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Nun saß ich da. Und kam mir so verarscht vor, wie noch nie. „Tut mir leid“, hatte er geschrieben. „Aber ich halte das nicht mehr aus. Das zwischen uns muss aufhören.“
Abgesehen davon, dass zwischen uns nichts hätte laufen können, da er eine Freundin hatte, machte er sich einen ganz schönen Kopf. Es lief nicht mal zwei Monate. Mein bester Freund und ich, die wir über alles reden konnten, hatten was miteinander. Nicht viel, aber etwas. Das machte ihm sehr schwer zu schaffen. Anstatt, dass er sich mal über meine Gefühle Gedanken machte.
An diesem Tag, Freitag, war ich so verdammt wütend, dass sich mein gesamtes Ich vollständig zu verändern drohte. „Kannst du mich“, fragte ich meinen älteren Bruder. „bitte heute mit in die Disko nehmen? Ich muss mich abregen.“ Und mich zum ersten Mal in meinem Leben besaufen, dachte ich mir noch dazu.
Zu meinem Glück war er an diesem Tag sehr großzügig und schenkte mir ein ironisches Lächeln. „Weil du meine kleine Schwester bist.“
Zurechtgemacht, wie ich es nur geschafft hatte, stand ich nun mit ihm vor einem Raum, der vollgestopft mit dröhnenden Bässen und elektronischen Klängen war. Ich kannte kaum jemanden dort, sah mich aber um, ob nicht vielleicht doch jemand da war. Ein paar bekannte Gesichter tummelten sich um die Bar. Ein paar andere waren auf der Tanzfläche und zeigten ihr können. Ein schwarzhaariger junger Mann war gerade dabei von einem Ende der Tanzfläche zum anderen zu gleiten, als ich zusammen mit meinem Bruder zu den anderen der Clique schlenderte.
Meinen ersten grünen Wodka schlürfend saß ich auf einem der Barhocker und sah mich im blinkenden Raum um. Der Junge tanzte immer noch, und wenn er mal eine Pause machte, trank er von seiner Cola und warf einen kurzen Blick auf mich. Immer wieder. Ich konnte ihn so zickig ansehen, wie ich wollte. Er redete scheinbar immer wieder mit einem Mädchen, welche ich auch kannte, über mich. Ich versuchte mir einzubilden, dass er mich überhaupt nicht beachtete und sah mich immer wieder um, wen er denn meinen könnte, denn um ehrlich zu sein: er war nicht mein Typ.
Tragischer Weise konnte mein Körper den Alkohol nicht lange behalten und ich verzog mich auf die Toilette. Sie war hygienischer, als ich dachte. Als ich gerade am Waschbecken stand, meine Hände wusch und versuchte meine Haare zu richten, tippte mich eine alte Freundin auf die Schulter.
„Bist du eigentlich noch single?“, fragte sie neugierig nach einer flüchtigen Umarmung. Verwirrt schüttelte ich den Kopf und erklärte ihr, dass mir gerade das Herz zerrissen worden war. Nach einer Sekunde Mitleid fiel sie sofort in einen ihr üblichen Tratschton. „Weißt du, ein Kumpel von mir schaut dich die ganze Zeit an und hat nach dir gefragt, ich glaube, er ist an dir interessiert.“ Kichernd beschrieb sie ihn und verriet mir den Namen. „Den kenne ich nicht“, sagte ich kaltherzig und verließ mit ihr zusammen die Damentoilette.
Vor der Tanzfläche erwartete uns bereits der feste Freund meiner Freundin und neben ihm stand – wie war es anders zu erwarten – der Tänzer mit den schwarzen Haaren. Sie stellten uns gegenseitig vor, wobei wir beide nicht besonders erfreut unser „Hi“ heraus brachten. Einige Stunden nach Mitternacht und meinem dritten Glas grünem Wodka, kam der Schwarzhaarige zu mir herüber und fing an mir Fragen zu stellen. Anfangs war ich noch etwas zurückhaltend, ich wollte ihn nicht wirklich kennenlernen. Doch nach ein paar Minuten wurde ich lockerer und erkannte, dass er ganz anders war als die anderen Jungs, die ich bisher kennengelernt hatte.
Es stellte sich heraus, dass er gerade sein Abi machte. Und er trank kaum Alkohol. Das machte mir ein etwas schlechtes Gewissen. Denn das tat ich normalerweise auch nicht. Ich war streng gegen zu viel Alkohol. Komasaufen und diese ekligen Betrunkenen fand ich einfach abstoßend. Er war genau meiner Meinung.
Was mich sofort wieder abgeschreckt hat, war, dass er Raucher war. Igitt. Aber dagegen konnte ich ja nichts sagen.
Nach einer gefühlten Stunde Unterhaltung tauschten wir unsere Nummern aus. Tat ich normalerweise auch nicht. Aber an diesem Abend war mir irgendwie alles Recht.
Und irgendwann war es dann vier Uhr in der Früh und ich verabschiedete mich von ihm. „Ich fahre auch heim. Ich wohne ein bisschen weiter weg. Dann bin ich um halb sechs daheim.“ Das Lachen war irgendwie faszinierend. Zusammen verließen wir mit der Clique meines Bruders die Disko. Es war arschkalt und meine Jacke lag im Auto. Und als wäre diese verdammte Kälte nicht genug gewesen, fing es auch noch zu tröpfeln an. Mein Körper zitterte und meine Zähne klapperten wie verrückt. Wie sexy.
Der schwarzhaarige Junge streife seine Jacke ab und legte sie mir über die Schultern. Das einzige, was ich rausbrachte war ein unklares „D-d-d-d-an-ke“ und ein schwaches Lächeln. Er legte seinen Arm um mich, gerade als unserem Fahrer auffiel, dass noch zwei Leute fehlten und aber nur noch einer davon in sein Auto passen würde. Wir standen also vor einem Problem.
„Darf ich dich mitnehmen?“, fragte auf einmal eine leise Stimme neben mir. „Ich kann dich nach Hause bringen, dann müssen die anderen nicht zwei Mal fahren.“ Ungläubig und zitternd starrte ich ihn wortlos an. Er schlug diese Idee auch den anderen vor. Zu meiner Erleichterung lehnten sie ab. „Ich hatte eh vor, zwei Mal zu fahren. Das geht in Ordnung.“
Immer wieder bestand der Junge darauf, mich heim zu fahren. Ich hatte aber irgendwie Angst und lehnte genau so oft ab. Was, wenn er sich mehr vorstellt, als eine Freundschaft?
Also gab er am Schluss doch nach und wir umarmten uns zum Abschied. „Komischer Typ“, dachte ich mir damals. „Das wird nie mehr als eine Freundschaft.“ Hätte ich damals gedacht, was für ein einzigartiger Mensch er ist und ich gewusst hätte, dass daraus doch mehr werden könnte, hätte ich auf die Frage „Darf ich dich mitnehmen?“ vielleicht mit einem „Ja“ oder sogar einem „Natürlich“ geantwortet, um von Anfang an mehr Zeit mit ihm zu verbringen.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 04.07.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich meinem Freund, denn so sind wir zusammen gekommen. Und meiner Freundin Verena, die mich immer unterstützt.

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