich ab und ging davon.

 

Vor dem Grab meines Vaters ließ ich mich auf die Knie sinken. „Hier ruht Daniel Adams. 1963 - 2013 Auch wenn er nicht mehr unter uns ist, so ist er doch immer bei uns.“, stand auf seinem noch sauberen Grabstein. Ja, er war noch unter uns. In unseren Herzen. Seine Seele war schon hinüber gegangen. Ich hatte sie gesehen. Sie hatte dort gestanden. So glücklich und doch so traurig. Tränen liefen mir über die Wangen und ich flüsterte: „Ach Dad. Es tut mir so leid!“

 

 

 

MAX

 

Er stand dort und beobachtete das Mädchen welches vor dem Grab ihres Vaters stand und weinte. Früher hatte sie nie geweint. Sie war stark geblieben. Trotz der Mobbingattacken und der Probleme hatte sie niemals geweint. Sie war stark geblieben und hatte sich verändert. War stärker geworden. Hatte sich nicht mehr alles gefallen lassen. Und doch saß sie jetzt vor dem Grab ihres Vaters und weinte. Ihn berührte es nicht. Sein Herz war schon so lange tot, kalt und leblos. Sein Leben als Strigoi lief perfekt. Er hatte hunderte von Leute unter sich. Er war der Herrscher der Armeen Englands. Er hatte Geld und Macht im Überfluss. Das Einzige was ihn störte war dieses Mädchen in welches er sich um ein Haar verliebt hatte. Zum Glück war er gegangen. Denn kurz nachdem er aus England geflohen war, hatte er David kennengelernt. Er war ein besonderer Strigoi gewesen. Er hatte Max verwandelt und zu dem gemacht was er heute war. Doch David war gestorben. Umgebracht von dem Wächter, der Caitlin die ganze Zeit beschützte. Er musste Caitlin, ihre Familie und ihre Freunde aus dem Weg schaffen denn wenn England ohne König war, würde es einfach werden die Macht an sich zu reißen.

„Bald Caitlin. Bald wird das alles ein Ende haben.“, flüsterte er. „Komm und jage mich. Ich bin immer für ein Spiel zu haben.“ Und mit diesen Worten rannte er los. Er wusste schon wo er sie erwarten würde. Er würde ihr schon genug Hinweise hinterlassen damit sie ihn finden konnte. Sie war schlau und kannte sein früheres Ich besser als jeder andere. Sie würde es mühelos schaffen ihn aufzuspüren. Und dann würde er sie umbringen. Sie und ihren kleinen, dummen Gefährten, der so besessen von ihr war. Sie würden ihn nicht seinen Plan zerstören. Das schwor er.

 

 

CAITLIN

 

Immer noch leise schluchzend stand ich auf, warf noch einen letzten Blick auf das Grab bevor ich davon ging.

Ich traf meine Freunde im Schlossgarten. Die Jungs spielten Fußball und die Mädchen lagen auf einer Picknick decke, sonnten sich und sahen ihnen dabei zu.

„Hey was macht ihr denn hier?“, fragte ich gezwungen fröhlich und wischte mir unauffällig die letzten Tränen von der Wange.

„Ach Alec und Dimitri haben uns abgeholt.“ Jana kam auf mich zu und umarmte mich. Sie schien nichts von meinen Gefühlen mitzubekommen und das war auch gut so. Ich wollte ihnen nicht die Laune verderben.

„Hey Caitlin. Mir ist aufgefallen, dass wir am Freitag schon auf Jagd sind und keine Zeit haben für unser Date. Ich würde es deswegen gerne auf heute verschieben wenn es okay ist.“, mischte sich Alec in dem Moment ein

„Gerne. Was machen wir denn?“, fragte ich.

„Ach lass dich überraschen. Eins verrate ich dir. Du wirst dich nicht schick anziehen müssen. Wir gehen nicht in einem sündhaft teurem Restaurant essen.“

„Gut, dass ich das weiß. Wann geht es los?“

„In einer Stunde.“, antwortete er knapp und ich nickte.

„Komm Caitlin! Wir gehen in dein Zimmer.“, sagte Sarah aufgeregt. Ich verdrehte gequält die Augen, folgte ihnen aber ohne Wiederworte. In meinem Zimmer stürzten sich meine Freundinnen sofort auf meinen Kleiderschrank. Ich wurde zum Duschen geschickt. Als ich aus dem Badezimmer trat und auf das Outfit sah, welches die Mädels mir raus gelegt hatten, streikte ich.

„Nein. Das könnt ihr euch abschminken! Das werde ich nicht anziehen! Bin ich eine Nutte oder was?“ Sofort verschwanden sie wieder im Kleiderschrank und kurz darauf hatte ich mein Outfit. Eine schwarze, kurze Hose, eine weiße fast durchsichtige Bluse, eine Lederjacke und schwarze Stiefeletten. Meine Haare blieben offen. Dezentes Make-Up vervollständigte mein Outfit. Ich stopfte schnell Geld und Handy in meine weiße Clutch und da klopfte es schon an der Tür.

„Viel Spaß Süße.“, kicherte Sarah.

„Ihr wisst was wir machen oder?“, fragte ich.

„Natürlich.“, grinste Jana und schob mich zur Tür. Ich öffnete und Alec Auge weiteten sich.

„Du siehst einfach atemberaubend aus.“, hauchte er. Aber sein Anblick war einfach himmlisch. Sein knackiger Hintern steckte in einer schwarzen Jeans und sein Oberkörper wurde von einem weißen Hemd versteckt. Seine schwarzen Haare hatte er bei Friseur schneiden lassen und nun hatte er einen Undercut. Ich musste sagen, dass ihn das viel besser stand als das lange Haar.

„Du siehst auch nicht schlecht aus.“, brachte ich heraus. Er lächelte und bot mir seinen Arm. Mit ihm ging ich nach draußen wo eine Ninja Kawasaki 125 stand. Über uns hörte ich meine Freundinnen kichern. Sie standen am Fenster und beobachteten uns.

„Du denkst doch nicht, dass ich auf dieses Mörder-teil steige!?“, wollte ich entgeistert wissen. „Weißt du eigentlich wie oft Menschen mit so einem Teil einen tödlichen Unfall fabrizieren?“ Er verdrehte die Augen.

„Caitlin. Du brauchst keine Angst haben. Ich bin ein Vampir. Meine Reaktionsfähigkeit ist viel besser als die eines Menschen.“

„Ja schon aber...“ Weiter kam ich nicht, denn er hob mich hoch und setzte mich auf das Motorrad bevor er selbst umständlich aufstieg.

„Halt dich fest.“, war seine Anordnung und ich gehorchte sofort. Er ließ die Maschine aufheulen und ich klammerte mich fester an ihn.

„Wir fahren ohne Helme!“, schrie ich panisch. Mein Gefährte jedoch lachte nur.

Viel zu schnell für mich sauste er auf die Autobahn Richtung London. Ich musste diese Fahrt jetzt mehr als eine Stunde überstehen.

„Was machen wir in London?“, fragte ich neugierig. Dass meine Stimme ängstlich klang war nicht zu vermeiden und ich biss mir wütend auf die Zunge.

„Lass dich überraschen.“

„Wir haben morgen Schule. Wir bekommen unsere Zeugnisse.“

„Ich weiß. Wir werden schon früh genug wieder in Oxford ankommen.“

„Das hoffe ich für dich. Ich möchte nicht mitten in der Zeugnisvergabe einschlafen.“ Er lachte.

„Wirst du nicht.“ Zum Glück schützte Alec Rücken mich vor dem meisten Wind ab, doch selbst mit diesem Schirm vor mir wurde es nach einer Zeit kalt. Ich war froh als wir in die Stadt hineinfuhren und bald vor einem Café standen. Das Café 1001.

„Was machen wir hier?“, fragte ich lächelnd. Natürlich hatte ich von dem Café gehört. Es veranstaltete regelmäßig Themenabende, die sehr interessant sein sollten.

„Wir verbringen hier einen schönen Abend. Heute tritt hier Jessie Ware auf.“

„Nein.“, sagte ich ungläubig.

„Doch. Komm schon.“ Er nahm meine Hand und zog mich in das Café. Dort suchten wir uns eine gemütliche Ecke und setzten uns. Fast sofort kam eine Kellnerin auf uns zu.

Sie sagte: „Guten Tag. Mein Name ist Aylin. Ich werde sie heute Abend bedienen. Was kann ich ihnen bringen?“ Alec sah mich fragend an.

„Ich hätte gerne eine Cola.“, sagte ich lächelnd zu der Kellnerin, die mich gar nicht beachtete, sondern kokett Alec zulächelte.

„Ich hätte gern das Gleiche.“

„Aber natürlich.“, säuselte diese kleine... und schritt auf ihren hässlichen High Heels davon. 'Nein Caitlin du wirst dich jetzt nicht darüber aufregen. Du und Alec seid ja nicht einmal zusammen!', versuchte ich mich innerlich zu beruhigen. Und doch regte es mich auf wie sie ihn ansah.

„Also Caitlin. Wie ich gehört habe ist bei deinem Training mit Dimitri etwas besonderes geschehen. Wobei handelt es sich? Niemand will mir verraten was es ist.“, fing Alec das Gespräch an.

„Dimitri und ich sind Waffenbrüder.“, sagte ich einfach.

Was? Nicht wirklich!“, sagte er freudig überrascht.

„Doch.“

„Wow.“ Ich zuckte mit den Schultern. Wirklich beeindruckend fand ich es nicht. Ich war nur froh, dass ich einen anständigen Waffenbruder bekommen hatte und keine Flasche, die bei jedem Scheiß heulte.

In diesem Moment kam die Kellnerin zurück. Sie hatte einen kleinen Zettel in der Hand, den sie über den Tisch zu Alec rüber schob. Ich erkannte sofort, dass es ihre Handynummer war. Ich langte über den Tisch, nahm den Zettel und schob ihn ihr mit einem zuckersüßen Lächeln zu.

„Ich denke Sie haben etwas vergessen.“ Ich legte meine Hand auf die von Alec und lächelte ihn glücklich an. „Und Schatz. Hattest du einen schönen Tag ohne mich? Wie war das Football Training?“

„Ach sehr gut Liebling. Wenn wir so weiter machen gewinnen wir das letzte Spiel morgen ohne Probleme.“ Alec sah mich verliebt an. Wow. Diesen Blick hatte er wirklich gut drauf. Er hob unsere verschränkten Hände an und gab meiner Hand einen Kuss.Dabei sah er mir tief in die Augen. Ich wurde rot, lächelte ihn aber immer noch liebevoll an.

Scheinbar überrascht, dass die Kellnerin immer noch da war, drehte ich meinen Kopf zu ihr.

„Sie stehen noch hier? Haben Sie keine anderen Gäste zu betreuen?“ Sie warf mir einen wütenden Blick zu und verschwand. Ich löste meine Hand aus Alec´ und lehnte mich zurück. Seine Augen blitzten und ich wusste sofort was jetzt kam.

„Eifersüchtig?“

„Nein.“, kam es sofort wie aus der Pistole geschossen aus meinem Mund. Er lächelte überheblich.

„Doch klar bist du eifersüchtig! Sonst hättest du nicht so reagiert.“

„Ach halt doch deinen Mund!“ Ich sah zur Bühne, die gerade von Jessie Ware betreten wurde.

„Dies ist ein Song zum Tanzen. Also schnappt euch euren Partner und tanzt mit.“, sagte sie. Sofort standen dutzende von Pärchen auf und wiegten sich im Takt zum Lied Wildest Moments. Sehnsüchtig beobachtete ich sie. Wie glücklich sie waren.

Plötzlich versperrte mir Alec Körper den Weg. Ich sah nach oben und er fragte: „Möchtest du Tanzen... Liebling?“

„Ach gerne.“ Er nahm meine Hand und legte mir auf der Tanzfläche die Arme um die Taille während ich meine Arme um seinen Hals schlang. Er zog mich nahe an sich und ich legte meinen Kopf auf seine Brust. Sein Aftershave und sein Parfüm stieg mir in die Nase. Ungewollt seufzte ich glücklich auf und er zog mich noch näher an sich. „Es ist wirklich schön mit dir hier zu sein.“, flüsterte ich.

„Ja ich finde es auch schön.“, antwortete er sanft. Ich hob meine Kopf und begegnete seinem glühenden Blick. Es lag dort so ein Verlangen und eine Liebe, so dass ich nicht widerstehen konnte und mich auf Zehenspitzen stellte um ihn zu küssen. Es war ein leichter Kuss und ich lehnte meinen Kopf danach sofort wieder an seine Brust um mein Gesicht zu verstecken welches plötzlich rot war.

„Was sind deine Fähigkeiten Alec?“, fragte ich plötzlich.

„Wozu willst du das wissen?“, stellte er eine Gegenfrage.

„Ich weiß fast gar nichts über dich. Also?“

„Na gut. Ich bin ein Gestaltenwandler.“

„Wie. Du kannst dich also in einen Hund, eine alte Frau, einen kleinen Jungen verwandeln?“

„Ja. Egal was ich möchte. Und ich hab Telekinese.“

„Ach ja. Das habe ich vergessen. Als wir mit Salomon telefoniert haben, hast du die Küchentür zufallen lassen.“ Er nickte. Als der Tanz zu Ende war, brachte er mich wieder zurück zum Tisch und wir verbrachten einen wundervollen Abend zusammen. Auch wenn die nervige Kellnerin Aylin immer noch Alec schmachtende Blicke zuwarf und mich dabei nicht beachtete. Dann stiegen wir auf Alec Ninja und fuhren nach Hause. Im Schloss gingen wir Seite an Seite zu unseren Zimmern.

„Es war ein wunderbarer Abend heute Cat. Wir können ihn gerne noch einmal wiederholen.“

„Ja. Das stimmt. Gute Nach Alec.“

„Gute Nacht Caitlin.“ Müde drehte ich mich um und öffnete die Tür, die zu meinem Zimmer führte. Ich zog mich um, putzte mir die Zähne und ließ mich ins Bett fallen.

 

Kapitel 15

Nichts bedrückt mich so sehr wie eine Masse - ich hasse den Menschen in der öffentlichen Ansammlung.

(Heinrich Böll „Briefe aus dem Krieg“)

 

 

Am nächsten Morgen wurde ich vom Wecker geweckt und zog mich um. Um sieben saß ich zusammen mit meiner Familie und meinen Freunden im Esszimmer.

„Wir müssen euch was sagen.“, fing meine Mutter nervös an. Jeder im Raum hob den Kopf und sah meine Mutter neugierig an.

„Raphael und ich... Wir werden heiraten.“, ließ sie die Bombe platzen. „Wir wissen noch nicht wann aber, dass es passiert, steht schon mal fest.“ Während alle anderen aufstanden und dem König und meiner Mutter gratulierten saß ich erschlagen auf meinem Stuhl und starrte auf meine Eltern. Als sich die Aufregung gelegt hatte wandten sich meine Eltern an mich.

„Hast du dazu gar nichts zu sagen Caitlin?“, fragte Raphael. Allerdings hatte ich etwas zu sagen. Aber nicht ihm. Ich wandte mich wütend an meine Mutter.

„Dad ist erst seit ein paar Tagen tot und schon heiratest du den nächstbesten? Hast du sie eigentlich noch alle? Hast du Dad überhaupt geliebt oder war er nur jemand, der dir in der scheiß Situation mit einem Kind helfen konnte?“ Wütend stand ich auf und warf meine Servierte auf den Tisch. „Ich habe keinen Hunger mehr. Ich warte unten auf euch.“ Wütend stürmte ich aus dem Raum und schmiss die Tür mit voller Wucht hinter mir zu.

 

 

RAPHAEL

 

Er sah seiner Tochter bestürzt hinterher. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Er hatte gehofft, dass sie sich für Desiree und ihn freuen würde. Doch leider hatte sie Recht. Es sah wirklich so aus als würde Desiree Daniel nie geliebt haben. Bedrückt beendeten sie ihr Frühstück und die Kinder verabschiedeten sich.

„Vielleicht hätten wir noch warten sollen.“, meinte er bedrückt. Desiree schüttelte den Kopf.

„Ich habe Daniel wirklich geliebt. Doch eher wie ein Bruder. Auch er hat mich wie eine Schwester geliebt. Er wollte mir helfen. Nur deshalb hat er mir einen Antrag gemacht. Und ich habe fünfzehn Jahre auf dich gewartet. Ich kann nicht mehr warten.“ Er lächelte sie an und sie grinste verführerisch zurück.

„Nun. Dann will ich dich nicht mehr warten lassen. Komm mit.“, sagte er rau und führte sie aus dem Esszimmer heraus in sein Schlafzimmer.

 

 

ALEC

 

Als ich zum x6 ging um die anderen abzuholen, die vor dem Schloss warteten, sah ich schon von weitem einen pinken Zettel am Fahrerfenster kleben. Dem Geruch zu Folge war er von Caitlin und ich ahnte Böses, schon bevor ich ihn in die Hand nahm.

 

Sorry bin mit dem Fahrrad gefahren. Sehen uns in der Schule. Keine Angst ich hab meine Waffen dabei. Und das Beschimpfen kannst du dir sparen. Er ist weg.Ich hab einen Zettel von ihm gefunden. Er hat Lust auf ein kleines Spiel. Einzelheiten nachher.

Caitlin <3

 

Wütend knüllte ich den Zettel zusammen und schmiss ihn auf den Beifahrersitz. Sie konnte doch nicht einfach wegfahren. Und dann noch auf einem Fahrrad! Ich gab Gas und fuhr zu den anderen.

„Caitlin ist schon vor gefahren.“, knurrte ich.

„Wie sie ist vorgefahren.“, fragte Sarah verwirrt.

„Mit dem Fahrrad.“, fügte ich hinzu und sah nach vorne. Meine Hände krallten sich um das Lenkrad. Dimitri, der vorne saß legte mir eine Hand auf die Schulter und sagte: „Ihr wird schon nichts passieren.“ Er hatte den Zettel in der Hand.

„Woher will sie denn wissen ob er wirklich weg ist? Es kann auch ein Trick von ihm sein!“

„Ich denke nicht. Er hat glaube ich wirklich Lust auf ein Spiel und wird euch dort erwarten wo er Caitlin wirklich treffen kann.“

„Welcher Ort kann das sein? Habt ihr eine Idee?“, fragte ich die Freunde von Caitlin.

„Nicht das ich wüsste. Sie sprach nie über ihre Treffen mit Max. Auch nicht darüber wie es zwischen ihnen stand. Das war ihr kleines Geheimnis uns gegenüber.“, sagte Tristan. An einer Ampel schloss ich kurz die Augen bevor ich bei grün wieder losfuhr.

 

Kurze Zeit später waren wir an der Schule angekommen. Ich fuhr in eine Parklücke und gemeinsam stiegen wir aus dem Auto. Während sich Tristan, Sarah und Jana auf den Weg zur ersten Stunde machten, stand ich noch am Auto und ließ meinen Blick über die Massen der Schüler streifen, die unterwegs in den Unterricht waren.

„Sie ist hier.“, sagte Dimitri leise und ich entspannte mich sichtlich. Wenn Dimitri sie spüren konnte dann konnte ich ihm glauben. Ich würde sie erst dann vollständig spüren, wenn sie und ich uns vereint hatten. Sie könnte sich dann nicht mehr von mir verstecken.

„Gut. Dann lass und gehen. Wir sind sowieso schon spät dran.“, seufzte ich. Wir setzten uns in Bewegung. Kurz vor unserem Klassenraum, fiel uns ein, dass der Direktor der Schule eine Ansprache anlässlich des letzten Schultags halten würde. Schnell liefen wir hinüber in die gigantische Aula und stellten uns in eine Ecke. Zum Glück hatte der Direktor noch nicht angefangen und wir atmeten auf. Auf eine Strafe hatten wir nun wirklich keine Lust. Der Direktor stellte sich in dem Moment auf die Bühne, als ich Caitlin entdeckte. Sie unterhielt sich mit ihren Freunden, die sie wohl für ihr Verhalten beschimpften. Gelangweilt sah sie zu mir und rollte mit den Augen. Im selben Moment merkte ich wie sie ihre gedankliche Wand hinunter ließ und mich in ihr Bewusstsein einlud.

Ich bin so blöd.“, klagte sie fast sofort los.

Ja, das bist du. Gut, dass du das einsiehst.“, antwortete ich ihr belustigt aber auch ein wenig wütend. Sie dachte wohl an das Gleiche wie ich denn sie antwortete patzig: „Danke Alec! Das von heute morgen meinte ich gar nicht! Ich meine eher, dass ich dem Direx versprochen habe ein Lied zu singen. So als Abschluss. Du weißt schon.

Was ist daran denn so schlimm?

Ich kann nicht vor Publikum singen!“, jammerte sie.

Was ist wenn wir zusammen singen? Wäre das besser?“, schlug ich ihr spontan vor. Sofort spürte ich ihre Erleichterung.

Ja. Das wäre besser.

Selbst wenn ich dich mit meinem Gesang vollkommen blamieren würde?“, kicherte ich.

Guter Versuch. Ich weiß wie gut du singst.“ Wir einigten uns noch auf ein Lied und da bat der Direx auch schon Caitlin auf die Bühne. Äußerlich sehr selbstbewusst trat sie auf die Bühne und sagte: „Vielen Dank für die Ehre Mr. Harper. Wenn es Ihnen Recht ist, würde ich gerne ein Duett singen.“

„Ganz wie Sie möchten.“ Caitlin nickte mir zu und ich machte mich auf den Weg zur Bühne. Ich nahm ein Mikro entgegen und stellte mich neben meine Gefährtin. Sie ging auf die Musikanlage zu und legte eine CD ein. Bald darauf erklang das Lied „Broken hearted girl“ von Beyoncé. Natürlich änderte ich den Teil wenn ich sang immer zu „Broken hearted boy“ aber das war nebensächlich. Eher hatte ich das Gefühl, dass mein Herz vor Liebe überquoll als ich beim Singen meine Caitlin beobachtete. Anscheinend sahen James und Dimitri das, denn sie pfiffen und klatschten. Ich griff nach Caitlins Hand und wir verbeugten und lächelnd. Der Direx kam nach oben und bedankte sich. Wir verließen Seite an Seite die Bühne und sie drückte mir einen Kuss auf die Wange.

„Danke Alec. Ohne dich hätte ich das nicht überlebt.“, bedankte sie sich überglücklich.

„Ach kein Ding Prinzessin. Immer wieder gerne.“, winkte ich ab. Immer noch hatte sie den Arm um meinen Hals liegen, doch als sie den Blick von Chloe auffing, löste sie sich errötend von mir. Zu gern würde ich wissen was Caitlin und Chloe wussten, was ich nicht wusste.

Nach uns spielten die fünften Klassen ein paar kleine Rollenspiele zum Thema Schule, die elfte Klasse führten ein paar lustige Schulszenen und Lehrer nach und der Chor sang noch ein Lied.

Der Direx sprach noch ein paar Worte und entließ uns dann in unsere Klassenzimmer um die Zeugnisse verteilen zu lassen. Ich verabschiedete mich von Caitlin und ging in meine Klasse.

Dimitri setzte sich neben mich und fragte: „Und? Hast du schon herausgefunden ob sie dich liebt?“

„Nein.“, lautete meine knappe Antwort.

„Dann solltest du das bald mal machen. Ich meine... wüsstest du nicht gerne wie du bei ihr stehst?“

„Doch. Aber sie wird mir sagen was sie von mir hält. Spätestens dann wenn wir uns das nächste mal streiten.“ Dimitri sagte nichts und bald darauf bekamen wir unsere Zeugnisse. Davor mussten wir aber das Klassenzimmer aufräumen und putzen. Wie immer vor den Ferien. Als ich aus dem Klassenzimmer trat, sah ich Caitlin bei den Fahrrädern stehen und sich mit ihren Freundinnen und Chloe unterhalten. Ich steuerte sofort auf sie zu und als ich sie erreichte verstummten sie.

„Redet ruhig weiter.“, forderte ich sie auf.

„Ach. Ich muss nach Hause. Schöne Ferien Caitlin!“, verabschiedete sich Chloe. Auch Sarah und Jana verschwanden zu James. „Wo hast du bloß dieses Fahrrad her?“

„Ach. Habe ich gefunden im Keller des Schlosses. Ich glaube das ist Mason´s.“

„Das ist sogar korrekt.“ Ich sah sie an. „Hast du Angst?“

„Wovor?“, fragte sie verwirrt.

„Nur noch heute. Morgen früh fangen wir an.“

„Angst würde ich das nicht bezeichnen. Eher ein ungutes Gefühl haben. Ich weiß nicht. Irgendwas schlimmes wird auf dieser Reise geschehen.“, murmelte sie.

„Das wird schon. Und denk immer daran. Ich bin für dich da.“, munterte ich sie auf und nahm sie kurz in den Arm bevor ich mich abwandte. „Beeil dich. Dimitri will dir mehrere Gegner auf den Hals hetzen. Beziehungsweise uns.“ Sie stöhnte.

„Ich wünschte ich wäre doch mit dem Auto mitgefahren.“ Ich musste lachen.

„Das wird schon!“ Ich ging zum Auto wo die anderen schon warteten. Caitlin schwang sich auf ihr Rad und radelte davon. Trotzdem waren wir als erstes Zuhause. (Was für eine Überraschung!)

 

Caitlin kam erst an als wir schon fast fertig waren mit Essen. Sie sah nicht erschöpft aus. Nein. Ihre Augen glänzten und sie lächelte. Selbst als sie ihre Eltern ansah, die es nicht lassen konnten sich zu küssen und sich verliebte Blicke zuzuwerfen. Sie schlang das Essen herunter und stand dann immer noch mit einem Lächeln im Gesicht auf.

„Ich geh mich umziehen dann können wir anfangen!“, trällerte sie und verschwand. James, Mason und ich sahen uns an. Ihre Brüder schüttelten synchron den Kopf und hoben die Schultern. Ich stand auf und lief ihr hinterher. Da stimmte doch etwas nicht! Vorsichtig klopfte ich an ihre Zimmertür und auf ihr 'Herein' öffnete ich die Tür und trat ein. Sie drehte sich lächelnd um und fragte: „Alec. Was machst du denn hier?“ Ich schluckte. Sie stand vor mir in BH und sehr kurzer Hose. Ich sah sie mir von oben bis unten an. Ihren schlanken Hals, ihre Brüste, den flachen Bauch, die muskulösen Beine... Ich riss mich von dem Anblick los und sagte rau: „Würdest du dir bitte etwas anziehen?“ Sie sah nach unten und lachte.

„Sehe ich etwa so schlimm aus?“

„Nein!“, schoss es aus meinem Mund. „Aber es könnte noch ein Unglück passieren wenn du weiterhin so vor mir rum läufst.“ Sie kam auf mich zu. Überraschenderweise schlang sie den Arm um meinen Hals, stellte sich auf Zehenspitzen und küsste mich. Ich öffnete überrascht den Mund und das nutzte sie um ihre Zunge in meinen Mund zu schieben und meinen Mund zu erkunden. Ich genoss ihre Hand, die über meinen Rücken strich, ihre Lippen auf den meinen. Doch irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Abrupt stieß ich sie von mir. Sie öffnete ihre Augen und sah mich erschrocken an. Als sie mein Gesicht sah wurde ihre Miene traurig und sie flüsterte ein wenig lallend: „Ich dachte du willst es auch.“ Ja. Ich wollte es auch. Aber nicht so!

„Bist du betrunken Caitlin?“, fragte ich geschockt.

„Nein.“

„Komm her.“, befahl ich ihr. Bereitwillig tat sie das was ich sagte und ich beugte mich zu ihr herunter um ihr in die Augen zu sehen. Sie waren geweitet und hatten einen eigenartigen Schimmer. Ich führte Caitlin zu einem Stuhl und drückte sie mit sanfter Gewalt herunter. Davor zog ich ihr noch einen Bademantel über. Dann rief ich nach Ann. Diese untersuchte Caitlin und gab ihr dann einen komischen Trank. Nachdem Caitlin das widerwillig runter geschluckt hatte schloss sie die Augen um sie kurz darauf wieder zu öffnen. Sie waren wieder ganz normal.

„Es war ein Trank, der die Hemmung löst.“, antwortete Ann auf die unausgesprochene Frage Caitlins. Sie sah kurz zu mir uns lief rot an. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

„Danke Ann.“, sagte Caitlin. Ann verbeugte sich und verließ das Zimmer.

„Zieh dich an. Dimitri wartet schon auf uns.“, sagte ich und wollte aus dem Zimmer gehen, doch Caitlin packte mich am Arm und zwang mich stehen zu bleiben.

„Tut mir wirklich leid.“, flüsterte sie. „Das hätte niemals geschehen sollen.“

„Schon gut Cat. Sei froh, dass du mich geküsst hast und nicht irgendeinen Diener oder Wächter. Das wird unser Geheimnis.“, sagte ich kalt und knapp und verließ das Zimmer.

 

Mit unbeteiligten Gesichtsausdruck ging ich zu Dimitri und erklärte ihm, dass ich heute ein Einzeltraining erhalten wollte.

„Warum?“, wollte er wissen.

„Das geht dich nichts an!“, fauchte ich. „Kannst du das einrichten oder muss ich darauf verzichten?“

„Alec kann mit mir trainieren.“, sagte in dem Moment Mason, der unbemerkt zu uns getreten war. Zu Dimitri sagte er: „Wir nehmen die Hälfte der Wachen, die gegen die beiden kämpfen sollten und du nimmst die andere.“

„Die beiden sollten aber lernen gemeinsam zu kämpfen mein Prinz.“

„Nun. Sie werden schon wissen wie sie kämpfen müssen um zu überleben.“, winkte Mason ab und bedeutete mir ihm zu folgen. Wir betraten die kühle Halle und Mason sagte: „Nun gut. Die Situation ist diese. Max lockt euch in einen Hinterhalt. Er wird dich ablenken um sich mit Caitlin beschäftigen zu können. Caitlin wird total abgelenkt sein aus Angst, dich zu verlieren. Du wirst also gegen die Typen kämpfen müssen und gleichzeitig Caitlin und Max im Auge behalten. Okay?“ Ich nickte. „Wir trainieren heute nur das böse Jungs bekämpfen. Das andere musst du ohne Training fertig bekommen. Also los. Angriff!“ Gefühlte hundert Mann kamen auf mich zu und ich hatte alle Mühe sie abzuwehren. Plötzlich pfiff Mason den Angriff ab.

„Alec. Denk an deinen Rücken. Und setzt deine Wassermagie ein. Ohne Sauerstoff können selbst Strigoi nichts machen. Sie sterben zwar nicht, sind aber bewegungsunfähig. Spüle sie weg oder was weiß ich. Aber mach was. Das verschafft dir eine Verschnaufpause.“ Ich nickte. Sofort ließ Mason die Wächter wieder auf mich los. Diesmal schaffte ich es sie erfolgreicher abzuwehren. Am Ende des Trainings war ich voll geschwitzt und keuchte ausgepumpt.

„Das war sehr gut. Ich denke ihr könntet es schaffen.“, sagte Mason am Ende.

„Hast du keine Angst Caitlin zu verlieren?“, fragte ich. „Ich meine sie kann so leicht sterben.“

„Nein. Ich habe keine Angst. Ich weiß, dass Caitlin gut auf sich selbst aufpassen kann. Und du bist an ihrer Seite. Angst habe ich eher, dass sie nicht als sie selbst zurück kommt. Sie wird ihre erste große Liebe töten müssen.“ Der Junge, der ihr, ihr Herz gebrochen hat. Und den sie trotzdem retten wollte.

„Ich werde ihn töten. Sie wird nicht mit dem Wissen herumlaufen müssen ihren ehemaligen besten Freund umgebracht zu haben.“

„Sehr aufopfernd. Doch am Ende wird sie es machen.“ Schritte erklangen. Jana erschien in der Halle und kam auf uns zu.

„Hey Jungs.“, lächelte sie. Doch als sie sich zu mir umdrehte wurde ihr Gesicht ernst. „Du.“ Sie zeigte mit dem Finger auf mich. „Wenn du Caitlin nicht heil und gesund zurück bringst. Und ihr Herz dank dir gebrochen ist... dann.... Ich schwöre es dir. Werde ich dir so weh tun, dass du dir wünscht tot zu sein! Verstanden?“ Eilig nickte ich. Mason lachte.

„Alec. Du mutierst noch zum Weichei. Jana tut dir doch nichts.“, grinste er und legte ihr den Arm um die Schulter.

„Sei dir da mal nicht so sicher Prinz.“, knurrte die Freundin meiner Gefährtin.

Ich verabschiedete mich von den beiden und ging in mein Zimmer und die wenigen Sachen zu packen, die ich mitnehmen würde auf die Reise. Wohin auch immer sie uns bringen würde. Hauptsächlich Waffen kamen in meine Sporttasche. Ein paar T-Shirts, Jeans, Unterwäsche und einige wenige Kleinigkeiten und meine Tasche war gepackt. Dann ging ich in den Speisesaal um mit der königlichen Familie Abend zu essen. Alle waren versammelt. Alle außer Caitlin, die meinte, dass sie kein Hunger habe wie James mir sagte. Das Essen verging schweigend. Niemand wusste worüber man reden sollte.

„Wir werden morgen wahrscheinlich ausschlafen und dann losfahren. Trotzdem gehe ich jetzt schon ins Bett. Gute Nacht.“, verabschiedete ich mich. Gute Nacht Wünsche wurden gemurmelt und ich verließ das Zimmer. Ich ging in mein Zimmer und machte mich fertig für die Nacht. Dann beschloss ich noch einmal nach Caitlin zu sehen. Ich klopfte und auf ihr 'Herein' öffnete ich die Tür. Sie saß auf der Couch in eine Decke gehüllt und sah sich ''Total recall'' an. Einer meiner Lieblingsfilme.

„Darf ich mich zu dir setzten?“, fragte ich vorsichtig.

„Klar.“, sagte sie und rutschte zur Seite um mit Platz zu machen. Zusammen sahen wir uns den Film an. Als der Abspann lief sagte sie plötzlich: „Das mit dem Trank wollte ich nicht. Ich habe ihn von einer Vampirin bekommen und gehofft somit meine Hemmungen im Bezug auf Max zu verlieren. Ich hatte vorgehabt den Trank kurz bevor ich auf ihn treffe zu nehmen, doch...“

„Schon gut Caitlin.“, flüsterte ich sanft. „Alles gut.“ Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter.

„Würdest du heute Nacht bei mir bleiben?“, fragte sie schüchtern. Als ich sie perplex ansah beeilte sie sich zu erklären: „Wenn du in der Nähe bist suchen sie mich nicht heim. Wir müssen morgen los und ich würde gerne ausgeruht aufbrechen.“ Aufmerksam sah ich in ihr Gesicht. Jetzt wo es nicht geschminkt war, konnte man die Augenringe deutlich sehen. Sie sah müde und abgekämpft aus.

„Ich bleibe bei dir.“ Erleichtert atmete sie aus. Sie ging ins Badezimmer um ihre abendliches Ritual zu verrichten bevor sie zu mir ins Bett krabbelte.

„Danke, dass du bei mir bleibst.“

„Immer Prinzessin. Ich bin für dich da.“

 

Am nächsten Morgen wachte ich glücklich auf. Ich sah zur Seite und beobachtete Caitlin, die friedlich schlafend neben mir lag. Ihre schokoladenbraunen Haare fielen ihr wirr ins Gesicht und ich strich sie ihr zärtlich hinter die Ohren. Dann quälte ich mich aus dem Bett und ging zum duschen und umziehen in mein Zimmer. Beziehungsweise wollte ich in mein Zimmer. Natürlich blieb ich nicht unbemerkt auf dem kurzen Weg von Caitlins Zimmer in meins. Mason, der gerade den Gang entlang kam, sah mich die Tür schließen, war mit einem Satz bei mir und hatte mich am T-Shirt gepackt.

„Was hattest du bei meiner Schwester zu tun Alec?“, knurrte er. „Warst du etwa die ganze Nacht da?“

„Ja.“, krächzte ich. Er drückte zu, sodass ich keine Luft mehr bekam.

„Was hast du mitten in der Nacht bei ihr zu suchen?“, schrie er. Die Tür hinter uns öffnete sich und Caitlin erschien in der Tür. Sie trug immer noch ihre Jogginghose und ihr übergroßes T-Shirt in denen sie geschlafen hatte. Ihre Haaren waren ein einziges Chaos und sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht.

„Mason lass ihn los!“, befahl sie ihrem Bruder.

„Warum? Warum sollte ich dem Typen, der mit meiner Schwester schläft loslassen und nicht umbringen?“

„Wir haben nicht miteinander geschlafen! Er hat bei mir im Bett geschlafen ja. Aber nur, weil die Seelen mich in Ruhe lassen wenn er da ist! Verdammt! Ich konnte seit langer Zeit endlich wieder durchschlafen!“, schrie sie ihren Bruder an. Mason ließ mich langsam runter. „Es ist wirklich süß, dass du mich beschützen willst. Aber im Moment brauchst du dir keine Sorgen zu machen, dass ein Junge mir zu Nahe kommt.“

„Außer vielleicht Max.“, murmelte ich leise. Doch sie hatten mich verstanden.

„Außer vielleicht Max.“, stimmte mir Caitlin traurig zu. „Doch wenn dann so wenig wie möglich.“

„Bis nachher.“, verabschiedete ich mich von den Geschwistern, die sich ähnlicher nicht sein konnten und verschwand in meinem Zimmer. Dort ging ich duschen und zog mir Jeans, T-Shirt und Pullover an. Meine Jacke klemmte ich mir unter den Arm und schulterte meine Tasche. So bepackt machte ich mich auf zum königlichen Speisesaal um das letzte Mal für einige Zeit zusammen mit meinen Freunden zu essen. Im Speisesaal angekommen traf ich auf Caitlins ganze Familie und Freunde. Caitlin selbst kam aber etwas später. Sie hatte eine Jeans und einen beigen Pullover an. Ihre langen, lockigen Haare hatte sie zu einem praktischen Zopf geflochten. Ihre Tasche legte sie zu meiner neben die Tür Sie setzte sich auf ihren Platz neben mir und griff seelenruhig nach einem Brötchen.

Niemand sprach ein Wort, aber man konnte auf ihren Gesichtern sehen was sie dachten. Irgendwann wurde es mir zu viel und ich hob den Kopf. „Hört auf Caitlin und mich so anzusehen als würden wir nie wieder zurückkommen.“, fauchte ich laut. Die anderen zuckten zusammen. „Wir kommen schon unbeschadet wieder.“ In meiner Stimme war mehr Zuversicht als ich hatte.

„Wir wollen euch nicht verlieren.“, flüsterte Sarah kläglich.

„Werdet ihr auch nicht.“, antwortete ihr Caitlin bestimmt.

„Caitlin? Wirst du mir was schönes von deiner Reise mitbringen?“, fragte Anastasia ihre kleine Schwester mit kindlicher Fröhlichkeit und leuchteten Augen. Ich spürte wie Caitlin sich ein Lächeln auf das Gesicht zwang.

„Aber natürlich Süße. Wie wäre es mit einem Teddy?“

„Oh ja!“ Anastasia fing an zu strahlen bevor sie in ihr Nutellabrot biss. Der Rest des Frühstücks verlief schweigend. Abgesehen davon, dass Anastasia nur am Plappern war.

 

 

Es war an der Zeit sich zu verabschieden. All unsere Freunde und Caitlins Eltern standen auf dem Hof um uns zu verabschieden. Selbst einige Lords mit ihren Kindern und die Diener aus dem Schloss waren gekommen um uns Glück zu wünschen. Weinend umarmten Sarah und Jana Caitlin, die es wohl oder übel über sich ergehen ließ. Mason und James verabschiedeten uns gefasster. Mason gab uns noch einen Tipp: „Achtet auf eure Deckung. Und Alec denk daran was ich dir in der Halle gesagt habe.“ Ich nickte und er umarmte mich kurz. Raphael hatte noch eine Überraschung. Er reichte Caitlin eine kleine Karte.

„Hier. Sie wird euch helfen und ihr müsst nicht so viel Geld mit euch herumschleppen.“ Es war eine Kreditkarte. Caitlin bedankte sich und steckte sie in ihre Tasche.

„Wenn ich wieder komme, feiern wir eure Hochzeit. Also Mama. Solltest shoppen gehen. Ich denke Jana und Sarah sind dir da eine große Hilfe.“ Sie lächelte ihre Mutter an. Dann nach endlos langen Verabschiedungen wollten wir gerade ins Auto steigen als Mason vor meine Gefährtin trat.

„Ich habe hier etwas für Euch Prinzessin.“, sagte er mit eleganter Verbeugung. Sie dankte ihm und faltete den Zettel auseinander. Sie las ihn durch und steckte ihn dann in ihre Hosentasche.

„Ich wünsche Euch alles Gute Prinzessin. Möget ihr unverletzt zurück kommen.“

„Danke Mason. Und mögest du viel gelernt haben wenn ich wiederkomme.“ Sie beugte sich vor und drückte dem Kleinen einen Kuss auf die Stirn. Dann stieg sie in das Auto.

„Weißt du wo wir als hin müssen?“, fragte ich sie. Caitlin antwortete: „Nach London.“

„Und wohin da?“

„In die National Portrait Gallery.“

„Oh nein! Dürfen wir uns da Bilder angucken?“

„Ein besonderes. Max schreibt, dass ich bei dem Bild einen weiteren Hinweis finden werde.“

„Was habt ihr da gemacht, dass er dich als erste Station in die Galerie schickt?“ Sie seufzte und starrte aus dem Fenster.

„Es ist eine langweilige Geschichte.“, winkte sie ab. Als ich sie jedoch weiterhin ansah stöhnte sie und fing an zu erklären: „Es war der erste Ausflug unserer Klasse. Wir waren teils wegen der Kunst hingegangen teils wegen der Geschichte. Unsere Aufgabe war es einen Aufsatz über diese Person zu schreiben. Jeder hat sich solche Bilder gesucht wie zum Beispiel die Beatles oder solche neueren Künstler. Sie suchten sich das aus was leicht zu beschreiben war und wo es leicht war Informationen zu beschaffen. Ich jedoch hatte mir einen Mann aus dem Mittelalter gesucht. Henry Beaufort. Ein wunderbarer Mann. Max stellte sich zu mir und gemeinsam schrieben wir unseren Aufsatz. Nun ja. Das war der erste Kontakt den ich zu Max hatte. Wir lernten uns so kennen. Er war in meiner Parallelklasse und mit der hatten wir recht wenig zu tun.“

„Eine wahre Nerd Liebe.“, rutschte mir unbemerkt raus. Strafend sah sie mich an.

„Ha. Ha. Wirklich lustig Alec.“, meinte sie und drehte sich zum Fenster.

„Ich hab es nicht so gemeint. Wirklich!“, beteuerte ich. Sie antwortete nicht. Innerlich schlug ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Die restliche Fahrt verlief schweigend. Sie drehte das Radio laut und sang die Lieder mit während ich mich auf die Straßen konzentrierte. Nach ungefähr zwei Stunden hielt ich auf dem Parkplatz der Galerie.

„Nun. Los geht’s.“, meinte ich und stieg aus. Mit zusammengepressten Lippen stellte sie sich an meine Seite und gemeinsam schritten wir in die Kunsthalle. Zielstrebig schritt sie durch die Räume bis wir endlich vor dem Bild von Henry Beaufort standen. Ich sah nichts besonderes an dem Bild. Caitlin anscheinend auch nicht, denn sie starrte das Bild nur mit zusammengekniffenen Augen an und stemmte die Arme auf die Hüften.

„Caitlin. Denkst du nicht, dass Max uns zum Narren halten will? Komm lass uns verschwinden.“, meinte ich und wollte mich abwenden, doch Caitlin hielt mich am Arm fest.

„Warte.“, sagte sie. Sie drehte sich mit dem Rücken zu dem Bild und sagte allen ernstes. „Stell mich so hin, dass ich in die gleiche Richtung schaue wie er.“ Unbeholfen nahm ich ihr Gesicht in meine Hände und drehte ihren Kopf. Dann positionierte ich sie noch so wie er stand.

„Mach ein Bild von mir. Dann ist es nicht so auffällig wenn wir so was machen.“, sagte sie. Sie hatte Recht die Leute schauten schon. Also zückte ich mein Handy und machte ein paar Fotos. Währenddessen starrte sie in die Richtung, in die ich sie gestellt hatte. Sie drehte sich zu mir um.

„Ich glaube ich hab´s.“ Sie schritt zu der Treppe neben der eine kleine Box auf einem Sockel stand und wühlte darin herum. Nach ein wenig suchen hatte sie einen kleinen weißen Zettel gefunden.

Gut gemacht Caitlin. Ich wusste doch, dass du ein schlaues Köpfchen bist. Nun meine nächste Aufgabe: Es geht nach Manchester. Weißt du noch was wir da gemacht haben? Die nächste Information über mein Standort findet ihr im Manchester Equestrian Centre. Ich weiß doch wie gern du reitest. Mach den Ritt mit, den wir gemeinsam gemacht haben. Was haben wir da gesehen? Viel Spaß.

Unterschrieben war mit Max. Möge er in der Hölle schmoren.

 

 

CAITLIN

 

Schweigend sah ich aus dem Fenster des Autos in die Dunkelheit. Wir fuhren durch einen Wald in der Nähe von Manchester. Alec hatte nach kurzem Zögern vorgeschlagen in seinem Haus in Manchester zu übernachten und am nächsten Tag den Ausflug zu machen. Ich hatte zugestimmt und nun waren wir auf dem Weg zu seinem Anwesen. Wir hatten den Tag damit verbracht in London zu Essen und Alec hatte mich in das Café 1001 geschleppt um mich ein wenig abzulenken. Das hatte auch gut geklappt denn Aylin war wie das letzte Mal wieder unsere Bedienung und wir spielten wieder das verliebte Paar. Wir beobachteten die Leute und lachten über die Tollpatschigkeit mancher Kellner. Währenddessen tranken wir etwas und lauschten der Musik, die im Hintergrund lief. Es hatte mich wirklich von Max abgelenkt, doch jetzt wo wir schweigend im Auto saßen, fielen die Erinnerungen über ihn über mich her. Wie wir zusammen den Aufsatz schrieben, wir wir gemeinsam mit Tristan und den Mädels unterwegs waren, mein Liebesgestänis und seine Abweisung. Die Tränen brannten in meinen Augen, doch ich drängte sie zurück und holte den weißen Tumalin aus einem Seitenfach meiner Sporttasche. Sanft strich ich über die Kette und schwor mir. Ihr nächster Träger würde sie mit stolz tragen. Ihr nächster Träger wäre derjenige, mit dem ich alt werden wollte.

„Das Lied liebe ich.“, sagte Alec fröhlich und drehte das Radio laut. A little party never killed somebody von Fergie erklang und er sang volle Lautstärke mit. Ich ließ mich von seiner guten Laune anstecken und gemeinsam sangen wir die Lieder die im Radio liefen mit.

Kapitel 16

Liebe ist ein Wort, dass du nur mit blutroter Tinte schreiben solltest. Liebe treibt dich dazu, die seltsamsten Dinge zu tun. Liebe schlägt dir tiefe Wunden, aber auf eine ihr eigene Art heilt sie auch deine Narben, vorausgesetzt du vertraust ihr und gibst ihr die Zeit dazu. Meine Narben werde ich nicht anrühren. Ich werde neue Wunden davontragen, noch ehe die alten verheilt sind, und ich werde anderen Menschen Narben hinzufügen.Jeder von uns trägt ein Messer.

(Andreas Steinhöfel „Die Mitte der Welt“)

 

Nach fünf Stunden Fahrt fuhren wir die lange Auffahrt der Manchester Villa hinauf. Alec parkte direkt vor dem Haus. Meine Hand lag am Griff des Autos und ich wollte gerade aussteigen als Alec mich am Arm packte. Ich wandte den Kopf und sah in sein ernstes Gesicht. „Eine Sache noch.“, sagte er. „Seit dem Tod meines Vaters ist meine Mutter... verändert. Sie ist kälter und formeller geworden. Sie lässt niemanden mehr so leicht an sich heran. Wenn sie dich also beleidigt. Indirekt oder direkt, nimm es dir nicht so zu Herzen. Sie versucht einfach nur die Menschen von sich weg zu stoßen.“ Ich nickte. Da lächelte er und sagte: „Meine Schwester jedoch wirst du lieben. Sie ist wirklich reizend. Jedenfalls war sie das noch als ich sie das letzte Mal gesehen habe.“

„Wann war das?“, fragte ich neugierig.

„Vor drei Jahren. Ich bin nicht gerne hier.“, antwortete er und stieg aus dem Wagen. Formvollendet öffnete er mir dir Tür und half mir auszusteigen. Dann führte er mich zu der Tür und klingelte. Ein älterer Mann öffnete. Er fing an zu strahlen als er Alec erblickte.

„Lord Alec. Was für eine Freude Euch nach so langer Zeit mal wieder zu sehen.“

„Albert. Wie schön dich zu sehen! Wie geht es deiner Frau?“, fragte Alec lächelnd.

„Sehr gut Mylord. Sie hat mir vor einem Jahr einen gesunden Sohn geboren.“

„Nun dann herzlichen Glückwunsch. Möge er genauso tapfer werden wie sein Vater.“ Alec sah von Albert zu mir. „Albert. Darf ich dir Prinzessin Caitlin vorstellen?“ Die Augen des Mannes wurden groß und hektisch verbeugte er sich.

„Eine Ehre Prinzessin! Willkommen auf Rosencastle.“

„Vielen Dank Sir.“, sagte ich und machte einen leichten Knicks. Albert trat zur Seite und ließ uns eintreten.

 

Ich schulterte meine Sporttasche und trat hinter Alec ins Haus.

„Es hat sich nicht viel verändert seit Ihr das letzte Mal hier wart. Lady Kendra hat sich eine Sauna bauen lassen aber sonst?“ Er lächelte. „Ich werde Eurer Schwester Bescheid sagen, dass ihr angekommen seid.“ Lächelnd sah ich mich in der großen Eingangshalle um. Sie war in gemütlichen Brauntönen gehalten. Es gab eine große Garderobe und ein Sofa. Blumen standen in Vasen auf verschieden hohen Sockeln. Bevor ich mich weiter umsehen konnte schrie eine hohe Mädchenstimme: „Alec!“ Ein junges, schwarzhaariges Mädchen warf sich in die Arme von Alec und schmiss ihn mit ihrer Wucht beinahe um. Alec grinste und meinte: „Hallo Schwesterherz.“ Von einem Moment auf den anderen stieß das Mädchen Alec von sich und schlug ihn gegen dem Arm. „Du Schuft!“, schimpfte sie. „Drei Jahre lässt du dich nicht blicken und plötzlich tauchst du wieder auf! Ich...“ Sie entdeckte mich und stoppte mitten im Satz.

„Red ruhig weiter. Ich störe dich nicht.“, grinste ich. Sie sah mich genauer an. Ich wusste was sie sah. Ein Mädchen mit braunen Haaren, azurblauen Augen, Augenringen und lässigen Klamotten, welches extreme Ähnlichkeiten mit der Prinzessin hatte, die man im Fernsehen so oft gesehen hatte. Misstrauisch fragte sie: „Alec. Wer ist das?“

„Das Kendra ist Prinzessin Caitlin. Meine Gefährtin.“, stellte Alec mich vor. „Caitlin. Meine Schwester Kendra.“

„Freut mich.“ Sie machte ein Knicks und musterte mich. „Wenn Ihr mitessen wollt, solltet Ihr euch umziehen. Mutter mag es nicht wenn eine Dame in Hosen erscheint.“ Ich sah zu Alec und seufzte. „Dann müsst ihr mich entschuldigen. Mit einem Kleid kann ich nicht dienen.“ Alec seufzte und Kendra seufzte. „Aber ich.“, sagte sie. Sie schnappte sich meine Hand und zog mich mit sich die Treppe rauf. Hilfesuchend sah ich über die Schulter zurück zu Alec, der jedoch nur kicherte und mit lautlos viel Glück wünschte.

 

„So. Ihr seid also die Gefährtin meines Bruders.“, sagte Kendra, die vor einem riesigen Kleiderschrank stand um mir ein Kleid auszusuchen während ich auf ihrem Bett saß und ihr zusah.

„Ja. Aber sag doch bitte Du zu mir. Ich bin ein ganz normales Mädchen.“

„Ein ganz normales Mädchen?“ Sie lachte amüsiert auf. „Du bist eine Prinzessin, die Beschützerin dieses Reiches, kämpfst gegen Strigoi, bist eine Vampirin... Das nennst du normal?“

„Ja. Okay. Ich bin nicht normal. Ich bin aber normal aufgewachsen. Das Prinzessin sein ist etwas völlig neues für mich.“

„Nun ja. Dafür machst du deinen Job doch ganz gut.“

„Warte bis mein Vater mich zu den Höfen anderer Länder mitnimmt. Dann siehst du was ich meine. Ich kenne weder die Benimmregeln noch sonst etwas was eine Prinzessin wissen sollte.“

„Ach das kann man alles lernen.“ Sie zog zwei Kleider aus dem Schrank und hielt sie mir hin. „Welches möchtest du?“ Ich musterte sie. Beide waren hübsch, doch ich entschied mich für das Längere. So viel Beine wollte ich auch nicht zeigen. Es war schwarz und schmiegte sich an meinen Körper. An der Hüfte wurde es jedoch weit und fiel bis zu meinen Knien.

„Liebst du ihn?“, fragte sie. Ich verschluckte mich an dem Wasser, welches ich gerade trank und hustete. Als ich endlich wieder Luft bekam fragte ich: „Wie kommst du denn da drauf?“ Sie zuckte mit den Schultern und lächelte geheimnisvoll. Okay. Komisches Mädchen. Kendra gab mir auch ein paar Highheels und ich brüstete mir noch die Haare und schminkte mich dezent. Auch Kendra machte sich für das Abendessen bereit und gemeinsam gingen wir zum Speisesaal der Familie. Alec wartete da schon auf uns.

„Meine kleine Katze.“, sagte er lächelnd. „Du siehst bezaubernd aus. Du natürlich auch Schwesterherz.“ Kendra bedankte sich grinsend.

Wir setzten uns an den Esstisch, Alec und Kendra links und rechts von dem Platz ihrer Mutter und ich an Alec linker Seite, und warteten auf Lady Jacqueline of Manchester. Diese ließ etwas länger auf sich warten. Nach zwanzig Minuten lästigen Wartens, erschien sie endlich. Sie war wunderschön. Das blonde Haar, floss über ihren Rücken und ging bis zur Hüfte. Das Kleid welches sie trug schmiegte sich eng an ihrem Körper und umschmeichelte ihre weiblichen Rundungen. Ihre grünen Augen, welche beide ihrer Kinder von ihr geerbt hatten, funkelten jedoch hart und unnachgiebig und es fröstelte mich als ich ihren Blick einfing.

„Ah. Die Prinzessin wenn ich mich nicht irre.“, sagte sie. Ich stand auf und lächelte freundlich. Ich knickste und reichte ihr die Hand.

„Ihr irrt nicht Lady Jacqueline. Freut mich Eure Bekanntschaft zu machen.“ Sie ignorierte meine ausgestreckte Hand und wandte sich Alec zu.

„Alec. Schön, dass du dich auch mal an uns erinnerst. Der Hof muss dich ja wirklich einspannen wenn du erst nach drei Jahren wieder Zeit findest uns zu besuchen.“, sagte sie kühl. Alec stand auf und drückte ihre Hand.

„Hallo Mutter.“, sagte er freundlich. Sie setzte sich auf ihren Platz am Ende des Tisches und rief die Diener. Diese trugen eine Hühnersuppe als Vorspeise auf.

Bevor ich zum Löffel greifen konnte hielt mich Kendra mit einem intensiven Blick auf. Ich sah zu Alec, der mir seine Hand entgegenstreckte. Genauso wie Kendra. Beide hatten hielten schon die Hand ihrer Mutter. Zögernd reichte ich ihnen meine Hände. Ich war nicht gläubig, doch ich hatte Angst dies zu sagen, denn Lady Jacqueline schien großen Wert auf das Tischgebet zu legen.

„Segne, Vater, diese Speise, uns zur Kraft und dir zum Preise. Wir bitten, Herr, sei unserm Haus ein steter Gast, tagein, tagaus, und hilf, dass wir der Gaben wert, die deine Güte uns beschert. Amen.“, sprach die Lady des Hauses und gleichzeitig sprachen wir ihr nach. Sie griff zu ihrem Löffel und fing an zu essen. Zögernd fing ich an zu essen.

Nervös?“, fragte Alec in meinen Gedanken.

Sie macht mich nervös. Sie ist so...“ Ich wusste kein Wort, welches sie ausreichend beschrieben könnte.

Ich weiß was du meinst.“ Er griff unter dem Tisch nach meiner Hand und drückte sie.

Wie viele Gänge muss ich überstehen?“, fragte ich ihn leidend. Er verkniff sich ein Grinsen und sagte: „Zwei. Dann können wir uns in mein Zimmer verziehen und besprechen wie es weiter gehen soll.“ Ich nickte ihm knapp zu und sah über den Tisch zu Kendra. Sie lächelte wissend und sah bedeutungsvoll auf die Stelle wo unsere Hände unter dem Tisch lagen. Ich zog meine Hand aus der von Alec und lächelte schüchtern.

Es wurde ein langes Essen bei dem kein Wort gesagt wurde. Schweigend nahm ich den letzten Löffel meines Tiramisu und sah dann zu Lady Jacqueline. Diese faltete nun die Hände auf dem Tisch und beugte sich zu Alec, während die Diener den Tisch abräumten.

„Nun Alec. Was führt dich wirklich nach Manchester? Niemals würdest du freiwillig zu uns kommen. Was ist passiert? Hat der König dich verbannt, weil du mit seiner Tochter geschlafen hast? Oder hast du jemanden umgebracht?“ Alec presste die Lippen zusammen. Und auch ich verengte die Augen zu Schlitzen. Wie konnte sie es wagen so über ihren Sohn zu reden? Oder über mich?

„Alec ist mein Wächter während ich durch das Land fahre. Wächter Petrov konnte mich nicht begleiten und somit sprang Alec ein. Was ist denn ein besserer Schutz gegen Angriffe als der eigene Gefährte.“, sagte ich kühl. „Wir hätten auch in ein Hotel gehen können, doch Alec war so freundlich und lud mich zu sich nach Hause ein.“ Erstmals sah Jacqueline mich richtig an.

„Und wieso fahrt Ihr durchs Land?“, wollte sie wissen.

„Ich denke nicht, dass ihr meine Gründe wissen müsst Lady Jacqueline.“, antwortete ich schneidend. „Die gehen nur Alec und mich etwas an.“

„Ich bin seine Mutter. Sollte ich es nicht wissen sollen?“

„Nein. Nicht wenn es nicht unbedingt nötig ist.“, antwortete ich. „Der König, mein Vater, hat angeordnet so wenig wie möglich über meine Reise verlauten zu lassen.“ Hatte er nicht, doch es ging sie gar nichts an wie es um meine Reise stand. Alec Mutter lächelte frostig und stand auf.

„Gute Nacht Kendra. Gute Nach Alec.“ Sie ignorierte mich bewusst und schritt durch den Raum. Ihre Haltung glich der einer Ballerina. Gerade Rücken, selbstbewusster Schritt. Kurz vor der Tür drehte sie sich noch einmal zum Tisch. „Wenn ich morgen nicht zum Frühstück erscheine, werdet ihr Mittags noch da sein?“

„Ich weiß es nicht.“, antwortete Alec und seine Mutter ging.

Alec entspannte sich sichtlich als seine Mutter verschwunden war. Er stand auf und auch Kendra stand auf.

„Gute Nacht ihr beiden. Ihr habt bestimmt viel zu besprechen.“, sagte sie und ging.

„Möchtest du einen Rundgang durchs Haus machen?“, fragte Alec. Forschend sah ich ihn an. Er sah abgekämpft aus. Seine Augen zeigten seine Trauer.

„Nicht, wenn du nicht möchtest.“, sagte ich sanft und griff nach seiner Hand. Ich fand es nicht ratsam noch tiefer in seiner traurigen Vergangenheit zu wühlen. Ich hatte genug erfahren.

„Ach. Ich habe auch schöne Erlebnisse hier.“, sagte er mit schrägem Lächeln und zog mich mit sich. Er machte so große Schritte, dass ich meine Mühe hatte ihm hinterher zu kommen.

„Warte doch! Du musst vielleicht nicht auf High Heels laufen aber ich! Und da kann ich nicht so schnell!“ Er grinste spöttisch, ging aber langsamer. Hand in Hand gingen wir durch das Haus und er zeigte mir Stück für Stück Teile seiner Vergangenheit. Ich erfuhr wo er sich mit seinen Freunden traf, wenn nicht in seinem Zimmer, wo er seine ersten Schritte lief, er zeigte mir den Pool wo er lernte zu schwimmen. Vieles, was mir half den Jungen zu verstehen, der mein Gefährte war.

Wir lagen zusammen auf einer Picknick Decke und sahen hinauf in die Sterne.

„Du hast nie in Deutschland gewohnt habe ich Recht?“, fragte ich als ich mich an den Nachmittag im Café erinnerte.

„Nein. Aber mein Vater kam von dort.“

„Hast du seinen Akzent einfach so übernommen?“, fragte ich. Das konnte ich mir irgendwie nicht vorstellen.

„Ja ich weiß auch nicht wie das passieren konnte.“

„Das heißt du hast mich angelogen damals im Café.“, stellte ich fest. Meine Stimme hatte einen traurigen Klang. Er stützte sich auf einen Arm und sah auf mich herunter.

„Ich hätte dich nicht angelogen wenn ich gewusst hätte, dass du irgendwann einmal meine Gefährtin sein würdest und die Prinzessin dieses Reiches. Aber ich kannte dich nicht und das war ein Grund dir nicht die Wahrheit zu erzählen.“ Ich schwieg. „Es tut mir wirklich leid Caitlin.“ Seine Stimme hatte einen bedrückten Klang.

„Du hast dich noch nie verwandelt seit ich dich kenne.“, sagte ich plötzlich und wechselte damit das Thema.

„Wie kommst du da drauf?“, fragte er verwirrt lachend.„Die Wolke da. Sie sieht aus wie eine Katze.“ Ich hob meine Hand und wies auf die besagte Wolke.

„Was ist denn deine Lieblingsraubkatze?“, wollte Alec wissen.

„Leopard.“ Er stand auf und ging ein Stück zur Seite. Die Luft um ihn herum fing an zu flimmern und plötzlich stand ein Leopard vor mir. Er legte sich neben mich auf die Decke und legte sein Kopf auf meinen Bauch. Zögernd legte ich meine Hand auf seinen Kopf und fing an ihn zu streicheln. Alec schloss die Augen und fing an zu schnurren. Ich kicherte.

„Ich wünschte du könntest auch so schnurren wenn du kein Leopard bist.“ Er gähnte nur und streckte sich. Lange lagen wir da noch, er als Leopard ich als Mensch, bis er endlich aufstand und sich schüttelte. Die Luft flimmerte wieder und Alec stand vor mir. Diesmal in menschlicher Gestalt. Er streckte die Hand aus und half mir hoch. „Komm. Lass uns gehen. Es ist spät. Und wir müssen morgen fit sein.“

„Ich habe die Befürchtung, dass er uns an der Nase herumführt...“, äußerte ich meine Bedenken.

„War er denn so ein schlimmer Mensch, dass er dich an der Nase herumführen will?“

„Nein. Aber was ist wenn er in unserer Abwesenheit das Schloss überfällt?“, fragte ich.

„Das Schloss hat genügend Wachen, die dies zu verhindern wissen.“, beruhigte mich Alec. Gemeinsam gingen wir die Treppe hinauf, die zu den Schlafzimmern führte. „Wir haben kein Zimmer für dich fertig machen lassen... Wäre es ein Problem mit bei mir im Zimmer zu schlafen? Du musst nicht wenn du nicht willst!“

„Es ist gar kein Problem Alec.“, beruhigte ich ihn. „Ich muss nur schlafen können.“ Also führte er mich in sein Zimmer. Das Erschreckende: hier waren kaum persönliche Gegenstände aufgestellt. Sein Zimmer im Schloss jedoch war voller Fotos von ihm und James und anderen Leuten, die ich nicht kannte. Doch hier hing ein einziges. Er zusammen mit seiner Mutter, seiner Schwester und einem Mann, der wohl sein Vater war. Während Alec im Bad verschwand setzte ich mich auf´s Bett und schreib meinem Vater eine SMS wie es bis jetzt gelaufen war. Es kam keine Antwort. Leise ging ich nach Alec ins Bad und duschte mich. Ich zog mich um und legte mich zu Alec ins Bett. Er legte seinen Arm um mich und ich kuschelte mich an seine Brust. Wir waren schon komische Freunde. Manchmal würden wir uns am liebsten gegenseitig umbringen und dann lagen wir zusammen in einem Bett und kuschelten.

„Cat?“, fragte Alec leise.

„Ja?“ Er zögerte mit dem Reden. Als er dann sagte: „Wir schaffen das.“, hatte ich das Gefühl, dass er eigentlich etwas ganz anderes sagen wollte, doch er schwieg. Also antwortete ich nur: „Ich hoffe es.“

„Gute Nacht Süße.“, murmelte Alec.

„Gute Nacht. Süße Träume.“ Eng an Alec gekuschelt schlief ich ein. Eine weitere Nacht wurde ich von den Geistern der Toten verschont.

 

Wir saßen um zehn Uhr am Esstisch und frühstückten. Die Köchin hatte uns ein wunderbares Frühstück vorbereitet, welches wir nun mit Freuden verdrückten. Kendra stieß zu uns.

„Morgen.“, brummte sie. Sie ließ sich auf den Platz gegenüber fallen und griff nach einem Brötchen.

„Morgen.“, sagte Alec. „Schwesterherz...“

„Ich weiß du musst los.“, unterbrach sie ihn. „Ich wünschte du würdest länger bleiben aber wenn du gehen musst, musst du gehen.“ Sie zuckte mit den Schultern.

„Ich hab dich lieb Kendra.“

„Ich dich auch Bruder.“ Kendra sah mich an. „Er wird dich beschützen. Wenn es sein muss mit seinem Leben.“

„Und ich werde ihn mit meinem beschützen.“, versprach ich. Wir frühstückten und dann war es auch schon Zeit zum Aufbruch. Kendra stand vor dem Auto und verabschiedete uns. „Du kannst gerne mal eine Zeit zum Hof kommen wenn du willst. Du bist immer willkommen.“ Sie umarmte mich lachend.

„Danke Prinzessin. Ich werde auf das Angebot zurückkommen.“ Sie umarmte ihren Bruder und wünschte ihm viel Glück. Währenddessen sah ich zur Villa hinauf. Dort am Fenster konnte ich eine Person erkennen. Nach längerem Hinsehen erkannte ich sie als Lady Jacqueline. Sie sah mit unbewegter Miene zu ihrem Sohn, doch ich wusste, dass sie ihn vermissen würde. Ich stieg ins Auto und kurz darauf kam auch Alec. Schweigend gab er die Adresse ins Navi ein und fuhr los. Das Manchester Equestrian Centre war nicht weit entfernt. Die Fahrt dauerte nicht lange. Nach vierzig Minuten kamen wir bei der Ranch an und ich stieg mit einem unguten Gefühl aus. Die Erinnerungen waren schön und trotzdem könnte ich heulen. Ein freundlich aussehender Mann kam auf uns zu.

„Sie möchten bestimmt Pferde mieten.“, stellte er fest. Ach wirklich? Ich dachte hier könnte man shoppen gehen! Alec nickte und der Mann sagte: „Gut dann folgen Sie mir. Sie können sich die Pferde aussuchen, müssen sie aber selbst fertig machen.“

„Gut. Wie viel kostet denn das Mieten der Pferde?“, fragte ich.

„Pro Tag 25 Euro.“ Das war nicht teuer.

„Nehmen Sie Kartenzahlung an?“, wollte ich wissen. Der Mann nickte.

„Folgen Sie mir. Wir gehen in mein Büro und Sie zahlen, danach können sie sich die Pferde ansehen.“ Wir folgten also dem Mann ins Büro wo ich das Geld bezahlte und dann gingen wir zum Stall.

 

Nach einer halben Stunde waren wir bereit zum Aufbrechen. Seite an Seite ritten wir vom Hof in den Wald hinein. Mir wurde übel. Die Erinnerungen schienen mich zu überschwemmen. Wie wir gelacht hatten! Worüber wir so geredet hatten! Alec versuchte mich so gut wie möglich von meinen Gedanken abzulenken und das schaffe er auch meistens. Wir waren nicht lange geritten als ich die Hütte sah, die Max bestimmt gemeint hatte. Sie stand auf einer riesigen Lichtung mitten im Wald und war groß genug für eine vier Köpfe große Familie. Sie war mit Moos und verschiedenen Pflanzen überwuchert und schien sehr lange schon verlassen. Und trotzdem schien sie äußerlich unbeschadet zu sein. Genauso wie ich sie in Erinnerung hatte. Die Bäume raschelten leise im Wind und die Vögel zwitscherten. Ein Reh sprang davon als es uns erblickte. Ein sehr harmonischer Ort, welcher mich schon beim ersten Mal verzaubert hatte. Ich ließ meine Stute anhalten und stieg ab. Vorsichtig führte ich das Pferd zu dem Unterstand, welcher an das Haus grenzte. Dort band ich sie fest. Alec folgte meinem Beispiel und hinter ihm betrat ich das Haus.

„Pass auf. Als ich das letzte mal hier war, war das Haus nicht sehr stabil.“, warnte ich Alec. „Max wäre beinahe eingebrochen und in den Keller gefallen.“

„Ich pass schon auf mich auf Prinzessin. Und selbst wenn ich herunter falle. Ich bin ein Vampir. Mir passiert schon nichts.“

„Nein natürlich nicht.“, erwiderte ich spöttisch. „Ich habe eher Angst um die armen Tiere, die da unten hausen. Du würdest sie zerquetschen mit deinem Gewicht.“

„Ey! So schwer bin ich gar nicht!“, protestierte er. Ich kicherte. „Komm suchen wir nach der Nachricht von Max.“ Gemeinsam durchkämmten wir das ganze Haus. Hoben Tische, Stühle und Bänke an. Sogar die Schränke hoben wir ein Stück an um darunter zu sehen. Doch wir fanden nichts.

„Das kann doch nicht sein! Wo ist dieser verdammte Brief?“, fluchte Alec.

„Was denkst du, hat er uns verarscht?“, fragte ich.„Nein. Das denke ich nicht. Vielleicht hat er ihn nur da versteckt wo wir ihn nie suchen würden... Hast du eine Idee?“ Bedauernd schüttelte ich den Kopf. Alec ließ seinen Blick prüfend durch das Wohnzimmer werfen in dem wir standen. Einer Eingebung folgend, betrat ich den schmalen Flur, welcher die Räume miteinander verband. Ich entdeckte eine Falltür, die in den Keller führte. „Wo wir niemals nachsehen würden...“, murmelte ich. Lauter rief ich nach Alec. Als dieser kam deutete ich auf die Falltür. „Denkst du er hat den Zettel im Keller versteckt?“

„Das ist es!“, sagte Alec lächelnd. Fragend sahen wir uns an. „Wer geht da runter?“

„Du.“, schoss es aus meinem Mund. Wenn ich daran dachte was da unten für Tiere hausten, schauderte ich. Alec grinste.

„Hast du Angst?“, fragte er spöttisch. Rasch nickte ich. Immer noch grinsend strich er mir über die Wange. „Na dann werde ich mal in den bösen, dunklen Keller gehen. Ein paar Ratten erschrecken.“ Er ging zur Falltür, doch bevor er sich bücken konnte um sie zu öffnen brach der Boden unter ihm zusammen und er stürzte in die Tiefe. Erschrocken schrie ich auf und hastete zu dem Loch im Boden.

„Alec alles in Ordnung?“, fragte ich panisch. Der junge Mann stand gerade stöhnend auf und wischte sich den Staub und den Dreck vom Körper. Dabei sah er zu mir nach oben.

„Ja. Doch ich bin nicht ganz so elegant hier runter gekommen wie ich wollte.“

„Und du hast dich auch nicht verletzt oder so?“, wollte ich besorgt wissen.

„Nein, alles noch dran Prinzessin. Keine Sorge.“ Er ging herum und durchkämmte den Keller nach Hinweisen.

„Ich glaube ich hab was!“, rief er nach mehreren Minuten des Schweigens herauf. „Nimm mal.“ Seine Hand erschien und sie hielt einen kleinen Zettel. Ich nahm sie ihm aus der Hand und faltete ihn auseinander. Wartet auf mich. Eine sehr kurze Nachricht meiner Meinung nach. Und unterschrieben war auch nicht. „Und? Was steht da?“, fragte Alec.

„Wartet auf mich.“, las ich ihm vor.

„Geh mal zur Seite ich komme hoch.“, sagte Alec und ich ging aus dem Weg, denn kaum hatte er das gesagt war Alec hochgesprungen und stand dicht vor mir.

„Da ist immer noch die Falltür.“, erinnerte ich ihn und deutete darauf.

„Ja. Sie hat aber keine Leiter. Ich hätte so oder so springen müssen.“, erklärte er. Ich sah ihm ins Gesicht und fand eine Schramme im Gesicht. Sanft strich ich mit der Hand drüber.

„Tut sie weh?“, fragte ich leise. Zärtlich umfasste er meine Hand.

„Nein. Ich spüre sie kaum.“ Ich sah in seine atemberaubend schönen Augen und fing an zu lächeln.

„Mein tapferer Ritter. Nimmt es sogar mit feuchten Kellern voller Ratten für mich auf.“ Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen sanften Kuss auf seine Schramme. „Danke, dass du hier bist.“ Er räusperte sich verlegen und nahm mir den Zettel aus der Hand. „Sehr genau. Wie lange sollen wir denn hier warten?“ Ich zuckte mit den Schultern und meinte: „Das Einzige was ich weiß ist, dass wir unsere Sachen brauchen und die Pferde bald abgeben müssen.“

„Aber was ist wenn wir umsonst hier warten? Es könnte doch auch sein, dass das jemand anderes geschrieben hat.“

„Nein. Es ist seine Handschrift.“ Die kannte ich auswendig. Wir hatten oft genug Zettelchen im Unterricht geschrieben.

„Hm. Wenn du meinst. Dann lass uns zurück reiten. Wir geben die Pferde ab und fahren mit dem Auto her. Da ist ein Weg, der ganz in der Nähe endet.“ Ich nickte und gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu Stall.

„Es ist eine schlechte Lage um zu kämpfen. Der Wald verdeckt unsere Feinde und im Haus wären wir gefangen wenn Max herein kommen würde.“, erklärte ich Alec. Der jedoch lachte nur. Er antwortete: „Das macht nichts. Ich höre unsere Feinde. Und das Haus ist eine perfekte Falle. Denk doch mal nach. Wenn Max rein kommt, fällt er vielleicht in den Keller. Und dann ist es ein Leichtes ihn zu töten.“

„Denkst du auch mal nach bevor du redest?“, knurrte ich. „Du wirst sie nicht hören können wenn du schläfst und er hat es auch geschafft sich uns zu nähern ohne, dass wir ihn gehört haben! Außerdem kennt Max dieses Haus wohl besser als wir! Ich meine er hat es geschafft den Brief im Keller zu verstecken ohne, dass er eingestürzt ist!“

„Das eine Problem ist schnell gelöst. Wir werden abwechselnd Wache schieben.“, meinte Alec nach einer kurzen Pause. „Und bei dem zweiten könntest du Recht haben, musst du aber nicht. Er hätte auch Glück gehabt haben.“

„Das glaube ich nicht. Er hat uns ja nicht ohne Grund dort hingeschickt.“, widersprach ich. Alec antwortete nicht darauf und schweigend passierten wir das Tor, welches uns auf das Anwesen des Reiterhofes brachte. Wir gaben die Pferde ab und fuhren im Auto wieder zusammen zur Lichtung. Gerade als wir aus dem Auto stiegen fing es an zu regnen. Wir packten unsere Taschen und hasteten ins Haus.

„Ich hoffe das Haus ist wasserdicht.“, murmelte Alec.

„Und feuerfest.“, ergänzte ich und rieb meine Hände aneinander. „Es wird ganz schön kühl.“

„Das Holz ist alt. Das wird brennen wie Zunder. Wenn wir hier ein Feuer anmachen wird uns die Bude abfackeln!“, dozierte Alec.

„Wie willst du sonst nicht erfrieren? Es ist arschkalt hier drin.“, jammerte ich. Er hatte sich auf einer alten Couch niedergelassen. Eine Decke lag ihm über den Beinen. Er war völlig entspannt während ich herum hüpfte um nicht zu einem Eisblock zu gefrieren. Er hob die Decke auf und sah mich auffordernd an. Zögernd ließ ich mich neben ihm nieder und zog die Decke über meine Beine. Alec hatte jedoch nicht vor mich so weit von sich weg sitzen zu lassen und zog mich an sich ran. Seufzend fügte ich mich meinem Schicksal und kuschelte mich an ihn. Es war mir nicht mehr so unangenehm wie noch vor ein paar Wochen. Nein, es war sogar ganz angenehm und ich entspannte mich in seinen Armen. Der Regen plätscherte auf das Dach und ich seufzte.

„Es ist wirklich wunderschön hier. So ruhig.“, murmelte ich schläfrig.

„Schlaf Süße. Ich übernehme die erste Wache.“, sagte er. Und er hatte es kaum ausgesprochen als ich schon in meine Traumwelt verschwand. Wie von weit weg hörte ich Alec Stimme, die flüsterte: „Schlaf gut mein Herz. Ich wünsche dir die süßesten Träume.“

 

Es kam mir so vor als wäre ich gerade aufgestanden als Alec mich sanft an der Schulter rüttelte und mich somit aus meinem wunderbare Traum riss.

„Los. Steh auf. Du bist dran mit der Wache.“, sagte er sanft. Ich stöhnte.

„Wie lange habe ich geschlafen?“, fragte ich verschlafen. Alec berührte mich sanft an der Wange und sah auf die Uhr.

„Fünf Stunden ungefähr.“, informierte er mich und legte seinen Kopf auf meine Schulter. „Gute Nacht.“ Er gähnte.

„Gute Nacht.“ Seine gleichmäßigen Atemzüge verrieten mir, dass er fest schlief also hob ich seinen Kopf von meiner Schulter und legte ihn sanft auf der Couch ab. Dann stand ich auf und trat ans Fenster. Draußen herrschte ein Sturm, es donnerte und blitzte. Die Blitze erhellten die Nacht. Die unruhige Nacht brachte nichts dazu bei meine aufgewühlte Gefühlswelt zu beruhigen. Ich fragte mich ob ich mich besser fühlen würde wenn Max tot war. Einerseits ja, denn das würde heißen, dass meine Familie in Sicherheit war und niemand mehr durch seine Hand zu schaden kommen konnte. Außerdem hätte ich dann Daniel gerächt. Doch gleichzeitig war er mal mein Bester Freund gewesen. Und meine erste Liebe. Die naive Liebe einer fünfzehnjährigen. Ich lächelte bitter und holte das Gegenstück meiner Tumalinkette hervor. Der weiße Tumalin glänzte im Blitzlicht. Und in diesem Blitzlicht schwor ich, dass der nächste Träger dieser Kette jemand sein würde den ich bis zu meinem Lebensende lieben würde. Jemand wie... Alec. Der Name blitze in meinem Inneren auf und ließ mich erstarren. Langsam drehte ich mich um und betrachtete den jungen Mann auf dem Sofa. Sein braun gebranntes Gesicht war entspannt und so jugendlich. Die Augen waren geschlossen und versteckten die grünen Augen, die ich so sehr liebte. Liebte? Mochte. Ich mochte die Augen von Alec! Aber ich war nicht in Alec' Augen verliebt! Oder in ihn selbst! Oder?

 

Ein Blitz ließ mich zusammenschrecken und ich wandte mich ans Fenster. Draußen schien alles gut. Ich setzte mich neben Alec auf das Sofa und beobachtete ihn. Vorsichtig streckte ich die Hand aus und streichelte sanft seine Wange. Ein wohliges Seufzen entfuhr ihm und ich lächelte. Er sah wirklich süß aus wenn er schlief. Nichts war von dem coolen Macho zu sehen, den er manchmal raus hängen ließ. Alec murmelte etwas und ich beugte mich über ihn um ihn zu verstehen. „Cat.“ verstand ich. Träumte er etwa von mir? Er zuckte zusammen und öffnete die Augen. Ich wich ein Stück zurück und lächelte ihn an.

„Du kannst ruhig noch ein wenig schlafen wenn du willst. Die Nacht ist noch nicht vorbei.“, flüsterte ich.

„Ich will aber nicht mehr schlafen.“, sagte er und rutschte zur Seite damit ich ein wenig mehr Platz hatte. „Du kannst also schlafen.“

„Ich kann nicht. Nicht bei dem Sturm, welcher da draußen herrscht.“

„Du hast Angst vor Gewittern?“, fragte Alec überrascht. Ich nickte und senkte den Kopf um meine roten Wangen zu verstecken. Ich spürte seine Finger unter meinem Kinn, welche meinen Kopf sanft hochhoben.

„Dafür brauchst du dich nicht zu schämen.“, sagte Alec sanft. „Viele haben davor Angst.“

„Ja. Aber das sind meistens Memmen.“

„Ach was. Du tust ganz Recht daran das Gewitter zu fürchten. Es kann großen Schaden anrichten.“ Ganz in der Nähe schlug ein Blitz ein und ich zuckte zusammen. Alec legte seinen Arm um mich und zog mich an sich. „Dir passiert nichts. Das verspreche ich dir.“ Ich sah ihm ins Gesicht. In seinen Augen sah ich so viel Liebe und Zärtlichkeit. Ob sie mir galten?

 

ALEC

 

Sie im Arm halten zu dürfen war ein sehr schönes Gefühl. Es war fast so als wäre sie mein. Oft war ich kurz davor ihr meine Liebe zu gestehen, doch ich hatte Angst. Angst vor ihrer Reaktion. Angst davor, dass ich sie dann nie wieder im Arm halten durfte. Nie wieder mit ihr reden konnte. Deshalb ließ ich meinen Mund geschlossen und sagte nichts. Wir saßen nur da und starrten heraus in den tosenden Sturm.

 

Der Morgen brach an und vertrieb den Sturm und die Dunkelheit. Die Sonne kam raus und die Vögel fingen an ihr Lied zu trällern. Caitlin stand vom Sofa auf und streckte sich.

„Eine Dusche wäre schon was.“, seufzte sie.

„Du hättest ja gestern Nacht nach draußen gehen können. Das wäre eine perfekte kalte Dusche gewesen.“

„Ja. Kalt. Da hast du schon Recht.“, meinte sie und ging nach draußen. Ich folgte ihr und erschrak über die Verwüstung, die der Sturm hinterlassen hatte. Verwundernd war aber, dass unsere kleine baufällige Hütte diesen Sturm überlebt hatte. Ich hörte Caitlins Bauch knurren und lachte.

„Hunger Kleine?“, fragte ich. Sie nickte. Ich ging zum Auto und holte Dosensuppen heraus. Auch einen Dreifuß und einen tragbaren Bunsenbrenner hatte ich eingepackt. Irgendwie hatte ich gewusst, dass wir noch ein wenig campen müssen. Dann ging ich zurück zu Caitlin, die vor dem Haus stand und in den Wald sah.

„Ich habe eben einen Hirsch gesehen. Und eine Mutter mit ihrem Kitz.“, sagte sie mit kindlicher Begeisterung. Das brachte mich zum Lächeln.

„Sie haben wohl nach Essen gesucht. Komm wir werden uns jetzt unser Essen fertig machen. Wir brauchen Feuerholz...“

„Der Boden ist nass. Hier werden wir nichts finden, was brennt.“, sagte Caitlin.

„Wir haben im Inneren der Hütte genug Brennmaterial. Und je mehr wir davon verbrennen, desto hübscher sieht unser Häuschen danach aus.“ Also trugen wir genügend Holz nach draußen und errichteten eine kleine Feuerstelle. Ich schichtete das Holz auf und Caitlin brachte es mit einem kleinen Feuerball zum brennen. Sie wurde immer besser darin ihre Kräfte zu beherrschen. Und das ohne irgendeinen Lehrer. Ich war stolz auf sie.

Über diesem kleinen Feuerchen kochten wir uns unser Essen und schlangen es herunter.

„Was denkst du wie lange werden wir noch auf Max warten müssen?“, fragte Caitlin nach dem Essen. Sie stocherte gedankenverloren in dem Feuer herum.

„Was weiß ich. Er wird kommen wenn wir schon daran glauben in seine Falle getappt zu sein oder wenn wir denken, dass er nicht mehr kommen wird.“

„Das war nie seine Art. Leute so lange zappeln zu lassen bis sie unruhig wurden. Er war der direkte Typ. Und ich denke nicht, dass er das geändert hat.“, meinte Caitlin leise. Dann hob sie den Kopf und grinste schief. „Schade, dass ich meinen Bikini nicht mitgenommen habe. Dann hätten wir schön schwimmen gehen können. Hier in der Nähe ist ein natürlicher See, welcher in der Sonne in den verschiedensten Blautönen funkelt. Zu ihm gehört auch ein Wasserfall. Fast niemand kennt ihn, weil er so gut versteckt ist.“ War sie mit Max in diesem See schwimmen?, fragte ich mich. „Max und ich hatten den ganzen Tag am See verbracht. Es war sein Geschenk für mich zu meinem Geburtstag. Wir sind morgens früh los gefahren und Abends erst sehr spät wieder gekommen. Wir haben getanzt, gelacht und einfach nur Spaß gehabt. Er hatte für mich sogar ein Picknick organisiert.“, erzählte sie und beantwortete mir so meine Frage. Ihr Blick schweifte in die Ferne.

„Wann hast du Geburtstag Caitlin?“, fragte ich und sie antwortete: „Am 29 Juni.“

„Das ist Morgen.“, stellte ich fest. Sie zuckte mit den Schultern.

„Ich hatte mir meinen 17. Geburtstag auch anders vorgestellt. Aber da ist nichts zu machen.“

„Wir werden deinen Geburtstag bestimmt nachfeiern Cat.“, munterte ich sie auf. „Mit einem Besuch in die Disko oder einer selbst organisierten Party mit all deinen Freunden...“ Sie grinste.

„Oder wir beide gehen ins Kino und ich bekomme ein großes Geschenk von dir.“

„Oder das. Was du willst.“ Ich sah sie von der Seite aus an. „Hey zeigst du mir den See?“ Sie sprang auf und sah fröhlich auf mich herunter. Dann griff sie nach meiner Hand und zog mich mit sich. Wir wanderten lange und ließen uns Zeit. Wir hatten ja keine Eile. Sie nahm nie den Hauptweg, sondern schlug sich mitten in die Büsche. Kein Wunder, dass niemand diesen See kannte. Er war wirklich so gut versteckt wie sie es gesagt hatte.

Nach einer endlosen Wanderung, als ich schon glaubte, dass wir niemals an diesen See kommen würden und uns verlaufen hätten hörte ich das Wasserrauschen. Nach fünf Minuten bog Caitlin den letzten Ast zur Seite und mir bot sich ein einzigartiger Anblick.

Der See war umrandet von Bäumen und Blumen von denen ich die Hälfte noch nie gesehen hatte. Der ganze See war umrandet von den verschiedensten Farben. Rot, blau, gelb, weiß, Rosa, grün... Der See war klein, doch der Wasserfall war ein bezaubernder Anblick. Er floss fünf Meter von einem Berg hinunter und ließ Wasserstaub aufwirbeln.

„Und was sagst du?“, fragte Caitlin.

„Er ist wunderschön.“, hauchte ich. Sie lächelte mir zu und meinte: „Genauso habe ich auch reagiert. Es ist magisch hier. Fühlst du es?“ Ich fühlte es allerdings. Die Magie des Wassers war deutlich zu spüren. Versuchsweise ließ ich ein paar Fontänen hoch spritzen und erzeugte ein paar Figuren und sogar ein Herz. Es war berauschend. Es machte mich wild und entschlossen. Ich schnappte mir Caitlin und trug sie wie eine Braut in den Fluss hinein. Die Fontänen ließ ich nicht abbrechen.

„Alec! Was machst du da?“, kreischte sie lachend.

„Gar nichts!“, meinte ich scheinheilig. Das Wasser war nicht so kalt wie ich gedacht hatte.

„Alec wenn du mich jetzt los lässt, dann...“, weiter kam sie nicht, denn ich ließ sie ins Wasser fallen. Als sie prustend wieder auftauchte, sah sie mich wütend an und stürzte auf mich zu.

Lachend lief ich vor ihr weg, doch sie hatte mich schon bald eingeholt. Sie nahm meinen Kopf und presste ihn unter Wasser. Als der Druck nachließ und ich wieder Luft bekam sah ich sie lachend im Wasser sitzen.

Ich formte ein Ball mit meinen Kräften und traf sie dann mitten im Gesicht.

„Das hättest du nicht tun sollen!“, knurrte sie und stürzte sich auf mich. Sie krallte sich an meine Arme und versuchte mich durch das Wasser zu schieben.

„Du bist wunderschön.“, entfuhr mir. Und das war noch nicht einmal gelogen. Ihre sonst gewellten Haare lagen nass auf ihren Schultern, die Klamotten klebten an ihrem Körper und ihr Gesicht war gerötet. Aus der Fassung gebracht starrte sie mich nur an. Ihr Blick machte mich nervös und ich fragte: „Was?“

„Was ist bloß mit dir los? Du machst mir Komplimente, bist für mich da... Wo ist der junge Mann geblieben, der mit mir gestritten hat und den ich gehasst habe?“

„Du hast ihn vertrieben.“, flüsterte ich. Ich sah hinunter zu ihren Lippen und dann wieder in ihre Augen. Dann beugte ich mich langsam vor. Ich gab ihr die Chance auszuweichen, doch sie wich nicht zurück. Nein, sie beugte sich sogar mir entgegen. Ich spürte ihren Atem auf meinem Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen und flatterten leicht. Ihr Duft umnebelte mich und ließ mich alles um mich herum vergessen. Ich vergaß, dass wir eigentlich nicht hier waren um uns zu amüsieren, sondern um einen gemeinen Serienmörder zu fangen und zu töten. Ich vergaß, dass wir beide in diesem Kampf sterben konnten. Und ich vergaß, dass sie eine Prinzessin war und ich nur ein einfacher Lord. Hier und jetzt waren nur noch sie und ich. Sanft legte ich meine Lippen auf ihre und zog mich dann zurück. „Du hast diesen neuen Menschen aus mir gemacht.“ Wieder legte ich meine Lippen auf ihre. Diesmal vertiefte ich den Kuss. Ihre Hände, die sich vorher noch in meine Arme gekrallt hatten, legte sie nun an meine Wangen. Im Hintergrund war das Rauschen des Wassers und das Zwitschern der Vögel zu hören. Es war ein magischer, ja ein berauschender Moment, der nie aufhören sollte.

Das Herz schlug wild in ihrer Brust und sie lehnte sich noch näher an mich. Als sie sich von mir löste, nahm ich den ganzen Mut zusammen und sagte keuchend. „Ich liebe dich Caitlin.“ Sie erstarrte und ich wich enttäuscht zurück. Ich löste ihre Hände von meinen Wangen und trat zurück. „Tut mir leid. Schon gut. Vergiss es einfach.“ Schnell schwamm ich ans Ufer und lief in den Wald. Hinter mir hörte ich wie die Fontänen zusammenbrachen. Caitlin bewegte sich nicht vom Fleck.

Ich folgte unserem Geruch und fand schnell den Weg zu unserer Hütte. Wie hatte ich nur so dumm sein können? Sie fühlte nicht das Gleiche wie ich. Ich hatte es verspielt. Ich hatte mich hinreißen lassen. Sie würde mir nicht mehr in die Augen sehen können. Und ich ihr auch nicht. Unsere Freundschaft war zerstört. Wütend trat ich gegen einen umgestürzten Baum. Ich hörte Caitlin hinter mir durch das Dickicht kommen und drehte mich zu ihr um.

„Hey Caitlin. Das was ich eben gesagt habe. Schon gut vergiss es einfach. Das war dumm. Aber...“

„Lässt du mich nichts dazu sagen?“, unterbrach sie mich barsch. Verdutzt hielt ich inne. „Also. Alec. Ich hoffe wirklich, dass du das was du eben gesagt hast, ernst gemeint hast, denn wenn du mir das Herz brichst, bringe ich dich um.“ Ich glotzte sie nur an wie ein Auto. Sauer verdrehte sie die Augen. „Was verstehst du denn daran nicht? Ich liebe dich auch!“ Kaum hatte sie das ausgesprochen war ich bei ihr und hatte meinen Mund auf den ihren gepresst. Sie drängte sich gegen mich und lächelte in den Kuss hinein. Doch sie drückte mich schnell weg. Viel zu früh für meinen Geschmack.

„Komm. Ziehen wir uns was anderes an. Ich habe keine Lust krank zu werden!“, schlug sie vor. Grinsend bedeutete ich ihr vorauszugehen.

„Ich warte draußen. Beeil dich.“, sagte ich und blieb stehen. Sie grinste und verschwand. Seufzend ließ ich mich gegen die Wand fallen. Ein verblödetes Grinsen erschien auf meinem Gesicht. Sie war mein. Endlich mein.

 

CAITLIN

 

Seufzend streifte ich mir das T-Shirt über den Kopf. War ich eigentlich blöd? Er würde mir das Herz brechen. Genauso wie er es mit den ganzen anderen Mädels getan hatte. Und doch hatte er so ehrlich geklungen. Sein Blick er war so sanft, so leidenschaftlich, so voller Liebe. So etwas konnte er doch nicht schauspielern oder? Ich musste ihm also einfach vertrauen. Mich fallen lassen. Und ihn nicht mit Max vergleichen, flüsterte die kleine gehässige Stimme in meinem Kopf. Und sie hatte Recht. Er war nicht so wie Max. Nachdenklich fummelte ich an meiner Tumalinkette herum. Er war der Richtige. Und ich wusste, dass er mich mit seinem Leben verteidigen würde.

„Caitlin? Bist du langsam fertig?“, rief Alec in diesem Moment.

„Klar ich komme!“, rief ich zurück und kämmte mir noch kurz meine schon fast trockenen Haare. Als ich aus der Hütte trat, wurde ich zärtlich in die Arme genommen. Alec´ Duft umnebelte mich und ich seufzte wohlig auf. Dann fiel mir etwas auf. „Du bist trocken.“ Seine Brust vibrierte als er lachte.

„Ja ich bin trocken. Ich kann das Wasser beherrschen Süße. Da ist es doch ein leichtes das Wasser aus meinen Klamotten zu ziehen.“

„Ach... Und das hättest du nicht auch bei mir machen können?“, fragte ich und hob den Kopf. Er drückte mir einen sanften Kuss auf die Stirn.

„Mach ich doch. Deine Haare sind vollkommen trocken. Es hätte Stunden gebraucht bis sie völlig getrocknet wären. Ich hab es beschleunigt.“ Ich griff mir in die Haare und lächelte. „Außerdem gefällt mir dein jetziges Outfit um einiges besser.“ Ich grinste. Das hatte ich mir gedacht. Ich hatte eine Leggins und ein einfaches T-Shirt von ihm an.

„Findest du nicht auch, dass ich in dem T-Shirt fett aussehe?“, fragte ich ihn grinsend. Er musterte mich ganz genau und sein Blick blieb an dem T-Shirt hängen.

„Nein. Dieses T-Shirt macht dich einfach unwiderstehlich.“, antwortete er mir. „Aber das ist ja auch kein Wunder. Es ist ja auch meins.“ Ich lachte auf. Natürlich.

„Und? Was machen wir jetzt?“, fragte ich.

„Ich wüsste schon was.“, sagte er mit schelmischen Ausdruck in den Augen. Er beugte sich zu mir herunter und küsste mich. Seine Hände wanderten um meine Hüfte und umfassten sie zärtlich. Ich legte meine Hände um seinen Hals und stellte mich auf Zehenspitzen. Mich durchfloss ein warmes Gefühl der Zuneigung. Mein Buch kribbelte als würden tausende von Schmetterlinge in ihm herum fliegen.

Die romantische Stimmung wurde dadurch unterbrochen, dass mein Magen anfing zu knurren. Alec fing an zu lachen und ich schubste ihn von mir weg, sodass er auf seinem Allerwertesten landete. Doch das brachte ihn nicht davon ab weiter zu lachen. Durch seinem wunderschönes Lachen aus der Fassung gebracht, setzte ich mich auf den Boden und sah ihm zu wie er über mich lachte. So laut und stark, dass er sich auf den Rücken fallen ließ. Ich presste meine Lippen aufeinander und knurrte: „Bist du jetzt langsam fertig?“ Er setzte sich auf und sah mich immer noch lachend an.

„Sorry Süße. Aber das ist mir noch nicht passiert. Ich küsse ein Mädchen und ihr Bauch fängt an zu knurren.“ Er versuchte sich zu beruhigen was kläglich scheiterte. Er biss sich auf die Lippen, was übrigens echt sexy aussah, doch dadurch lief sein Gesicht nur rot an. Ich stand beleidigt auf und sagte schnippisch: „Lach nur. Ich geh was essen und danach trainieren. Ich will ja keine Wampe bekommen so wie du.“ Beleidigt stampfte ich ins Haus und suchte mir mein Essen. Ein Brot und ein Apfel reichten mir und ich hatte gerade mein Essen beendet als Alec herein kam und sich selbst etwas schmierte. Ich ignorierte ihn gekonnt und wandte mich ab.

„Hey Cat.“, sagte er plötzlich und ich blieb stocksteif stehen. „Du weißt, dass ich dich liebe, oder?“ Er hörte sich so sanft und zärtlich an, dass ich mich umdrehte. „Ja. Das weiß ich. Jedenfalls glaube ich dir das wenn du es sagst.“, gab ich zurück. Dann drehte ich mich wieder um und schnappte mir meine Waffen. Nein, falsch. Alec´ Waffen und ging nach draußen. Ich spannte den Bogen, legte einen Pfeil ein und zielte auf einen Apfel, den ich auf einen Baumstumpf gestellt hatte. Zwei Mal zielte ich daneben, doch beim dritten Mal traf der Pfeil den Apfel und zerteilte ihn in zwei Hälften.

„Sehr gut gemacht. Wärst du nicht so beleidigt, hättest du beim ersten Mal getroffen.“, erklang Alec´ Stimme hinter mir. Ich senkte den Bogen und drehte mich um.

„Hättest du mich nicht ausgelacht, wäre ich jetzt nicht beleidigt und hätte getroffen.“, konterte ich.

„Okay. Es tut mir leid. Willst du mit mir kämpfen um dich abzureagieren?“, fragte er.

„Ich kann mich nicht an dir abreagieren! Wir sind nicht zum Spaß hier!“, grummelte ich. „Ich kann dich also nicht k.o schlagen!“

„Doch. Wir haben immer noch unser Blut.“ Ich verzog den Mund und schüttelte mich. Alec lachte. „Ach komm schon! Gib´s zu. Mein Blut ist der Hammer!“ Ich musste zugeben. Sein Blut schmeckte wirklich gut. Es schmeckte nach Honig und Sonnenschein. Es wärmte einen von Innen auf.

„Es schmeckt ganz okay.“, gab ich zurück. Nicht zugeben wollend, dass es mir so gut schmeckte. Vor kurzem hatte ich noch nicht mal an Vampire geglaubt, jetzt war ich selbst einer und trank Blut. Gruselige Vorstellung.

„Nur ganz okay?“, fragte Alec beleidigt. „Komm schon. Es schmeckt super.“

„Vielleicht.“ Auf seinem Gesicht erschien ein Grinsen.

„Gut. Dann können wir ja üben.“, sagte er und ließ mir keine Zeit zu reagieren, denn er griff sofort an. Instinktiv duckte ich mich und entging so dem Messer, dass auf meinen Arm gerichtet war.

„Hast du sie noch alle?“, rief ich erschrocken.

„Was denn? Du musst auch üben wenn du keine Waffen hast, wie du dich dann verteidigst!“ Ich wich zurück und duckte mich unter seinem Hieb hinweg. Sauer griff ich an und erwischte sein Gesicht bevor sein Messer mich an der Wange erwischte.Ein brennender Schmerz schoss durch meine Wange und ich fühlte mein Blut an mir herunter laufen.

„Ups?“ Alec lächelte unschuldig. Vor Wut zitternd, sprang ich ab und riss ihn von den Füßen. Dann trat ich auf seine rechte Hand, die das Messer umklammerte. Es knackte und Alec stöhnte auf. Ich trat das Messer außer seiner Reichweite und schimpfte los: „Sag mal geht’s dir noch gut? Wegen deiner bescheuerten Idee hab ich dir die Hand gebrochen!“ Ich kniete mich neben ihn und besah mir seine Hand. Sie war definitiv gebrochen.

„Nun. Es wäre an der Zeit, dass du mir dein Blut gibst. Es fühlt sich nicht gerade super an.“ Alec knirschte mit den Zähen. Also biss ich die Zähne zusammen und langte nach Alec´ Messer mit dem ich mir dann eine Wunde am Arm zufügte.

„Ich hoffe es schmeckt dir!“, fauchte ich sauer und presste ihm den Arm auf den Mund. Er fing an zu saugen und ich unterdrückte ein Stöhnen. Es fühlte sich gut an. Viel zu gut für meinen Geschmack. Alec hatte mir mal von der Macht dieses Blutaustausches berichtet. Es wurde erst dann so schlimm wenn sich beide Partner vollkommen in die Seelenverwandtschaft eingelebt hatten. Und wenn sie sich liebten. Dann passierte es, dass nicht nur die Heilung einsetzte, sondern auch ein Leidenschaft, die beide Partner überrannte.

Als er den Mund von meinem Arm nahm und mir in die Augen sah, erblickte ich ein schelmisches Funkeln in ihnen. Genauso wie eine riesige Gier. Auch ich spürte diese Lust. Das Atmen fiel mir plötzlich schwer. Entzückt sah ich in seine grünen, geheimnisvollen Augen und versank darin. Er hob mein Kinn ein wenig höher und küsste mich. Als sich unsere Münder trafen, schien die Zeit stillzustehen und nichts anderes wahr mehr wichtig. Meine Sinne waren vollkommen auf den jungen Mann gerichtet, dessen Zunge gerade meinen Mund erkundete. Alec´ Hand verschwand unter meinem T-Shirt und strich langsam meine Wirbelsäule hinunter. Ich seufzte leise, während ich meine Hände in seinem Haaren vergrub. Alec´ eine Hand landete nun auf meinem Hintern und er hob mich mit einer raschen Bewegung hoch. Ich spürte wie er mich in die Hütte trug und mich auf dem Sofa ablegte ohne, dass er aufhörte mich zu küssen. Während ich auf dem Sofa lag, er über mir, auf seine Arme gestützt damit er mich nicht mit seinem Gewicht erdrückte, erkundeten meine Hände seinen Oberkörper. Wild knurrend erhob sich Alec und riss sich mit einer schnellen Bewegung das T-Shirt vom Leib. Auch ich entledigte mich meines T-Shirts. Alec beugte sich wieder zu mir herunter und küsste meinen Hals. Von dort aus küsste er sich langsam weiter runter und hinterließ eine feuchte Spur auf meinem Körper.

„Du bist so wunderschön.“, wisperte er bevor er sich wieder meinem Körper widmete, der in Flammen stehen zu schien. Dann hob er den Kopf. Er strich mir sanft über die Wange und sah mich liebevoll an. Es lag so viel Zärtlichkeit in seiner Berührung, dass es mir fast das Herz zerriss. Ich liebte diesen Mann einfach. Ich zog ihn wieder zu mir runter und drückte meine Lippen auf seine. Seine eine Hand wanderte zu meiner Brust und ich stöhnte auf als er sie erreichte und sanft darüber strich.

 

Unser Liebesabenteuer wurde unterbrochen als eins unserer Handys klingelte. Alec riss den Kopf nach oben und funkelte seine Tasche böse an. Dann erhob er sich umständlich und kramte sein Handy aus der Sporttasche.

„Hier Alec.“, sprach er rau ins Telefon. Ich stemmte mich auf meine Unterarme und schlug die Augen nieder. Verlegen streifte ich mir mein T-Shirt über und verschwand nach draußen an die frische Luft. Drinnen hörte ich Alec mit jemanden diskutieren. Ich schöpfte ein bisschen Wasser aus dem Eimer, der draußen stand und spritzte es mir in das erhitzte Gesicht. Wow. Dieser Blutaustausch hatte schon seine Wirkung. Ohne dieses Zeug hätte ich es niemals gewagt ihn so etwas machen zu lassen. Und wer weiß wie weit wir gegangen wären, hätte das Handy nicht geklingelt. Kopfschüttelnd beobachtete ich die Vögel, die ihre Kreise über die Lichtung zogen. Als ich Alec aus der Hütte treten hörte, drehte ich mich um. Er sah wütend und gleichzeitig erleichtert aus.

„Was ist?“, fragte ich.

„Der König befiehlt uns zurück zu kommen. Wir sind schon eine Woche unterwegs ohne Max gefunden zu haben. Und ohne eine Ahnung wann er hierher kommen will. Außerdem muss er unbedingt mit dir reden. Ich konnte ihn dazu überreden, dass wir noch heute und morgen hier bleiben. Doch morgen Abend müssen wir uns auf den Weg nach Oxford machen.“

„Und dann werden wir Max einfach weiter machen lassen?“, fragte ich fassungslos. „Ihn die ganzen Menschen töten lassen? Das kann mein Vater doch nicht ernst meinen!“

„Anscheinend schon. Er wird uns Dimitri und weitere Wächter auf den Hals hetzen wenn wir nicht freiwillig spätestens übermorgen wieder in Oxford sind.“

„Er ist so ein Idiot. Max ist gefährlich!“ Ich trat einen Stein weg.

„So redet man nicht über den König Süße.“, tadelte mich Alec grinsend. Ich erwiderte nur: „Über den König nicht. Aber über seinen Vater.“ Alec nahm mich in den Arm.

„Wir werden ihn schon bekommen. Wir ziehen einfach noch mal los wenn dein Vater alles Wichtige mit dir besprochen hat.“ Ich nickte und vergrub meinen Kopf an seiner Brust. Dann gähnte ich.

„Wie spät ist es?“, fragte ich. Alec sah auf seine Uhr und antwortete: „Gleich neun.“

„Neun? Was haben wir den ganzen Tag gemacht? Wir waren doch nur kurz schwimmen, dann umziehen, dass Training, dann...“ Ich wurde rot und Alec lachte.

„Gymnastik?“, schlug er grinsend vor. „Wir haben aber auch ganz schön lange gebraucht um zum See zu kommen. Zurück nicht so lange aber immerhin.“

„Hm... Es kam mir einfach nicht so lange vor. Die Zeit ist irgendwie verflogen.“

„Naja. Wir sind aber auch erst spät aufgewacht. Willst du was essen?“, fragte er mich und ich schüttelte den Kopf. Besorgt sah er mich an. „Süße. Hast du gar keinen Hunger? Du hast heute nur eine Suppe, ein Brot und einen Apfel gegessen.“

„Ich hab keinen Hunger. Ich esse allgemein nicht viel.“

„Ist das so gesund?“, fragte er zweifelnd.

„Wahrscheinlich nicht.“, gab ich zu. Er nickte, schob mich ins Häuschen und meinte: „Und gerade deshalb werde ich dich jetzt zum Essen zwingen.“ Ich verdrehte die Augen, folgte Alec jedoch ins Wohnzimmer. „Warte hier.“, wies er mich an und platzierte mich auf dem Sofa während er nach draußen verschwand. Ich schlug meine Beine übereinander und wartete.

Eine halbe Stunde später kam Alec dann wieder. Er balancierte zwei Teller mit Essen in der einen und zwei Gläser in der anderen Hand. Geschickt platzierte er sie auf dem kleinen Holztisch vor mir und schmiss sich neben mich aufs Sofa.

„Voilà. Bitte schön.“ Seufzend nahm ich den Teller entgegen. Spaghetti mit Tomatensoße. Lecker.

„Merci.“ Erst als ich den ersten Bissen nahm, merkte ich welchen Hunger ich hatte und ich schlang das Essen herunter. Als ich die letzte Gabel in den Mund steckte, sah ich Alec an, der mich mit einem belustigten Gesichtsausdruck musterte und ich wurde rot.

„Sorry.“, nuschelte ich.

„Von wegen kein Hunger.“ Ich streckte ihm die Zunge raus. Nach dem Essen, nahm ich das dreckige Geschirr und spülte es mit Wasser ab. Danach putzte ich mir die Zähne. Dann ging ich in die Hütte zurück und legte mich zu Alec. Während wir beide an die Decke sahen und schwiegen kam mir ein Gedanke.

„Wie viele Freundinnen hattest du schon Alec?“ Alec drehte seinen Kopf zu mir und sah mir in die Augen.

„Was meinst du? Feste Beziehungen?“

„Nein. Das weiß ich ja schon. Keine.“

„Keine außer dir.“, korrigierte er mich sanft. „Du meinst also... Sexbeziehungen?“ Ich nickte und er wich meinem Augenkontakt aus. „Viele. Zu viele als dass ich mich an alle erinnern kann.“ Wieder nickte ich und sah wieder an die Decke. Alec drehte sich auf die Seite und stütze sich auf seinem Unterarm ab um mich von oben zu betrachten. Er sagte: „Aber nichts und niemand hat mir in der Zeit etwas bedeutet. Es war einfach, dass ich meine natürlichen Bedürfnisse zu decken.“

„Du hörst dich an wie ein Arschloch.“, bemerkte ich.

„Das hab ich auch gemerkt. Aber ich werde dich zu nichts drängen. Ich liebe dich Cat.“ Ich hob meinen Arm und zog ihn zu mir runter.

„Ich weiß.“, flüsterte ich und küsste ihn. Es war ein kurzer verspielter Kuss, der schnell leidenschaftlich und voller Emotionen wurde. Alec löste sich von mir und grinste. Im Schein des Mondlichtes, welches zum Fenster hinein schien, glänzte sein schwarzes Haar und seine grünen Augen funkelten.

„Wir sollten schlafen gehen. Ich hab so das Gefühl, dass morgen ein anstrengender Tag wird. Außerdem solltest du doch ausgeruht sein an deinem Geburtstag.“

„Ich übernehme die erste Wache.“, schlug ich vor und Alec grummelte zustimmend. Er legte sich neben mich und umarmte mich. Kurz darauf waren seine gleichmäßigen Atemzüge zu hören. Lächelnd strich ich ihm über den Arm und bemerkte wie sich seine feinen Härchen aufstellten und er eine Gänsehaut bekam. Seufzend hörte ich mir die Stimmen der Nacht an. Die Eulen, die wahrscheinlich auf der Jagd waren, der Wind, der durch die Baumwipfel sauste und das leise knirschen des Hauses, in welchem wir gerade lagen. Aus Langweile griff ich nach meinem Handy und schrieb eine Weile mit Tristan, Jana und Sarah. Sie wollten natürlich alles von unsere Mission hören und ich erklärte ihnen alles. Danach fragte ich sie ob sie wüssten was mein Vater mit mir besprechen wollte, doch sie wussten es nicht. Nach ungefähr vier Stunden weckte ich Alec und legte mich selbst schlafen.

 

Erst spät am Vormittag wachte ich auf. Blinzelnd sah ich mich im Raum um und entdeckte Alec am Ende des Sofas, welcher mich beobachtete. Ich streckte mich und gähnte ausgiebig.

„Guten Morgen Sonnenschein. Gut geschlafen?“, fragte Alec.

„Ja, sehr gut. Hast du mich die ganze Zeit beobachtet?“, wollte ich wissen und setzte mich auf. Dabei fuhr ich mir durch die völlig verkletteten Haare.

„Nicht die ganze Zeit. Ich war auch kurz draußen.“ Er stand auf und meinte: „Mach dich fertig. Ich glaube es ist so weit. Ich hab so ein komisches Gefühl.“ Ich nickte stumm und griff mir meine Klamotten. Ich ging in den Nebenraum und zog mich um, dann schnallte ich mir meine Waffen um und trat zu Alec, der draußen vor der Tür stand.

„Es ist jemand hier. Wenige Kilometer entfernt.“, sagte er. „Kannst du ihn riechen?“ Ich schnupperte.

„Es kommt mir immer noch so komisch vor zu schnuppern um eine Person auf Kilometerentfernungen zu orten und zu bestimmen.“

„Kann ich mir vorstellen. Aber jetzt konzentriere dich. Ist er das?“ Ich zog noch einmal tief die Luft ein und nickte. Er hatte einen unverkennbaren Geruch. Auch wenn sich zu seinem Parfüm, welches er anscheinend über die Jahre nicht geändert hatte, nun ein Geruch von Feuer und Blut mischte. „Süße. Ich geh noch mal kurz rein. Ich muss Kraft tanken.“

„Was.... ach so.“ Diese Art von Kraft tanken meinte er. Er brauchte Blut. Er verschwand und ich starrte in den Wald. Was würde ich machen wenn er vor mir stand? Weinen? Wütend werden? Ich wusste es nicht und würde es auch erst erfahren wenn er wirklich vor mir stand. Ich spürte einen Windzug und blinzelte. Da stand er. Er hatte eine leichte schwarze Jacke, ein rotes T-Shirt und Chucks an. Seine blonden Haare waren verstrubbelt und seine Augen fixierten mich belustigt. Er sah genauso aus wie ich ihn in Erinnerung hatte. Als meinen damals noch besten Freund.

„Hey Cat.“

 

Kapitel 17

Kein Hindernis aus Stein hält Liebe auf, was Liebe kann das wagt sie auch.

(William Shakespeare „Romeo und Julia“)

 

 

„Max. Ich würde ja sagen, dass es schön ist dich wiederzusehen aber das wäre gelogen.“

„Autsch. Das verletzt mich jetzt aber.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber trotzdem wünsche ich dir alles Gute zum 17.“

„Danke. Aber du bist doch wohl nicht nur hier um mir zum Geburtstag zu gratulieren oder? Also. Wollen wir dann mal anfangen?“

„Das würde ich befürworten.“, ertönte Alec´ Stimme hinter mir.

„Hm. Interessant. Du bist mit dem Idioten hier. Ich dachte der schlaue Wächter kommt. Oder dein liebreizender, Gewalt liebender großer Bruder, den du befreit hast.“

„Der Idiot würde dir gerne eine ins Gesicht schlagen.“, gab Alec lässig zurück.

„Das ist aber ein unfairer Kampf. Zwei gegen ein.“, beklagte sich Max erheitert. Er pfiff zwei Mal und mehrere fies aussehende Typen traten aus dem Wald.

„Sechs gegen zwei ist auch nicht gerade fair.“, bemerkte ich. „Es kommt so rüber als hättest du Angst vor uns Max. Dabei müsstest du eigentlich wissen, dass ich nicht wirklich gefährlich bin.“ Ich lächelte.

„Nun ja. Eins muss ich dir lassen. Du hast in den Jahren echt gelernt zu lügen.“ Max nickte zufrieden. „Aber ich muss dir sagen, dass ich eigentlich nicht vor hatte zu kämpfen. Die Jungs hinter mir sind eigentlich nur mein persönlicher Schutz.“

„Ah ja. Und wieso bist du dann hier?“, fragte Alec misstrauisch.

„Klappe Hund ich unterhalte mich mit der Prinzessin.“, forderte Max. Alec knirschte mit den Zähnen und trat einen Schritt nach vorne. Gleichzeitig mit ihm traten die Typen hinter Alec vor. Ich streckte meinen Arm aus und bat Alec mit einem stummen Blick stehen zu bleiben. Er ballte die Fäuste und blieb stehen.

„Sprich.“, befahl ich.

„Wie Ihr befehlt Prinzessin.“ Max verbeugte sich spöttisch, was ich gekonnt ignorierte. „Ich möchte dich mit ins Boot holen. Du wärst eine perfekte Erweiterung für unser Team. Natürlich müsstest du in Strigoi Gemeinschaft einsteigen. Das hätte zur Folge, dass du zum Strigoi wirst.“ Ich lachte ungläubig auf und entgegnete: „Du denkst ernsthaft ich würde mich darauf einlassen?“

„Nun ja... Ich hatte es gehofft. Du wirst es also nicht machen?“ Als Antwort lächelte ich ihn nur überheblich an. „Naja. Das heißt wohl es gibt doch einen Kampf. Nun ja. Auch gut.“ Er nickte den Typen zu und sie griffen sofort an. Wir hatten kaum Zeit unsere Waffen zu ziehen als sie uns erreichten. Ich trat dem einem Typen die Beine weg und wurde gleichzeitig zur Seite geschubst. Ich stürzte mich auf einen der Typen und stach ihm mein Messer ins Herz.

„Du kümmerst dich um Max. Ich kümmere mich um unsere anderen Freunde hier.“, rief Alec. Ich nickte Alec knapp zu, wünschte ihm viel Glück und rannte Max hinterher, der im Wald verschwunden war. Sofort wusste ich wohin er wollte. Zum See.

Ich erkannte seine Taktik sofort. Er wollte mich verunsichern. Mich von Erinnerungen überfluten lassen. Doch das konnte ich mir nicht leisten. Ich wäre schneller tot als ich „Erinnerung“ hätte sagen können. Als ich am See ankam saß Max auf einem Fels und sonnte sich.

„Wie kommt es, dass du am Tag so fit bist?“, wollte ich wissen. Er stand auf uns antwortete: „Es gibt Ringe für Vampire und es gibt Ringe für Strigoi. Auch wenn die für unseresgleichen ziemlich selten sind.“ Er machte eine Pause und fragte: „Und? Du hast es dir doch nicht noch mal überlegt? Du könntest meine Königin sein und über die Strigoi herrschen. Wir wären endlich wieder zusammen. Genauso wie früher.“ Ich sah kurz ein Bild vor meinem inneren Auge aufblitzen. Max und mich in der Schule über die Lehrer lästern. Auch früher hatte er diese herrschende Art gehabt. Seine Art hatte mehrfach für einen Streit mit den Lehrern und einen Besuch beim Direktor gesorgt.

„Genauso wie früher? Und genauso wie früher lässt du mich dann fallen wenn du genug von mir hast?“, erkundigte ich mich.

„Nein. Ich würde dich lieben und ehren. In guten wie in schlechten Zeiten. Auch wenn es dann keine schlechten Zeiten mehr gäbe. Cat ich hab mich in dich verliebt. Ich meine ich hab dich schon früher geliebt, doch es ist mir erst dann aufgefallen wie sehr als ich mich schon zu weit von dir entfernt hatte.“ Kurz flackerte Hoffnung in mir auf, doch ich wusste, dass er log um mich abzulenken. Also trat ich einen Schritt auf ihn zu und meinte: „Wenn du mich wirklich liebst, wirst du es mir verzeihen, dass ich dich nun töten muss.“

„Töten. Wieso denn?“

„Nun ja. Ich will dein Bestes. Und ein Leben als Strigoi nenne ich nicht gerade ein besonders schönes und ein mit Liebe erfülltes Leben.“

„Aber... Könntest du es auch? Mich töten meine ich.“ Max sah mich überheblich an. „Deine erste wirkliche Liebe?“

„Nun ja. Gefühle verfliegen mit der Zeit würde ich sagen. Und ich habe schon lange mit dir abgeschlossen.“, log ich.

„Nun ja. Nun dann lass es uns hinter uns bringen.“ Eine Waffe erschien in seiner Hand. Ein Dolch. Eine Waffe, die ihn und mich töten konnte. Eine Waffe, die so klein, und doch so gefährlich sein konnte. Ich zog den meinen aus dem Gürtel. Max verbeugte sich spöttisch. Wir drehten uns im Kreis. Jeder fixierte den anderen und keiner von uns beiden wollte den ersten Schritt machen. Beide warteten wir ab und überlegten uns eine Angriffsmöglichkeit. Doch als ich Alec´ Schmerzensschreie hörte, setzte mein Denken aus. Ich machte den ersten Schritt und griff an. Ich zielte mit meinem Arm überall hin und vergaß meine Deckung. Das nutzte Max aus und ich wurde nach hinten geschleudert. Ich landete gegen einen Baumstamm und kurz verschwamm meine Sicht. Doch durch diese Niederlage hatte ich mich wieder gefangen und war nun langsamer mit meinem Angriff.

„Da hat wohl jemand Angst um den kleinen Idioten. Seit wann magst du ihn denn Cat? Ich dachte ihr hasst euch?“ Max Augen schienen mich auszulachen.

„Nun ja. Ich denke mal in der Hinsicht hab ich unüberlegt gehandelt.“

„Wie in so vielen Situationen.“

„Willst du jetzt weiter reden oder machen wir weiter?“ Ich ging auf ihn zu. Ich täuschte einen Angriff mit dem Dolch an, holte jedoch gleichzeitig mit der Linken aus und schlug ihm ins Gesicht. Ich hörte es knacken und wusste instinktiv, dass ich ihm seine Nase gebrochen hatte. Er wich zurück, doch ich ließ ihm keine Zeit sich zu sammeln. Sofort trat ich ihm gegen seine Weichteile. Er zischte und ich zielte mit dem Dolch auf seine Kehle. Max fing meine Hand ab und schleuderte sie zur Seite. Aus dem Gleichgewicht gebracht, taumelte ich zur Seite und knallte gegen einen Baum. Wieso waren hier eigentlich so verdammt viele Bäume? Sauer fauchte ich und schleuderte meine Hand nach vorne. Ein Feuerball schoss über die Lichtung und traf dank der schnellen Reaktionsfähigkeit meines Gegners nur einen abgestorbenen Baum.

Max rannte auf mich zu und trat mir die Beine weg. Ich landete auf dem Rücken und bekam eine kurze Zeit keine Luft. Genug Zeit für Max sich auf mich zu stürzen und mir auf die Hand zu treten, die den Dolch umklammerte. Es knackte laut und ich schrie auf vor Schmerz. Ich ließ den Dolch los. Er trat ihn zur Seite, ließ sich auf mich fallen und hob seinen Dolch. Voller Panik starrte ich auf die Waffe, die meinen Tod bedeutete. In einem letzten verzweifelten Versuch meinen Tod zu verhindern wackelte ich und wandte den Trick an, den ich bei meinem ersten Kampf mit Alec verwendet hatte. Ich hatte nicht gedacht, dass er funktionieren würde, doch Max stöhnte unterdrückt auf. Jetzt musste ich nur noch an meine Waffe in meinem Stiefel kommen und ich hätte eine Chance zu gewinnen und zu überleben. Doch Max schien sich darauf zu besinnen wer ich war und was er hier eigentlich machen wollte und öffnete die Augen.

Er sah auf mich herunter, seine Augen glitzerten vor Lust und doch schlug er mir ins Gesicht. Mein Kopf flog zur Seite und ich fühlte warmes Blut, welches meine Wange hinunter lief. Vielleicht waren es auch die Schmerzestränen, ich konnte es nicht unterscheiden. Max hob seinen Dolch noch höher und im selben Moment wie er stieß ich zu. Ich sah wie er entsetzt auf seine Brust starrte wo sich nun ein roter Fleck bildete, der sich rasch vergrößerte.

„Du hast also doch gewonnen.“, wisperte er. Dann kippte er zur Seite und ich kniete mich an seine Seite.

„Es tut mir so leid Max.“, flüsterte ich. „Es hätte nicht so weit kommen müssen. Wieso bist du auch nur so machthungrig gewesen?“ Tränen liefen über meine Wangen und tropften auf sein nun friedlich aussehendes Gesicht. Ich wischte sie weg und schloss mit zitternden Händen seine Augen. Dann beugte ich mich nach vorne und gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange.

 

Ich rappelte mich auf und griff in meine Tasche. Hervor kam ein Fläschchen mit blauer Flüssigkeit, welches ich öffnete und den Inhalt über Max verteilte. Es rauchte und zischte und langsam verschwand mein ehemaliger bester Freund. Zurück blieb weißer Staub, der vom Wind schnell verweht wurde. Ich sammelte meine Waffen auf, die rechte Hand lose an der Seite hängend.

Fast blind vor Trauer stolperte ich zurück zur Lichtung wo unsere Hütte stand und mein Gefährte meine Hilfe benötigte.

 

Und wie er meine Hilfe benötigte! Als ich auf die Lichtung kam, sah ich nur herumliegende Leichen. Doch von Alec keine Spur. Doch als ich die Personen auf dem Boden genauer betrachtete erkannte ich Alec. Er lag dort reglos, bleich und voller Striemen. Aufschluchzend stürzte ich auf ihn zu und ließ mich auf den Boden fallen.

„Alec! Alec steh auf!“, flehte ich. Doch er bewegte sich nicht. Die einzige Bewegung seinerseits war das unregelmäßige auf und ab seines Brustkorbs. „Verdammt!“ Ich nahm meinen Dolch und schnitt mir in die Handfläche. Dann presste ich die Wunde auf seinen Mund und zwang ihn zum Schlucken. Doch selbst danach bewegte er sich nicht. Plötzlich durchzuckte es mich wie ein Blitz. Es musste Werwolfsblut sein. Etwas anderes hätte uns niemals so verletzen können. Ich musste ihn so schnell wie möglich nach Hause bekommen. Zu einem richtigen Arzt. Doch wie bekam ich ihn zum Auto? Und wie kam ich mit dem Auto nach Oxford? Ich hatte zwar kleine Fahrstunden von Daniel bekommen, doch niemals genug um nicht aufzufallen oder einen Unfall zu vermeiden. „Egal. Er muss zu einem Arzt. Egal was kommt.“, sagte ich mir. Ich stand auf und packte in Windeseile unsere Taschen. Dann kam ich wieder zu Alec und hob ihn auf. Schwer war er, jedoch konnte ich ihn tragen. Doch es war mir im Moment egal wie ich das schaffte. Mir war es nur wichtig Alec so schnell wie möglich nach Hause zu bringen. Ich verfrachtete Alec auf den Rücksitz und stieg nach vorne. Panisch steckte ich den Schlüssel ins Zündschloss und startete den Motor. Ich gab mein Ziel mit zitternden Händen ins Navi ein. Dann legte ich den Gang ein und fuhr vorsichtig los. Der Waldweg war uneben und ich hatte Angst, dass ruckartige Bewegungen Alec Zustand verschlechterten, deshalb fuhr ich langsam. Doch als ich die Asphaltierte Straße erreichte, gab ich Gas. Währenddessen rief ich Dimitri an. Er war meine einzige Hoffnung, denn er würde mich verstehen und nicht in Panik verfallen.

„Caitlin wo...“

„Dimitri ich hab jetzt keine Zeit. Wir haben gegen Max gekämpft. Alec ist verletzt. Wahrscheinlich Werwolfsblut. Ich bin auf dem Weg zu euch. Wenn alles gut geht bin ich in drei Stunden bei euch. Ich brauch einfach nur einen Rat was ich jetzt machen soll. Wird Alec die drei Stunden durchhalten? Bereitest du alles vor? Dimitri ich...“

„Caitlin stopp. Ich werde alles vorbereiten lassen. Wenn du hier ankommst werden Ärzte hier sein um sich um Alec zu kümmern. Ich verspreche es dir. Er wird es aushalten. Pass auf dich auf und bitte veranstalte keinen Unfall.“

„Nein, werde ich nicht. Danke Dimitri.“ Ich legte auf und konzentrierte mich auf die Straße. Auf der M6 erreichte ich bald den Mautposten. Ungeduldig reihte ich mich in die Schlange ein und war erleichtert als ich endlich den Preis bezahlen konnte.

„Alles in Ordnung mit ihnen Madam?“, fragte der Kontrolleur. „Sie sehen nicht gut aus.“

„Ich hab es einfach nur eilig. Danke der Nachfrage.“, erwiderte ich mit gezwungenen Lächeln.

„Sie sehen aus als wären sie auf der Flucht. Und sie sehen verprügelt aus.“ Ich war froh, dass die hinteren Fenster getönt waren, sodass er Alec nicht sehen konnte. Dieser sah um einiges schlimmer aus als ich. Die Reinigung der Blutflecken aus den Sitzen konnte schwer werden.

„Es ist alles okay. Könnte ich jetzt weiter fahren?“, fragte ich langsam sauer werdend. Der Mann nickte nur und die Schranke ging nach oben. Ich fuhr vorsichtig an dem Mautposten vorbei und raste weiter. Mich würde es nicht wundern, wenn der Kontrolleur mir eine Polizei an den Hals hetzen würde. Alec Atemzüge wurden immer leichter und hektischer. „Komm schon Alec. Halte durch.“, flehte ich. „Wir sind bald da. Da sind Ärzte, die werden dir helfen und dann kommst du auf die Beine. Aber bitte verlass mich nicht!“

Einmal hielt ich an einem Rastplatz an und gab ihm noch eine Dosis von meinem Blut hoffend, dass ihm das helfen würde die restliche Fahrt durchzustehen.

Nach drei Stunden, die mir vorkamen wie Tage, kam ich endlich in der Straße an, die mich zum Schloss führen würde. Diese raste ich ohne Rücksicht auf Verluste hinunter. Das Tor war geschlossen, sodass ich anhalten musste.

„Öffnet sofort das Tor.“, befahl ich. Sofort kamen die Wachen meinem Befehl nach.

„Prinzessin Ihr seid zurück. Wie war...“ Weiter kam der Wächter nicht, denn kaum war das Tor geöffnet, brauste ich los. Kies spritzend hielt ich direkt vor der Tür und sprang aus dem Wagen. Ich öffnete die hintere Autotür und holte Alec ächzend hinaus. Mit ihm im Gepäck stolperte ich die Treppen zur Eingangstür hoch und öffnete die Tür.

„Ich könnte Hilfe gebrauchen!“, rief ich. Fast sofort erschien Dimitri am oberen Treppenansatz zum ersten Stock. Kaum hatte ich einmal geblinzelt stand er schon neben mir und nahm mir Alec ab. Dann lief er ohne ein Wort zu sagen nach oben. Ich folgte ihm schweigend. Dimitri brachte Alec in den Krankenflügel. Ein Einzelzimmer war für ihn bereitet worden, doch auch in den anderen sah ich Vampire liegen. Doch damit würde ich mich später beschäftigen. Jetzt war nur Alec wichtig. Dimitri legte Alec vorsichtig auf das Bett und trat zurück. An seine Stelle trat nun ein sympathisch aussehender Arzt.

„Seit wann ist er schon in diesem Zustand?“, fragte er mich.

„Seit circa dreieinhalb Stunden.“, antwortete ich.

„Ein Wunder, dass er noch lebt. Wir habt Ihr das geschafft Prinzessin?“, fragte der Arzt verwundert.

„Er ist mein Gefährte. Ich habe ihm als ich ihn gefunden habe eine Dosis meines Blutes gegeben und dann während der Fahrt hierher einmal. Und jetzt helfen Sie ihm!“, flehte ich.

„Das werde ich. Doch ich muss Euch bitten das Zimmer zu verlassen.“

„Das kann ich nicht. Er..“ Weiter kam ich nicht, denn Dimitri packte mich und zog mich aus dem Zimmer. Willenlos ließ ich mich mitziehen und sank auf dem Sofa zusammen als wir mein Zimmer erreichten.

„Er wird uns Bescheid sagen wenn er fertig ist und du ihn besuchen darfst. Beruhige dich. Du bist fast genauso schlimm wie Alec als dir das in der Akademie passiert ist. Willst du mir erzählen was passiert ist?“, fragte Dimitri sanft. Ich schüttelte den Kopf.

„Nicht jetzt. Das schaffe ich nicht Dimitri.“, erwiderte ich. „Erzähl mir lieber was hier passiert ist als ich weg war. Was machen die ganzen Vampire in den Krankenzimmern?“

„Nun ja. Wir hatten auch einen kleinen Kampf hier. Mehrere Strigoi kamen hierher. Sie haben uns überrascht. Wir strömten aus und kämpften gegen sie. Jedoch waren es zu viele und wir mussten uns zurückziehen. Soweit ich weiß sind drei Krieger gestorben und fast die Hälfte ist auf der Krankenstation, wegen ihren Verletzungen. Ich habe das Gefühl sie sind in den letzten zwei Jahren stärker geworden. Früher haben sie nicht in so großen Gruppen angegriffen. Sie sind normalerweise Einzelgänger. Meinst du Max...“ Ich zuckte bei dem Namen zusammen, jedoch antwortete ich: „Max hat sie zusammengehalten. Er hatte eine enorme Macht bei ihnen. Dank seinem Mentor, der ihn verwandelt hat. Der ist jedoch schon tot. Und Max... Er auch. Ich hab ihn getötet.“ Und dann floss alles aus meinem Mund. Ich erzählte Dimitri alles von meiner Reise. Die Fahrt, das Museum, die Nacht auf Alec´ Anwesen, die Nächte in unserer Hütte, der Kampf zwischen mir und Max, die Fahrt hierher zurück. Alles kam aus mir hinaus und ich dankte Dimitri dafür, dass er einfach für mich da war und mich in den Arm nahm.

„Ich bin froh, dass ihr euch endlich gefunden habt Caitlin. Das wurde aber auch Zeit. Und Alec der Schisser hatte die ganze Zeit Angst dir seine Gefühle zu gestehen.“

„Seit wann weißt du, dass er in mich verliebt ist Dimi?“, wollte ich wissen.

„Seit dem Kampf in der Akademie. Vielleicht sogar noch länger. Er wusste es seitdem.“

„Und mir ist es erst in der Hütte klar geworden. Und ich hab nichts von seinen Gefühlen geahnt. Ich komme mir irgendwie blöd vor.“

„Das brauchst du nicht. Du hast versucht deine Gefühle zu ihm zu verdrängen und ihn zu hassen. Er hat das Gleiche gemacht. Das macht den Weg zur Beziehung schwerer, jedoch nicht unmöglich. Ein kleiner Schubs und die Steine kommen ins Rollen.“ Dimitri sah mich an. „Du solltest dich vielleicht duschen und fertig machen. Dein Vater wollte mit dir sprechen.“ Ich nickte und erhob mich.

„Dimi. Wenn du irgendjemanden von meinen Freunden triffst... Sag ihnen bitte, dass ich alleine sein möchte. Ich kann jetzt die Geschichte noch mal und noch mal erzählen.“

„Ich werde sie davon abhalten dein Zimmer zu stürmen.“ Er betrachtete mich eingehend. „Brauchst du einen Schuss Blut? Du siehst schrecklich aus.“

„Nein, es geht schon. Ich komm klar.“ Es fühlte sich irgendwie falsch an Blut von einem anderen als Alec zu trinken. Und ich wollte auch niemand anderes Blut. Dimitri nickte und verließ das Zimmer. Ich ging ins Bad und duschte ausgiebig. Dann kämmte ich meine völlig verkletteten Haare und zog mich an. Ein schwarzes, enges, langärmlige T-Shirt mit einem V-Ausschnitt und ein weinroter Rock mit einem schwarzen Gürtel. Eine Nylon Strumpfhose darunter, das T-Shirt in den Rock gestopft und fertig war ich. Ich machte mir gar keine Mühe meine Verletzungen zu verdecken oder zu kaschieren. Dazu hatte ich nicht die Energie. Kurz noch schwarze Schnürboots mit Nieten an, einen Dolch hinein und schon machte ich mich auf den Weg zum Arbeitszimmer meines Vaters. Als ich davor stand, klopfte ich und öffnete auf das 'Herein' meines Vaters die Tür.

„Du wolltest mich sehen Vater?“, fragte ich.

„Caitlin. Geht es dir gut? Wo ist Alec?“, fragte mein Vater.

„Er ist auf dem Krankenflügel. Er wurde mit Werwolfsblut angegriffen.“ Auf die Frage wie es mir ging antwortete ich nicht. Ich wusste es selbst nicht. In mir drin war ein Sturm von Gefühlen. Angst und Sorge um Alec, Trauer um den Tod von Max, Fröhlichkeit, da ich nun keine Angst mehr um mein Leben oder das meiner Mitmenschen haben musste...

„Das tut mir leid Caitlin. Ich hoffe er kommt durch.“ Mein Vater kam auf mich zu und erst jetzt bemerkte ich die Person, die hinter ihm stand. Ein mir unbekannter, junger Mann mit blonden Haaren und braunen Augen stand an dem Bücherregal und beobachtete mich. „Caitlin darf ich dir Prinz Erik von Schweden vorstellen?“

„Sehr erfreut Prinz Erik.“, sagte ich neutral und machte einen Knicks.

„Die Freude liegt ganz auf meiner Seite Prinzessin Caitlin.“ Er kam auf mich zu, verbeugte sich und gab mir einen Kuss auf den Handrücken. „Ihr seht einfach wundervoll aus wenn ich das so sagen darf.“

„Vielen Dank für das schöne Kompliment.“, erwiderte ich ohne wirklich gehört zu haben was der Prinz gesagt hatte. Meine Gedanken waren auf Alec gerichtet, der anscheinend gerade aufwachte. Und kaum hatte ich das erkannt, klopfte es an der Tür. Ich lief an die Tür und öffnete sie. Dimitri stand davor.„Caitlin. Alec ist aufgewacht. Er fragt nach dir. Und er benötigt unbedingt dein Blut.“, erklärte mein Waffenbruder. Ich nickte und drehte mich zu den zwei Männern im Arbeitszimmer um.

„Entschuldigt mich bitte. Mein Gefährte braucht mich.“

„Caitlin warte!“, rief mein Vater, doch ich hatte mich schon auf den Weg gemacht.

 

Als ich das Krankenzimmer betrat, sah ich einen erschöpft aussehenden Alec auf dem Bett liegen. Er sah mich an und lächelte.

„Du siehst wunderschön aus. Trotz der Verletzungen.“, flüsterte er.

„Und du siehst schrecklich aus.“, bemerkte ich. „Warte. Ein bisschen von meinem Blut und alles wird gut.“ Ich hob mein Bein und zog den Dolch hervor. Alec grinste schief.

„Ich hab dir doch gute Sachen beigebracht.“, bemerkte er.

„Du hast mir gar nichts beigebracht. Das war alles Dimitri. Es sind nur alles deine Waffen.“, belehrte ich ihn während ich mich auf die Bettkante setzte und einen langen Schnitt in meine Handfläche machte und Blut in seinen Mund tropfen ließ. Er ließ es geschehen und schloss die Augen. Als es genug war nahm ich die Hand weg und leckte mir einmal über die Wunde um sie zu schließen.

„Wie kommt es, dass ich in so einer schlechten Verfassung bin, du aber fast völlig gesund herumläufst?“

„Du wurdest mit Werwolfsblut angegriffen. Ich nicht.“

„Hast du ihn getötet?“, wollte Alec wissen. Ich nickte. Um nichts sagen zu müssen, ließ ich die Bilder des Kampfes am See einfach in seinen Kopf strömen. Auch wie ich ihn aufgefunden hatte und die Fahrt hierher.

„Du bist Auto gefahren? Ohne Führerschein? Was hättest du gemacht wenn irgendjemand dich angehalten hätte?“, erkundigte sich mein Gefährte.

„Das ist das Einzige was dich interessiert?“, wollte ich entgeistert wissen.

„Nein, natürlich nicht. Ich weiß alles was ist wissen muss. Immerhin hast du deine Gefühle mitgesendet. Ich bin einfach nur froh, dass es dir gut geht.“, sagte Alec. „Komm her.“ Ich beugte mich zu ihm hinunter und er küsste mich sanft. Ich lächelte als ich mich von ihm löste.

„Werde bloß schnell gesund.“, bat ich ihn. Er lächelte und sagte: „Wie könnte ich dir diesen Wunsch verwehren. Weißt du eigentlich, dass dein Blut ein wenig nach Schokolade schmeckt?“

„Das ist meiner Meinung nicht gesund, eigentlich sollte es nach nichts schmecken. Außer nach Eisen und etwas süßlich sein.“

„Du weißt, dass es für Gefährten anders schmeckt als für gewöhnliche Menschen?“, fragte Alec.

„Woher soll ich das denn wissen?“, fragte ich gespielt patzig. „Ich bin nicht lange ein Vampir.“

„Ein halbes Jahr.“, bemerkte er versonnen. Im Flur hörte ich einen Tumult und Dimitri's Stimme, die versuchte die Leute vor der Tür abzuhalten. Ich erkannte Janas Stimme als sie drohte: „Dimitri Petrov. Wenn du mich nicht sofort zu meiner besten Freundin lässt dann fängst du dir so eine, dass du die nächste Zeit deinen Mund nicht mehr bewegen kannst ohne schlimme Schmerzen zu erleiden.“

„Lass sie rein Dimitri. Alles gut.“, rief Alec. Seine Stimme klang kräftiger als noch vor ein paar Minuten, doch ich wusste, dass er noch lange nicht auf den Beinen war. Die Tür wurde aufgerissen und meine Freunde und meine Brüder stürmten in das Zimmer. Zum Glück hatte Alec ein großes Krankenzimmer, sodass alle hinein passten.

„Leute bevor ihr fragt ich werde euch nichts über meinen Ausflug erzählen.“, erklärte ich.

„Gar nichts?“, fragte James mit wissenden, spitzbübischen Unterton.

Hör auf meine Gefühle zu lesen., fauchte ich ihn an.

Das ist leichter gesagt als getan. Ihr sprüht nur so vor Liebe. Das ist ja ekelhaft.“, informierte mich James. Ich starrte ihn wütend an.

„Caitlin. Was meint James?“, forschte Sarah nach. Ich sah Alec an, der mich wissend ansah.

„Na los Caitlin sag es ihnen. Es sind deine Freunde.“

„Es sind genauso deine wie meine Freunde Alec.“, teilte ich Alec mit.

„Schämst du dich etwa für mich Schatz? Das bricht mir das Herz.“ Tragisch fasste er sich an das Herz. Jana und Sarah sahen uns unverständlich an bis ihnen anscheinend das Licht aufging und sie anfingen zu kreischen.

„Oh mein Gott! Wie geil!“, rief Sarah.

„Endlich! Das wurde aber auch mal Zeit!“, stellte Jana fest.

„Ich finde das ganz und gar nicht gut.“, teilte Mason uns mit.

„Und wieso?“, erkundigte ich mich.

„Weil das unserem Vater nicht gefallen wird. Hat er dir noch nichts gesagt? Ich dachte du warst bei ihm.“

„Ich war bei ihm und hab Prinz Erik kennengelernt. Aber was hat das mit Alec und mir zu tun?“ Verwirrt sah ich meinen großen Bruder an. Dieser sah mich nur mitleidig an.

„Vater will dich mit ihm verheiraten.“, eröffnete Mason mir.

„Was?!“, fragten Alec und ich gleichzeitig.

„Tut mir leid.“ Bedauernd sah Mason uns an. „Ich habe es euch wirklich gegönnt. Und ich habe Vater versucht dazu zu überreden die Idee fallen zu lassen, doch er ist entschlossen Schweden näher an uns zu binden.“

„In welchem Jahrhundert lebt er bitte? Das kann er nicht machen!“, meldete sich Sarah wütend zu Wort.

„Er kann und wird. Und stellt sich Caitlin quer wird er sie verbannen müssen.“, eröffnete und James die unbequeme Wahrheit.

„Das heißt ich habe die Wahl zwischen mich weigern und verbannt werden und einen Mann heiraten, den ich nicht kenne und nicht liebe und wegziehen?“, wollte ich wissen. Mason und James nickten. „Dann ist die Entscheidung doch einfach.“

„Caitlin du denkst doch nicht ernsthaft darüber nach dich verbannen zu lassen?“, frage James entgeistert. „Du wirst England nie wieder betreten dürfen. Und wird es untersagt überhaupt Kontakt zu dir aufzunehmen, sonst würden wir uns strafbar machen. Und jeder der dir folgen würde, würde auch verbannt werden.“

„Habe ich eine andere Wahl?“, wollte ich wissen. „Mason hat versucht Papa davon abzubringen. Wie soll ich es dann schaffen?“

„Probiere es doch bitte.“, flehte Tristan und meldete sich zum ersten Mal zu Wort. „Vielleicht hört er auf dich.“

„Ich werde es versuchen. Doch wird es nicht klappen, werde ich gehen.“

„Und wohin? Hast du einmal daran gedacht, dass du niemanden auf der Welt hast, der dich aufnehmen kann?“ Alec sah mich sauer an.

„Ich weiß schon mir zu helfen. Ich bin ein großes Mädchen Alec.“ Aufmunternd lächelte ich ihn an und erhob mich. Den Dolch, den ich immer noch in der Hand hielt, steckte ich wieder in meinen Schuh und dann machte ich mich auf den Weg zum Arbeitszimmer meines Vaters.

 

Kapitel 18

Sie sahen sich lächelnd an. Zwei Liebende, die einander ohne Qual verließen. Zwei Freunde die sich verloren. Zwei Spielkameraden deren Wege sich trennten. Sie lächelten sich an in dem Bewusstsein des zarten Schmerzes, den sie einander zufügten.

(Luca Di Fulvio „Der Junge, der Träume schenkte“)

 

 

Wütend riss ich die Tür auf und rief: „Du willst mich mit einem mir völlig Fremden verheiraten?“ Mein Vater, der am Schreibtisch saß hob den Kopf und legte einen Stapel Papiere zur Seite.

„Mason hat es dir also erzählt.“, bemerkte er.

„Allerdings. Wie kommst du auf diese völlig bescheuerte Idee? In welchem Jahrhundert lebst du überhaupt?“, schrie ich ihn an.

„Caitlin. Mäßige deinen Ton.“, sagte eine weibliche Stimme wütend. Ich wirbelte herum und erblickte meine Mutter, die stolz aufgerichtet in der Tür stand.

„Das werde ich nicht Mama. Weißt du eigentlich was er mit mir vor hat? Er will mich verscherbeln. An irgendeinen dahergelaufenen Prinzen!“

„Prinz Erik ist ein ehrenwerter Mann, der genau die gleiche Aufgabe in seinem Königreich hat wie du! Doch er ist der älteste Sohn und wird deshalb den Thron erben. Du würdest die Königin eines Königreiches sein und nicht nur irgendeine Prinzessin oder eine Herzogin über irgendeinen kleinen Teil Englands.“, verteidigte meine Mutter den Prinzen.

„Und dabei wollt ihr meine Gefühle vollkommen ignorieren?“

„Gefühle? Deine kleine Episode mit Alec kann man nicht als Liebe ansehen. Und guck doch mal was für Chancen das uns bieten würde Caitlin.“ Die Augen meines Vaters glitzerten bei der Vorstellung.

„Du denkst doch immer nur an deine Chancen deine Macht zu erweitern. Immerhin würden unser Kinder dann nicht nur einen Anspruch auf den schwedischen, sondern auch auf den englischen haben. Du willst einfach nur deine Macht erweitern!“

„Das ist doch nicht wahr Caitlin!“, sagte meine Mutter erschrocken. „Dein Vater ist kein machthungriger Mann.“

„Er ist ein genauso großer, machthungriger Mann wie Max!“, sagte ich bitter. Ich wandte mich an meinen Vater. „Sag mir doch einfach, dass du mich nicht in deiner Nähe, sogar in deinem Land haben willst, dass ich nicht die Tochter bin, die du dir gewünscht hast! Ich bin keine perfekte Prinzessin. Ich bin viel zu bürgerlich für dich. Lieber weißt du mich weit weg von dir als irgendwo in deinem Land. Diesen Wunsch werde ich dir erfüllen. Ich werde Prinz Erik nicht heiraten. Und das werde ich ihm jetzt auch sagen.“

„Caitlin Sophie Dupont.“, donnerte mein Erzeuger. „Unterstehe dich das zu machen! Du wirst ihn heiraten keine Widerrede sonst...“

„Sonst was?! Verbannst du mich dann? Verbietest meinen Freunden, meinen Brüdern und meiner Mutter den Kontakt zu mir? Viel Spaß dabei.“, entgegnete ich kalt und stürmte aus dem Raum auf der Suche nach Prinz Erik.

 

Nach einer viertel stündigen Suche durch das Schloss, fand ich ihm im Schlossgarten. Er saß auf einer Bank und zeichnete. Sein weißblondes Haar leuchtete im Sonnenlicht und fiel ihm immer wieder vor die Augen. Er war völlig in seine Arbeit versunken, sodass er erschrak als ich ansprach.

„Prinzessin Caitlin.“, begrüßte er mich erschrocken und stand hektisch auf, sodass sein Skizzenblock von seinem hinunter fiel.

„Entschuldigt Prinz Erik. Ich wollte Euch nicht erschrecken.“, entschuldigte ich mich. Schnell bückte ich mich und hob das Büchlein auf. Eine Zeichnung flatterte zu Boden und ich griff danach. Ich sah sie mir an und lächelte. „Sie ist wunderschön.“ Eine junge blonde Frau mit grünen Augen tanzte mit wehenden Kleidern in einem großen Garten. Ihre Augen funkelten glücklich und sie lachte. Ich reichte dem Prinzen die Zeichnung.

„Das ist sie.“, sagte Prinz Erik sehnsüchtig bevor er sich räusperte. „Sie ist die kleine Schwester eines Freundes von mir.“

„Eine Herzogin?“, erkundigte ich mich.

„So ähnlich. Ihre Familie verwaltet die Provinz Jönköpings län.“

„Und Ihr liebt sie.“

„Von ganzen Herzen.“, gestand er. Dann sah er mich erschrocken an. „Das soll aber nicht heißen, dass ich kein guter Ehemann für euch sein würde Prinzessin. Ich würde...“

„Schon gut. Auch in meinem Leben gibt es jemanden, dem mein Herz gehört. Deshalb muss ich euch sagen, dass ich Euch nicht heiraten kann.“, unterbrach ich ihn. Sein erleichterter Gesichtsausdruck brachte mich zum Lachen. „Nun kommt. So schlimm wäre ich nicht als Ehefrau gewesen.“

„Das hätte ich niemals zu behaupten gewagt Prinzessin Caitlin.“ „Nennt mich Caitlin.“, bat ich. „Das Prinzessin Sein ist nicht das wofür ich geboren bin. Ich bin Kriegerin.“ „Ich weiß ganz genau was Ihr meint Caitlin. Auch bin öfters auf der Jagd gewesen als am Hof.“ „Vielleicht ist es ganz gut, dass ich wegen der Entscheidung Euch nicht zu heiraten verbannt werde.“ „Verbannt? Ihr setzt Euren Status als Prinzessin aufs Spiel um eurer Liebe treu zu sein?“ Ich nickte und riet ihm: „Fliegt nach Hause. Heiratet eure große Liebe. Sagt eurem Vater einfach, dass ich keine Manieren habe und nicht zur Königin von Schweden geboren bin. Redet so schlecht wie möglich von mir und wie unpassend ich für den Hof wäre. Soweit ich weiß gibt es im Moment keine anderen Prinzessinnen im Heiratsfähigen Alter. Das müssen Eure Eltern akzeptieren. Besonders der König kann nichts gegen Eure Entscheidung sagen.Und da Ihr für einen Nachkommen sorgen müsst, könnt ihr einfach Eure Dame heiraten.“ „Mein Vater ist tot. Ich bin der König von Schweden.“ „Tut mir leid um euren Verlust. Doch dann habt ihr noch bessere Chancen diejenige zu heiraten, die ihr wirklich liebt. Also nutzt sie! Ändert das dumme Gesetz, dass der Thronfolger nur eine Prinzessin heiraten darf.“, sprach ich ihm Mut zu. Sanft berührte ich ihn am Arm und lächelte. „Ihr habt Recht. Ich danke Euch Caitlin.“ Prinz Erik strahlte als er sich verbeugte und davon ging. Lächelnd sah ihm ihm nach. Wenigstens einer von uns beiden würde nun glücklich sein. Seufzend ging ich zu meinem Zimmer und packte meine Tasche. Immerhin musste ich bald den Hof verlassen. Als ich das Wichtigste zusammengepackt hatte, lief ich noch mal zum Krankenzimmer von Alec. Meine Freunde sahen mich gespannt an. Alec sah wütend aus. Und Dimitri fehlte. „Und?“, fragte James gespannt. „Ich werde gehen.“, verkündigte ich. „Nein!“, riefen alle bestürzt aus. „Tut mir leid. König Raphael ließ sich nicht überreden.“ Ich wandte mich an Mason. „Wie läuft eine Verbannung im Allgemeinen ab?“ Mason's Augen waren dunkel vor Trauer als er erklärte: „Der König ruft eine Versammlung aus, woran alle Lords und Ladys teilnehmen müssen. Dann wird der Verbannende in den Saal geführt, flankiert von zwei Wachen. Er muss sich vor den König knien und empfängt sein Urteil. Danach hat der Verbannte vierundzwanzig Stunden um das Land zu verlassen. Wird er nach den vierundzwanzig Stunden im Land gesehen, wird er gefangen genommen und in den Kerker gesperrt.“ Ich nickte und holte mein Handy hervor. „Gut dann werde ich mich wohl um einen Flug kümmern müssen. Wie lange dauert es von der Einberufung zur Versammlung bis zur Vollstreckung des Urteils?“ „Nicht lange. Meist zwei Tage mehr nicht. Und normalerweise verbringt der zu Verbannende diese Zeit im Kerker.“, warf Alec ein. „Also werde ich in den Kerker gesperrt?“, fragte ich entsetzt. „Ich denke nicht. Viel wahrscheinlicher ist, dass du unter Arrest gestellt wirst und das Schlossgelände nicht verlassen darfst.“, meinte James. „Und das nur, weil ich den Anweisungen des Königs zuwider gehandelt habe? Harte Bestrafung. Nun ja. Da sieht man die mittelalterliche Ansicht unseres Vaters.“ Ich schnaubte. „Ich kann nicht auf Strafmilderung hoffen oder?“ „Nun... Manchmal ist es so, dass einige Lords und Ladys Einwand zur Strafe erheben. Dann wird die Entscheidung demokratisch abgestimmt. Jeder vollwertige Lord und jede vollwertige Lady gibt ihre Stimme zur Entscheidung an, dabei zählt die Stimme des Königs jedoch dreifach, die Stimme der Ältesten doppelt. Wird abgestimmt, dass die Strafe gemildert wird, werden die Jahre der Verbannung um einen bestimmten Betrag gekürzt. Auch der wird demokratisch festgelegt.“ Ich seufzte. „Ich habe nichts dazu getan die Lords und Ladys auf meine Seite zu ziehen. Das heißt ich kann das schon mal vergessen. Wie viele Jahre würde ich bekommen?“ „10.“ „Eine völlig übertriebene Strafe. Sie hätte auch Buße tun können. Was weiß ich. Arbeit im Schloss auf Niveau eines normalen Dieners. Aber nicht so etwas!“, regte sich Sarah auf. Es klopfte an der Tür und Dimitri erschien im Türrahmen. „Der König hat die Versammlung einberufen.“ Er blickte mich mitleidig an. „Um eins klar zu stellen. Keiner von euch wird mir in die Verbannung folgen, verstanden?“, sagte ich barsch. „Auch du nicht Alec. Ich werde nicht zulassen, dass ihr eure Stellung hier aufgebt um mir irgendwohin zu folgen.“ „Und wo willst du hin? Du bist minderjährig! Du darfst nicht alleine wohnen!“ „Ich werde einige Tage bei meiner Tante und meinem Onkel in Hamburg unterkommen. Die Schwester meiner Mutter wird mich bestimmt aufnehmen. Ich werde mir überlegen was ich danach mache. Und jetzt werde ich mir einen Flug buchen.“ Ich sah auf mein Handy. Schnell hatte ich mir einen Flug gebucht. „Wie willst du dein Geld verdienen wenn du alleine bist?“, wollte James wissen. „Mir wird schon was einfallen. Ich habe ein Konto und notfalls mache ich eben mehrere Minijobs. Ich meine ich darf ja schon ein bisschen arbeiten.“„Ich hab’s! Wir überweisen dir jeden Monat einen bestimmten Betrag auf dein Konto! Uns ist zwar verboten mit die Kontakt aufzunehmen, doch das ist uns erlaubt!“, stieß Alec hervor. Alle anderen nickten zustimmend. Ich schüttelte ablehnend den Kopf, doch die anderen redeten so lange auf mich ein, dass ich irgendwann ihrem Plan zustimmte.

„Ich möchte alleine sein.“, verkündete ich als mir die drückende Stille zu viel wurde. „Ich werde spazieren gehen. Und keine Sorge. Ich werde auf den Schlossgelände bleiben.“ Ich stand auf und ging hinaus. Als erstes besuchte ich das Grab meines Ziehvaters.

„...nun Daddy. Ich werde also wohl verbannt werden.“, erzählte ich ihm die Geschichte. „Ich wünschte ich könnte persönlich mit dir reden. Diese einseitige Unterhaltung macht mich traurig. Aber du bist ja schon hinübergegangen.“ Plötzlich wurde es kalt um mich herum. Als ich den Kopf hob, saß ich Daniel gegenüber. Er sah aus wie immer. Wie vorher als er noch nicht von Max zerfetzt worden war.

Schön dich zu sehen Cat.“, begrüßte er mich. Mir klappte der Mund auf und ich stotterte: „A-aber... Wie?“ Mein Ziehvater grinste sein typisches Grinsen und antwortete: „Du hast mich gerufen und hier bin ich. Du hast die Kräfte zu so viel mehr aber du nutzt sie einfach nicht. Ich verstehe das nicht.

„Wie soll ich meine Kräfte nutzen wenn ich noch nicht mal weiß was ich alles kann?“

Nun ja. Wenn ich dir ein Tipp geben darf. In Brasilien gibt es Vampire, die älter sind als eure Älteste hier. Nur leider wissen die Leute das hier nicht. Wenn ich du wäre, würde ich da hin gehen.

„Super. Dann hab ich ja was zu tun wenn ich in die zehn Jahre dauernde Verbannung gehe.“, meinte ich sarkastisch.

Hey du bist ein großes Mädchen. Das schaffst du. Und ich bin immer für dich da!

„Danke Daddy. Wie geht’s dir dort wo du jetzt bist? Ist es schön da?“

Ja, es ist wunderschön. Dort wo ich bin, werden immer Szenen aus unseren gemeinsamen Jahren abgespielt. Alle schönen Erinnerungen kann ich mir dort angucken. Und ich treff mich oft mit meinen Eltern. Ich soll dich übrigens von ihnen grüßen.“ Ich lächelte.

„Gruß zurück. Ich vermisse sie.“

Sie dich auch. Sie meinen du sollst auf dich aufpassen und sie vielleicht auch mal zu dir rufen.

„Ich werde daran denken.“

Nun ja. Ich muss zurück. Meine Tagesdosis auf dieser Welt ist gleich alle. Ich war heute schon bei deiner Mutter und bei eurem Streit dabei. Die beiden haben sie doch nicht alle.

„Danke! Das hab ich auch gedacht.“

Ich hab dich lieb Cat. Pass auf dich auf.

„Und du auf dich. Ich hab dich auch lieb.“ Und schon verblasste mein Ziehvater vor meinen Augen und ich war wieder alleine. Ich nahm die anderen Geräusche wieder wahr und auch, dass Dimitri zwanzig Meter von mir entfernt stand und mich beobachtete.

„Es muss komisch sein nur die eine Seite von der Unterhaltung zu hören. Beziehungsweise mich mit mir selbst reden hören ohne die dazugehörige Person sehen zu können.“, bemerkte ich.

„Oh ja. Das ist es wirklich.“ Er sah mich verunsichert an. „Ich muss dir sagen, dass die Versammlung in zwei Stunden beginnt.“

„Wie bitte? Ich dachte das dauert noch bis morgen bis alle da sind!“ Entsetzt starrte ich Dimitri ins Gesicht.

„Viele waren in der Nähe. Immerhin beginnen in zwei Wochen wichtige Wahlen. Dein Vater sucht sich seine Berater und andere Würdenträger aus.“

„Nun gut. Ich werde mich umziehen und mental darauf vorbereiten.“, seufzte ich und stand auf. Dimitri bot mir seinen Arm und ich hakte mich bei ihm ein. „Wer wird mich in den Saal begleiten?“

„John und ich.“

„Wird der kleine Mason dabei sein?“, fragte ich. Dimitri schüttelte den Kopf und sagte: „Kinder und minderjährige sind nicht zu der Sitzung zugelassen. Einzige Ausnahme sind die Lords und Ladys, die schon ihre Aufgabe ihr Land zu verwalten aufgenommen haben. Alec ist darunter. Du hast also schon mal einen, der gegen die Bestrafung stimmen wird. Sarah und Tristan werden nicht dabei sein, jedoch Jana als Gefährtin deines Bruders.“

„Ich bin froh, dass ihr hinter mir steht. Das macht es mir leichter diese... Prozedur zu überstehen.“

„Dafür sind Freunde da. In guten wie in schlechten Zeiten.“ Wir kamen an meinem Zimmer an und ich wandte mich an meinen besten Freund und Mentor.

„Was meinst du sollte ich anziehen?“

„Sei elegant aber du selbst. Du musst zeigen, dass du vor der Strafe keine Angst hast.“

„Waffen?“

„Eine einzige. Die restlichen würde ich schon mal einpacken.“ Ich nickte und umarmte Dimitri.

„Danke. Holt ihr mich ab?“

„Wir sind in eineinhalb Stunden hier um dich abzuholen.“ Ich nickte und verschwand in meinem Zimmer.

„Etwas elegantes. Etwas was zeigt, dass ich keine Angst habe.“, murmelte ich immer wieder vor mich hin und wanderte in meinem Kleiderschrank hin und her. Am Ende entschied ich mich für ein schwarzes, trägerloses Kleid, welches mit bis zu den Knien ging und schwarzen Peeptoe mit Nieten an den Hacken. Ich ermahnte mich dazu, dass die Leute meine Tattoos sehen mussten. Mein Waffenbruder und meinen Gefährten. Dazu schnallte ich mir einen Dolch an den Arm. Meine Haare gestaltete ich zu einer eleganten Hochsteckfrisur, sodass man mein Tattoo Principem et protector an meinem Nacken sehen konnte. Prinzessin und Beschützer. Ich schminkte mich dezent, jedoch gefährlich. Dann packte ich noch die restlichen meiner Waffen in eine zusätzliche Tasche und dann setzte ich mich mit einem Buch auf mein Sofa. Doch ich konnte mich nicht auf den Inhalt konzentrieren. Ich war schon erleichtert als es an der Tür klopfte und Dimitri und John mich abholten.

„Du hast das was ich dir gesagt habe erfolgreich umgesetzt Caitlin. Es ist perfekt.“, lobte Dimitri. Ich nickte die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengekniffen. John sagte gar nichts. Als wir vor der Tür standen, die wahrscheinlich zum Gerichtssaal führte, blieben wir stehen. John schlüpfte durch die Tür und blieb erst einmal fünf Minuten verschwunden. Dimitri wandte sich an mich.

„Du schaffst das. Wir sind für dich da und ich weiß, dass sich viele für die Strafmilderung aussprechen werden.“, sprach er mir Mut zu.

„Mach mir keine Hoffnungen Dimi. Ich bleibe realistisch anstatt mir Hoffnungen zu machen und am Ende enttäuscht zu werden.“ John erschien wieder und bedeutete uns durch die Tür zu gehen. Hoch erhobenen Hauptes ging ich den schmalen Gang zwischen den Bänken hindurch, flankiert von Dimitri an meiner Seite und John hinter uns, die Vampire um mich herum ignorierend. Ein überraschtes Keuchen ging durch die Reihen. Anscheinend haben die Untertanen meines Vaters keine Ahnung gehabt wer hier verurteilt wurde. Am Ende des Ganges blieb ich am Ende der vier Throne stehen auf denen meine Brüder, mein Vater und meine Mutter saßen und kniete mich anmutig nieder, den Rücken gerade. Ich senkte jedoch nicht den Kopf, sondern sah meinen Vater nur verachtend in die Augen. Dimitri und John stellten sich rechts und links neben mich auf. Jedoch so, dass sie mich nicht vor dem restlichen Vampiren verdeckten. Ich spürte Dimitri's Anspannung und ich versuchte ihn über unser Band zu beruhigen.

„Nenne uns deinen Namen.“, forderte der König mich auf.

„Prinzessin Caitlin Sophie Dupont von England.“, antwortete ich mit fester Stimme.

„Wie alt bist du Caitlin?“

„17.“

„Dein Geburtsdatum?“„Der 29. Juni 1997.“

„Du weißt warum du hier bist?“, fragte mein Vater.

„Das weiß ich.“

„Was hast du getan?“, wollte mein Vater wissen. Als ob er das nicht selbst wüsste!

„Ich habe gegen meinen Vater den König rebelliert und der Hochzeit mit Prinz Erik von Schweden nicht zugestimmt so wie mein Vater ,der König, es mir befohlen hat.“

„Und du hast es warum getan?“

„Weil der Prinz von Schweden nicht derjenige ist dem mein Herz gehört.“

„Ist das die Einzige Begründung?“

„Ja Hoheit.“ Der König hatte mich während der ganzen Befragung nur einmal kurz angesehen. Nun sah er in die Menge und verkündete: „Ich, König Raphael der dritte, Herrscher über England, verkünde nun das Urteil. Dadurch, dass Caitlin Sophie Dupont gegen ihren König rebelliert hat, verurteile ich sie zu zehn Jahren der Verbannung. In dieser Zeit ist es ihr verboten englischen Boden auch nur zu betreten. Wird sie in den zehn Jahren auf englischem Territorium gesehen ist es die Pflicht eines jeden einzelnen sie sofort nach Oxford ins Schloss zu bringen damit sie ihre restliche Zeit der Verbannung im Kerker des Schlosses verbringt. Den Untertanen ist es in der Zeit ihrer Verbannung nicht gestattet irgendeinen Kontakt zu ihr herzustellen.“ Der König machte eine Pause und ich sah ihn an. „Außerdem wird ihr der Rang einer Prinzessin von England und Beschützerin dieses Reiches für die Zeit der Verbannung aberkannt.“ Damit konnte ich leben.

„Ich verlange eine Strafmilderung.“, erscholl plötzlich Alec Stimme.

„Eure Begründung Lord Alec of Manchester?“, fragte mein Vater eisig.

„Ich sehe den Grund für eine Verbannung, jedoch kann ich Prinzessin Caitlins Reaktion verstehen. Ich hätte genau wie sie gehandelt. Außerdem ist sie mit den Gesetzen des Reiches nicht vertraut, weil sie erst vor einem halben Jahr in unsere Mitte getreten ist. Und ein weiterer Punkt ist, dass sie wunderbare Dienste für das Königreich geleistet hat. Ich möchte den König an den Strigoiüberfall in der Akademie erinnern. Oder an ihre Mission, die erst einen Tag zurück liegt. Sie hat das Reich von einem Weiteren machthungrigen und einflussreichen Strigoi befreit.“ Raphael sah mich kurz an.

Sei froh, dass du so treue Freunde hast Caitlin.“, sagte er mir in Gedanken. Laut jedoch fragte er: „Ist noch jemand hier im Saal für eine Strafmilderung? Der oder diejenige soll bitte seinen beziehungsweise ihren Arm heben.“ Ich drehte mich nicht um, sondern sah meinem Vater und Richter immer noch direkt in die Augen. 'Ich habe keine Angst vor dir. Ich werde mich nicht vor dir beugen. Du beherrscht mich nicht.', dachte ich. Kurze Stille. Dann sagte mein Vater: „Nun gut. Dadurch, dass 75 von 102 anwesenden Lords und Ladys für eine Strafmilderung gestimmt haben, wird nun die Zahl für die Jahre der Verbannung festgelegt. Mindestanzahl der Jahre in der Verbannung sind jedoch vier Jahre.“ Plötzlich schollen viele verschiedene Stimmen durch den Raum.

„RUHE!“, donnerte Raphael plötzlich und es wurde still im Saal. „Eine einfache Abstimmung wird die Lösung sein. Jeder muss eine Jahresanzahl nennen. Enthaltungen dulde ich nicht. Ich bitte meinen Sohn und Thronfolger Mason die Anzahl aufzuschreiben. Wer von den hier anwesenden Lords und Ladys ist für die Mindestanzahl von vier Jahren?“ Und so weiter ging es bis zur höchsten Jahreszahl.

Mason trat nun vor mich und sprach: „Das Volk hat gesprochen. Fünf Lords und Ladys haben für zehn Jahre gestimmt, sieben für neun Jahre, acht für acht Jahre, zehn für sieben Jahre, zwanzig für sechs Jahre, zweiunddreißig für fünf Jahre und und zwanzig für vier Jahre. Der König stimmt für die zehn Jahre. Die Älteste... Wofür stimmt ihr Mylady?“

„Ich stimme für die vier Jahre.“, erklang die Stimme von Camilla de León. Im Stillen dankte ich ihr dafür, dass sie zu mir stand. Das hätte ich nicht gedacht.

„Damit stimmen acht für zehn Jahre und zweiundzwanzig für vier Jahre.“, erklärte Mason.

„Nun damit stehen die Jahre in Verbannung wohl fest. Selbst ich als König muss mich der Stimme der Mehrheit beugen. Caitlin Sophie Dupont wird fünf Jahre in Verbannung verbringen. Sie hat ab jetzt vierundzwanzig Stunden Zeit das Land zu verlassen und sich von ihren Freunden und ihren Verwandten zu verabschieden. Wenn sie denn welche hat.“ Der König bedachte mich mit angewiderter Miene, die ich ruhig und gelassen erwiderte. Ein kleines arrogantes Lächeln umspielte meinen Mundwinkel. „Die Verhandlung ist geschlossen.“ Der König und seine Familie erhob sich von ihren Thronen und verließ den Saal durch eine kleine Zwischentür. Ich erhob mich elegant und drehte mich um. Mein Lächeln war verschwunden und ich blickte ernst auf die Vampire, die mich ansahen. Viele blickten mich mitleidig andere verständnisvoll an. Manche jedoch hatten eine genauso angewiderte Miene wie der König. Ich holte Luft und sagte: „Ich danke denjenigen, die für eine Strafmilderung gestimmt haben und denjenigen, die dafür gesorgt haben, dass ich nur fünf Jahre in Verbannung leben muss.“ Und damit verließ ich den Saal. Doch ich war nur wenige Schritte gegangen als ich Camillas Stimme hinter mir vernahm. „Caitlin.“ Ich drehte mich um und blickte der Ältesten entgegen. Als sie vor mir stand, verneigte ich mich tief so wie es für eine Person vom Bürgertum wie mich gehörte. „Es tut mir so leid. Hätte ich früher gewusst was der König vor hat, hätte ich versucht ihn umzustimmen.“

„Ich machte euch keinen Vorwurf Mylady. Ihr hättet nichts für mich tun können. Ich danke euch dafür, dass Ihr für die vier Jahre gestimmt habt.“

„Dafür müsst Ihr mir nicht danken.“

„Duzt mich. Ich stehe jetzt weit unter euch.“, sagte ich. „Und nun entschuldigt mich bitte Mylady. Ich muss mich verabschieden und meine restlichen Sachen packen.“

„Natürlich Caitlin.“ Und die Älteste überraschte mich als sie mich umarmte und mir einen Kuss auf die Wange drückte. „Ich werde sehen was ich tun kann um dir zu helfen. Ich habe viele nützliche Kontakte, die

dir helfen können...“

„Das ist Euch nicht gestatten Mylady. Zieht nicht wegen mir den Zorn des Königs auf Euch.“

„Das werde ich nicht. Ich habe meine Methoden so etwas im geheimen zu machen. Ich werde mich mit deinem Waffenbruder zusammentun. Wir werden dir helfen.“ Das duzen schien ihr schwer zu fallen und ich musste lächeln.

„Ich danke Euch Mylady. Für alles was ihr für mich getan habt. Eine Bitte hätte ich jedoch an Euch.“

„Egal was ich tue es gerne.“

„Schafft ihr es in weniger als sechs Stunden den Wohnort der ältesten Vampire der Welt aufzuspüren? Anscheinend gibt es noch weitaus ältere als Euch in Brasilien.“

„Ich werde sehen was ich machen kann.“ Ich verbeugte mich noch einmal zum Abschied und machte mich dann auf den Weg in mein Zimmer. Gefolgt von Dimitri.

 

In meinem Zimmer erwarteten mich nun meine Freunde. Sie waren fröhlich und gleichzeitig traurig. Froh über unseren kleinen Sieg über den König und Traurig, weil nun ein Abschied bevorstand. Ich lächelte melancholisch und öffnete die Arme. Sofort stürzten meine Mädels auf mich zu. Tränen liefen ihnen über die Augen und auch ich merkte wie die Tränen mir über die Wangen liefen.

„Ich werde euch so vermissen.“, flüsterte ich.

„Wir dich auch.“, schluchzten die beiden.

„Ihr passt auf euch auf okay? Ihr macht eure Schule und macht keinen Blödsinn okay?“, bat ich.

„Um uns musst du dir keine Sorgen machen. Wir haben lauter Beschützer um uns.“, sagte Sarah. „Pass du lieber auf dich auf. Du bist ganz allein auf dich gestellt. Du hast niemanden.“

„Macht euch um mich keine Sorgen. Ich komm schon durch. Ich bin doch ein großes Mädchen. Und irgendwann muss man sowieso auf eigenen Beinen stehen. Und jetzt lasst mich los. Ich muss mich von meinen Jungs verabschieden.“ Widerwillig ließen meine besten Freundinnen mich los und ich wandte mich an meine beiden Brüder.

„Ich hab euch lieb ihr beiden. Passt gut auf meine Mädels auf. Und mit meinen Mädels meine ich auch Tristan.“

„Hey nur, weil ich schwul bin, heißt das noch lange nicht, dass ich als Mädchen bezeichnet werden kann.“, protestierte mein Kumpel.

„Darum musst du uns nicht bitten. Das hätten wir so oder so gemacht.“, sagte James jedoch. Ich lächelte ihn an.

„Ich hab keine andere Antwort von dir erwartet. Und hey. Wenn ich wieder komme will ich endlich ein Mädchen an deiner Seite sehen. Verstanden? Und auch an deiner Seite Mason.“ Mein großer Bruder sah unbehaglich zu Jana, die nickte. Ich legte den Kopf schief. Was sollte dieser Blick bedeuten?

„Ich habe schon ein Mädchen an meiner Seite.“, gestand er und zog Jana an sich. Ich fing an zu strahlen.

„Ich hab das von Anfang an gewusst!“, sagte ich triumphierend. „Herzlichen Glückwunsch.“

Ich wandte mich an Dimitri und lächelte. „Dich kann ich sowieso nicht von mir trennen. Und dazu kann der König gar nichts sagen. Du kannst den Kontakt zu mir nicht abstellen. Aber ich bitte dich. Melde dich nicht bei mir. Es ist schon schlimm genug dich und Alec die ganze Zeit zu fühlen aber zu wissen, dass ich euch vielleicht nie wieder sehe.“

„Ich werde mein Bestes geben, dass du mich nicht bemerkst.“, sagte Dimitri, doch ich wusste, dass das nicht möglich war. Nicht bei seinem Beruf als Krieger und Wächter. Ich umarmte ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

„Schaffst du es mir meine Waffen irgendwie zu senden? Ohne, dass der König etwas bemerkt?“, fragte ich ihn.

„Natürlich. Das ist kein Problem. In einer Woche hab ich Urlaub. Ich wollte meine Familie in Russland besuchen. Zwischenstopp ist zufällig Hamburg. Ich bring sie dir vorbei.“

„Du verstößt damit gegen die Regeln Dimi.“, sagte ich sauer. Er jedoch zuckte nur mit den Schultern.

Ich wollte mich gerade Alec zuwenden als es an der Tür klopfte. Als ich die Tür öffnete, sah ich einen Diener mit dem Wappen von Camilla auf der Brust.

„Lady Camilla bitten mich dir das zu geben.“, sagte er unwirsch und verschwand kaum hatte er mir die Briefumschlag übergeben. Ich sah mit den gelben Post-it Zettel an, der vorne klebte. Das was du haben wolltest. Ich lächelte und steckte den Umschlag in das Seitenfach einer meiner Koffer.

„Was ist das?“, wollte Mason wissen.

„Ein Ziel meiner Reise in den fünf Jahren.“, antwortete ich. Dann wandte ich mich an Alec. Dieser sah mich nur verzweifelt an. „Leute lasst uns bitte ein paar Minuten allein.“, bat ich. Ohne ein Wort verließen meine Freunde das Zimmer.

„Ich kann es nicht fassen. Du wirst wirklich gehen.“, stieß Alec hervor. Ich lächelte traurig.

„Alec ich möchte, dass du mich vergisst. Ich will dir nicht deine Chance rauben ein Mädchen kennenzulernen was du vielleicht heiraten willst. Fernbeziehungen sind sowieso scheiße. Besonders dann wenn einem der Kontakt verboten ist.“ Entgeistert starrte Alec mich an.

„Du hast sie doch nicht mehr alle.“, rief er aus. „Wie kann ich dich vergessen? Wir sind miteinander verbunden! Bis ans Ende unseres Lebens. Und ich liebe dich! Ich könnte dich noch nicht mal vergessen wenn ich es wollte.“

„Du musst aber, Alec.“, beschwor ich ihn. „Du musst mich loslassen. Denkst du für mich ist es einfach? Alec ich liebe dich mehr als ich es in Worten ausdrücken könnte. Doch ich bin innerhalb ein paar Wochen tot, wenn ich mich mit den Dingen hier beschäftige. Ich muss loslassen. Ich muss diese Tür hinter mir zuschlagen. Und du musst das Gleiche machen.“ Ich beugte mich zu ihm und küsste ihn. Verzweifelt klammerte er sich an mich und wollte mich nicht lassen. Als wir uns voneinander lösten flüsterte ich: „Lass los.“

„Ich versuche es.“, sagte Alec emotionslos. Kurz darauf kamen meine Freunde wieder.

„Und gab es ein schnulzigen Abschied mit abschließenden Sex?“, fragte Tristan lachend als er als erstes das Zimmer betrat. Doch als er meine und Alec emotionslose Gesichter sah, verstummte sein Lachen. „Was ist passiert.“

„Wir haben uns getrennt.“, sagte ich nur. Dann stand ich auf und nahm meine Taschen. „Darf mich eigentlich jemand zum Flughafen bringen oder muss ich mir ein Taxi nehmen?“

„Wir bringen dich hin. Deine Verbannung beginnt erst in zweiundzwanzig Stunden. Bis dahin ist uns Kontakt mit dir erlaubt.“, erklärte James.

„Gut. Ich muss mich vorher aber von Anastasia verabschieden. Immerhin ist sie meine Schwester. Geht doch schon mal zum Auto. Ich werde sie suchen und komm dann nach.“

„Gib uns deine Koffer. Wir verstauen sie schon mal im Auto.“, sagte Mason und nahm mir mein Gepäck ab. Dimitri blieb bei mir. Ich seufzte und fragte: „Muss ich bis zu meiner Abreise beobachtet werden?“ Dimitri nickte leidlich.

„Na dann. Lass uns meine Schwester suchen.“

 

Meine Schwester war nicht schwer zu finden. Sie spielte im königlichen Spielzimmer mit den anderen Kindern der Lords und Ladys. Als sie mich erblickte kreischte sie glücklich auf und rannte auf mich zu. Sie warf sich in meine Arme.

„Cat! Die anderen hier sind voll nett! Mason hat mir sogar etwas von seinen Keksen abgegeben. Er meinte, weil ich die Schwester einer Prinzessin bin. Ist er nicht nett?“, plapperte meine Schwester ausgelassen. Ich sah zu dem kleinen Mason, der mich traurig beobachtete. Er nickte mir leicht zu und deutete eine Verbeugung an, mit der Hand auf dem Herzen.

„Ja, Mason ist wirklich nett Ana.“, beantwortete ich die Frage meiner Schwester schweren Herzens. „Hör zu Ana. Ich muss weg. Für eine lange Zeit. Du wirst mich heute das letzte Mal sehen. Ich hab dich lieb Ana.“

„Ich hab dich auch lieb Cat.“, sagte sie und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ich wusste, dass sie nicht verstanden hat was genau ich meinte. Doch ich überließ es meiner Mutter Ana zu erklären wieso ihre große Schwester nicht mehr da war. Anastasia stürmte davon und ich winkte Mason zu mir. Zögerlich trat er auf mich zu.

„Mason. Es tut mir leid, dass ich dich enttäuscht habe. Du wirst dir nun jemanden anderen suchen müssen, dessen Krieger du später mal sein wirst. Ich empfehle dir meinen großen Bruder Prinz Mason. Er ist ein wunderbarer Prinz und ein gerechter und wahrer Thronfolger. Wächter Petrov wird sich um deine Ausbildung kümmern. Ja?“

„Ihr könnt mich nicht enttäuschen Prinzessin Caitlin. Mein Vater sagt ihr habt völlig richtig gehandelt. Deshalb hat er auch für die vier Jahre gestimmt. Er sagt wenn ich gut trainiere kann ich immer noch euer Wächter werden.“

„Wächter Petrov wird dafür sorgen, dass du ein guter Wächter wirst. Das verspreche ich dir.“ Ich zog ihn in eine Umarmung, die er herzlich erwiderte und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Dann machte ich mich auf den Weg zur Garage.

Dort wartete meine Mutter auf mich. Sie wollte mich in ihre Arme schließen, doch ich wich ihr aus.

„Cat?“ Die Stimme meiner Mutter zitterte. Ich wirbelte herum.

„Was willst du? Hast du jetzt nicht das was du wolltest? Was du und der König wolltet?“, fauchte ich verbittert.

„Ich hätte nie gedacht, dass es dazu kommt!“, versuchte sich meine Mutter zu verteidigen. „Ich wollte wirklich, dass du Prinz Erik heiratest. Er ist ein anständiger Junge im Gegensatz zu Alec. Aber ich verstehe wieso du es nicht machen konntest.“

„Nicht nur ich war gegen diese Verbindung. Prinz oder sollte ich besser König Erik sagen, hätte mich nur aus Pflichtgefühl geheiratet. Auch er hat eine Dame an der sein Herz hängt. Doch im Gegensatz zu mir kehrt er in sein Land zurück und heiratet diese Dame. Ich jedoch werde aus meinem verbannt. Ich wünsche dir alles Gute Mutter.

„Aber Caitlin!“, schluchzte meine Mutter. Ich jedoch beachtete sie nicht weiter und stieg in den Minibus in dem meine Freunde schon auf mich warteten. Aus diesem sah ich auf meine Mutter herunter und meinte: „Oh und alles Gute vorträglich zur Hochzeit. Ich hoffe ihr werdet glücklich zusammen. Tut mir leid, dass kein Hochzeitsgeschenk meinerseits kommen wird.“ Und damit schlug ich die Autotür zu und bedeutete Dimitri loszufahren.

„Warst du nicht zu streng mit deiner Mutter?“, fragte Jana.

„Sie wird klarkommen.“, erwiderte ich nur und sah aus dem Fenster wie das Schloss kleiner wurde und schließlich ganz verschwand.

 

Und so begann eine Reise für mich, die mich völlig verändern würde.

 

 

ENDE

 

 

*EIN ZWEITER TEIL IST IN ARBEIT*

 

Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei der Autorin
Bildmaterialien: Any Shaw
Tag der Veröffentlichung: 28.03.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch meiner Familie und meinen Freunden. Auch meinen treuen Lesern, die mich bei dem Schreiben dieses Buches unterstützen und mich durch ihre vielen, positiven Kommentare dazu anhalten weiter zu schreiben. Ich danke euch!

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