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1. Kapitel



Es war wie immer laut in der Klasse. Der Lehrer war schon seit 10 Minuten im Lehrerzimmer verschwunden um Sachen zu kopieren. Er hatte uns zwar Aufgaben gegeben, an denen wir arbeiten sollten, doch ich war die einzige, die daran arbeitete. Die anderen waren damit beschäftigt sich über die letzte Party zu unterhalten oder über Fußball zu diskutieren. Ich bin Lina, 17 Jahre alt und gehe auf ein Gymnasium in Hamburg. Ja und manchmal hasste ich mein Leben.
Ich arbeitete einfach weiter und ignorierte die anderen. Dabei schweiften meine Gedanken langsam ab. Zu IHM. Paul. Paul war vor 2 Jahren an unserer Schule gewesen, bevor er mit seiner Familie nach Berlin zog. Ich hatte mich eigentlich ganz gut mit ihm verstanden. Er hatte mich beschützt, wenn die anderen kamen um mich fertig zu machen. Ich dachte mir nichts dabei, denn er war zu jedem nett und half jedem. Na ja. Wenn er mal in guter Stimmung war und kein Arschloch. Obwohl ich seine Arschloch-Seite nie wirklich kennengelernt hatte. Abgesehen von ein paar Beleidigungen, war noch nichts schlimmes gekommen. Ich hatte keine Hoffnung, dass er in mich verliebt war, denn er hatte eine Freundin.
Ich wandte mich wieder meinen Aufgaben zu. Doch ich wurde unterbrochen, als Simon kam.
„Lina unser Streberkind! Arbeitest du wieder schön an den Aufgaben um Frau Müller zu beeindrucken?“, rief er.
„Nein, Simon. Ich lerne, weil ich mein Abi haben möchte und ich lernen muss. Du solltest es auch mal probieren. Dann schreibst du auch mal bessere Noten!“, entgegnete ich. Ich wusste, dass das keine gute Idee war, doch das musste einfach raus. Ich sah Simon an. Dieser hatte sich drohend vor mich hingestellt. Ich zog den Kopf ein als ich ihn sagen hörte: „An deiner Stelle würde ich aufpassen, was du redest.“
Ja ich wusste, dass es nicht gerade ratsam war sich mit ihm anzulegen, doch ich konnte meine Klappe mal wieder nicht halten.
„Pass du lieber auf. Nicht, dass du noch zum Direktor musst, weil du ein Mädchen geschlagen hast.“ Simon hob die Hand um mir eine zu klatschen, doch in diesem Moment kam unsere Lehrerin in die Klasse.
„Setzt euch sofort wieder auf euren Platz! Ich habe eine Überraschung für euch!“, rief sie. Die Klasse setzte sich langsam wieder auf ihre Plätze. Ich richtete mich auf und warf einen Blick auf Simon. Er sah mich immer noch wütend an, doch er würde es nicht wagen mich zu verhauen. Das wusste ich. Unsere Lehrerin wartete bis alle Schüler auf ihren Platz saßen und ihr zuhörten, dann sagte sie: „Ihr alle kennt sicher noch Paul, der vor zwei Jahren nach Berlin gezogen war. Nicht wahr?“ Wir nickten. Jeder hatte Paul gemocht und viele waren sehr gut mit ihm befreundet gewesen.
„Sagen Sie nicht, dass Paul wieder nach Hamburg kommt!“, rief Emma, eine Blondine, die mit Paul zusammen gewesen war bevor er nach Berlin zog, aufgeregt.
„Nein, Emma. Aber Paul kommt uns für eine Woche besuchen. Er hat frei und will euch gerne mal wieder sehen“, sagte Frau Müller. Ich freute mich. Klar, Paul und ich waren nicht befreundet gewesen doch ich hatte mich gut mit ihm verstanden und wir haben oft zusammengearbeitet.
Ich sah mich um. Auf den Gesichtern meiner Mitschüler sah ich wie froh sie darüber waren, dass Paul uns besuchen kam. Besonders Emma strahlte. Ich wusste, dass sie hoffte wieder mit Paul zusammen zu kommen.
Oh man, ich konnte dieses Mädchen nicht ausstehen. Sie schmiss sich immer wieder an die Jungs ran. Ich finde es einfach nur peinlich. Sie bildete sich ein sie könnte jeden haben.
Doch ich hoffe, dass die Jungs sich nicht immer nur in ihre Figur verlieben.
Ist doch so. Kaum sehen sie ein hübsches Mädchen, was einen Ausschnitt bis zum Bauch hat lassen sie das Mädchen, das sie liebt links liegen und beachten sie nicht weiter. War aber klar. Jungs konnten eben nicht anders.

Ich konzentrierte mich wieder auf die Aufgaben. Doch bevor ich das tat sah ich einmal auf meine Uhr. 13:09 Uhr. Also, noch eine Minute bis Schulschluss. Zum Glück. Ich war froh als es endlich klingelte. Ich packte langsam meine Sachen während die anderen nach draußen stürmten. Warum hatten die anderen es eigentlich immer so eilig? Egal, ich ging langsam zu meinem Fahrrad, schloss es ab, stieg auf und fuhr nach Hause.

2. Kapitel




Zuhause angekommen schloss ich das Fahrrad in den Schuppen und ging ins Haus.
„Hey Mum! Ich bin wieder da!“, rief ich durch das Haus. Keine Antwort. Ich seufzte. Ich wusste schon was los war also ging ich in die Küche und sah an die Kühlschranktür.
Dort klebte ein pinker kleiner Zettel von meiner Mum. Ich nahm ihn ab und setzte mich an den Tisch im Esszimmer.
In dem Brief stand: Hey Schatz, tut mir leid aber ich musste dringend weg. Es gab einen Notfall und ich musste sofort hin. Ich weiß nicht wann ich zurückkomme, kann spät werden. Dad kommt auch erst spät. Er ist mit Freunden verabredet um den Geburtstag eines Freundes zu feiern. Im Kühlschrank steht Essen. Hab dich lieb! Viel Spaß noch beim tanzen und schön deine Instrumente spielen üben ja? Mum
War ja klar, dass wieder ein Notfall passiert war. Ich hatte kaum einen Nachmittag allein mit meiner Mum. Wie denn auch? Sie war Ärztin im Krankenhaus hier in der Nähe und sehr wichtig dort. Klar verstand ich, dass sie wichtig dort war und gebracht wurden, doch manchmal war ich echt traurig, dass sie nicht da war um mich Dinge zu fragen „Und wie war Schule?“ und so etwas ähnliches. Und was die Instrumente anging. Natürlich würde ich üben doch ich konnte nicht alle vier Instrumente gleichzeitig spielen. Obwohl es sich das ziemlich gut anhören würde, wenn ich Gitarre, Klavier, Schlagzeug und Geige gleichzeitig spielen würde. Aber ich hatte ja nur 2 Hände. Tja, Pech gehabt.
Ich ging zum Kühlschrank, denn ich hatte einen Riesen Hunger. Ich sah hinein. Wenigstens hatte Mum Pfannkuchen gemacht. Mein Lieblingsessen.
Ich aß die Pfannkuchen, räumte dann die Küche auf und ging dann in mein Zimmer.
Ich setzte mich an meinen Schreibtisch. Mein Blick fiel auf die Uhr. 14 Uhr. Ich hatte noch 1 Stunde, bis ich zum Tanzen musste. Heute waren Partnertänze dran.
Meine Woche war immer völlig ausgebucht. Donnerstag Partnertänze, Freitag Hip-Hop, Montag und Samstag Reiten und am Dienstag habe ich noch Musikunterricht.

Ich schaltete meinen Laptop an, holte während er hochfuhr meine Hausaufgaben auf meiner Tasche und begann zu arbeiten. Als mein Laptop hochgefahren war öffnete ich das Internet und loggte mich auf Facebook ein. Ich sah mir meine Neuigkeiten an. Jeder aus meiner Klasse schrieb Paul an die Pinnwand, dass sie sich sooo freuten, dass er uns besuchte. Ich verdrehte die Augen. Die machten so ein großes Ereignis daraus. Ich freute mich ja auch riesig darauf, dass Paul kam, doch ich musste ihm nicht gleich die Pinnwand voll spamen.
Ja, ihr habt mich erwischt. Ich hatte mich in Paul verliebt. Ich würde es ihm aber niemals sagen. Warum? 1. war ich viel zu schüchtern dazu und 2. was brachte das? Er würde mich auslachen und würde das Gespött der Klasse werden. Und das brauchte ich wirklich nicht.
Jetzt machte ich meine Hausaufgeben. Dann sah ich auf die Uhr. 14:45 Uhr. Ich musste los. Ich machte mein Laptop aus, nahm meine Tasche und ging nach draußen.
Ich holte mein Fahrrad aus dem Schuppen und fuhr los.


Als ich ankam ging ich sofort zu den Umkleiden, wo sich die anderen Mädchen schon umzogen. Sie diskutierten darüber wer wen zugeteilt wurde. Jeder hätte natürlich gerne Timo als Tanzpartner. Ich beteiligte mich nicht am Gespräch. Nicht, dass ich nicht auch gerne Timo als Tanzpartner hätte.
Als wir in die Halle gingen und uns auf die Bank setzten kam Frau Lilie auf uns zu.
„Gut, also ich teile auch jetzt in die Paare ein. Also... Ivette und Tom. Lina und Timo...“, sie teilte die restlichen ein. Wir waren aber nicht viele nur 6 Tanzpaare.
Timo kam auf mich zu. Er und seine Eltern waren gute Freunde der Familie. Natürlich verbrachten wir deshalb auch ein wenig Zeit miteinander, wenn wir grillten oder ich zum Tanzen ging, doch wirklich befreundet waren wir nicht. Also nicht, dass ich wüsste, obwohl ich immer viel Spaß mit ihm hatte. Timo hatte braune Haare, hatte braune Augen und war ungefähr 1,80 groß.
„Darf ich bitten?“, fragte Timo, der jetzt bei mir angekommen war, mit leichter Verbeugung.
„Natürlich!“, antwortete ich, nahm seine Hand, die er mir entgegen streckte und machte einen Knicks. Timon führte mich in die Mitte der Halle. Wir beide hatten keine Angst beim Tanzen beobachtet zu werden, denn wir waren die besten Tänzer der Gruppe. Wenigstens ein Ort, wo ich nicht fast in Ohnmacht fiel, wenn ich vorne stehen musste und etwas erklären oder vormachen sollte.
„Gut. Wir werden gleich den Cha, cha, cha tanzen. Weiß jemand nicht mehr wie er geht oder hat jemand Probleme damit?“, fragte Frau Lilie. Niemand meldete sich.
Sie ging zur Anlage und schaltete die Musik an. Es lief Mamacita von Marc Madlock. Ich hasste diesen Typen. Die Musik ging eigentlich aber jeder konnte solche Lieder dichten. An seiner Musik war nichts besonderes dran.
Timo fing an mich durch den Tanz zu führen. Ich liebte das Tanzen. Dort konnte man in der Musik eintauchen und einfach seinen Gefühlen freien Lauf lassen. Tanzen war meine Leidenschaft. Es machte mich glücklich.
Meine Mutter behauptete immer, dass ich schon als kleines Kind immer getanzt hatte, wenn ich traurig oder besonders glücklich war. Ich hatte auch schon immer gesungen.
„Hast du Sonntag Lust zu mir zu kommen? Wir könnten ins Kino gehen oder so“, fragte Timo nach kurzer Zeit.
„Klar, können wir machen“, sagte ich, bevor ich mich drehen musste.
„Cool! Dann komm so um 15 Uhr zu mir. Du weißt doch noch wo ich wohne, oder?“, frage er mich grinsend.
„Hmm... ne... ich glaub nicht. Natürlich weiß ich wo du wohnst!“, sagte ich lachend.
„Gut!“ Wir tanzten schweigend weiter. Wir redeten eigentlich nie wenn wir tanzten. Das hatte uns Frau Lilie verboten. Sie meinte, dass man sich besser auf den Tanz konzentrieren sollte, denn man konnte sich auch im Cafe unterhalten. Dafür musste man nicht zum Tanzen gehen. Tanzen war für Frau Lilie am allerwichtigsten.
Der Tanz war zuende und wir gingen zu den Umkleiden um etwas zu trinken. Wir tanzten noch ein bisschen und dann schloss Frau Lilie den Unterricht für heute, da sie noch einen Arzttermin hatte.
Also fuhr ich mit dem Fahrrad nach Hause.

3. Kapitel



Zuhause angekommen setzte ich mich in meinen Sitzsack und las ein Buch. Ich liebte Bücher. Am liebsten las ich Fantasy Bücher. Ich liebte einfach die besonderen Kräfte der Helden im Buch, wie das Gedankenlesen oder die Telepathie. Manchmal wünschte ich, dass ich solche Kräfte hatte. Die waren manchmal ja ganz nützlich.
Während ich las beruhigte ich mich langsam und schaltete ab. Ich ließ mich fallen und meine ganzen Sorgen und der Stress fielen von mir ab.
Dann ging ich duschen und machte mich fertig. Ich aß zu Abend, holte mir dann meinen Laptop, legte mich in mein Bett und loggte mich auf Facebook ein. Meine beste Freundin Christina war on. Wir chatteten ein bisschen und ich sah mir meine Neuigkeiten an.

Ich sah, dass Emma in einer Beziehung war. War ja klar, dass sie schon wieder einen neuen hatte. Vor 2 Wochen war es noch Simon gewesen, jetzt war es Marco, ein Junge aus der Parallelklasse. Ich verabschiedete mich von Christina und wir verabredeten uns, dass wir morgen zusammen zur Schule fuhren. Ich ging wieder off, packte meine Schultasche für morgen (endlich Freitag), dann holte ich noch meine Klamotten für morgen raus. Ich ging ins Bad und putzte mir die Zähne. Als ich ins Bett ging waren meine Eltern immer noch nicht Zuhause. Ich seufzte. Das kannte ich ja bereits. Ich schloss die Augen und war schon nach kurzer Zeit eingeschlafen.

Am nächsten Morgen erwachte ich frisch und ausgeruht, nachdem ich tief und traumlos geschlafen hatte, durch meinen Wecker, auf. Ich machte mich schnell für die Schule fertig. Ich hatte Lust mich zu schminken, also schminkte ich mich dezent passend zu meinen Klamotten. Ich hatte mich für eine Jeans und einem schwarzen Top entschieden.
Ich hatte auch noch meine lange Herzkette um, die ich zu meinem 15. Geburtstag von meinem Opa, also den Vater meines Vaters bekommen hatte. Ich liebte diese Kette, da mein Opa kurz nach meinem Geburtstag an Krebs gestorben war. Die Kette war das einzige, was ich noch von meinem geliebten Opa hatte.

Ich lief die Treppe runter und setzte mich glücklich an den Esstisch, wo meine Eltern schon auf mich warteten. Ich hatte das braune Haar meiner Mutter und die grünen Augen meines Vaters. Die Lust am Lesen hatte ich auch von meinem Vater, die Begabung für das Tanzen und die Musik hatte ich von meiner Mutter, die früher eine begabte Tänzerin war.
Wir aßen immer zusammen. Ich ging, zwar als erstes aus dem Haus, doch ich freute mich immer auf das traute Zusammensein mit meinen Eltern.
„Na, wie war dein Tag gestern ,Schatz?“, fragte mein Dad.
„Gut. Ich hatte viel Spaß beim Tanzen. Timo hat mich gefragt ob ich Sonntag mit ihm ins Kino gehen will. Ich habe ja gesagt.“
„Aber...Sonntag wollten wir zusammen picknicken gehen! Das Wetter soll gut werden. Wir hatten geplant in den Stadtpark zu gehen.“, sagte meine Mum.
„Ach ja. Habe ich vergessen. Tut mir leid. Musst ihr dann wohl alleine machen.“, meinte ich unbeteiligt und steckte mir einen Löffel mit Cornflakes in den Mund. „Aber das ist der einzige Tag, wo wir etwas zusammen als Familie unternehmen können. Das ist mein und Dad´s freier Tag!“, rief meine Mutter.
„Du kannst und jetzt doch nicht hängen lassen!“, sagte mein Vater erregt.
„Jetzt wisst ihr ja mal, wie ich mich fühle wenn ihr immer plötzlich wegmüsst. Ich gehe am Sonntag mit Timo ins Kino.“, gab ich völlig unbeeindruckt zurück und stand auf.
Ich räumte meine leere Schüssel in die Geschirrspülmaschine und ging in mein Zimmer. Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, da ich wusste, dass meine Eltern gerne etwas mit mir unternommen hätten und gekränkt waren, dass ich Sonntag nichts mit ihnen machen wollte.
Ich nahm meine Tasche, lief aus dem Haus, ging zu meinem Fahrrad, schloss es ab und fuhr los zu Christina.
Sie wartete schon an der Straße auf mich und wir fuhren zusammen weiter. Wir redeten über die Deutscharbeit, die wir heute schrieben. Natürlich war sie nicht in meiner Klasse, doch die Arbeit war koordiniert.
Auf dem Schulhof trennten wir uns und verabredeten uns vor der Cafeteria.
In den ersten beiden Stunden schrieben wir die Deutscharbeit. Ich saß die ganze Zeit auf meinem Platz und überlegte, was ich hinschreiben sollte. Am Ende hatte ich 7 Seiten vollgeschrieben und ich gab als letzte ab.
In der Pause unterhielten Christina und ich uns nur über die Arbeit. Sie hatte ganz schön oft Schwierigkeiten mit den Aufgaben gehabt. Ich verabschiedete mich von ihr und ging langsam wieder in die Klasse.
In den nächsten beiden Stunden hatte ich Geschichte. Ich war ganz gut in Geschichte. Ich fand es ganz schön Interessant zu wissen, was früher auf unserer Welt passiert war. Unser Lehrer hatte noch eine Überraschung für uns parat. Wir würden in 2 Wochen zum Konzentrationslager in Neugamme fahren und uns den Ort ansehen wo Hitler so viele Juden umgebracht hatte. Ich fand es nicht so schön, denn ich wollte nicht dorthin, sagte aber nichts dagegen. Die Jungs fanden es aber cool und planten schon ein paar Streiche, die sie den Mädchen dort spielen wollten. Ich fand das ganze ja total kindisch aber na ja wenn’s ihnen Spaß macht.

Nach der zweiten Pause ging ich zum Musikraum. Ich liebte Musik. Kein Wunder. Sonst würde ich ja keine 4 Musikinstrumente spielen. Wir nahmen gerade Keyboard spielen durch. Diese Stunde wurden die Leistungsüberprüfungen durchgeführt. Ich brauchte sie nicht zu machen, denn ich hatte sie schon in der aller ersten Stunde durchgeführt. Ich hatte natürlich eine 1 bekommen. Während die anderen also im Nebenraum einzeln vorspielten, spielte ich in dem lauten Klassenzimmer Geige.
Ich hatte mir die Geige aus der Sammlung geholt, wo alle Musikinstrumente gelagert waren. In den Klassenzimmern stand ein Klavier und ein Schlagzeug. An der Wand aufgereiht standen 2 normale Gitarren und 2 E-Gitarren
Ich setzte mich auf einen Stuhl in einer Ecke des Klassenzimmers und fing leise an ein Liebeslied zu spielen. Nach dem Lied spielte ich „He´s a pirat“ von David Garrett. Ich wurde immer lauter, weil die Musik mich mitriss. Als ich fertig war bemerkte ich, dass die Klasse völlig still geworden war. In diese Stille sagte jemand: „Wow! Das war fantastisch!“
Ich drehte mich zur Tür. In der Tür stand...
„Paul!“, schrie Emma und sprang auf. Sie lief auf ihn zu und umarmte ihn stürmisch. „Du bist wieder da! Oh mein Gott ich freu mich ja so!“, kreischte sie.
Ich verdrehte innerlich die Augen. Sie hatte also noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass sie und Paul wieder ein Paar werden könnten. Und das obwohl sie beim ersten Mal fremd gegangen ist. Paul hat sie erwischt und sofort Schluss gemacht. Es war die richtige Entscheidung gewesen, denn in den zwei Jahren wo Paul schon weg war, hatte sie schon mindestens 6 neue Freunde gehabt und dann noch diverse one-night-stands. Ich wollte gar nicht wissen wie viele. Bäh!
Paul löste sich von Emma und begrüßte die anderen die ebenfalls aufgestanden waren und darauf warteten ihn begrüßen zu dürfen
Während Paul die Begrüßungen über sich ergehen ließ stimmte ich meine Geige. Ich hatte das Gefühl, dass dies lange nicht mehr getan worden war. Ich war so auf meine Arbeit konzentriert, dass ich erschrocken aufsah als Paul fragte: „Spielst du noch etwas?“ Ich sah ihn überrascht an. Er mochte Geigenmusik? Das hatte ich nicht gewusst. Verlegen senkte ich den Blick: „Ich weiß nicht...“
„Bitte! Mir zuliebe. Weil ich das erste Mal seit 2 Jahren wieder in Hamburg bin.“, sagte er.
„Genau Streberin! Das machst du doch bestimmt gerne!“, rief Tina, die Busenfreundin von Emma.
„Musst du eigentlich alles kommentieren nur um beachtet zu werden, Tina?“, fragte Paul scharf.
„Nein... natürlich nicht!“, stotterte Tina, die es gar nicht abkonnte, wenn jemand über sie herzog.
Paul wandte sich wieder zu mir um: „Also? Spielst du jetzt was für mich?“ Ich sah auf die Uhr. Noch zwei Minuten bis zur Pause. „Tut mir wirklich leid, aber wir haben gleich Pause. Ich spiele das nächste Mal etwas vor okay?“
„Okay dann nächstes Mal. Ich erinnere dich daran!“, sagte Paul. Ich nickte, stand auf, packte die Geige ein und räumte sie weg. Da klingelte es auch schon. Die anderen aus meiner Klasse liefen schnell aus dem Raum um ihre Mittagspause zu genießen. Auch unsere Lehrerin verließ den Raum aber nicht ohne mich zu ermahnen die Instrumente ordentlich zu behandeln.

Ich durfte immer nach der Musikstunde noch im Musikraum bleiben um meine Instrumente spielen zu üben. Ich versprach es ihr artig und sie ging. Nur Paul und ich blieben im Raum. Ich versuchte Paul zu ignorieren und setzte mich ans Klavier. Zum einspielen, spielte ich ein paar lustige Kinderlieder, wie zum Beispiel ein kleiner grüner Kaktus. Ich bemerkte den durchdringenden Blick von Paul und sah auf. Er stand vor dem Klavier und sah mich an. „Was ist?“
Er schüttelte den Kopf und erklärte: „Nichts. Ich finde es einfach nur komisch, dass du deine Mittagspause hier drin verbringst.“
„Du weißt doch bestimmt, dass ich die Musik liebe. Jetzt kann ich dir auch etwas vorspielen wenn du willst. Du kannst aber natürlich auch gehen wenn du willst. Außerdem lieber allein als mit falschen Freunden umgeben.“, fügte ich etwas leiser hinzu.
„Nein, ich bleib hier.“, er kam um das Klavier herum. „Rutsch mal ein Stück. Ich möchte mich neben dich setzen und zuhören.“
Ich rutschte verwundert zur Seite und Paul setzte sich neben mich. „Und was spielst du jetzt?“, fragte Paul.
„River flows in you”, sagte ich kurz abgebunden und fing an zu spielen. Ich war völlig versunken in der Musik.
Als ich fertig war nahm ich langsam die Finger von den Tasten und stand auf. „Komm wir müssen los sonst komme ich zu spät zu Englisch. Frau Beckmann wird mich umbringen!“ „Frau Beckmann? Ach die mag mich. Komm wir gehen.“, sagte Paul. Er packte mein Handgelenk und zog mich mit sich.
„Warte!“, protestierte ich. „Ich muss meine Sachen mitnehmen und abschließen!“
„Okay aber beeil dich!“, sagte Paul ungeduldig.
„Ja, ja!“ Ich beeilte mich meine Tasche zu packen und mitzunehmen. Ich lief aus dem Raum und schloss ab. Paul packte mich wieder mein Handgelenk und zog mich hinter ihm her. „Woher weißt du wo ich jetzt Unterricht habe?“
„Ich kenne euren Stundenplan., sagte er kurz angebunden.
„Okay und wieso kennst du unseren Stundenplan?“
„Ist doch egal oder? Jetzt beeil dich sonst kommen wir wirklich zu spät!“
„Okay!“, sagte ich und lief schneller.

Als wir in der Klasse ankamen war Frau Beckmann noch nicht da. Zum Glück! Wahrscheinlich hätte ich sonst nachsitzen müssen. Ja das müssen wir, wenn sie schlechte Laune hat. Und die hat sie öfters. Oder besser gesagt fast immer.

In der Klasse war es mal wie immer laut. Ich ging schnell zu meinem Platz, holte meine Sachen raus und wartete dann auf Frau Beckmann.
Paul ging zu den anderen, die über ihn herzogen, dass er die Mittagspause mit mir verbracht hatte. Paul verteidigte mich, was ich total süß von ihm fand.
Die Jungs lachten und in diesem Moment kam Frau Beckmann in die Klasse. Sie sagte energisch: „Good morning Guys. We will have a nice lesson today!” Ich verdrehte innerlich die Augen.
Wenn sie meinte, dass es eine nette Stunde werden würde, würden wir Grammatikübungen machen oder einen Test schreiben.
Paul, der jetzt im hinteren Teil der Klasse stand, wurde jetzt von Frau Beckmann bemerkt.
„Paul mein lieber! Was machst du denn hier? Geht’s dir gut? Wie geht’s deinen Eltern?“ Ich starrte Frau Beckmann genauso ungläubig an wie der Rest der Klasse.
Sie war niemals so nett zu ihren Schülern. Bei uns war sie der böse Drache, der uns arme Bauern einfach quälen wollte.
Ich sah zu Paul. Er zwinkerte mir zu und formte mit den Lippen so etwas wie: „Ich meinte doch sie mag mich.“ Ich nickte immer noch ungläubig.
Paul wandte sich jetzt wieder Frau Beckmann zu. „Mir geht’s gut Frau Beckmann. Genauso wie meinen Eltern. Ich habe frei und wollte endlich mal wieder Hamburg wieder sehen.“
„Oh das ist schön, dass du uns in deiner Freizeit besuchst. Wie lange bleibst du hier?“, fragte Frau Beckmann.
„Ungefähr zwei Wochen.“
„Ah gut. Dann werden wir uns ja öfter sehen. Gut setz dich bitte...“, sie sah sich um und bemerkte den freien Platz neben mir, auf dem normalerweise Christian saß, der aber regelmäßig schwänzte.
„Setz dich bitte neben Lina.“
„Okay“ Die Klasse johlte. Ich sah zu Emma. Sie warf mir einen richtig giftigen Blick zu. Ich sah ohne mit der Wimper zu zucken zurück. Wenn man als Außenseiter in dieser Klasse überleben wollte musste man lernen sich zu verteidigen.
„Wenn Blicke töten könnten...“, flüsterte Paul mir in diesem Moment zu, der meinem Blick gefolgt war.
„Oh ja. Aber glaub mir. Sie würde mich am liebsten zehn mal am Tag töten.“
„Hoffen wir mal, dass sie es nicht wirklich tut.“
„Oh ja. Das hoffe ich auch...“ Ich versuchte mich auf den Unterricht zu konzentrieren, was wirklich nicht ganz so einfach war, weil Paul die ganze Zeit irgendwelche Scheiße in mein Ohr flüsterte. Zum Glück bemerkte Frau Beckmann es nicht. Sie gab uns die Aufgabe mit unserem Partner über unser Leben zu reden. Auf Englisch natürlich.
Paul fand das natürlich toll. Er bombardierte mich geradezu mit Fragen. Was meine Hobbys waren, was meine Lieblingstiere waren, welch Blumen ich mochte, sogar auf welche Art von Typen ich stand. Bei der letzten Frage wurde ich rot und sagte gar nichts. Er hat dann auch aufgegeben, hat dabei aber gegrinst. Die Stunde war richtig lustig.
Ich erfuhr auch etwas über ihn. Er hatte eine Schwester und einen Bruder, die ich kennen lernen konnte, wenn wir uns mal verabreden würden. Seine Eltern waren geschieden und er lebte mit seinen Geschwistern bei seiner Mutter. Das fand ich traurig, denn ich liebte meine Eltern beide und ich würde mich nicht entscheiden können zu wem ich gehen würde, wenn meine Eltern sich trennen würden, aber er hasste seinen Vater. Sein Vater war Alkoholiker und nahm Drogen. Paul liebte die Musik. Er spielte Schlagzeug und ein wenig Gitarre und tanzte. Was er tanzte wusste ich nicht. Mehr erfuhr ich erst einmal nicht über ihn, denn es klingelte zur Pause.
Ich zog mich schnell an, nahm meine Sachen und lief zu dem Platz, bei dem Christina und ich uns immer trafen.

4. Kapitel



Ich sah sie schon von weitem. „Hey Süße!“, rief ich ihr zu und umarmte sie.
„Hey! Wie war Schule bis jetzt so?“
„Gut. Ich muss dir unbedingt was erzählen. Ich...“ Ich stockte als ich Christinas Blick sah. „Was ist?“
„Ähh...“ Plötzlich sah ich nichts mehr, denn jemand hielt mir die Augen zu. Ich schrie auf und schlug nach hinten um denjenigen zu treffen, der mir die Augen zuhielt.
„Hey! Stop! Hör sofort auf damit!”, rief die Stimme.
„Paul?“, rief ich schrill und hörte sofort auf zu schlagen.
„Na endlich hat sie mich erkannt!“, brummte Paul. Ich lachte.
„Hey Christina“, sagte er jetzt.
„Hey Paul!“, sagte Christina und sah mich neugierig an. Ich sah sie an und formte mit den Lippen: „Erklär ich dir später!“
Ich sah wieder auf die Uhr. Scheiße noch 3 Minuten bis zum Unterrichtsbeginn. Wieso musste ich heute eigentlich immer zu fast zu spät zum Unterricht kommen?
„Komm Paul wir müssen zur Sporthalle. Jetzt kommen wir wieder zu spät zum Unterricht.“, seufzte ich.
„Wieso schon wieder?“, fragten Paul und Christina gleichzeitig. Sie sahen sich an und lachten.
„Ist doch jetzt egal. Komm schon! Bye Süße.“, rief ich und rannte los. Paul hinter mir her.

Wir erreichten die Sporthalle gleichzeitig mit unserem Sportlehrer Herr Kranz. Ich hatte ein zweites Mal Glück gehabt. Wir zogen uns um und gingen dann in die Halle.
Herr Kranz ließ uns 7 Runden laufen, damit wir warm wurden. Ich lief ganz vorne. Ich hatte Lust mich auszutoben. Ich blieb stehen als ich meine Runden fertig gelaufen hatte und wartete darauf, dass die anderen fertig wurden.
Unser Thema in Sport war gerade Tanzen. Ich hatte dort einen Riesen Vorteil. Niemand in meiner Klasse machte Partnertänze, deshalb musste ich die Tänze immer mit meinem Lehrer vortanzen, was mir total peinlich war.
Heute war Männerwahl. Die Jungs trauten sich alle nicht wirklich auf die Mädchen zuzukommen und die Mädchen kicherten wie kleine Kinder. Ich verdrehte die Augen. Ich sah zu Paul. Oder besser gesagt, dahin wo Paul bis eben gestanden hatte. Wo war er bloß? Jemand tippte mir auf die Schulter. Ich zuckte zusammen und drehte mich schnell um. Dort stand Paul. „Mann bist du schreckhaft!“
„Sorry aber ich wüsste eben gerne wer mich anfasst. Ich habe schlechte Erfahrungen damit, wenn jemand mich von hinten antickt.“ Shit, wieso hatte ich das eben gesagt?
„Was?“
„Nichts! Was willst du?“
„Hm was machen wir wohl gerade? Hmm ich möchte mit dir tanzen!“, sagte er und verdrehte die Augen.
„Oh. Wirklich?“, fragte ich zweifelnd.
„Ja.“, sagte er bestimmt.
„Okay...“ Ich sah zu den anderen Mädchen. In den meisten Augen sah ich Eifersucht in denen von Tina und Emma blinde Wut. Oh nein. Ich würde wirklichen Stress mit den beiden bekommen. Egal. Jetzt folgte ich Paul, der mich an die Hand genommen hatte und mich in die Mitte der Halle führte.
„Kannst du überhaupt tanzen?“, fragte ich ihn.
„Klar. Ich hab dir doch gesagt, dass ich Partnertänze tanze.“, meinte er überrascht.
„Nein. Du sagtest du tanzt. Nicht was du tanzt.“, korrigierte ich ihn.
„Wirklich? Oh dann tut es mir leid. Ich tanze Partnertänze und Hip-Hop. Genauso wie du.“ „Du hast mir zugehört?“
„Natürlich habe ich dir zugehört! Was denkst du bitte von mir?“, fragte er empört, doch seine Augen glänzten.
„Ähm... Entschuldige“, sagte ich und lachte.
Herr Kranz rief durch die Halle : „Wir tanzen den Discofox . Wir haben ihn letzte Woche gelernt. Seid ihr fertig? Dann los!“ Die Musik setzte ein und Paul und ich fingen an zu tanzen. Am Anfang tanzten wir ein wenig stockend, denn wir hatten noch nie zusammen getanzt und mussten uns deswegen ein wenig an uns gewöhnen.
„Nicht so schlimm. Okay wieso tanzt ihr in Sport? Tanzen steht doch nicht ihm Lehrplan, oder?“ Er wirbelte mich herum.
„Nein. Nächste Woche Freitag ist der Sommerball deswegen tanzen wir.“
„Achso. Hast du schon ein Date für den Ball?“ Ich wurde rot.
„Was denkst du? Das jemand wie ich ein Date bekommt? Nein ich habe kein Date. Ich gehe zusammen mit Christina hin.“
„Wäre sie sehr enttäuscht wenn du mit mir hingehen würdest?“ Ich überlegte kurz.
„Nein ich denke nicht. Sie würde sich für mich freuen. Aber da das nicht passieren wird, brauchen wir uns ja keine Gedanken darüber zu machen, oder?“
„Wieso passiert es nicht? Hallo? Ich habe dich gerade indirekt gefragt ob du mit mir hingehen möchtest!“
„Du meintest das eben ernst?“, fragte ich entgeistert.
Die Musik war zuende und wir blieben stehen. „Ja habe ich! Und was sagst du?“
„Wenn du es wirklich ernst meinst... Dann ja!“
„Yeah! Dann hole ich dich am Freitag so um 19 Uhr ab okay?“
„Okay.“
Die restliche Stunde war einfach fantastisch. Ich schwebte auf Wolke 7 und protestierte auch nicht als Herr Kranz Paul und mich aufforderte den anderen etwas vorzutanzen. Wir tanzten einen Walzer. Wir hatten uns Übungszeit erbeten und sie dann auch bekommen. Als wir dann tanzten fühlte ich mich einfach toll.
Nach der Stunde ging ich langsam zur Umkleide und zog mich um. Ich bürstete mir noch meine Haare. Dann ging ich gechillt zu meinem Fahrrad. Meine Laune sank aber als ich an meinem Fahrrad ankam und sah, dass es einen Platten hatte. Na toll jetzt musste ich es nach Hause schieben. Klasse...

Ich wohnte zwar nicht weit weg doch ich fuhr lieber mit dem Fahrrad als zu Fuß zu gehen. Um meinen Weg abzukürzen ging ich durch den Wald. Klar eigentlich ging ich nicht gerne durch den Wald, denn um diese Uhrzeit war nie jemand im Wald, doch ich wollte so schnell wie möglich nach Hause.
Hinter mir hörte ich ein Geräusch, doch ich achtete nicht darauf. Ein großer Fehler! Denn plötzlich trat mir jemand gegen die Kniekehle. Ich ging zu Boden, mein Fahrrad fiel auf mich rauf. Zwei Mädchen stellten sich vor mich. Ich erkannte Emma und Tina.
„Was wollt ihr von mir?“, krächzte ich und schob mein Fahrrad von mir. Dabei kratzte ich mir meine Arme und Beine auf.
„Wir wollen, dass du dich von Paul fernhältst!“, zischte Emma und trat mir in den Bauch. „er gehört mir!“ Ich keuchte auf, vor Schmerz. Tina und Emma boxten, traten und schlugen mich, bis ich vor Schmerz aufschrie. Da standen sie auf, spuckten mich an.
„Das soll dir eine Lehre sein. Halt dich gefälligst von Paul fern! Verstanden?“ Ich nickte nur noch, denn ich hatte keine Kraft mehr zu antworten. Meine Augen tränten, doch ich wollte vor den beiden nicht anfangen zu heulen.
„Wenn du irgendjemanden verrätst was hier geschehen ist, steckst du in großen Schwierigkeiten!“, sagte Emma noch. Sie traten mir noch einmal mit voller Wucht in die Seite und liefen dann weg. Ich blieb auf dem Boden liegen und keuchte. Jetzt konnte ich meine Tränen nicht mehr unterdrücken.


So fand mich auch Paul. Verdreckt, Kleidung zerrissen, im Schmutz liegend und weinend. „Lina!“, rief er geschockt. Ich zuckte zusammen.
„Geh weg!“, schluchzte ich.
Er ignorierte mich. „Wer war das?“, knurrte er. Ich schüttelte nur weinend den Kopf und wiederholte: „Geh weg!“
Er stand auf packte meine Sachen zusammen, hängte sich meine Tasche um die Schultern. Dann hob er mein Fahrrad auf, schob es zum Zaun und schloss es ab. Danach kam er wieder zu mir und richtete mich langsam auf.
Er hob etwas vom Boden auf. „Emma!“, knurrte er und stopfte das, was er gefunden hatte in seine Hosentasche. Ich schluchzte noch doller. Paul hob mich vorsichtig auf. Ich legte meinen Kopf an seine Brust und fing an zu zittern. „Ich bring dich erst einmal zu mir. So kannst du jedenfalls nicht nach Hause.“
Nach 10 Minuten kamen wir in meiner Straße an. „Ich dachte wir gehen zu dir nach Hause. Was machen wir bei mir?“, krächzte ich.
„Du wohnst auch in dieser Straße?“
„Wieso auch?“
„Eigentlich sollte es noch ein bisschen geheim bleiben, aber ich bin wieder nach Hamburg gezogen!“
„Das ist ja toll!“, sagte ich erschöpft aber glücklich.
Paul bog in eine Einfahrt ein und ging die Treppe hoch. „Ich hoffe du verrätst es niemanden.“ „Nein. Sonst wüsste Emma ja, dass ich bei dir war und würde mich ja noch schlimmer verprügeln als eben!“ Shit, wieso hatte ich das eben gesagt?
Paul erstarrte. „Emma war es wirklich?“
„Und Tina. Wieso hast du eben Emma gezischt?“
„Ich habe einen Zettel neben dir gefunden. Ich habe ihn nicht gelesen. Ich habe nur Emmas Unterschrift gesehen. Ich gebe dir gleich den Zettel.“ Er schloss die Tür auf und trug mich ins Haus. Dann brachte er mich ins Badezimmer und setzte mich auf die Toilette. „Warte kurz hier. Ich komme gleich wieder. Ich muss nur kurz etwas holen.“, sagte er.
„Okay.“ Er sah mich noch einmal an und verschwand dann.

5. Kapitel



Als er weg war hob ich langsam mein T-Shirt hoch und sah mir meinen demolierten Körper an. Ich war wirklich demoliert. Ich hatte riesige blaue Flecken an den Seiten.
Ich betrachtete meinen Körper eingehender. Meine Arme, Beine und sogar mein Gesicht war voller blauer Flecke. Das sah ich, als ich aufstand und zum bodenlangen Spiegel ging, der im Zimmer stand.
„Oh mein Gott!“, sagte Paul von der Tür her. Ich drehte den Kopf und ließ mein T-Shirt los. „Was denn? Ist doch nicht so schlimm.“, versuchte ich zu scherzen. Er verstand es nicht sondern drehte durch.
„Nicht so schlimm? Lina dein ganzer Körper ist voller blauer Flecken.“ Er legte die Sachen, die er auf dem Arm hatte auf die Waschmaschine und kam zum mir.
„Ich werde viel zu tun haben. Zieh dein T-Shirt aus.“
„Was?“, fragte ich entgeistert.
„Ich habe gesagt...“
„Ich weiß, was du gesagt hast. Aber wieso soll ich mein T-Shirt ausziehen?“
„Ich will mir deine Verletzungen ansehen. Also los!“ Widerstandslos ließ ich zu, dass er mir das T-Shirt auszog. Jetzt stand ich nur mit BH bekleidet vor ihm. Paul holte einen Waschlappen aus dem Schrank unter dem Waschbecken. Er machte ihn nass und rieb dann sanft über meine Stellen. Es tat zwar weh, aber ich biss die Zähne zusammen. Paul trocknete mich ab. Dann drehte er sich um und holte eine Wundcreme aus dem Erste Hilfe Set und eine Bandage. Er cremte mich ein und legte mir dann die Bandage um.
„Wozu die Bandage?“, fragte ich verständnislos. Mir war es im Nachhinein ziemlich peinlich halbnackt vor ihm zu stehen. Ich meine ich kannte ihn kaum. Außerdem waren wir noch nicht einmal befreundet. Und er war ein JUNGE!
„Ich glaube deine Rippen sind geprellt. Ich gebe dir vorsichtshalber die Bandage.“ Er gab mir ein T-Shirt. „Ich schätze das sollte dir passen. Es gehört meiner Schwester.“ Ich zog das T-Shirt über den Kopf.
„Ich lass dich jetzt alleine. Auf der Waschmaschine ist noch eine neue Hose. Ich bin in der Küche. Ruf einfach wenn du etwas brauchst.“
„Okay. Danke Paul.“
„Schon okay.“ Er drehte sich um und verließ das Bad.
Ich schloss die Tür und schloss ab. Ich zog mir meine verdreckte und zerrissene Hose aus und legte sie zusammen. Ich nahm den Waschlappen und wusch mich.
Dann cremte ich meine Wunden ein und ließ die Creme einziehen. Ich zog mir die Hose von Pauls Schwester an und den Blazer über das T-Shirt. Danach widmete ich mich meinem Gesicht. Es sah noch schlimmer als eben aus. Meine rechte Wange war geschwollen, die Schminke vom Weinen verlaufen.
Ich wusch mir das Gesicht und cremte auch das ein.


Als ich fertig war, räumte ich das Badezimmer auf, nahm meine Sachen und suchte nach der Küche.
Als ich sie fand, blieb ich an der Tür stehen. Ich sah Paul beim Rühreier machen. „Hey. Wo sind meine Sachen?“
„Im Flur.“ Er drehte sich um. „Die Sachen stehen dir.“
Ich wurde rot. „Danke.“, sagte ich und flüchtete in den Flur.
Ich packte meine Sache in meinem Sportbeutel, nahm meine Bürste raus und bürstete mein Haar. Ich ließ die Haare ausnahmsweise offen. Dann ging ich wieder in die Küche.
Paul saß jetzt am Tisch. Vor ihm standen zwei Teller mit Rührei. Er wies auf den Platz neben sich.
Ich setzte mich und fragte: „Wo ist eigentlich deine Familie?“
„Meine Mum arbeitet. Meine Schwester ist bei Freundinnen und mein Bruder ist bei Verwandten.“ Er wies auf den Teller vor mir. „Lass es dir schmecken!“
„Danke.“ Ich merkte erst jetzt wie hungrig ich war. „Das schmeckt lecker!“, sagte ich überrascht.
„Danke. Wieso so überrascht?“, fragte er grinsend.
„Na ja. Ich wusste wirklich nicht, dass du kochen kannst.“, erklärte ich ihm verlegen.
„Meine Mum ist von morgens bis Abends arbeiten. Meine Geschwister und ich müssen kochen können, wenn wir nicht verhungern wollen.“
„Ah. Ich kann nicht wirklich kochen. Ich kann einfache Gerichte, wie zum Beispiel Spiegelei oder Spagetti.“, meinte ich verlegen.
„Ach wirklich? Dann...“, fing Paul an, doch da klingelte mein Handy.
Es war meine Mum.
„Tut mir leid. Das ist meine Mum.“, entschuldigte ich mich bei Paul.
Ich sah auf die Uhr. Shit, sie machte sich bestimmt schon riesige Sorgen! Ich ging ans Handy. „Ja hallo?“
„Lina! Wo bist du denn?“, fragte meine Mum schrill.
Ich verdrehte die Augen. Mütter machen sich immer so große Sorgen, wenn ihre Kinder mal nicht pünktlich nach Hause kommen.
„Ich bin bei einem Freund. Mein Fahrradreifen ist platt. Ich bin zu ihm gegangen. Tut mir leid ich hätte dich anrufen sollen. Ich komme sofort rüber.“ Ich sah zu Paul der mich beobachtete und grinste.
„Ja SOFORT!“, schrie meine Mutter. Ich würde richtigen Stress bekommen.
„Ja ich hole noch kurz mein Fahrrad und dann komme ich.“
„Lass das Fahrrad da wo es ist und komm sofort nach Hause!“
„Ja! Okay ich komme ja schon!“ Sie legte auf. Ich sah Paul entschuldigend an und stand auf. „Tut mir leid! Ich muss jetzt gehen.“
„Ja habe ich schon gehört.“, sagte er grinsend. Ich ging in den Flur.
An der Tür drehte ich mich noch einmal zu ihm um und umarmte ihn scheu. „Danke noch einmal.“
„Bitte. Dafür musst du mir deine Nummer geben!“, sagte er.
„Okay. Mach ich.“ Ich gab ihm meine Handynummer und meine Hausnummer und bekam dafür seine. Ich verabschiedete mich von ihm und ging nach Hause.

Meine Mutter wartete schon auf mich. „Wo warst du?“, rief sie.
„Ich sagte doch. Bei einem Freund.“, antwortete ich geduldig.
„Und das ohne mir Bescheid zu sagen? Ich habe mir Sorgen gemacht! Wer war es?“
Zum Glück brauchte ich nicht zu antworten, denn in diesem Moment klingelte ihr Handy. Sie sah auf den Bildschirm und seufzte. Wieder ein Notfall in der Klinik.
Diesmal war ich froh darüber. Dann brauchte ich meiner Mutter wenigstens nicht erklären, wieso ich zu Paul gegangen bin.
„Wir reden noch!“, sagte sie noch bevor sie aus dem Haus ging. Sie hatte vor Wut noch nicht einmal bemerkt, dass ich nicht meine Klamotten anhatte. Ich seufzte auf.
Ich ging in mein Zimmer und da klingelte mein Handy. Ich hatte eine SMS bekommen. Von Paul. „Und lebst du noch?“
Ich lachte und schrieb zurück: „Ja zum Glück gab es einen Notfall in der Klinik!“
„Ein Glück. Hätte sie dich umgebracht?“
„Ich habe keine Ahnung! Ich geh auf Facebook on. Kommst du auch?“ Nach 2 Minuten kam die Antwort: „Bin schon on. ;)“ Ich antwortete nicht mehr.
Ich nahm mir eine Cola und ein paar Süßigkeiten und ging in mein Zimmer. Ich nahm eine Schmerztablette gegen die Schmerzen, die ich bekommen hatte.
Ich legte meinen Laptop auf das Bett und schaltete in an. Während er hochfuhr holte ich mir neue Klamotten aus dem Schrank.
Dabei fiel mein Blick auf die Uhr und dann auf mein Plan für heute. Scheiße! Es war 15 Uhr und ich hatte um 16 Uhr Hip-Hop! Ich musste mich beeilen. Ich packte meine Tasche und meldete mich kurz auf Facebook an. Paul schrieb mich sofort an und ich erklärte ihm, was ich heute vorhatte. Danach ging er off und ich kurz danach auch. Ich zog mir neue Klamotten an und sah wieder auf die Uhr. Zwanzig nach drei. Ich musste los, wenn ich nicht zu spät kommen wollte. Ich musste ja zu Fuß laufen, denn mein Fahrrad war ja Schrott.

Es klingelte an der Haustür. Schlechtes Timing. Heute geht´s echt nicht. Ich schnappte mir meine Tasche und rannte die Treppe nach unten. Ich musste mich beeilen! Ich riss die Tür auf. Vor mir stand Paul.
„Hey! Sorry keine Zeit. Ich muss zum Tanzen.“, sagte ich entschuldigend und wollte weiter gehen. Doch Paul stellte sich mir in den Weg.
„Ich bin hier um dich mitzunehmen. Du hast doch kein Fahrrad.“
„Und wie willst du das anstellen?“, fragte ich verständnislos.
„Du kommst hinten auf meinen Gepäckträger.“
„Okay. Dann los wir müssen uns beeilen!“ Paul nahm meine Hand und wir rannten zu seinem Fahrrad. Er stieg auf, doch ich betrachtete das Fahrrad noch kritisch. Ob das wirklich so sicher war? Ich weiß nicht...
„Komm jetzt!“, sagte Paul ungeduldig. Ich stieg schnell hinter ihm auf und klammerte mich an ihm fest. Er fuhr los, lachte aber dabei.
„Angst, kleine?“
„Nur ein bisschen.“ Er lachte noch immer und fuhr schneller. Ich schrie leise auf.
„Hör auf! Fahr langsamer!“, rief ich panisch. Er lachte aber er fuhr langsamer. Na endlich.
Ich seufzte auf und bedankte mich bei ihm. Hoffentlich konnte ich mich darauf verlassen, dass wir keinen Unfall bauten. Wie zum Beispiel mit dem Fahrrad vorne über kippen oder so etwas in der Art.

Wir kamen ohne einen Unfall zu verursachen an der Halle an.
Es war 15:45 Uhr. Ich hatte also noch eine viertel Stunde Zeit. Ich bedankte mich bei Paul und wollte mich verabschieden.
„Denkst du wirklich, dass ich jetzt gehe? Ich will dir doch beim Tanzen zugucken!“ Mir klappte der Mund auf.
„Wieso?“, fragte ich als ich meine Stimme wiedergefunden hatte.
„Ich muss doch darauf aufpassen, dass du dich nicht überanstrengst. Du bist heute gerade erst verprügelt worden! Und deine Rippen sind wahrscheinlich geprellt. Außerdem möchte ich sehen, wie du deinen süßen kleinen Hintern bewegst.“, fügte er mit einem schelmischen Grinsen hinzu. Ich errötete.
„Das meinst du doch nicht ernst. Das ist nicht wirklich der Grund. Sag mir den wirklichen.“, verlangte ich.
„Das waren die Gründe. Na ja einen habe ich noch. Wenn mir die Tanzstunde gefällt, melde ich mich vielleicht auch mit an.“ Ich lachte. Das war also der Richtige Grund! Ich hatte doch gewusst, dass die Gründe, dass er hier bleiben wollte egoistisch waren.
„Du kannst nicht hier bleiben!“, stieß ich hervor, als mir etwas ganz entscheidendes einfiel.
„Wieso nicht?“, fragte er verständnislos. Ich sah ihn mit leeren Augen an.
„Emma und Tina tanzen auch hier.“, flüsterte ich.
„Oh.“ Er überlegte. „Ich bleibe trotzdem hier. Ich muss eben dann immer in deiner Nähe bleiben. Dann kann sie dir auch nichts tun.“, sagte er leichthin.
„Du kannst mich doch nicht überallhin begleiten.“, protestierte ich.
„Na ja aber zu fast allem. Zur Schule, von der Schule nach Hause und so.“
„Aber du hast auch dein eigenes Leben.“
„Wir werden uns was einfallen lassen.“, meinte er und zog mich zum Eingang.

Es war inzwischen 15:55 Uhr.
Ich ging in die Umkleide und zog mich um. Dann ging ich mit den anderen in die Halle und wärmte mich auf. Ich spürte dabei die ganze Zeit den Blick von Paul in meinem Rücken. Sein Blick war mir irgendwie unangenehm.
Danach kam unser Gruppenleiter Marco und hinter ihm natürlich Tina und Emma.
Sie warfen mir beide einen vernichtenden Blick zu und gingen in Position. Doch dann bemerkten sie Paul, sahen mich finster an, blickten dann zu Paul und strahlten ihn an.
Er beachtete sie nicht und sah mich durchdringend an und zeigte auf seine Rippen. Ich lächelte ihm zu und schüttelte den Kopf. Dank der Schmerztabletten fühlte ich meine Schmerzen nicht.
„Los. Wir fangen mit der „She doesen´t mind- Choreographie“ an.”, rief Marco jetzt. Seine Stimme hallte durch die Halle.
Ich liebte diese Choreographie! Ich stellte mich auf meinen Platz. Marco machte die Musik an und wir tanzen los. Ich sah zu den beiden Tussen Emma und Tina.
Sie tanzen total falsch. Ich schüttelte den Kopf und machte weiter.
Nach dem Tanz ging ich lächelnd zu Paul und nahm das Trinken entgegen, was er mir entgegenstreckte.
Ich dankte ihm und trank einen Schluck.
Dann sank meine Laune als Tina und Emma kamen und Paul überschwänglich begrüßten. Emma umarmte ihn sogar. Paul löste sich mit einem angewiderten Blick von ihr und ich musste mich auf die Lippen beißen um nicht laut loszulachen. Falls Emma enttäuscht war, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie sah mich freundlich an.
„Lina? Können wir reden?“
„Klar. Was möchtest du?“, fragte ich mit zuckersüßem Lächeln.
„Unter vier“, sie sah auf Tina. „sechs Augen?“
„Was willst du mir denn erzählen, was Paul nicht hören darf?“
„Ein Mädchengeheimnis. Das darf er nicht hören.“ Sie wandte sich zu Paul um. „Du verstehst das doch bestimmt.“
Paul sah mich an und nickte langsam. „Okay dann beeilt euch. Ihr macht bestimmt gleich weiter.“
„Natürlich.“ Ich ging an Emma vorbei zum anderen Ende der Halle. Sie und Tina folgten mir. Sie sahen mich ernst an und stellten sich so vor mich, dass Paul ihre Gesichter nicht sehen konnte.
„Haben wir dir nicht klar genug gesagt, dass du dich von Paul fernhalten sollst?“
„Doch habt ihr. Doch ich habe mich nicht mit ihm getroffen. Er hat mich darum gebeten mitkommen zu dürfen, weil er eine Tanzschule sucht an der er tanzen kann. Und ich habe ja gesagt.“ Emma sah so aus, als wollte sie vor Wut platzen.
„Das wirst du noch bereuen! Du sollst dich doch von ihm fern halten!“, zischte sie.
„Weiß er, dass wir dich so zugerichtet haben?“, wollte Tina wissen.
„Nein. Ich hab ihm nichts gesagt.“
„Das glaube ich nicht.“
„Dann nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern und ging wieder zu Marco.

Wir machten noch zwei Choreos dann übten wir den neuen Tanz zum Song „Breathing“ von Jason Derulo, den wir letztes Mal angefangen hatten.


Nach der Stunde machte ich mich so schnell wie möglich fertig und rannte zu Paul. Er lachte als er mich sah. Ich sah ihn mit verständnislosem Blick an.
„Was ist?“
„Nichts. Alles gut.“, sagte er immer noch lachend und hob mich hoch um mich herumzuwirbeln.
Ich lachte, doch dann stieß ich zischend den Atem aus. Meine Rippen protestierten gegen diese Behandlung. Paul ließ mich sofort langsam auf den Boden und sah mich besorgt an.
„Alles in Ordnung?“, fragte er besorgt. Hinter ihm sah ich Emma und Tina.
„Ja alles gut.“
Mir wurde kalt. Es war schon 18:30 Uhr und die Sonne ging langsam unter. Das ich zitterte lag nicht nur daran, dass es kalt war und ich so blöd war heute nur ein T-Shirt anzuziehen, sondern auch an Emma und Tina. Musste ich mich jetzt bis zum Ende meines Lebens vor den beiden fürchten und mich ängstigen, dass sie mich erneut angriffen? Ich hoffte nicht. Ich fing an zu zittern.
„Nichts wie weg von hier.“, sagte ich bibbernd. Paul zog seine Jacke aus und streckte sie mir entgegen. Ich schüttelte den Kopf, lächelte aber dabei. Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und sagte: „Du willst dich also unbedingt erkälten. Bitte zieh die Jacke an.“ Ich zog ihn zu seinem Fahrrad.
„Nein ich möchte mich nicht erkälten, aber die beiden Tussen stehen hinter uns und wenn ich mir jetzt deine Jacke nehme oder hinter dir auf das Fahrrad steige, bringen sie mich bei der nächsten Gelegenheit um.“ Paul nickte verstehend.
„Ich fahre ein Stück vor, sodass sie uns nicht mehr sehen können und warte dann auf dich okay?“ Ich nickte.
„Tschüss Paul. Kommst du eigentlich Montag zur Schule?“, fragte ich so laut, dass die beiden Mädchen hinter uns, uns hören konnten.
„Tschüss Lina. Ja ich komme Montag zur Schule. Bis dann.“, sagte er ebenso laut, stieg auf sein Fahrrad und fuhr los.
Ich ging in die gleiche Richtung. Nachdem ich Tina und Emma nicht mehr sehen konnte lief ich schneller. Ich wollte so schnell wie möglich wieder nach Hause. Paul wartete an einer Straßenecke auf mich. Er streckte mir wieder seine Jacke entgegen und diesmal zog ich sie an. Ich stieg hinter ihm aufs Fahrrad und er fuhr los.
„Los James. Schnell nach Hause.“, sagte ich gespielt ernst. Paul lachte und antwortete aber ebenso ernst.
„Natürlich Prinzessin.“ Ich lachte, als er mich mit Prinzessin ansprach.
„Wieso Prinzessin?“, fragte ich ihn.
„Nur so. Bestimmt siehst du wie eine Prinzessin in deinem Ballkleid aus.“ Ich wurde wieder rot. Zum Glück konnte er es nicht sehen.
„Ich habe noch kein Ballkleid.“
„Wirklich nicht?“, fragte er überrascht.
„Nein. Ich gehe morgen in die Stadt und kaufe mir eins.“
„Ich komme mit. Ich brache ein neues Hemd, dass zu deinem Kleid passt.“
„Ich glaube nicht, dass du so lange brauchst um ein Hemd zu finden. Ich und Christina werden Stunden brauchen um welche zu finden.“
„Du gehst mit Christina in die Stadt?“
„Ja. Wir haben uns verabredet um Kleider zu finden und ein wenig zu quatschen.“
„Na dann komme ich eben als euer Tütenschlepper mit.“, sagte er.
„Wie süß. Paul als Tütenschlepper.“ Ich kicherte bei der Vorstellung wie Paul hinter uns herrannte mit Tausenden von Tüten in den Händen.
„Was ist so lustig?“, brummte er.
„Nichts!“, kicherte ich.
„Ach wirklich?“, hakte er nach.
„Nein. Wirklich nicht.“, beteuerte ich ehrlich.


Wir kamen an unserer Straße an. Paul hielt vor unserem Haus. Im Haus brannte Licht. Das hieß meine Eltern waren Zuhause.
Ich stieg vom Fahrrad.
„Tschüss Paulchen!“ Er fing an zu grinsen.
„Ciao Linchen!“ Ich grinste zurück.
„Schönes Wochenende.“
„Danke gleichfalls.“, entgegnete er. Ich umarmte ihn schüchtern. Er war so gar nicht schüchtern. Er küsste mich auf die Wange. „Schlaf schön Prinzessin. Ich bringe dir morgen etwas für deine Rippen.“
„Vergessen? Meine Mutter ist Ärztin. Ich kann sie um etwas gegen die Schmerzen bitten.“ „Und wie willst du ihr erklären, dass du geprellte Rippen hast?“
„Äh. Gute Frage.“
„Na siehst du.“
„Okay. Dann danke!“
„Bitte. Aber dafür schuldest du mir was!“
„Okay. Dann erzähl mir was ich dir Schulde.“
„Ich überlege mir was. Jetzt geh deine Mutter sieht schon aus dem Fenster.“ Ich drehte mich zum Fenster. Die Vorhänge bewegten sich verräterisch. Ich schmunzelte. Meine Mutter wird mich nachher befragen, was ich zu dieser Stunde mit einem Jungen zu tun hatte. „Tschüss!“, rief ich und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Dann drehte ich mich um und ging ins Haus.

6. Kapitel



Im Haus erwartete mich schon meine Mutter. „Wer war das?“, fragte sie barsch.
„Ein Freund von mir. Bei ihm war ich auch heute Nachmittag.“
„Achso. Ist das seine Jacke?“ Ich sah an mir herunter. Ich hatte wirklich noch seine Jacke an. Ich wurde rot. „Ja das ist seine. Mir war kalt, denn ich hatte nur ein T-Shirt an und er hat mir seine Jacke gegeben.“
„Ah ja?“, fragte meine Mutter interessiert.
„Was, ah ja?“, fragte mein Vater, der gerade hinzugekommen war. Sein Blick fiel auf die Jacke von Paul und sein Blick wurde hart.
„Wessen Jacke ist das?“, knurrte er.
„Die ist von einem Freund. Mama kann es dir erzählen. Ich bin müde. Gute Nacht.“ Ich küsste meine Eltern auf die Wange und ging hoch in mein Zimmer.
Ich zog mich aus und ging duschen. Danach war ich noch müder als vorher. Ich gähnte, doch ich wollte noch eine SMS an Paul schreiben und mich bei ihm entschuldigen, dass ich noch seine Jacke hatte.
Also schrieb ich ihm: „Hey Großer! Tut mir leid. Ich hab noch deine Jacke! Ich bring sie dir morgen Nachmittag vorbei und hole mir gleich die Medizin ab, okay? Gute Nacht. Schlaf schön und träum was süßes!“ Ich schickte sie ab. Gleich danach bereute ich es. Wieso schrieb ich ihm so ein Blödsinn? Was musste er nur von mir denken? Ich schämte mich. Kurze Zeit später bekam ich gleich zwei SMS.
Die eine war von Christina, die andere von Paul. Ich öffnete natürlich erst die von Paul.
Er schrieb: „Hey Kleine! Echt süß von dir mir eine Gute-Nacht SMS zu schicken! Ich freu mich schon! Hab auch eine kleine Überraschung für dich, aber wolltest du nicht mit Christina shoppen gehen?. ;) Schlaf gut und träum was Süßes!“ Ich lächelte. Dann öffnete ich die SMS von Christina.
Sie schrieb: „Hey Süße. Ich kann morgen erst ab 15 Uhr. Muss noch auf meinen Bruder aufpassen! Tut mir leid. Treffen wir uns um 15 Uhr am Bahnhof?“
„Okay nicht schlimm. Wollte mich sowieso noch mit Paul treffen, bevor wir shoppen gehen. Und vielleicht kommt er morgen mit zum shoppen! Ja wir treffen uns am Bahnhof um 15 Uhr. Komm nicht zu spät!“, schrieb ich ihr zurück. Sie schrieb mir nicht zurück und ich legte mich von Müdigkeit übermannt ins Bett und schlief ein.


Ich wachte auf. Das war ja mal ein schräger Traum gewesen. Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich so eine blühende Fantasie hatte. Ich sah auf die Uhr. 9 Uhr. Welcher Tag war heute? Ach ja. Samstag.
Ich stand langsam auf und zog mich an. Ich entschied mich für eine schwarze Jeans und einem dunkelblauen T-Shirt mit dem Aufdruck: „I <3 MUSIC!“. Ich schminkte mich dezent und bürstete meine Haare. Ich machte mir einen Dutt und ging dann nach unten.
„Guten Morgen!“, trällerte ich meinen Eltern entgegen, die am Esstisch saßen.
Sie sahen mich ernst an. Mein Lächeln gefror.
„Was ist los?“ Meine Mum deutete auf den Platz gegenüber von ihnen. Ich setzte mich und hatte ein komisches Gefühl.
„Wir müssen reden. Du bist jetzt in dem Alter, wo man sein erstes Mal hat und...“
Ich unterbrach sie. „Darüber wollt ihr reden? Ohne mich.“ Ich wandte mich an die beiden. „Das haben wir doch schon besprochen! Bitte verschont mich!“
Meine Eltern lachten. „Okay.“, lenkte mein Vater ein. „Dann wollen wir wissen, wer der hübsche junge Mann ist, der dich gestern nach Hause gebracht hat.“
Ich wurde rot. Nein! Sie wollten doch nicht wirklich mehr über ihn erfahren, oder?
Um noch ein wenig Zeit zu schinden stand ich auf und holte mir eine Schale aus dem Schrank. Ich holte mir noch Müsli, Milch und einen Löffel und setzte mich dann wieder an den Tisch. „Und?“, fragte mein Vater und zog das Wort in die Länge.
„Das ist Paul. Er ist vor zwei Jahren von hier weggezogen und hat jetzt frei und möchte uns besuchen.“ Ich verstummte. Mehr wollten sie doch nicht wissen. Oder?
Doch wollten sie.
„Warum hat er dich gestern nach Hause begleitet?“, fragte meine Mutter.
„Wie ist er so?“, fragte mein Vater gleichzeitig. Ich hob die Hände.
„Verschont mich!“, rief ich lachend, doch ich hörte sofort wieder auf als mein Blick auf die Gesichter meiner Eltern fiel.
„Was ist denn?“, fragte ich verwundert. Meine Mutter zeigte zitternd auf meine Arme.
„Was ist das da?“ Ich sah auf meine Arme. Auf meinem rechten Arm war ein faustgroßer blauer Fleck. Auf dem linken sogar zwei.
Ich Idiot! Wieso hatte ich nur ein T-Shirt angezogen?
„Nichts!“, sagte ich schnell. „Ich bin gegen die Tür gelaufen.“
„Ach ja? Das sieht aber nicht so aus.“, hakte meine Mutter misstrauisch nach.
„Doch der auf dem rechten Arm kommt von der Tür. Die anderen beiden... Ich habe keine Ahnung. Ich habe noch nicht einmal gewusst, dass ich dort zwei habe.“, log ich.
Meine Eltern gaben sich zufrieden. Vorerst. Ich sah auf die Uhr. 11 Uhr. Ich stand auf und räumte die Sachen weg.
„Ich muss los!“, sagte ich und gab meinen Eltern einen Kuss auf die Wange.
„Wohin?“, fragte mein Vater verwundert. Meine Mutter aber lächelte wissend.
„Gehst du etwa zu diesem Paul?“, fragte sie neugierig.
„Ja. Tu ich und danach gehe ich mit ihm und Christina in die Stadt shoppen. Dass erinnert mich an etwas.“ Ich sah meine Eltern flehend an.
„Oh nein. Ich weiß was dieser Blick heißt...“, sagte mein Vater.
„Bitte!“, flehte ich. Ich sah sie mit einem so guten Hundeblick an, da konnten die beiden gar nicht wiederstehen.
„Na gut.“, gab mein Vater nach. Er nahm sein Portmonee aus seiner Jeans und holte einhundert Euro raus. „Hier.“, brummte er.
„Danke, danke, danke!“, kreischte ich und umarmte ihn.
„Schon gut, schon gut. Kauf dir etwas schönes Kleine.“ Meine Mutter kam wieder ins Zimmer. Wann war sie denn rausgegangen? Sie drückte mir einen zweihundert Euroschein in die Hand.
„Bitteschön.“, seufzte sie.
„Danke!“, rief ich und umarmte sie.
„Geh schon los!“, sagte meine Mutter und wedelte mit der Hand.
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und stürmte in mein Zimmer. Ich stopfte das Geld in mein Portmonee und dieses packte ich in meine Tasche. Genauso wie meine Schlüssel, mein Handy und meine Kamera. Ich hatte auch Stift und Papier in der Tasche. Man wusste ja nie wann man so etwas brauchen würde. Ich packte noch schnell mein Lipgloss und meine Wimperntusche in die Tasche und rannte dann nach unten.
„Bis später! Ich weiß noch nicht wann ich zurück bin!“, rief ich. Meine Eltern wünschten mir noch viel Spaß und ich ging aus dem Haus.
Bei mir hatte ich die frisch gewaschenen Klamotten von Pauls Schwester und seine Jacke.
Diesmal hatte ich meine eigene Jacke mitgenommen.

Ich ging über die Straße zu seinem Haus, klingelte bei ihm und wartete. Eine Frau mittleren Alters machte die Tür auf. Ich schätzte sie so auf die 36 Jahre. Sie war groß, hatte blonde Haare und blaue Augen. „Hallo. Du muss Lina sein. Komm doch rein.“, sagte sie gerade. „Danke.“, sagte ich und trat ins Haus.
„Paul Besuch für dich!“, rief sie durch das Haus. Ich hörte Paul die Treppe runter laufen und fing an zu lächeln.
Als er auf der Treppe erschien fing ich an zu lachen. Paul und seine Mutter sahen mich verwirrt an.
„Hey Paul. Äh schicke Boxer Shorts!“, lachte ich. Paul sah an sich herunter und wurde rot. „Ich komme gleich wieder!“, sagte er und verschwand die Treppe rauf. Seine Mutter sah mich grinsend an und ich grinste zurück.
„Komm wir gehen ins Wohnzimmer.“, sagte Pauls Mutter, die Larissa hieß, wie ich später erfuhr.
Im Wohnzimmer saßen auch seine beiden Geschwister. Sie waren eineiige Zwillinge und glichen sich, wie ein Ei dem anderen. Sein Bruder hieß Mike und seine Schwester Selena. Die beiden waren 15 Jahre alt und hatten schwarze Haare und dunkelbraune Augen. Sie sahen ein wenig Spanisch aus und hatten gar nichts mit ihrem Bruder gemeinsam, der blonde Haare hatte und blau-graue Augen hatte. Ich gab Selena ihr Sachen wieder und bedankte mich noch einmal.
Sie wehrte ab und meinte: „Nichts zu danken!“
Wir saßen ein wenig zusammen und redeten über die Schule und andere Dinge. Ich mochte seine Familie. Sie waren so natürlich und nahmen kein Blatt vor den Mund. Sie kamen sehr sympathisch rüber.
„Wo bleibt Paul denn? Der braucht doch niemals so lange um sich eine Hose anzuziehen!“, grinste Mike, gerade als Paul ins Wohnzimmer kam.
„Nein aber um mich umzuziehen, mein Zimmer aufzuräumen und ordentlich auszusehen.“, sagte er jetzt. Er kam an den Tisch und sah mich an. „Kommst du?“
„Klar wohin?“, fragte ich.
„In mein Zimmer.“
„Ich komme!“, sagte ich und stand auf. „Bis später!“, sagte ich zu seinen Geschwistern und seiner Mutter. Sie winkten mir zu und Paul führte mich in sein Zimmer.
Wir legten den Weg schweigend zurück. Vor einer Zimmertür im 2. Stock blieben wir stehen. Paul stieß die Tür auf und ließ mir den Vortritt. Ich ging hinein.

Sein Zimmer überraschte mich. Es war nicht das übliche Jungszimmer. In üblichen Jungszimmern gab es doch immer Plakate von ihren Lieblingsfußballstars oder halbnackten Frauen. (Was ich noch nie verstanden hatte. Warum hatten die halbnackte Frauen in ihrem Zimmer?)
Sein Zimmer war ganz anders. Das erste, was mir auffiel war das riesige Bücherregal. Ein Schlagzeug und eine Gitarre standen in einer Ecke des Zimmers. Das Bett war an der Seite hinter der Tür. Sein Kleiderschrank war groß. Zwar nicht so groß wie meiner aber schon ganz schön groß. Sein Schreibtisch war überseht mit Papieren und war der einzige Ort, wo Unordnung herrschte. Er hatte auch einen Balkon von dem man einen wunderbaren Blick auf den gepflegten Garten hatte. Und das überraschendste: Es war aufgeräumt. Alles war auf seinem Platz. Egal ob es seine Klamotten oder seine Pokale waren. Alles hatte seine Platz. Es war alles hell und offen. Ich fühlte mich sofort wie Zuhause. Paul, der neben mir stand, lachte leise. „Überrascht?“, fragte er.
„Ein bisschen.“, gab ich zu.
„Wieso?“, fragte er interessiert.
„Na ja. Das Zimmer ist so aufgeräumt. Und du hast Bücher! Ich wusste gar nicht, dass Jungs Bücher haben. Na ja abgesehen natürlich von den Schulbüchern.“
„Oh. Ja meine Freunde haben ein paar Bücher. Ich aber liebe Bücher und habe deswegen so viele.“, erklärte er.
„Achso!“ Während ich auf das Bücherregal zuging, ging Paul zu den beiden Sitzsäcken in der Ecke und ließ sich in einen reinplumpsen. Ich studierte sein Bücherregal. Er hatte alles. Horror, Fantasy, Historisches und Comics. Sogar Liebesromane.
„Liebesromane?”, kicherte ich.
„Ja. Kitsch ist doch hin und wieder mal ganz gut. Findest du nicht?“
„Doch schon. Ich liebe Kitsch. Aber du bist ein Junge! Ein Junge, der Liebesromane ließt?“, fragte ich.
„Ja ich weiß. Ein bisschen komisch.“ Ich hatte inzwischen Romeo und Julia entdeckt. Romeo und Julia war eins meiner Lieblingsdramen. Ich mochte auch andere Stücke von Shakespeare, wie zum Beispiel Ein Sommernachtstraum oder der Kaufmann von Venedig.
„Lässt du das Bücherregal mal bitte in Ruhe und kommst zu mir?“, fragte Paul ungeduldig. Ich drehte mich zu ihm um. „Natürlich.“, antwortete ich. Ich setzte mich zu ihm in den anderen Sitzsack. „Hier ist deine Jacke.“, sagte ich und warf sie ihm zu.
„Danke!“
Ich umfasste die Kette von meinem Opa. Ich fragte mich, was er gerade machte. Sah er mir zu? Wachte er über mich und meine Familie. Was würde er wohl sagen, wenn er mich hier mit Paul sehen würde? Würde er sich für mich freuen oder würde er mir einen Vortrag halten, dass ein Mädchen in meinem Alter keinen Freund haben sollte?
Ich bemerkte, dass Paul mich beobachtete und sprang auf.
„Los lass uns...“, weiter kam ich nicht, denn mir wurde schwarz vor Augen und ich sackte zu Boden. Dann bemerkte ich gar nichts mehr.


Ich wachte mit einem Schrei auf. Ich war schweißgebadet und zitterte.
Wo war ich? Was machte ich hier? Ich lag auf einem Bett mit blauem Bezug.
Jetzt fiel es mir wieder ein. Ich war bei Paul. Oh mein Gott war das peinlich! Ich war einfach in Ohnmacht gefallen und das du wegen so einem merkwürdigen Traum.
Ich setzte mich auf. Mir wurde schwarz vor Augen.
„Lina! Du bist wach!“, sagte eine Stimme vor mir. Ich blinzelte um wieder klar sehen zu können. Paul stand vor meinem Bett. Na ja ich glaube es war sein Bett aber egal.
„Wie spät ist es?“, krächzte ich. Meine Stimme fühlte sich an, als ob ich tagelang nichts getrunken und obendrein lange geschrieen hatte. Ich räusperte mich und Paul reichte mir ein Glas Wasser, was ich dankbar entgegennahm.
Er hockte sich vor mich. Ich trank einen großen Schluck vom frischen, kalten Wasser und wartete auf eine Antwort.
„Es ist 13 Uhr.“, antwortete er endlich auf meine Frage.
„Und was ist passiert?“, fragte ich immer noch heiser und trank noch ein Schluck Wasser. Äußerlich war ich völlig ruhig, doch innerlich tobte ein Sturm von Gefühlen. Ich hatte Angst vor der Antwort. Wahrscheinlich hatte ich irgendetwas gemacht, wie zum Beispiel etwas von seinen Sachen demoliert oder so etwas.
Paul holte tief Luft und fing an zu erzählen: „Wir hatten uns hingesetzt und du hattest mir gerade meine Jacke wieder gegeben. Das weißt du doch noch oder?“, fragte er mich. Ich nickte. Daran erinnerte ich mich noch.
„Dann bist du plötzlich aufgesprungen und wolltest mir irgendetwas vorschlagen. Da hast du mitten im Satz abgebrochen und bist in Ohnmacht gefallen. Ich sah dich am Boden und hörte dich schreien. Am Anfang dachte ich, dass du Schmerzen hättest, doch du antwortetest nicht auf meine Frage und ich hob dich auf. Da bemerkte ich, dass du ohne Bewusstsein warst und wegen etwas anderem schriest. Ich trug dich zum Bett und legte dich darauf ab. Ich wollte dich nicht wecken, denn ich wusste nicht, was du machen würdest, wenn du aufwachst. Du schriest schon wieder und das gruseligste daran war, dass es nicht so ein ängstlicher Schrei war, sondern einer von der Sorte: „Ich bring dich um!“ Und dann habe ich gewartet bis du aufwachst.“
„Und wie lange war ich denn...weg?“, fragte ich.
„Nicht lange. 10 Minuten vielleicht.“
„Und was haben deine Geschwister und deine Mutter dazu gesagt?“, fragte ich, denn ich schämte mich irgendwie, dass ich einfach ohnmächtig geworden war. Ich fragte mich wie sie auf mich reagiert hatten. Besonders, dass ich plötzlich angefangen hatte zu schreien.
„... ist bei Freunden und Mum und Selena sind zu Verwandten gefahren. Sie haben also gar nicht mitbekommen, dass du plötzlich umgekippt bist.“, erzählte er.
Ich hatte am Anfang nicht richtig zugehört, doch das machte nichts. Ich wusste ja, dass Mike gemeint war. Ich atmete auf. Zum Glück. Sie hatten das kleine Missgeschick nicht mitbekommen. Ich schloss die Augen, legte mich wieder hin und entspannte mich.
„Was hast du eigentlich geträumt?“, wollte er wissen. Ich überlegte. Ja, was hatte ich eigentlich geträumt? Ich konnte mich an nichts mehr erinnern.
„Ich hab keine Ahnung.“, antwortete ich ehrlich. Es entstand eine Pause. Sie war nicht unangenehm sondern tat wirklich gut.
„Lina?“, fragte Paul irgendwann zögerlich. „Darf ich dich etwas fragen? Es ist etwas sehr persönliches.“
„Was willst du denn wissen? Ich hoffe es ist nicht zu persönlich.“, entgegnete ich.
„Danke.“ Er machte eine kleine Pause und räusperte sich. Er war nervös bemerkte ich. Ich war neugierig und wollte wissen, was er so dringend wissen wollte.
„Also?“, fragte ich, als er nach 3 Minuten immer noch nichts gesagt hatte.
„Lina... hattest du irgendwann einmal... ach egal!“ Er brach ab.
„Okay.“, erwiderte ich und zog das Wort in die Länge. „Hattest du nicht eine Überraschung für mich?“, fragte ich ihn und lenkte so vom vorigen Thema ab, welches irgendwie nicht sehr aufschlussreich gewesen war.
„Ach ja! Hatte ich. Oder besser gesagt, habe ich!“, sagte er und sprang auf. „Kommst du?“
„Ich komme ja schon!“, sagte ich und stand langsam auf. Obwohl ich langsam aufstand, wurde mir trotzdem schwindelig, mir wurde schwarz vor Augen und ich musste mich am Bettgestell festhalten. Wisst ihr ich hasse es. Egal wie vorsichtig ich aufstand mir wurde immer schwindelig. Als ich wieder gucken konnte, sah ich Paul besorgt zu mir herübergehen. Ich schüttelte lächelnd den Kopf. Wie er sich immer um mich sorgte. Das war echt süß, doch wieso machte er das? Er wusste doch, dass wir in zwei unterschiedlichen Ligen spielten. Er war der Robert Pattinson und ich das hässliche Entlein. Obwohl... Bestimmt hat jedes hässliche Entlein mal Glück, oder? Ich hoffte es.

Paul und ich gingen hinunter in die Küche. Dort blieb Paul stehen und drehte sich zu mir um.
„Bleib hier stehen!“, forderte er.
„Okay! Ich bleib ja schon hier.“, gab ich zurück.
Er drehte sich wieder um und ging in den Garten. Ich sah mich in der Küche um. Da ich ja hier bleiben sollte ging ich zum Kuhlschrank und sah mir die Fotos an, die dort an der Tür hängten.
Eins gefiel mir so, dass ich es vorsichtig von Kuhlschrank nahm und mit ihm zum Küchentisch ging, wo ich mich hinsetzte und das Bild betrachtete.
Auf dem Bild sah ich Paul mit ungefähr 13 Jahren. Er saß auf einem Pferd. Es war schokoladenbraun und kräftig gebaut. Damit meinte ich nicht, dass das Pferd dick war, sondern kräftig genug um ein guter Springer zu sein. Es war wunderschön. Dem Bild entnahm ich, dass es Melody hieß. Das hatte eine Kinderhand in die linke Ecke des Bildes geschrieben. Ich konzentrierte mich jetzt auf Paul. Paul saß völlig entspannt auf dem Pferd als würde es ihm gar nichts ausmachen auf einem so großen Pferd zu sitzen. Er hatte Reithosen und Reitstiefel an. Außerdem trug er eine Sturzweste und einen Reithelm zu seinem Schutz.
Neben ihm saß ein Mädchen mit roten Haaren auf einem weißen Pferd. Sie passten perfekt zusammen. Also ich meine das Pferd und das Mädchen, nicht Paul und das Mädchen. Obwohl die beiden würden auch zusammenpassen. Ich schätze, dass die beiden mal ein Paar waren.
Obwohl genau wusste ich es ja nicht und ich traute mich nicht Paul danach zu fragen.
„Ah du hast also die Fotos angeguckt während ich weg war.“, stellte Paul fest. Ich zuckte zusammen und sah ihn wütend an.
„Würdest du es bitte lassen, dich immer an mich ranzuschleichen?“, fragte ich ihn, während sich mein Herzschlag langsam beruhigte.
„Okay. Wieso bist du eigentlich so schreckhaft?“
„Ich... ich bin eben so.“ Ich machte eine Pause. „Wo ist das?“, fragte ich und zeigte auf das Bild. Paul sah es sich genauer an.
„Da war ich 14 Jahre alt und hatte gerade ein wichtiges Turnier. Ich wollte unbedingt gewinnen. Doch leider habe ich es nur auf den 2. Platz geschafft.“ Er grinste mich an. „Na ja. Ich habe das Pferd geliebt, doch kurz nach dem Turnier habe ich mit dem Reiten aufgehört, da es für einen Jungen nicht wirklich cool war und ich nicht das Opfer meiner Freunde sein wollte.“
„Und wer ist die neben dir?“, fragte ich und zeigte auf das Mädchen mit den roten Haaren.
„Das ist Amilia. Meine Konkurrentin und Erzfeindin. Gegen sie habe ich auch das Turnier verloren. Ich hasse sie.“, erzählte er.
Okay das hieß wohl, dass sie kein Paar waren. Das war doch eigentlich ganz gut.
Ich sah auf die Uhr. Es war 13:45 Uhr. Lina wartete um 15 Uhr beim Bahnhof. Das hieß Paul muss mir mal die Überraschung zeigen, die er für mich hatte. Ich sah ihn erwartungsvoll an und fragte: „Und was ist jetzt mit der Überraschung, die du für mich hast?“
„Ach ja. Das vergesse ich immer wieder.“, sagte er und schlug sich gegen den Kopf. „Komm mit!“, sagte er und ging in den Garten.
Ich hängte noch schnell das Bild wieder an den Kuhlschrank und ging ihm nach.

Als ich im Garten ankam und mich umsah, fiel mir auf, dass es wirklich hübsch bepflanzt war. Überall waren Blumen und kleine Sträucher eingepflanzt. Es sah echt hübsch aus.
Paul ging zu einem Fahrrad, was dort mitten auf dem Rasen stand. Erst auf dem zweiten Blick fiel mir auf, dass es mein Fahrrad war. Nur, dass es- wie soll ich sagen- verändert worden war. Anstatt nur schwarz war es jetzt neonpink-schwarz. Mit neonpink hatte er oder wer auch immer, verschiedene Sachen drauflackiert. Wie zum Beispiel: Ein Herz, ein Peacezeichen oder Sterne. Es sah echt cool aus. Mir gefiel es. Doch was ich dann am Fahrrad entdeckte brachte mich so sehr zum lachen, dass ich mich auf den Boden fallen ließ und mich kaputtlachen musste. Ich bekam gar keine Luft mehr und mein Lachflash wurde noch schlimmer, als ich Pauls Gesichtsausdruck sah. Es sah zu schreien komisch aus. Er sah so verdutzt aus und gleichzeitig verbiss er sich ein Lachen. Als ich mich endlich beruhigt hatte stand ich auf und ging zu Paul, der jetzt grinste wie ein Honigkuchenpferd. Ich umarmte ihn und bedankte mich.
„Das ist echt hübsch beworden. Aber mussten diese Pompons am Lenker wirklich sein?“, fragte ich und unterdrückte einen neuen Lachanfall. Die Pompons waren wirklich nur etwas für kleine Mädchen.
„Was hast du denn? Sind die nicht voll stylisch?“, fragte er und ich merkte, dass er sich ein Lachen verkniff.
„Doch natürlich. Für kleine Mädchen im Alter von fünf vielleicht.“, entgegnete ich.
„Okay dann mach ich sie eben ab!“, entgegnete er und nahm sie vorsichtig vom Fahrrad ab.
„Du kannst sie ja an deinem Fahrrad ranmachen.“, lachte ich.
„Vielleicht mache ich das!“, entgegnete er völlig ernst. Das nahm ich ihm nicht ab. Niemand würde das machen. Nur wenn er eine Wette verloren hätte. Wir waren viel zu alt für so etwas. Wir alberten noch ein wenig im Garten herum und ich lernte seine Katze Icetea kennen. Sie war eine grau getigerte Katze und war total süß. Sie war echt total verspielt und hatte echt voll Spaß am leben.
Als ich das nächste Mal auf die Uhr sah, war es halb drei. Wir mussten uns langsam mal fertig machen, wenn wir nicht zu spät zu unserer Verabredung kommen wollten.

Als ich Paul daran erinnerte, dass wir ja losmüssten sprang er auf und lief in sein Zimmer. Bevor er aber abhaute rief er noch, dass er in 5 Minuten da sei. Nachher waren es dann aber 10 Minuten. Doch in den zehn Minuten hatte er es geschafft sich umzuziehen, seine Tasche zu packen und sein Zimmer aufgeräumt, damit seine Mutter nicht durchdrehte, wenn sie später nach Hause kam.
Ich fand es echt gut, dass er so ordentlich war. Ich hasste Jungs, die unordentlich waren und nichts in ihrem Zimmer wiederfanden.

Wir gingen zu Fuß zum Bahnhof, denn wir hatten noch genug Zeit. Wir lachten und alberten herum, denn Paul konnte keine 5 Minuten ernst bleiben. Also jetzt nicht. Natürlich konnte er ernst bleiben... na ja ist jetzt egal.
Christina wartete schon auf uns. Sie riss die Augen auf als sie uns miteinander sah.
Paul hatte den Arm um meine Schultern gelegt und wir sahen aus wie ein Paar.
„Hey Süße!“, rief ich ihr übermütig zu.
„Hey.“, sie sah zu Paul und begrüßte auch ihn.
„Hey!“ Ich sah abwechselnd zu den beiden und musst lachen. Die beiden sahen mich überrascht an.
„Was ist los?“, fragte Christina.
„Wieso lachst du?“, fragte Paul gleichzeitig.
„Ich find es einfach zu lustig wie ihr beiden miteinander umgeht.“
„Wie meinst du das?“ Christina sah mich verständnislos an.
„Na ja. Ihr seid beide so komisch zu einander. Du zum Beispiel bist so schüchtern. So kenne ich dich gar nicht. Und du Paul weißt gar nicht was du sagen sollst.“
Die beiden sahen erst mich und dann sich gegenseitig an und fingen an zu lachen.
„Du hast Recht“, lachten sie.
„Na seht ihr und schon kommt ihr super miteinander klar.“
Wir gingen langsam zur Bahn. Wir wollten in die Stadt, denn dort waren die besten Läden.
In der Bahn alberten wir laut herum. Manche Leute drehten sich zu uns um und sahen uns böse an. Wir lachten nur weiter und kümmerten uns nicht darum. Ich meine die waren alle auch mal 17 gewesen oder nicht?“

Mitten in der Innenstadt gingen wir in einen Laden wo Abendkleider und Hochzeitskleider verkauft wurden. Ich brauchte lange aber zum Schluss hatte ich die Wahl zwischen einem trägerlosem, dunkelblauen Kleid mit Glitzersteinen am Ausschnitt. Es ging bis zu den Knien und sah mega süß aus. Das andere Kleid war Roséfarben und hatte nur einen Träger. Es war geriffelt und ging auch nur bis zu den Knien.
Ich nahm beide in die Umkleidekabinen. Als erstes das roséfarbene. Christina und Paul fanden es richtig süß und ich fand, dass es mir stand. Dann zog ich das blaue an und präsentierte es den beiden. Paul fiel fast vom Stuhl und Christina sah mich mit offenem Mund an.
„Das musst du dir kaufen!“, bestimmte sie mit einem Seitenblick auf Paul.
„Ich wusste, dass du das sagst. Aber ich kaufe beide. Denn meine Eltern und ich sind bald eingeladen und ich brauche noch ein Kleid.“ Ich sah Paul an, der echt sprachlos war.
„Und? Was meinst du? Welches Kleid soll ich nehmen?“ Paul schüttelte den Kopf und meinte: „Nimm das blaue. Ich werde mich echt nicht aufs tanzen konzentrieren können wenn du so super aussiehst. Und ich werde aufpassen müssen, dass die anderen Jungs mir nicht meine Partnerin weg nehmen.“
Jetzt war es Christina, die sprachlos war.
„Ihr geht zusammen auf den Ball?“, fragte sie.
„Ja.“, antwortete ich.
„Da habe ich aber etwas verpasst. Und wieso hast du mir das nicht gesagt?“, wollte sie wissen.
„Ich... äh... ehrlich gesagt hab ich es vergessen.“, sagte ich mit hochroten Kopf. Ich verschwand in der Umkleide um weiteren Fragen zu entgehen. Ich zog mich um und nahm die Kleider an mich. Die beiden waren nicht sehr teuer. Zusammen kosteten sie nur 150 Euro. Das war billig denn sonst kostete eins dieser Kleider so viel. Dann sah ich mich nach Schuhen um und wurde fündig. Ich fand ein paar High Heels. Es war Cremefarben und ein paar Pumps, die schwarz waren. Sie passten beide perfekt.
Jetzt war Christina dran. Sie suchte sich ein lila, eng anliegendes Kleid aus. Es passte perfekt zu ihren schulterlangen schwarzen Haaren. Sie kaufte sich auch noch passende Schuhe und eine kleine Handtasche. Eine Handtasche musste ich zum Glück nicht kaufen denn ich wusste, dass Mama passende Zuhause hatte.
Nun ging es weiter zu den Accessoires. Das dauerte nicht lange. Na ja für uns Mädchen nicht lange.

Nach zwei Stunden kamen wir dann zu einem Herren Klamottenladen. Dort gingen wir rein und wir suchten ein passendes Hemd für Paul aus.
„Lina? Du ziehst doch das blaue an, richtig?“, fragte Christina.
„Ja.“
„Okay. Dann habe ich etwas für dich Paul.“
„Wirklich?“, kam es von hinten.
„Jaaa!“
„Okay. Ich komme.“ Paul kam herangeschlendert und Christina hielt ihm ein dunkelblaues Hemd hin. Ich gab ihm noch ein schwarzes und er verschwand in der Kabine. Kurz darauf kam er wieder raus und hatte das schwarze Hemd an. Ich mochte es, denn es stand ihm richtig gut. Er drehte sich einmal und sah dann uns an.
„Und? Wie ist es?“, fragte er.
„Ich find es super.“
„Ich auch.“, meinte ich.
„Super.“, entgegnete er. Dann verschwand er wieder und kam mit dem blauen wieder raus. Ich konnte nicht anders als loszulachen.
„Was ist den los?“, verständnislos sah Paul mich an.
„Das sieht so scheiße aus. Ich kann nicht mehr.“, lachte ich. Auch Christina sah Paul jetzt an. Sie war mit ihrem Handy beschäftigt gewesen und hatte dadurch gar nicht gemerkt, dass er schon fertig war mit umziehen. Sie fing auch an zu lachen.
„Zieh das sofort wieder aus!“, kommandierte sie.
„Ist es so schlimm? Ich dachte das zieh ich zum Ball an.“, grinste Paul.
„Wenn du das machst gehe ich alleine hin.“, sagte ich bestimmt mit einem Lächeln.
„Na gut dann nicht.“
Er ging weg und kam dann wieder. Diesmal in seinen Klamotten.
„Kommt Ladys. Lasst uns bezahlen gehen und dann gehen. Ich muss etwas essen. Ich hab Riesen Hunger.
„Ich auch.“, sagte Christina. Ich antwortete nicht.
„Lina? Bist du noch da?“ Christina klang ungeduldig.
„Was? Oh ja. Tut mir leid. Ich war in Gedanken.“
„Komm lass uns Essen gehen.“, sagte Christina und hakte sich bei mir unter.
„Okay.“
Zusammen gingen wir zu einem Dönerladen und bestellten uns etwas zu essen. Plötzlich bekam ich ein Anruf. Er war von meiner Mutter.
„Hey Mum!“
„Hey kleines. Wo bist du“
„In der Stadt beim Döner essen.“
„Achso. Bist du immer noch mit Christina und diesem Paul da?“
„Jap.“
„Okay. Kommst du aber bitte nach Hause? Es ist schon halb acht und ich möchte nicht, dass du so spät noch Bahn fährst.“
„Ja Mum. Ich weiß. Ich komme.“ Plötzlich hörte ich Gelächter.
„Mum? Wer ist da bei uns?“
„Timo und seine Eltern. Sie sind vor 5 Minuten gekommen. Und jetzt sitzt Timo hier uns weiß nicht was er machen soll.“
„Timo ist da?“ Ich musste lächeln.
„Ja. Das habe ich doch gerade gesagt. Hörst du überhaupt zu?“
„Ja tu ich. Und ich komme sofort. Bis gleich“ Ich legte auf.

„Ich muss los.“, sagte ich und sprang auf.
„Haben wir gehört.“, lachte Christina und stand auch auf. „Ich komme mit. Ich muss auch nach Hause.“
„Ich auch.“
„Gut dann kommt“, sagte ich ungeduldig.
Zusammen gingen wir zur U- Bahn. Die Fahrt ging schnell und eine Station vor unserer musste Christina aussteigen. Ich umarmte sie und auch Paul verabschiedete sich von ihr.
Als wir schweigend nach Hause gingen durchbrach Paul plötzlich die Stille.
„Wer ist Timo?“, wollte er wissen.
„Timo ist ein richtig guter Freund von mir. Ich kenne ihn schon so lange. Leider haben wir nicht mehr so viel Kontakt wie früher als wir noch auf der selben Schule waren. Außerdem ist er in dem gleichen Tanzkurs wie ich.“
„Und heute hat er einfach mal beschlossen zu euch zu kommen?“
„Nein. Ich glaube meine Eltern wussten schon, dass sie kommen.“
„Achso.“ Plötzlich klingelte sein Handy.
Er sah mich entschuldigend an und ging ran.
„Hey Mama.“
„... Klar....“
“...Nein ist nicht schlimm. Viel Spaß!“
„... Ja... Bye!“ Er legte auf.
„War das deine Mutter?“, fragte ich neugierig.
„Nein ich sag zu meinen Kumpels Mama!“, sagte er ironisch.
„Oh Sorry. Was wollte sie denn?“
„Sie wollte nur sagen, dass sie mit meinen Geschwistern bei meiner Tante ist und sie erst morgen Abend wieder kommen.“
„Oh. Das heißt du bist ja ganz alleine Zuhause.“
„Ja. Und ich werde mich langweilen“, seufzte er.
„Du könntest ja eins deiner Kitschbücher lesen“, kicherte ich.
„Gute Idee. Und einen Film gucken und Musik hören und...“
„Ich hab es verstanden“, unterbrach ich ihn.
Wir kamen bei mir Zuhause an.
„Okay bis dann“, sagte ich.
„Bis dann. Wir sehen uns. Hast du morgen Zeit?“
„Nein. Ich geh mit Timo ins Kino.“
„Achso. Na dann viel Spaß!“ Bildete ich mir das ein oder klang er enttäuscht?
„Danke. Dir auch. Schmeiß doch eine Party“
„Nein lieber nicht. Ich bin nicht so der Partytyp.“
„Ich auch nicht. Na ja okay dann bis dann.“ Er kam auf mich zu und umarmte mich. Und nicht nur das. Er gab mir auch einen Kuss auf die Stirn.
„Gute Nacht kleine.“, flüsterte er und ging und ließ mich mit hoch roten Kopf zurück. Ich drehte mich um und klingelte an der Tür. Mein Vater machte die Tür auf und umarmte mich.
„Hallo kleine!“, begrüßte er mich. Er nannte mich genauso wie Paul es getan hatte. Ich lächelte und ging ins Wohnzimmer.

7. Kapitel



Ich begrüßte die Eltern von Timo und Timo sprang auf und rief: „Na endlich! Du hast mich gerettet. Die Erwachsenen reden auch nur über so einen Scheiß.“
Ich lachte und umarmte ihn.
„Hey Timo. Lange nicht gesehen“
„Nur letztens beim Tanzen.“
„Richtig. Komm lass uns hoch gehen. Nicht, dass wir hier noch einschlafen, weil die Erwachsenen nur über so langweiliges Zeug reden.“
„Danke.“

Wir gingen hoch in mein Zimmer, was ich zum Glück aufgeräumt hatte, denn das wäre echt peinlich geworden.
Wir setzten uns auf mein Bett und redeten über alles. Über Schule, Freunde, die Liebe...
„Und wie läuft es mit deiner Freundin?“, fragte ich und bereute es sofort. Timos Gesicht verdüsterte sich.
„Ich hab Schluss gemacht.“, erwiderte er mit traurigen Gesichtsausdruck.
„Wieso? Fabienne war doch so süß! Ich hab sie voll gemocht!“, fragte ich entgeistert.
„Sie ist mit einem meiner Freunde fremd gegangen.“ Ich sah ihn fassungslos an. Fabienne, dieses liebe und nette Mädchen soll fremd gegangen sein? Ich konnte es nicht glauben. Sie war zwar nicht wirklich meine Freundin gewesen aber das konnte ich mir von ihr nicht vorstellen.
„Ist sie wirklich fremd gegangen? Oder hat es dir nur jemand gesagt? Ich meine mache setzen Gerüchte in die Welt um die auseinander zu bringen auf die man eifersüchtig ist.“
„Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. Ich wollte sie überraschend besuchen kommen. Ihre Eltern waren nicht da und sie war alleine Zuhause. Sie hatte mir den Ersatzschlüssel gegeben und ich war reingegangen. Ich lief zu ihrem Zimmer und hörte Gekicher. Als erstes dachte ich es wäre eine Freundin von ihr da doch als ich die Zimmertür öffnete sah ich sie und meinen Freund nackt auf dem Bett liegen. Sie waren so mit sich beschäftigt, dass sie mich gar nicht bemerkten. Und als ich mich räusperte drehten sie sich zu mir um und waren geschockt. Ich habe sofort Schluss gemacht.“
Ich rückte zu ihm und umarmte ihn.
„Das tut mir leid“, flüsterte ich. Er legte die Arme um mich und drückte mich fest an sich.
„Danke. Aber ich hab mich in jemand anders verliebt. Sie ist ein Traum und ich glaube sie mag mich auch.“
In dem Moment rief meine Mutter nach uns. Warum rief sie uns gerade jetzt? Ich wollte doch wissen wer die geheimnisvolle war, in die Timo sich verliebt hatte.
„Lina! Timo! Kommt runter! Timos Eltern wollen nach Hause!“ Wir sahen gleichzeitig zur Uhr. Es war schon 24 Uhr. So lange haben wir geredet? Oha.
„Wir kommen!“, schrieen wir.
„Komm. Wir wollen deine Eltern ja nicht warten lassen.“, sagte ich und stand langsam auf und zog ihn mit hoch.
Zusammen gingen wir nach unten wo wir uns mit einer Umarmung verabschiedeten.
„Bis morgen. 15 Uhr bei dir, richtig?“, fragte ich.
„Ach ja. Ja bis morgen. Ich freu mich schon.“
„Was gucken wir eigentlich?“
„Lass dich überraschen.“, meinte er geheimnisvoll.
„Na gut...“, seufzte ich. „Bis morgen!“ Ich umarmte ihn und gab seinen Eltern die Hand.
Als sie weg waren sagte ich meinen Eltern noch gute Nacht und ging ins Bett.
Ich war so erschöpft, dass ich tief und traumlos schlief. Zum Glück. Ich hatte gar keine Lust auf diese verrückten Träume, die ich manchmal hatte. Meine Fantasie war echt grenzenlos.

Als ich am Morgen aufwachte und auf die Uhr sah war es 11 Uhr. Ich war ausgeschlafen und freute mich auf den Tag. Gut gelaunt stand ich auf und zog mich um. Dann ging ich ins Bad und schminkte mich und machte meine Haare. Das machte doch jedes Mädchen oder? Dann ging ich fröhlich vor mich hin summend nach unten.
Mein Vater saß im Wohnzimmer und sahen Nachrichten.
„Guten Morgen!“, rief ich überschwänglich.
„Morgen Schatz.“
„Wo ist Mum?“
„In der Küche. Sie packt Essen ein. Wir zwei gehen an den Strand picknicken und so etwas.“, er grinste mich an.
„Ah. Ein romantisches Picknick am Strand. Das ist aber süß.“
„Was ist süß?“, wollte meine Mum wissen, die gerade aus der Küche kam. „Guten Morgen Lina.“
„Morgen Mum.“
„Sie findet es süß, dass wir heute zu zweit picknicken gehen.“, erklärte mein Dad.
„Achso. Eigentlich hättest du ja mitkommen sollen.“, meinte meine Mutter ein wenig beleidigt.
„Aber Mum. Sieh es doch mal so. Jetzt haben Dad und du einen ganzen Tag ohne mich um einfach nur zu entspannen. Und um zu reden. Oder was auch immer ihr sonst noch machen wollt“, fügte ich mit einem Grinsen im Gesicht hinzu und sah wie meine Mutter errötete. Meine Mutter errötete normalerweise nie!
„Na ja ich geh mal was essen.“, sagte ich und verschwand in die Küche.
Dort machte ich mir Cornflakes und schlang sie herunter. Ich räumte alles weg und ging dann wieder ins Wohnzimmer zu meinen Eltern. Die saßen eng umschlungen auf der Couch und sahen sich einen Bollywood Film an.
Bei solchen Filmen musste ich immer heulen. Ich stand an der Tür und machte ein Würggeräusch. Meine Eltern sahen mich an und lachten. Sie streckten die Arme aus und ich kuschelte mich zwischen sie.
„Was habe ich da gestern gehört. Timo und du habt eine Verabredung?“, fragte mein Vater.
„Dad. Wir treffen uns nur so als Freunde.“ Ich verdrehte die Augen.
„Und was macht ihr?“
„Wir gehen ins Kino. Und danach hat Timo eine Überraschung für mich.“
„Eine Überraschung? Das hört sich spannend an. Da werde ich ja neugierig.“, sagte meine Mutter.
„Ja das kann ich mir vorstellen. Du warst damals schon viel zu neugierig gewesen.“ Mein Vater lächelte an die Erinnerungen.
„Ja stimmt.“, räumte meine Mutter ein. „Du erzählst mir doch sicher was er für eine Überraschung für dich hatte oder?“
„Vielleicht. Muss ich mir noch mal überlegen.“
„Lina!“ Empört sah meine Mutter mich an. Dann endlich sah sie die Grübchen in meinem Gesicht, die zeigten, dass ich nur einen Scherz gemacht hatte und sie grinste.
„Das hast du von deinem Vater.“, erklärte sie.
„Was habe ich von ihm?“
„Hallo? Ich sitze genau neben euch. Redet nicht von mir als ob ich nicht da wäre.“, mein Vater sah uns beleidigt an.
„Entschuldigung.“, sagten wir fast gleichzeitig.
„Was habe ich von Dad?“, fragte ich erneut.
„Diese Art einen das glauben zu lassen was du einen glauben lassen willst.“
„Wirklich? Ich glaub nicht, dass ich darin gut bin.“
„Doch das bist du wirklich!“, beteuerte meine Mutter überzeugt.
Ich wandte mich wieder dem Film zu. Gerade als der Film zuende war und ich am heulen war rief Paul an.
„Hallo?“, fragte ich schluchzend.
„Lina? Ist alles in Ordnung? Ist etwas passiert? Weinst du etwa?“, fragte Paul erschrocken.
„Nichts ist passiert. Ja ich weine, weil ich einen Film gesehen habe.“
„Achso.“ Er klang erleichtert.
„Wieso hast du angerufen?“
„Ich wollte dir diesen Zettel bringen den Emma bei dir gelassen hat als...“ Er stockte.
„Achso.“ Er sprach genauso ungern über das was Emma und Tina gemacht hatten wie ich.
„Ich hatte ganz vergessen ihn dir zu geben und hab ihn eben erst wieder gesehen. Kann ich rüber kommen und ihn dir bringen?“
„Klar. Bis gleich.“
„Ja tschüs!“ Er legte auf. Ich sauste ins Bad und wusch mein Gesicht. Dann schminkte ich mich neu und sagte meinen Eltern Bescheid, dass Paul gleich kommen würde.
„Wieso kommt Paul?“, fragte meine Mutter verständnislos. „Ich dachte du wärst heute mit Timo verabredet.“
„Ja schon aber er muss mir kurz etwas vorbeibringen.“ In diesem Moment klingelte es an der Tür.
„Ich geh schon.“, sagte mein Vater und ging zur Tür um sie zu öffnen.
„Guten Tag Herr Ashton.“, hörte ich Paul höflich meinen Vater begrüßen.
„Guten Tag Paul. Nett dich kennen zu lernen. Komm doch rein.“
„Danke.“
Die beiden kamen ins Wohnzimmer wo meine Mutter und ich saßen. Meine Mutter stand auf und begrüßte Paul. Dann ging ich zu ihm und umarmte ihn.
„Hey.“
„Hey kleine!“, lächelte er.
„Ich bin nicht klein!“, protestierte ich.
„Doch bist du!“, meinten meine Eltern und er fast gleichzeitig.
„Pff...“
„Sorry.“, meinte er zerknirscht. Meine Eltern sagten gar nichts.
„Nicht so schlimm. Komm wir gehen hoch in mein Zimmer.“
„Okay!“

Ich führte ihn hoch zu meinem Zimmer und öffnete die Tür. Er trat ein und musterte es.
„Ist was?“
„Nein. Aber irgendwie hätte ich mir dein Zimmer nicht so vorgestellt.“
„Wie meinst du das?“
„Na ja es ist so nicht Mädchenhaft.“
Er hatte Recht. Mein Zimmer sah nicht so aus wie die meisten Zimmer. Es war in schwarz weiß gestaltet. Ich hatte ein schwarzes Bett, ein weißen Kleiderschrank, ein schwarzen Sitzsack, einen schwarzen Schreibtisch und meine Wand war weiß mit schwarzen Rosen verziert. Meine Gitarre und Geige standen in einer Ecke des Zimmers und waren (wer hätte das gedacht?), auch schwarz. Das Zimmer war aufgeräumt und alles stand auf seinem Platz. Ich mochte mein Zimmer. Es passte zu mir.
„Setz dich.“, sagte ich und zeigte auf mein Bett.
„Danke.“
„Und wie geht’s dir so?“
„Gut, gut. Und dir?“
„Auch gut! Na ja abgesehen davon, dass ich voller Blessuren bin ist alles in Ordnung.“
„Ach ja wie geht’s deinen Rippen? Alles in Ordnung?“
„Ja alles gut solange ich mich nicht überanstrenge.“
„Das ist gut.“
„Ja find ich auch.“ Ich machte eine Pause und meinte dann: „Kann ich den ‚Brief’ haben, den Emma da gelassen hat?“
„Klar.“ Er wühlte in seiner Hosentasche und reichte mir dann den Zettel, der ein wenig mitgenommen aussah. „Hier!“
„Danke!“
Der Brief war niemanden adressiert.

Lieber Paul!
(Ja ich weiß aber der Stelle hätte ich nicht weiter lesen dürfen aber ich war so neugierig was sie ihm wohl schreiben würde)

Wenn ich an Deine blauen Augen denke, wünschte ich, Du wärest ganz nahe bei mir.
Ich verehre Dich, ich bin Dir völlig verfallen. Deine blonden Haare sind so unheimlich sexy und machen mich ganz verrückt.
Deine Augen mag ich ganz besonders gern an Dir! In ihnen kann man nur versinken.
Ich werde nie vergessen, wie Du mich das erste Mal zärtlich geküsst hast und damit meinen Puls in nie geahnte Höhen getrieben hast. Du bist sehr begabt, denn Du kannst so gut küssen, und ich liebe Dich auch deshalb so sehr!
Manchmal frage ich mich, wie kann man nur so extrem süß sein, wie Du? Du zeigst mir Deine Gefühle auf eine noch nie gekannte offene und leidenschaftliche Art, die mich sehr glücklich macht.
Es tut mir so leid, dass ich dir damals fremd gegangen bin!

In ewiger Liebe,
Deine Emma

Ich fing an zu lachen! Wie konnte man nur so einen Quatsch schreiben? Ich hoffte für sie, dass sie nicht vorgehabt hatte den Brief abzuschicken. Das wäre richtig schlimm für sie ausgegangen.
„Was ist los? Was schreibt sie?“ Paul sah mich neugierig an.
„Hier lies! Ist sowieso für dich!“, lachte ich und reichte ihn den Brief. Er las ihn dich durch und fing an zu lachen.
„Das ist aber süß von ihr!“
„Ich finds scheußlich!“, entgegnete ich.
„Weißt du. Auch wenn ich den Brief bekommen hätte oder sie mir gesagt hätte, was sie für mich empfindet, wäre ich nicht wieder zu ihr gegangen.“
„Weil sie dich betrogen hat und es wieder tun könnte?“, fragte ich.
„Nein. Weil ich sie nicht mehr liebe.“, antwortete er ehrlich.
Ich schwieg. Ich könnte mir einfach nicht vorstellen was die Jungen so scharf auf Emma machte. Vielleicht ihre Figur? Oder ihre Oberweite? Ihr Charakter war es jedenfalls nicht. Das wusste ich.
„Hallo? Erde an Lina! Hörst du mir eigentlich zu?“
„Äh. Tut mir leid. Was ist los?“
„Ich sagte. Ich geh jetzt!“
„Achso. Wie spät ist es eigentlich?“, wollte ich wissen.
„Kurz vor 2“, antwortete er.
„Oh. Ich muss bald los. Ich komm aber noch mit zu dir rüber.“
„Wieso?“
„Na, mein Fahrrad steht noch bei dir.“
„Achso. Ja stimmt.“
„Na dann los.“, sagte ich und stand auf. Ich nahm meine Tasche vom Haken und meine Jacke vom Bett.
Wir gingen nach unten und verabschiedeten uns noch von meinen Eltern.
„Willst du jetzt schon los? Ich dachte ihr seid erst um 3 verabredet.“, wollte meine Mutter wissen.
„Ja aber ich muss noch mein Fahrrad von Paul abholen und dann geh ich noch ein wenig in den Park.“
„Achso. Viel Spaß mit Timo und der Überraschung!“, grinste meine Mutter.
„Mum? Weißt du etwa was die Überraschung ist?“
„Nein. Ich doch nicht.“
„Sie lügt. Sie weiß es.“, flüsterte Paul mir zu.
„Ich weiß, dass sie lügt.“, sagte ich so laut, dass meine Mutter es auch verstehen konnte.
„Gar nicht!“, protestierte sie.
„Ist jetzt auch egal.“, sagte ich und gab ihr einen Kuss. „Bis heute Abend!“
„Tschüss Schatz viel Spaß!“, sagte mein Vater.

Paul und ich gingen zu ihm nach Hause und ich holte mir mein Fahrrad.
„Tschüss Paul. Wir sehen uns morgen in der Schule.“
„Okay bis dann.“, sagte er und umarmte mich. Dann gab er mir einen Kuss auf die Stirn und ging ins Haus.
Ich drehte mich um und schob das Fahrrad durch das Gartentor. Dann schwang ich mich auf den Sattel und radelte los Richtung Park, der in der Nähe von Timo war. Dort setzte ich mich auf eine Bank in der Nähe eines Sees und lehnte mich zurück. Ich schloss die Augen und lies die Sonne auf mein Gesicht scheinen.
Bis mich jemand störte und mir in die Sonne ging. Ich öffnete die Augen und sah den Jungen an, der vor mir stand. Er hatte pechschwarze Haare und braune Augen. Außerdem war er groß und kräftig gebaut. Er war nicht dick, sondern sah so aus als würde er oft trainieren. Er sah richtig gut aus. Na ja. Abgesehen von seinem hinterhältigen Blick, der mir gar nicht gefiel.
„Hallo. Kann ich dir helfen?“, fragte ich ihn extra höflich.
„Nein eigentlich nicht.“
„Ah ja.“
„Hey ich bin Shane. Und du?“, stellte er sich vor.
„Interessiert mich nicht wie du heißt und mein Name musst du nicht wissen. Würdest du mir jetzt bitte aus der Sonne gehen?“, fragte ich höflich, aber schon genervt.
„Wieso sollte ich?“, konterte er.
„Na gut. Dann geh ich eben.“, entgegnete ich und stand auf. Unauffällig sah ich mich um. Niemand war in der Nähe. Na toll.
„Mach das.“
„Idiot!“, murmelte ich.
„Was hast du eben gesagt?“
„Idiot!“, sagte ich etwas lauter und sah ihn provozierend an. Manchmal kam es so über mich. Da musste ich loslassen, was mir gerade durch den Kopf ging. Das war zwar nicht immer gut für mich aber so war ich eben und so musste ich leben. Er kam drohend auf mich zu.
„Meinst du das wirklich ernst? Hast du mich gerade wirklich einen Idioten genannt?“, wollte er wissen. Sein Akzent verriet ihn als Engländer.
„Ja! Und jetzt geh mir aus dem Weg!“ Ich schrie fast.
„Nö!“, er stellte sich noch näher zu mir.
„Ey lass das!“ Ich ging nach hinten und stieß gegen die Bank. Der Junge lachte nur und kam noch näher.
„Erst wenn du mir ein Kuss gibst!“, sagte er und legte eine Hand in meinen Nacken und die andere an meine Taille. Dann presste er seine Hüften gegen meine.
„Lieber würde ich sterben!“, fauchte ich und zog mein Knie hoch. Ich hatte getroffen. Er stöhnte und sank auf den Boden.
„Miststück!“, quetschte er durch die zusammengebissenen Zähne hindurch.
„Danke!“ Schnell ging ich zu meinem Fahrrad und fuhr los zu Timo.
„Das wirst du noch bereuen!“, schrie er mir noch hinterher. „Ich werde dich finden und dich dann umbringen. Das schwöre ich!“ Ich ignorierte ihn. Als ob er das wirklich ernst gemeint hatte.

Bei Timo angekommen klingelte ich Sturm. Seine Mutter machte mir die Tür auf.
„Oh. Hallo Lina. Ich dachte du und Timo seid erst um drei verabredet. Du bist viel zu früh.“ Sie hatte Recht. Es war erst halb drei.
„Ja ich weiß aber...“ Ich stockte. Sollte ich ihr erzählen was eben passiert ist? War das eine so gute Idee?
„Ich hatte eben so ein paar Probleme...“, sagte ich deswegen nur.
„Achso. Na dann geh los. Du weißt ja wo Timos Zimmer ist oder?“
„Ja. Bis dann“ Ich rannte die Treppe hoch und riss die Tür zu Timos Zimmer auf.

Das was ich sah war erschreckend. Timo saß auf dem Bett und knutschte. Mit CHRISTINA. Er küsste Christina meine beste Freundin und sie erzählte mir so etwas noch nicht einmal? Ich war geschockt. Ich ging rückwärts aus dem Zimmer und schloss leise die Tür. Dann holte ich tief Luft um mich zu beruhigen und klopfte an der Tür. Ich hörte wie die beiden auseinander sprangen und dann rief Timo: „Herein!“
Zur Beruhigung holte ich noch einmal tief Luft und öffnete dann die Zimmertür.
„Hey Timo.“ Ich suchte den Raum mit den Augen ab und entdeckte Christina. „Hey Christina. Wusste gar nicht, dass du da bist.“
„Hey Lina.“, begrüße mich Paul.
„Süße!“, rief Christina gleichzeitig und lief auf mich zu um mich zu umarmen.
„Ja ich freu mich auch dich zu sehen!“, lachte ich, doch dabei sah ich Timo mit fragenden und durchdringenden Blick an. Er zuckte nur die Schultern und lächelte.
„Wieso bist du denn schon hier Lina?“, fragte er mich nachdem Christina mich endlich losgelassen hatte. „Du bist zwanzig Minuten zu früh.“
„Ja aber ich war davor im Park und da war so ein perverser Junge und ich wusste nicht was ich tun sollte. Und da wir ja sowieso verabredet sind dachte ich, ich komme einfach schon mal her.“ Ich machte eine Pause. „Ich wusste gar nicht, dass ihr beide euch kennt.“
„Wir haben uns in einem Café kennen gelernt.“
„Und ihr habt euch sofort ineinander verliebt.“, spottete ich. Die beiden wurden rot und sahen sich an.
„Ihr braucht mich nicht anzulügen.“
„Was meinst du mit anlügen?“ Christina klang verständnislos. Ich lächelte nur geheimnisvoll und sagte gar nichts.
„LINA?“, rief Timo jetzt.
“Ich hab euch gesehen!”, platzte ich heraus.
„Wie du hast uns gesehen?“
„Na ja... Ich bin ins Zimmer geplatzt und hab euch beim Knutschen erwischt. Dann bin ich wieder raus gegangen, hab die Tür leise zu gemacht und hab dann geklopft. Ihr habt es nicht gemerkt, weil ihr zu sehr mit euch beschäftigt wart.“, gestand ich ihnen.
„Lina!“, schrie Christina jetzt und wurde rot.
„Na ja. Seht es doch mal so... Jetzt braucht ihr euch keine Gedanken darum zu machen wie ihr mir beibringen wollt, dass meine beste Freundin und mein bester Freund jetzt zusammen sind“, grinste ich.
„So kann man es auch sehen...“Timo sah mich nachdenklich an.
„So und ich lass euch jetzt allein. Knutscht ruhig weiter!“, lachte ich.
„Warte. Lina... du meintest doch eben, dass du ein Problem mit einem Jungen hattest.“, stoppte mich Christina jetzt.
„Ja... also wisst ihr...“, murmelte ich.
„Lina. Du kannst uns alles sagen.“, betonte Christina. Ich holte tief Luft und erzählte ihnen dann was passiert war.
„WAS?“, schrie Timo danach.
„Schatz beruhige dich.“, verlangte Christina.
„Echt mal Timo. Er war doch nur wütend, weil er mal ein Mädchen nicht haben konnte. Mit seinem Aussehen hatte er wohl schon so viele Schlampen in seinem Bett.“, meinte ich.
„Aber er hat dir gedroht dich umzubringen!“, protestierte er.
„Das hat er nicht ernst gemeint.“, wiedersprach ich ihm. „Na ja. Ich lass euch jetzt in Ruhe. Das mit dem Kino holen wir irgendwann mal nach, ja?“
“Machen wir auf jeden Fall mal.“, versprach Timo aber er hörte sich nicht so an als ob er richtig bei der Sache wäre.
„Super. Timo... was war jetzt eigentlich die Überraschung?“, wollte ich wissen.
„Ich wollte dir meine Freundin vorstellen. Ich wusste ja nicht, dass ihr euch kennt.“
„Achso. Okay bye!“ Ich umarmte ihn.
„Bis morgen in der Schule Süße!“ Ich umarmte auch noch Christina und ging dann nach unten.
„Tschüß!“, rief ich noch Timos Mutter zu, die im Wohnzimmer ein Buch las.
„Ciao Lina!“
Die Tür fiel hinter mir ins Schloss und ich nahm mein Fahrrad und fuhr zu mir nach Hause.

Gerade als ich in meine Straße einbog sah ich Paul. Doch er war nicht allein...
Der Typ vom Park war bei ihm. `Oh nein!“´, dachte ich nur. Schnell fuhr ich weiter in der Hoffnung, dass sie mich noch nicht gesehen hatten.
Leider hatte Paul mich schon entdeckt und winkte mir zu.
„Hey Lina!“, schrie er mir zu. Ich winkte ihm schnell zu und fuhr weiter zu unserem Haus. Vor dem Haus stieg ich ab und wollte mein Fahrrad gerade in den Schuppen schieben als Paul rief: „Lina! Warte doch mal!“ Ich blieb stocksteif stehen und sah ihm entgegen. Er sah gut aus. So wie immer. Er hatte eine Jeans und ein schwarzes T-Shirt an. Seine Haare waren verwuschelt und standen in alle Richtungen ab.
Shane sah ganz anders aus. Er hatte zwar auch eine Jeans an doch er trug ein dunkelblaues Hemd und seine Haare waren mit Gel zu einer Stachelfrisur gestylt.
„Hey. Was gibt’s.“, fragte ich Paul und vermied es dabei Shane anzusehen.
„Nix. Bei dir?“
„Ach alles normal. Du weißt schon.“
„Ja. Ach ja. Shane. Das ist Lina. Lina...“
„Wir kennen uns.“, unterbrach ich ihn.
„Wirklich?“ Paul klang verblüfft und sah zwischen uns hin und her.
„Ja wir kennen uns seit heute um zwanzig nach drei.“, erzählte ich ihm. Dann sah ich Shane gespielt entrüstet an. Er blickte mich wütend an.
„Hast du ihm etwa nichts von unserer Begegnung erzählt?“, wollte ich wissen.
„Nein. Ich hatte nicht die Zeit dazu.“, murmelte er.
„Willst du wissen wie wir uns kennen gelernt haben?“, fragte ich Paul nun.
„Klar.“ Er klang verwundert. Keine Ahnung wieso.
Ich erzählte ihm von der Begegnung mit Shane.
Als ich geendet hatte drehte er sich wutentbrannt zu Shane um und schrie: „Du wolltest sie küssen ohne, dass sie das wollte? Du hast sie angefasst?“
„Bro es... es tut mir leid. Ich wusste ja nicht...“
„Ist doch egal ob du das wusstest oder nicht! Es geht doch nicht darum! Du kannst doch nicht einfach Mädchen gegen ihren Willen anfassen!“
„Ach das Beste habe ich dir ja noch gar nicht erzählt.“, kicherte ich. Er schnellte herum.
„Was? Was hat der Huren**** noch gemacht?“, verlangte er zu wissen.
„Als ich ihm zischen die Beine trat und dann zu meinem Fahrrad ließ schrie er mir hinterher, dass er mich umbringen will.“
Paul wirbelte wieder zu Shane herum und schlug ihm so doll ins Gesicht, dass dieser vor Schmerz aufschrie.
„Ey. Bruder. Du glaubst dieser Schlampe doch nicht etwa? Du kennst mich doch viel länger als die.“ Shane spuckte vor mir auf den Boden und sah mich verächtlich an.
„Doch ich glaube ihr. Nenn mich nie wieder Bruder. Und wenn du weiter leben willst nennst du sie nie, nie wieder Schlampe! Ich schwör dir wenn du sie noch einmal beleidigst bring ich dich um! Und jetzt verschwinde!“, brüllte Paul. Shane zuckte zusammen und ging langsam Richtung Park davon. Sogar ich war geschockt, dass er auch so sein konnte. Er war so aggressiv und wütend.
„Danke.“, flüsterte ich. Er drehte sich zu mir um und sein harter, aggressiver Blick wurde weich.
„Ach nichts zu danken.“, wisperte er und wischte mir die Tränen vom Gesicht. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich angefangen hatte zu weinen. Ich schluchzte und Paul zog mich an sich. Ich sackte an seiner Brust zusammen, denn meine Beine wollten mich nicht mehr länger tragen. Er hob mich hoch und setzte sich auf die Bordsteinkante. Dann zog er mich auf seinen Schoß und flüsterte mir tröstliche Dinge ins Ohr.

In diesem Moment kamen meine Eltern. Sie parkten das Auto und rannten dann zu mir.
„Lina! Was ist los?“, schrie meine Mutter panisch.
„Alles in Ordnung?“, fragte mein Vater gleichzeitig etwas ruhiger. Ich schüttelte den Kopf an Pauls Brust.
„Sie ist nur geschockt.“, erklärte Paul leise meinen Eltern. Ich fühlte seine Stimmer eher als, dass ich sie hörte. Seine Brust vibrierte als er sprach.
„Wieso geschockt?“ Meine Mutter schrie jetzt nicht mehr.
„Könnten wir das bitte drinnen besprechen?“, fragte Paul höflich.
Meine Eltern nickten mechanisch und gingen zum Auto um die Picknicksachen heraus zu holen. Paul stand mit mir in den Armen auf und ging schon mal zur Tür.
Als mein Vater die Verandatreppen hochkam trat er stumm beiseite.
„Du kannst mich jetzt runter lassen Paul.“, wisperte ich. Paul ließ mich kommentarlos runter, nahm dann aber meine Hand und drückte sie. Ich machte gar nichts sondern sah nur stumpf geradeaus ohne etwas zu sehen.
Mein Vater schloss die Tür auf und bedeutete uns schweigend rein zu gehen, was wir dann auch taten. Wir gingen ins Wohnzimmer und Paul und ich setzten uns nebeneinander auf die Couch. Meine Eltern kamen einige Momente später dazu.

8. Kapitel



„Und was ist jetzt los?“, fragte mein Vater als er und meine Mutter sich hingesetzt hatten. Paul sah mich an. Seine Augen schienen mich zu fragen: „Wo fangen wir an?“
„Erzähl ihnen alles. Auch das von Emma.“, flüsterte ich. Lauter konnte ich nicht sprechen. Ich hatte keine Kraft mehr dazu. Paul sah mich zweifelnd an nickte dann aber und fing an zu erzählen. Von dem Tag als er zum ersten Mal in die Klasse kam, nach zwei Jahren und was alles passiert war. Dann kam er zu heute. Als er geendet hatte sahen meine Eltern mich nur noch geschockt an. Die ganze Zeit hatten sie nichts gesagt, sondern nur hin und wieder scharf Luft geholt.
„Wieso hast du uns das nicht erzählt?“, fragte meine Mutter nun. Sie sah mich an. „Du hättest uns alles erzählen können. Stattdessen hast du uns angelogen.“
Ich saß betreten auf den Boden.
„Tut mir leid Mum. Ich... ich wusste nicht, wie ihr reagiert hättet.“, flüsterte ich.
„Wir reden mit den Eltern von Emma und Tina. Vielleicht können sie...“
„Nein!“, unterbrach ich meine Mutter scharf. „Du wist nicht mit ihnen reden. Das würde das alles nur noch schlimmer machen!“
„Aber was sollen wir dann tun?“ In der Stimme meiner Mutter war ein verzweifelter Unterton.
„Nichts. Irgendwann hören sie schon damit auf. Und wenn nicht wechsle ich einfach die Schule oder so.“
„Aber...“
„Sie hat Recht, Jacqueline!“, unterbrach mein Vater meine Mutter jetzt. Er drehte sich zu mir um.
„Wir könnten sie wegen Körperverletzung verklagen.“, überlegte er. Jetzt kam der Anwalt in ihm durch. Ich schüttelte den Kopf.
„Papa. Wir verklagen niemanden. Sie ist ein Mädchen und in Paul verliebt.“ Ich dachte an den Brief an Paul und musste grinsen. „Sie hat einfach überregagiert. Kein Mädchen mag es gern wenn der Junge in den sie verliebt ist sich mit anderen Mädchen trifft.“
„Ah ja. Darin hast du Erfahrung oder was?“, fragte mein Vater jetzt bissig.
„Dad!“, protestierte ich. Neben mir fing Paul an zu lachen. „Was ist?“, fauchte ich.
„Nichts. Ich hätte nur genauso wie dein Vater reagiert wenn ich eine Tochter hätte.“
„Ach wirklich?“
„Ich schwöre.“ Ich fing an zu lachen.
„Hallo? Können wir zum Thema zurückkommen?“ Meine Mutter klang genervt und müde.
„Mum. Ich meinte doch, dass ich erst einmal nichts machen will.“
„Okay. Aber du erzählst uns ab jetzt immer wenn etwas passiert ist ja?“, fragte mein Vater.
„Ja mach ich Daddy.“ Er nickte und sah mich liebevoll an.
Ich wandte mich an Paul.
„Hast du noch Zeit? Oder musst du nach Hause?“, fragte ich ihn.
„Ich hab noch Zeit.“, meinte er nach einem Blick auf die Uhr.
„Wollen wir zusammen in mein Zimmer gehen?“
„Können wir machen.“ Ich stand auf und umarmte meine Eltern. Dann ging ich los in Richtung meines Zimmers. Paul folgte mir. In meinem Zimmer setzte er sich in den Sitzsack und ich legte mich aufs Bett. Erst jetzt merkte ich wie müde ich eigentlich war. Während Paul sich über Shane aufregte und in beleidigte schloss ich die Augen und schlief ein.


(Sicht von Paul)

„Ich meine ich fass es nicht, dass er dich belästigt hat! Das muss wirklich hart für dich gewesen sein.“ Ich regte mich gerade wirklich über diesen Typen auf. Wir kannten uns schon seid 4 Jahren oder so und ich wusste, dass er bei allen Mädchen beliebt war aber, dass er so etwas machte hatte ich nicht gewusst.
Ich sah zu Lina, die gar nichts sagte und fing an zu lächeln. Sie war eingeschlafen. Ich konnte es ihr nicht übel nehmen ich meine irgendwann wurde es einem erst richtig bewusst was geschehen war. Ich stand auf nahm ihre Decke und legte sie über sie.
Sie sah so friedlich aus wenn sie schlief. Ich könnte ihr die ganze Zeit dabei zusehen. Doch als ich auf die Uhr sah, sah ich, dass meine Mutter gleich kommen würde und ich Zuhause sein muss wenn sie kommt.
Also nahm ich einen Zettel und schrieb Lina eine Nachricht. Ich beugte mich über sie und gab ihr ein Kuss auf die Wange und legte den Zettel neben sie aufs Bett, damit sie ihn sehen konnte wenn sie aufstand. Dann nahm ich meine Sachen, verabschiedete mich von ihren Eltern und ging zu mir nach Hause.

(Sicht von Lina)

Morgens wachte ich vom Klingeln meines Weckers auf. Stöhnend, schlug ich ihn aus, stand dann auf und sah mich um. Ich erinnerte mich wieder daran, dass ich eingeschlafen war, als Paul bei mir war und wurde rot. Dann bemerkte ich einen Zettel, der fein ordentlich in der Mitte gefaltet war. Ich faltete ihn auf und las die Nachricht von Paul:

Hey kleine!
Weißt du eigentlich wie süß du aussiehst wenn du schläfst? :) Ich weiß, dass du nicht mit Absicht eingeschlafen bist und ich verzeihe dir. Deshalb habe ich dich ja auch nicht aufgeweckt.
Aber wehe du kommst morgen/ heute (je nach dem wann du aufstehst und diese Nachricht liest) zur Schule! Das würde ich dir richtig übel nehmen.
Hab dich lieb!
Wir sehen uns in der Schule! ♥

Paul

Oh ist das süß von ihm! Ich stand auf und ging duschen. Dann ging ich zu meinem Kleiderschrank und suchte mir Klamotten raus. Ich entschied mich für eine weiße Röhrenjeans, ein schwarzes Top und einen dunkelblauen Blazer. Ich schminkte mich noch ein wenig, machte meine Haare zu einem Dutt und ging dann in die Küche um etwas zu essen.
Im Haus war es fast unheimlich still, was wahrscheinlich daran lag, dass meine Eltern noch schliefen.
Zum Frühstück aß ich ein Brot und packte mir für die Schule einen Apfel und Geld ein.
Nach dem Essen stürmte ich nach oben in mein Zimmer und packte meine Schultasche für heute. Nach meinem Wecker zu urteilen war es zwanzig vor acht. Ich musste los. Schnell nahm ich mir meine Tasche und meine Schlüssel und lief nach unten. Mein Vater war schon wach und saß in der Küche und wartete auf seinen Kaffee.
„Guten Morgen kleine!“, begrüßte er mich.
„Morgen Daddy. Ich muss in die Schule. Bis später! Hab dich lieb!“
„Ich dich auch Schatz!“
Ich ging zu meinem Fahrrad und sauste zu Christina. Sie wartete schon ungeduldig auf mich.
„Lina! Wo warst du denn? Wir kommen noch zu spät wegen dir!“, rief sie anstatt einer Begrüßung.
„Ja ich weiß. Tut mir leid.“, entschuldigte ich mich.
„Schon gut.“
„Wie war gestern dein Tag nachdem ich gegangen bin? Hattest du Spaß mit Timo?“, fragte ich sie.
„Der Tag war super! Timo ist so süß! Wieso hast du uns eigentlich nie vorgestellt?“, wollte sie wissen.
„Ich weiß nicht.“, antwortete ich ehrlich „Ich hab mich in letzter Zeit nie wirklich mit ihm getroffen und davor warst du doch noch so unsterblich in Mike verliebt gewesen!“
Mike war ein Freund ihres Bruders, der 19 war. Sie hatte ihn kennen gelernt als Mike bei ihrem Bruder übernachtet hatte, weil es spät geworden war und Mike am anderen Ende der Stadt wohnte. Am Morgen (sie war gerade in der Küche und kochte ein Frühstück) kam er hinzu und fragte sie ob er ihr helfen könnte. Sie konnte sich fast nicht auf das konzentrieren, weil sie auf seinen nackten Oberkörper starrte. Seitdem hatte sie sich verliebt.
„Ja aber das ist jetzt schon ein wenig her.“ Wir kamen an der Schule an.
„Wir sehen uns in der Pause!“, verabschiedete ich mich.
„Bis später!“

Schnell ging ich in Richtung Chemieraum. In 5 Minuten fing die Schule an und ich musste mich beeilen um rechtzeitig anzukommen. Trotz meiner Anstrengung nicht zu spät zu kommen, kam ich zu spät denn als ich fast den Chemieraum erreicht hatte, fiel mir ein, dass ich das Klassenbuch ja noch holen musste. Das heißt ich kam 5 Minuten zu spät an. Das war richtig schlecht! Der Lehrer mochte mich nicht und ich bekam schon aus trotz schlechtere Noten als ich eigentlich bekommen sollte. Jetzt würde ich eine Strafarbeit bekommen oder so.
„Ah. Frau Ashton findet auch noch zu uns! Was für eine Ehre!“, meinte mein Lehrer bissig. Die Klasse fing an zu lachen. Ich senkte den Kopf.
„Tut mir leid.“ Ich ging zum Lehrertisch und reichte ihm das Klassenbuch. Dann ging ich zu meinem Platz in der letzten Reihe. Weit entfernt von den anderen. (Eine Sitzordnung von Herr Ulrich). Leise packte ich meine Schulsachen aus.
„Dafür, dass sie zu spät gekommen sind bekommen Sie...“ Weiter kam er nicht, denn unser Direktor kam in die Klasse.
„Guten Morgen Herr Fröhlich!“, begrüßte mein Lehrer unseren Direktor. Der Name von Herr Fröhlich passte so gar nicht zu ihm. Er war aggressiv, genervt und hatte selten gute Laune. Er war bei beleibter Mann Mitte 50 mit schulterlangem, braunen Haar und einem Schnurrbart.
„Guten Morgen, Herr Ulrich!“ Er wandte sich zu uns um. „Guten Morgen Kinder.“
„Guten Morgen, Herr Fröhlich!“, sangen wir im Chor. Na ja nicht wirklich im Chor eher im Kanon. Aber Herr Fröhlich war zufrieden und drehte sich wieder zu Herr Ulrich um.
„Ich bin eigentlich nur hier um Ihnen den neuen Schüler zu bringen. Kommen Sie herein Herr Whitman.“ Den letzen Tag sagte er zur Tür durch die jetzt der neue Schüler kam.

Im ersten Moment war ich geschockt. Dann sah ich zu Paul (er saß in der ersten Reihe zwischen Emma und Tina), der sich zu mir umgedreht hat und mich fassungslos anstarrte. Ich konnte nur zurückstarren. Der neue Schüler war niemand anderes als Shane!
Die Mädchen tuschelten aufgeregt miteinander. Ich schnappte Satzfetzen auf wie: „Ist der Süß!“ und „Den krall ich mir!“ Sie wussten ja nicht wozu dieser Typ fähig war!
„Das ist Shane Whitman. Er ist umgezogen und musste jetzt die Schule wechseln. Ich denke ihr werdet euch gut mit ihm verstehen.“, sagte Herr Fröhlich jetzt.
Jetzt drangen Satzfetzen zu mir rüber wie: „Auf jedenfall werden wir uns gut verstehen“ und „Wie sollte man sich nicht gut mit ihm verstehen.“
Herr Ulrich war nicht sehr angetan von Shane. Mal etwas, was er und ich gemeinsam hatten. Er sah ihn abschätzend an und sah dann hässlich grinsend zu mir.
„Guten Tag Shane. Setz dich doch bitte neben Lina. Sie ist die in der letzten Reihe.“ Jetzt fingen die Mädchen in der Klasse zu murren. Vor mir hörte ich Fiona sagen: „War ja klar, dass er sich neben sie setzten soll.“ Und Simon, der ihr Banknachbar war nickte und sah mich wütend an.
„Dankeschön.“, bedankte sich Shane höflich und kam auf mich zu. Schon von weiten lächelte er mir zu. Wie ich ihn hasste. An seiner Schläfe, dort wo Paul ihn gestern geschlagen hatte, klebte jetzt ein riesiges Flaster.
„Na dann. Dann lass ich Sie Ihren Unterricht weiter machen.“ Herr Fröhlich drehte sich auf dem Absatz um und stolzierte aus der Klasse ohne auf eine Antwort zu warten.
Herr Ulrich sah ihm verdutzt hinterher und sah dann wieder zur Klasse.
„Wo war ich gerade?“, fragte er.
„Sie wollten Lina wegen ihres zu spät kommen bestrafen!“, antwortete Emma ihm liebevoll.
„Ach ja.“ Er sah wieder zu mir und überlegte. Dann sah er Shane an. Oh nein. Wieso war ich heute eigentlich zu spät gekommen? Jetzt musste ich wahrscheinlich Shane die Schule zeigen und so etwas.
„Sie werden Shane heute die Schule zeigen. Die ganzen Gebäude und das alles. Dann werden sie mit ihm auch seine Bücher besorgen und so etwas. Alles was dazu gehört. Verstanden?“, erkundigte er sich. Oh nein! Alles nur nicht das! Ich hätte liebend gern 5 Seiten im Chemiebuch gearbeitet oder das Chemielabor aufgeräumt, damit ich das nicht zu tun brauchte.
„Verstanden?“, fragte Herr Ulrich jetzt noch einmal.
„Ja. Ich hab verstanden.“, antwortete ich. Wäre ich heute doch bloß im Bett geblieben!
„Gut dann machen wir mit dem Unterricht weiter. Schlagt bitte das Buch auf Seite 214 auf und bearbeitet bitte die unten stehenden Aufgaben.“
Ich schlug seufzend das Buch auf und sah mir die Aufgaben an. Shane räusperte sich. Langsam drehte ich meinen Kopf und sah ihn an.
„Ist was?“, wollte ich wissen.
„Na ja. Ich hab doch noch kein Buch. Könnte ich also mit dir ins Buch gucken?“
ich sagte nichts, sondern schob das Buch einfach zu ihm rüber und las den Text weiter mit dem wir die Aufgaben beantworten sollten.
„Ich finds echt cool, dass wir jetzt in einer Klasse sind. Und du?“
„Ich finds einfach scheiße.“, antwortete ich emotionslos.
„Ach wirklich? Das kommt wirklich nicht so rüber.“, meinte er sarkastisch. Ich zuckte nur die Achseln und arbeitete weiter.
Die Stunde verlief schleppend und ich war froh als es endlich zu Pause klingelte. Ich packte meine Sachen und ging langsam zum Leherpult um das Klassenbuch zu holen.
„Vergessen sie nicht, dass sie Shane noch die Schule zeigen müssen.“, ermahnte mich Herr Ulrich.
„Das tu ich nicht.“ Shane kam auf mich zu und lächelte mich an.
„Wir können los!“, meinte er fröhlich und grinste mich an. Ich verzog nur verächtlich die Lippen und ging Richtung Tür.
Über die Schulter sagte ich: „Das ist das Fachhaus. Hier haben wir Chemie, Physik, Biologie und Kunst.“
„Kunst passt so gar nicht hierher.“, meinte Shane.
„Na und? Ich hab es mir nicht ausgedacht. Also im Erdgeschoss ist Kunst, im zweiten Bio, im dritten Physik und im vierten Chemie. Das ist eigentlich gar nicht so schwer zu merken.“
„Nein. Gar nicht!“, sagte Shane spöttisch. Als ich unten durch die Tür trat, stürmten die Mädchen auf Shane zu. Geschickt wich ich dem Gedränge aus und rief Shane zu: „Wenn du deine Fans losgeworden bist, komm zu mir. Ich bin dort hinten.“ Ich zeigte zu den Bänken, die in einer Ecke standen. Er nickte und hob den Daumen als Zeichen dafür, dass er verstanden hatte. Ich verdrehte die Augen und ging um Christina zu erzählen, dass ich jetzt in einer Klasse war mit dem, der mich küssen wollte.

Ich konnte sie schon von weitem sehen. Sie unterhielt sich angestrengt mit Paul und sah richtig wütend aus. Schnell ging ich auf die beiden zu.
„Hey Süße! Hey Paul!“, begrüßte ich die beiden.
„Hey Lina.“
„Hey Schlafmütze.“ Paul lächelte mich an und ich wurde rot.
„Tut mir WIRKLICH leid, dass ich gestern eingeschlafen bin. Aber...“
„Ich weiß schon was du meinst.“
„Paul, jetzt lenk nicht vom Thema ab!“, meckerte Christina.
„Chrissi, was ist los?“, fragte ich.
„Paul hat mir gerade erzählt, dass dieser Perversling in deine Klasse geht! Ist das wahr?“ Ich nickte lediglich.
„Das ist nicht gut.“, murmelte sie.
„Ich weiß. Und ich muss ihm heute noch die Schule zeigen und Bücher abholen und so.“
„Lass mich raten. Eine Strafaufgabe von deinem Lieblingslehrer Herr Ulrich.“ Ich nickte wieder.
„Er kommt.“, knurrte Paul jetzt und ich drehte mich um.
„Der wollte dich...“, fragte Christina.
„Ja,... ich weiß er ist der Hammer, aber lass dich nicht von seinem Aussehen täuschen. Innen drin ist er die Kanalisation!“, meinte ich bitter. Paul nahm mich in den Arm.
„Alles gut. Ich bin bei dir.“, flüsterte er mir ins Ohr.
„Danke!“ Ich schloss die Augen, atmete einmal tief durch und bereitete mich schon mal mental auf die Zeit mit Shane vor.
„Hey Lina, Paul.“, begrüßte uns Shane. Paul sagte nichts, sondern sah ihn nur mit bösen Blick an. Shane sah zu Christina und ich versteifte mich.
„Hallo du hübsche. Ich bin Shane und neu auf der Schule und wie heißt du?“
„Christina und ich hab einen Freund also verpiss dich!“
„Oh, oh. Ein temperamentvolles Mädchen. Das mag ich!“ Ich schnaubte und sah ihn an.
„Wollen wir jetzt mit der Führung beginnen?“
„Klar wo fangen wir an?“
„In der Schulbibliothek.“, erwiderte ich.
„Von all den coolen Orten zeigst du mir das?“, fragte er entgeistert.
„Richtig. Ich meine du brauchst doch deine Bücher. Und ach ja. Nur so zur Info: Du wirst sie alle allein tragen, denn ich mache das nicht!“ Paul grinste mich an.
„oha. Ob das deinem Lehrer gefallen wird?“, fragte Shane jetzt.
„Ist mir doch scheiß egal was der Typ denkt. Er kann mich sowieso nicht leiden!“, entschlüpfte es mir. „und jetzt komm. Ich will heute nicht zum zweiten Mal zu spät kommen.“ Schnell ging ich zum Sekretariat, wo auch die Lehrbücher Bibliothek war. Ich sah mich gar nicht erst um ob Shane mir folgte es war mir völlig egal, ob der mir folgte oder nicht. Doch er folgte mir. Genauso wie Paul.
Ich lief die Treppe hoch und klopfte an der Tür von der Bibliothek. Frau Ludwig öffnete die Tür.
„Hallo Lina!“, rief sie freudig. „was kann ich für dich tun?“
„Guten Tag Frau Ludwig. Wir haben einen neuen Schüler in der Klasse und er bräuchte einmal die ganzen Lehrbücher.“, antwortete ich.
„Ach na dann. Kommt mit.“ Geschäftig lief sie im Raum herum. Überall holte sie Bücher aus dem Regal. Ich hatte gar nicht gewusst, dass wir so viele Bücher hatten. Na ja ich hatte sie ja auch noch nie auf einen Stapel gepackt.
„Gut. Das sind alle.“, sagte sie nach einer Weile.
„Dankeschön.“, bedankte ich mich und wandte mich zum gehen.
„Ach. Lina?“
„Ja, Frau Ludwig?“ Sie kramte in einem Regal und holte ein kleines Buch zum Vorschein. Es hatte ein schwarzen Einband und der Titel war mit Gold aufgedruckt.
„Das hier ist für dich. Ich denke es könnte dir gefallen.“
„Danke. Das ist nett von Ihnen.“ Ich sah mir das Buch genauer an. Der Einband war nicht nur schwarz und war mit goldenen Buchstaben bedruckt, sondern hatte auch ein Wasserzeichen auf der Rückseite. Es sah wie eine Rose aus. Sie war aber nicht rot sondern silbern. Nach dem Titel zu urteilen hieß es Hamlet. Zufällig wusste ich, dass es etwas mit Dänemark zu tun hatte. Doch viel mehr nicht. Aber Shakespeare war der Autor und deshalb musste das Drama eigentlich gut sein.
„Danke noch mal!“
„Ach nichts zu danken! Los schnell zu eurer Klasse sonst kommt ihr zu spät!“ Frau Ludwig scheuchte uns aus ihrem Territorium und schloss die Tür. Nachdenklich ging ich langsam zur Tür. Paul ging neben mir und sah mich komisch an. Irgendwie nervte mich dieser Blick gerade.
„Was ist?“, fragte ich ihn.
„Nichts alles gut.“ Er drehte sich zu Shane um. „kommst du klar?“
„Natürlich komme ich klar. Es wäre nur nett, wenn ihr mir Bücher abnehmen würdet.“ Ich verdrehte die Augen.
„Was du alles für Ansprüche stellst...“ Ich sah ihn an. „Ich bin ein Mädchen ich kann dir nicht helfen!“
„Aber dein lieber Freund kann mir doch helfen.“
„Ich denke nicht, dass ich das will.“, entgegnete Paul. Shane zuckte nur mit den Schultern. Wir kamen in der Klasse an und Paul und Shane wurden wieder von den anderen in Beschlag genommen. Wie immer wurde ich nicht beachtet und ich ging unbehelligt zu meinem Platz.
Kurz darauf kam auch Frau Müller. Sie forderte Shane dazu auf, sich vorzustellen was er dann auch tat. Die ganze Zeit musste ich auspassen, dass ich nicht loslachte, weil Paul die ganze Zeit peinliche Sachen über ihn in mein Ohr flüsterte. Shane bemerkte dies und warf uns einen giftigen Blick zu. Genau wie Emma, die mich jetzt wahrscheinlich noch weniger leiden konnte als vorher auch schon. Wahrscheinlich sah sie in mir Konkurrenz. Sie brauchte keine Angst zu haben, denn ich nahm ihr Paul nicht weg. Na ja ich konnte ihn ihr ja gar nicht weg nehmen, weil er ja nicht mehr mit ihr zusammen war und eine Freundin hatte.
Nachdem Shane sich vorgestellt hatte besprachen wir noch was wir auf der Reise nach Neugamme machen würden. Wir würden uns das KZ ganz genau ansehen und später einen test schreiben. Das hatte Frau Ludwig ihr jedenfalls gesagt meinte sie.
Endlich war die Stunde vorbei und ich lief nach draußen.

Dieses Mal lief ich aber nicht zu Christina, sondern setzte mich in eine ruhige, sonnige Ecke auf dem Schulhof und fing an das Buch zu lesen, welches Frau Ludwig mir geschenkt hatte. Es war in sehr altem Deutsch geschrieben und vieles musste ich im hinteren teil nachgucken, denn diese Wörter gab es heute nicht mehr.
Ich fand es bis jetzt wunderschön doch leider musste ich los zu Musik. Schnell stopfte ich das Buch in meine Tasche und lief zu den Musikräumen.


Musik war mein Lieblingsfach aber heute konnte ich mich nicht wirklich auf die Musik konzentrieren.
„Lina. Was ist denn heute los mit dir?“, fragte meine Lehrein als ich mich mal wieder verspielt hatte. „Du musst dich doch ein wenig konzentrieren!“
„Tut mir leid.“, erwiderte ich zerknirscht. Doch ich konnte mich einfach auf nichts anderes als das Buch konzentrieren. So etwas hatte ich noch nie gehabt. Normalerweise las ich ein Buch und trotzdem fesselte mich das Buch nicht SO sehr, dass ich mich nicht auf die Schule konzentrieren konnte.
„Willst du vielleicht eine Pause machen und ein wenig rausgehen?“, fragte sie mitfühlend.
„Das wäre gut.“ Schnell stand ich auf und ging aus dem Klassenraum um mich draußen auf eine Bank zu setzten. Wieso? Wieso ließ mich dieses Buch nicht mehr los? Seufzend schüttelte ich den Kopf. Es war doch nur ein ganz normales Buch! Ich meine Hamlet ist eine wunderbare Geschichte doch wieso war ich dann so besessen von ihr? Ich starrte in den Himmel ohne irgendetwas zu sehen. Jemand setzte sich neben mich. Langsam drehte ich meinen Kopf nach links und sah in Pauls besorgtes Gesicht.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte er. Ich schüttelte nur den Kopf. „Wieso? Was ist los?“
Ich seufzte. „Das Buch lässt mich nicht los.“
„Das Buch was Frau Ludwig dir gegeben hat?“ Wieder nickte ich nur mit dem Kopf. „Wieso ist es denn so fesselnd?“
„Ich hab keine Ahnung... Ist jetzt auch egal...“ Seufzend lehnte ich meinen Kopf an die Wand. Zum Glück war die Schule gleich vorbei. Ich hätte es auch nicht länger ausgehalten...
Nach der Schule würde ich schnell essen, Hausaufgaben machen und dann zum Reiten fahren. Paul schwieg.
Ich rappelte mich auf und sagte: „Ich geh rein. Kommst du auch?“
„Klar.“
Bevor wir wieder reingingen umarmte ich ihn noch einmal schüchtern und meinte leise: „Danke!“
Überrascht fragte er: „Wofür?“
„Dass du immer für mich da bist in letzter Zeit.“
„Ach. Das ist doch selbstverständlich.“
Verhemmt schüttelte ich den Kopf und meinte: „Nein, das ist nicht selbstverständlich.“ Paul öffnete den Kopf um etwas zu sagen, doch ich schnitt ihm das Wort ab. „Nein, warte lass mich ausreden. Weißt du... eigentlich müsstest du dich gar nicht mit mir abgeben, denn ich bin nicht wirklich beliebt aber du bist es. Und trotzdem hängst du mit mir ab. Deshalb frage ich dich wieso? Wieso hängst du mit mir ab wenn du doch all die anderen hast mit denen du abhängen kannst? Ich versteh das einfach nicht. Ich meine, die anderen sind keine wirklichen Freunde und ich weiß nicht wieso du eigentlich mit ihnen abhängst aber du passt in diese Welt und ich eben nicht...“ Ich holte tief Luft und sah ihn an.
„Wieso ich mich mit dir treffe? Weil ich bei dir ich selbst sein kann.“, antwortete er mir. Mir blieb die Luft weg.
„Und das kannst du bei den anderen nicht?“, fragte ich schwach.
„Nein. Weißt du... ich mag dich wirklich Lina. Du bist so... natürlich und voller Lebensfreude. Außerdem machst du dir nichts daraus, was andere von dir denken. Das mag ich an dir.“
„Ich nehme das mal als Kompliment.“
„Das war eins.“, versicherte er mir.
„Na dann.“ Ich lächelte zaghaft. „Lass uns wieder rein gehen. Ich wette die anderen tratschen mal wieder.“
„Na und?“
„Nichts ich finds albern, wie sie sich immer das Maul über andere zerreißen.“
„Ich auch.“

Langsam ging ich zum Musikraum. Paul neben mir. Als wir reinkamen schnauzte Frau Adler gerade Emma und Simon an.
„Könnt ihr nicht aufpassen? Wegen euch ist das Schlagzeug völlig zerstört! Ich meine wenn ihr Streit habt müsst ihr das wo anders austragen aber nicht im Musikraum!“ Sie tobte wirklich herum. Schnell sah ich zum Schlagzeug. Sie hatte Recht. In der großen Trommel und den Tom, Tom klafften riesige Löcher und das Ride Becken war völlig verbogen. Wie hatten sie es bloß geschafft so einen großen Schaden anzurichten? Ich sah zu Shane, der sich mit größter Mühe ein Lachen verkniff. Auch Paul sah das. Schnell ging er auf Christoph zu und redete leise mit ihm. Währenddessen ging ich zu dem kaputten Schlagzeug und sah es mir genauer an. Es sah so aus als hätte jemand mit voller Wucht dagegen getreten. Die Reparatur würde nicht ganz billig werden so wie es aussah.
„Ihr werdet beide zwei Wochen lang jeden zweiten Tag bei mir nachsitzen und die Reparatur bezahlen!“, entschied Frau Adler.
„Oha! Wissen sie eigentlich wie unfair das ist?“, schrie Emma.
„Seien sie lieber leise Frau Young! Bevor sich die Strafe verdoppelt.“, sagte die Lehrerin mit gefährlich, ruhigem Unterton. Emma schnaubte, warf ihre Haare gekonnt nach hinten, nahm ihre Tasche und stolzierte aus dem Raum gerade als es zum Stunden Ende klingelte.
Simon sah die Lehrerin nur erbost an, wagte sich aber nicht ihr zu widersprechen.
„Ihr könnt gehen. Und Simon. Sag Emma, dass das Nachsitzen morgen um 14 Uhr im Klassenraum beginnt und dann jeden zweiten Tag um die gleiche Uhrzeit stattfindet.“
„Mache ich Frau Adler.“ Schnell drehte er sich um, schnappte sich seine Tasche und flüchtete nach draußen. Auch die anderen verschwanden nach und nach. Auch ich packte meine Tasche und ging langsam nach draußen zu meinem Fahrrad. Paul kam zu mir und zusammen fuhren wir nach Hause.
„Wieso haben Emma und Simon das Schlagzeug zerstört? Weißt du das?“, fragte ich Paul.
„Ja... Na ja. Emma und Paul haben sich wegen irgendeinem Scheiß gestritten und plötzlich wurden beide richtig aggressiv und Emma hat gegen das Schlagzeug getreten und Simon beleidigt. Simon wurde wütend und hat mit voller Wucht auf das Schlagzeug gehauen.“
„Worum ging’s bei dem Streit?“
„Keine Ahnung. Frag mich nicht. Das wissen wohl bloß die beiden.“ Lange Zeit schwiegen wir bis Paul das Schweigen durchbrach und fragte: „Was machst du heute?“
„Ich geh reiten“, leicht lächelte ich.
„Darf ich mitkommen? Ich war so lange nicht mehr in einem Stall...“ Irrte ich mich oder klang er traurig. Ich sah kurz zu ihm rüber. Tatsächlich sah er ein wenig bedrückt aus. Ich beobachtete ihn so sehr und achtete nicht auf die Straße. Plötzlich schrie Paul: „Lina! Pass auf!“ Schnell sah ich wieder nach vorne. Doch es war zu spät! Ich fuhr genau gegen den Kantstein und machte einen Überschlag mit dem Fahrrad.
„Lina!“ Paul schrie panisch meinen Namen. Schnell machte ich eine Rolle und landete auf dem Gras. Mit dem Gesicht nach unten. Meine Schultern zuckten. Paul kam auf mich zugerannt und drehte mich auf den Rücken. Als ich in sein besorgtes Gesicht sah fing ich noch mehr an zu lachen.
„Lina? Geht’s dir gut?“ Lachend nickte ich. Paul sah mich verständnislos an. „Wieso lachst du jetzt?“
„Keine Ahnung!“, gestand ich. Tränen liefen über mein Gesicht und Paul wischte sie weg. Dann streckte er mir die Hand hin und half mir aufzustehen. Noch immer lachend hob ich mein Fahrrad auf und stieg wieder auf. Auch Paul stieg kopfschüttelnd wieder auf sein Fahrrad und murmelte dabei irgendetwas wie: „Was soll ich bloß mit dir machen?“
Dann brachte mich nach Hause.
„Wann soll ich bei dir sein?“, fragte er als ich mich von ihm verabschiedete.
„Wie, wann soll ich bei dir sein?“ Verwirrt sah ich an. Paul verdrehte die Augen.
„Ich wollte doch mit zum Reiten kommen.“
„Ach ja. So um zwei bei mir. Nimm dein Fahrrad mit.“
„Klar mach ich. Bis dann kleine.“, sagte er und umarmte mich.
„Bis später!“ Schnell schob ich mein Fahrrad in den Schuppen und ging ins Haus.

Ich hatte erwartet, dass meine Eltern wie immer nicht da wären und ich ganz alleine wäre doch das war falsch. Meine Eltern waren sehr wohl da. Sie saßen in der Küche und machten das Essen. Verdutzt stand ich am Türrahmen und beobachtete die ungewohnte Szene. Ich räusperte mich und begrüßte meine Eltern.
„Lina! Wie war die Schule?“, fragte meine Mutter. Wie oft hatte es mich traurig gemacht, dass niemand da war um mich das zu fragen und dann das.
„Schön. Na ja abgesehen von ein paar kleinen Dingen.“, erzählte ich und setzte mich an den Tisch.
„Was für kleine Dinge?“
„Zu aller erst haben Emma und Simon heute das Schlagzeug an der Schule zerstört.“
„Wirklich? Wieso?“, wollte mein Vater wissen.
„Sie hatten wegen irgendetwas Streit.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Außerdem ist jetzt der Typ von Sonntag auf meiner Schule.“ Schnell erzählte ich meinen Eltern von Shane. Sie schüttelten nur den Kopf über diesen Jungen.
„Und sonst war Schule okay?“, fragte meine Mutter.
„Ja. Ich hab ein Buch von Frau Ludwig geschenkt bekommen.“
„Welches ist es denn?“, fragte mein Vater interessiert. Er mochte genauso gern wie ich lesen. Wir hatten auch fast den gleichen Geschmack, was die Bücher anging.
„Hamlet.“, antwortete ich.
„Das ist ein wunderbares Buch.“, schwärmte mein Vater. Ich nickte nur.
„Und wieso seid ihr jetzt schon hier?“, fragte ich.
„Wir bekommen heute Familienbesuch. Fast alle aus unserer Familie werden kommen. Auch deine Cousins und Cousinen.“ Ich verdrehte die Augen. Ein Familientreffen war nicht gerade das was ich am meisten mochte.
„Ich weiß du findest das blöd aber wir sehen sie ja fast nie und deswegen...“
„Wann wollen sie kommen?“, unterbrach ich meinen Vater.
„So um halb 5 wieso?“
„Weil ich heute noch Reiten habe.“
„Ach ja. Okay dann hast du danach ja noch Zeit dich fertig zu machen und das alles.“ Ich nickte.
„Mum, Dad. Wäre es schlimm wenn Paul auch kommen würde? Nur wenn er möchte natürlich.“, fragte ich ein wenig nervös.
„Natürlich nicht mein Schatz. Nur werde nicht wütend wenn deine Cousins ein wenig rumzicken. Du weißt ja wie sie sind.“ Natürlich wusste ich wie sie sind. Meine Cousins hatten ein wenig zu viel Beschützerinstinkt. Und sie übertrieben meist ein wenig.
„Nein mach ich schon nicht.“ Meine Mutter stellte einen Teller mit Lasange vor mir auf den Tisch. Ich wartete noch bis die beiden auch etwas hatten und dann wünschte ich ihnen einen guten Appetit und fing an zu essen.

9. Kapitel



Nach dem Essen räumte ich das Geschirr weg, ging nach oben und zog mich um. Dann machte ich meine Hausaufgaben und pünktlich um zwei klingelte Paul an der Tür.
Ich rannte die Treppe herunter und machte die Tür auf. Paul lächelte mich an und umarmte mich.
Schnell holte ich mir meine Jacke und meine Schlüssel und verabschiedete mich noch schnell von meinen Eltern bevor ich mein Fahrrad aus dem Schuppen holte und wir losfuhren.
„Wir haben heute Abend ein Familientreffen hast du Lust zu kommen?“, fragte ich Paul auf der hälfte des Weges.
Paul schwieg erst einmal, dann antwortete er: „Klar. Ich komm gerne aber was soll ich auf EUREM Familientreffen?“
„Ich will nicht nur mit meiner Familie da rumhängen.“
„Wieso nicht?“
„Die sind alle so langweilig...“, murrte ich. Er fing an zu lachen.
„Na dann werden wir denen mal beibringen wie man Spaß hat!“
„Das heißt du kommst?“, fragte ich ihn hoffnungsvoll.
„Natürlich. Ich darf dich doch nicht alleine bei solchen Spießern lassen!“
„Danke, danke, danke!“, quietschte ich.
„Schon gut!“ Er lachte schon wieder. Schweigend fuhren wir weiter.

Am Reiterhof angekommen führte ich ihn zu den Ställen und sah mir die Liste an, auf der stand wer welches Pferd bekam. Heute bekam ich Starlight. Einen Araber-Englisches Vollblut Mischling und ein Hengst obendrein. Er war sehr temperamentvoll und ausdauernd aber auch sehr gut zu reiten. Schnell holte ich das Sattelzeug und die Putzsachen und machte mich an die Arbeit ihn für die Stunde fertig zu machen. Paul half mir dabei. Ich merkte schnell, dass er ein Händchen für Pferde hatte und sich mit ihnen auskannte. Als wir fertig waren führte ich Starlight zum Dressurplatz. Ich hatte Montags immer eine Einzelstunde, denn ich war eine der besten Reiterinnen in Stall und meine Reitlehrer meinten, dass ich gefördert werden müsste. Das fanden auch meine Eltern also übte ich jede Woche abwechselnd Springen oder Dressur. Mein Lehrer Max wartete schon auf mich.
„Hey Lina!“
„Hi Max.“ Er sah zu Paul, der am Zaun stand und sah mir dann in die Augen.
„Du hast Besuch mitgebracht.“
„Ja hab ich. Max das ist Paul ein Freund von mir.“ Max nickte und sagte mir dann, dass ich das Pferd aufwärmen sollte, was ich dann auch gleich tat. Dann übte ich mit Max ein paar Figuren.
„Lina. Wollen wir für heute mit Dressur aufhören und mit Springen weiter machen?“, fragte mich Max nach einer Viertel Stunde.
„Das wäre gut.“
Max grinste und meinte: „Das hatte ich mir gedacht. Du bist wirklich ein Supertalent im Springen.“ Ich wurde rot. Langsam lenkte ich Starlight zum gegenüberliegenden Springplatz.
Dort war der M. Parcours aufgebaut. Das schaffte ich meist mit links. So auch heute. Mühelos überwand Starlight die Hindernisse. Kein einziges rissen wir hinunter. Mit fast lässiger Eleganz übersprang Starlight die Hindernisse auch den Doppelsprung schätzen wir beide richtig ein und dann flogen wir beziehungsweise sprangen wir wie ein Flummi über den gefürchteten Sprung, bei dem ich meisten die Stangen abwarf.
„Super Lina! Das war ein super Ritt! Wenn du beim nächsten Turnier genauso reitest ist dir eine Platzierung sicher!“, rief Max, als ich anhielt. Ich lachte.
„Glaubst du? Ich denke nicht. Amilia Brown wird mir wie immer den 1. Platz wegnehmen.“, prophezeite ich düster.
„Nicht wenn du dieses Mal Starlight nimmst. Er geht super bei dir und ihr seid ein echt gutes Team! Ich werde dafür sorgen, dass du ihn bekommst.“ Ich errötete. Es stimmt Starlight war oft schwierig zu reiten und deshalb wurde er nur von wenigen geritten. Ich aber liebte dieses Pferd abgöttisch. Etwas verlegen streichelte ich Starlights Hals.
„Das war ein super Ritt kleine!“, scholl auch Pauls Stimme jetzt zu mir herüber. Schnell schaute ich in seine Richtung. Er lehnte an dem Gatter und grinste mir zu.
„Danke!“ Er nickte nur mit dem Kopf.
„Jetzt reite Starlight trocken und dann bring ihn in den Stall und mach ihn fertig. Er kommt heute nicht raus.“, ordnete Max an. „ich geh dann mal!“
„Klar. Bis dann Max“ Er winkte zum Abschied und verschwand dann hinter dem Hügel.
„Komm Starlight. Gleich hast du es geschafft.“, munterte ich das Pferd auf und brachte es zum gehen.
Schnell brachte ich Starlight in den Stall und sattelte ihn ab. Dann ging ich mit Paul zu den Fahrädern.
„Amilia?“, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Ja. Meine Konkurrentin.“
„Wirklich? Ist es genau die gleiche wie meine?“
„Deine?“, fragte ich spöttisch.
„Du weißt was ich meine!“ Er knuffte mich in die Seite. Ich wich aus und lachte.
„Ja. Ich weiß was du meinst!“ Schweigend fuhren wir dann nach Hause.

Vor meinem Haus trennten wir uns dann.
„Bis später kleine!“, grinste Paul.
„Bis später!“
„Wann soll ich kommen?“ Ich überlegte. Ich denke nicht, dass er in die Begrüßung reinplatzen sollte.
„So um viertel vor 5 oder so. Kannst auch um 5 kommen.“, schlug ich vor.
„Okay. Bis später!“
„Bis später!“ Lächelnd drehte ich mich um und ging ins Haus.


(Sicht von Paul)

Nachdem Lina ins Haus gegangen war fuhr ich weiter zu mir nach Hause. Was sollte ich heute Abend anziehen? Immerhin wird die ganze Familie anwesend sein. Ich lächelte. Wenn ich so etwas dachte, klang ich fast wie ein Mädchen. Schnell stellte ich mein Fahrrad in den Gartenschuppen und lief dann ins Haus. Aus der Küche holte ich mir einen Apfel und eine Cola und dann ging ich nach oben. Schnell loggte ich mich auf Facebook ein und dann ging ich zu meinem Kleiderschrank.


(Sicht von Lina)

Leise öffnete ich die Tür und trat durch die Tür.
„Mum? Dad? Ich bin wieder Zuhause!“, schrie ich.
„Hallo Liebling! Wie war das Reiten?“, erklang die Stimme meiner Mutter aus der Küche. Ich zog meine Schuhe aus und ging dann zu ihr.
„Gut. Max meinte, dass wenn ich auf Starlight reiten würde, gute Chancen auf dem Turnier haben würde.“
„Dressur oder Springen?“, fragte meine Mutter.
„Springen. Dressur mache ich dieses Mal nicht. Das wird zu anstrengend.“
„Das würde ich dir auch raten. Außerdem weiß ich zufälligerweise, dass dein Talent im Springen liegt.“ Sie grinste.
„Stimmt Mum. Ich geh hoch. Ich will duschen und mich fertig machen bevor die anderen kommen.“
„Ist gut Schatz. Wann kommt Paul?“
„So um viertel vor fünf. Wieso?“
„Nur so. Ich fände es nicht gut, wenn er mitten in der Begrüßung kommen würde.“, erklärte sie mir und schob das Blech mit dem Kuchen in den Backofen.
„Gut. Das hatte ich mir schon gedacht“, grinste ich. Ich drückte ihr noch einen Kuss auf die Wange und fragte: „Soll ich dir irgendwie helfen?“
Sie schüttelte den Kopf und meinte: „Nein, ich komm schon klar.“ Sie grinste. „Außerdem weiß ich schon, was ich anziehe!“ Entsetzt riss ich die Augen auf. Es war halb 4. In einer Stunde würden meine Verwandten kommen.
„Ich muss los Mum!“ Sie nickte und ich verließ fluchtartig die Küche.
„Vergiss nicht! Sie bleiben auch ein paar Tage bei uns!“, rief sie mir hinterher. „Räum also dein Zimmer auf!“
„Mach ich!“, schrie ich zurück. Schnell rannte ich in mein Zimmer und zu meinem Begehbaren Kleiderschrank. Ich riss die Tür auf und ging hinein. Was sollte ich bloß anziehen? Ich meine es war meine Familie aber ich durfte nicht einfach in Jeans ankommen! Prüfend ließ ich meinen Blick über die Kleider gleiten, die an einer Stange aufgereiht waren und blieb an einem hängen. Es war richtig hübsch. Es war grau und schwarz. Oben bis kurz unter die Brust war es grau und ab da war es dann schwarz. Es sah schön aus und war nicht zu festlich. Und es ging bis zu den Knien. Da meine Cousins niemals erlaubt hätten, dass ich solch ein „kurzes“ Kleid ohne Strumpfhose anzog, holte ich mir eine Netzstrumpfhose raus. Dann ging ich duschen und zog mich um. Schnell ging ich ins Bad und schminkte mich noch ein wenig. Ich lockte meine Haare ein wenig. Dann räumte ich mein Zimmer ordentlich auf.

„Muuum?“, schrie ich als ich fertig war.
„Ja Schatz?“, antwortete sie.
„Soll ich die Gästezimmer beziehen oder hast du das schon gemacht?“
„Nein! Das habe ich völlig vergessen. Könntest du das machen? Wir brauchen alle 4.“
„Okay!“ Unser Haus war eigentlich viel zu groß für uns drei. Wir hatten zwei Schlafzimmer(eins für mich und eins für meine Eltern), drei Badezimmer, zwei Arbeitszimmer (wieder eins für mich uns eins für meine Eltern), ein Esszimmer, 4 Gästezimmer und noch die ganzen Räume, die jeder hatte. Also Küche, Wohnzimmer und so etwas.
Ich hatte eine ganze Etage für mich alleine und das war gut so, denn ich wohnte ganz oben und dort kamen meine Eltern nicht besonders oft hoch.
Unser Haus hatte drei Stockwerke und einen Keller. Im Erdgeschoss waren die Küche, das Wohnzimmer, das Esszimmer, das Musikzimmer und ein kleines Bad.
Im ersten Stock „lebten“ meine Eltern, im zweiten waren die Gästezimmer und ein Bad mit Dusche und Badewanne und im dritten war mein Reich. Im Keller hatten wir ein Fitnessraum. Ich weiß das klingt jetzt als wären wir super reich und irgendwie stimmte das auch. Nur gab ich nicht damit an, so wie Emma und Tina.
Rasch bezog ich die Betten und öffnete die Fenster, damit sie etwas durchlüften konnten. Dann sah ich auf die Uhr. Es war gleich halb fünf.

Ich lief nach unten zu meinen Eltern und sah sie schon fertig angezogen im Wohnzimmer sitzen. Der Couchtisch war mit Kuchen und Kaffee gedeckt und ich lächelte.
„Und wie sehe ich aus?“, fragte ich und drehte mich ein paar Mal um mich selbst, sodass mein Kleid sich aufbauschte. Meine Eltern lächelten.
„Wunderschön!“, schwärmte meine Mutter.
„Bezaubernd.“, sagte mein Vater. Auch die beiden hatten sich ordentlich angezogen. Mein Vater trug eine Jeans und ein schwarzes Hemd und meine Mutter trug ein grünes Kleid.
„Ich liebe dein Kleid Mum. Es steht dir wirklich gut!“, sagte ich.
„Danke Schatz.“ Es klingelte an der Haustür.
„Das sind sie dann wohl.“, seufzte ich. „Ich geh schon!“ Rasch ging ich zur Haustür und öffnete sie. Dort standen meine Cousinen (3) und Cousins (4), Tanten und Onkel ( von beidem 2) und sogar meine Großeltern waren gekommen. Eigentlich hatte ich noch viel mehr Cousinen und Cousins, doch die kannte ich alle nicht.
„Hallo!“, begrüßte ich sie überschwänglich. Ich bekam lauter Hallos zurück und ich musste lächeln. „Kommt doch rein.“
Das ließen sie sich nicht zwei Mal sagen und in Windeseile waren sie im Wohnzimmer und begrüßten meine Eltern. Nach 5 Minuten hatten sich alle begrüßt und man setzte sich um ein wenig zu plaudern.
„Na wie geht’s meiner kleinen Cousine?“, fragte mein ältester Cousin Samir. Er war der Sohn von der Schwester meiner Mutter genauso wie mein drittältester Cousin Samed, der 25 war.
„Alles klar. Bei euch?“ Darauf bekam ich viele Antworten. Meine Cousins beschwerten sich lautstark über die Arbeit und was sie dort alles machen mussten und meine Cousinen, die alle fast in meinem Alter waren regten sich über die Schule auf.
„Schule ist nicht so schlimm! Fragt doch eure Brüder! Später müsst ihr arbeiten und euch eine eigene Wohnung suchen...“, versuchte ich sie zu beruhigen.
„Sie hat Recht!“, stimmte Adrian mir zu. Er war der jüngste meiner Cousins und der gechillteste. Mit ihm konnte man immer viel Spaß haben. Er war der Sohn des Bruders meiner Mutter, genauso wie mein zweitältester Cousin Denis.
Emine und Alissa, die 16 und 17 waren stöhnten.
Sophia meine jüngste Cousine lächelte und sagte: „Ich mag die Schule!“ Sie war sieben und noch völlig unschuldig.
„Ja. Jetzt noch!“, antwortete Samed lächelnd. Er liebte sie wie eine kleiner Schwester und beschützte sie wo er nur konnte. Ich musste immer lächeln wenn ich die beiden zusammen sah. Jetzt gerade saß Sophia auf seinem Schoß und kuschelte sich an ihn. Sie sahen sich nicht oft und deshalb freute sie sich immer auf die Familientreffen.
Ich sah zu meiner Mutter. Sie sah mich leicht tadelnd an und sah unauffällig zu der Kaffeekanne. Schuldbewusst nickte ich. Es war die Aufgabe der Kinder, den Erwachsenen einzuschenken. Ich nahm die Kaffeekanne und fragte: „Möchte jemand etwas trinken?“
Jeder, der alt genug dafür war nickte und ich schenkte Kaffee ein. Dann stellte ich die Kanne weg und legte Kuchen auf jeden Teller und reichte sie an meine Familie weiter.
Dann sah ich ungeduldig auf die Uhr. Es war kurz nach fünf und Paul war immer noch nicht da. Vielleicht hatte er es sich anders überlegt und wollte doch nicht kommen. Doch ich hatte mich in Paul getäuscht. Er ließ mich nicht im Stich und plötzlich klingelte es an der Tür. Meine Tanten und Onkel sahen meine Eltern verwundert an.
„Wer könnte das sein? Wir sind doch vollständig.“, fragte Alina, die Schwester meines Vaters.
„Das ist für mich.“, antwortete ich schnell. Die Augenbrauen meiner Cousins schossen nach oben.
„Ein Junge?“, fragten sie bedrohlich.
„Ja. Ein guter Freund. Wir wollten uns heute eigentlich treffen um zu lernen.“, log ich.
„Um zu lernen?“, fragte Samir misstrauisch.
„Natürlich um zu lernen! Was denkst du von mir?“, fragte ich empört und ging zu Tür.
Ich hörte wie meine Mutter meiner Familie erklärte wer Paul war und wieso er so oft zu uns kam. Sie erzählte ihnen von Emma und Tina und von Shane ohne Namen zu nennen und das in Kurzform.
Lächelnd öffnete ich die Tür und sah Paul in die Augen. Paul sah mich an und wollte mich umarmen doch ich winkte ab.
„Nicht jetzt wo meine Familie hier ist!“, flüsterte ich. Lauter sagte ich: „Hey Paul, schön, dass du gekommen bist!“
„Ach die Freunde ist ganz auf meiner Seite.“ Ich ließ ihn herein und führte ihn ins Wohnzimmer. Dann stellte ich ihm meine Familie vor und versuchte die durchdringenden Blicke meiner Cousins zu ignorieren.
„Lina, wieso hast du uns nichts von den Problemen in der Schule erzählt?“, fragte Angela, die Schwester meiner Mutter jetzt. Ich sah zu Paul. „Du hast es ihnen erzählt?“, formten seine Lippen. Ich nickte leicht.
„Ich... ich wollte sehen ob ich alleine damit klarkomme. Und Paul hat mir ja geholfen.“, antwortete ich zögernd.
„Und wieso hast du uns nichts von dem perversen Schwein erzählt, dass dich angefasst hat?“, fragte Samed wütend.
„Samed! Rede nicht so vor den Kindern!“, sagte meine Mutter erschrocken. Samed sah zerknirscht zu meiner Mutter und dann zu Sophia.
„Tut mir leid.“, murmelte er zerknirscht.
„Vielleicht wollte ich nicht darüber reden?“, fragte ich wütend.
„Sophia willst du mit Adrian und Emine rausgehen und spielen?“, fragte Angela.
„Ja!“, antwortete Sophia begeistert. Ihre Augen leuchteten. Adrian und Emine nahmen sie an der Hand und verließen das Haus.
„Wieso wolltest du uns nichts davon erzählen?“ Samir schrie fast.
„Weil...“ Ich zögerte.
„Weil?“, hakte Samed nach.
„Weil ich mich scheiße fühle okay? Weißt du... es geht euch nicht immer etwas an was ich mache!“, schrie ich und sprang auf.
„LINA!“, rief meine Mutter entsetzt.
„Tut mir leid. Ich geh raus. Ich halte es einfach nicht mehr hier drin aus.“ Ich drehte mich zu Paul um. „Kommst du mit?“
„Klar.“ Er stand sofort auf. Wir gingen zu Tür, doch Samir stellte sich uns in den Weg.
„Du gehst mit ihm nirgendwo hin!“, schrie er.
„Es geht dich ein Scheißdreck an was ich mache!“, schrie ich ihn an. „Du kümmerst dich doch nur um dich selbst! Du machst das nicht um mich zu schützen, sondern nur um jemanden etwas befehlen zu können! Vor zwei Jahren hast du mir ja auch nicht geholfen. Du hattest ja etwas besseres zu tun. Genau wie die anderen aus dieser Familie!“ Klatsch! Seine Hand traf meine Wange. Geschockt sah ich ihn an. Wie konnte er nur so etwas tun? Mir stiegen Tränen in die Augen. Auch Samir sah geschockt auf meine Wange.
„Lina... es... es tut mir leid!“, flüsterte er geschockt.
„Das kannst du nicht mehr rückgängig machen!“, zischte ich und hielt mir meine Hand an die Wange. „Lass mich einfach in Ruhe. Ich möchte euch alle in nächster Zeit nicht mehr sehen!“
Ich drängte mich an ihm vorbei und lief nach oben in mein Zimmer. Dort packte ich Geld, mein Handy und so etwas in meine Tasche und lief dann zu Paul nach unten.
„Wir können gehen!“, sagte ich entschlossen. Er sah mich besorgt und traurig an und hielt mir die Tür auf. Schnell packte ich noch meine Schlüssel ein, wer konnte schon wissen wann ich wieder kam und ging dann nach draußen. Drinnen hörte ich sie diskutieren. Ich schloss die Tür und das Geschrei verstummte abrupt.

Paul lief hinter mir her.
„Warum hast du das gemacht?“, fragte Paul.
„Was?“
„Warum hast du dich mit deiner Familie angelegt?“, fragte er.
„Ich wollte mir nicht mehr vorschreiben lassen, was ich zu tun und zu lassen habe.“, antwortete ich ihm.
„Ist es denn so schlimm?“ Ruckartig blieb ich stehen und drehte mich zu ihm um. Tränen liefen mir über die Wange.
„Schlimm?“, flüsterte ich. „Es ist die Hölle!“ Jetzt fing ich an zu schluchzen. Paul nahm mich sofort in den Arm und wiegte mich hin und her.
„Hey. Pssst. Beruhig dich... Alles wird gut.“, murmelt er. Ich schüttelte den Kopf. Nichts würde gut werden. Wenn ich nach Hause komme, gäbe es einen riesigen Streit und darauf hatte ich ja so gar keine Lust!
Ich hatte einfach nur Scheiße gemacht! Es kam einfach so über mich. Und jetzt hasste mich meine ganze Familie. Diejenigen, die immer für mich da waren und immer zu mir gehalten haben. Ich schluchzte noch doller. Irgendwann hob Paul mich hoch und trug mich irgendwo hin. Ich versuchte mich zu wehren, aber er hielt mich fest und ließ mich nicht los. Nach 20 Minuten, die sich wie Stunden anfühlten, setzte Paul mich auf einer Bank ab.
Mit verweinten Augen sah ich mich um. Wir waren in einer Art Park, an einem See. Nur, dass niemand anderes zu sehen war. Wir waren ganz allein. Die Sonne ging gerade unter und tauchte alles in orange, goldenes Licht.
„Wo sind wir?“, fragte ich rau und räusperte mich. Paul reichte mir ein Taschentuch und schwieg lange Zeit bevor er antwortete: „Wir sind an meinem Lieblingsplatz. Dort wohin ich mich immer zurückziehe, wenn ich alleine sein will.“
„Es ist wunderschön hier.“, hauchte ich.
„Das ist es...“ Paul sah mich an und lächelte und ich wandte den Blick schnell von ihm ab. Wie ich wohl aussah! Mit verquollenen Augen und verschmierter Wimperntusche. Schnell wischte ich mir mit dem Taschentuch über das Gesicht und putzte mir meine Nase.
„Weiß jemand von dem Platz?“, fragte ich.
„Nicht viele kommen hier her. Es ist viel zu tief im Wald. Und ich hab noch niemanden mit hierher genommen.“ Erschrocken sah ich mich um. Wir waren wirklich in einem Wald. Die Bäume standen dicht beieinander und wilde Blumen wuchsen an ihren Wurzeln. Trotz der Schönheit schauderte ich. Zu tief im Wald war gar nicht gut.
„Du brauchst keine Angst zu haben Lina.“, sagte Paul sanft. Er hatte mein Schaudern bemerkt und richtig gedeutet.
„Aber. Hier ist es so still und verlassen.“ Meine Stimme zitterte und ich verfluchte mich dafür.
„Ja. Aber ich bin doch da!“, flüsterte Paul und rutschte näher zu mir.
„Ich weiß nur...“ Ich brach ab. Meine Gedanken wanderten in die Vergangenheit. Zu einem Tag, den ich am liebsten vergessen wollte, der sich jedoch viel zu tief in mein Gedächtnis eingebrannt hatte.

10. Kapitel



(Flashback- Lina)

Vor zwei Jahren, kurz nachdem Paul weggezogen war, ging ich in den Wald. Ich hatte Stress in der Schule und mit meinen Eltern gehabt und ich wollte allein sein. Ich war so in meinen Gedanken vertieft gewesen, dass ich gar nicht bemerkt hatte, dass ich schon viel zu tief in den Wald eingedrungen war und die Spazierwege verlassen hatte. Ich stand inmitten einer riesigen Lichtung und um mich herum war nichts als dichter Wald. Schnell wandte mich in die Richtung aus der ich gekommen war und versuchte einen Weg aus dem Wald zu finden. Als ich den Weg fand, wurde es schon dunkel und ich wusste nicht, in welche Richtung ich laufen sollte. Also lief ich nach links Richtung Sonne. Irgendwie hatte ich das Gefühl beobachtet zu werden. Ich drehte mich kurz um und sah einen Mann hinter mir. Er war groß, breitschultrig und sein Gesicht von Narben zerfurcht. Er machte mir Angst und ich lief schneller. Als ich das nächste Mal nach hinten blickte, war er schon viel näher bei mir als beim letzten Mal. Ich lief schneller. Plötzlich umschlagen mich zwei feste Arme von hinten und ich fing an zu kreischen. Der Mann lachte nur und trug mich ein wenig tiefer in den Wald hinein. Weg von den Gehwegen. Dann ließ er mich runter und steckte mir seine widerliche Zunge in den Hals. Ich sah ihn mit aufgerissenen Augen an und versuchte mich ihm zu entziehen. Er lachte nur grollend und legte mir seine Hand um die Taille. Unwillkürlich versteifte ich mich.
„Mach dich mal locker Mädchen. Du wirst schon sehen es wird super werden.“, flüsterte der Mann dicht an meinem Ohr. Ich schauderte und zog blitzschnell mein Knie nach oben. Der Mann schrie auf und ging in die Knie. Schnell lief ich den Weg zurück, den wir gekommen waren. Auf dem Weg traf ich ein Pärchen, dass Hand in Hand spazierten. Verrückt vor Angst lief ich auf sie zu und bat sie mich nach Hause zu begleiten, nachdem ich ihnen erzählt hatte, was im Wald geschehen war. Geschockt halfen sie mir aus dem Wald und brachten mich nach Hause. Meine Eltern waren geschockt, als ich mit Blättern und Ästen in den Haaren vor ihrer Tür stand und bedankten sich bei meinen Rettern.
Nachdem das Pärchen gegangen war erzählte ich ihnen die Geschichte und sie verboten mir jemals wieder alleine in den Wald zu gehen. Sie hätten es mir nicht zu verbieten brauchen. Ich wäre auch ohne ihr Verbot nicht mehr in den Wald gegangen. Dafür saß der Schock und die Angst viel zu tief in mir drinnen. Ich ging ein paar Tage nicht zur Schule und ich musste zu einem Psychologen, der mir half die Scheu Menschen gegenüber zu überwinden.


„Lina?“, fragte Paul jetzt. Ich schüttelte den Kopf um die Erinnerung zu vertreiben und sah Paul an.
„Ich hab schlechte Erinnerungen an Wälder.“, antwortete ich leise. Ich überlegte es ihm zu sagen, doch ich wusste nicht ob er es für sich behalten konnte. „Wenn ich dir jetzt ein schreckliches Geheimnis verraten würde, von dem nur meine Familie weiß, würdest du es für dich behalten und es niemanden weiter verraten?“
„Natürlich!“, sagte Paul.
„Schwörst du es mir?“, flüsterte ich. Paul hob seine Hand zum Schwur.
„Ich. Paul Wagner. Schwöre hiermit jedes Geheimnis, dass du mir verrätst für mich zu behalten und es zu mir ins Grab zu nehmen.“ Er sagte es völlig erst und mit einem besorgten Unterton in der Stimme. Ich holte tief Luft und sammelte meine Kräfte für dieses Geständnis. Paul unterbrach mich kein einziges Mal, doch er holte immer wieder zischend Atem und ballte die Hände zur Faust.
„Deswegen hast du dich immer so erschreckt wenn ich dich von hinten angefasst habe.“, stellte er fest, als ich fertig war. Ich nickte. „Hast du dieses Ereignis gemeint, als du deinen Cousin angeschrieen hast?“ Ich nickte wieder.
„Als meine Eltern es ihnen erzählten und ihnen erklärten, dass mein physischer Zustand nicht besonders Stabil war und ich meine Familie jetzt dringender als sonst brauchte, kam niemand zu mir. Sie entschuldigten sich immer und immer wieder. Doch ich wusste, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollten.“ Ich erzählte es emotionslos und mit ausdruckslosen Gesicht, doch Paul kannte mich trotz der kurzen Zeit viel zu gut.
„Das muss hart für dich gewesen sein.“ Er umarmte mich.
„Das war es. Später als meine Mutter zu ihnen fuhr und ihnen alles noch einmal haargenau erklärte kamen sie zu mir.“
„Haben sie gedacht, dass du deine Unschuld verloren hast?“, fragte Paul verlegen und bekam einen roten Kopf.
„Das haben sie. Einmal als sich meine Eltern über die Familie unterhielt, ich hörte ihnen unbemerkt zu, hörte ich meine Mutter sagen, dass sie mich Schlampe nannten und dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollten, denn das wäre nicht gut für ihren Ruf gewesen.“ Paul sah mich nachdenklich an und fragte mich: „Was willst du jetzt machen? Du willst ganz bestimmt nicht nach Hause“.
„Nein das will ich nicht!“, stimmte ich ihm zu. „Aber ich muss. Sie würden sich nur unnötig Sorgen machen.“
„Und das willst du nicht.“, sagte Paul verständnisvoll.
„Nein. Meine Eltern haben das nicht verdient. Sie haben ja nichts gemacht!“ Ich sah ihm in die funkelnden Augen. „Außerdem haben wir morgen Schule.“
„Stimmt.“
„Ich bleibe aber noch draußen bis sie schlafen gehen.“ Ich sah zu Boden.
„Das kann noch lange dauern.“, warnte Paul.
„Nein. Wird es nicht.“, widersprach ich. „Meine Eltern gehen wenn sie arbeiten müssen schon um 11 ins Bett. Meine Großeltern und meine Tanten und Onkel auch. Meine Cousinen müssen schon früher ins Bett und meine Cousins werden feieren gehen, denn sie haben frei und wollen ganz bestimmt nicht zu Hause rumhocken.“
„Aber werden sie nicht nach dir suchen?“, fragte Paul verständnislos.
„Nein, werden sie nicht. Sie wissen, dass ich nicht weglaufen würde. Besonders, weil ich keine Reisetasche mitgenommen habe und ich morgen Schule hab.“
„Und was willst du bis dahin machen?“
„Keine Ahnung. Wahrscheinlich werde ich Hamlet lesen oder so. Das Buch hat mich echt gepackt.“
„Und was soll ich machen? Dir beim Lesen zuschauen oder was?“, fragte Paul beleidigt. Mein Kopf fuhr hoch.
„Du willst mir Gesellschaft leisten?“, fragte ich unsicher.
„Klar! Ich lass dich doch um diese Uhrzeit nicht alleine!“
„Danke.“, hauchte ich und umarmte ihn so sehr, dass ich fast auf seinem Schoß saß. Er legte die Arme um mich und murmelte in mein Ohr: „Ist doch selbstverständlich!“ Lange Zeit saßen wir so. Eng aneinander geschmiegt und ich halb auf seinem Schoß. Wir sehen aus wie ein Pärchen!, schoss mir durch den Kopf. Langsam löste ich mich von ihm und stand auf. Meine Beine waren eingeschlafen und ich stampfte auf um wieder ein Gefühl in ihnen zu bekommen. Belustigt sah Paul mir dabei zu.
„Was ist?“, fragte ich ihn.
„Du siehst echt süß aus wie du da auf dem Boden stampfst!“, kicherte er. Ich verdrehte die Augen und wartete bis er fertig war mit Lachen.
„Bist du jetzt fertig?“, fragte ich ihn und er nickte. „gut. Dann können wir ja auch ein wenig durch die Stadt laufen!“
„Super Idee.“ Er stand auf und nahm meine Hand. Dann zog er mich hinter sich her aus dem Wald raus.

Die Stadt war richtig belebt. Das lag wohl daran, dass es diese Woche ein Straßenfest in der Stadt gab. Überall waren Stände aufgebaut an denen man etwas gewinnen oder trinken konnte. Vergnügt sah ich mich um. Ich liebte diese Straßenfeste. Es gab hier immer so viele Künstler, die zeigten was in ihnen steckte.
Eine Menschenmenge hatte sich in einem Kreis aufgestellt und beobachtete junge Hip-Hop Tänzer. Zu meiner Freude war es mein Kurs. Nach dem Tanz ging ich also auf Marco zu und begrüßte ihn.
„Hey Marco!“
„Hey Lina. Was machst du denn hier?“
„Hatte Stress mit der Familie. Wollte mal Spaß haben.“ Ich winkte ab. Marco nickte verständnisvoll.
„Kenn ich.“ Er sah zu der Crew. „lust mitzumachen?“ Begeistert nickte ich. Paul lächelte mir zu und sagte: „Bring die Menge zum Rasen!“
„Klar. Immer doch!“ Ich lachte.
„Machst du die Musik an? Track 7!“, fragte Marco.
„Mach ich.“, antwortete Paul und ging zu der Musikanlage.
„Welche Choreo?“
„Die, die wir letztes Mal so schön geübt hatten!“, grinste Marco. „Die kannst du doch so gut.“
„Ach die.“ Lächelnd stellte ich mich auf. Emma und Tina waren nicht dabei, aber Marco meinte, dass es besser war, dass sie nicht da waren. Sie hätten die Choreo nur kaputt gemacht. Als ich in die Menge sah, bekam ich doch ein wenig Lampenfieber.
„Das packst du schon.“, flüsterte mir Marco zu, der meine Nervosität zu spüren schien. Ich lächelte und nickte tapfer. Marco gab Paul ein Zeichen und dieser schaltete die Musik ein. Die Musik belebte mich und ich wirbelte mich durch den Tanz. Nach der Aufführung jubelte die Menge und wir verbeugten uns. Marco legte den Arm um mich und sagte: „Siehst du? Vor Publikum zu tanzen ist gar nicht so schwer.“ Er grinste. „ich weiß gar nicht warum du so eine Angst davor hast.“ Ich knuffte ihm in die Seite und lachte.
„Ich weiß es auch nicht.“ Paul kam auf mich zu und küsste mich auf die Wange.
„Das war super!“, rief er begeistert.
Marco sah uns neugierig an.
„Seid ihr zusammen?“, fragte er. Ich wurde rot und sah zu Paul. Er schien nicht verlegen zu sein und lachte.
„Nein sind wir nicht. Aber jeder Junge, der mit ihr zusammen wäre, hätte viel Spaß.“ Er sah mich zärtlich an.
„Vielen Dank für die Blumen!“, lachte ich. Ich wandte mich an Marco. „Wieso dachtest du das?“
„Na ja. Es sah so aus. Er küsst dich. Und wie er dich ansieht. Das sprach Bände.“
„Wie er mich ansieht?“ Fragend starrte ich ihn an.
„Na ja. Ist schwer zu erkennen. Beschützend. Zärtlich. Verstehend. So eben.“ Ich nickte. Paul stubste mich an.
„Ich denke du könntest jetzt gefahrlos nach Hause. Es ist halb zwölf.“
„Schon?“ Paul und Marco lachten und nickten. „Na dann los.“ Wiederwillig verabschiedete ich mich von der Crew und Paul und ich drängten uns durch die Menge nach Hause.

Vor unserem Haus drehte ich mich zu ihm um und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Danke, dass du heute für mich da warst.“, flüsterte ich.
„Gern geschehen. Immer wieder gerne.“ Er lächelte. Lange Zeit standen wir noch da und sahen uns einfach nur an. Ich zitterte vor Kälte. Paul räusperte sich und sagte verlegen: „Du solltest rein gehen. Es ist ganz schön kalt.“
„Stimmt. Gute Nacht. Bis morgen.“
„Gute Nacht. Schlaf schön!“ Er gab mir einen Kuss auf die Stirn. Ich drehte mich um und schloss leise die Tür auf. Schnell sah ich nach hinten zu Paul. Er stand noch immer vor dem Haus und sah mich an. Er winkte mit der Hand, dass ich reingehen sollte und das tat ich nach einem kurzen Blick zur Seite auch.
Ich schlich zu meinem Zimmer und öffnete die Tür. Beinahe wäre ich über meine Cousine gestolpert, die auf einer Matratze lag und schlief. Wie blöd konnte ich nur sein? Ich hatte völlig vergessen, dass meine Cousinen in meinem Zimmer schlafen würden solange meine Verwandten hier waren. Schnell zog ich mich um, packte meine Schultasche und legte mich ins Bett um zu schlafen.
„Wieso bist du heute abgehauen?“, fragte mich Alissa plötzlich.
„Wieso bist du noch wach?“, versuchte ich mich hinauszureden.
„Ich konnte nicht schlafen. Und lenk nicht ab. Wieso bist du weggelaufen?“
„Ich...“ Ich stockte. Ich konnte ihnen nicht erzählen wieso ich meiner Familie nicht wirklich vertraute. „Ich konnte das Gehabe von den Jungs nicht mehr aushalten.“
„Das kenn ich. Aber ich würde richtig Ärger bekommen wenn ich einfach abhauen würde. Und das auch noch mit einem Jungen.“
„Tja. Ich bekomm wahrscheinlich auch Ärger. Aber erst morgen oder so. Und jetzt schlaf. Gute Nacht.“
„Gute Nacht.“, flüsterte sie noch. Kurz darauf war ich eingeschlafen.

11. Kapitel



(Sicht von Paul)

Ich ließ Lina jetzt ungern alleine ins Haus. Dorthin wo alle wütend auf sie waren und sie wahrscheinlich richtig fertig gemacht wurde. Als sie ins Haus trat sah ich noch lange auf die geschlossene Tür aber die Lichter im Haus blieben aus. Auch kam kein Geräusch nach draußen aber das war ja auch kein Wunder. Dann lief ich zu mir nach Hause und fragte mich die ganze Zeit ob Lina morgen wohl zur Schule kommen würde und wenn, in welcher Verfassung.


(Sicht von Lina)

Als ich am nächsten Morgen aufwachte schliefen die Mädchen noch. Leise machte ich mich fertig für die Schule und schnappte mir meine Tasche. In der Küche kochte ich Kaffee und machte mir ein paar Brote für die Schule. Schnell schluckte ich meinen Kaffee und aß ein paar Bissen. Dann lief ich aus dem Haus und fuhr mit dem Fahrrad zu Christina.
„Hey Süße.“, begrüßte sie mich.
„Hey.“
„Was ist los? Hast du schlecht geschlafen?“
„Ja... aber nicht nur das...“, seufzte ich.
„Willst du es mir erzählen?“, fragte sie.
„Nicht jetzt... Vielleicht später.“ Ich sah zu ihr. Sie sah glücklich aus. „Wie läuft´s mit Timo?“
Sie strahlte. „Super. Er ist so süß und immer so liebevoll.“
„Ja er ist ein super Typ.“, stimmte ich ihr zu.
„Wir müssen bald mal ein Doppeldate machen.“, meinte sie.
„Wen denn noch außer euch beiden?“, fragte ich neugierig.
„Na dich und Paul!“ Sie verdrehte die Augen. „Wen sollte ich denn sonst meinen?“
Ich wurde rot. Wieso dachten alle, dass Paul und ich zusammen wären?
„Paul und ich sind aber nicht zusammen. Das weißt du doch!“
„Wirklich nicht? Ich dachte ihr wärt es, wärt aber noch nicht bereit es zu erzählen.“
„Als ob Paul und ich jemals zusammen kommen würden!“, schnaubte ich.
„Es könnte doch sein. Timo dachte das auch. Weil er dir immer hilft.“, sagte sie scheinheilig. Na klar. Immer doch. Wir kamen an der Schule an.
„Wir haben doch jetzt zusammen Theater oder?“, fragte ich. Christina nickte. Schnell schlossen wir unsere Fahrräder an und liefen zur Aula, wo wir immer Theater hatten. Unser Lehrer war zum Glück noch nicht da.


Lachend standen wir vor der Aula als Shane, mit Emma und Tina im Schlepptau, ankam. Emma lachte gekünstelt und hakte sich bei Shane unter. Als ich Paul entdeckte wusste ich wieso sie so komisch drauf war. Sie sah ihn an und warf gekonnt die Haare nach hinten.
„Hey Paul.“ Er umarmte mich und sah mich besorgt an. Ich wusste wieso. Meine Wange war ein wenig geschwollen und ich hatte einen Abdruck von der Hand von Samir. Ich schüttelte den Kopf und lächelte.
„Wie geht’s?“
„Gut.“, sagte Christina. Sie sah von mir zu Paul.
„Hast du heute wirklich die Wahrheit gesagt Lina?“, fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Paul sah verwirrt aus.
„Worin die Wahrheit gesagt?“, fragte er.
„Ach. Ist egal.“, winkte ich ab.
„Wirklich?“, fragte er misstrauisch und ich nickte heftig mit dem Kopf. Christina fing an zu lachen.
„Willst du ihm wirklich nicht sagen worüber wir geredet haben?“, fragte sie nach Luft schnappend.
„Nein.“
„Doch.“, sagte Paul gleichzeitig. Christina sah zwischen mir und Paul hin und her. Schließlich fasste sie einen Entschluss und öffnete den Mund.
„Wehe Christina!“, warnte ich sie.
„Doch.“ Sie steckte mir die Zunge raus. „Also Timo und ich dachten, dass ihr beide ein paar seid.“ Ich wurde rot.
„Wieso dachtet ihr das?“, wollte Paul verständnislos wissen.
„Na ja. Wie du sie anschaust, sie beschützt, ihr hilfst. Das sieht wirklich so aus als wärt ihr zusammen.“
„Und was wenn es so wäre?“, fragte Paul mit funkelnden Augen und lächelte mich an.
„Also seid ihr zusammen?“ Paul sagte gar nichts, sondern lächelte nur geheimnisvoll vor sich hin.
Hinter uns schnaubte Emma und wir drehten uns zu ihr um.
„Ist was Emma?“, fragte ich sie liebenswürdig. Sie ignorierte mich und sah zu Paul.
„Als ob ihr beide zusammen wärt.“, sagte sie. „Sie ist viel zu hässlich und unter deinem Niveau. Außerdem hast du doch eine Freundin.“ Sie hatte Recht mit ihren Behauptungen. Zwar war ich nicht wirklich hässlich nur ich schminkte mich nicht so extrem wie Tina und Emma und das machte mich zum hässlichen Mädchen.
„Ich habe keine Freundin mehr und wenn hier jemand unter meinem Niveau ist dann du!“, sagte Paul wütend.
„Du beschützt sie auch noch? Wieso?“, fragte Tina.
„Halts Maul Tina.“, fauchte ich.
„Oha. Hat das hässliche Entlein auch mal Mut und legt sich mit uns an?“, spottete Emma.
„Wieso nicht ist doch höchste Zeit.“ Ich kochte vor Wut. Wie konnte sie es nur wagen mich zu beleidigen.
„Paul du bist doch nicht wirklich mit ihr zusammen, oder?“, frage Emma jetzt. „Nach mir und Sophia dann sie? Wo ist nur dein Geschmack geblieben?“
„Mein Geschmack, wie du sagst, kommt gerade zu mir.“ Auch Paul war wütend. „Und wenn du versuchst mich dazu zu bringen wieder zu dir zu kommen hast du schlechte Chancen.“ Unauffällig legte er mir einen Zettel in die Hand.


Da kam endlich unser Lehrer und wir gingen geladen in die Aula. Der Lehrer schien davon aber nichts mitzubekommen. Aber das war kein Wunder, der lebte und starb für das Theater. Jetzt klatschte er in die Hände um die Aufmerksamkeit der Klasse auf sich zu lenken.
„Guten Morgen Klasse.“ Er wartete gar nicht ab, dass wir zurück grüßten, sondern sprach einfach weiter. „Heute werden wir am Anfang zum Aufwärmen eine kleine Improvisierte Szene spielen. Jeder einzelne von euch tritt auf die Bühne und trägt etwas vor. Auch gerne zu zweit. Ich gebe euch 5 Minuten Zeit euch etwas auszudenken.“ Schnell faltete ich den Zettel auseinander, den Paul mir in die Hand gedrückt hatte. Und lachte los.
„Was soll ich denn damit?“, fragte ich ihn lachend.
„Spiel es auf der Bühne vor. Es wird bestimmt richtig lustig.“, grinste er.
„Was wird richtig lustig?“, wollte Christina wissen.
„Lass dich überraschen.“, meinte ich geheimnisvoll und lächelte Paul an. Er hatte Recht. Würde ich das, was auf dem Zettel stand vorspielen, hätte die ganze Klasse etwas zum lachen. Jetzt musste ich nur noch nachdenken wie ich das auf der Bühne präsentieren konnte. Dafür brauchte ich nicht lange und schnell hatte ich mir überlegt was ich alles brauchte.
„So Leute. Die 5 Minuten sind vorbei. Wer möchte anfangen?“, fragte Herr Laurich. Emma tuschelte kurz mit Shane und meldete sich dann.
„Gut Emma. Du arbeitest bestimmt mit... wie heißt du noch mal?“ Er wandte sich an Shane.
„Shane.“, antwortete dieser.
„Na dann los.“ Die beiden spielten eine total kitschige Szene wo Shane starb und Emma (die seine Geliebte spielte), bei ihm blieb und ihn bis in seinen Tod begleitete. Dann weinte sie übertrieben gespielt und die Szene war zu ende.
„Das war super.“, meinte jedoch unser Lehrer und winkte weiter. Nach und nach kamen alle anderen dran. Christina spielte eine Szene wo sie sich ermordet, weil sie mit dem Stress nicht mehr leben konnte und Herr Laurich war entzückt.
„Wunderbar! Einfach wunderbar!“, sagte er immer und immer wieder. Dann kam Paul. Seine Szene berührte mich am meisten. Er spielte einen Jungen, der nicht wusste ob er seine Gefühle dem Mädchen gestehen sollte, das er liebt und zur gleichen Zeit seine beste Freundin war, oder schweigen sollte und zusehen sollte, wenn sie sich mit anderen Jungs traf. Am Ende klatschte ich begeistert.
„Jetzt bleibt nur noch eine.“, sagte Herr Laurich jetzt. Ich stand auf und ging langsam auf die Bühne. Den Text, der auf dem Zettel stand hatte ich auswendig gelernt. Schnell nahm ich einen Tisch, einen Stuhl, mein Handy, ein Blatt Papier und einen Stift und baute mir meine Kulisse auf. Dann nahm ich mein Handy. Ich setzte mich an den Tisch und tat so als würde ich eine Nummer tippen und sagte dann: „Hey Süße! Tut mir leid aber ich weiß nicht wie ich es ihm sagen soll. Ich will ihn immer noch.“
Ich machte eine Pause und tat so als würde ich auf die Antwort meiner Freundin warten. „Ich soll ihm einen Brief schreiben? Wirklich? Und was soll darin vorkommen?“ Wieder eine Pause. „Ich soll schreiben was mir an ihm gefällt und was ich an ihm liebe?“ Eine Pause. „Danke Schatz. Das mach ich!“
Dann legte ich das Handy weg und nahm das Papier und den Stift zur Hand. Ich starrte konzentriert auf das Blatt und zu meinem Publikum. Innerlich grinste ich. Wie die wohl reagieren würden?
„Liebster Samir.“ Mir fiel auf die Schnelle kein Name ein, der nicht in unserem Jahrgang ist und nahm deswegen diesen Namen. „Wenn ich an Deine blauen Augen denke, wünschte ich, Du wärst ganz nahe bei mir.“ Langsam holte ich Luft und sah nachdenklich auf einen Punkt hinter den Zuschauern.
„Ich verehre Dich, ich bin Dir völlig verfallen. Deine blonden Haare sind so unheimlich sexy und machen mich ganz verrückt.
Deine Augen mag ich ganz besonders gern an Dir! In ihnen kann man nur versinken.
Ich werde nie vergessen, wie Du mich das erste Mal zärtlich geküsst hast und damit meinen Puls in nie geahnte Höhen getrieben hast. Du bist sehr begabt, denn Du kannst so gut küssen, und ich liebe Dich auch deshalb so sehr!“
Hier fingen schon einige an zu lachen. Aber das war ja auch kein Wunder. Dieser Brief war einfach nur schrecklich.
“Manchmal frage ich mich, wie kann man nur so extrem süß sein, wie Du? Du zeigtest mir Deine Gefühle auf eine noch nie gekannte offene und leidenschaftliche Art, die mich sehr glücklich machte.
Es tut mir so leid, dass ich dir damals fremd gegangen bin!“ Wieder eine Pause um Luft zu holen. Und dann sagte ich einen Satz, der das Fass zum Überlaufen brachte.
“In ewiger Liebe, Deine Emma Young.“ Die Leute lachten, zeigten auf Emma, die so aussah als würde sie gleich umkippen und ich grinste auch. Sie zitterte vor Wut.
„Wieso sagst du meinen Namen? Fiel dir kein anderer Name ein?“, fragte sie betont gleichgültig.
„Nein Emma. Ich habe deinen Brief an Paul nach gespielt.“, sagte ich.
„Das ist eine Lüge!“, kreischte sie jetzt aufgebracht. Kein bisschen Gleichgültigkeit war in ihrer Stimme mehr.
„Wirklich?“, fragte ich scheinheilig. „Also ich hab den Beweis für diesen Brief genau hier.“ Ich holte den Brief hervor und hielt ihn hoch.
„Du Schlampe! WO HAST DU DEN HER?“, sie stürzte auf mich zu, doch ich wich geschickt aus.
„Den hat Paul neben mir gefunden. Den hattest du verloren als du Spaß mit mir gehabt hattest und mich so schlimm verprügelt hast, dass ich geprellte Rippen hatte.“ Wieder kam sie auf mich zu gerannt und diesmal fing Shane sie ab und hielt sie fest. Sie weinte und fauchte mich an: „Das wirst du bereuen!“ Sie lief aus dem Raum und Shane hinterher.
„Wow! Das ist eine wunderbare Szene gewesen!“, sagte Herr Laurich gerade begeistert. „Das war super. Und dass Emma noch mit gespielt hat war ein super überraschender Effekt!“ Ich sah ihn an. Er glaubte das wäre alles gespielt gewesen? Oha der lebte wohl wirklich in einer Theaterwelt. Ich überlegte und ließ es dabei. Ich musste ja nicht ein Desaster daraus machen.
„Dankeschön.“
„Wir machen jetzt Schluss. Das hat doch länger gedauert, als ich gedacht hatte. Bis nächste Woche.“ Schnell packten wir unsere Sachen und gingen in die Pause. An der Wand stand Shane und sah mich kopfschüttelnd an.
„Ich wusste gar nicht, dass du so fies sein kannst. Emma sitzt im Mädchenklo und heult sich die Seele aus dem Leib.“ Ich zuckte nur mit den Schultern und ging an ihm vorbei. Er packte mich am Handgelenk und ich wirbelte herum und klatschte ihm eine.
„Ich hab in letzter Zeit nicht wirklich gute Tage also lass mich am besten in Ruhe!“, fauchte ich. Er ließ mich los und ich rannte nach draußen.

In einer Ecke der Schule, wohin Christina und ich mich oft verzogen, weil niemand dort war lehnte ich mich an die Wand und schloss die Augen. Wieso ich? Warum hab ich so ein Pech? Wieso hassen mich eigentlich so viele und haben es auf mich abgesehen?
„Hey Lina. Alles ist gut. Nicht weinen.“, sagte Paul gerade leise. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich weinte.
„Ich... ich kann nicht mehr. Ich will nach Hause.“, schluchzte ich.
„Komm wir gehen ins Sekretariat und füllen die Entschuldigung aus. Ich bring dich dann nach Hause.“ Ich nickte und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Paul streckte die Hand aus und nahm mich an der Hand. Zusammen gingen wir ins Sekretariat und füllten die Entschuldigung aus. Paul bekam die Erlaubnis mich nach Hause zu bringen und brauchte aber nicht wieder her kommen, denn nach den zwei Stunden Deutsch fielen die letzten beiden aus.
„Lass uns zu Fuß gehen.“, schlug Paul vor und ich nickte. Langsam, Hand in Hand schlenderten wir nach Hause.
„Komm. Wir setzten uns auf die Terrasse.“, wisperte ich. Paul nickte und wir setzten uns auf die Hollywood Schaukel. Eng aneinander gekuschelt saßen wir dann dort und sahen in den Himmel.
„Danke.“, sagte ich schließlich.
„Wofür?“, fragte er überrascht.
„Dafür, dass du zu mir hältst und mich vor den anderen beschützt. Du bist ein super Freund.“ Ich weinte wieder.
„Dafür doch nicht.“ Er küsste mich auf den Kopf. „Nicht weinen. Ich kann das nicht ab.“
„Ich kann nichts dafür!“
„Vielleicht nicht....“, er verstummte. Ich hörte das Auto von meinen Cousins heranfahren, doch es war mir egal ob sie mich so sahen oder nicht.
„Meine Cousins kommen.“
„Wollen wir dann nicht lieber...“
„Nein. Sie sollen mich so nehmen wie ich bin.“
„Und wie bist du?“
Darüber musste ich nachdenken. Ja. Wie bin ich eigentlich?
„Ich bin ein schüchternes, Bücher versessenes Mädchen und mit Jungs befreundet, was meine Familie gar nicht ab kann.“
„Tja. Ich bin ein alberner, Bücher versessener Junge, der gerne mit zwei Mädchen abhängt, seine ´Freunde´ vernachlässigt und die Schule schwänzt um seiner besten Freundin zur Seite zu stehen.“ Ich lächelte.
„Und genau deswegen bist du der beste Freund der Welt!“ Ich umarmte ihn.


In diesem Moment kam Samir aus dem Haus. Ich löste mich aus der Umarmung, blieb aber so sitzen wie ich war. Samir kam jetzt genau auf uns zu. Entschlossen und doch ein wenig zögerlich. So kannte ich ihn gar nicht.
„Lina.“
„Samir.“, grüßte ich ihn kühl.
„Ich... ich möchte mich bei dir entschuldigen.“
„Wofür? Dass du mich geschlagen hast? Oder wegen dem, vor zwei Jahren?“
„Beides. Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe. Und auch, dass wir uns vor zwei Jahren von dir abgewendet haben, als...“ Er sah unsicher zu Paul.
„Ich weiß Bescheid.“, sagte dieser. Samir sah mich überrascht an.
„Du hast es ihm gesagt?“
„Hab ich. Er ist mein bester Freund!“
„Bester Freund?“
„Ja. Bester Freund. Nur, weil ich mit Jungs abhänge, heißt das nicht, dass ich mit ihnen zusammen bin.“, sagte ich empört. Samir hob die Hände zu einer entschuldigenden Geste.
„Okay, okay.“
„Ich hab dich trotzdem lieb Samir.“, sagte ich leise.
„Ich hab dich auch lieb.“ Er kam zu mir und umarmte mich, was ein wenig schwierig war, weil ich ja an Paul gekuschelt war. Umständlich stand ich auf.
„Sind sie eigentlich sehr wütend über mich?“, fragte ich ein wenig ängstlich. Samir sah mich nachdenklich an.
„Na ja eigentlich nicht nur...“ Er machte eine Pause. „Sie sind ziemlich enttäuscht von dir, weil du einfach mit einem Jungen abgehauen bist.“
„Sie verstehen mich nicht...“, sagte sie niedergeschlagen.
„Nein. Das tun sie wirklich nicht. Und ich manchmal auch nicht.“ Er lachte und auch ich musste grinsen.
„So sind Mädchen halt.“, sagte Paul. „Auch ich versteh sie manchmal nicht.“ Samir klopfte Paul auf die Schulter und wandte sich dann mir zu.
„Du kannst richtig gut Tanzen.“, sagte er bewundernd. Überrascht sah ich ihn an. Woher wusste er wie ich tanzte? Er hat mich doch nie Tanzen sehen. „Ich war gestern mit den Jungs auf dem Fest und hab dich beobachtet.“
„Du stalkst mich? Und dann zeigst du dich noch nicht mal?“, gespielt, empört sah ich ihn an.
„Du wärst wütend geworden und dann weggelaufen. So hattest du einen schönen Abend und konntest dich beruhigen. Das was du mit den Jungs gemacht hast, haben wir natürlich übersehen!“
„Was ich mit den Jungs gemacht habe?“ Verständnislos sah ich ihn an. Samir fing an zu lachen.
„Du spielst mit ihnen. Unbewusst zwar, aber du tust es.“ Und damit drehte er sich um und lief ins Haus.


Ich drehte mich zu Paul um.
„Weißt du was er damit gemeint hat?“, fragte ich. Paul schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung.“ Plötzlich knurrte mein Magen und Paul fing schallend an zu lachen. Ich wurde rot.
„Das ist nicht lustig.“, sagte ich beleidigt.
„Nein... natürlich nicht.“, keuchte Paul, der sich immer noch vor Lachen krümmte.
„Ich geh Essen kochen!“ Ich drehte mich um und lief ins Haus. Im Wohnzimmer saß meine Familie und unterhielt sich. Samir war auch dort. Ohne ihnen einen Blick zu würdigen ging ich in die Küche und überlegte was ich kochen könnte. Ein Problem war jedoch - ich konnte nicht kochen...
Paul kam zu mir und fragte: „Was ist los kleine?“
„Ich kann doch nicht kochen...“, jammerte ich. Verlegen sah ich auf den Boden.
„Aber ich!“ Schnell holte er sich ein paar Sachen aus den Schränken und setzte sich an den Tisch. „Komm. Du kannst mir helfen.“ Ich setzte mich zu ihm an den Tisch und er schob mir ein Schneidebrett mit Zucchini hin. „Hier schneid das mal in kleine Würfel.“ Ohne nachzudenken schippelte ich darauf los. Auch die Paprika und das andere Gemüse schnippelte ich. Paul schüttete alles in einen großen Topf und ließ es kochen.
„Was kochen wir eigentlich?“, wollte ich wissen.
„Lasagne.“, antwortete er knapp.
„LASANGE? Du kannst LASANGE kochen?“, rief ich. Gleichgültig zuckte er mit den Schultern.
„Ja kann ich. Ist gar nicht so schwer.“ Ich schnaubte. Gar nicht so schwer. Ich würde das niemals hinbekommen, obwohl es gar nicht so schwer aussah. Nach einer halben Stunde duftete die ganze Küche nach dem Essen und nach und nach kamen die anderen aus dem Wohnzimmer um zu gucken was es so leckeres gab. Doch Paul und ich sahen und bemerkten sie nicht.
„Das ist ja schön und gut, aber wenn ich nicht gleich was esse, sterbe ich vor Hunger!“, sagte ich lachend. Paul nahm eine Karotte, die wir nicht in den Topf geworfen hatten, dippte sie in Sour Cream und steckte sie mir in den Mund. Leider traf er nicht ganz genau und die Soße landete auf meinem Ausschnitt.
„Na danke!“ Igitt. War das ekelhaft. Schnell nahm ich einen Löffel und schmierte ihm die Soße ins Gesicht.
„Oha. Wofür war das denn?“, fragte er.
„Ähm. Dafür?“, Ich zeigte auf mein beschmutztes T-Shirt und lachte.
„Okay. Dann sind wir quitt!“, meinte Paul und wischte sich mit einem Tuch über das Gesicht.
„Muss ich mir noch mal überlegen.“, lachte ich. Er hob eine Augenbraue und kam auf mich zu.
„Wirklich?“ Schnell nahm er einen Löffel und schmierte mir Soße in die Haare.
„Nein, war nur ein Scherz! Wir sind quitt!“, kreischte ich lachend.
„Das will ich doch hoffen!“, brummte er. Dann erstarrte er und sah zur Tür. Schnell drehte ich mich um und blickte in die wütenden Gesichter meiner Großeltern und meiner Tanten und Onkel.


(Sicht von Paul)

Als ich mich zur Tür drehte erstarrte ich. An der Tür standen die anderen aus Linas Familie. Sie sahen mich wütend an. Lina, die gespürt hatte, dass etwas nicht in Ordnung war drehte sich um und erstarrte.
„LINA ASHTON!“, schrie ihr Onkel. „Du ehrlose Schlampe!“ Sie zuckte zusammen.
„Onkel. Ich hab doch...“, weiter kam sie nicht, denn ihr Onkel schrie schon weiter.
„Du weißt was wir von dem Umgang mit Jungs halten! Und du tust es trotzdem!“
„Onkel...“
„Nichts Onkel. Kann es sein, dass du deine Unschuld nicht doch schon verloren hast? Ich wette vor zwei Jahren schon.“
„Du weißt, dass das nicht wahr ist!“, schrie Lina jetzt. Wütend kam ihr Onkel auf sie zu. Doch sie wich nicht zurück. „Du glaubst anderen Leuten aber nicht deiner eigenen Nichte?“ Ihr Onkel klatschte ihr eine. Das nahm sie ohne mit der Wimper zu zucken an.
„Wollt ihr mich jetzt immer schlagen wenn ich mal etwas sage, was euch nicht gefällt?“, fragte sie leise.
„Nein. Natürlich nicht!“, sagte ihre Tante.
„Und wieso macht ihr das dann?“
„Weil... weil, es eben nicht geht wie du mit uns sprichst.“, sagte sie langsam. Lina nickte knapp und sah zur Tür. Auch ich tat das. In der Tür standen ihre Eltern. Ihre Mutter sah ihren Bruder geschockt an.
„Hast du sie eben geschlagen?“, fragte ihre Mutter.
„Jacqueline. Sie hatte es verdient. Sie hat mich nicht mit dem Respekt behandelt, der mir zusteht.“
„Ich soll dir Respekt entgegenbringen?“ Lina sah ihren Onkel ungläubig an. „und wieso? Hast du meinen Respekt etwa verdient?“ Diesmal kam der Schlag von der anderen Seite. Linas Kopf flog zur Seite.
„RAUS!“, schrie plötzlich Linas Mutter los. „Raus aus meinem Haus!“ Entgeistert sahen die Familienmitglieder Jacqueline an.
„Was hast du gesagt?“, fragte Denis.
„Wisst ihr... Ich hab euch hierher eingeladen, damit ihr das was vor zwei Jahren passiert ist vergesst und Lina so nehmt wie sie ist. Doch jetzt merke ich, dass ihr Lina niemals glauben werdet und ich fände es am Besten wenn ihr jetzt gehen würdet.“ Während Jacqueline erklärte, ging ich zu Lina, die sich auf einen Stuhl in der Küche hingesetzt hatte. Samir saß neben ihr und hielt ihr ein Tuch hin, welches sie dankbar annahm. Besorgt sah ich sie an.
„Alles in Ordnung?“, fragte ich sie besorgt. Sie lächelte mich an und nickte. Kurz darauf verzog sie das Gesicht. Wütend sah ich Samir an.
„Ist das bei euch normal? Schlagt ihr öfters Frauen, wenn sie ihre Meinung sagen?“ Schuldbewusst sah er auf Linas Wange.
„Nein. Nur manchmal verliert mein Vater die Beherrschung. Das endet dann damit.“ Er sah zu seinem Vater, der jetzt sagte: „Kommt wir packen unsere Sachen und gehen!“ Ich freute mich, dass sie gingen. Ohne sie hatte Lina wenigstens ein Problem weniger!

12. Kapitel



(Sicht von Lina)

Als meine Familie eine Stunde später an der Tür stand war ich erleichtert. Nicht falsch verstehen aber ich hielt es mit ihnen nicht mehr aus. Als Samir auf mich zu trat umarmte ich ihn und meinte: „Du bist immer bei uns willkommen! Wenigstens einer, der mich nicht als Schlampe hinstellt.“
„Sie stellen dich nicht alle als Schlampe da.“, widersprach er.
„Aber meine wunderbaren Onkel, Denis und Ardian und das langt mir.“
„Es wird sich schon beruhigen. Spätestens dann wenn du verheiratet bist.“ Er lachte und ich schlug ihn auf den Arm.
„Das kann noch ein wenig dauern!“, lachte ich.
„Muss nicht sein.“ Ich verdrehte die Augen und er ging zu seinem Auto. Auch die anderen gingen. Alissa, Emine und Sophia verabschiedeten sich von mir und versprachen mich bald anzurufen. Die anderen gingen ohne sich zu verabschieden. Einfach so. Ein wenig verletzte mich das schon. Aber wenn sie meinten, dass das, das Beste für uns wäre, dann bitteschön! Meine Mutter schlug die Tür zu und drehte sich zu mir um. Sie sah traurig und ein wenig schuldbewusst aus. Ich wusste sofort, dass sie sich Vorwürfe machte, weil sie die anderen eingeladen hatte.
„Mum.“, kam ich ihren Worten zuvor. „Alles in Ordnung. Du wusstest ja nicht, dass sie immer noch so sind.“
„Ja aber...“
„Mum. Könnten wir das verschieben und könntest du mir etwas wegen meinen Wangen geben? Die fangen an wehzutun.“ Sofort war meine Mutter in ihrem Element. Schnell suchte sie ihre Sachen zusammen und verarztete mich. Während der Behandlung hielt ich Pauls Hand. Na ja ich zerquetschte sie eher, denn jede Berührung tat weh.
„Lina. Aua! Nicht so fest!“, keuchte Paul. „gleich muss deine Mutter mir einen Gips um machen, weil meine Hand gebrochen ist!“ Er grinste mich schief an.
„Sorry.“, nuschelte ich und lockerte meinen Griff um gleich darauf wieder fest zuzudrücken. Als meine Mutter fertig war ging ich mit Paul auf mein Zimmer. Seufzend ließ ich mich ins Bett fallen.
„Deine Familie ist... gewöhnungsbedürftig.“, sagte Paul und schmiss sich zu mir ins Bett.
„Jaaa.“ Ich drehte mich zu ihm um. Er war mir so nah. Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren. Unbewusst entspannte ich mich. Seine Augen nahmen mich gefangen. Wie konnte man nur so strahlende Augen haben? Ich schloss die Augen.
„Paul?“
„Hm?“
„Ich bin froh, dass du hier bist.“, murmelte ich.
„Das ist schön!“ Ich legte mich hin und seufzte.
„Ich glaube ich komm morgen nicht zur Schule.“
„Wieso?“, fragte Paul verständnislos.
„Meine Wange?“ Ich verdrehte innerlich die Augen.
„Ach ja. Aber ist das ein Grund Schule zu schwänzen?“
„Die Lehrer werden was weiß ich denken. Und auch die anderen werden reden. Darauf hab ich keine Lust.“
„Das kann ich verstehen. Aber morgen ist Dienstag! Also langer Tag! Was soll ich denn die ganze Zeit tun ohne dich?“ Er klang verzweifelt. Ich lächelte.
„Du kannst ja mit Shane abhängen!“
„Niemals!“, knurrte er.
„Ach. Du hasst ihn, weil er Spaß mit mir haben wollte?“
„Ja.“ Mehr sagte er nicht.

Plötzlich klingelte es an der Tür. Ich hörte, dass meine Mum hinging um aufzumachen und ich blieb liegen.
„Lina! Ich dachte da läuft nichts zwischen euch beiden!“, erklang Christinas Stimme von der Tür her. Träge öffnete ich die Augen und sah sie und Timo an der Tür stehen.
„Läuft es auch nicht! Christina du weißt was ich dir immer und immer wieder erzählt habe!“
„Ja. Aber…“
„Nichts aber!“ Ich stand auf und ging auf die beiden zu. Schnell umarmte ich sie.
„Timo.“, grinste ich und umarmte ihn. Er lachte nicht sondern starrte auf meine Wange.
„Was ist passiert?“, zischte er. Beruhigend legte ich ihm eine Hand auf die Wange.
„Hatte Stress mit meiner Familie.“
„Deine Eltern haben dich geschlagen?“, rief er.
„NEIN! Meine Onkel.“
„Die waren bei dir?“, fragte Christina. Ich nickte.
„Ich habe ihnen ein paar unschöne Sachen an den Kopf geworfen und sie haben die Beherrschung verloren.“ Ich zuckte mit den Schultern.
„Was? Wieso?“, fragte Timo. Ich sah zu Paul, was Timo nicht entging.. „Okay. Ich verstehe. Sie stellen dich mal wieder als Schlampe da.“ Ich nickte seufzend.
„Ich glaube wir müssen dich auf andere Gedanken bringen!“
„Womit?“, wollte ich misstrauisch wissen. Mir war der diebische Unterton, und der Blick, der zwischen Timo und Christina hin und her ging, nicht entfallen.
„Wir gehen Party machen!“, kreischte Christina.
„Christina. Wir haben morgen Schule!“, erinnerte Paul sie.
„Nein haben wir nicht.“, widersprach sie.
„Wie nein, haben wir nicht?“, fragte ich und machte ein entgeistertes Gesicht.
„Na ja. Morgen sind doch diese Konferenzen wo alle Lehrer hin müssen. Deshalb fällt Schule aus.“
„Das ist doch super! Dann machen wir heute Party.“ Paul klang begeistert. Schnell drehte ich mich zu ihm um.
„Ich dachte du hasst Partys!“, sagte ich vorwurfsvoll.
„Na ja. Eigentlich schon, weil die sich dort alle immer betrinken und dann zu nichts mehr fähig sind. Aber diesmal seid ihr dabei und dann können wir schön abfeiern.“
Ich ließ meinen Blick über die Gesichter meiner Freunde wandern. Sie alle sahen begeistert aus. Ich konnte ihnen natürlich nicht den Spaß verderben. Und das würde ich, wenn ich nicht mitkommen würde.
„Na gut. Wenn meine Eltern es erlauben komme ich mit!“, gab ich nach. Begeistert umarmten sie mich und Christina lief zu meinem Kleiderschrank.
„Du hast die Besten Klamotten. Wir suchen uns welche bei dir raus. Es wird eine Poolparty bei Simon. Der ganze Jahrgang ist eingeladen.“ Ich seufzte.
„Na gut.“, seufzte ich. Sie wandte sich an die Jungs.
„Ihr geht jetzt nach Hause. Um 19 Uhr hier!“
„Wie kommen wir eigentlich da hin? Wo auch immer wir hin gehen...“, fragte ich.
„Bus und Bahn.“ Christina sagte das so als hätte ich das wissen müssen. Na ja. Irgendwie hätte ich das wissen müssen. Niemand von uns hatte einen Führerschein.
Schnell liefen wir runter und fragten meine Eltern, die – leider - nichts dagegen hatten, dass ich ein wenig feiern ging.
„Aber du trinkst nichts Alkoholisches!“, bestimmte mein Vater. Brav schüttelte ich den Kopf. Wenn der wüsste...
„Ich werde auf sie aufpassen Herr Ashton.“, versprach Paul. Mist! Das machte mir einen Strich durch die Rechnung mich volllaufen zu lassen. Ich wollte nicht, dass Paul schlecht da stand.
„Danke Paul.“
„So und jetzt geht! Wir müssen uns fertig machen!“, sagte Christina. Die Jungs gingen grinsend zur Tür.
„Schick machen ja?“, sagte Paul noch. Ich verdrehte nur die Augen und scheuchte ihn raus.

(Sicht von Christina)

Ich werde Lina so auf stylen, dass Paul vor Staunen nicht mehr weiß wo er ist. Man sah doch sofort, dass die beiden füreinander bestimmt waren! Aber ohne Hilfe würden die nie zusammen kommen. Als Lina im Bad war um zu duschen sah ich mir ihre Klamotten ganz genau an. Ich hatte schon eine Idee was sie anziehen könnte. Jetzt brauchte ich nur noch ein Outfit für mich und die Hilfe von Linas Mutter. Schnell lief ich zu ihr und erzählte ihr meinen Plan. Begeistert machte sie sich ans Werk. Ich wusste, dass es wunderbar werden würde, denn ich war ganz gut im Designern.
Als Lina aus dem Bad kam waren wir fertig.


(Sicht von Lina)

„Das soll ich anziehen?“ Fassungslos sah ich auf die Klamotten, die Christina mir rausgesucht hatte.
„Ja.“ Meine Mutter (diese hinterhältige Schlange) und Christina nickten.
„Aber... Das ist so...“ Mir fehlten die Worte.
„Zieh es einfach an!“ Ungeduldig hielt mir Christina die Hose hin. Nachdem ich meinen dunkelblauen Bikini angezogen hatte zog ich mir die Hose an. Es war eine schwarze Röhrenjeans (eine, die ich eigentlich nicht so gerne trug). Aber meine Mutter und Christina hatten sie völlig neu gestaltet. Sie war zerschlissen und ein wenig zerrissen. Sie sah echt gut aus. Als Oberteil bekam ich ein Pailletten besetztes blaues Top. Die Haare lockten mir die beiden. Dann schminkten sie mich. Als ich dann in den Spiegel blickte, sah ich nicht mich, sondern ein ganz anderes Mädchen.
„Leute?“, fragte ich.
„Jaaa?“ Christina klang aufgeregt.
„Ich liebe euch!“ Stürmisch umarmte ich sie. „aber ein Problem gibt es noch...“
„Welches?“ Meine Mutter klang besorgt.
„Die Schminke wird beim Schwimmen verlaufen.“ Die beiden fingen an zu lachen.
„Nein wird sie nicht. Wir haben dir Wasserfestes Maskara aufgetragen und der Rest... Das ist nicht so schlimm. Es sieht gut aus, wenn es ein wenig verläuft.“ Meine Mutter klang wirklich professionell.
„Na dann. Stylen wir mal Christina.“ Das Stylen von Christina ging eigentlich ganz leicht. Die zog sich eine dunkelgrüne Hot Pans an und ein beiges Top an. Sie ließ die Haare offen über die Schulter fallen und Schminken ging auch ganz schnell.


Pünktlich um 19 Uhr klingelten die Jungs. Aufgedreht gingen wir nach unten. Beiden klappte der Mund auf.
„Wow.“ Timo ging auf Christina zu und küsste sie leicht auf den Mund. Aus dem Kuss wurde eine stürmische Begrüßung und ich sah verlegen zu Paul, der mich immer noch anstarrte.
„Was ist?“, fragte ich leise. Sein Blick machte mich nervös.
„Nichts.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich dachte nur, dass du mir es nur auf dem Ball schwer machen würdest die anderen davon abzuhalten dich mir wegzuschnappen. Aber jetzt...“ Ich lächelte.
„Danke.“ Er lächelte zurück.
„Kommt ihr?“, rief er den beiden verliebten zu.
„Jaha! Okay!“ Timo klang atemlos aber genervt. Ich grinste.
Schnell machten wir uns auf den Weg.


Gut gelaunt kamen wir bei Simon an. Der begrüßte uns auch aufgedreht. Man merkte sofort, dass er schon angetrunken war.
„Wow. Lina Süße! Ich wusste gar nicht, dass du so sexy bist.“ Er ließ seinen Blick über meinen Körper wandern. „Wie wär’s wenn wir uns später noch ein wenig unterhalten.“ Er grinste anzüglich.
„Vielleicht“, wich ich ihm aus.
„Nicht so schüchtern.“ Er kniff mir in die Wange. „Bis später! Viel Spaß.“ Wir bedankten uns und verschwanden in der Menge.
„Was meinte ich? Ich werde allerhand zu tun haben.“ Paul beugte sich zu mir rüber und schrie mir ins Ohr. Ich lachte und hakte mich bei ihm unter.
„Er will mich doch nur flachlegen.“ Als ich mich umdrehte um Christina etwas zu fragen waren sie und Timo verschwunden. Wahrscheinlich in einer ruhigen Ecke um herumzuknutschen. Ich sah mich um. Wirklich. Fast der ganze Jahrgang war gekommen. Auch noch ältere waren hier. Alle standen mit einem Drink herum und unterhielten sich. Manche tanzten auch auf der Tanzfläche. Begeistert sah Paul sich um. Plötzlich zeigte er auf eine Gruppe von Jungs, die sich in der Nähe vom Pool aufhielten.
„Ist das nicht Marco?“ Ich spähte in die angegebene Richtung.
„Ja das ist er.“
„Los dann lass uns hingehen.“ Ohne meine Antwort abzuwarten zog er mich hinter sich her. Als wir bei Marco ankamen umarmte er mich und fragte: „Du mal auf einer Party? Das ich das noch erlebe!“
„Haha sehr lustig!“ Ich boxte ihn in die Seite.
„Hey Marco. Suchst du vielleicht noch einen Tänzer in deiner Gruppe?“, fragte Paul. Erfreut sah ich Paul an. Er wollte sich wirklich in meinem Tanzkurs einschreiben. Das wäre super! Marco überlegte. „Eigentlich ja... Nur wir sind ein Fortgeschritten Kurs. Ich weiß nicht ob du mithalten könntest.“
„Klar könnte ich das. Mit meiner alten Crew haben wir euch schon mal geschlagen. Auf dem Tanzbattle in Leipzig.“
„Du warst da?“ Marco klang überrascht. Paul nickte. „Na dann. Herzlich willkommen in unserer Crew.“ Alle klatschten Paul ab und begrüßten ihn als neustes Mitglied.
„Marco? Wollen wir tanzen? Ich meine richtig tanzen?“, fragte ein Mädchen. Ich vergaß immer ihren Namen.
„Ja ich glaub es kann losgehen.“ Marco drehte sich zu mir um. „Lina. Willst du mittanzen? Wir machen ein paar Choreos um die Stimmung ein wenig aufzulockern und so.“ Ich sah ihn an und dachte nach. Eigentlich hasste ich es ja vor Publikum zu tanzen aber Marco sah mich mit einem Hundeblick an, da konnte man gar nicht nein sagen.
„Okay. Ich mach mit.“
„Danke!“ Marco hob ich mich hoch und wirbelte mich lachend herum.
„Ist ja gut!“ Er stellte mich ab und nickte dem DJ zu. Der legte eine andere Platte auf und bat die Gäste von der Tanzfläche zu verschwinden. Die taten das auch dann nach einigem Murren.
„Welche Choreos?“, wollte ich wissen.
„Die Battle, Nothing on you, Low und die Lala Land Choreo.“ Ich nickte. Das waren Choreos, die ich mit links schaffte. Bei der Nothing on you Choreo waren ein paar Balettmoves drin. Marco zeigte dem DJ eine 4 und wir stellten uns auf. Manche Gäste machten sich über mich lustig und riefen: „Was macht der Streber auf der Tanzfläche?“ oder „Geh von der Tanzfläche Blindschleiche.“ Ich ignorierte die Kommentare und sah zu Marco, der mir freundlich zunickte. Und los ging es. In den Choreos hatte ich eine führende Position ich stand bei allen ganz vorne. Ich wirbelte herum und überließ mich der Musik. Die Gäste jubelten. Nach der kleinen Vorführung stürmten Leute auf die Tanzfläche und fingen an zu Tanzen.

Plötzlich nach ein paar Stunden, in der ich die ganze Zeit mit Paul und Marco getanzt hatte, ging plötzlich die Musik aus. Viele riefen durcheinander und fragten was los sei. Simon lief zum Mischpult und entschuldigte sich für die kleine Unannehmlichkeit. „Tut mir leid Leute. In ein paar Minuten wird die Musik wieder laufen. Die Anlage spinnt nur ein wenig.“
Ich drehte mich zu Paul um. „Das scheint ihm wirklich peinlich zu sein.“
„Das wäre mir auch peinlich.“, sagte Timo gerade, der mit Christina im Schlepptau, bei uns ankam.
„Wo wart ihr? Als ich mich zu euch umdrehte wart ihr nicht mehr da!“ Empört starrte ich die beiden an. Schuldbewusst sahen sie sich an.
„Wir wollten ein wenig allein sein. Und euch nicht stören.“, grinste Christina. Ich verdrehte die Augen und wollte gerade antworten, dass wir zu viert feiern gehen wollten als ich von hinten gepackt wurde. Panisch schrie ich auf und drehte mich um. Ich starrte in das Gesicht von einem Jungen aus einer Klassenstufe über uns. Er schien betrunken zu sein.
„Hey Süssche! Bock Spasch zu haben?“, lallte er.
„Ne nicht wirklich.“ Ich wich zurück aber der Typ umfasste meine Hüfte, zog mich zu sich und fing an mich zu küssen. Ich versuchte mich zu befreien aber er war zu stark. Ich schloss die Augen und machte mich steif. Wieder dachte ich an den Typ im Wald. Der hatte mich genauso umfasst.

Plötzlich war der Typ nicht mehr da. Als ich die Augen öffnete stand Paul neben mir. Wütend sah er den Jungen an, der mich geküsst hatte und jetzt auf dem Boden lag.
„Lass sie in Ruhe.“, knurrte Paul.
„Wieso sollte isch? Sie ischt ganz alleine hier? Sie hat auch keinen Freund!“
„Doch hat sie.“ Paul hatte sich vor mich gestellt. Überrascht sah ich seinen Rücken an. Hatte ich das? Wenn ja wieso wusste ich nichts davon?
„Ach ja und wen?“, fragte jetzt Simon. Schnell sah Paul zu Simon und funkelte ihn wütend an.
„Mich.“, antwortete er schlicht. Okay. Ich würde jetzt mal in Ohnmacht fallen. Hatte er das jetzt wirklich gesagt?
Simon fing an zu lachen. Auch die anderen Gäste lachten.
„Ach ja? Und das sollten wir glauben?“
„Als ob du mit diesem kleinen Miststück zusammen kommen würdest!“
„Du bist mit Emma zusammen und nicht mit ihr.“ Solche Kommentare wurden gerufen.
„Nein. Ich liebe Lina! Sie ist das hübscheste Mädchen auf der ganzen Welt. Und wenn ich mit ihr zusammen bin, bin ich glücklich.“ Paul sah mich liebevoll an und kam auf mich zu. Sprachlos starrte ich ihn an.
„Ach ja?“, kreischte Emma. „Wenn du wirklich mit ihr zusammen bist. Beweis es!“
„Und wie soll ich das machen?“, fragte Paul ruhig und nahm meine Hand.
„Küss sie!“ Paul zuckte mit den Schultern und drehte sich zu mir um. Kurz sah ich ihm in die Augen und sah in ihnen eine stumme Entschuldigung. Dann nährten sich seine Lippen meinen. Ich schloss die Augen und wartete. Als ich seine Lippen spürte schlang ich meine Arme um seinen Hals und erwiderte ihn. Der Kuss schmeckte nach Erdbeeren, nach Sonnenschein und nach ihm. Ich hatte mir so oft gewünscht, dass er mich küsste und jetzt ist es wirklich wahr! Es passierte in echt. Viel zu schnell löste er sich von mir, hielt mich aber immer noch eng umschlungen. Alles um uns war still. Dann fingen die Leute an zu applaudieren. Einer nach dem anderen. Emma sah uns, besser gesagt mich, wütend an und stürmte weg. Langsam fingen die Leute an sich wieder zu unterhalten. Nach ein paar Minuten fing die Musik auch wieder an zu spielen. Ich sah zu Christina und Timo, die mich beide fassungslos anstarrten. Ich löste mich von Paul und ging zu ihnen.
„Und ich dachte da läuft nichts zwischen euch!“ Christina klang verletzt. „Ich dachte wir wären Freunde!“
„Christina. Da lief wirklich nichts zwischen mir und Paul. Es ist nur so...“ Ich sah sie traurig an. „Er hat es nur gespielt damit mich der Typ in Ruhe lässt.“
„Lina.“ Timo klang mitleidig. Auch Christina sah mich betroffen an.
„Entschuldigt mich bitte!“ Schnell wandte ich mich ab und lief Richtung Haus.

In der Nähe des Gartenschuppens stand eine Hollywoodschaukel. Niemand war in der Nähe. Ich setzte mich hin und vergrub das Gesicht in den Händen. Wieso tat er das? Wieso hatte er nicht den Jungen von mir weg gezerrt und ihm gesagt, dass er mich in Ruhe lassen sollte. Wieso musste er bloß mit meinen Gefühlen spielen? Mir liefen Tränen über das Gesicht und ich fing an zu schluchzen. Zum Glück hatte ich wasserfestes Maskara, schoss mir durch den Kopf und ich lachte bitter auf.
Als sich die Schaukel wegen eines zusätzlichen Gewichts bewegte schoss mein Kopf in die Höhe. Neben mir saß Paul. Er sah mich besorgt an.
„Was ist los? Wieso weinst du?“
„Das fragst du noch?“ Wütend funkelte ich ihn an.
„Ähm ja. Ist es wegen diesem Jungen?“
„Nein!“ Fragend sah er mich an.
„Wegen was ist es dann?“
„Du kapierst auch gar nichts oder?“ Ich sah ihm fest in die Augen. Er schüttelte den Kopf. „Man! Du solltest ein Mädchen nicht küssen, wenn du nicht wirklich was von ihr willst!“ Paul wollte was sagen aber ich schnitt ihm das Wort ab. „Weißt du, dass ich dich schon seit verfickten zwei JAHREN liebe? Dass ich mir immer vorgestellt habe wie es sein würde wenn du mich küsst? Ich weiß es ist dumm aber ich... es hat mir Kraft gegeben an dich zu denken. Besonders als das im Wald passiert ist! Auch wenn alle über mich hergezogen haben. Oder wenn ich Streit mit meiner Familie hatte und ich am Boden war. Ich musste nur an dich denken und schon war ich glücklich! Und jetzt küsst du mich und meinst es noch nicht einmal ernst! Du denkst es macht mir nichts aus von dir geküsst zu werden. Ich würde das schon verstehen!“ Ich holte tief Luft und den Moment nutzte Paul.
„Lina! Ich hab nichts gespielt! Nichts von dem was ich eben getan habe war nicht ernst gemeint! Ich habe nicht gelogen als ich sagte, dass ich dich liebe, denn das tue ich wirklich! Du machst mich glücklich! Ich hab’s dir schon einmal gesagt. Du bist das wunderschönste Mädchen, was ich jemals gesehen habe! Bei dir kann ich sein wer ich bin! Du siehst mich wie ich bin. Und mit dir kann man immer so viel Spaß haben!“ Sprachlos sah ich ihn an. Er beugte sich zu mir und flüsterte: „Ich liebe dich Lina Ashton!“ Leicht küsste er mich auf den Mund. Dann sah er mir intensiv in die Augen. Wie ich seine Augen liebte!
„Ich liebe dich auch Paul!“ Glücklich sah ich ihm in die Augen.
„Weißt du eigentlich, dass du mich zum glücklichsten Menschen auf der Welt machst?“, flüsterte Paul. Verlegen sah ich auf den Boden. Er zog mich an sich, sodass ich fast auf ihm lag und ich vergrub meinen Kopf an seiner Brust. Sanft küsste er mich auf den Kopf und ich merkte, dass er lächelte. Wir saßen bestimmt eine halbe Stunde nur so da und sahen in den Sternenhimmel.
„Wir sollten zu den anderen zurückgehen.“, murmelte ich irgendwann.
„Hm.“ Langsam rappelte ich mich auf und sah ihn an.
„Kommst du jetzt?“ Stöhnend stand er auf und nahm meine Hand. Gemeinsam machten wir uns auf die Suche nach unseren Freunden. Sie standen in der Nähe vom Pool. Beide einen Drink in der Hand. Als sie uns sahen rissen sie die Augen auf.
„Was sagtest du eben Lina?“ Christina sah mich grinsend an.
„Okay. Ich hab falsch gedacht! Und du hattest Recht! Zufrieden?“
„Ich freu mich so für euch!“ Sie umarmte mich. Auch Timo gratulierte uns.
„Ich wusste, dass ihr zusammen kommt. Das war ja offensichtlich.“ Gerade lief ein langsamer Kuschelsong und der DJ rief: „Los! Alle verliebten Pärchen auf die Tanzfläche! Ganz wichtig sind Lina und Paul!“
Paul verbeugte sich vor mir und fragte sogleich: „Darf ich bitten?“ Ich legte meine Hand in seine und gemeinsam schritten wir zur Tanzfläche. Paul legte seine Hände an meine Taille und ich schlag meine Arme um seinen Hals. Langsam tanzten wir zur Musik. Ich seufzte glücklich und legte meinen Kopf an seine Brust.
„Ich liebe dich!“, sagte ich.
„Ich dich auch! Für immer und ewig.“, erwiderte ernst. So tanzten wir zusammen mit den anderen glücklichen Pärchen auf der Tanzfläche.

Irgendwann so um 2 Uhr morgens entschlossen wir uns nach Hause zu fahren. Ich war müde aber glücklich. Wir verabschiedeten uns von Timo und Christina und auch von Simon und fuhren nach Hause. Am Bahnsteig bekam ich eine Gänsehaut und fing an zu zittern. Was Paul natürlich sofort bemerkte.
„Was ist los Schatz? Ist dir kalt?“ Ich schüttelte stumm den Kopf.
„Ich... ich hasse es Nachts an Bahnsteigen zu stehen. Es... es könnte so viel passieren.“, antwortete ich stockend. Paul umarmte mich fest und flüsterte: „Es wird nichts passieren. Ich bin doch bei dir.“ Dankbar schmiegte ich mich an ihn. Kurz darauf kam auch unsere Bahn.
Ohne Probleme kamen wir Zuhause an. Vor unserem Haus drehte er sich zu mir um und küsste mich leicht auf den Mund. Ich schlang die Arme um seinen Hals und erwiderte ihn. Irgendwann löste ich mich von ihm und sagte: „Ich sollte rein gehen. Gute Nacht.“
„Gute Nacht Schatz. Ich liebe dich!“
„Ich dich auch.“ Ich drehte mich um und ging ins Haus. Leise um meine Eltern nicht zu wecken schlich ich nach oben und zog mich aus. Kam war ich im Bett, war ich auch schon eingeschlafen.


(Sicht von Emma)

Nachdem ich gesehen hatte wie Paul dieses Miststück geküsst hatte stürmte ich davon. Wie konnte sie es nur wagen ihn mir wegzunehmen? Erst das im Theaterkurs und jetzt das! Ich dachte sie hätte ihre Lektion gelernt? Frustriert suchte ich nach Tina.
„Süße! Hast du das gesehen?“, fragte ich sie.
„Natürlich! Jeder hat das gesehen!“
„Ich fass es nicht! Wie kann sie es nur wagen das zu tun?“ Wütend lief ich hin und her.
„Was willst du jetzt machen?“, fragte meine beste Freundin. Tja. Was sollte ich jetzt machen? Irgendwie musste ich die beiden auseinander bekommen.
„Ich schmiede einen Racheplan!“ Tinas Augen leuchteten bei diesen Worten auf.
„Hast du schon eine Idee?“, wollte sie wissen.
„Nein. Noch nicht.“ Aber mir würde schon noch etwas einfallen. Sonst wäre ich ja nicht Emma Young. Und auf die Hilfe von Shane konnte ich zählen. Er wollte Paul am Boden sehen. Für das was er getan hatte. Sie würden für das bezahlen was sie getan hatten. Das schwor ich.


(Sicht von Paul)

Ich war der glücklichste Mensch auf der Welt! Meine wunderbare Lina gehörte jetzt mir. Als ich sie vor den anderen küsste tat sie mir leid, denn ich hatte nicht gewusst, dass sie genauso empfand wie ich. Und da die anderen dachten, dass wir uns liebten hätte sie die verliebte spielen müssen. Na ja. Für eine Weile. Doch als sie dann weglief musste ich hinterher und das mit ihr klären. Und als ich ihr in die Augen sah und sie mir sagte was sie für Gefühle für mich hatte war ich einfach nur glücklich! Sie ist mein Leben! Mein ein und alles. Und ich würde sie niemals gehen lassen. Niemand würde uns trennen können. Ganz besonders nicht Emma, die war für mich gestorben. Aber ich war ihr auch dankbar. Ohne sie wären Lina und ich niemals zusammengekommen.
Ich legte mich ins Bett und war kurz darauf eingeschlafen. Natürlich träumte ich von meiner wunderschönen Freundin, die in einem weißen Kleid vor mir stand.


(Sicht von Lina)

Gut gelaunt wachte ich auf. Ich hatte einen wunderschönen Traum gehabt in dem Paul und ich zusammen waren. Träge stieg ich aus dem Bett und erblickte die Klamotten von gestern Abend, die ich achtlos auf den Boden geschmissen hatte und da fiel mir alles wieder ein. Paul und ich waren wirklich zusammen!
Pfeifend ging ich in die Küche. Die Uhr an der Wange zeigte an, dass es schon 12 Uhr war. Meine Eltern waren nicht Zuhause. Kein Wunder. Die armen mussten ja arbeiten! Schnell machte ich mir etwas zu essen und ging dann auf mein Zimmer. Ich holte mir meinen Laptop und loggte mich auf Facebook an. So viele Neuigkeiten! Viele hatten mich auf Bildern verlinkt. Die meisten waren von Paul und mir. Wie wir uns küssten und wie wir zusammen tanzten. Ich likte alle und schrieb ein Kommentar dazu. Dann änderte ich meinen Beziehungsstatus. Christina war leider nicht on. Aber dafür Marco.
„Hey “ , schrieb ich.
„Hey“
„Was ist los?“ Ich merkte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Normalerweise schrieb er nie ohne Smileys.
„Nichts...“ Das glaubte ich ihm nicht aber ich ließ ihn in Ruhe. Wenn er mir nicht erzählen wollte was mit ihm los war zwang ich ihn nicht dazu.
„Können wir uns treffen?“, fragte er plötzlich.
„Öhm. Klar. In einer halben Stunde beim Studio?“
„Okay.“ Ich ging off und zog mich an. Was er mir wohl sagen wollte...
Kurz bevor ich losgehen wollte, bekam ich eine SMS von Paul.
„Hey Schatz! Treffen wir uns heute?“
„Schnell schrieb ich ihm zurück: „Sorry. Kann nicht... Treff mich mit Marco!“
„Mit Marco?!? Wann? Wieso?“ Ich lächelte über seine Eifersucht.
„Jetzt gleich. Ich geh gerade hin. Und keine Ahnung was er von mir will. Ich liebe dich!“
„Ich dich auch! Und pass auf dich auf!“ Gut gelaunt machte ich mich auf den Weg.

Pünktlich kam ich beim Treffpunkt an. Marco saß auf den Stufen und starrte auf den Boden. Ich ging auf ihn zu.
„Hey. Alles in Ordnung?“ Als er mich ansah erschrak ich. Seine Augen, die normalerweise immer funkelten, blickten mich blicklos an.
„Nein. Nichts ist in Ordnung.“ Er nahm meinen Arm und zog mich ins Studio.
„Was ist denn los?“, fragte ich während ich hinter ihm her stolperte. Er sagte nichts. In der Halle setzte er sich auf eine Bank, die an der Seite vom Raum standen. Geduldig wartete ich, dass er anfing zu sprechen.
„Und?“, fragte ich als er nach fünf Minuten immer noch nichts sagte.
„...Ich... ich weiß nicht wie ich es sagen soll...“, sagte er stotternd.
„Was denn..?“ Irgendwie hatte ich Angst, vor dem, was gleich kommen würde.
“Ich... ähh...ja...also, ich...ich glaube...ich...'', er brach ab. „Ich kann das nicht! Du hast einen Freund und ich liebe dich, okay?!'' Er war wütend. Ich hatte ihn noch nie wütend gesehen.
„Marco.. ich kann das nicht! Ich liebe Paul!“
„Ich weiß!“, schrie er mich an. „Und ich kann nichts für meine verfickten Gefühle!“
Er setzte sich auf den Boden, schlang seine Arme und die Knie und vergrub das Gesicht. Er schluchzte.
Ich legte ihm eine Hand auf den Rücken, doch er wandte sich ab.
„Lass mich bitte in Ruhe!“, seine Stimme klang erstickt. Ich beschloss zu gehen, denn ich konnte nichts für ihn tun.
„Wir sehen uns.“, flüsterte ich.
Ich hatte einen Schock. Wie konnte das nur passieren?
Langsam ging aus dem Studio und konnte gerade noch Emma´s blonden Haare sehen, bevor sie hinter der nächsten Straßenecke verschwand. Neugierig schlich ich ihr hinterher. Ich musste einfach wissen wieso sie hier war! Aber als ich um die Ecke bog war sie verschwunden. Suchend sah ich mich um, konnte sie aber nicht finden. Schulterzuckend ging ich nach Hause.

13. Kapitel



Als ich die Tür öffnete kam mir Paul entgegen.
„Hey Schatz! Überraschung!“ Ich rannte auf ihn zu und er wirbelte mich lachend herum bevor er mich absetzte und auf die Stirn küsste.
„Na? Lass uns ins Kino gehen.“, sagte er.
„Darf ich mich noch umziehen und was essen?“, fragte ich ihn.
„Nö!“, grinste er. Ich setzte meinen Hundeblick auf und nahm seine Hand.
„Bitte?“, murmelte ich.
„Oh... Na gut!“, brummte er. „aber beeile dich!“ Ich nickte und lief in mein Zimmer. Schnell holte ich mir neue Klamotten raus und zog mich um. Dann ging ich ins Bad und überprüfte mein Make-up. Alles in Ordnung.
Ich lief in die Küche und sah Paul, wie er mir ein Brot schmierte. Er streckte es mir entgegen und ich bis hinein. Als ich aufgegessen und noch mal im Bad war zog mich Paul aus dem Haus.
„Nicht so schnell! Wir haben es doch nicht eilig!“, protestierte ich als er mich hinter sich her zog. Sofort ging er langsamer. „danke.“
Plötzlich blieb er stehen und ich prallte gegen ihn. Er drehte sich zu mir um und sah mich einfach nur an.
„Was ist?“ Langsam machte mich sein Blick nervös.
„Nichts. Ich will dich nur ansehen.“ Ich sah ihn grinsend an. Er beugte sich langsam zu mir und hauchte mir einen Kuss auf die Lippen. Als er sich von mir lösten wollte schlang ich ihm meine Arme um den Hals und drückte meine Lippen auf seine.
„Lina. Wir müssen ins Kino! Unser Film fängt gleich an.“, keuchte er mir spitzbübischen Lächeln als ich ihn losließ. „Aber ich kann verstehen wenn du nicht aufhören kannst mich zu Küssen.“ Na toll. Natürlich wurde ich knallrot.
„Stimmt gar nicht!“, sagte ich und boxte ihn in die Rippen. „Idiot!“
„Hexe!“
„Troll“, konterte ich.
„Okay. Du hast gewonnen...“ Triumphierend lächelte ich ihn an.


Im Kino sahen wir uns Step up an. Ein wunderbarer Film. Das was sie da machten konnte ich zwar auch, aber nicht so graziös. Die ganze Zeit kuschelte ich mich an Paul, der mich abwesend streichelte und mich ab und zu auf die Stirn küsste.
Auf dem Weg nach Hause blieben wir immer wieder stehen um uns zu küssen. Aber ich war nicht beim Thema. Immer wieder schweiften meine Gedanken zu Marco und seinem Geständnis. Paul bemerkte natürlich, dass ich nicht wirklich zuhörte, was er sagte.
„Was ist Schatz?“, fragte er irgendwann. Kurz spielte ich mit dem Gedanken ihm alles zu erzählen, doch ich verschwieg es ihm. Ich wusste nicht wie er darauf reagieren würde. Deshalb schüttelte ich einfach nur meinen Kopf und meinte: „Nichts. Was sollte schon mit mir sein?“
„Na... du bist so... abwesend.“ Natürlich bin ich abwesend! Mein Tanzlehrer und Freund ist in mich verliebt!, schrie mein Kopf. Aber ich blieb stumm. „Willst du mir nicht sagen was dich bedrückt?“
„Ich bin nur müde. Und ich hab Angst.“, gestand ich. Es war zwar nur die halbe Wahrheit aber immerhin.
„Wieso Angst?“, seine Stimme war sanft und ich wurde ruhiger.
„Ich hab Angst vor Emmas Rache.“ Da er seinen Arm um mich gelegt hatte, fühlte ich sofort, dass er sich verspannte.
„Sie wird dir nichts tun.“, knurrte er wütend. „Ich bin immer bei dir!“ Ich drehte mich zu ihm um und umarmte ihn.
„Natürlich nicht. Aber Angst habe ich schon.“
„Brauchst du aber nicht.“ Und mit diesen Worten gingen wir weiter. Vor meinem Haus verabschiedete ich mich.
„Morgen ist Mittwoch oder?“, fragte ich ihn.
„Ja. Das heißt wir haben Medien und Geschichte.“, sagte er erfreut.
„Ja da freue ich mich auch schon drauf. Aber wir haben auch Mathe.“, stöhnte ich.
„Das wird schon. Ich helf dir auch!“ Lächelnd küsste ich ihn auf den Mund.
„Natürlich mein Held.“, grinste ich.
„Los geh schon.“, sagte er uns schubste mich Richtung Haus.
„Willst du mich etwa loswerden?“, fragte ich ihn empört. Sofort nahm er mich wieder in seine Arme.
„Nein! Natürlich nicht! Aber es ist kalt hier draußen und du hast keine Jacke an.“ Zufrieden kuschelte ich mich an ihn.
„Glück gehabt.“, murmelte ich. Er lachte.
„Glaub auch.“
„Ich sollte jetzt wirklich gehen.“ Nur unwillig löste ich mich von ihm und küsste ihn noch einmal zärtlich. Dann drehte ich mich um und verschwand im Haus.


Am nächsten Morgen wachte ich mit einem komischen Gefühl auf. Irgendetwas würde heute passieren. Ob es gut oder schlecht war konnte ich nicht sagen. Ich wusste nur, dass etwas sehr wichtiges passieren würde.
Müde stand ich auf und machte mich für die Schule fertig. Als ich in den Spiegel sah, blickte mich ein müdes Mädchen mit tiefen Augenringen an. Ich hatte eben nicht gut geschlafen... Immer wieder tauchte Marco auf, der mir seine Liebe gestand. Und auf der anderen Seite war Paul, der mich traurig ansah und mich zu sich winkte. Doch ich konnte mich nicht bewegen. Weder in die Richtung in der er stand oder die entgegengesetzte wo Marco stand. Dann waren da auch noch Emma und Shane, die mich böse lächelnd ansahen.
„Du bist nicht gut genug für Paul – Du bist ein Nichtsnutz – Was machst du eigentlich noch hier? - Du wirst für diese Aktion bezahlen!“
Als ich atemlos aufschreckte war es 2 Uhr morgens. Aber ich konnte nicht mehr wirklich einschlafen, sondern fiel in einen Dämmerzustand. Lustlos schlürfte ich in die Küche, machte mir einen Kaffee und ein Brot. Ich kippte mir den Kaffee hinunter und ging dann zum Schuppen. Schnell fuhr ich zu Christina, die natürlich - wie immer – auf mich wartete.
„Na wie war dein Tag gestern?“, fragte sie mich gut gelaunt.
„Es geht so.“, murmelte ich.
„Wieso es geht so? Hast du den Tag nicht mit Paul verbracht?“, wollte sie wissen.
„Doch hab ich.“
„Und wieso war der Tag dann nur ganz okay?“
„Erzähl ich dir nach der Schule okay? Das ist nichts was man einfach mal so erzählen kann. Kommst du nach der Schule zu mir?“
„Klar!“ Schweigend fuhren wir weiter. Wir schlossen unsere Fahrräder an und trennten uns. Natürlich hatte sie jetzt Kunst. Die gute! Ich musste zu Mathe. Der einzige Lichtblick war die stunde mit Paul zu verbringen.
Da stand er mein Schatz! Lächelnd ging ich auf ihn zu und küsste ihn.
„Guten Morgen Schatz.“, grinste ich nach dem Kuss.
„Morgen“ Da kam aber auch schon unser Lehrer. Die Stunde wollte einfach nicht vergehen. Der Zeiger an der Uhr rückte einfach nicht vor. Als es endlich zur Pause klingelte stürmte ich fast nach draußen. Frische Luft! Ich brauchte dringend Frische Luft! Scheiß Mathe! Wofür brauchte man bitteschön den ganzen Scheiß? Ich wollte keine Mathematikerin werden!
„Lina!“ Dieser Ruf brachte mich zum Stoppen. Die Stimme kannte ich doch! Blitzschnell wirbelte ich herum.
„Alissa?“, fragte ich.
„Natürlich bin ich es!“, lachte sie. „Wer denn sonst?“ Ich musterte meine Freundin. Sie sah aus wie vor zwei Jahren. Blond, langbeinig und ihre dunkelblauen Augen.
„Was machst du denn hier?“, fragte ich und umarmte sie.

Ihr fragt euch bestimmt wer das ist. Alissa hatte ich vor zwei Jahren kennengelernt. Sie war genauso wie ich bei so einer Psychologin gewesen. Im Wartezimmer hatten wir uns dann kennengelernt.. Ihr Vater hatte sie geschlagen und vergewaltigt. Als sie es nicht mehr aushielt, erzählte sie es dem Vertrauenslehrer an ihrer Schule und wurde sofort dorthin geschickt. Ihr Vater saß jetzt im Gefängnis und sie uns ihre Mutter konnten in Ruhe ihr Leben leben.
„Ich bin mit meiner Klasse hier. Heute ist irgendeine Schulversammlung an der wir teilnehmen müssen.“ Sie verdrehte die Augen.
„Ach so.“
„Lina! Da bist du ja endlich!“, schnaufend kam Paul neben mir zum Stehen.
„Bist du etwa gerannt?“, fragte ich lächelnd. Er nickte. Da bemerkte er Alissa. Fragend sah er mich an.
„Ach ja. Paul darf ich vorstellen? Alissa, Alissa mein Freund Paul.“ Sie schüttelten sich die Hände.
„Nett dich kennenzulernen.“, sagte Alissa schüchtern.
„Die Freunde ist ganz auf meiner Seite.“, erwiderte Paul ganz der Gentleman. Da klingelte es auch schon zum Ende der Pause.
„Oh ich muss los. Könnt ihr mir noch sagen wo die Aula ist?“ Schnell zeigten wir ihr den Weg. Schnell schrieb ich ihr noch meine Nummer auf und dann gingen wir zu Geschichte.


Frau Ludwig war schon da. Doch wir bekamen zum Glück keinen Ärger. Es ist ganz schön praktisch wenn die Lehrer einen mochten.
„Lina! Paul! Setzt euch, setzt euch.“ Nachdem wir uns hingesetzt hatten begann sie auch sofort mit dem Unterricht. Gespannt hörte ich zu. Es ging um die Rosenkriege in England. Eins meiner Lieblingsthemen in Geschichte.
Nach der Stunde fragte mich Frau Ludwig noch wie ich mit dem Buch zurecht kam.
„Gut. Es ist geradezu fesselnd.“ Sie lachte.
„Ja. Das ist es. Aber manchmal ganz schön schwer zu verstehen oder?“
„Ja. Die Sprache ist ganz schön veraltet.“
„Na ja. Ich nehme dir jetzt nicht noch mehr von deiner Pause. Viel Spaß noch!“
„Danke!“ Ich nahm mir meine Tasche und ging nach draußen. Bei den Tischtennisplatten traf ich auf Christina, Paul und Alissa.
„Hey ihr drei!“
„Endlich. Ich dachte schon sie lässt dich gar nicht mehr raus!“, grinste Paul und gab mir einen Kuss.
„Bäh! Könnt ihr das bitte woanders machen?“, fragte Christina.
„Aber wenn du das machst ist es okay oder was?“, konterte Paul.
„Das ist was anderes!“, protestierte Christina.
„Ist klar!“ Aber ich löste mich von Paul. „Wie geht’s dir so Alissa?“
„Super. Alles super seit...“, sie brach ab.
„Ich weiß“, sagte ich leise und umarmte sie.
„Es war schrecklich. Aber das weißt du ja.“
„Ja. Das war es.“, bestätigte ich.
„Na ja. Ich muss los. Wir fahren gleich wieder.“ Ich umarmte sie noch mal und dann ging sie zu den Bussen.
„Woher kennt ihr euch?“, fragte Christina als sie Alissa nicht mehr zu sehen war.
„Ich hab sie mal im Café getroffen und weil es so voll war haben wir uns einen Tisch geteilt.“ Ich log. Irgendwie wollte ich Christina nicht erzählen woher wir uns wirklich kannten. Es hätte sie wahrscheinlich nur erschreckt.
„Achso.“ Dann klingelte es zum Pausenende und wir verabschiedeten uns voneinander. Jetzt hatten wir Medien. Das war immer sehr entspannt. Zur Zeit drehten wir Filme über das echte Leben. Als auch die Stunden vorbei waren gingen Paul und ich zu unseren Fahrrädern und fuhren nach Hause.
„Kommst du noch zu mir?“, fragte Paul als wir vor seinem Haus hielten.
„Klar.“ Ich lächelte ihn an und wir gingen ins Haus. Während Paul kochte, deckte ich den Tisch und schrieb Christina noch eine SMS wo ich mich dafür entschuldigte, dass ich mich nun doch nicht mehr mit ihr treffen konnte.
Dann, als ich fertig war, stellte ich mich hinter Paul, umschlang seine Taille und schmiegte mich an ihn. Er drehte sich zu mir um und küsste mich. Von seinen Küssen konnte ich niemals genug bekommen. Und ich konnte immer noch nicht glauben, dass er wirklich mein Freund war.
„Was denkst du grade?“, murmelte er in mein Haar.
„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du endlich mir gehörst.“, sagte ich ehrlich. Er fing an zu lachen.
„Sollte nicht eigentlich ich das sagen?“, fragte er mich immer noch lachend. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich liebe dich Lina!“
„Ich dich auch.... Paul! Das Essen!“, schrie ich. Sofort drehte er sich um und rettete das Essen.
„Wenn das Essen jetzt nicht schmeckt ist das alles deine Schuld.“, sagte Paul.
„Wieso meine? Du hast doch nicht aufgepasst!“, protestierte ich.
„Aber du hast mich abgelenkt.“, antwortete er und küsste mich.
„Wieso lässt du dich auch ablenken?“, keuchte ich. Er sagte nichts, sondern tat uns Essen auf und wir setzten uns an den Tisch. Wir aßen schweigend.


Nach dem Essen legten wir uns auf die Couch und sahen uns einen Film an. Doch plötzlich klingelte Pauls Handy. Eine SMS. Entschuldigend sah er mich an.
„Lies sie ruhig.“, ermunterte ich ihn.
„Danke.“ Schnell las er sich die SMS durch und stand dann auf und holte sich seinen Laptop.
„Was ist los?“, fragte ich ihn.
„Keine Ahnung. Simon meinte ich soll sofort auf Facebook gehen.“
„Na dann los.“ Ich setzte mich neben ihn und sah ihm zu wie er schnell auf die Tasten haute.
„Weggucken!“, sagte er als er sein Passwort eingeben wollte. Schnaubend drehte mich mich weg. „Kannst wieder gucken.“ Er hatte 30 Benachrichtigungen. Das machte mich verlegen, denn ich hatte nie mehr als 10. Na ja... ich war aber auch nicht so beliebt wie er...
„Und? Was ist da?“ gespannt sah ich auf den Bildschirm. Als Paul auf seine Nachrichten klickte war als erste Benachrichtigung zu sehen, dass Emma ihn und mich bei einem Video verlinkt hatte. Er wollte schon weiter scrollen, als er es sich anders überlegte und drauf klickte. Die Überschrift des Videos war 'Das Geständnis' ein komischer Titel für ein Video...
„Klick drauf.“
„Wirklich? Vielleicht ist das so ein langweiliges Video. Wir könnten unsere Zeit auch besser nutzen.“ Er grinste frech und ich haute ihm auf den Arm.
„Ja mach jetzt. Wir haben doch später auch noch Zeit für uns.“
„Na gut.“, gab er nach. „dafür schuldest du mir was.“
„Haha!“ Ich boxte ihn lachend in die Seite. „Vielleicht ein Kuss?“
„Nicht nur einen. Mehrere! Ich bin unersättlich.“
„Das stimmt. Und jetzt mach.“ Er öffnete murrend das Video. Dass ich darauf bestand das Video anzusehen war ein großer Fehler... Aber das bemerkte ich natürlich viel zu spät.

Was im Video vorkam? Ich und mein Gespräch mit Marco! Nur, dass es nicht wirklich das Gespräch mit Marco war. Irgendjemand hatte das Gespräch aufgenommen und meinen Text verändert, den ich gesagt hatte. Im Video war zu hören wie ich Marco meine Liebe gestand und wie Marco mir sagte, dass ich Paul verlassen soll. Und ich sagte, dass ich ihn sowieso nur verarschte und ihn bald fallen lassen würde.
Entsetzt sah ich zu Paul, der fassungslos auf den Bildschirm starrte.


(Sicht von Paul)

Sie hatte was? Mich verarscht? Ihre Liebe war nur vorgespielt? Wie konnte sie nur?
„Paul...“, sagte sie zögernd.
„Raus!“, sagte ich leise, den Blick immer noch auf den Bildschirm gerichtet.
„Aber...“ Ich ließ sie nicht aussprechen.
„Raus hier!“ Ich stand langsam auf und sah auf sie herunter.
„Paul! Das ist eine Lüge was dort gesagt wurde!“
„Das war also nicht deine Stimme, die Marco ihre Liebe gestanden hat?“
„Es war meine Stimme aber ich hab das niemals gesagt!“
„Hör auf zu lügen! Ich will deine schmutzigen Lügen nicht mehr hören! Und jetzt geh!“ Mit Tränen in den Augen sah sie mich an. Unser Schauspiellehrer hatte Recht. Sie war wirklich ein Talent im Schauspielen.
„Paul...“
„RAUS!“, schrie ich. Sie zuckte zusammen, nahm sich ihre Tasche und verließ das Haus.
Als sie draußen war sank ich auf den Stuhl und weinte. Ich weinte zum ersten Mal um ein Mädchen. Ein Mädchen, was mich hintergangen und belogen hatte. So etwas hätte ich ihr niemals zugetraut! Sie war genauso wie Emma! Eine hinterhältige Schlange. Und ich wollte sie nie wieder sehen. Okay. Das war gelogen. Ich wollte sie wieder sehen, in meine Arme nehmen, sie küssen... Doch sie war für mich gestorben.

(Sicht von Lina)

Heulend rief ich Christina an als ich Zuhause war. Mein Laptop lag aufgeklappt neben mir auf dem Couchtisch. Die Seite mit dem Video, welches mein Leben zerstört hatte lag neben mir.
„Hey Süße!“, rief sie überschwänglich, als sie nach dem 5. Klingeln endlich ran ging.
„Christina!“, heulte ich.
„Was ist los?“, fragte sie erschrocken.
„Paul...“ Weiter konnte ich nicht sprechen und ich brach ab.
„Ich komme sofort.“, sagte sie und legte auf. Weinend rollte ich mich auf der Couch zusammen.
Keine 10 Minuten später klingelte es an der Tür. Ich schlurfte zur Tür und öffnete sie. Christina fiel mir sofort um den Hals. Ich klammerte mich an ihr fest und weinte. Weinte um meine verlorene Liebe, die ich schon nach so kurzer Zeit verloren hatte. Nachdem ich mich ein wenig beruhigt hatte, fragte Christina leise: „Was ist passiert?“ Zur Antwort zog ich sie zum Couchtisch und startete das Video. Ich hatte es so oft angesehen, dass ich es schon auswendig konnte. Christina umarmte mich einfach und sagte: „Emma ist so ein Miststück!“
„Das ist sie.“
„Dass Paul auch noch diesem Video glaubt anstatt dir! Ich kann es einfach nicht glauben! Man merkt doch, dass es bearbeitet worden ist!“
„Tja...“ Und schon wieder heulte ich.
„Hör auf damit!“, rief Christina plötzlich und ich sah sie verwirrt an.
Ich durfte nicht darüber weinen, dass Paul wegen eines Missverständnisses mit mir Schluss gemacht hatte?
„Wieso sollte ich?“, fragte ich trotzig.
„Vielleicht, weil du ihm zeigen sollst, dass er es nicht wert ist, dass du ihm nachweinst?“
„Er ist es wert.“, widersprach ich.
„Vielleicht. Aber wenn er es wirklich wert wäre, hätte er dir zugehört!“ Da konnte ich ihr nicht widersprechen. Doch es war so schlimm. Endlich nach 2 Jahren hatte Paul meine Gefühle erwidert und dann das!
„Und was soll ich jetzt machen?“, fragte ich kläglich.
„Versuch ihm zu zeigen, dass du auch ohne ihn zurecht kommst. Und ignoriere ihn. Egal was er macht. Außer er will mit dir über dieses Thema sprechen.“, beschwor sie mich. Ich nickte tapfer. Ich würde genau dies tun. Auch wenn es mir das Herz brach.
„Danke Süße. Genau das habe ich jetzt gebraucht.“ Ich umarmte sie. In diesem Moment klingelte es an der Tür. Christina und ich sahen uns verwundert an. Wer konnte das bloß sein? Meine Eltern bestimmt nicht. Die hatten einen Schlüssel.
Schnell wischte ich mir über die Augen und machte auf.

Timo schoss wütend durch die Tür.
„Timo! Was machst du denn hier?“, fragte Christina überrascht.
„Habt ihr das auf Facebook gesehen? Ich muss euch unbedingt vor Emma warnen!“ Mir schossen schon wieder Tränen in die Augen. Christina sah dies sofort und sagte eingringlich: „Denk daran, was du mir versprochen hast!“ Zu Timo gewandt sagte sie leise: „Sie wissen es. Beide.“ Geschockt sah Timo mich an. Dann breitete er die Arme aus und kam auf mich zu. Schluchzend warf ich mich ihm in die Arme.
„Das tut mir so leid Lina.“, flüsterte er. „Was ist passiert?“ Und schon wieder erzählte ich die traurige Geschichte.
„Dieser Idiot glaubt Emma anstatt dir? Wie dumm ist der eigentlich?“, schrie Timo als ich fertig war.
„Timo beruhige dich!“, sagte Christina.
„Kann ich nicht! Nicht wenn dieser Idiot lieber einer Schlampe glaubt, als seiner Freundin!“
„Er ist wirklich ein Idiot.“, sagte Christina. Verheult sah ich die beiden an.
„Könnt ihr mich bitte alleine lassen? Ich möchte ein wenig alleine sein.“ Sie sahen mich verständnisvoll aber auch ein wenig fragend an.
„Glaubst du, dass es so eine gute Idee ist dich jetzt alleine zu lassen?“, fragte Timo.
„Lass sie. Du weißt doch am besten wie sie sich gerade fühlt.“, sagte Christina. Er nickte. Dann endlich verließen sie das Haus. Aber nicht bevor sie mich noch umarmt und versucht hatten mich aufzumuntern. Als ob sie das schaffen würden. Weinend ließ ich mich auf mein Bett fallen und weinte mich in den Schlaf.

14. Kapitel



(Eine Woche später)

Am Morgen wachte ich schlecht gelaunt auf. Ich war auch traurig. Aber das ist kein Wunder. Mein Herz war in tausend Scherben zerbrochen. Aber das wollte ich Paul nicht zeigen. Ich erniedrigte mich doch nicht vor dem Jungen der lieber einer Schlampe glaubte als seiner Freundin.
Ich stand auf und zog mich an. Ich suchte mir eine zerrissene Jeans und ein T-Shirt mit Blazer aus. Auch schminkte ich mich ein wenig mehr als sonst. Meine Haare ließ ich offen und lockte sie an den Spitzen. Ich musste ihm doch zeigen was in mir steckte.
Unten in der Küche traf ich meinen Vater, der zwar die Augenbrauen hochzog, mich aber in Ruhe ließ. Dachte ich jedenfalls.
„Kommt der nette Junge Paul mal wieder?“ Mir traten Tränen in die Augen. Zum Glück hatte ich wasserfestes Maskara.
„Nein. Wahrscheinlich nie wieder Dad!“, sagte ich leise.
„Oh. Was ist passiert?“
„Er... er und ich hatten Streit. Wegen einem Video auf Facebook.“ Mehr sagte ich nicht.
„Wo kann ich es mir ansehen?“
„Bei mir auf meinem Profil.“ Er nickte.
„Liebst du ihn mein Schatz?“
„Ja Dad. Von ganzem Herzen.“ Mir war es nicht peinlich mit meinem Vater über meine Gefühle zu sprechen und war froh, dass ich mit ihm darüber reden konnte.
„Dann zeig ihm, dass er es nicht wert ist, dass du um ihn weinst. Er soll um dich kämpfen!“ Ich lächelte schwach.
„Genau das habe ich vor Dad. Danke“ Ich umarmte ihn, nahm mir einen Apfel aus der Obstschale und verließ das Haus.
Heute fuhr ich mit dem Bus zur Schule, denn Samir wollte sich mit mir treffen und mich von der Schule abholen.


In der Schule begrüßte ich Christina überschwänglich. Paul, der ganz in der Nähe von uns stand, beachtete ich gar nicht.
„Na? Was machst du heute so?“, fragte Christina.
„Ich geh mit Samir und seinen Kumpels irgendwo hin. Keine Ahnung wo die mich hinschleppen wollen“, meinte ich.
„Wirklich? Cool! Ich wäre ja gerne mitgekommen aber ich bin mit Timo verabredet.“
„Wirklich? Na dann viel Spaß!“ Ich lächelte. Dann sah ich mein Lehrer. „Tschüss Süße!“ Ich warf mein Haar schwungvoll zurück und stolzierte an Paul vorbei in die Klasse.
Die Schule war schrecklich heute! Ich konnte mich nicht konzentrieren und war erleichtert als ich in der letzten Stunde Geschichte hatte.
Geschichte war heute als einziges ganz in Ordnung. Doch ich merkte die ganze Zeit Pauls Blick in der Seite. Irgendwann drehte ich mich um und zischte: „Was ist?“
Er schüttelte den Kopf und meinte: „Nichts. Ich fragte mich nur gerade wie du so glücklich sein kannst.“ Er machte eine Pause. „Ach ja... Ich weiß! Du liebst mich ja gar nicht!“
Abrupt stand ich auf. Das konnte ich mir nicht gefallen lassen. Zum Glück klingelte es sofort und ich packte meine Tasche und stolzierte aus dem Raum. Hinter mir hörte ich noch das Gemurmel meiner Klasse. Doch es interessierte mich nicht. Es war mir egal was die anderen von mir dachten. Ich wusste wie es wirklich war und das reichte mir.


Auf dem Parkplatz wartete schon Samir auf mich. Mit seinem schwarzen Porsche. Er selbst stand an sein Auto gelehnt da und beobachtete die Leute, die auf dem Weg nach Hause waren. Auch die Mädchen aus meinem und höheren Jahrgängen beobachteten ihn mit schmachtenden Blicken. Ich verdrehte die Augen und ging auf ihn zu.
„Hey kleine!“, begrüßte Samir mich und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
„Hey Großer!“ Ich lächelte ihn an und umarmte ihn. Hinter mir hörte ich die Mädchen seufzen. „Du hast Verehrerinnen“ Ich grinste und er verdrehte die Augen.
„Ich weiß. Ich hab doch immer Verehrerinnen. Das weißt du doch. Niemand kann mir widerstehen“ Er grinst und diesmal war ich diejenige, die die Augen verdrehte.
„Eingebildeter Holzkopf.“ Er fing an und lachen.
„Komm lass und gehen.“ Ich nickte und er hielt mir die Autotür auf bevor er selbst einstieg.
„Wohin fahren wir eigentlich?“, fragte ich ihn als er auf die Autobahn fuhr.
„Nicht weit von hier ist Straßenfest. Dort wollen wir uns mit meinen Kumpels und deren Freundinnen treffen.“
„Achso. Hat jeder von ihnen eine Freundin?“
„Nein. Aber das ist doch nicht schlimm. Vielleicht verliebt sich ja einer in dich.“ Er grinste doch ich biss mir auf die Lippen um nicht loszuweinen und antwortete nicht. „Was ist los?“ Samir wirkte besorgt. Er wusste immer wie ich mich fühlte. Und ich vertraute ihm immer.
„Du hattest recht!“, platzte es aus mit heraus.
„Womit hatte ich recht?“ Er wirkte völlig verwirrt.
„Du weiß doch noch am Tag nachdem wir uns gestritten hatten lag ich mit... mit Paul in Garten und wir vertrugen uns. Und bevor du ins Haus gingst meintest du doch, dass ich mit den Jungs spiele.“ Er nickte. „Kurz darauf kam ich durch einen Zufall mit Paul zusammen...“ Ich hielt die Luft an und wartete darauf, dass er anfing mich anzuschreien und mir vorzuwerfen, dass ich noch zu jung für Jungs war. Doch es kam nichts.
„Weiter!“, sagte er einfach nur und blickte reglos auf die Straße. Aber an seinen Händen, die verkrampft das Lenkrad umklammerten, erkannte ich, dass es ihm nicht gefiel.
„Wir kamen zusammen. Doch kurz danach traf ich mich mit Marco. Meinem Tanzlehrer. Und er...“ Ich stockte.
„Er gestand dir seine Liebe.“, beendete Samir meinen Satz und ich nickte.
„Ja. Und Emma hatte das Geständnis aufgenommen und stellte es auf Facebook. Doch bevor sie es veröffentlichte veränderte sie den Text so, dass es sich anhörte als hätte ich Marco meine Liebe gestanden und würde Paul nur benutzen. Aber... das stimmt gar nicht. Ich liebe nur Paul! Und niemanden sonst!“ Samir seufzte. Und dann lenkte er den Wagen an die Seite. (Wir waren inzwischen in der Stadt. Nicht mehr auf der Autobahn.)
„Zeig mir das Video.“, befahl er. Ohne Widersprüche tippte ich auf meinem Handy herum und reichte ihm dann das iPhone. Ohne ein Wort zu sagen sah er es sich an. Doch mir kamen (was für ein Wunder) wieder die Tränen.
„Hey. Nicht weinen.“, flüsterte er und umarmte mich.
„Ich kann nicht anders!“, schniefte ich.
„Er hat dich nicht verdient. Und ich werde ihn dafür umbringen, dass er dir das Herz gebrochen hat!“ Ich erwiderte nichts und als ich mich beruhigt hatte fuhr Samir weiter. „Wir müssen dich unbedingt auf andere Gedanken bringen.“ Er schüttelte den Kopf und murmelte etwas unverständliches.
„Was?“, fragte ich ihn.
„Nichts. Wir sind gleich da. Und ich würde dir raten dir dein Gesicht abzuwischen. Du siehst aus wie eine Hexe!“ Ich lachte.
„So schlimm?“, fragte ich.
„Schlimmer!“ Er reichte mir ein Tempo und ich wischte mir damit im Gesicht herum.


Dann endlich kamen wir an. Samir begrüßte seine Freunde mit einem Handschlag und dessen Freundinnen mit einem Küsschen rechts, Küsschen links auf die Wange. Dann stellte er ihnen mich vor.
„Leute. Das ist meine kleine Cousine Lina. Seid nett zu ihr!“ Ich lächelte schüchtern und gab ihnen allen meine Hand. Es waren drei Jungs und zwei Mädchen. „Wo sind eigentlich die anderen?“Samir blickte zu dem Jungen ohne Freundin. Sein Name war Emir. Er hatte schwarze Haare und dunkelbraune Augen. Er stand lässig an eine Wand gelehnt da.
„Keine Zeit. Die meisten müssen arbeiten und die anderen haben keine Lust jetzt schon zu kommen. Die kommen erst später.“, antwortete Emir.
„Achso. Dann kommt.“ Wir liefen lachend durch die Straßen. Es tat gut endlich mal etwas mit Leuten zu unternehmen die mich nicht wirklich kannten. Wir tanzten und sangen mit wenn gute Lieder liefen. Irgendwann verschwanden die Jungs mit ihren Freundinnen und ich war alleine mit Samir und Emir.
„Emir Bruder? Würdest du mal kurz auf meine Cousine aufpassen?“, fragte Samir auf einmal. Ich sah ihn erschrocken an. Er wollte mich hier alleine lassen? Ich kannte mich hier noch nicht einmal aus und den Jungen kannte ich auch nicht! Samir sah das umarmte mich uns flüsterte mir ins Ohr: „Alles gut. Emir ist in Ordnung und er wird gut auf dich aufpassen.“ Ich sah ihn zweifelnd an, beschloss aber ihm zu vertrauen.
„Bleib nicht so lange weg!“, mahnte ich. „Ich muss bald auch wieder nach Hause.“ Samir nickte brav und versprach bald wieder zu kommen.
Ich sah Emir an. Wir wussten beide nicht was wir sagen sollten. Irgendwann beschloss ich die Stille zu unterbrechen.
„Wie alt bist du eigentlich?“
„19. Und du?“, antwortete er.
„17.“
„Nicht besonders alt. Ich dachte du bist älter.“ Ich sah ihn empört an.
„Soll das heißen, dass ich wie eine alte Schachtel aussehe?“, fragte ich ihn und verkniff mir ein Grinsen. Wie gut, dass ich Schauspielunterricht hatte!
„NEIN! So hab ich das gar nicht gemeint! Ich dachte nur, dass du schon 19 oder so wärst! Weil du dich so erwachsen verhältst!“ Seine erschrockene Stimme brachte mich zum Lachen. Unbewusst hakte ich mich bei ihm ein und zog ihn mit mir.
„Das war doch nur ein Scherz!“, lachte ich. Er verdrehte die Augen und murmelte irgendwas.
„Komm lass uns Achterbahn fahren!“, rief ich überschwänglich. Meine Augen leuchteten voller Kindlichkeit. So wohl hab ich mich lange nicht mehr gefühlt.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Emir.
„Natürlich! Wieso sollte etwas nicht mit mir stimmen?“
„Ähm....“ An der Kasse bezahlte er und wir stiegen in den vordersten Wagon. „Du kannst dich ruhig an mich klammern wenn du Angst hast.“ In Emirs Augen blitzte Vergnügen auf.
„Keine Chance!“
„Die Loopings können einen aber sehr erschrecken!“ Ich riss die Augen auf! LOOPINGS? Scheiße! Wieso hab ich das nicht gesehen? Ich musste hier raus. Klar. Das Glück war mal wieder nicht auf meiner Seite... Die Achterbahn fuhr schon los. Jetzt klammerte ich mich doch an Emirs Arm. „Hast du doch Angst?“ Er grinste.
„Ein wenig... Ich bin noch nie eine Loopingachterbahn gefahren!“, gestand ich ihm.
„Ach so schlimm ist das nicht!“ Hatte der eine Ahnung. Beim ersten Looping fing ich an zu kreischen doch beim nächsten ging es eigentlich wieder und es machte mir auch Spaß.
„Und hast Spaß gemacht?“, fragte Samir gerade als wir lachend aus dem Wagon stiegen.
„Mir nicht wirklich. Sie hat meinen Arm zerquetscht! Ich werde ihn in der nächsten Zeit nicht mehr bewegen können!“, beschwerte sich Emir. Ich lachte!
„Spinner!“, rief ich und boxte ihm in die Seite.
„Komm kleine! Wir müssen los! Sonst machen sich deine Eltern noch Sorgen!“
„Wie spät ist es eigentlich?“, fragte ich.
„5 wieso?“
„Shit! Ich hab um halb sieben noch tanzen!“
„Dann beeilen wir uns mal lieber! Und ich komme mit! Ich muss diesen kleinen Pisser noch verprügeln!“ Ich verengte die Augen zu Schlitzen.
„Nein. Das wirst du nicht tun!“, sagte ich bestimmt. Auch wenn er mich verletzt hatte, hatte Paul es dennoch nicht verdient so behandelt zu werden. Er war ja nur auf die Lügen von Emma reingefallen! Genau das sagte ich Samir auch. Es war mir egal, dass Emir noch neben uns stand. Mir war egal was er jetzt von mir dachte.
„Komm jetzt! Du kannst trotzdem zugucken!“, sagte ich. Emir räusperte sich. Samir und ich drehten uns zu ihm um.
„Was ist los Bruder?“, fragte Samir.
„Kann ich mitkommen?“ Er blickte uns schüchtern an. Samir fing an zu lachen.
„Was ist denn mit dir los?“ Verständnislos sah ich meinen Cousin an.
„Emir... Dass du mal so schüchtern sein würdest!“ Er lachte wieder. „Das ich das mal erlebe!“
Ich verdrehte die Augen.
„Kommt jetzt! Klar kannst du mitkommen! Aber nur wenn du mir deine Nummer gibst!“ Ich lächelte.
„Klar doch!“ Wir tauschten unsere Nummern aus und wir fuhren los. Mit Emirs Auto. In Samir's Porsche hatten wir zu dritt keinen Platz. Wir lachten uns alberten herum. Es war einfach schön. Seitdem Paul Schluss gemacht hatte, hatte ich mich nicht mehr so amüsiert.

15. Kapitel



Zuhause ließ ich die beiden Jungs im Wohnzimmer mit etwas zum Knabbern und etwas zu trinken sitzen und stürmte nach oben. Ich zog mich um, packte meine Tasche und setzte mich noch kurz an meinen Schreibtisch. Mir war gerade eine gute Idee für einen Depri-Spruch gekommen...
Dann lief ich wieder nach unten. Die Jungs hatten es sich vor dem Fernseher gemütlich gemacht und machten sich so breit, dass ich keinen Platz hatte.
„Rutscht mal!“ Die beiden sahen sich an und grinsten. Ich wusste was das hieß und ich behielt Recht.
„Nö!“, sagten die beiden gleichzeitig. Ich verdrehte die Augen und kam weiter auf die beiden zu. Dann legte ich mich so auf die beiden, dass mein Kopf auf dem Schoß von Samir lag und meine Beine auf Emir lagen.
„Ihr habt es nicht anders gewollt!“, grummelte ich und schloss die Augen. Das hätte ich lieber nicht tun sollen. Sofort fingen die beiden an mich zu kitzeln. Diese Idioten! Ich schrie und lachte. Und wie es kommen musste lag ich schon bald auf dem Boden.
„Ihr seid echt doof!“ Ich weiß ich klang wie ein Kleinkind aber das musste raus. „Ihr Blödies!“ Die beiden lachten mich aus und ich wurde rot.
Zu meiner Rettung klingelte es dann an der Tür. Ich stand auf um zu öffnen.


Vor der Tür traf mich der Schock. Paul stand vor meiner Haustür!!! So kühl wie ich es vermochte fragte ich: „Was möchtest du hier Paul.“ Ich hatte ein wenig lauter gesprochen, damit Samir das hören konnte.
„Lina ich...“ Er konnte noch nicht einmal zu ende sprechen bevor Samir an der Tür auftauchte. Dicht gefolgt von Emir.
„Was willst du hier? Hast du meiner Cousine nicht schon genug das Herz gebrochen? Soll sie wegen dir zerbrechen?“
„Samir. Schon gut.“ Ich lächelte meinem Cousin zu bevor ich mich wieder Paul zu wandte. „Was wolltest du noch mal von mir Paul?“
„Ich... Ich wollte dir nur kurz etwas geben. Es ist von meinen Geschwistern. Sie meinten es würde dir gefallen.“ Seine Stimme war kühl und ernst. Er streckte mir die Hände entgegen und drückte mir eine kleine Kiste entgegen.
„Danke.“
„Den Schlüssel findest du im Briefkasten. Sie vertrauten mir nicht genug, dass sie mir den Schlüssel überließen. Sie dachten ich würde rein gucken.“ Ich nickte knapp und verabschiedete mich. Dann schloss ich die Tür.
Bewusst langsam drehte ich mich um, drückte Samir einen Schlüssel in die Hand und rief auf dem Weg zu meinem Zimmer: „Kannst du bitte in den Briefkasten gucken? Ich bring die kurz nach oben!“ Dann lief ich so schnell ich konnte die Treppe rauf. Ich versteckte die Kiste unter meinem Bett und warf mich aufs Bett. Meine Schultern zuckten. Das war alles die Schuld von Emma! Was hatte ich ihr getan, dass sie mich so hasste? Dass sie mir nicht mal ein bisschen Glück gönnte? War es wegen Paul? Nein, das konnte nicht sein. Sie war inzwischen mit Shane zusammen. Sie knutschten überall dort wo ich war. Christina hatte mir erzählt, dass sie nirgendwo sonst so viel küssten wie vor mir. Wollten sie, dass ich an diesen Schmerzen in meinem Herzen zerbrach?
Meine Schultern zuckten. Ich weinte und schrie in mein Kissen, damit Samir nicht hochkam. Er sollte mich nicht noch einmal weinen sehen. Plötzlich streichelte jemand meinen Kopf. Ich zuckte zusammen, doch ich hob nicht einmal meinen Kopf. Ich hatte keine Kraft mehr.
„Lina. Volim te. (Ich liebe dich) und du weißt, dass ich es nicht aushalten kann, wenn du weinst!“, sagte Samir leise.
„Er... es ist alles nur seine Schuld!“
„Nein. Diesmal muss ich ihn in Schutz nehmen. Es ist nicht seine, sondern Emmas Schuld.“ Ich nickte und setzte mich auf. Samir saß auf meinem Bett und sah mich mitfühlend an. Emir stand in einer Ecke und spielte mit einer Schlüsselkette.
„Danke.“, flüsterte ich. Ich sprang auf und ging ins Bad. Ich wusch mein Gesicht und sah auf die Uhr. Ich musste los.
„Kommt ihr? Ich muss los!“, schrie ich.
„Wir kommen!“ Emir und Samir kamen die Treppe runter.
„Lina! Dein Schlüssel! Und hier ist noch ein Brief an dich.“, sagte Emir. Ich nahm die Sachen entgegen und bedankte mich. Beides legte ich auf den Tisch in meinem Arbeitszimmer. Dann zogen wir uns an und fuhren los.


Wir waren zu spät. 5 Minuten. Die anderen waren schon beim Aufwärmen als ich ankam. Ich entschuldigte mich bei Frau Lilie was sie mit einem schroffen Nicken zur Kenntnis nahm.
„Beeil dich! Timo wartet schon auf dich.“ Ich nickte, gesellte mich zu Timo und fing an mich ein wenig aufzuwärmen.
„Hey!“
„Hey. Wieso bist du zu spät?“ Ich zeigte auf die beiden Jungs, die sich auf die Bank gesetzt hatten. Die Mädchen widmeten ihnen viel mehr Aufmerksamkeit als ihren Tanzpartnern, was mich grinsen ließ. Den beiden Jungs schien das auch aufgefallen zu sein, denn sie grinsten mich schelmisch an.
„Samir ist da?!?!“ Geschockt sah mich Timo an. Ich lachte über seine Miene.
„Ja ist er. Ich war heute mit ihm unterwegs.“
„Wirklich? Hattet ihr Spaß?“, fragte er interessiert während er mir seine Hand reichte. Ich nickte und er führte mich in die Mitte der Halle. Der Song „Loca“ von Shakira erklang. Und schon ging es los.
„Hattet du und Christina Spaß heute?“, fragte ich. Mit leuchtenden Augen nickte er.
„Wir waren im Kino und danach sind wir im Park spazieren gegangen.“
„Hört sich gut an. Obwohl ich wohl noch viel mehr erfahren würde wenn ich Christina fragen würde!“ Wir grinsten uns an. Timo drehte mich im Kreis herum.
Als wir Pause machten und ich mir etwas zu trinken holte starrten mich Samir und Emir mit großen Augen und offenen Mund an.
„Mund zu. Es zieht!“, grinste ich und auch Timo fing an zu lachen. Gehorsam klappten sie ihren Mund wieder zu.
„Ich wusste, dass du tanzt. Aber das du SO gut tanzt wusste ich nicht.“ Samir schüttelte den Kopf und lächelte mir zu. Ich machte einen Knicks und bedankte mich.
„Ich sag nur ein Wort.... WOW!“ Emir starrte mich immer noch an. Wieder bedankte ich mich.
„Lina! Timo!!“ Frau Lilie kam auf uns zu. Wir drehten uns gleichzeitig zu ihr um.
„Ja?“, fragte Timo.
„Wenn ihr so weiter macht habt ihr bestimmt eine Chance im nächsten Tanzturnier!“ Timo und ich starrten unsere Lehrerin an als hätte sie uns eben mitgeteilt, dass wir alle in 5 Minuten sterben würden.
„Könnten sie das bitte noch einmal wiederholen?“, fragte ich. Sie lachte und wiederholte ganz langsam: „Wenn ihr so weiter macht habt ihr bestimmt eine Chance im nächsten Tanzturnier!“ Mit diesen Worten ging sie zu einem Pärchen was auf jeden Fall Hilfe benötigte.
Timo lächelte mich an und meinte: „Siehst du? Das ganze Training in den letzten Jahren hat sich gelohnt!“ Ich nickte. Dann sah ich auf die Uhr. Im 5 Minuten war die Stunde vorbei.
„Ich geh mich umziehen. Bis dann Timo!“ ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand.


Draußen warteten schon Emir und Samir auf mich. Schweigend stiegen wir ins Auto und fuhren nach Hause. Ich war müde und wollte nur noch ins Bett. Doch bevor ich ins Bett ging, hatte ich noch etwas zu tun. Als Emir vor meinem Haus hielt lud ich die beiden noch zum Essen ein aber sie lehnten ab. Sie wollten sich noch mit ihren Freunden treffen und weiter feiern.
„Wehe du trinkst zu viel!“, ermahnte ich Samir. Er verdrehte die Augen und versprach mir nicht zu übertreiben. Ich umarmte die beiden Jungs und sie brausten davon.
Langsam ging ich ins Haus. Meine Eltern saßen im Wohnzimmer und unterhielten sich. Als ich rein kam verstummten sie. Sie hatten wohl über mich geredet.Ich merkte, dass sie sich Sorgen um mich machten. Ich aß wenig, redete nicht mehr so viel wie früher, ging nicht mehr so oft mit Freunden weg... Ich hatte mich in der letzten Woche eigentlich nur in meinem Zimmer eingesperrt und hatte geweint.
„Hallo Mum. Hallo Dad.“ Ich lächelte die beiden breit an. Die beiden sahen sich überrascht an.
„Hallo mein Schatz. Wie war dein Tag so?“, fragte mein Vater.
„Super! Nach der Schule hat mich Samir abgeholt und wir sind auf dieses Straßenfest in der Nähe gegangen. Dort haben wir mit seinen Freunden ein wenig herumgealbert und dann sind Emir und ich in eine Loopingachterbahn gestiegen. Später waren die beiden noch hier und wir sind zusammen zum Tanzen gefahren.“, erzählte ich ihnen mit leuchtenden Augen.
„Schön! Was habt ihr heute beim Tanzen so gemacht?“, wollte meine Mutter wissen.
„Timo und ich haben an unserer Choreografie gearbeitet und Frau Lilie meinte, dass wir, wenn wir so weiter machen eine Chance beim nächsten Tanzturnier haben!“
„Das freut uns.“
„Na ja. Ich bin müde. Ich geh nach oben.“ Schnell wandte ich mich um.
„Hast du kein Hunger?“ Ich stoppte.
„Ja ich hab Hunger. Ich nehm mir mein Essen nach oben okay?“ Meine Mutter nickte. Langsam ging ich in die Küche, schmierte mir zwei Brötchen und nahm mir einen Apfel und Weintrauben aus der Obstschale. Dann ging ich nach oben in mein Zimmer. Bevor ich das machte holte ich noch den Brief und die Schlüsselkette aus meinem Arbeitszimmer. Ich setzte mich auf mein Bett und starrte auf dem Brief. Er war von Selena und Mike. Sollte ich es wagen ihn zu öffnen? Was wenn mich das, was in dem Brief stand noch trauriger machte?Nach einer viertel Stunde fasste ich einen Entschluss und riss den Briefumschlag auf.

Hallo Lina!
Wir beide haben gehört bzw. gehört was passiert ist. Das tut uns wirklich leid, Doch wir können dich trösten. Paul hat nie aufgehört dich zu lieben. Auch wenn er jetzt mit den Schlampen an unserer Schule rumhängt. Sie sind für ihn nur Ablenkung. Und wir versprechen dir, dass er nie mit einer ins Bett steigt. Dafür liebt er dich zu sehr. Woher wir das wissen? Das ist ganz einfach. Er schreibt Briefe. Und er hat ein Tagebuch. Ja. Wir wissen es. Es ist ein wenig schwuchtelig. Aber dadurch kann er seine Gefühle jemanden anvertrauen.. Das hat er jedenfalls geschrieben.

Ich war erschrocken. Die beiden wühlten in Pauls Geheimsachen? Das gehörte sich nicht und ich hoffte, dass sie einen guten Grund dafür hatten dies zu tun. Der Rest des Briefes war besser.

Du bist jetzt geschockt. Das können wir verstehen. Normalerweise sind wir nicht so. Wir wühlen nie in den Sachen von unserem Bruder, doch er macht uns Sorgen. Er ist so anders und das macht uns Sorgen. Wir haben sein Tagebuch kopiert und die Seiten in die Kiste gelegt. Und auch die Briefe, die er versucht hat an dich zu schreiben haben wir kopiert und rein gelegt. Wir hoffen, dass ihr diesen Streit bald schlichten könnt, denn wir wissen, dass ihr füreinander geschaffen seit! Das merkt sogar ein Blinder!

Viel Glück!
Mike & Selena



Sie hatten noch ihre beiden Handynummern dazugeschrieben. Sie meinten, dass ich sie jederzeit anrufen könnte. Die beiden Nummern speicherte ich ein.
Dann steckte ich den Schlüssel ins Schloss der Kiste, drehte ihn aber nicht um. Sollte ich es wagen? Einfach die Gedanken von Paul durchzulesen, die eigentlich nur für ihn allein waren? Ich brauchte Rat. Schnell wählte ich die Nummer von Christina.
„Hey Süße!“, sagte sie langsam, als sie nach dem 5. Klingeln ran ging. Dass sie so vorsichtig mit mir umging war meine Schuld. Ich hatte sie uns Timo von mir weggestoßen in der letzten Woche. Ich hatte niemanden mehr an mich heran gelassen.
„Christina ich brauch deine Hilfe. Willst du mir helfen?“
„Wenn ich kann immer. Was ist los?“, wollte sie wissen. Ich erzählte ihr von meinem Problem. „Also. Meiner Meinung solltest du es lesen. Vielleicht ist es ganz gut, wenn du weißt was gerade in Paul vor geht. Und du könntest morgen alles aufklären. Ihr beide habt doch morgen Hip- Hop. Und zufälligerweise weiß ich, dass Emma und Tina keine Zeit haben, weil sie zwei Tage vorher in Urlaub fliegen.“
„Also sollte ich die Truhe öffnen und anfangen zu lesen.“
„Ja. Ich kann ja fragen ob ich bei dir schlafen kann. Ich nehme dann die Sachen mit, die ich morgen brauche!“
„Gute Idee. Warte mal. Ich frag mal kurz meine Eltern ob du darfst.“ Ich lief nach unten und fragte. Meine Eltern, die wahrscheinlich erleichtert waren, dass ich mich nicht mehr von der Welt abschnitt, erlaubten es. Ich lief wieder nach oben und Christina versprach in 10 Minuten bei mir zu sein.

Ich räumte mein Zimmer auf und machte das Gästezimmer fertig, dass genau an meins angrenzte und mit einer Verbindungstür verbunden war.
Ich holte auch noch Süßigkeiten nach oben. Wir brauchten wahrscheinlich eine Stärkung. 20 Minuten später war Christina da. Zusammen machten wir uns an die Arbeit und lasen und die Gedanken von Paul durch. Die Stille wurde nur von einem „Oh wie süß!“ „Wie romantisch“ und anderen Ausrufen von Christina durchbrochen. Ich saß die ganze Zeit ruhig da und las mir die Texte durch. Mir stiegen die Tränen in die Augen. Er schrieb, dass er mich so gerne hassen wollte, mich aber niemals hassen könnte, weil er mich so liebte.
„Wir müssen euch auf jeden Fall wieder zusammenbekommen! Er schreibt ja genauso viele Depri - Sprüche wie du!“ Sie hatte Recht. In dieser Woche hatte ich vielleicht 10 Texte geschrieben, die meine wirklichen Gefühle wiedergaben.
„Vielleicht wollte Allah nicht, dass wir zusammen kommen.“, sagte ich niedergeschlagen.
„Vielleicht ist das aber auch nur eine Probe von ihm!“, sagte Christina energisch.
„Vielleicht.“, stimmte ich zögernd ein. „Komm lass uns schlafen gehen. Morgen wird ein anstrengender Tag.“
„Besonders für dich.“ Christina nickte.
„Kommst du morgen mit zum Tanzen? Ich halte das ohne Unterstützung nicht aus!“
„Auf jeden Fall! Ich muss noch ein ernstes Wort mit Paul reden!“
„Danke!“ Ich drehte mich um und schlief ein.


Nicht der Wecker klingelte mich sondern Christina, die mir Wasser über den Kopf schüttelte. Ich schrie auf und schreckte hoch. Dann sah ich meine beste Freundin böse an.
„Was soll das denn?“, fragte ich wütend. Nach einem Blick auf die Uhr stöhnte ich auf. „Es ist gerade mal 6!“
„Ich weiß aber ich muss dich aufsylen und das dauert seine Zeit! Außerdem will ich noch richtig essen bevor wir fahren!“
„Das alles dauert eineinhalb Stunden?“, fragte ich sie. Sie nickte so heftig mit dem Kopf, dass ich befürchtete, dass sie umkippen würde. „Okay... Dann los!“, gab ich mich geschlagen. Man konnte sowieso nicht mit Christina diskutieren. Sie holte mir sofort Klamotten aus meinem Schrank und ich zog sie ohne Wiederworte an. Eine zerrissene Jeans, ein Schlabber T-Shirt mit einem Bärchen darauf, Ohrringe und weiteren Schmuck. Normalerweise zog ich so etwas ja nicht an aber ich hatte keine Kraft mit Christina zu streiten. Ich musste in diesem Aufzug sofort nach der Schule zum Training. Die Haare lockte sie mir und machte mir ein Hippieband um. Wow. Ich fand, dass ich echt gut aussah.
„Du hättest morgen auch stylen können! Du weißt ja. Für den Ball.“
„Wieso hättest?“, wollte sie wissen während sie noch an meinem Haaren herum zupfte.
„Ich hab keinen Partner. Und ich hab keine Lust alleine hin zu gehen.“
„Timo und ich sind doch da!“, protestierte sie. Ich schüttelte lächelnd den Kopf.
„Nein, lass mal. Macht euch einen schönen Abend.“
„Ich bestehe darauf! Sonst rede ich nicht mehr mit dir und sag Timo er soll nicht mehr mit dir tanzen! Dann ist die Chance mit dem Turnier gelaufen!“
„Das würdest du doch nicht machen!“, sagte ich entsetzt.
„Doch!“ Ich gab mich geschlagen.
„Na gut!“, seufzte ich. „Wieso hab ich eigentlich nie eine Chance gegen dich wenn wir diskutieren?“
„Tja. Du bist halt die ruhigere von uns beiden. Wir ergänzen uns perfekt!“ Wir lachten und gingen nach unten um zu essen.
Danach fuhren wir zur Schule. Mein Vater hatte sich erboten uns hin zu fahren, weil er sowieso in die Nähe musste. Zurück mussten wir aber mit dem Bus fahren oder jemanden finden, der uns nach Hause brachte. Freudig hatten wir das Angebot angenommen. Als wir so vor dem Theaterraum standen klingelte plötzlich mein Handy. Ich sah auf den Display und fing an zu lächeln.
„Wer ist das?“, fragte Christina sofort. Sie hatte meinen glücklichen Blick sofort bemerkt.
„Emir.“, antwortete ich einsilbig.
„Wer?“ Verwirrt sah sie mich an.
„Kennst du nicht. Ich erzähl's dir später!“

Ich ging ein wenig an die Seite um ungestört mit Emir reden zu können.
„Hallo?“
„Lina! Wie geht’s dir so?“, fragte Emir sofort .
„Super! Und dir?“
„Auch gut! Ich wollte dich fragen was du heute vor hast? Wir könnten uns ja treffen?“
„Ich würde echt gerne! Aber ich kann nicht!“
„Oh... Was machst du denn heute?“, fragte er enttäuscht.
„Ich hab heute Hip-Hop.“, antwortete ich.
„Ich kann ja mitkommen und dir zugucken!“, sagte er hoffnungsvoll.
„Klar. Wenn du um halb zwei da sein kannst. Ich fahr gleich nach der Schule mit meiner Freundin hin.“
„Wirklich? Wie kommt ihr denn da hin?“
„Mit dem Bus?“
„Ich kann euch abholen und hin bringen!“, bot er an.
„Das wäre super! Bis du dann so um eins hier?“
„Klar!“ Ich sagte ihm noch wo er hin musste und wo wir als letztes Unterricht hatten, dann verabschiedete ich mich von ihm, denn mein Lehrer kam gerade zu uns.

Als wir uns hin setzten, fragte Christina flüsternd: „Und? Wer ist denn jetzt Emir?“
„Er ist ein Kumpel von Samir. Ich hab ihn gestern kennengelernt. Als ich mit Samir zu diesem Straßenfest gegangen bin.“
„Und wie sieht er aus?“, fragte sie.
„Ich wusste, dass du das fragst.“, antwortete ich grinsend. Sie grinste zurück und fragte: „Und? Sieht er so heiß aus wie dein Cousin?“ schnell sah ich nach ob unser Lehrer und sehen konnte und holte mein Handy heraus. Ich zeigte ihr mein Hintergrundbild, dass mich und Emir zeigte. Wir standen vor der Loopingachterbahn und hatten Zuckerwatte in den Händen.
„Der ist echt heiß!“, sagte sie. Etwas zu laut. Denn die anderen drehten sich alle zu uns um. Ich wurde rot und sah zum Boden.
„Wer ist heiß?“, fragte Shane sofort.
„Ein Freund von Lina! Und jetzt nerv nicht mehr!“, antwortete Christina genervt. Hätte sie das bloß nicht gesagt! Ich spürte Pauls durchdringenden Blick, auch wenn ich ihn nicht ansah. In diesem Moment merkte unsere Lehrer, dass wir uns nicht konzentrierten und rief mich natürlich sofort auf.
„Lina! Sag mir bitte 3 Akteure aus Filmen, die dich sehr interessieren und mit denen du dich irgendwie verbunden fühlst.“
„Hmmm. Lassen Sie mich überlegen... Einmal Julia in „Romeo und Julia“. Dann Rose aus „Titanic“ und Mary Santiago aus „Another Cinderella Story“, sagte ich nach kurzem Überlegen.
„Wieso? Was haben diese drei Charaktere an sich, dass Sie sich mit ihnen verbunden fühlst?“
„Mit Mary Santiago fühle ich mich verbunden, weil sie das Tanzen genauso liebt wie ich und darum kämpft tanzen zu dürfen und um ihre Träume zu verwirklichen. Mit Julia fühle ich mich verbunden, weil ich diese Liebe, die sie und Romeo verbindet schon einmal erfahren durfte. Und mit Rose auf Titanic fühle ich mich verbunden, weil...“, an dieser Stelle musste ich mich kurz räuspern. „Weil, gerade als sie ihre wahre Liebe gefunden hatte ein riesiger Eisberg ihrer Liebe ein Ende setzte. Ihr geliebter Jack starb.“
„Ist bei dir ein geliebter Mensch gestorben?“, fragte mein Lehrer erschrocken.
„Nein. Aber es fühlt sich so an als wäre er gestorben.“, sagte ich leise.
„Achso. Nun denn. Danke.“ Ich nickte und er fuhr mit dem Unterricht fort. Nach der Stunde gingen Christina und ich in die Pause.
„Und was ist jetzt mit Emir?“, fragte Christina ungeduldig. Lachend sah ich sie an.
„Du lässt nicht locker oder?“, fragte ich. Sie schüttelte grinsend den Kopf. „Er holt uns nach der Schule ab und bringt uns zum Tanzen.“
„Was? Ja! Dann lerne ich ihn kennen!“ Sie freute sich voll darauf.
„Wieso freust du dich denn so?“
„Nur so.“ Ah ja. Genau... Tolle Antwort. Es klingelte zum Pausenende.
„Tschüss! Bis nachher. Nach der Schule vor dem Musikraum okay?“, fragte ich.
„Okay. Sehen wir uns nicht in der Pause?“, fragte sie.
„Nein. Sorry aber ich möchte noch ein bisschen allein sein und etwas lesen.“ Sie sah enttäuscht und auch ein wenig traurig aus aber sie nickte nur und ging.
In Geschichte machte ich wie immer gut mit und Frau Ludwig lobte mich auch, doch ich war nicht wirklich bei der Sache.

In der Pause setzte ich mich in die Sonne, steckte mir die Kopfhörer in die Ohren und versank in meiner eigenen Welt. Aus der ich aber nach kurzer Zeit wieder erwachen musste. Ich stopfte die Sachen in meine Tasche und ging zu den Musikräumen.


In Musik setzte ich mich an den Flügel und fing an zu spielen. Ich ließ meine Gefühle in den Song mit einfließen und komponierte einfach mal so ein neues Lied. Als ich fertig war ließ ich die Hände auf den Tasten liegen und seufzte auf. Auf einmal wurde begeistert geklatscht. Die ganze Klasse stand vor mir und klatschte wie verrückt. Sogar Shane. Nur Emma nicht. Sie blickte mich einfach nur herablassend an und wandte sich an ihre Gitarre.
„Danke.“, sagte ich zu meinen Klassenkameraden.
„Spiel doch auf der Weihnachtsfeier! Du bist echt ein Naturtalent auf dem Klavier.“, sagte Shane begeistert. Zum ersten Mal lächelte ich ihn aufrichtig an und bedankte mich bei ihm.
„Spiel doch noch etwas Lina, bitte!“, bat meine Lehrerin.
„Was soll ich den spielen?“, fragte ich.
„Irgendwas. Ein Lied, dass dir besonders gefällt.“ Da musste ich nicht lange überlegen.
„Kann irgendjemand das Lied Just a dream? Und kann den Part von dem Jungen singen?“, fragte ich die Jungs. Niemand wollte. §Seid doch nicht so schüchtern! Ich denke jeder von euch kann singen.“, meinte ich lächelnd.
„Aber nicht so gut wie du!“, sagte Simon.
„So gut bin ich auch wieder nicht und ihr habt mich doch noch nie singen hören!“, lachte ich. Wieder sah ich in die Runde und wartete. Dann endlich trat Paul vor.
„Ich kann es.“
„Dann mal los!“, meinte ich und fing an zu spielen.
„I was thinkin' about you, thinkin' about me.
Thinkin' about us, what we gonna be?
Open my eyes, yeah; it was only just a dream.
So I travel back, down that road.
Will she come back? No one knows.
I realize, yeah, it was only just a dream.“, sagen wir.

„I was at the top and I was like Iaying at the basement.
Number one spot now she found her a replacement.
I swear now I can't take it, knowing somebody's got my baby.
And now you ain't around, baby I can't think.
I shoulda put it down. Shoulda got that ring.
Cuz I can still feel it in the air.
See her pretty face run my fingers through her hair.“

Und es ging so weiter. Wir wurden immer emotioneller und sangen aus tiefsten Herzen. Nach dem Song sahen wir uns tief in die Augen. In seinen sah ich Trauer, Verzweiflung und auch Wut. Ich wusste, dass die Wut mir galt. Wem den sonst? Er glaubte an das Video. In meinem konnte er wahrscheinlich Trauer und Verletzlichkeit sehen.
Wir sahen uns unverwandt an bis er sich schließlich abwandte und sich wieder zu den Jungs stellte. Er lachte und scherzte mit ihnen und beachtete mich nicht mehr. Ich sah auf die Tasten vor mir.
Meine Sicht verschwamm. Nein. Ich wollte nicht weinen. Ihm nicht meine Schwäche zeigen. Heftig wischte ich mir im Gesicht herum.
„So. Das war eine schöne Präsentation und es passt auch ganz hervorragend zu unserem neuen Thema.“, sagte meine Lehrerin energisch. Das brachte mich auf andere Gedanken.
„Und was ist das neue Thema?“, fragte Emma gelangweilt, was ihr ein bösen Blick von Frau Adler einbrachte.
„Was Musik einem für Gefühle übermittelt.“, antwortete sie. Sie wandte sich an die Klasse und fragte: „Was hat euch das Lied, was Lina und Paul gesungen haben für Gefühle übermittelt? Welche Gefühle hattet ihr als ihr zugehört hattet? Ja Anabelle?“
„Ich fand, dass die beiden verliebt gewirkt haben. Und ein wenig verzweifelt. Ich war gefesselt von diesem Lied und wie in Trance.“ Meine Lehrerin nickte.
„Shane?“, fragte sie.
„Ich finde es genauso wie Anabelle. Es schien so als würden sie die ganze Liebe nur geträumt haben. Oder, dass die Liebe vom Anfang an zum Scheitern verurteilt war.“ Dabei sah er mich mit intensiven Blick an. Was wollte er mir damit sagen? Dass er das mit Emma zusammen geplant hatte? Dann wandte er sich ab.

„Gut. Ihr schreibt jetzt bitte eure Lieblingslieder auf einen Zettel und schreibt dahinter wieso ihr genau diese Lieder so liebt. Und natürlich was für Gefühle sie euch vermitteln.“, sagte meine Lehrerin. Gehorsam schrieb ich meine Lieblingslieder auf. Bis ich einen Zettel bekam.
Er war an mich adressiert. Ich klappte ihn neugierig auf.

Lina! Wir müssen reden! Gleich nach der schule! Bitte! Ich weiß wir hatten keinen guten Start aber du musst mir zuhören! Es geht um dich und Paul!
Lg, Shane

Ich sah zu Shane. Er sah mich fragend an. Ich nickte leicht mit dem Kopf. Eigentlich wollte ich nichts mit ihm zu tun haben aber wenn es um mich und Paul ging, konnte ich mir es ja anhören. Wenn es mir zu viel wurde, konnte ich ja immer noch abhauen. Ich schrieb meinen Text zu ende und gab ihn dann meiner Lehrerin. Wir hörten uns noch andere Lieder an und sprachen über unsere Gefühle bei ihnen. Dann klingelte es zum Glück zum Ende der Stunde und ich packte schnell meine Tasche. Dann ging ich nach draußen an die frische Luft. Ich sah schon Christina.
„Lina! Warte doch mal!“, rief Shane.
„Ja doch!“ Ich lachte. „Was wolltest du mir sagen?“, fragte ich als er bei mir ankam.
„Ja.“ Er sah mich nicht an. „Emma hat dieses Video gemacht und mich gefragt ob ich mitmachen will. Ich meinte, dass ich nicht möchte und ich nichts mit dieser Sache zu tun haben wollte. Doch sie hat mich auch verlinkt das hast du doch gesehen oder?“ Er sah mich kurz an und ich nickte. „Ich hab mit dieser Sache wirklich nichts zu tun! Das musst du mir glauben!“
Beschwörend sah er mich an. Ich musterte ihn genau. Einerseits wollte ich ihm mit die Schuld daran geben, dass es zwischen mir und Paul aus war, doch andererseits sah ich, dass er die Wahrheit sagte sofort.
„Ich glaube dir.“, sagte ich einfach nur. Erleichtert sah er mich an.
„Danke. Genau das weiß ich an dir zu schätzen! Dass du immer auf das achtest was der andere sagt obwohl du schlechte Erfahrungen mit ihm gemacht hast!“ Er machte eine Pause und sah mich bittend an. „Darf... darf ich dich umarmen? Keine Sorge ich führe nichts im Schilde wirklich! Besonders weil ich keine Lust auf Prügel von diesem Typen haben will, der dich die ganze Zeit zusammen mit Christina beobachtet.“ Schnell drehte ich mich um. Neben Christina stand Emir. Beide sahen mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und warteten ungeduldig auf mich. Ich drehte mich wieder zu Shane um.
„Danke!“, sagte ich und umarmte ihn. „Wir sehen uns morgen!“
„Bye!“, antwortete er. Lächelnd ging ich auf eine ungläubige Christina zu.

16. Kapitel



„Was wollte DER denn? Und wieso hast du ihn umarmt?“, begrüßte sie mich wütend.
„Auch dir guten Tag!“ Ich wandte mich an Emir und umarmte ihn. „Hey! Danke, dass du uns mitnimmst!“
„Kein Problem.“, sagte er abwesend und starrte hinter mich. Paul stand dort und beobachtete mich.
„Bekomme ich jetzt mal eine Antwort?“, fragte Christina wütend.
„Er hat mir was erzählt! Komm runter bitte!“ Ich verdrehte die Augen und wandte mich wieder an Emir. „Können wir los?“
„Klar!“ Er legte mir und Christina jeweils einen Arm um die Schultern und dirigierte uns zum Auto. „Hab ich dir eigentlich gesagt wie hübsch du aussiehst Lina?“ Ich kicherte und meinte: „Neeein hast du nicht! Aber danke für das Kompliment. Das habe ich Christina zu verdanken. Sie hat mich dafür schon um 6 Uhr geweckt!“ Ich sah ihn mit gequälter Miene an. Dieser Idiot lachte mich aber nur eiskalt aus!
„Geschieht dir Recht!“, lachte er. Er und Christina klatschten ein. Wir kamen am Auto an und stiegen ein.
„Was?“ Ich saß vorne auf dem Beifahrersitz und sah ihn beleidigt an. „Auf welcher Seite stehst du eigentlich?“
„Auf keiner!“, antwortete er prompt.
„Pah! Fahren Sie uns jetzt zu unserem Meeting Charles!“, sagte ich gespielt hochnäsig.
„Natürlich Lady Ashton!“, sagte er unterwürfig und fuhr los.
„ Na endlich seit ihr fertig!“, sagte Christina. „Was. Wollte. Shane. Jetzt. Von. Dir?“
„Er hat mir erzählt, dass er nichts mit dem Video zu tun hatte!“ Genervt sah ich nach hinten. „Zufrieden?“
„Immer doch! Und du hast ihm geglaubt? Nach allem was er gemacht hat?“, fragte sie skeptisch.
„Ja. Auch wenn er am Anfang ein perverses Schwein war, vernebelt mir das doch nicht mein Gehirn! Und auch wenn er scheiße war kann ich ihm nicht einfach sagen, dass ich ihm nicht glaube! Denn das tue ich.“, erwiderte ich bestimmt.
„Was hat er denn gemacht, dass du ihn so hasst Christina?“, fragte Emir.
„Nichts!“, sagte ich schnell.
„Hättest du wohl gerne! Er hat auch ein Recht darauf es zu erfahren!“
„Hat er nicht!“, protestierte ich aber sie hörte wie so oft mal wieder nicht auf mich. Schnell erzählte Christina was passiert war. Blöder Fehler! Mann... Konnte sie auch nie die Klappe halten? Sie wusste doch wie das mit der Ehre bei den Moslems war! Besonders wenn es um die Ehre von der Schwester, Cousine oder um die Cousinen bzw. Schwestern von Freunden ging! Ich beobachtete Emir genau. Er umklammerte das Lenkrad mit beiden Händen, sodass die Knöchel weiß hervortraten.
„Er. Hat. WAS?“, schrie er. Christina und ich zuckten zusammen.
„Emir beruhige dich!“, meinte ich beschwörend. „Bitte!“ Er atmete tief ein und aus.
„Ja to samo za tebe radim.“ (Das tue ich nur für dich)
„Hvala“ (Danke) Die restliche Fahrt verlief schweigend. Wir hingen alle unseren eigenen Gedanken nach. Emir suchte einen Parkplatz und wir liefen schon einmal in die Halle. Christina kam mit mir in die Umkleide wo die anderen Mädchen schon beim umziehen waren.
„Ach. Auch mal da?“, fragte Emma schon wieder hochnäsig. Ich ballte meine Hände zur Faust.
„Immer doch. Mein Kumpel hatte ein wenig Verspätung..., erwiderte ich liebenswürdig.
„Dein Kumpel?“, fragte Tina höhnisch.
„Ja ihr Kumpel! Kannst ihn dir gerne angucken! Er guckt heute zu. Doch ich bitte dich fang nicht an zu sabbern!“, sagte Christina. Ich zog mich um und lief gefolgt von Christina und den anderen Mädchen, darunter auch Emma und Tina, in die Halle.
„Emir. To je Emma i Tina.“ (Das sind Emma und Tina) Ich zeigte auf die beiden und Emir fing an zu lachen.
„Was hast du ihm gesagt?“, fragte Emma sofort. Auch die anderen Mädchen sahen mich interessiert an. Sie hatten sich alle um Emir herum verteilt und starrten ihn an.
„Nur euren Namen.“ Sie nickte beruhigt.
„Hey. Nett dich kennenzulernen.“, säuselte sie Emir zu und grinste ihn anzüglich an. Ich verdrehte die Augen und grinste als Emir gequält die Miene verzog.
„Ladys! Kommt ihr jetzt? Ich will anfangen!“, scholl die Stimme von Marco zu uns herüber. Ich zuckte unwillkürlich zusammen. In der letzten Woche war ich ihm aus dem Weg gegangen und hatte jedes einzelne Training ausfallen lassen. Ich konnte ihm einfach nicht in die Augen sehen.
„Wir kommen doch schon!“, rief ich ihm zu und setzte mich in Bewegung.
„So. Wir üben heute noch einmal die Choreografie von letzter Woche. Lina. Du warst ja die letzten beiden Male nicht da deswegen möchte ich, dass du erst einmal zuguckst und dann versuchst mitzutanzen. Verstanden?“, fragte Marco. Ich nickte und stellte mich vor die Tänzer um ihre Schritte genau zu beobachten. Marco machte die Musik an und ich konzentrierte mich auf Paul, denn er und Marco waren mit Abstand die besten Tänzer der Gruppe. Dann als ich meinte, dass ich es einigermaßen konnte, stellte ich mich hinter die anderen und tanzte mit. So schwer war es gar nicht.
In der Pause ging ich zu Emir und Christina.
„Wann willst du es machen?“, fragte sie gespannt.
„Jetzt oder nach der Stunde. Was meinst du?“
„Ah Emma. Schön dich zu sehen!“, sagte Christina übertrieben fröhlich. Sie tippte auf ihr Handy herum. „Guck mal Lina! Ist Timo nicht einfach total süß?“, fragte sie und hielt mir ihr Handy so hin, sodass nur ich sehen konnte was drauf war. Es stand nur ein einziges Wort in einer Notiz. 'Jetzt!'
„Ja wirklich. Ich freue mich voll für euch!“ Ich sah Emir an. „Hoće¨ li nam ukratko čekati?“ (Wartest du bitte kurz?)
„Okay. Lass mich aber nicht so lange alleine“ Ich musste lachen.
„Za¨to da ne?“ (Wieso denn nicht) Ich musste das einfach wissen.
„Die Mädchen hier machen mir Angst.“ Jetzt musste ich noch mehr lachen!
„Keine Sorge. Ich komme gleich wieder.“

Ich lief mit schnellen Schritten in die Umkleiden, zog mich um, packte meine Tasche und holte die Fotos raus, die ich von Selena und Mike bekommen hatte. Sie brauchte ich für meinen Plan, den ich gleich in die Tat umsetzten wollte. Dann lief ich wieder in die Halle zurück. Die anderen waren noch in der Umkleide. Die einzigen, die in der Halle waren, waren Christina, Emir, Paul, Emma, Tina und Marco.
„Hey Emma! Ich will mal mit dir reden!“, schrie ich.
„Lina! Kannst du das nicht nach der Stunde?“, fragte Marco. „Wir sind hier um zu tanzen! Nicht um zu quatschen und wieso bist du schon umgezogen?“
„Tut mir leid Marco. Aber das geht dich, Paul, Emma, Tina und mich was an. Und dieses scheiß Missverständnis möchte ich aus der Welt schaffen!“, antwortete ich ihm entschlossen.
„Was willst du von mir?“, fragte Emma gelangweilt und sah auf ihre perfekten Fingernägel.
„Ach. Ich wollte dir nur kurz ein paar Bilder zeigen!“, sagte ich fies lächelnd.
„Hast du mich etwas fotografiert? Schön! Kannst sie ja in deinem Zimmer aufhängen!“, sagte Emma immer noch auf ihre Fingernägel blickend.
„Also. Solche Bilder würde ich niemals in mein Zimmer hängen. Die gehören normalerweise in ein Fotoalbum. Und auf diesem siehst du nicht gerade vorteilhaft aus!“, sagte ich. Ihr Kopf fuhr hoch.
„Was?“ Schnell zeigte ich ihr die Bilder. Selena und Mike hatten echt gute Arbeit geleistet. Auf dem Bild war Emma abgebildet. Sie waren vor einem halben Jahr aufgenommen worden. Es zeigte sie, wo sie total betrunken mit dem Streber in unserem Jahrgang rummachte. Wenn ich diese Bilder veröffentlichte, wäre ihr schöner Ruf völlig zerstört.
„Wo-woher... ha-hast du die?“, stammelte sie.
„Jeder hat so seinen Connections.“ Jeder hier im Raum lachte.
„Ich will sofort wissen wo du die her hast? Niemand auf dieser Party hatte Kameras oder Handys dabei! Das war in dieser Anlage verboten!“, schrie sie.
„Das kann ich dir leider nicht verraten! Aber ich schwöre dir... Ich stell genau dieses Bild auf Facebook. Spätestens übermorgen wärst du zerstört!“ Wieder lächelte ich fies. Das machte mir ein wenig Angst. Ich mutierte hier zur Erpresserin. Ich. Diejenige, die normalerweise alles über sich ergehen ließ. Aber irgendwann war Schluss mit den Unterdrückungen. Jetzt hatte ich da keine Lust mehr drauf.
„Was willst du?“, fragte Emma zischend.
„Sag die Wahrheit! Das Video mit meinem Geständnis war von dir gefakt! Und ich möchte, dass du das auch auf Facebook postest! JETZT!!!“, verlangte ich. Sie überlegte und sah immer von meinem Gesicht zu meiner Hand, die das Bild umschloss. Ich erriet ihre Gedanken und meinte höhnisch: „Ich hab eine Kopie von diesem Bild. Ich kann es problemlos einscannen und dann auf Facebook stellen. Und das werde ich tun.“
„Gut. Ich werde es tun. Nur bitte! Poste nicht dieses Bild! “ Sie holte ihr Handy hervor und tippte etwas darauf herum. Dann drehte sie es um und zeigte es mir. „So?“ Sie knirschte mit den Zähnen. In dem Post stand jetzt: 'Vor einer Woche habe ich ein Video von Lina Ashton gepostet. Dieses Video war gefakt. Kein einziger Satz, der dort gesagt wurde stimmt! Und ich entschuldige mich dafür.' Ich nickte und sie drückte auf posten.
„Der Post bleibt bis morgen Abend drinnen. Jetzt sag dein Geständnis noch einmal laut.“ Sie tat es. Was einem so ein kleines Bild für Macht einbrachte.
Marco lächelte mich an und ich lächelte zurück. Paul starrte mich an, doch ich ignorierte ihn gekonnt.
„Zerstörst du jetzt bitte dieses Bild! Es ist schon schlimm genug, dass die hier im Raum das wissen!“, sagte Emma flehend.
„Das die anderen im Raum WAS wissen?“, fragte gerade ein Mädchen aus unserer Gruppe, die aus der Umkleide kam.
„Nichts.“ Ich holte ein Feuerzeug aus der Tasche und hielt die Flamme an das Bild. Sofort fing es an zu brennen und nach kurzer Zeit war nichts mehr von dem Bild übrig geblieben.
„Danke!“, sagte sie. „Ich geh schon mal nach Hause.“ Sie verschwand und mit ihr Tina.
Marco drehte sich zu den anderen Tänzern um. „Wir machen für heute Schluss! Wir sehen uns dann das nächste Mal!“ Die anderen jubelten und liefen in die Kabinen. Emir kam zu mir.
„Fahren wir auch?“ Ich wollte gerade zustimmen als ich es mir noch anders überlegte.
„Warte mal kurz.“ Ich drehte mich zu Paul um. Dieser sah mich an. Seine Miene war geschockt, wütend und auch verletzt. „Ich wollte dieses Missverständnis nur aus der Welt schaffen. Ach ja und gib nicht Shane die Mitschuld an dem Video. Denn er war daran nicht beteiligt.“
„Lina...“, fing Paul an, doch ich bedeutete ihm mit einer Geste zum Schweigen.
„Tschau Marco. Wir sehen uns!“ Und ich ging mit schnellen Schritten aus der Halle. Christina kam mir mit meiner Tasche und Emir im Schlepptau hinterher.

„Das war super! Besonders dein Abgang. Paul bekam noch nicht einmal die Chance sich zu entschuldigen. Wenn er dich jetzt wirklich liebt, wird er dir hinterherlaufen.“ Ich nickte und hakte mich bei Emir unter.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte ich ihn gut gelaunt. Erstaunt sah er mich an.
„Und ich dachte du fängst gleich an zu weinen. So wie als er vor der Haustür stand.“
„Die kommen erst später. Jetzt will ich mich ablenken damit die NICHT jetzt kommen!“ Skeptisch sah er mich an. Doch dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.
„Ich weiß ganz genau was wir drei jetzt machen werden!“, sagte er geheimnisvoll lächelnd.
„Das hört sich irgendwie nicht gut an... ¦ta radite nama?“ (Was machst du mit uns?)
„Doch! Es wird total lustig! Samir kommt auch wenn er Zeit hat. Lass mich ihn nur kurz anrufen!“ Wir setzten uns ins Auto. Emir startete den Motor und tippte in sein Handy. Schnell redete er mit Samir, doch verstehen konnte ich gar nichts. Nach drei Minuten legte er auf.„Gut. Es kann los gehen! Dein Cousin kommt auch!“
„Das kann ja lustig werden!“, seufzte ich lächelnd.
„Was machen wir jetzt?“, quengelte Christina vom Rücksitz aus.
„Wir machen ein wenig Party!“, lachte Emir.
„Ähm. Hast du wirklich mit Samir telefoniert? Wenn doch dann muss ich gleich gucken ob er gesund ist...“ Emir unterbrach mich.
„Er ist kerngesund!“
„Er lässt mich nie auf Partys! Nicht dass ich vorher irgendwie auf Partys gehen wollte aber...“ Schon wieder wurde ich von Emir unterbrochen.
„Und jetzt ist er dabei und deswegen lässt er es ausnahmsweise durchgehen! Außerdem sind da nur Jugos.“
„Aber... Ich bin nicht richtig angezogen und...“
„Es ist die Party von der Schwester von Samed. Du weißt doch der vom Straßenfest.“
„Äh... Welcher der beiden?“, fragte ich unsicher.
„Der, der aussieht wie ein Albaner!“
„Achsoooo!“, rief ich aus. Samed war mir nicht wirklich im Gedächtnis geblieben, weil er lieber mit seiner Schlampen-Freundin rumgeknutscht hatte, als etwas mit uns anderen zu unternehmen. Allgemein sind mir die Freunde von Samir nicht im Gedächtnis geblieben. Abgesehen von Emir, der viel mit mir gemacht hatte.
„Emir... Du weißt, dass wir gerade aus Hamburg gefahren sind oder?“, fragte Christina.
„Jaaa.“
„Und wo genau fahren wir jetzt hin?“, fragte sie weiter.
„Nicht weit. Es ist 5 Minuten von hier entfernt.“, beruhigte Emir sie. „Und ich werde euch auch rechtzeitig zurückbringen.“
„Hoffe ich mal. Ich seh meine Eltern in letzter Zeit fast gar nicht mehr.“, brummte ich.
„Selber Schuld! Du hast dich doch in deinem Zimmer verbarrikadiert und hast mit niemanden gesprochen!“, sagte Christina in leicht tadelnden Ton.
„Tut mir leid.“, sagte ich entschuldigend. „Ich hab auch dich und Timo völlig vernachlässigt oder?“
„Ja das hast du. Aber schon gut. Ich war doch fast genau so als das mit André zu ende ging.“
„Danke, dass du mir so schnell wieder vergibst! Ich hab dich lieb meine Süße!“
„Ich dich doch auch! Schwestern für immer!“ Ich lächelte. Emir machte Würgegeräusche und tat so als würde er sich übergeben.
„Seid ihr fertig? Das wird mir zu schnulzig!“ Wir lachten.
„Ja sind wir!“, sagten wir im Chor.
„Danke Allah! Danke! Und jetzt eine kurze Frage... Wieso zum Teufel hast du ein Feuerzeug in der Tasche?“ Ich sah aus dem Fenster und antwortete nicht. „Lina! Rauchst du etwa?“
„Nein!“ Ich wurde rot. „Feuer beruhigt mich einfach!“ Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an bevor er seinen Blick wieder auf die Straße lenkte.

Nach 5 Minuten Fahrt kamen wir bei einem großen Haus an. Überall brannten Lichter und man hörte die Musik schon draußen. Mir fiel etwas ganz Entscheidendes ein.
„Emir! Ich hab gar kein Geschenk!“, sagte ich erschrocken.
„Keine Sorge. Hier mein Geschenk.“ Er hielt mir sein Geschenk hin. Perplex nahm ich es.
„Und jetzt?“, fragte ich dämlich.
„Du nimmst die Karte raus und du und Christina unterschreiben mit auf der Karte.“, erklärte er mir langsam für dumme.
„Achsoooo! Danke Emir du bist ein Schatz!“, rief ich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Schnell unterschrieb ich und gab die Karte an Christina weiter, die auch unterschrieb.
„Wieso ist das denn so schlimm wenn man kein Geschenk dabei hat?“, fragte Christina.
„Es ist einfach unhöflich zu einem Geburtstag zu gehen, auf dem man eingeladen wurde und nichts mitbringt.“, erklärte Emir.
„Achso. Kommt lasst uns rein gehen.“, sagte sie. Gemeinsam stiegen wir aus dem Auto und gingen auf die Tür zu.

17. Kapitel



Ein fröhliches Mädchen machte uns die Tür auf. Als sie Emir erblickte kreischte sie auf und fiel ihm um den Hals: „Emir! Schön, dass du da bist!“
„Ich freu mich auch dich zu sehen Samira. Alles gute zum Geburtstag!“, sagte Emir weniger fröhlich. „Kann ich dir Lina und Christina vorstellen? Sie sind zwei Freundinnen von mir.“ Samira sah uns beide mit abschätzenden Blick an und nickte uns zu.
„Hey.“, sagte sie kühl. „Kommt doch rein.“
„Danke. Und alles gute!“, sagte Christina.
„Srećan rođendan! Samira.“ (Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag), sagte ich fröhlich.
„Hvala.“ (Danke)
Sie ließ uns eintreten und führte uns in den Garten. Dort waren schon ein paar Gäste. Schnell ließ ich meinen Blick über die Menge schweifen und suchte Samir. Leider konnte ich ihn nicht entdecken.
„Dort drüben!“ Emir zeigte auf eine Stelle, wo Essen auf einem Tisch gelagert wurde. Tatsächlich. Dort stand mein Cousin und unterhielt sich mit einem Mädchen in meinem Alter. Dabei aß er ein Stück Torte. Wir bahnten uns einen Weg durch die Menge.
„Hey Samir! War ja klar, dass du dich wieder bei dem Essen rum treibst.“, sagte ich ihm ins Ohr. Er wirbelte herum und nahm mich in die Arme.
„Wie geht’s dir?“, frage er.
„Super. Dir?“, fragte ich und lächelte ihn an.
„Ich geh dann mal...“, sagte das unbekannte Mädchen. „Wir sehen uns noch Samir.“
„Alles klar. Bis dann.“ Er schien sich nicht mehr für sie zu interessieren seit ich da war. Dann wandte er sich zu Emir und Christina um. „Emir mein Bruder! Christina meine kleine Schwester! Wie geht’s euch?“ Christina lief rot an und sah zu mir. Ich lachte und sah zu Samir.
„Ganz gut.“, sagte Emir. „Aber wir haben Neuigkeiten für dich, die werden dich umhauen!“ Er lächelte gequält und ich wusste was jetzt kam.
„Wirklich? Dann kommt wir setzten uns irgendwo hin, wo uns niemand stören kann.“, sagte Samir und geleitete uns zum Gartenhäuschen.
„Du kennst dich hier aber gut aus!“, lachte ich und hakte mich bei Samir ein.
„Klar. Ich bin sehr oft hier.“ Er öffnete die Tür und ließ uns eintreten.

„Woooow...“, sagte Christina langgezogen. Ich konnte nur zustimmen. Der Raum war der Hammer! So eine richtige Chilllounge. Sofas, eine kleine Minibar, eine Musikanlage und alles was dazugehört.Ich fühlte mich sofort wie zu Hause.
„Ich weiß wie ihr euch jetzt fühlt!“, grinste Samir.
„Ah ja?“, fragte Christina.
„Klar. Ihr fühlt euch pudelwohl!“
„Du hast Recht.“, sagte ich. Dann wandte ich mich zu Emir um. „Wieso bist du nicht so überrascht?“ Er lachte.
„Hast du vergessen, dass ich auch sehr oft hier bin?“, fragte er grinsend. Oh... Richtig... Er war ja eingeladen wurde. Ich wurde verlegen. Sofort darauf wurde ich aber blass als Samir fragte was los war.
„Ähm... I-ich“, stotterte ich.
„Du?“, fragte Samir. Ich sah nach unten und wusste nicht was ich sagen sollte.
„Sie hat das Missverständnis mit dem Video heute aufgeklärt.“, erklärte Emir. Samir´s Kopf fuhr zu mir herum.
„Wirklich?“, fragte er. Ich nickte schüchtern. „Und?“, hakte er nach. Ich sah weg und starrte die Bar sehnsüchtig an. Wie gerne hätte ich meinen Frust jetzt ins Alkohol ertränkt. Aber ich wusste, dass das weder Samir noch Emir gutheißen würden. Deswegen setzte ich mich auf ein Sofa und starrte die Lawalampe an, die in den verschiedensten Farben schillerte.
„Und?“, fragte Samir noch mal. „Verdammt noch mal Lina! Antworte mir doch mal!“ Ich schüttelte den Kopf und sah Emir hilfesuchend an. Dieser seufzte, setzte sich neben mich, nahm meine Hand und drückte sie. Dann sah er Samir an, der uns ganz genau beobachtete. Er fing an zu erzählen. Währenddessen starrte ich Christina an und unterdrückte meine Tränen, die sich ihren Weg aus meinen Augen bahnten. Wieso musste Liebe eigentlich immer weh tun? Konnte man nicht einfach lieben ohne Schmerz und Probleme? Anscheinend nicht. Ich war ja das perfekte Beispiel.
„Lina.“, Samir klang vorsichtig. „Alles gut?“ Ich sah ihn an und lächelte tapfer.
„Ja alles klar!“ In diesem Moment klingelte mein Handy. Nach einem Blick auf den Display nahm ich an. Eine mir unbekannte Nummer wurde angezeigt.

„Lina Ashton?“, fragte ich.
„Shane Whitman.“, lachte Shane mir ins Handy.
„Shane? Woher hast du meine Nummer?“, fragte ich verblüfft und sah Christina an, die ihre Zähne zusammengebissen hatte. Samir sah auch nicht gerade glücklich aus, als sie ihm zuflüsterte wer der Junge am Telefon war.
„Ich hab Simon nach der Nummer gefragt.“
„Achso... Und WIESO hast du angerufen?“, wollte ich wissen.
„Heute ist Party bei mir. Ich hab Sturmfrei und ich wollte fragen ob du Lust hast zu kommen.“ Irrte ich mich oder klang er schüchtern?
„Hmm... Wie wird das bloß deine Freundin finden?“, grinste ich.
„Ich denke Emma wird das verkraften, denn wir sind seit einer Stunde getrennt.“
„Was? Nicht dein Ernst! Du hast Emma abserviert? Ich wusste doch, dass du kein geschmackloser Vollidiot bist!“, lachte ich.
„Danke.“ Er machte eine Pause. „Ich hab das auf Facebook gelesen. Wie hast du sie dazu gebracht?“
„Ach gar nicht so schwer. Ein wenig 'Überredungskunst' hat gereicht.“, wich ich aus. Shane schien zu verstehen und wechselte das Thema.
„Und? Kommst du nun? Paul wird zwar auch da sein aber... du musst dich ja nicht mit ihm unterhalten“, fragte er.
„Hmm. Darf ich Freunde mitbringen?“, fragte ich.
„Klar! Je mehr es werden desto besser! Seid ihr dann so um 20 Uhr bei mir? Schick anziehen ja?“, lachte er. „Nicht, dass du nicht auch in normalen Sachen schon wunderschön aussiehst!“
„Oh danke du Schleimer!“, grinste ich. „Wir werden da sein! Bye“ Und schon hatte ich aufgelegt.

„Was wollte DER schon wieder?“, fragte Christina hochnäsig.
„Mich auf eine Party einladen.“, antwortete ich.
„WAS? Nein du wirst ganz bestimmt nicht auf eine Party gehen. Und ganz bestimmt nicht von diesem Spinner!“, rief Samir aufgebracht.
„Ich hatte auch nicht vor alleine zu gehen!“ Ich machte eine Pause und beobachte Samir, der im Raum herumtiegerte. „Ich hatte gehofft, dass ihr auch mitkommt!“
„Wieso?“, fragte Emir. Jetzt wurde ich verlegen.
„Paul wird auch da sein. Ich... ich... Ach ich weiß auch nicht. Vielleicht will ich ja einfach zeigen, dass ich auch ohne ihn Spaß haben kann...“ Ich senkte den Kopf.
„Dann werden wir da hin gehen!“, bestimmte Emir. Ich hob wieder den Kopf und sah ihm in die Augen. Sie blickten mich freundlich an, doch tief in ihnen sah ich Schmerz. Ob das mit mir zu tun hatte? Ach quatsch! Bestimmt nicht!
„Danke!“, sagte ich schnell bevor Samir anfing los zu brüllen.
„Was machst du Emir! Ich hab dir gesagt was ich denke! Und du stellst dich einfach gegen mich! Bist du völlig bescheuert!“ Dann drehte er sich zu mir um. „Du gehst nirgendwo hin!“ Ich sah ihn bittend an. Meinem Hundeblick konnte er schon damals nicht widerstehen.
„Bitte!“, flüsterte ich.
„Emir und ich sind doch bei ihr und werden ihr zur Seite stehen!“, versprach Christina.
„Ohne mich gehst du schon erst einmal gar nicht hin!“, bestimmte Samir. Er klang besiegt.
„Also darf ich?“, fragte ich hoffnungsvoll.
„Ja!“, sagte er säuerlich.Ich sprang auf und umarmte ihn stürmisch.
„Danke!“, schrie ich.
„Lina! Los! Es ist vier und ich will uns beide schön auf stylen!“, bestimmte Christina.
„Reicht das nicht schon was ihr beide jetzt anhabt?“, fragte Emir und zeigte auf unser Outfit.
„NEIN! Bist du völlig blöd? Du kannst doch zu einer PARTY nicht etwas anziehen was du zur Schule an hattest!“, schrie Christina entsetzt.
„Schon gut, schon gut!“, sagte Emir und hob beruhigend die Hände, während Samir loslachte.
„Das hättest du wissen müssen Emir!“, prustete er. „Sogar ich hab das gewusst!“
„Wow. Von wem hast du das denn gelernt? Nicht etwa von Alex?“, fragte ich mutig, Alex war seine vorherige Freundin gewesen. Von Außen eine Schönheit doch innen drinnen ein Biest. Sie hat mich gehasst. Auch die anderen Mädchen hatte sie gehasst. So als hätte sie Angst, dass ich ihr Samir wegschnappen würde! Ich meine er ist mein Cousin! Na ja... Ich musste zugeben, dass wir ihr nicht gesagt hatten, dass ich seine Cousine war... Wir fanden das echt zu lustig und hatten uns totgelacht als Samir ihr, als er Schluss gemacht hatte, gesagt hatte, dass wir verwandt waren. Ich hatte ihre Verblüffung aber auch verstanden. Wir beide sahen uns gar nicht ähnlich. Er hatte pechschwarze Haare, schokoladenbraune Augen und war ein Riese. Ich hatte dunkelbraune Haare, hatte grüne Augen und war nicht sehr groß. Wir hatten eigentlich nur Charaktere Gemeinsamkeiten.
„Okay! Los jetzt! Emir fährst du uns wieder nach Hause?“, fragte Christina.
„Klar.“
„Hey Chrissi! Frag doch Timo ob er Bock hat mit zu kommen!“, schlug ich vor.
„Hey! Gute Idee!“ Sie zückte ihr Handy und ging mit ihm am Ohr nach draußen. Wir anderen folgten ihr und verabschiedeten uns von dem Geburtstagskind, welches , mir einen finsteren Blick zuwarf und mich auch nicht verabschiedete. Wahrscheinlich war sie sauer, weil ich ihr Emir und Samir von der Party stahl. Egal. War nicht mein Problem!


So wir setzten uns ins Auto und fuhren los zu mir. Hinten auf dem Rücksitz plapperte Christina fröhlich vor sich hin. Wenigstens eine, die sich um ihre Partnerschaft keine Sorgen machen musste. Endlich hatte sie aufgelegt und grinste vor sich hin.
„So wie du grinst, heißt das wohl, dass Timo kommt und du dir schon überlegst welches Outfit du anziehst um ihm richtig einzuheizen!“, lachte ich.
„Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen!“ Ich schüttelte den Kopf. „Müssen wir nicht eigentlich noch zu dir um deine Klamotten zu holen?“
„Nein. Wir benutzen deine Klamotten und Schminke hab ich bei dir.“
„Wieso eigentlich immer meine Klamotten?“, fragte ich.
„Deine sind einfach immer passend. Aber kein Wunder... Ihr seid ja fast jedes Wochenende eingeladen. So wie nächstes Wochenende auch...“ Sie machte eine Pause. „Was ist es diesmal? Hochzeit oder Geburtstag?“
„Hochzeit. Du weißt doch... Wir haben das Kleid dafür mit Paul ausgesucht als wir das Kleid für den Ball einkaufen waren.“
„Ach ja!“, rief sie aus. „Der arme ist fast vom Stuhl gefallen! Du sahst echt super darin aus!“
„Danke.“, sagte ich verlegen.
„Hochzeit? Meinst du die von... warte... Ich vergesse immer ihren Namen... Aber die ist nächsten Samstag!“
„Genau die!“, lachte ich.
„Und morgen? Habt ihr einen Ball an der Schule?“, wollte er wissen.
„Ja. Aber eigentlich will ich nicht hin gehen!“, sagte ich verstimmt.
„Wieso?“, fragte er entsetzt. „Ist das nicht der wichtigste Tag im Leben eines Mädchens? Abgesehen von der Heirat...“
„Siehst du? Sogar Emir sieht das so! Und er ist ein Junge!“, sagte Christina und zeigte anklagend auf mich.
„Ja ja! Ist ja gut! Ich geh ja mit! Und werde euch beide verliebten schön beobachten!“, lachte ich.
„Du wirst nicht nur an der Seite sitzen!“, bestimmte Christina.
„Und was soll ich deiner Meinung nach sonst tun? Ich würde mich ja betrinken...“ Emir schnaubte und schlug auf das Lenkrad. Völlig unbeeindruckt redete ich weiter: „aber... Leider gibt es auf solchen Schulveranstaltungen kein Alkohol und mein liebster Cousin würde mich killen!“
„Nicht nur er!“, sagte Emir grimmig.
„Wer denn noch?“, fragte ich unschuldig. „Ich würde meine Eltern nicht sehen wenn ich nach Hause komme...“
„Ich würde dich killen!“
„Wer bist du? Mein Bruder? Mein Cousin? Oder irgendjemand aus meiner Familie?“
„Nein. Aber ich würde dich killen, weil du ohne mich trinken würdest!“, lachte er los.
„Oh! Dann trinken wir am Samstag! Oder heute!“, schlug ich ihm vor.
„Nein. Nur wenn Samir nicht dabei ist! Sonst gibt’s Ärger...“
„Ok. Dann machen wir das mal heimlich...“, stimmte ich ihm zu.
„Du wirst nicht mit ihr saufen gehen Emir! Was bist du nur für ein unvernünftiger Kerl!“, schrie Christina los. Emir fing an zu lachen.
„Dachtest du wirklich ich gehe mit ihr trinken! Dann kennst du mich aber schlecht. Und du ebenfalls Lina. Stvarno! (Wirklich)“
„Oh maaaaan!“, seufzte ich. „Niemand lässt mich trinken! Dann muss ich eben mit Shane einen trinken...“ Innerlich lachte ich mich schlapp wie ein kleines Kind, doch äußerlich hatte ich eine unbeteiligte Maske aufgesetzt.
„NEIN! Das wirst du nicht tun!“, schrie Emir sofort los. Auch Christina fing an los zu schreien.
„Bist du jetzt völlig bescheuert oder was?“, schrie sie.
„Leute! Beruhigt euch! Das war nur ein Scherz!“, lachte ich uns amüsierte mich prächtig im Gegensatz zu den anderen beiden. Doch bevor sie irgendetwas sagen konnten, hielt Emir schon vor meinem Haus und ich hüpfte aus dem Auto.


„Was ist denn mit den beiden los? Die sehen echt wütend aus!“, sagte Samir und hob eine Augenbraue.
„Keine Ahnung!“, lachte ich und ging ins Haus. Dort erlebte ich eine Überraschung. Meine Eltern standen im Wohnzimmer und unterhielten miteinander.
„Mum. Dad. Was macht ihr denn schon hier?“ Ich sah auf die Uhr. „Es ist doch erst halb fünf!“
„Ja heute haben wir einfach mal früher Schluss gemacht. Wir beide gehen ins Ki...“ Meine Mutter stockte als sie Samir und die beiden anderen hinter mir sah.
„Du hast Besuch mitgebracht.“, sagte mein Vater.
„Tetka!“ (Tante) Samir trat auf sie zu uns gab ihr ein Kuss auf die Wange.
„Samir. Was machst du denn hier?“, fragte sie überrascht.
„Ach. Ich treff mich öfter mit meiner kleinen Cousine. Ich muss doch auf sie aufpassen!“ Er sah mich von der Seite her an. Wahrscheinlich haben Emir und Christina ihm gesagt was ich eben im Auto gesagt habe...
„Ach. Ich denke nicht, dass du auf sie aufpassen musst aber es ist schön, dass du so viel mit ihr unternimmst. Hallo Christina. Und hallo...“ Mein Vater sah Emir fragend an.
„Emir. Emir Milovanović“, sagte Emir.
„Ah. Willkommen Emir. Ich bin Jacqueline und das ist mein Mann William.“ Emir gab den beiden die Hand und dann wandte er sich an uns andere.
„Wann sollen Samir und ich wieder hier sein?“, fragte er.
„Hmm. Die Party fängt um acht an... Um von hier zu Shane zu kommen brauchen wir mit dem Auto eine viertel Stunde... Und die besten Gäste kommen immer zum Schluss... Seid mal so um acht hier.“, bestimmte Christina, die wie gewohnt die Führung übernahm.
„Du gehst heute feiern? Werden wir eigentlich auch gefragt?“, fragte meine Mutter.
„Ähm. Wie gut passt doch hier der Spruch 'Erst planen dann Eltern fragen...' Darf ich bitte?“, bettelte ich.
„Samir und Emir begleiten euch? Und bringen euch auch wieder zurück?“, fragte mein Vater streng und musterte die beiden. Diese nickten brav. Meine Eltern sahen sich an und seufzten. Das war ein eindeutiges Ja.
„Danke.“ Ich umarmte die beiden und verabschiedete mich von den Jungs. „Um acht dann. Bis später!“ Ich umarmte die beiden und sie fuhren davon.


Zusammen mit Christina ging ich hoch in mein Zimmer, wo sich Christina sofort an meinem Kleiderschrank zu schaffen machte. Sie brachte mir alles durcheinander, doch nach endlos langen Suchen fand sie passende Sachen für uns beide. Es war schon praktisch wenn Freundinnen die gleiche Größe bei allem hatten. Sie hielt mir mein Outfit hin.
„Oh nein! Das werde ich nicht anziehen! Weißt du noch was ich dir mal über meine Familie erzählt habe?“, fragte ich sie.
„Klar. Aber das Kleid ist gar nicht so kurz!“
„Zieh du das an!“, bestimmte ich. „Es würde dir viel besser stehen als mir!“
„Na gut. Dann tauschen wir die Outfits eben.“ Sie gab mir ein glitzerndes, dunkelblaues Top mit einer schwarzen zerrissenen Hose. Ich bekam noch Kette, Ohrringe, Armbänder und eine Tasche wo ich alles wichtige einpackte.
Als wir uns umgezogen hatten, setzte mich Christina an meinen Frisiertisch und fing an an mir herumzuwerkeln. Der Spiegel war mit einem Tuch verhangen damit ich bloß nichts sehen konnte bevor Christina fertig war. Nach einer halben Stunde, gefühlt wie eine ganze, war Christina endlich fertig. Sie zupfte noch ein wenig meine Haare zurecht und sprühte noch ein wenig Haarspray herum, bevor sie das Tuch wegnahm, dass den Spiegel verhüllte.
„Und? Wie findest du es?“, fragte sie gespannt.
„Wow!“, sagte ich nur. Was sollte man auch anderes sagen? Christina hatte wieder mal ein Meisterwerk vollbracht. Sie hatte eine Strähne meines Haares geflochten und vor die Stirn gedreht um mir daraus ein Hippiband zu machen. Die restlichen Haare hatte sie mir offen gelassen und an der Spitze gelockt. Meine Augen waren zu Smoky-Eyes geschminkt und meine Lippen glänzten blassrosa.
„Christina! Du bist eine super Stylistin! Ich liebe dich!“
„Ich weiß! Ich dich doch auch!“ Sie drehte sich zum Spiegel um. „So jetzt bin ich dran!“ Ich hörte meine Mutter von unten rufen.
„Ich geh runter meine Eltern verabschieden. Okay? Bis gleich soll ich dir was mitbringen?“
„Wasser bitte. Und ein bisschen Schokolade?“ Ich lächelte.
„Klar doch!“ Schnell lief ich runter und sah meine Eltern im Flur stehen. Mein Vater half meiner Mutter gerade in die Jacke.
„Geht ihr los?“, fragte ich. Blöde Frage ich weiß aber manchmal war ich eben so komisch.
„Ne kleine. Sieht nur so aus!“ Mein Vater verdrehte die Augen und nahm mich in den Arm. „Mach keine Scheiße ja? Wir werden erst spät zurück kommen okay? Komm nicht so spät. Morgen wird auch wieder so ein anstrengender Tag beziehungsweise eine anstrengende Nacht.“
„Jaja Papa! Alles gut!“, sagte ich genervt.
„Kein Alkohol!“, sagte meine Mutter.
„Ja! Samir und Emir passen auf mich auf!“ Wie immer waren meine Eltern misstrauisch. Das regte mich schon auf. Wieso konnten sie mir nicht vertrauen? Ich war langsam alt genug selber zu entscheiden was ich machte.
„Wir vertrauen dir ja aber du weißt doch wie Eltern sind!“, sagte meine Mutter versöhnlich.
„Na klar. Bis morgen dann! Viel Spaß!“, sagte ich und scheuchte sie nach draußen. Dann schloss ich erleichtert die Tür.


(Sicht von Paul)

Ich konnte an nichts anderes mehr denken als an Lina. Seit sie die Wahrheit von Emma herausgepresst hatte, schämte ich mich für meine Dummheit einer Schlampe geglaubt zu haben. Was war bloß in mich gefahren? Und jetzt hasste sie mich. Wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Aber ich konnte es ihr nicht verübeln. An ihrer Stelle hätte ich das gleiche gemacht. Ich wusste nicht wie sie mir jemals verzeihen konnte nachdem ich sie so verletzt und enttäuscht hatte. Ich starrte auf die Wand in meinem Zimmer. Selena und Mike hämmerten die ganze Zeit gegen meine Tür, die ich zu meinem Glück abgeschlossen hatte.
„Wir müssen es ihm sagen!“, sagte Selena heftig und rief wieder meinen Namen.
„Er wird mega wütend auf uns sein! Komm lass uns lieber gehen!“, beschwor mein kleiner Bruder unsere Schwester. Ich schleppte mich zur Tür und öffnete sie. Meine Geschwister liefen sofort ins Zimmer und setzten sich in die Sitzsäcke in der Ecke meines Zimmers. Sie erinnerten mich an das Mal, wo Lina hier gewesen war und wir uns unterhalten hatten. Sie war so voller Tatendrang gewesen und war ohnmächtig geworden. Ich hatte sie in mein Bett getragen und sie beobachtet. Sie wusste gar nicht wie schön sie war. Wie sehr sie mich verzauberte.
„Was wolltet ihr mir sagen?“, fragte ich scharf. Sie sahen sich betreten an. Das war kein gutes Zeichen.
„Wir also... ähm...“, stotterte mein Bruder.
„Wir haben in deinen Sachen geschnüffelt und Lina deine Depri-Sprüche geschickt!“, platzte es aus Selena heraus.
„Ihr habt WAS?“, schrie ich entsetzt. Das hatten sie nicht wirklich gemacht oder?
„Wir haben...“
„Ich habs verstanden! Wie habt ihr das geschafft?“ So erzählten sie mir alles. Wie sie in meinen Sachen gewühlt und die Dokumente kopiert haben. Wie sie, sie dann in die Kiste gelegt und mich damit dann zu Lina geschickt hatten. „Ich habe ihr also die ganzen Depri-Sprüche geschickt ohne davon gewusst zu haben?“, fragte ich ungläubig.
„Ja.“, sagte Mike kleinlaut.
„Oh nein! Bitte sagt, dass ihr nur ein Scherz macht!“
„Nein. Aber es hat auch eine gute Seite. Dank diesen Sachen hat sie den Mut gefunden es Emma heimzuzahlen!“ Selenas Augen blitzen schadenfroh auf. In meinem Kopf ratterte es. Ich hatte es ihnen nicht erzählt und sie hatten auch sonst keinen Kontakt mit den anderen, die dieses Geständnis mitbekommen hatten. Nur mit... LINA!
„Ihr habt Lina das Bild geschickt.“, sagte ich langsam.
„Richtig! Ich hatte schon befürchtet du würdest es niemals erkennen.“, lachte Mike.
„Wie habt ihr das geschafft?“, fragte ich.
„Das bleibt unser kleines Geheimnis.“ Selena lächelte Geheimnisvoll.
„Na gut.“ Seufzend hörte ich auf zu fragen. Es hatte ja sowieso keinen Sinn.
„Willst du dich nicht für die Party bei Shane fertig machen?“, fragte Mike.
„Was soll ich denn da?“, fragte ich mürrisch.
„Lina wieder zurück gewinnen.“ Er verdrehte die Augen. „Sie wird heute dort hingehen. Zusammen mit Christina, Timo, ihrem Cousin und noch so einem Typen... Ich glaube er hieß Emir...“
„Was? Das sagt ihr mir erst jetzt?“ Ich sprang auf und lief zum Kleiderschrank. „Ich wüsste zu gerne wo ihr die Info schon wieder her habt.“
„Das können wir dir sagen! Von Lina selber. Wir haben seit dieser Sache mit der Kiste einen engen Kontakt mit ihr. Wir schreiben und telefonieren sehr oft mit ihr und sie hält uns auf dem Laufenden.“
„Aber telefonieren war gar nicht nötig gewesen. Christina hat das auf Facebook gepostet und die andern makiert. Wir haben davor Shane angerufen und ihm gesagt, dass du auch zu der Party kommen würdest und er ja auch Lina einladen soll.“, erklärte Selena zu ende.
„Wow. Ihr seid echt schlau!“, staunte ich. „Und jetzt raus! Ich muss mich fertig machen!“ Ich drehte mich zu meinem Kleiderschrank um und fügte hinzu: „Und danke. Ich liebe euch!“
„Wir dich doch auch!“, flüsterte Selena und umarmte mich kurz von der Seite. Wie ich meine Geschwister doch liebte!

18. Kapitel



(Sicht von Lina)

Ich lief in die Küche und holte die gewünschten Sachen von Christina. Dann stürmte ich nach oben und sah, wie sie es sich am Fenster gemütlich gemacht hatte und mit Timo telefonierte. Woher ich das wusste? Sie sprach so zärtlich, sanft und verliebt. Da wusste ich, dass es Timo war und es versetzte mir einen Stich. Nicht falsch verstehen. Ich liebte Christina und Timo wie Geschwister und gönnte ihnen ihre Liebe, doch ein wenig eifersüchtig war ich schon. Als sie mich bemerkte verabschiedete sie sich von ihm und legte auf. Ich warf ihr die Schokolade zu und auch die Wasserflasche und setzte mich aufs Bett. Träge schaltete ich den Fernseher an und lehnte mich nach hinten. Mir fiel ein, dass ich ja noch türkisch für Anfänger im DVD Laufwerk hatte und startete den Film. Ich meine wir hatten zwar nur noch eine Stunde aber wir konnten ja trotzdem noch gucken. Christina und ich lachten uns zu Tode. Dann um kurz nach acht klingelten Emir und Samir. Wir machten uns noch einmal schick und ich machte den beiden die Tür auf.
„Lina! Du siehst hammermäßig geil aus!“, staunte Emir und musterte mich von oben bis unten bis Samir einen Klaps auf den Hinterkopf gab und an motzte, dass er mich nicht so anstarren sollte. Emir und Samir waren beide mit ihren Autos gekommen. Samir mit seinem Porsche und Emir mit seinem Benz. Christina setzte sich mit zu Emir ins Auto. Sie wollten noch Timo abholen und dann nachkommen. Samir und ich fuhren schon einmal vor.
„Was wirst du heute machen? Ich meine Paul wird da sein und...“ Ich ließ ihn nicht ausreden und sagte energisch: „Ich werde meinen Spaß haben!“ Ich sah ihn an. „Du kannst verschwinden wenn du kein Bock mehr hast. Ich weiß wie langweilig es sein kann der älteste zu sein und kleinen Kindern zuzugucken wie sie sich betrinken.“ Außerdem wollte ich, dass er ging, damit ich mich heimlich betrinken konnte. Irgendjemand musste Emir einfach ablenken.
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass Emir wirklich von jemanden abgelenkt wurde.
Samir sah mich entschuldigend an und meinte: „Ich muss wirklich früh gehen und deswegen wird euch Emir nach Hause fahren. Wann werden deine Eltern heute nach Hause kommen?“
„Spät. Sehr spät. Heute ist ihr Hochzeitstag und deswegen werden sie wie jedes Jahr ins Hotel gehen.“
„Achso. Kann ich mich darauf verlassen, dass du dich ordentlich benimmst?“, fragte er streng.
„Klar! Du kennst mich doch!“, log ich mühelos. Was einen in so kurzer Zeit verändern konnte. Ich hatte früher nie lügen können doch jetzt war ich Meisterin darin.
„Dann ist gut. Bitte sei um 2 SPÄTESTENS Zuhause. Ich weiß du bist jung und willst die Party genießen doch ich bitte dich. Reiß dich und Emir davon los und fahrt nach Hause.“
„Klar. Machen wir. Wann musst du denn fahren?“ Ich wollte wirklich nicht lange bleiben. Nur so lange, wie es dauerte mich zu betrinken.
„Gut. Hm. So um 10 oder vielleicht sogar noch früher. Ich muss morgen arbeiten.“
„Arbeiten? An einem Samstag?“, fragte ich ihn.
„Klar. Ich bin doch Türsteher bei diesem Club. Und Samstag ist meine Schicht.“
„Aber die ist doch erst Abends?!?“ Verwirrt sah ich ihn an.
„Ja und ich will ausschlafen und dann muss ich mit meiner Mutter und meinen Schwestern mit shoppen für nächste Woche gehen.“ Er verdrehte die Augen und seufzte. Ich wusste wie er sich fühlte. Er hasste shoppen zwar mehr als ich doch ich konnte es auch nicht wirklich ab. Nur Christina schaffte es mich immer wieder dazu zu überrede. Wir kamen an. Zum Glück, denn ich wollte Samir nicht noch weiter anlügen.

Als wir vor der Tür standen hörten wir schon die Musik und ich verzog den Mund. Ich würde so die Kopfschmerzen haben. Nicht nur wegen der Musik. Samir drückte den Klingelknopf und ich atmete tief ein. Shane machte mit einem Grinsen die Tür auf, das ein wenig verblasste als er Samir neben mir entdeckte.
„Hey Lina! Hey...“ Hilfesuchend sah er mich an.
„Shane. Das ist Samir mein Cousin. Samir, Shane.“, stellte ich die beiden vor.
„Hey Shane.“ Samir und er schüttelten sich die Hände und dann ließ er uns eintreten.
„Wo ist denn deine süße Freundin? Kommt sie heute doch nicht?“, fragte er schelmisch und ich klatschte ihm eine auf den Hinterkopf.
„Sie hat einen Freund schon vergessen?“, fragte ich ihn streng. Lachend nahm er meinen Arm und zog mich mit sich. Ich sah Samir entschuldigend an und sah wie er mir einen Missbilligenden Blick zuwarf bevor seine Aufmerksamkeit von einem hübschen Mädchen abgelenkt wurde. Verstohlen lächelte ich. Das war eine perfekte Ablenkung. Shane drückte mir ein Glas in die Hand und nahm sich selbst auch eins. Ein Getränk mit Alkohol. Perfekt.
Ich sah mich im Zimmer um und traute meinen Augen nicht. Neben einem der großen Fenster sah ich ALISSA! Sie sah gedankenverloren aus dem Fenster und schien sich gar nicht wohl zu fühlen. Langsam drehte ich mich zu Shane um, zeigte auf sie und fragte ihn: „Woher kennst du denn Alissa?“ Shane sah meinem ausgestreckten Arm nach und fing an traurig zu lächeln.
„Sie ist meine Cousine. Sie hatte eine schreckliche Vergangenheit...“
„Ich weiß! Ich kenne sie.“
„Woher denn?“, fragte er überrascht. Ich zögerte, denn ich wollte ihm nicht erzählen woher Alissa und ich uns kannten. Bevor ich antworten konnte klingelte es wieder an der Tür und Shane sah mich entschuldigend an. „Ich muss los. Wir sehen uns später!“
„Klar bis dann.“ Er wandte sich ab und machte sich auf den Weg zur Tür während ich auf Alissa zusteuerte. Die hatte sich inzwischen auf eine Couch gesetzt und sah den anderen beim tanzen zu.
„Hey. Ist kann ich mich zu dir setzten?“, fragte ich. Sie sah nicht auf als sie antwortete.
„Klar.“
„Danke. Wie geht’s dir Alissa?“ Sie riss den Kopf hoch und starrte mich an.
„Lina? Was machst du denn hier?“, kreischte sie bevor sie mir um den Hals fiel.
„Ich bin auf diese Party eingeladen worden.“, lachte ich. „Zwar wollte ich nicht hin gehen, denn dein Cousin und ich hatten einen schlechten Start doch...“ Ich lächelte bevor ich weiter sprach. „Irgendwie wusste ich, dass dies eine super Party wird und bin doch hingegangen.“
„Ich find das super!“ Sie sah hinter mich und grinste. „Aber ich werde dich wohl nicht lange behalten oder?“
„Wieso nicht?“, fragte ich verständnislos. Wieso sollte sie mich nicht lange behalten können? Emir und die anderen würden erst in einer halben Stunde kommen und Samir war mit diesen Mädchen beschäftigt.
„Weil dein Freund gerade angekommen ist.“ Ich verschluckte mich an meinem Getränk und fing an zu husten. Alissa klopfte mir besorgt auf den Rücken. „Was ist denn los? Du bist ja total entsetzt!“
„Wir sind nicht mehr zusammen.“, presste ich zwischen zwei Hustern hervor.
„Was? Wieso nicht?“
„Ich... Ich will nicht darüber reden ok?“, fragte ich. Sie nickte.

„Du siehst übrigens echt heiß aus in deinem Outfit.“, bemerkte sie nach einer Weile der Stille, die ganz angenehm war und brachte mich so zum lachen.
„Danke! Du siehst auch nicht schlecht aus!“, sagte ich nach einer Musterung. Sie trug ein rosanes Kleid, etwas längeres Kleid was perfekt zu ihren blonden Haaren passte. Ihre Haare trug sie offen und gelockt.
„Danke.“ Sie prostete mir mit ihrem Glas zu und wir beide tranken einen Schluck. „Wie läuft die Schule?“
„Alles gut. Ich hasse Mathe aber im Moment...“, grinste ich.
„Du hast Mathe schon damals gehasst! Ich musste es dir immer erklären!“
„Ja stimmt... Oh man... Mathe wird niemals mein Lieblingsfach und ich werde diese Scheiße später bestimmt nicht brauchen!“, seufzte ich.
„Oh ja. Ich hasse Schule im Moment. Sie ist einfach viel zu schwer!“
„Lass uns das Thema wechseln. Ich will meinen Freitag Abend nicht mit Schule verschwenden!“, rief ich.
„Gut. Lass uns tanzen gehen!“, rief sie begeistert und zog mich mit sich ohne, dass ich protestieren konnte.

19. Kapitel



Wir tanzten ausgelassen und irgendwann kamen auch Christina, Timo und Emir dazu. Ich merkte sofort, dass Alissa und Emir sich sofort verstanden und lächelte still in mich hinein. Sie würden perfekt zueinander passen. Irgendwann setzten sich die beiden in eine Ecke und fingen an sich lebhaft über irgendwas zu unterhalten.
„Und Lina? Wie kam es, dass du plötzlich Party machen wolltest?“, fragte Timo. Wir beide tanzten im Garten und Christina holte uns etwas zu trinken.
„Ach keine Ahnung. Ich sollte einfach mal lockerer werden und mich öfter mal auf Partys blicken lassen. So schlimm wie Emma und Tina werde ich aber auf keinen Fall!“
„Find ich gut wirklich. Und du wirst so oft eingeladen, dass du uns ja immer mitnehmen kannst!“, lachte Timo.
„Euch immer!“ In diesem Moment kam Christina mit unseren Getränken. Sie drückte mir eins in die Hand, grinste mich an und machte sich mit Timo auf den Weg ins Haus.
„Das ist ein nicht so starkes ok?“, rief sie noch bevor sie verschwanden. Ich verdrehte die Augen und kippte es mir hinunter. Ich schlenderte Richtung Gartenhäuschen wo niemand mehr war. Fast alle waren ins Haus gegangen, denn es wurde schon recht kühl draußen. Dann erschrak ich mich, weil ich von hinten angetippt wurde. Ich wirbelte herum und sah direkt in Pauls Gesicht.
„Was willst du Paul?“, fragte ich so kühl wie möglich obwohl alles in mir drinnen nach ihm schrie. Mein Inneres wollte ihn unbedingt umarmen, küssen und mit ihm reden.
„Lina. Ich möchte mit dir reden.“, sagte er drängend.
„Paul... Ich wüsste nicht...“
„Paul lass meine Cousine in Ruhe!“, schrie eine Stimme und unterbrach mich mitten im Satz. Paul drehte sich um und starre Samir an, der auf mich zu kam und sich vor mich stellte.
„Darf ich nicht mit ihr reden?“, fragte er sauer.
„Nein! Nicht mehr seit du ihr das Herz gebrochen hast!“ Aus dem Haus scholl Shane´s Stimme, die alle dazu aufforderten ins Haus zu kommen, das sie jetzt ein Spiel spielen würden. Wahrscheinlich Flaschendrehen oder so. Keiner von uns drei kümmerte sich darum.
„Samir. Hör auf. Es reicht!“, sagte ich bestimmend.
„Halt deinen Mund Lina! Du bist blind vor Liebe und kannst nicht mehr klar denken!“, sagte Samir wütend und machte einen Schritt auf Paul zu.
„Willst du jetzt mit mir kämpfen?“, fragte Paul höhnisch. „Können wir das nicht wie normale Menschen klären?... Ach. Ich vergaß du bist ja kein normaler Mensch.“ Das hätte er lieber nicht sagen sollen. Samir sprang auf ihn zu uns schlug ihm mit voller Wucht ins Gesicht. Blut spritzte und ich schrie auf. Paul aber lächelte und schlug zurück. Kurze Zeit später lagen sie auf dem Boden und prügelten sich wie verrückt.
„Hört auf!“, schrie ich panisch. „Hört sofort auf!“ Doch wie immer hörten sie nicht auf mich. Als ich mich dazwischen drängte bekam ich auch ein oder zwei Schläge ab. Mein Gesicht und mein Arm brannten vor Schmerz und ich merkte wie das Blut an meinen Wangen herunter lief. Ich rannte trotz der Schmerzen ins Haus und schrie nach Shane und Emir.
„Shane! Emir kommt sofort in den Garten!“ Emir kam als erstes zu mir. Erschrocken stieß er den Atem aus.
„Lina! Was ist passiert?“
„Das wüsste ich auch gerne! Du blutest wie Schwein süße!“, sagte Shane in diesem Moment.
„Samir und Paul. Sie kämpfen draußen im Garten! Los helft mir verdammt!“, kreischte ich. Ohne zu antworten rannten die beiden los. Ich hinterher. Als ich ankam hatten Emir und Shane Samir an den Armen gepackt und schmissen ihn ins Wasser. Ich rannte zu Paul, der auf dem Boden lag und sich nicht bewegte.
„Holt einen Krankenwagen!“, schrie ich und fing an zu schluchzten. Ich strich Paul sanft die Haare aus dem Gesicht und starrte Samir wütend an, der total nass vor mir ankam. „Bist du völlig bescheuert?!? Was sollte das?“
„Ich hab nur deine Ehre verteidigt!“, rief er.
„Und dazu musstest du ihn fast tot prügeln?“, schrie ich hysterisch. Samir zog an meinem Arm. So stark, wie er es immer tat wenn er wütend war.
„Ja. Denn er hat es verdient!“, sagte er jetzt ruhiger und zog noch doller an meinem Arm. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht. Er stank nach Alkohol und seine Augen waren rot. „Komm jetzt!“
„Lass mich los man!“ Der Typ war total verrückt geworden! So war er nie! Jetzt klatschte er mir eine. „Ja schlag mich! Das löst alle Probleme!“, sagte ich sarkastisch. Samir hob wieder den Arm und hätte mir wieder eine gelangt wenn Emir seinen Arm nicht aufgefangen hätte.
„Samir. Es reicht jetzt! Wie viel hast du getrunken?“, fragte er wütend und zog ihn mit sich.
„Lass mich los! Sie wird nicht mit diesem Typen in den Krankenwagen steigen!“, schrie Samir aufgebracht. Doch Emir zog ihn weiter.
„Ich bring ihn nach Hause und komm dann nach okay? Schreib mir wo er liegt ja?“ Er zog Samir mit sich und nickte Christina und Timo zu, die sprachlos aus dem Haus kamen. Ich nickte nur und sah wieder zu Paul. Wie er da lag.... Blutverschmiert, Augen geschlossen... So als wäre er tot! Es brach mir das Herz ihn so zu sehen. Und er sah nur wegen mir so aus. Weil ein Cousin so einen großen Beschützerinstinkt hatte. Langsam ließ ich mich neben ihn sinken und weinte.

„Lina. Komm. Du musst da weg damit die Sanitäter ihm helfen können!“, sagte Shane behutsam und zog mich hoch. Willenlos folgte ich ihm und brach dann an seiner Brust zusammen.
„Alles meine Schuld. Meine Schuld...“, flüsterte ich. Shane umschlang mich mit seinen Armen und tröstete mich.
„Lina. Es ist nicht deine Schuld. Wirklich nicht.“
„Doch. Ohne mich wäre Paul nicht zusammengeschlagen worden.“
„Es ist Pauls Schuld“, widersprach Shane mir. „Hätte er nicht mit dir Schluss gemacht, dann hätte Samir keinen Grund gehabt ihn zu schlagen.“ Tief in meinem Inneren wusste ich, dass er Recht hatte doch in der jetzigen Situation konnte ich mir das einfach nicht verzeihen. Auch Timo und Christina versuchten mit mir zu reden, doch ich hörte kaum zu. Ich hatte immer das Bild, des schwerverletzten Paul im Kopf und die Szene, die sich eben abgespielt hatte.

Als ich sah wie die Sanitäter Paul in den Krankenwagen hoben, sprang ich auf und lief zu ihnen.
„Darf ich mitfahren?“, fragte ich.
„Natürlich.“, sagte die eine Sanitäterin und half mir in den Wagen. Dann fuhren wir mit Blaulicht und Martinshorn ins nächstgelegene Krankenhaus. Die ganze Zeit bemerkte ich die mitleidigen Blicke der Sanitäterin und würde dadurch leicht gereizt. Dann kamen wir endlich an und sie schoben Paul sofort in den nächsten Operationssaal. Mich setzten sie in ein Wartezimmer. Ich schrieb Emir eine Sms so wie ich es ihm versprochen hatte. Dann bestand mir noch eine schwerere Aufgabe bevor, die ich bewältigen musste. Ich musste Pauls Familie anrufen. Mit zitternden Händen rief ich Selena an.
„Hey Lina! Alles klar bei dir? Wie ist die Party?“, rief sie übermütig ins Telefon. Ich musste schlucken. Ihre gute Laune würde gleich im Keller landen.
„Ich weiß nicht.“, flüsterte ich.
„Wieso weißt du das nicht? Bist du denn nicht da?“, fragte sie verständnislos.
„Ich war da. Doch dann...“
„Wie du warst da? Was ist los und wieso hörst du dich so traurig an?“, wollte sie wissen.
„Wir waren alle bei der Party, doch dann kam Paul.... und er und mein Cousin haben sich geprügelt. Meinetwegen...“ Ich machte eine Pause und gab Selena ungewollt die Chance wieder zu reden.
„Ja und? So wie ich meinen Bruder kenne hat er sich bedeckt gehalten und hat das nach zwei Schlägen beendet.“
„Nein. So war das nicht. Mein Cousin war so wütend, dass.... dass er Paul so lange geschlagen und getreten hat, bis... bis er sich nicht mehr bewegte.“
„WAS? Wie geht’s ihm?“, schrie sie schrill.
„Ich weiß nicht. Er wird gerade operiert.“
„WAS? WO SEID IHR JETZT?“
„Im Marienkrankenhaus. Haus 3.“
„Wir kommen sofort! Und wehe du rührst dich von der Stelle!“
„Das werde ich nicht.“, sagte ich, doch es war zwecklos. Sie hatte schon aufgelegt.

Ich schloss die Augen und weinte lautlos. Es war meine Schuld. Irgendwann kam dann auch Pauls Familie. Sie sahen alle drei besorgt aus und sahen sich suchen um. Seine Mutter fand mich als erstes. Ihre Augen waren rot und geschwollen vom weinen. Sie setzte sich wortlos neben mich und nahm mich in die Arme.
„E-es t-tut mir so l-leid!“, schniefte ich. Sie strich mir die Haare aus dem Gesicht und flüsterte: „Beruhig dich Kleine. Alles wird gut. Du wirst sehen.“ Ich sah Selena und Mike an, die mich musterten.
„Es ist alles meine Schuld.“, flüsterte ich. „Es tut mir so leid.“
„Hey. Im ernst! Das ist Pauls Schuld. Er hätte nicht mit dir Schluss machen sollen, dann wäre dein Cousin nicht ausgerastet und hätte ihn nicht verprügelt und wir wären nicht hier.“, widersprach Mike heftig.
„Stimmt. Dann säßen wir fünf jetzt in unserem Wohnzimmer und würden einen Film gucken. Und Mike und ich würden Würgereize bekommen und Witze reißen, weil ihr euch nicht beherrschen könntet.“, sagte Selena und lächelte gezwungen. Auch ich lächelte bei der Vorstellung, doch dann kehrte ich in die Gegenwart zurück als ein Arzt direkt auf uns zu kam.
„Sie müssen die Mutter von Paul sein.“, sagte er und blickte sie mitleidig an.
„Ja. Die bin ich. Was ist mit meinem Sohn los?“, fragte sie ängstlich.
„Es tut mir leid es sagen zu müssen aber...“ Mein Herz blieb stehen. Nein. Es konnte nicht so schlimm sein. Wahrscheinlich bedauert er es nur, dass Paul etwas länger im Krankenhaus liegen bleiben musste. „Ihr Sohn liegt im Koma und wird wahrscheinlich lange Zeit nicht erwachen.“ Nein. Das konnte nicht wahr sein!
„Wo liegt er?“, fragte ich den Arzt äußerlich gefasst, doch innerlich starb ich gerade.
„Folgen sie mir. Doch ich bitte sie. Lassen Sie ihn in ruhe.“ Wir nickten und folgten dem Arzt durch die Flure. Vor einem Zimmer blieb er stehen. „Hier ist es. Wenn etwas ist drücken sie einfach den roten Knopf und eine Schwester wird zu Ihnen kommen.“ Wir nickten wieder und Larissa öffnete die Tür. Ich ließ seiner Familie den Vortritt und folgte ihnen dann ins Zimmer.

Der Anblick von Paul schockte mich. Er war jetzt zwar nicht mehr blutverschmiert, war jetzt aber mit hunderten von Kabeln verbunden und Verbände zierten sein Gesicht. Kraftlos ließ ich mich an der Wand hinutergleiten und sah Selena hilflos an.
„Ich weiß wie du dich fühlst.“, flüsterte sie und setzte sich neben mich. Sie sah ihrer Mutter zu wie die sich neben Paul setzte und seine Hand nahm. Sie beugte sich vor und flüsterte ihm was ins Ohr. Etwas, dass sie selbst zum Lächeln brachte. Dann wandte sie sich zu uns um.
„Man sagt Leute, die im Koma liegen hören alles ganz genau. Deswegen rede ich mit ihm. Er soll wissen, dass wir da sind. Und darauf warten, dass er aufwacht.“
Und so vergingen die Stunden in denen Larissa, Selena und Mike mit Paul redeten. Ich beobachtete sie nur und sagte gar nichts. Hätte ich irgendwas gesagt hätte ich wieder angefangen zu weinen und das was ich ihm sagen wollte, konnte ich ihm nicht sagen, wenn seine Familie bei ihm war. Wir mussten alleine sein. Irgendwann stand Larissa auf und sagte: „Wir gehen jetzt. Lina sollen wir dich mitnehmen?“
„Nein danke. Ich bleibe noch hier. Aber danke.“ Sie nickte mitfühlend, umarmte mich und ging gefolgt von ihren Kindern aus dem Zimmer.

20. Kapitel



Ich stand von meinem Stuhl auf und ging auf das Bett von Paul zu. Vorsichtig setzte ich mich auf seine Bett und nahm seine Hand.
„Paul. Ärzte meinen, dass Personen, die im Koma liegen die Menschen in ihrer Umgebung hören können. Deswegen will ich mit dir reden. Es tut mir so wahnsinnig leid, was passiert ist. Die anderen meinen, dass es deine Schuld ist, dass du jetzt hier liegst. Verletzt, mit Kabeln am Leben erhalten... Doch du und ich wissen, dass dies nie passiert wäre, wenn ich meinen Cousin nicht auf die Party mitgenommen hätte. Bitte wach auf! Ich flehe dich an! Ohne dich ist mein Leben leer und unvollständig!“ Lange noch saß ich da neben Paul auf dem Bett und erzählte ihm wie es mir in den letzten Wochen ohne ihn ergangen war, bis ich dann schließlich einschlief.


(Sicht von Paul)

Ich wusste nicht was los mit mir war. Es war alles schwarz um mich herum. Ich hörte nichts. Wusste nicht wo ich war. Oder was ich gemacht hatte um in dieses Stadium zu kommen. Doch dann fiel mir plötzlich alles wieder ein. Ich hatte mich mit Samir geprügelt, bis ich ohnmächtig geworden war. In mir hörte ich noch Linas Gekreische und weinen. Es klang so schrecklich und mein Herz brach dabei. Ich hatte mir doch geschworen, dass sie nie wieder wegen mir weinen sollte.
Plötzlich bemerkte ich wie an mir gezogen wurde. Plötzlich konnte ich wieder sehen. Ich sah meine Mutter und meine Familie. Sie redeten mit einem Mädchen. Ich streckte mich und versuchte zu erkennen wer dieses Mädchen war und mein Herz machte einen Satz als ich meine Lina erkannte. Meine Mutter umarmte Lina und die drei gingen aus dem Zimmer. Lina sah ihnen nach und wandte sich dann langsam zu mir um. Zögerlich ging sie auf das Bett zu, wo ich lag. Meine Augen waren geschlossen und mein Körper war mit tausenden von Kabeln verbunden und in meinem Gesicht hatte ich einen riesigen Bluterguss. Aber... halt. Wieso konnte ich mich selbst sehen? Wieso war ich hier nur als Beobachter?
Plötzlich fing Lina an leise zu reden: „Paul. Ärzte meinen, dass Personen, die im Koma liegen die Menschen in ihrer Umgebung hören können. Deswegen will ich mit dir reden. Es tut mir so wahnsinnig leid, was passiert ist. Die anderen meinen, dass es deine Schuld ist, dass du jetzt hier liegst. Verletzt, mit Kabeln am Leben erhalten... Doch du und ich wissen, dass dies nie passiert wäre, wenn ich meinen Cousin nicht auf die Party mitgenommen hätte. Bitte wach auf! Ich flehe dich an! Ohne dich ist mein Leben leer und unvollständig!“
Ich wollte ihr zuschreien, dass die anderen Recht hatten und ich mich nicht wie ein Idiot hätte verhalten sollen, doch mir kam kein Ton über die Lippen. Irgendwann schlief Lina ein. Obwohl sie schlief liefen ihr Tränen über die Wangen. Ihr zuliebe wollte ich aufwachen und strengte mich an. Es klappte nicht. Würde ich jetzt für immer im Koma liegen bleiben? So lange bis meine Familie die Geräte abschalten ließ und mich sterben ließ? An so etwas wollte ich gar nicht denken! Ich schloss die Augen und versuchte es erneut. Ein helles Licht erregte meine Aufmerksamkeit und ich ging darauf zu. Ich würde es schaffen! Meiner Familie, meinen Freunden und am wichtigsten Lina zu liebe!


(Sicht von Lina)

Ich wachte auf. Blinzelnd versuchte ich mich daran zu erinnern was passiert war und wo ich bin. Dann fiel mir auf einmal alles ein und ich setzte mich mit einem Ruck auf. Wartet mal! Setzte mich auf? Ungläubig sah ich nach unten. Ich saß in einem Krankenbett und neben mir lag Paul. Verzweifelt versuchte ich mich daran zu erinnern was mich aufgeweckt hatte. Na klar! Pauls Geräte piepten wie verrückt. Panisch drückte ich den roten Knopf, der die Schwester holte.
Kurz darauf kam eine Krankenschwester ins Zimmer.
„Alles in Ordnung? Sie haben geklingelt?“, fragte sie.
„Ja. Sehen Sie mal! Seine Geräte piepen so doll. Ist das schlimm?“, fragte ich panisch. Die Krankenschwester eilte zu Pauls Bett und untersuchte die Geräte.
„Es ist gut. Sehr gut sogar! Er versucht wieder ins Leben zu kommen.“ Sie sah mich mit unergründlichen Blick an und meinte: „Er muss Sie wirklich lieben, wenn er jetzt kämpft. Er kann Sie wahrscheinlich fühlen.“ Sie lächelte mir zu und ich merkte wie sich ein schwaches Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete.
„Ich hoffe wirklich, dass er bald aufwacht!“
„Das wird er.“ Sie ging aus dem Zimmer und ich ging kurz ins angrenzende Bad um meine Morgentoilette zu erledigen. Als ich in den Spiegel sah, stöhnte ich auf. Meine Haare standen buchstäblich zu Berge und ich sah vom weinen total beschissen aus. Plötzlich hörte ich die Tür von Pauls Krankenzimmer aufgehen und rauschte aus dem Bad. Und knallte prompt gegen jemanden.
„Ich komme wie gerufen habe ich Recht?“, fragte eine Stimme. Ich wirbelte herum und blickte in das Gesicht meiner Besten Freundin, die mir einen Rucksack entgegen streckte. Ich nahm ihn entgegen, dann drehte ich mich wieder um und sah in die Augen von meinem Vater.
„Ja kommst du.“, sagte ich. „Danke.“
„Was sagen die Ärzte?“, fragte mein Vater vorsichtig.
„Er liegt im Koma.“ Die beiden atmeten erschrocken auf. „Aber er versucht aufzuwachen.“
„Versucht nicht jeder aufzuwachen?“, fragte mein Vater.
„Nein nicht jeder Dad. Manche haben nichts auf der Welt, dass sich zum aufwachen lohnt. Und wenn sich nichts zum aufwachen lohnt kann man sich fallen lassen und sich von dem Tod in Empfang nehmen.“
„Lina...“
„Es ist meine Schuld! Verdammt noch mal! Hätte ich Samir nicht mit auf die Party genommen, wäre das gar nicht passiert!“, schluchzte ich und warf mich in seine Arme.
„Lina. Beruhige dich. Ihr beide habt Fehler gemacht. Und es ist nicht nur deine Schuld. Samir hatte zu viel getrunken und konnte nicht mehr klar denken. Auch sein übergroßer Beschützerinstinkt war mit Schuld daran.“, sagte mein Vater. Seine Worte brachten mir Trost. Er war der einzige, der mir im Moment wirklich die Schuldgefühle nehmen konnte.
„Wie spät ist es eigentlich?“, fragte ich.
„Kurz nach 12 Uhr.“
„Wirklich? Ey Christina. Du hast nur noch sechs Stunden um dich fertig zu machen!“, sagte ich.
„Du meinst ich hab nur noch sechs Stunden um mich und dich fertig zu machen!“, grinste sie.
„Du bist völlig bescheuert wenn du denkst, dass ich auf den Ball gehen und mich amüsieren werde, wenn der Junge, den ich liebe im Krankenhaus ist!“, sagte ich völlig aufgebracht.
„Und was willst du dann machen?“, fragte Christina. „Du kannst doch nicht hier rum hängen und nichts machen.“
„Doch. Genau das werde ich tun. Vielleicht kann mir Emir Gesellschaft leisten, wenn er mit der Arbeit fertig ist.“, antwortete ich schnippisch. Dann drehte ich mich um und ging ins Bad. „Wartet ihr kurz? Ich zieh mich kurz um und dann gehen wir runter in die Cafeteria und essen was ja?“, fragte ich bevor ich die Tür schloss. Ich wühlte im Rucksack und holte mir eine Jeans und ein normales T-Shirt raus. Dann kämmte ich noch meine Haare und trat aus dem Bad. Mein Vater und Christina unterhielten sich gerade, doch als ich rein kam hörten sie auf. Es ging also um mich in dem Gespräch...
„Und was gabs so interessantes über mich zu reden?“, fragte ich und hielt den beiden die Tür auf.
„Woher willst du wissen, dass wir über dich geredet haben?“, fragte Christina spitz. Verwundert sah ich sie an. War sie etwa wütend, dass ich nicht mit ihr auf den Ball gehen wollte?
„Weil ihr geredet habt und als ich ins Zimmer kam sofort das Gespräch abgebrochen habt. Also?“
„Nichts wichtiges. Wir finden nur, dass du nicht im Krankenhaus bleiben solltest.“, sagte mein Vater langsam.
„Echt mal Lina. Das ist nicht gut für dich. Du wirst hier noch verrückt!“, stimme Christina meinem Vater zu.
„Ich würde ja gerne nach Hause gehen, mich für den Ball fertig machen und mich dort amüsieren... Aber... ich kann Paul nicht alleine lassen!“
„Er merkt gar nicht, dass du da bist!“, brachte Christina aufgebracht hervor.
„Christina!“, sagte mein Vater entsetzt.
„Vielleicht tut er das nicht. Doch du weißt wie es sich anfühlt jemanden zu lieben. Du würdest das Gleiche für Timo machen! Und ich würde das Gleiche für dich machen. Verstehst du mich nicht verdammt?“ Ich schrie schon fast, doch es war mir egal. Sie war meine Beste Freundin! Sie musste es einfach verstehen!
„Lina. Ich verstehe dich, doch wir wollen doch nur das Beste für dich!“, sagte sie ohne auf meine Worte einzugehen.
„Das Beste für mich!“, höhnte ich. „Wenn ich Zuhause wäre, oder auf der Party, würde es mir nicht besser gehen. Ich würde herum sitzen und nichts tun. Ich würde DORT verrückt werden. Nicht hier!“
„Christina. Lass gut sein. Wenn sie meint, dass es das Beste für sie wäre hier zu bleiben, dann kann sie hier bleiben.“, sagte mein Vater warnend und schnitt Christina das Wort ab.
„Danke Dad.“ Er nickte und wir setzten unseren Weg in die Cafeteria fort. Dort holten wir uns an der Essensausgabe etwas zu essen und dann setzten wir uns an einen Tisch, der etwas abseits stand. Wir aßen schweigend bis ich die Stille nicht mehr aushielt und sie durchbrach.
„Und was ziehst du heute zum Ball an?“, fragte ich Christina.
„Das weißt du doch!“, sagte sie überrascht.
„Weiß ich das?“, fragte ich etwas dümmlich bevor es mir wieder einfiel. Wir hatten das Kleid ja selbst ausgesucht! „Ach ja! Das ein lila, eng anliegendes Kleid! Das sah echt heiß aus. Und du wirst nicht nur Timo damit zum Sabbern bringen!“ Sie würde rot und warf mir so einen Nicht-vor-deinem-Vater-Blick zu. Ich verkniff mir ein Lachen, konnte aber ein Lächeln nicht unterdrücken.

21. Kapitel



Auf einmal kam Bewegung in meinen Vater. Er sprang auf und winkte einer Person zu. Desinteressiert wen von seinen und Mamas Freunden er getroffen hatte biss ich von meiner Pizza ab und zerpflückte meiner Serviette. Ich fuhr wütend zu Christina herum als diese mich andauernd mit dem Ellenbogen anschubste.
„WAS?“, fragte ich gereizt.
„Wow. Da ist ja jemand schlecht gelaunt!“, sagte eine männliche Stimme. Ich fuhr blitzschnell herum und starrte den Jungen an, der gerade an unseren Tisch trat.
„Hey Emir.“, begrüßte Christina den Jungen. Ich sagte nichts. Ich konnte nicht. Also nickte ich ihm nur zu und wandte mich wieder an Christina.
„Ich will, dass du jetzt nach Hause gehst und dich für den Ball fertig machst! Timo soll umkippen vor Staunen!“, befahl ich ihr. Sie lachte und schubste mich an.
„Hallo? Ich werde nie so gut aussehen wie du in deinem Kleid ausgesehen hättest wenn du hingegangen wärst!“
„Danke für das Kompliment. Vielleicht trage ich es ja mal wenn wir zusammen feiern gehen.“ Sie umarmte mich und ging.
Emir und ich redeten nicht. Er hielt nur meine Hand und dafür war ich dankbar. Ich wollte kein Mitleid oder mit irgendjemanden reden.

Als mein Vater kam, wirkte er sehr hektisch.
„Schatz ich muss gehen, denn ich habe gleich einen Termin. Willst du nicht doch nach Hause kommen?“, fragte er.
„Nein. Aber wenn ich es mir anders überlege kann Emir mich bestimmt nach Hause fahren.“, sagte ich.
„Okay. Bis dann Schatz. Und mach dich bitte nicht fertig ja? Es ist nicht deine Schuld!“, beschwor er mich. Ich nickte nur und er gab mir einen Kuss auf die Stirn bevor er verschwand. Lustlos schob ich meinen Teller hin und her. Ich hatte zwar nur eine kleine Ecke gegessen, war aber trotzdem satt.
„Willst du?“, fragte ich Emir, der mich kritisch beäugte.
„Klar!“, sagte er und fing an zu essen. Nachdem er fertig war, stand ich auf. „Du willst wieder zu ihm oder?“
„Klar. Was denkst du denn?“, fragte ich schnippisch. Er streckte die Hände nach vorne aus. Eine typische entschuldigende Geste.
„Okay. Okay. Dumme Frage. Lass uns gehen.“ Wir gingen durch die sterilen Gänge des Krankenhauses und redeten nicht auf dem Weg zu Pauls Zimmer. Dort klopfte ich an und ging rein. Niemand war dort. Mein Handy , was ich im Zimmer gelassen hatte, zeigte eine neue SMS an. Von Larissa.
„Hey Süße. Hab gehört du schläfst sogar im Krankenhaus. Total süß von dir und Paul würde das Gleiche machen, aber mach dich nicht fertig! Wir können ihn heute nicht besuchen kommen. Gib ihm einen Kuss von uns okay? Bis dann.“ Leicht lächelte ich.
„Und? Was wollen wir machen solange wir hier sind?“, fragte Emir und lümmelte sich auf den Stuhl im Zimmer, während ich mich auf die Fensterbank setzte.
„Wir reden über dich und Alissa.“, grinste ich. Und wie ich es mir gedacht hatte wurde er rot im Gesicht und wandte sich ab.
„Was soll da sein?“, fragte er.
„Ach kooomm schon! Ich hab euch gestern beobachtet. Ihr habt euch doch super unterhalten!“
„Ja haben wir. Und?“, fragte er.
„Du findest sie süß oder?“, fragte ich und grinste ihn an.
„Ja. Schon aber... Sie ist so...“
„Unnahbar? Vorsichtig? Schüchtern?“, fragte ich.
„Ja. Alles drei. Woher kennt ihr euch eigentlich?“ Langsam wandte ich meinen Blick ab und sah aus dem Fenster. Die Sonne stand hoch am Himmel und tauchte die Umgebung in strahlendes Licht.
„Wir haben uns bei dem Psychiater kennengelernt.“, wisperte ich.
„Wie bitte?“, wollte er wissen und setzte sich auf. „Was bringt euch beide zu einem Psychiater?!?“
„Schlimme Erfahrungen...“, flüsterte ich und sah ihn an. „Soll ich es dir erzählen oder willst du das lieber nicht wissen?“
„Doch. Erzähl es mir.“ Also erzählte ich ihm von meiner Begegnung mit dem Mann im Wald. „Das war es also was Samir vor zwei Jahren so wütend und frustriert gemacht hatte!“, stellte er fest. „Er hatte dich als Schlampe...“
„Ich weiß. Das hat die ganze Familie.“ Er machte ein mitleidiges Gesicht. „Hör auf! Ich komm schon damit klar!“ Sofort verschloss sich sein Gesicht zu einer undurchdringlichen Killermaske.
„Besser?“, fragte er bedrohlich.
„Nein. Du machst mir Angst!“ Sofort wurde seine Maske weicher.
„Und was ist mit Alissa? Wieso war sie beim Psychiater?“
„Ihr Vater... hat sie geschlagen und vergewaltigt. Ganze zwei Jahre lang.“, erzählte ich.
„WAS?“, rief er. Ich nickte einfach. „Das... das muss bestimmt der Horror für sie gewesen sein.“
„Das war es. Zum Glück ist das Schwein jetzt im Knast!“
„Okay. Themawechsel. Sonst muss ich hier irgendetwas zerstören.“
„Ich wusste, dass du auf sie stehst! Sonst würdest du kein Drame daraus machen, sondern einfach nur schockiert sein!“, rief ich triumphierend.
„Ich muss ihr leider Recht geben Kumpel.“, sagte eine leise Stimme vom Bett aus. Schnell wirbelte ich herum.
„Paul!“, schrie ich. Er ist aufgewacht. Mir stiegen Tränen in die Augen, die mir langsam und unaufhaltsam über die Wangen liefen.
„Hey nicht weinen.“ Er lächelte und versuchte sich aufzurichten. Sofort war ich bei ihm und half ihm vorsichtig sich aufzurichten und schob ihm das Kissen hinter seinem Rücken zurecht. Er streckte die Hand aus und wischte meine Tränen weg. Das brachte nicht viel, denn sie liefen immer weiter. „Wo ist denn dein Kumpel?“
„Ist mir egal. Hauptsache du bist aufgewacht.“, schluchzte ich, nahm seine Hand und küsste ihn auf den Handrücken. „Das muss ein Traum sein.“
„Ich denke nicht, dass es ein Traum ist. Sonst wären wir nicht in einem Krankenhaus.“, flüsterte Paul und brachte mich damit zum lächeln.
„Es tut mir so leid!“, sagten wir beide gleichzeitig, was uns beide zum lachen brachte, auch wenn Paul nach kurzer Zeit das Gesicht verzog.
„Hast du Schmerzen?“, fragte ich sofort. Er schüttelte den Kopf, doch seine schmerzverzerrte Miene verriet ihn. Ich schüttelte den Kopf. „Du sollst mich doch nicht anlügen!“, tadelte ich ihn und er lächelte zerknirscht und nahm meine Hände in seine.

22. Kapitel


„Ah gut Sie sind aufgewacht!“, sagte plötzlich eine männliche Stimme von der Tür her. Ein Arzt in weißem Kittel stand dort am Türrahmen und beobachtete uns. Beschämt wischte ich mir meine Tränen weg und stand auf.
„Sie wollen bestimmt Paul untersuchen. Ich geh dann mal lieber.“ Langsam wandte ich mich um, doch Paul hielt mich an der Hand fest und ließ mich nicht los. Er hatte eine erstaunliche Kraft für einen Jungen, der gerade aus dem Koma erwacht war.
„Geh nicht!“, flehte er. Lächelnd schüttelte ich den Kopf und löste mich aus seinem Griff.
„Ich bin sofort wieder da wenn der Arzt sich um dich gekümmert hat. Außerdem muss ich noch deine Familie informieren. Die muss doch auch wissen, dass du aufgewacht bist.“ Widerstrebend nickte er und ich verließ den Raum. Mit schnellen Schritten lief ich aus dem Krankenhaus und wählte draußen vor dem Krankenhaus die Nummer von Larissa.
„Hallo Lina.“, meldete sich die Mutter von Paul müde am Telefon.
„Guten Abend Larissa.“, rief ich fröhlich.
„Was ist passiert, dass du so glücklich bist?“, wollte sie verwirrt wissen.
„PAUL IST AUFGEWACHT!“, schrie ich. Am liebsten würde ich die ganze Welt umarmen und mein Glück hinausschreien.
„Wirklich?“, fragte sie nach.
„Höre ich mich so an, als wäre das nicht ernst gemeint?“
„Nein. Aber ich kann es nicht fassen.“ Sie machte eine Pause. „Gestern noch meinte der behandelnde Arzt, dass sein Zustand sich in den nächsten Tagen verbessern würde, er aber nicht weiß ob Paul noch diese Woche aufwachen würde und jetzt ist er wach.“
„Auf jeden Fall hat er einen festen Griff. Und ich würde mich nicht wundern, wenn er den Arzt bequatschen würde wann er endlich raus kommen könnte.“ Larissa lachte und meinte: „Sorry Süße aber ich muss auflegen. Wir kommen nachher vorbei ja?“
„Alles klar! Ich denke Paul wird sich freuen, denn ich hau gleich ab.“
„Was wieso?“, fragte sie erschrocken.
„Er ist aufgewacht. Ich werde mich noch bei ihm entschuldigen und dann verschwinden.“
„Lina...“, fing Larissa an, doch ich unterbrach sie.
„Ich hab noch nicht vergessen was er getan hat. Weißt du... Ich liebe ihn noch immer, aber... wenn er mir nicht vertraut dann kann ich nicht wieder eine Beziehung mit ihm anfangen.“
„Aber er vertraut dir doch!“ Er...“ Wieder unterbrach ich sie, denn ich wollte wirklich nicht, dass sie ihren Sohn jetzt verteidigte.
„Lass gut sein. Ich muss auflegen.“ Und schon hatte ich aufgelegt.


„Wow. Das war hart.“, sagte Alissa plötzlich hinter mir. Ich wirbelte verwirrt herum.
„Was machst du denn hier?“, quietschte ich ohne auf ihren letzten Satz einzugehen und fiel ihr um den Hals.
„Emir hat mich angerufen.“, antwortete ich. Sie löste sich von mir und ich sah ihr aufmerksam ins Gesicht. Sie wurde rot. Wie süß!
„Du hast also seine Nummer?“, hakte ich nach und sie nickte. „Oh, oh. Was läuft da zwischen euch?“
„Nichts! Wirklich! Emir...“
„Hat da jemand meinen Namen gesagt? Was redet ihr einfach so über mich hinter meinem Rücken?“ fragte Emir plötzlich. Alissa und ich sahen uns grinsend an.
„Nichts was dich angeht!“, sagte Alissa und lachte.
„Oha! Das werde ich mir merken!“, sagte Emir und wandte sich an mich. „On Čeka na tebe. (Er wartet auf dich) Dieser Junge ist wirklich ungeduldig.“
„Er liebt sie! War aber klar, dass du das nicht merkst.“, maulte Alissa. Ich musste lachen und schlug ihm auf die Schulter.
„Wenn ihr mich bitte entschuldigen würdet. Emir? Könntest du mich nachher nach Hause fahren?“
„Klar. Wie lange hattest du denn vor zu bleiben?“, fragte er.
„Nicht lange.“ Ich wandte mich an Alissa. „Du kannst gerne zu mir kommen wenn du willst. Wir könnten uns zu dritt einen schönen Abend machen. Wenn Emir nicht arbeiten muss oder sich mit seinen anderen Freunden trifft.“
„Eigentlich hatte ich das vor aber zu so einem Angebot kann man nicht nein sagen.“
„Okay. Ich ruf an wenn ich fertig bin.“ Er nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte und zusammen mit Alissa machte er sich auf den Weg in Richtung Park.
Währenddessen machte ich mich mit einem Seufzen auf den Weg zu Pauls Zimmer. Ich hoffte wirklich, dass ich stark bleiben konnte und einfach gehen könnte. Im Geiste ging ich immer wieder durch was ich ihm sagen könnte. Was meine Entschuldigung war oder wie ich meine Anwesenheit im Krankenhaus erklären sollte. Doch mir fiel einfach nichts ein. Ich meine ich konnte schlecht sagen: „Hey Paul. Es tut mir leid, dass Samir dich ins Koma geschlagen hat! Und was ich gerade hier mache... Hm... Ich hatte ein schlechtes Gewissen und bin deswegen bei dir an einem Samstag.“ Ganz schlecht...
Jetzt stand ich vor der Tür. Gerade kam eine Krankenschwester aus dem Zimmer. In der Hand hatte sie einen leeren Krug mit Wasser. 'Ganz ruhig Lina. Du schaffst das!', machte ich mir selbst Mut. 'Und du wirst den Mut und die Entschlossenheit finden aus diesem Zimmer zu gehen ohne zu weinen und ohne zu zögern!' Entschlossen klopfte ich an die Tür. Nun jetzt ging es los...

23. Kapitel


„Herein!“, sagte Paul mit leiser aber festen Stimme. Zögernd öffnete ich die Tür und trat ein. 'Ich schaffe das! Ich schaffe das!', redete ich mir immer und immer wieder ein.
Paul fing an zu strahlen als er mich an der Tür stehen sah.
„Komm doch näher und setz dich.“ Leise setzte ich mich auf den Stuhl neben dem Bett.
„Paul. Es tut mir so leid...“
„Weißt du wie ich hier her gekommen bin?“, unterbrach er mich. Ich stutze. Er wusste wirklich nicht mehr...
„Du weißt nicht mehr wieso du hier bist?“, fragte ich unsicher nach. Er schüttelte bedauernd den Kopf. Einen kurzen Moment dachte ich daran ihn anzulügen. Wenn er es raus finden würde, dass ich ihn anlog, würde er wütend sein und mich vergessen. Mir würde es leichter fallen ihn zu vergessen. Und doch konnte ich ihn nicht gehen lassen.
„Du...“
Wir beide zuckten zusammen, als die Tür aufgeschmissen wurde und gegen die Wand knallte. Wir wandten gleichzeitig den Kopf zur Tür und ich erstarrte. Dort in der Tür stand Emma.
„Paul mein Schatz! Ich hab gehört was passiert ist! Ist allen in Ordnung mit dir?“ Ich war aufgestanden und stand nun neben dem Bett von Paul. Emma kam näher und schubste mich achtlos zur Seite, sodass ich stolperte und gegen den Tisch knallte.
„Hallo? Schon mal was von Klopfen gehört, Bitch?“, fragte ich bissig. Sie ignorierte mich und beugte sich über Paul um ihn auf den Mund zu küssen. Oh. Hatten die beiden sich wieder angenähert und ich hatte es nicht mitbekommen?
„Was machst du das eigentlich?“, fauchte Paul und hob seinen Arm um sie zurück zu schubsen. Oder besser gesagt er versuchte es. Er war in so einem geschwächten Zustand, dass er es kaum schaffte den Arm zu heben. Ganz zu schweigen Emma von sich zu schieben.
„Wie was mache ich Baby?“, flötete sie zuckersüß. „Gestern wolltest du doch genau das!“ Das war wie ein Stich in die Magengrube. Nein noch schlimmer. Als hätten Männer mit einem Messer auf mich eingestochen, mich vergewaltigt und mich dann erfrieren lassen.
„Ich wollte was? Da muss ich aber sehr betrunken gewesen sein!“, rief er erbost und warf mir einen entschuldigenden Blick zu, doch ich wich seinem Blick aus. Sie wich zurück.
„Oh. Du stehst immer noch auf sie. Weißt du überhaupt noch was ihr Cousin mit dir gemacht hat?“ Er sah verwirrt aus. Oh, oh. Schlechter Zeitpunkt auf so etwas zu sprechen zu kommen.
„Was hat er denn bitte mit mir gemacht?“, hakte er nach.
„ER hat dich in diesen Zustand befördert!“, antwortete Emma bereitwillig. Am liebsten würde ich ihr meine Faust in die mit Schminke verkleisterte Fresse schleudern. Geschockt sah er mich an.
„Das ist doch jetzt nicht wahr oder?“, wollte er wissen.

Bekümmert senkte ich den Kopf und starrte meine Chucks an. Sie waren schon ein bisschen kaputt und dreckig. Ich beschloss mir mal neue zu kaufen.
„Ich denke mal ich lass euch mal allein!“, trällerte die Schlampe. „Du kannst mich jederzeit anrufen Babe!“ Sie verließ das Zimmer und ließ uns beide in dieser scheiß Situation zurück.
„Paul...“
„Warte. Lass mich das kurz verstehen.“ Er holte tief Luft. „Dein Cousin – ich nehme an es war Samir - es was doch Samir oder?“ Ich nickte bloß, ohne ihm ins Gesicht zu blicken. Ich hatte Angst seine wütende, verletzte - oder was auch immer – Miene zu sehen. „Okay. Er hat mich ins Koma geprügelt, du bis mitgekommen und bist jetzt hier... Wieso?“
„Paul... Er hat dich verprügelt, weil... weil du mir wirklich das Herz gebrochen hast. Er hatte dich als einen Typen eingeschätzt, der mich nicht so schnell enttäuschen wird... und.... Dann wurde er wütend, weil du ihn herausgefordert hast... Dass er so austicken würde hab ich nicht gewusst und ich hab ihn ja versucht aufzuhalten...“ Ich berührte meine Wange und Schläfe, während ich versuchte mich zu beruhigen. Wie so oft hatte ich mich total in Rage geredet.
„Lina. Komm her. Und sieh mich an.“ Zögerlich hob ich den Kopf und blickte ihn schüchtern an.
Er lächelte! Wieso lächelte er denn jetzt?!? Ich ging auf ihn zu und setzte mich vorsichtig um ihm nicht weh zu tun auf die Bettkante. „Ich verzeihe ihm! Er hatte ja ein Recht dazu... Ich hab wohl wirklich Mist gebaut, als ich dich verließ, als das Video auf Facebook gepostet wurde.“ leicht verzogen sich meine Mundwinkel nach oben.
„Du hast Mist gebaut. Das stimmt.“ Er nahm mit einer Hand meine Hand in seine. Mit der anderen streichelte er sanft über meine verletzte Wange.
„Es tut mir so leid Lina. Wirklich! Ich weiß gar nicht wieso ich dem Video geglaubt habe. Es hat sich so echt angehört... Und ich hatte noch nie wirklich verstanden wieso du dich ausgerechnet in mich verliebt hattest. Denn ich war doch nur ein ganz normaler Junge. Sogar war ich früher, bevor ich wegzog doch ein ziemlicher Macho.“
„Du warst ein Macho Paul. Du hattest dich um die Gefühle der Mädchen wirklich nicht gekümmert. Und vielleicht war es dieses verwegene und machohafte was mich dazu brachte mich in dich zu verlieben. Gute Mädchen stehen doch meist auf die Bad Boys. Das kannst du doch in fast allen Büchern und Filmen sehen...“ Er lächelte.
„Stimmt. Doch, dass es mal in echt passieren würde, hätte ich nicht gedacht. Dass, das Mädchen, das ich liebe auf mich stehen konnte und das obwohl ich ein ziemliches Arschloch zu ihr war... Kannst du mir verzeihen? Ich meine alles.“
„Paul... Ich brauche Zeit. Ich kann dir nicht einfach so verzeihen. Nicht nach allem was passiert ist.“, antwortete ich traurig.
„Das kann ich verstehen.... Ich... Ich liebe dich Lina.“
„Und ich liebe dich Paul.“ Langsam beugte ich mich nach vorne. Unsere Gesichter waren nur ein paar Millimeter voneinander entfernt. Ich konnte seinen warmen Atem auf meinem Gesicht spüren. Sanft legte ich meine Lippen auf seine und hauchte ihm einen Kuss darauf. „Für immer und ewig.“, flüsterte ich an seine Lippen. Ich hatte leise gesprochen, doch da ich ihm so nah war, hatte er es gehört. Sanft gab ich ihm noch einen Kuss und stand dann auf.
„Wo willst du hin?“, wollte er wissen.
„Nach Hause. Alissa und Emir kommen auch.“ Seine Miene wurde verschlossen.
„Emir?“, fragte er. Seine Eifersucht erfreute mich.
„Er und Alissa mögen sich wohl sehr gerne.“, deutete ich an und sagte somit indirekt genau das was er hören wollte.
„Ach wirklich?“ Er zog eine Augenbraue nach oben. Oh man, ich wünschte ich könnte das auch!
„Auf jeden! Wie der ausgetickt ist!“
„Ach ja. Hab ich irgendwie vergessen“ Er sah mich grinsend an. „Ist aber kein Wunder, wenn du bei mir bist! Da passiert mit das ständig!“ Verlegen blickte ich auf meine Tasche.
„Ich geh dann mal.“, verabschiedete ich mich und ging auf die Tür zu. Doch dort drehte ich mich noch zu ihm um und meinte fröhlich grinsend: „Deine Depri-Sprüche sind wirklich schön aber nichts im Vergleich zu meinen!“ Dann rauschte ich aus dem Raum. Auf dem Weg nach draußen wählte ich schon mal Emirs Nummer.


(Sicht von Emir)

Als wir uns von Lina getrennt hatten, machten wir uns auf den Weg zum Park. Alissa hatte sich bei mir eingehakt und wir unterhielten uns angeregt über unsere Lieblingsmusik.
„Was findest du am Klassischen nur so toll?“, fragte ich.
„Es ist wirklich wunderschön. Man kann sich ins Gras legen, die Augen schließen und träumen.“ Sie seufzte und sah mich mit einem entrückten Blick an. Sie schien in einer ganz anderen Welt zu sein. Einer Welt, die viel besser war als die, die in der sie lebte.
„Dann zeig mir das mal!“, forderte ich sie belustigt auf. Sofort sah sie mich grinsend an und zog mich nach unten auf das saftige Gras des Parks. Sie legte sich neben mich und holte ihren iPod aus der Tasche. Dann stöpselte sie mir einen Kopfhörer ins Ohr, was sie aber nicht besonders gut hinbekam. Als sie es immer noch nicht hin bekam, nahm ich ihn ihr einfach aus der Hand und stöpselte ihn mir selbst ins Ohr. Alissa suchte kurz in ihrer Musik, doch dann wurde sie fündig.
„Schließe deine Augen!“, befahl sie mir und ich gehorchte. Normalerweise würde ich nicht so schnell klein bei geben, doch dieses Mädchen machte mich ganz verrückt. Plötzlich klang eine wunderbare, liebliche Musik in mein Ohr. „Jetzt stell dir irgendetwas schönes vor. Lass deine Gedanken kreisen.“ Ich denke ihr war gar nicht bewusst, dass ihre Stimme verträumt klang. Wie von selbst ließ ich meine Gedanken kreisen und achtete auf meine Umgebung und die liebliche Musik, die aus dem Kopfhörer kam.
„Das ist wirklich ein schönes Lied. Wie heißt es?“, fragte ich leise.
„Es hat kein Lied. Lina spielt es immer für mich wenn ich da bin.“ ( Das Lied meine ich... http://www.youtube.com/watch?v=3dM2qCCg6GE es inspiriert mich immer beim schreiben)
„Dann sollte sie uns das mal vorspielen, wenn wir heute bei ihr sind.“, seufzte ich.
„Du magst die Musik also doch!“, rief sie auf und sah mich lachend an. „Ich wusste, dass hinter deiner harten Männerschale noch ein weicher Kern ist!“ Und sofort wurde sie rot und sah in den Himmel.
„Du hast also an mich gedacht hm?“, fragte ich sie grinsend.
„Ja. Vielleicht ein mal als ich mich mit Lina über dich unterhalten habe.“ Sie wurde noch röter, was mich ungemein glücklich machte.
„Was habt ihr denn so über mich geredet?“, wollte ich neugierig wissen.
„Ist doch egal. Hören wir mal lieber weiter Musik.“ Und sie sah mich an. Wie wir da so lagen. Wie bei Twillight in diesem Feld wo dieser Penner Edward und dieses Mädchen da im Gras lagen. (Nichts falsches von mir denken! Meine Schwester hatte mich mit der Hilfe meiner Mutter gezwungen dieses Film zu gucken!) Wir lagen also nur da und lauschten der Musik.

Dann riss uns das Klingeln meines Handys aus unseren Gedanken.
„Gowno!“, fluchte ich. (Scheiße) Schnell nahm ich mein Handy aus der Tasche und ging ran ohne auf den Namen zu achten. Ich war sauer! Wer auch immer störte würde gleich ganz schön angemotzt werden!


(Sicht von Lina)

„Budi pròklēt! (Sei verdammt!)“, fauchte mich ein ziemlich wütender Emir ins Telefon.
„Was denn mit dir los?“, fragte ich verwirrt. Er klang so als hätte ich ihn bei etwas ziemlich schönen... Oh. „Okay. Schon gut. Bleib einfach bei Alissa und kommt dann später vorbei. Ich muss sowieso noch einkaufen gehen.“
„Lina! Oh. Ich dachte... Warte! Du willst jetzt alleine gehen? Bist du völlig bescheuert? Samir wird mich umbringen wenn er das erfährt!“ Ich verdrehte die Augen und fauchte wütend: „Es ist mir scheiß egal was Samir denkt oder was er tut!“
„Ach ja?“, ertönte plötzlich eine Stimme hinter mir. Erschrocken fuhr ich herum, das Handy immer noch am Ohr, und starrte direkt in die braunen Augen von...
„Oh. Oh.“, kam es aus mir heraus. Das würde Ärger geben. Gewaltigen Ärger.
„Lina? Lina? Was ist los?“, kam es panisch aus dem Handy.
„Wir sehen uns später. Seid so um...“ Ich sah auf die Uhr. Es war jetzt 18 Uhr. „So um halb acht bei mir.“
„Lina! Wenn du jetzt auflegst!“, sagte Emir wütend, doch es brachte nichts, denn ich hatte schon aufgelegt.
„Was willst du Samir?“, fragte ich kühl.
„Was willst du Samir?“, äffte er mich nach. „Was wohl? Ich will dich vor deinen Dummheiten beschützen!“
„Was für Dummheiten bitte?“, fragte ich ihn wütend. „Ich bin kein kleines Kind mehr!“
„Ach nein? Und doch bist du so blöd und läufst diesem Jungen hinterher!“
„Ich laufe ihm nicht hinterher! Ich bin hier, weil ich mich echt schuldig fühle wegen der Sache, die du getan hast!“
„Die ich getan hab? Er hat mich provoziert! Und ich hab dich verteidigt! Bist du eigentlich blind, sodass du nicht siehst, wenn dich jemand beschützen will?“
„Das war kein Beschützen Samir! Das war pure Dummheit!“ Klatsch. Mein Kopf flog zur Seite. Schon wieder. Na super. Wurde das jetzt zur Gewohnheit mich schlagen zu lassen?
„Was wagst du es so mit mir zu reden! Ich bin der Ältere! Du hast gefälligst Resprkt mir gegenüber zu haben!“
„Respekt? Dir gegenüber?“ Ich lachte freudlos auf. „Paul war wegen dir im Koma! Er hätte nie wieder erwachen können! Bist du dir eigentlich DARÜBER im Klaren?“
„Ich... i-ch hatte nicht gedacht, d-dass es s-so schlimm war...“, stotterte er.
„Er hat sich nicht mehr bewegt verdammt! Und trotzdem hast du weiter auf ihn eingeschlagen! Und hättest sogar noch weiter gemacht wenn Emir dich nicht weggezogen hätte!“ Immer noch stand er vor mir doch jetzt hingen seine Schultern herab und er sah geknickt aus.
„Es tut mir leid.“
„Nicht ich bin es bei der du dich entschuldigen solltest!“ Obwohl... „Obwohl dein Schlag ins Gesicht echt hart war. Da kann man sehen wie gut du das Boxen beherrscht. Und wie wenig du neuerdings auf deine Umgebung achtest!“ Wütend drehte ich mich um und stiefelte auf die Bushaltestelle zu.

24. Kapitel


-Freundschaft ist selten. Wahre Freundschaft ist ein Wunder-

„Bist du völlig bescheuert Lina?“, rief Emir in diesem Moment. Er fuhr mit dem Auto an die Bordsteinkante und steig aus. (Zum Glück durfte man dort parken. Ich hatte kein Bock, dass er wegen mir einen Strafzettel bekam!) „Mich einfach so wegdrücken? Es ist dunkel! Es hätte sonst was passieren können! Weißt du eigentlich was für Verrückte hier rum laufen? So ein hübsches Mädchen wie du wäre ein perfektes Opfer für solche Leute“
„Emir...“ Ich nickte mit dem Kopf in Richtung Samir. Verwirrt blickte er auf die Stelle und dann wurde seine Miene wütend und doch verständnisvoll.
„Samir mein Bruder. Was machst du denn hier?“
„Ich wollte meine Cousine sehen.“
„Ich will dich aber nicht sehen! Nicht solange du dich nicht aufrichtig bei Paul entschuldigt hast! Und mir zutraust alleine mit der Situation fertig zu werden! Und du wieder bei klarem Kopf bist!“
„Ich... denke, dass du gut mit der Situation zurecht kommst. Und ich hab einen klaren Kopf! So klar man ihn haben kann!“
„Das denke ich auch! Verdammt! Ich war eben bei ihm und wir werden uns so gut wie möglich benehmen. Doch wir werden Freunde bleiben!“, fauchte ich ihn an und mir stiegen Tränen in die Augen, die ich aber wütend weg wischte. „Bist du jetzt glücklich?“ mit schnellen Schritten lief ich zu Emirs Auto und stieg ein.

Alissa saß auf dem Beifahrersitz, doch sie drehte sich sofort um als ich ins Auto stieg. Sie sah mich genau an und wusste sofort, dass ich geweint hatte. Sie war schon früher so aufmerksam gewesen und versucht immer anderen Menschen zu helfen. Unwirsch wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht.
„Ich weiß auf jeden Fall was wir bei dir machen werden. Schokolade essen und ein richtig schönen Horrorfilm gucken!“, bestimmte sie.
„Horrorfilm? Muss das sein?“, antwortete ich mürrisch. „Ich find die einfach nur unnötig und niveaulos.“
„Wir können auch eine Komödie oder einen Liebesfilm gucken wenn du willst.“
„Nein. Wir gucken auf keinen Fall so etwas! Wir gucken Herr der Ringe! Schön ein bisschen Fantasy und Gewalt!“
„Oh maaaan! Lina!“, stöhnte sie. „Ehrlich jetzt?“ Ich nickte. Das war mein voller ernst. Draußen sah ich Emir und Samir diskutieren. Emir holte ein Handy aus der Tasche und telefonierte kurz. Er verabschiedete sich von Samir. Dann kam Emir auf das Auto zu und stieg ein. Seine Miene war verschlossen und ich konnte nichts aus seinem Gesicht ablesen. Weder seine Gefühle, noch seine Gedanken.
„Samir wird gleich von einem deiner Cousins abgeholt. Ich denke wir sollten abhauen solange wir noch können. Die wären nicht so gut drauf, wenn sie dich zu Gesicht bekommen würden.“, erzählte er monoton.
„Emir?“, fragte ich zögerlich. „Was habt ihr beide da draußen besprochen?“
„Geht dich nichts an!“, fauchte er und drückte noch doller auf das Gaspedal. Alissa und ich zuckten zusammen.
„Emir? Alles okay bei dir?“, fragte Alissa.
„Höre ich mich so an als wäre alles in Ordnung?“, fragte er sarkastisch. Eine rhetorische Frage, die ich eigentlich nicht beantworten musste und doch tat ich es: „Nein tust du nicht. Und was auch immer ihr da besprochen habt. Es tut mir leid.“ Er schien so viel älter als seine 19 Jahre. Und er tat mir leid. Er stand zwischen zwei Fronten.
„Willst du es uns nicht doch sagen? Und bitte Emir. Fahr langsamer.“, fragte Alissa. Er seufze ergeben und nahm den Fuß vom Gaspedal.
„Ihr werdet sowieso keine Ruhe geben also... Samir will nicht mehr, dass ich noch Kontakt mit dir oder deinen Freunden habe Lina.“
„Was? Wieso?“
„Weil er total eifersüchtig ist kleine. Und solange er sich nicht beruhigt...“
„Er hat kein Recht dazu dir zu verbieten mit wem du abhängen darfst oder nicht! Bei MIR würde ich das zwar verstehen aber...“
„Ich werde mich auch nicht daran halten aber... jetzt hab ich wohl meinen Freund verloren. Lina... Ich wollte es dir nicht sagen aber... Dein Cousin ist nicht nur so, weil er deine Ehre rächen will, sondern auch, weil... Er nimmt Drogen!“
„Er macht WAS? Und das sagst du mir erst JETZT?“, schrie ich.
„Ich wollte es dir sagen aber...“
„Emir. Bist du eigentlich völlig bescheuert mir das nicht zu sagen?“, fragte ich beherrscht.
„Wirklich Lina. Ich wollte dich da nicht rein ziehen, weil du ja genug Probleme hast...“
„Seit wann?“ Ich brauchte nicht weiter zu fragen. Er wusste was ich meinte.
„Kurz nachdem wir uns zum ersten Mal getroffen haben. Davor hatte er auch manchmal... du weißt schon... aber jetzt? Er nimmt es regelmäßig.“
„Mit. Er nimmt es jetzt regelmäßig meinst du doch bestimmt, dass er abhängig ist oder?“ Er nickte.
„Weiß wenigstens meine Familie Bescheid?“ Er schüttelte den Kopf.
„Ich wusste nicht wie ich es ihnen sagen sollte. Ich meine er ist der Älteste und sollte eigentlich wissen was er tut oder?“
„Eigentlich schon...“

In diesem Moment kamen wir bei uns Zuhause an.
„Würdet ihr es schlimm finden, wenn ich unseren Filmeabend verschieben würde?“, fragte ich leise.
„Nein. Gar nicht Süße!“, sagte Alissa schnell. „Emir und ich finden bestimmt etwas was wir heute Abend machen können.“
„Klar. Emir könnte dir zum Beispiel seine Wohnung zeigen und dir seine Familie vorstellen.“, kicherte ich. Beide wurden rot und vermieden den Blick des anderen.
„Lina. Was ist denn heute mit dir los?“, wollte Alissa wissen. „Früher als...“ Sie brach ab und fing von neuen an. „Früher als wir uns kennenlernten warst du noch nicht so!“
„Wie lange ist das jetzt her Alissa? Zwei Jahre oder? Menschen verändern sich!“ 'Genauso wie Samir.'
„Ja. Menschen verändern sich.“, murmelte Emir. „Okay. Alles klar kleine! Viel Spaß dir noch. Vielleicht gehst du doch zu dem Ball heute?“
„Nein! Auf keinen Fall. Außerdem hat er schon vor einer halben Stunde angefangen und bis ich fertig wäre, wäre der schon vorbei. Ich warte lieber auf den Sommerball.“ Ich holte Luft und kicherte. „Außerdem werde ich doch neuerdings ganz schön oft auf Partys eingeladen...“
„Okay. Hast auch wieder Recht. Wir sehen uns nicht?“, fragte er.
„Klar. Bis dann ihr beiden!“ Schnell schnappte ich mir meine Tasche, stieg aus dem Auto und schlug die Tür hinter mir zu. Dann stampfte ich zur Haustür und drehte mich dort noch einmal zum Auto um. Sie winkten mir und fuhren davon. Ich fragte mich was die beiden wohl jetzt tun würden. Auf den Bericht von Alissa war ich auf jeden Fall gespannt.


(Sicht von Emir)

„Und? Was wollen wir jetzt machen?“, fragte Alissa.
„Möchtest du nicht nach Hause?“, fragte ich.
„Nicht wirklich. Was soll ich denn da?“, fragte sie.
„Keine Ahnung. Etwas gibt es doch immer zu tun...“
„Willst du mich los werden?“, lachte sie und sah mich an. Sie lachte zwar doch ich konnte erkennen, dass sie verletzt und Enttäuscht war.
„Nein! Ich doch nicht! Ich dachte nur, dass du dich lieber mit deinen Freundinnen triffst als mit mir!“
„Was ist denn an dir auszusetzen?“, wollte sie wissen.
„Hm. Mein bester Freund ist drogensüchtig, ich fahre öfter mal über der Geschwindigkeitsangabe...“ Oder wie auch immer dieses Ding heißt... „Ich liebe es Party zu machen...“
„Na und? Das machen doch so viele!“ Sie grinste mich an. „Außerdem will ich dir noch ein paar wunderschöne Musiktitel zeigen“
„Oh. Da freu ich mich schon drauf.“ Sie zeigte auf die Kreuzung vor uns und sagte mir, dass ich links abbiegen sollte.
Bald darauf kamen wir bei ihr Zuhause an. Die Lichter schienen und das Haus sah wirklich hübsch aus. Es war eine Wohnsiedlung und sah groß und elegant aus. Von ganz oben konnte man bestimmt fast die ganze Stadt überblicken. Sofort war ich ein wenig verunsichert. Was war wenn ihre Mutter mich nicht mochte? Sofort sagte ich mir unwirsch, dass es nichts machte, wenn sie mich nicht mochte. Alissa und ich waren ja nicht zusammen. Und doch flüsterte ein kleiner Teufel in mir drinnen, dass es mir sehr wohl etwas ausmachte.
„Kommst du jetzt endlich oder willst du noch zwei Stunden hier sitzen und das Haus bewundern?“, fragte Alissa belustigt, wirbelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum und riss mich somit aus meiner Trance.
„Hm? Was? Ach ja.“, murmelte ich. Sie lachte. Wie ich ihr Lachen liebte. Was hä? Lieben? Ich meinte mögen! Wie ich ihr Lachen mochte.
„Wo warst du denn mit deinen Gedanken?“ Bei ihr. Doch das konnte ich ihr nicht sagen. Oder?
„Bei dir!“ Ich lächelte sie an und sie wurde rot.
„Man soll doch nicht lügen! Und du ganz besonders nicht!“, mahnte sie.
„Und wieso ich ganz besonders nicht?“
„Weil das deinem Gott bestimmt nicht gefällt.“
„Und was wäre wenn ich nicht lüge?“
„Dann wäre ich natürlich geschmeichelt.“
„Gut. Dann darfst du geschmeichelt sein. Ich hab wirklich an dich gedacht. Na ja und an deine Mutter.“
„Meine Mutter? Du kennst sie doch gar nicht!“ Sie schien verblüfft. Kein Wunder.
„Na ja aber ich hab mir Sorgen gemacht was ich tun sollte, sollte sie mich nicht mögen.“
„Darüber brauchst du dir doch keine Sorgen machen! Das hört sich so an als würde ich dich hier her mitnehmen um dich meiner Mutter als meinen festen Freund vorzustellen. Das weißt du doch oder?“
„Und wenn es so wäre?“, raunte ich und beugte mich zu ihr vor. Mein Herz raste. Wieso tat es das? Ich kannte sie gerade mal zwei Tage. Und schon machte sie mich völlig verrückt. Sie starrte mich völlig hypnotisiert an.
„Ich weiß nicht.“, hauchte sie und schluckte. Dann wandte sie sich ab und stieg aus. „Komm. Ich will nicht den ganzen Abend hier im Auto rum hängen.“ Sofort kam ich hinterher. Ich war wirklich neugierig wie sie lebte. Und wie ihre Mutter auf mich reagieren würde.
Wir nahmen den Fahrstuhl und fuhren bis ganz nach oben. Oben sah ich erst einmal aus dem Fenster und ich hatte Recht. Man konnte wirklich viel von der Stadt sehen. Dann nach einer ausgiebigen Betrachtung drehte ich mich um und sah nach Alissa. Diese stand jetzt schon vor der Haustür und suchte nach ihrem Schlüssel. Als sie ihn endlich gefunden hatte, steckte sie ihn ins Schloss und trat in die große Wohnung. Ich natürlich hinterher.
„Hey Mama! Bin wieder Zuhause!“, rief sie.
„Ist gut Süße! Bin im Wohnzimmer.“, scholl eine freundliche aber erschöpfte Stimme aus einem der hinteren Räume im Haus. Sofort steuerte Alissa darauf zu.
Ihre Mutter saß auf der Couch und sah Fern. Ihre blonden Haare hingen ihr wild ins Gesicht und ihr Gesicht wirkte glücklich aber auch müde. Ohne vom Fernseher aufzusehen sagte sie: „Na wie war dein Tag Schatz? Geht es Lina gut? Das mit ihrem Freund muss sie ja schlimm getroffen haben.“ Dann sah sie auf und bemerkte mich. „Oh. Wer ist denn dein Begleiter?“ Bevor sie antworten konnte, trat ich vor und streckte ihr meine Hand entgegen: „Guten Abend. Mein Name ist Emir Milovanović und ich bin ein Freund von Alissa.“
„Ah. Du bist Jugoslawe?“ Ich nickte. „Na dann. Macht euch einen schönen Abend.“
„Vielen Dank.“, bedankte ich mich und folgte Alissa zu ihrem Zimmer. Es war das typische Mädchenzimmer. Rosa, Kosmetiktisch und allem was dazu gehörte.
„Hübsch. Meine Schwester würde dich beneiden.“
„Ernsthaft?“, lachte sie.
„Klar. Sie wollte schon immer mal so ein Zimmer haben.“
„Na dann. Fühl dich wie Zuhause.“ Sie warf sich auf ihr Bett. Als ich vor ihr stand tat ich so als würde ich auf sie drauf springen und sie fing an zu kreischen. Wie ich es mir gedacht hatte. Ganz kultiviert legte ich mich neben sie und sah ihr in die Augen. Mit einer Fernbedienung, die sie von ihrem Nachttisch fischte, machte sie die Anlage an und keine leise klassische Musik erfüllte den Raum. Sondern lauter Rap von Fard. Das Lied kannte ich sogar. Es war 'Der Junge ohne Herz'. Das konnte ich sogar erkennen auch wenn noch nicht gesungen wurde und das Lied ganz am Anfang war. Mit großen Augen sah ich sie an und sie schaltete die Anlage sofort wieder aus.
„Ähm... Das war....“, fing sie an, doch ich unterbrach sie.
„Du hörst solche Musik?“, fragte ich begeistert. Sie nickte schüchtern. Das hätte ich jetzt wirklich nicht gedacht. Sie wirkte nicht wie ein Mädchen, dass solche Musik hörte. „Mach wieder an! Aber leiser. Das tut ja in den Ohren weh!“ Ich lachte und sie mit mir. Sie drückte auf einen Knopf und die Musik erklang wieder.
„Sie sagen ich bin der Junge der kein Herz hat und das ich alles was ich tue verkehrt mach
lass sie reden, ich spüre keinen Druck hab den Adler auf dem Pass, aber nich auf meiner Brust
du bist kein mann also red nich von stolz deine Welt ist ein Käfig aus Gold
ich soll eure Scheißwelt akzeptieren,
vorher würd ich meine Toilette mit Geld tapezieren, also was?“, murmelte ich.
„Du kannst den Text auswendig?“
„Klar. Ist mein Lieblingslied von ihm!“
„Nun denn. Lass und mal lieber ordentlichere Musik hören. Wir sind ja nicht hier um so was zu hören.“
„Auch wieder wahr.“ Sie drückte wieder auf einen Knopf und leise erklang die klassische Musik. Sie drehte den Kopf zu mir und sah mir tief in die Augen. Unsere Gesichter waren nur noch ein paar Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Wie gerne ich sie jetzt küssen würde, schoss mir durch den Kopf. Wie hypnotisiert sahen wir uns an. Niemand von uns konnte oder wollte den Kopf abwenden.
Dann passierte alles wie in Zeitlupe. Während wir uns noch in die Augen schauten und uns die leise Musik liebkoste, rückte sie mit ihrem Gesicht näher an mich heran. Sie ergriff die Initiative und drückte ihre sinnlichen, weichen Lippen auf meine. Dann vergrub sie ihre Hände in meinem Haar und ich presste meine Lippen fester aber immer noch sanft auf ihre. Sie öffnete den Mund und bot mir Einlass zu ihrer Zunge.
Dann lag sie plötzlich auf mir. Keiner von uns dachte eine Sekunde lang an Sex. Wir wollten nur die Nähe des anderen spüren. Und seinen Herzschlag hören. Ich war derjenige, der sich später zurückzog.
„Was?“, flüsterte sie leise. Ihre Lippen waren rot und geschwollen vom vielen Küssen. „Küsse ich so schlecht?“ Sie legte ihren Kopf auf meine Brust und seufzte.
„Nein. Das tust du nicht. Ich wollte nur mal kurz Luft holen.“
„Du hast jetzt genug Luft geholt.“, wisperte sie und hob den Kopf. Und schon lagen ihre Lippen wieder auf meinen. Ich konnte sie die ganze Nacht so küssen, doch als mein Blick auf die Uhr an der Wand fiel, seufzte ich traurig auf und löste mich von ihr.
„Ich muss los. Meine Mutter wartet auf mich.“ Ich stand vom Bett auf und sah auf sie herunter.
„Wie alt bist du noch mal?“, fragte sie belustigt.
„19. Aber wenn meine Mutter mit dem Essen wartet und man zu spät kommt, macht sie einem das Leben zur Hölle. Und ich denke mal, dass du mich nicht im Krankenhaus besuchen möchtest oder?“ Ich lachte über ihre entsetzte Miene. „Was nur ein Scherz mein Schatz.“
„Bis dann.“
Ich verabschiedete mich von ihrer Mutter und sie brachte mich zur Tür, verabschiedete sich von mir mit einem kurzen Kuss und ich fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten. Dann setzte mich ins Auto. Mit den Gedanken war ich die ganze Zeit bei dem wunderbaren Mädchen, was mir den Kopf verdreht hatte. Ich hatte mich wirklich verliebt! Ich hatte nie gedacht, dass das noch einmal passieren könnte nach dem was mit meiner vorherigen Freundin passiert war, doch dieses Mädchen hatte es geschafft mein Herz im Sturm zu gewinnen.

25. Kapitel


(Sicht von Lina)

Nachdenklich saß ich jetzt schon seit Stunden auf meinem Bett das Telefon in der Hand. Ich konnte es einfach nicht! Ich meine auf MICH würden die doch ganz bestimmt nicht hören. Ich war doch die Schlampe in der Familie. Eine, die es nicht verdient hatte in der Familie zu sein. Immer noch starrte ich das Telefon an auch wenn ich nichts erkennen konnte, weil die Tränen, die über mein Gesicht strömten meine Sicht versperrten, als es leise an meiner Tür klopfte und meine Mutter den Kopf in das Zimmer steckte.
„Süße ich wollte nur sagen, dass...“ Sie sah mich erschrocken an und setzte sich zu mir aufs Bett. „Was ist los?“ Ich sagte nichts, sondern schüttelte nur den Kopf.
„Mum...“
„Lina. Du machst mir Angst. Was ist passiert? Ich dachte, weil Paul aufgewacht ist müsstest du Freudensprünge machen! Stattdessen sitzt du hier uns weinst. Wieso?“
„Samir...“ Ich holte Luft.
„Was hat der Junge schon wieder gemacht?“, wollte meine Mutter wissen.
„Er... er hat gar nichts gemacht! Er macht... Er nimmt... Drogen!“, presste ich hervor.
„Er macht was?“ Erstickt fing ich an zu lachen. „Das ist nicht lustig Lina!“
„Nein ist es nicht.“, meinte ich ernst. „Ich hab nur ganz genauso reagiert.“
„Seit wann weißt du das?“
„Heute. Emir hat es mir erzählt. Er... Er nimmt es seit kurz nachdem ich mich das erste Mal mit Emir getroffen habe. Davor hat er es auch genommen, aber jetzt... je-jetzt nimmt er es regelmäßig...“
„Und wieso hat Emir nie etwas gesagt?“
„Er hat versucht es Samir auszureden und hat gedacht, dass es nur so eine Phase ist aber jetzt? Er ist süchtig!“
„Wir müssen seine Eltern informieren. Sie müssen ihn in eine Therapie schicken! Er muss davon loskommen.“ Ich streckte ihr wortlos das Telefon entgegen. Dann sagte ich doch noch was: „Ich wollte sie anrufen aber... i-ich wusste, dass sie mir nie glauben würden.“
„Ich werde das sofort klären!“ Und dann rauschte sie aus dem Zimmer.
Seufzend ließ ich mich aufs Bett fallen. Wie Samirs Eltern wohl reagieren werden? Wahrscheinlich sind sie total enttäuscht von ihm. Und sie werden ihn auf jeden Fall zu so einer Abgewöhnungshilfe schicken. Notfalls mit Gewalt.
Ich brauchte jetzt unbedingt jemanden zum reden. Aber Alissa und Emir waren mit sich selbst beschäftigt und ich wollte ihnen nicht den Abend verderben. Und Christina und Timo tanzten munter auf dem Ball. Auch ihnen wollte ich den Abend nicht verderben. Vielleicht sollte ich Paul anrufen. Aber ich wollte ihn nicht nerven. Geschweige denn mit meinen Probleme zu ballern. Gerade als ich mich auf die Seite legte, klingelte mein Handy. Auch wenn ich die Nummer vor Wochen gelöscht hatte, kannte ich sie in und auswendig. Und irgendwie freute ich mich auf dieses Telefonat.
„Hallo?“, fragte ich mit leiser, zitternder Stimme.

„Hey Lina! Was ist los? Hast du geweint?“, fragte Paul. Ich nickte, doch dann fiel mir ein, dass er das ja nicht sehen konnte und bejahte.
„Wieso?“, fragte er erschrocken.
„Ich-“ Dann platzte die ganze Geschichte aus mir heraus.
„Oh Lina. Das wird schon. Und wenn er in die Therapie geht, wird es ihm auch schnell besser gehen! Ganz bestimmt.“
„Und was wenn nicht?“, fragte ich.
„Dann werden sie es so lange versuchen bis er nicht mehr davon abhängig ist!“ Ich musste gar nichts sagen, denn er wusste ganz genau, dass ich ein wenig Ablenkung brauchte also redete er mit mir. Über alles und jeden. Er erzählte lustige Geheimnisse von Shane und Emma. Sogar welche von Tina. Ich lachte und lachte. Es wurde immer später und ich gähnte.
„Ich leg mal lieber auf. Bis morgen Paul.“
„Nein. Bleib dran. Dann kann ich dir beim Schlafen zuhören.“, er flüsterte und ich musste lächeln.
„Na dann.“ Ich machte es mir gemütlich uns hörte ihm zu wie er ein langsames Schlaflid summte. Meine Lider wurden schwerer und ich schlief ein. Begleitet von Pauls Schlaflied für mich.

Am nächsten Morgen wachte ich verschlafen auf und hörte neben mir ein gleichmäßiges Atmen. Paul lag im Krankenhaus und schlief seelenruhig.
Oh der Arme. Seine Telefonrechnung würde diesen Monat wohl wirklich hoch sein. Doch es war süß, dass er das für mich auf sich nahm. Um seine Rechnung nicht noch höher als nötig zu schrauben legte ich auf.
Ich machte mich fertig und ging nach unten. In aller Ruhe nahm ich mir mein Geld und meine Tasche und ging zum Bäcker. Heute war ich irgendwie ein wenig gut drauf. Deswegen holte ich die Brötchen, deckte den Tisch mit vielen Leckereien und weckte dann meine Eltern mit einem Kuss auf die Stirn. Sie waren aber genervt, dass ich sie an einem Sonntag so früh geweckt hatte. Früh! Pah! Es war schon halb zwölf! Trotz ihrer Proteste führte ich sie ins Esszimmer.
„Wow. Lina das sieht hammermäßig aus! Hast du das ganz alleine gemacht?“
„Nein. Mir haben die netten kleinen Elfen geholfen! Sie haben sich nur versteckt, weil sie Angst vor den Erwachsenen haben!“, meinte ich ironisch. „Klar hab ich das gemacht!“
„Danke mein Schatz!“, sagte meine Mutter und küsste mich auf die Stirn. Wir setzten uns an den Esstisch und begannen zu essen.
„Und? Wie geht’s Paul? Liegt er immer noch im Koma?“, fragte meine Mutter.
„Nein tut er nicht. Und es geht ihm ganz gut, dafür, dass er gestern noch im Koma lag...“, lächelte ich.
„Das ist wirklich schön! Und lass mich raten... du willst deinen Tag im Krankenhaus verbringen?“
„Nein Dad. Ich werde nur kurz vorbei schauen und dann weiter zu Alissa fahren. Sie hat mir was zu erzählen.“ Ich hatte beim Brötchen holen eine SMS von ihr bekommen in der sie mich bat heute zu ihr zu kommen, weil sie mir etwas wichtiges zu erzählen hatte. Ihrer Nachricht entnahm ich, dass sie sehr glücklich war.
„Uh. Da bin ich ja gespannt.“ Meine Mutter grinste mich an. „Ist das die Alissa, die du vor zwei Jahren kennengelernt hast?“ Ich nickte und biss noch etwas von meinem Marmeladenbrötchen ab. „Na dann viel Spaß. Ich muss in einer halben Stunde ins Krankenhaus fahren. Soll ich dich mitnehmen?“
„Das wäre super. Ich komm heute auch nicht so spät nach Hause. Nachdem ich bei Alissa war, wollte ich noch kurz zu Christina und dann nach Hause. Morgen ist ja leider Schule.“ Als wir fertig waren mit essen, räumte ich den Tisch ab und ging dann nach oben in mein Zimmer. Schnell packte ich meine Tasche und lief dann die Treppe runter wo meine Mutter schon auf mich wartete.
Schweigend fuhren wir zum Krankenhaus. Meine Mutter drückte mir einen Kuss auf die Wange und eilte dann in Richtung Intensivstation davon. Fröhlich Pfeifend machte ich mich auf den Weg zu Pauls Zimmer.
Ich klopfte und öffnete auf sein 'Herein' die Tür.
„Lina.“
„Hey Paul. Alles klar bei dir?“
„Joa. Muss ja. Ich lieg hier im Bett und langweile mich...“
„Du kommst doch bestimmt bald raus oder?“, fragte ich.
„Wenn alles gut läuft heute Abend.“
„Das ist doch gut! Aber du bleibst doch sicher noch Zuhause oder?“
„Nein. Ich wollte morgen wieder zur Schule.“ Auf meinen misstrauischen Blick beteuerte er: „Doch wirklich! Mir geht’s gut! Ich mach bloß kein Sport mit!“ In diesen Moment öffnete sich die Tür und ich starrte in wunderschöne braune Teddyaugen. Er sah mich lächelnd an und setzte sich auf das Bett neben Paul.
„Hey. Du musst Lina sein.“
„Ähm. Ja. Die bin ich. Und du bist?...“, fragte ich.
„Oh klar. Ich bin Jake.“
„Nett dich kennen zu lernen.“ Ich wandte mich an Paul. „Kannst du eigentlich raus?“
„Ich denke ich dürfte. Warte mal...“ Er drückte auf den Krankenschwesternknopf und nach zehn Minuten kam meine Mutter rein.
„Oh. Frau Ashton! Was machen Sie denn hier?“, fragte Paul erfreut.
„Das frage ich mich auch.“, murmelte ich.
„Du hast doch den Knopf gedrückt oder nicht? Und hier bin ich!“
„Aber kommen dann nicht normalerweise Krankenschwestern?“
„Ja aber da ich wusste, dass du in diesem Zimmer liegst, dachte ich, dass ich selbst mal kommen kann.“
„Das ist ja schön. Wir wollten eigentlich nur wissen ob Paul raus darf oder nicht Mum.“, meinte ich.
„Oh. Tut mir leid aber das darf er nicht. Er sollte sich nicht so viel bewegen wenn er heute raus will und er will ja heute raus kommen oder?“ Wir beide nickten eifrig. „Nun denn. Aber der junge Herr im Nebenbett ist einer meiner Patienten oder Jake?“
„Hey Frau Ashton. Nett Sie wieder zu sehen.“, grinste Jake. Er hielt ihr die Hand hin und sie schlug ein. Okaaaay... Was lief denn da?
„Wieder die Nase?“, fragte meine Mutter und stöhnte als Jake nickte. „Du sollst doch vorsichtig sein! Boxen ist kein guter Sport für dein Körper!“
„Ich weiß. Aber er powert aus, man kann Aggressionen und überschüssige Energie loswerden und kann sich verteidigen!“
„Jaja. Das hatten wir schon. Wäre der Sport nicht so gefährlich würde ich Lina da hin schicken!“
„MUM!“, protestierte ich. „Nicht noch ein Selbstverteidigungskurs! Davon hatte ich doch jetzt wirklich genug!“ Beide Jungs fingen an zu lachen, tarnten es aber unter einem Husten. „Jaja. Sehr lustig!“, maulte ich.
„Oh. Komm schon! Lina! Das war alles zu deinem Besten!“, meinte meine Mutter ernst.
„Jaja. Schon gut!“, winkte ich ab.
„Und Boxen ist keine Selbstverteidigung.“, erklärte Jake. „Eher ein Kurs wo du lernst richtig zuzuschlagen und jemanden zu verletzten.“
„Nicht mein Ding.“
„Das dachte ich mir. Du siehst auch nicht so aus als würdest du zuschlagen.“
„Nein. Das tut sie wirklich nicht. Sie greift eher auf hinterhältige Aktionen zurück um das zu bekommen.“ Paul grinste traurig. Er dachte wohl an das mit dem Foto von Emma...
„Na ja. Es gibt schlimmere Leute als mich.“ Ich lachte und brachte auch die beiden Jungs zum lachen. Doch meine Mutter sah mich mit hochgezogener Augenbraue an.
„Was hast du schon wieder angestellt?“, fragte sie streng.
„Ach. Nichts wichtiges... musst du nicht zu deinem nächsten Patienten?“, lenkte ich vom Thema ab.
„Okay. Wir reden später! Bis dann Schatz!“ Sie gab mir einen Kuss auf die Wange, schlug mit Paul und Jake ein und rauschte aus dem Raum.
„Deine Mom ist echt cool.“, meinte Jake. „Sie hat mich jetzt mindestens drei Mal operiert.Und ist jetzt fast so etwas wie eine gute Freundin vom mir.“
„Ja. Sie ist echt cool. Aber wegen Paul muss ich mir heute Abend eine Strafpredigt anhören! Danke.“
„Kein Ding Süße!“ Paul lächelte mich so süß an, dass meine Wut auf ihn sofort verdampfte.
Ich sah auf die Uhr und lächelte ihn an. „Ich muss gehen. Alissa hat mir etwas wichtiges zu erzählen.“
„Oh. Ob sie dir erzählen will, dass sie sich unsterblich in Emir verliebt hat?“
„Klar wird sie das! Das hab ich ja schon auf der Party gesehen!“
„Auf jeden Fall. Und wie ich gehört habe, waren die beiden noch bei ihr?“
Ich nickte. „Wetten sie sind zusammen?“
„Glaub ich nicht. Sie würden es doch nicht überstürzen!“, entgegnete Paul entschieden.
„Wollen wir wetten?“
„Na dann wetten wir mal. Ich wette um einen Kuss, dass sie nicht zusammen sind!“
„Na dann. Wenn du gewinnst bekommst du einen Kuss. Wenn ich gewinne veranstaltest du eine Party bei dir im Garten wenn du wieder gesund genug bist.“, schlug ich vor.
„Deal“, sagte er nach kurzem Zögern. „Erzähl mir was daraus geworden ist ja?“
„Klar mach ich. Bis morgen dann ja?“
„Auf jeden Fall. Ich liebe dich.“ Er lächelte traurig.
„Ich dich auch.“ Und schon wollte ich durch die Tür.
„Kein Abschiedskuss?“, fragte Jake belustigt.
„Wir sind nicht zusammen.“, sagte ich mit dem Gesicht zur Tür. Dann riss ich sie auf und ging.


(Sicht von Paul)

„Was hast du gemacht, dass sie nicht mit dir zusammen ist?“, fragte Jake.
„Wir waren zusammen. Doch dann glaubte ich einer Lüge.“
„Wie meinst du das?“, fragte Jake.
„Wir waren zusammen. Doch dann stellte ein eifersüchtiges Mädchen ein Video zusammen und stellte es auf Facebook.“ Ich erzählte ihm die ganze Geschichte.
„Du bist echt ein Idiot weißt du das?“, fragte Jake.
„Ja. Das weiß ich.“
„Versuch sie zurückzugewinnen.“
„Und wie?“, fragte ich. Er überlegte. Das sah man an seinem Konzentrierten Gesichtsausdruck. Nach ungefähr fünf Minuten drehte er sich zu mir um und sagte triumphierend: „Ich hab´s! Du könntest...“

26. Kapitel


(Sicht von Alissa)

„Denkst du sie wird sich für uns freuen?“, fragte ich ängstlich. Wir saßen alleine im Wohnzimmer nebeneinander auf der Couch. Meine Mutter war bei ihrer Freundin.
Der Tisch war gedeckt mir Kuchen und Getränken.
„Natürlich wird sie das!“ Emir sah mich beruhigend an und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
„Aber. Sie ist jetzt gerade irgendwie die einzige, die jetzt unglücklich ist. Es ist irgendwie nicht gerecht.“
„Die Wege Allahs sind wirklich nicht zu verstehen, doch Er muss seinen Grund haben, dass er Paul und Lina auseinander gebracht hat.“
„Weißt du eigentlich, dass mir das gerade nicht wirklich hilft?“, fragte ich ihn und fing wieder an im Zimmer herumzugeistern.
„Bitte. Setz dich! Lina ist ein super Mädchen! Sie wird sich für uns freuen!“ In diesem Moment klingelte es und ich warf ihm noch einen verzweifelten Blick zu bevor ich zur Tür eilte.
„Wer ist da?“, fragte ich in die Freisprechanlage.
„Ich bin´s. Lina.“ Ich drückte auf den Knopf zum Öffnen und wartete auf sie.
„Du bist Treppen gelaufen?“, fragte ich sie ungläubig als ich sie die letzte Stufe erklimmen sah.
„Klar. Ich verpasse im Moment einfach viel zu oft meine Sportarten! Irgendwie muss ich das Fett ja loswerden!“
„Haha. Sehr lustig! Du bist dünn genug!“
„Jaja. War auch nur ein Scherz. Ich brauchte nur ein wenig Bewegung. Ich hab mich in der letzten Woche viel zu wenig bewegt.“ Sie zog ihre Schuhe und ihre Jacke aus und kam in die Wohnung.
„Gib her.“ Ich nahm ihr die Jacke ab und hängte sie an die Garderobe.
„Wo hin?“, fragte sie und ich deutete auf das Wohnzimmer. Sie ging vor raus und hatte so ein Grinsen im Gesicht. Wusste sie etwa schon, dass Emir und ich zusammen waren? Aber Emir hatte versprochen, dass wir es ihr gemeinsam sagen würden. Und sonst wusste niemand, dass wir zusammen waren.
„Hey Emir.“ Sie lachte. „Ich hab die Wette also doch gewonnen!“
„Welche Wette?“, fragte ich verletzt und sah Emir an. Dieser schüttelte aber ebenso verwirrt wie ich den Kopf.
„Ich hab mit Paul gewettet, dass ihr beide zusammen kommt!“
„Was war der Einsatz?“, fragte Emir grinsend.
„Einen Kuss falls er gewinnt und eine Party falls ich gewinne.“
„Er schmeißt eine Party, wenn du gewinnst?“, fragte ich ungläubig.
„Ja. Aber nur wenn ich gewinne. Also sagt es mir. Seid ihr zusammen?“
„Ja.“, sagten Emir und ich gleichzeitig. Er sah mich glücklich an. Seine Augen funkelten und ich konnte seine Liebe zu mir darin erkennen. Ich lächelte und wollte mich auf seinen Schoß setzten als er seine Arme nach mir ausstreckte. Doch Lina riss mich an sich und lachte.
„Ich freu mich so für euch!“ Sie ließ mich los und ich stolperte ein paar Schritte zurück. Als sie dann auch noch Emir so stürmisch umarmte wurde es mir zu bunt.
„Was ist mir dir los?“, fragte ich sie direkt. „Du bist doch normalerweise nie so stürmisch!“
„Ich freu mich nur, dass meine Freunde ihre große Liebe finden!“ Sie lachte wieder doch ihre Augen waren glasig.
„Lina? Hast du getrunken?“, fragte Emir zögerlich.
„Wie kommst du denn darauf?“, fragte sie während ich gleichzeitig „Emir!“ zischte.
„Hauch mich mal an.“
„Emir!“, zischte ich wieder. Sie zögerte und trat dann einen Schritt vor. Sie pustete ihm leicht ins Gesicht und er verzog den Mund. „Lina! Wenn Samir das...“
„Samir ist mir egal!“, schrie sie plötzlich in einem Anfall von Wut. „Es ist mir egal was andere von mir denken! Es ist mir auch egal was ihr von mir denkt! Seid glücklich! Freut euch! Aber lasst mich bitte aus dem Spiel.“ Wütend drehte sie sich um und stapfte aus der Tür.
„Lina! Warte!“ Emir stand schnell auf und rannte ihr hinterher. Ich stand nur versteinert da und sah ihnen hinterher. Ich hatte nicht gewusst, dass es ihr im Moment so schlecht ging, dass sie sich betrank. Ich sank auf der Couch zusammen. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen ihr zu erzählen, dass wir jetzt zusammen waren.
Als Emir zurück kam hatte er Lina auf dem Arm und sie hatte die Augen geschlossen. Sie hatte eine Platzwunde am Kopf. Erschrocken sah ich ihn an.
„Was ist passiert?“
„Sie ist ganz plötzlich umgekippt! Einfach so!“ Er sah mich entschuldigend an. „Tut mir leid. Ich werde sie ins Krankenhaus zu ihrer Mutter bringen.“
„Ich komme mit!“ Entschlossen stand ich auf und zog meine Jacke an. Emir legte Lina auf der Couch ab und zog sich auch an bevor er sie wieder hochhob und aus der Wohnung trug. Ich schloss noch ab und lief ihnen dann hinterher.
„Wir können sie doch nicht ins Krankenhaus fahren! Ihre Mutter arbeitet da!“, sagte ich erschrocken.
„Hast du eine andere Idee?“, fragte er und legte sie auf den Rücksitz von seinem Auto. Ich schüttelte den Kopf und er zuckte mit den Schultern. „Ich auch nicht. Wir machen das jetzt einfach. Jacqueline ist cool. Sie wird Linas Situation schon verstehen.“ Ich nickte nur. Ich hatte Linas Mutter nie wirklich kennengelernt, weil unser Kontakt schon bald halbwegs abbrach. Sie ging ihren Weg und ich meinen. Wir hatten nur über Facebook Kontakt behalten.


Als wir beim Krankenhaus ankamen fragten wir an der Rezeption nach Linas Mutter und wir wurden in den Raum von Paul verwiesen. Wahrscheinlich hatte sie gerade Visite bei ihm. Wir liefen zu ihm und klopften an. Auf das 'Herein' von Jacqueline kamen wir rein und Paul sah Emir erst erschrocken dann wütend an.
„Was ist passiert?“, fragte Jacqueline. Jake stand von seinem Bett auf und bedeutete Emir Lina dort hin zu legen.
„Das weiß wohl nur Lina. Sie kam bei Alissa an und war betrunken! Und dann ist sie ausgeflippt, aus der Wohnung gestürmt und im Flur zusammengebrochen...“
„Sie hat getrunken? Das hat sie nie gemacht! Sie trinkt noch nicht mal ein Glas Sekt an Silvester!“, sagte Jacqueline entsetzt. Sie nahm ihre Arztgeräte und untersuchte Lina. „Sie hat nichts schlimmes. Alles in Ordnung. Sie muss sich jetzt nur ausruhen. Ich lasse sie gleich in ein anders Zimmer bringen.“
„Brauchen Sie nicht Frau Ashton. Ich gehe doch heute sowieso wieder. Die Nase ist ja nicht gebrochen.“
„Na dann.“, sagte Jacqueline zögerlich. Sie strich ihrer Tochter die Haare aus dem Gesicht und sagte: „Ich muss zum nächsten Patienten. Ich komme heute Abend noch mal wieder.“ Sie ging aus dem Zimmer und ich sah zu Emir.
„Wollen wir auch los?“, fragte ich leise. Er griff nach meiner Hand und nickte.
„Stopp! Bevor ihr geht! Sagt mir. Seid ihr zusammen?“ Ich zögerte und sah Emir an. Er schien den gleichen Gedanken zu haben wie ich, denn er sah zu Lina, die jetzt friedlich in Jake´s Bett schlief und dann wieder zu Paul.
„Ja sind wir.“, sagte er dann.
„Oh. Das freut mich für euch!“
„Und wir freuen uns auf deine Party!“, sagte ich. Wir vier lachten.
„Tja. Wette wohl verloren. Das wird eine Hammer Party. Ich werde doch eingeladen oder?“, fragte Jake.
„Klar.“, sagte Paul. Emir schlug mit ihm ein und ich umarmte ihn.
„Sprecht euch aus. Ich denke ich weiß den Grund wieso sie das gemacht hat. Genauso wie du ihn auch weißt.“, flüsterte ich ihm zu.
„Wir haben gesprochen Alissa. Aber sie ist noch nicht bereit dazu mir zu vergeben.“
„Tief in ihrem Herzen hat sie das. Und du solltest dir echt viel mehr Mühe geben! Wenn ich in ihrer Situation wäre, würde ich glauben, dass es dir egal ist was mit mir wird. Verstehst du? Vielleicht hat sie deshalb...“ Ich beendete nicht den Satz, sondern sah vielsagend auf Lina.
„Ich hab schon eine Idee.“
„Nun denn.“ Ich umarmte ihn noch mal, verabschiedete mich von Jake und ging mit Emir aus dem Zimmer.
„Und was machen wir jetzt?“, wollte ich wissen und drehte mich zu Emir um. Er lächelte schelmisch und gab mir einen Kuss. „Wie wärs wenn wir zu Mecces gehen würden?“
„Du hast Hunger?“
„Ja. Riesen Hunger.“
„Ich kann für dich kochen. Das schmeckt lecker und ich weniger fettig wie Mecces.“
„Was habe ich nur für eine wunderbare Freundin. Dann los.“ Ich lachte und wir fuhren zu mir nach Hause.


(Sicht von Lina)

Schreiend und zitternd schreckte ich auf.
„Lina! Was ist los?“, fragte eine männliche Stimme erschrocken. Ich zuckte zusammen. Paul. Erkannte ich nach einigen Sekunden. Keuchend wandte ich den Kopf zur Seite. Paul stand langsam auf und kam zu mir ans Bett, wo er sich auf die Bettkante setzte. Er nahm meine eiskalte Hand in seine und drückte sie leicht. „Was ist los?“
„I-ich... Alptraum...“, stotterte ich. Er strich mir beruhigend über den Kopf.
„Willst du darüber reden?“, fragte er sanft.
„Ich... Es war so viel Blut! Blut überall. Und ein Mensch lag auf dem Boden.... Er... Es war ein er..., sah aus w-wie... d-du! Und ü-überall waren Schnittwunden. Du bist an ihnen verblutet.“
„Lina. Schatz. Sieh mich an!“ Er drückte meinen Kopf mit leichter Gewalt nach oben, so dass ich ihn ansehen musste. „Es war ein Traum. Du hast wahrscheinlich nur die letzten Tage in deinem Traum verarbeitet.“
„Aber. Es hat sich so real angefühlt.“
„Es war ein Traum.“ Er küsste mich auf die Stirn. „Und kannst du mir jetzt bitte erklären wieso du dich betrunken hast?“ Verwirrt sah ich ihn an bevor es mir wieder einfiel und ich rot wurde. Vor Scham konnte ich ihm nicht in die Augen sehen und sah aus dem Fenster. „Lina!“
„Ich. Ich kam einfach nicht mit der Situation klar, dass jeder meiner Freunde einen Menschen gefunden hatten, der sie liebt und den sie lieben.“, schrie ich.
„Lina. Schatz. Hast du deine Liebe noch nicht gefunden?“, fragte er und seine Augen verdunkelten sich vor Trauer.
„Doch. Hab ich. Dich!“, antwortete ich leise.
„Wieso bist du dann so eifersüchtig auf deine Freunde? Es ist doch deine Entscheidung gewesen, dass wir nicht wieder zusammenkommen sollten.“ Er sah mir tief in die Augen und ich merkte, dass ich ohne ihn nicht leben konnte. Er war so ein wichtiger Mensch in meinem Leben. Er hatte mir in schwierigen Situationen zur Seite gestanden. Er war so etwas wie meine zweite Hälfte. Als ich das erkannte hob ich meine Arme, legte sie um seinen Hals und zog ihn zu mir runter.
„Lina? Was wird...“ Er konnte nicht weiter sprechen, denn ich hatte meine Lippen schon auf seine gepresst. Überrascht wollte er zurückweichen, doch ich ließ ihn nicht los. Wir waren schon so lange getrennt gewesen, da konnte ich ihn nicht so schnell wieder gehen lassen. Als er meinen Kuss nicht erwiderte ließ ich von ihm ab, ließ mich nach hinten fallen und sah zur Seite.
„Lina? Was sollte das?“ Seine Stimme klang wütend. Irgendwie hatte ich mich schon immer vor so einem Moment gefürchtet. Einem Moment wo er mir sagen würde, dass er mich nicht mehr liebt, dass er eine andere hatte...
„Ich...“ Ich wusste nicht was ich sagen sollte.
„Lina! Du sollst doch nicht so etwas tun! Weißt du wie weh mir das tut?“, fragte er sauer.
„Aber Paul. Ich will wieder mit dir zusammen sein. Ich... ich hab gemerkt wie dumm es von mir war dir nicht zu verzeihen. Ich liebe dich. Und... ich hoffe du tust das auch noch.“ Ängstlich sah ich ihn an.
„Lina.“ Er lächelte und sah mich liebevoll an. „Ich liebe dich und werde auch nicht aufhören dich zu lieben!“ Dann beugte er sich über mich und küsste mich. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und musste mitten in dem Kuss anfangen zu lächeln. Wir vergaßen die Zeit und ich vergaß auch, dass ich im Krankenhaus lag und meine Mutter oder einer ihrer Kollegen jederzeit ins Zimmer kommen konnten. Ich war völlig auf Paul fixiert.
„Ups. Falscher Zeitpunkt oder?“, fragte plötzlich eine Mädchenstimme. Erschrocken fuhren wir auseinander und sahen zur Tür. Dort stand Christina mit Timo.
„Oh.“ Wir lächelten uns verlegen an. „Hey Süße.“ Ich stand auf und half Paul wieder in sein Bett. Dann umarmte ich meine Freunde.
„Wie geht’s unserem Komakumpel denn so?“, fragte Timo und lachte.
„Sehr gut.“ Paul schlug mit Timo ein.
„Und dir Lina? Wir haben gehört, dass du dich besoffen hast!“ Timo funkelte mich vorwurfsvoll an.
„Ähm...“ Hilfesuchend sah ich zu Paul, doch der sah mich nur abwartend an. „Ja... Also ich hab mich betrunken. Doch den Grund werde ich euch nicht verraten, denn der ist jetzt nicht mehr wichtig.“
„Lina! Du... Du kleine....“, rief Christina aufgebracht.
„Jaja ich weiß Christina! Ich werde es nie wieder machen!“, versprach ich.
„Nun. Es ist alles wieder gut bei euch?“, fragte Timo.
„Ja. Endlich ist alles wieder gut.“ Paul lächelte mir zu und ich nahm seine Hand.
„Dann können wir ja endlich unser Doppeldate nachholen!“, sagte Christina fröhlich und wir anderen drei stöhnten auf.
„Welches Doppeldate?“, fragte meine Mutter, die jetzt an der Tür stand.
Hm. Was sagte man nur wenn seine Mutter ins Zimmer kommt und noch nicht weiß, dass man wieder mit seinem Freund zusammen ist. Christina hatte die beste Antwort dafür.
„Lina und Paul sind wieder zusammen. Das wollen wir mit einem Doppeldate feiern!“ Sie grinste meine Mutter an und diese wandte sich mit ungläubigen Blick an mich.
„Hast du nicht vor drei Tagen noch rum geschrien, dass du ihn nie wieder sehen willst und du ihn aus tiefster Seele hasst?“
„Ähm...“ Ich sah sie mit roten Kopf an und wandte mich dann zu Paul, der mich belustigt ansah. Dann wandte sich meine Mutter mit Killermiene an Paul.
„Wenn du meiner Tochter auch nur noch ein einziges Mal das Herz brichst Paul....“ Sie ließ die Drohung in der Luft stehen.
„Ich hab verstanden Frau Ashton!“ Paul nickte brav. Jetzt war wohl alles wieder gut.
„Mama? Du hast doch einen bestimmten Grund gehabt wieso du hier her gekommen bist oder?“
„Ja. Paul kann nach Hause. Larissa hat mich eben angerufen sie wird in...“
„Sie wird jetzt hier sein!“, rief die Mutter von Paul und platzte mit Selena und Mike ins Zimmer. Ich lachte. Wie immer zur richtigen Zeit. Ich stand auf um seiner Mutter Platz zu machen und verdrückte mich in eine Ecke der Zimmers. Und das obwohl Paul mich strafend ansah.
„Schatz wie geht es dir?“, fragte Larissa ihren Sohn.
„Gut Mama. Sehr gut sogar.“ Er lächelte in meine Richtung.
„Ja. Das kann ich mir vorstellen. Du wurdest von meinem Neffen ins Koma geprügelt aber kaum seid ihr beiden wieder zusammen, vergisst du die Schmerzen und dein ganzes Gehirn kann sich nur auf meine Tochter konzentrieren.“ Meine Mutter grinste und auch Timo und Christina fingen an zu lachen.
„Ihr... Ihr seid wieder zusammen? So richtig zusammen, zusammen?“ Lachend sah ich seine Schwester an und nickte. Sie sah mich mit großen Augen an und fing an einen Freudentanz hinzulegen, bevor sie mir um den Hals fiel.
„Hey! Lass meine Freundin am Leben!“, rief Paul in diesem Moment und lachte.
Jetzt war alles gut. Jetzt war wirklich alles gut.
„Komm. Ich will nach Hause.“, sagte ich und die anderen nickten zustimmend.
Plötzlich klingelte mein Handy. Ich sah darauf und lächelte verwirrt. Was wollte Shane denn von mir?
„Hey Shane!“ Ich grinste ins Handy. Doch Paul verzog seinen Mund.
„Linaaaaa!“, er rief lachend ins Handy.
„Shaaaaane?“, fragte ich.
„Du bist wieder mit Paul zusammen?“
„Warte! Woher weißt du das?“, wollte ich wissen.
„Christina hat ein Foto auf Facebook gepostet. Ihr beide sehr... hm...“
„Schon verstanden! Ich muss auflegen!“
„Klar. Scheiß sie schön zusammen ja?“, bat er mich.
Ich lachte böse und meinte: „Das werde ich auf jeden Fall tun! Bis Montag.“
„Bis dann. Und herzlichen Glückwunsch.“ Damit legte er auf und ich rannte auf Christina zu. Ich packte ihre Arme und schüttelte sie.
„Was soll der Scheiß?“ Wütend funkelte ich sie an. Die anderen starrten mich an als wäre ich verrückt geworden.
„Was meinst du?“, fragte sie verdutzt.
„Das Foto auf Facebook?“, rief ich. „Klingelt's da bei dir?“
„Ohhhh.“ Sie lächelte verlegen. „Daas Foto!“
„Zeig's mir!“ Fordernd sah ich sie an. Sie nahm ihr Handy aus der Tasche und fummelte ein wenig darauf herum, bevor sie es mir unter die Nase hielt.
Okay. Das sah nicht so schlecht aus. Die Bildunterschrift lautete: „Alles wieder gut im Lalaland.“ Augen verdrehend sah ich sie an.
„Ernsthaft? 'Alles wieder gut im Lalaland'? Was besseres ist dir nicht eingefallen?“, fragte ich sie und sie zuckte mit den Schultern.
„Aber guck mal auf die Gefällt mir Angaben! Und die Kommentare! Sie freuen sich total für euch.“ Ich sah mir die Kommentare an und das erste Kommentar, das mir ins Gesicht sprang war das von Emma. Sie schrieb: ''Du blöde Schlampe! Ich dachte du willst ihn nie wieder sehen! Das wirst du mir noch büßen!''
„Klar. Emma freut sich total darüber.“ Alle lachten und ich gab meiner besten Freundin das Handy zurück. „Ich lese sie mir später durch.“ Wir gingen langsam aus dem Krankenhaus. Als wir draußen standen, atmete ich tief ein und meinte: „Hatte ich schon mal erwähnt, dass ich Krankenhäuser hasse?“ Meine Mutter lachte und strich mir über die Haare.
„Tausend Mal.“
„Nun dann brauch ich es ja nicht noch mal zu wiederholen oder?“, lachte ich. Paul nahm meine Hand und zog mich zum Auto seiner Mutter.
„Ähm. Bye?“, rief ich meiner Mutter, Timo und Christina zu und drehte mich wieder um, um nicht zu stolpern. Sie lachten und zerstreuten sich.
„Ich sitze vorne!“, schrie Mike.
„Nein! Ich! Ich hab keine Lust denen beim knutschen zuzugucken!“, rief Selena. Paul und ich sahen uns an, wurden rot und lachten.
„Wir werden uns beherrschen.“, versprach ich.
„Werden wir das?“, wollte Paul wissen und ich boxte ihn leicht in die Seite. Strafend sah ich ihn an und lachte. Er seufzte und lehnte seinen Kopf an meine Schulter. Jetzt war alles in Ordnung. Wir waren zusammen und nichts auf der Welt konnte uns jetzt wieder trennen. Niemand wird das noch einmal schaffen. Wir würden alles zusammen überstehen, denn unsere Liebe machte uns stark!

27. Kapitel


→ 10 Jahre später – Sommer ←

(Sicht von Paul)

Ich saß im Wohnzimmer unserer Wohnung und wartete auf Lina. Ja unserer. Lina und ich waren vor vier Jahren zusammen gezogen. Wir hatten unsere Schule beendet und angefangen zu studieren beziehungsweise eine Ausbildung angefangen. Nach meinem Medizinstudium fing ich an in dem Krankenhaus zu arbeiten in dem auch Linas Mutter Jacqueline arbeitete. Lina hingegen machte eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation und fing an bei E.ON zu arbeiten. Unser Alltag war alles andere als entspannt, doch wir lebten und überlebten ihn.
Unsere Freunde Emir, Alissa, Christina und Timo waren auch noch immer noch glücklich zusammen und Emir und Alissa hatten vor kurzem ihre Verlobung bekannt gegeben. Mit 26 beziehungsweise 29 zu heiraten war auch nicht so früh.
Christina und Timo waren gerade dabei sich daran zu gewöhnen zusammen zu leben. Für sie war es ein ganz besonderer Lebensabschnitt, da Christina schwanger geworden war und sie in einem Monat ein Mädchen zur Welt bringen würde. Als Lina das erfahren hatte war sie völlig ausgeflippt und hatte zusammen mit ihrer besten Freundin einen Freudentanz aufgeführt, bis Timo seine Freundin ermahnt hatte vorsichtiger zu sein, da er nicht wollte, dass ihrem Kind etwas geschah.

Samir war kurz nachdem Lina und ich uns vertragen hatten in die Entzugsklinik gekommen und wurde von den Drogen entwöhnt. Lina hatte ihn öfters besucht und war völlig aufgelöst von ihren Besuchen zurückgekehrt. Egal wie oft ich versucht habe sie davon abzubringen, sie war immer wieder hin gegangen.
Als Samir nach 18 Monaten endlich clean und völlig frei von Drogensucht war, wurde er entlassen und er fing an sein Leben in den Griff zu bekommen. Er machte seine Ausbildung zu ende und suchte sich dann eine Arbeit. Im Moment hatte er auch eine Freundin, die ihm gut zu tun schien.
Er hatte sich unter Tränen bei mir und Lina für sein Verhalten entschuldigt. Wir hatten ihm verziehen, denn er stand zu dem Zeitpunkt unter dem Einfluss von Drogen und war nicht er selbst. Jetzt hatten er, Lina und ich eine gute Freundschaft - wenn man das so nennen kann, denn er betrachtete mich schon als Teil der Familie - und wir redeten offen über alles. Er hatte mich auch zu diesem Unternehmen überredet.
Na ja. Überredet war das falsche Wort. Er hatte mir ein paar Ideen geliefert wie ich es tun konnte und mir geholfen sie in die Tat umzusetzen.

Mit dem Rest ihrer Familie – also ihren Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen - hatte Lina heute keinen Kontakt mehr. Sie hatten sie nicht verstanden und sie aus der Familie verstoßen. Doch Lina kam ganz gut damit klar. Natürlich war sie verletzt, doch sie wollte nichts mit ihrer Familie zu tun haben, die unsere Liebe nicht akzeptieren konnte. Das waren ihre Worte gewesen. Doch egal wie stark sie vor mir und Samir tat, ich hörte sie nachts manchmal weinen und Gebete auf Kroatisch murmeln. Sie hatte ihre Liebe zum Islam gefunden. Und ich akzeptierte ihren Glauben, genauso wie sie meinen Glauben zum Christentum respektierte.

Jetzt gerade wartete ich auf meine Freundin und war ein wenig aufgeregt, denn ich wollte ihr jetzt und heute einen Heiratsantrag machen.
Eigentlich wollte ich ihn ihr noch ein wenig romantischer machen als nur mit Rosen und Kerzen im Zimmer aber ich wusste, dass es ihr so gefallen wird. Und ich hoffe, dass sie ihn annimmt.
Ich hörte das Türschloss rascheln und sprang auf. Lina stand an der Tür und zog sich gerade die Jacke aus. Als sie mich sah lächelte sie, doch ihre Augen zeigten ihre Angst. Doch ich wusste nicht wovor sie sich fürchtete.
„Hallo mein Schatz.“, begrüßte ich sie und gab ihr einen sanften Kuss.
„Hallo. Wie war dein Tag?“
„Anstrengend. Aber egal. Und deiner?“
„Will nicht darüber reden!“, blockte sie ab und ich war verwirrt. Normalerweise erzählte sie mir doch alles. Aber ich ließ es auf sich beruhen. Ich nahm ihre Hand und zog sie mit mir in Richtung Schlafzimmer.
„Komm.“
„Warte. Schatz. Ich muss dir was sagen...“, fing sie an, doch ich unterbrach sie und sagte lächelnd: „Das kann warten.“
„Aber...“
„Psst.“ Ich stellte mich hinter sie und verdeckte ihre Augen. Dann führte ich sie ins Schlafzimmer wo ich die tausend Kerzen angezündet hatte und Rosen verteilt hatte.
„Bereit?“, wollte ich wissen und sie nickte. „Du darfst sie Augen erst auf machen wenn ich es dir sage. Versprichst du es mir?“ Wieder ein Nicken. Ich nahm meine Hand von ihren Augen und kniete mich vor sie. Vorsichtig nahm ich das Kästchen aus meiner Tasche und öffnete es. Mit der freien Hand nahm ich ihre linke Hand. „Du darfst deine Augen nun öffnen.“ Blinzelnd öffnete sie die Augen und riss sie auf als sie das Zimmer und mich auf dem Boden knien sah.
„Was...?“
„Lina Ashton. Möchtest du mich heiraten und für immer an meiner Seite leben bis dass der Tod uns scheidet?“, fragte ich sie und hielt ihr den Ring hin. Sie schlug ihre Hände vor den Mund und Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie antwortete aber nicht und ich wurde unruhig. Als ich gerade enttäuscht aufstehen wollte, rührte sie sich und flüsterte: „Ja.“ Dann rief sie: „Ja! Ja ich will!“ Ich steckte ihr den Ring an den Finger und küsste ihre Fingerknöchel. Dann stand ich auf und drückte meine Lippen auf ihre. Fordernd drückte ich sie nach hinten und sie fiel auf das Bett. Als ich mich gerade daran machte die Knöpfe ihrer Bluse zu öffnen, entzog sie sich mir und drückte sich von mir. Sie setzte sich auf und ich tat es ihr nach.
„Was ist?“, fragte ich leise.
„Ich muss dir was sagen. Doch bitte. Raste nicht aus. Und geh nicht weg ohne etwas zu sagen, ja?“
„Du kannst mir doch alles sagen.“ Ich sah in ihre wunderbare Augen und wartete. Sie schloss die Augen und holte tief Luft. Dann nahm sie meine Hand und legte sie auf ihren Bauch. Sie sah mich nicht an als sie sagte: „Paul. Wir werden bald ein weiteres Mäulchen stopfen müssen. Ich bin Schwanger.“ Dann sah sie mich an. „Sogar zwei Mäulchen. Es werden Zwillinge.“ Mit großen Augen starrte ich sie an und brachte kein Wort hinaus.
„Ein... ein Ba-baby?“, stotterte ich. Zögernd nickte sie. In ihren Augen konnte ich Angst erkennen. Angst vor meiner Reaktion. Ich stand aus, so dass ich direkt vor ihr stand und auf sie herunter blickte. Ihre Augen glitzerten verdächtig.
„Wenn du kein Baby willst, dann...“ Doch sie kannte nicht aussprechen, denn ich schrie auf, hob sie hoch und wirbelte sie herum. Sie lachte und weinte gleichzeitig. Genauso wie ich auch.
„Wir bekommen zwei Kinder?“, wollte ich wissen, denn ich konnte mein Glück noch nicht fassen und sie nickte. Ich legte sie sanft auf dem Bett ab und strich leicht über ihren Bauch. Dann legte ich mich mit dem Kopf auf ihren Bauch und grinste.
„Bist du dir ganz sicher?“, wollte ich wissen.
„Ja. Alle Symptome sind da, meine Tage sind schon drei Wochen überfällig und die drei Schwangerschaftstests, die ich gemacht habe, sind alle positiv ausgefallen.“ Sie wischte mir meine Tränen weg und lächelte mich glücklich an. Ich drückte ihr einen Kuss auf den Bauch und sie fing an zu kichern.
„Bald sind wir zu viert. Du ich und unsere beiden Racker.“, grinste sie.
„Oh Gott! Lina! Ich freue mich ja so!“, rief ich. „Wir müssen es allen sagen! Auch das mit der Hochzeit! Oh das wird so stressig das alles alleine zu organisieren, denn du darfst dich ja nicht überanstrengen. Ich denke ich frage meine Mutter, deine Mutter und meine Schwester um Hilfe...“
„Hey! Ich bin schwanger! Nicht tot krank!“, lachte sie. Oh mein Gott. Ich war restlos glücklich. Wir würden eine Familie gründen und heiraten!
Jetzt war alles perfekt!
„Ich liebe dich Lina!“, sagte ich und gab ihr einen Kuss auf den Mund. Unter meinen Lippen merkte ich wie sie anfing zu lächeln.
„Ich liebe dich auch.“, nuschelte sie undeutlich, denn beim Küssen konnte man nicht wirklich reden.
„Bis ans Ende unserer Tage.“

Anmerkungen der Autorin + Danksagungen


Diese Geschichte hat mir wirklich viel Spaß gemacht. Ich werde sie vermissen. Auch die Charaktere, werde ich vermissen, denn sie sind mir wirklich ans Herz gewachsen. Ich habe für sie Eigenschaften und Aussehen von meinen Freunden oder meiner Familie genommen.
Lina ist zwar genau so wie alle anderen eine erfundene Figur aber sie hat auch ein paar charakteristische Teile von mir übernommen. Das ließ sich in der Geschichte irgendwie nicht vermeiden.

Paul ist eine völlig erfundene Figur. Auch wenn ich wünschte, dass es so einen Mann in Wirklichkeit geben würde. Leider habe ich noch keinen Paul in der Realität kennengelernt. Eigentlich schade, denn ich würde mich wahrscheinlich genauso Rettungslos in ihn verlieben wie Lina es getan hat.


Dass diese Geschichte entstanden und beendet worden ist verdanke ich vielen Menschen, die es verdient haben hier aufzutauchen:

- Meine Schwester Hannah, die zwar murrend und nach vielen Bitten angefangen hat sie zu lesen und am Ende davon begeistert war

- Meiner Freundin Henrike, die mich durch ihre Geschichten dazu inspiriert hat eigene Geschichten zu schreiben.

- Meine Freundin Denise, die mir oft geholfen hat wenn ich nicht mehr weiter wusste.

- Und natürlich meine lieben Leser, deren lieben Kommentare und Kritiken mir die Lust und die Motivation gegeben haben die Geschichte weiter zu schreiben auch wenn ich mal echt keine Lust mehr darauf hatte. 

 

Vielen Dank euch! 

Impressum

Lektorat: Denise K.
Tag der Veröffentlichung: 30.07.2012

Alle Rechte vorbehalten

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