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Ein Mann und sein Esel

Ich sehne mich nach der Dämmerung. Nur dann kann ich frei sein, frei um sie zu besuchen. Seit langem warte ich darauf sie, mit all ihren lieblichen Eigenschaften zu erblicken. Mein Herz erschauert, als meine Augen die untergehende, orange-rote Sonne wahrnehmen. Sie und die Sonne sind sich sehr ähnlich, sie beide kommen und gehen und in ihren Positionen harren die Kalten und Gefühlslosen mit mir aus. Die Dunkelheit, die mich umgibt, verbrei-tet ein Gefühl der Einsamkeit und treibt mich weiter. Mein treues Tier, Balthazar, wartet schon, bereit mit mir gegen die hereinbrechende, ruhige Nacht anzutreten. Vor uns stehen die beeindruckenden und ehrfurchtserregenden Fichten, die in einem dichten Wald sich gegenseitig fast umarmen. Aus den Sträuchen zwischen den Bäumen starren mich tausende von kleinen Augen an. Als wollen sie ausdrücken was sie mit mir planen. Meine Hände verkrampfen sich schmerzhaft in Balthazars Zügel. Mein Herz pocht laut in meinem Brustkorb. Der Ruf einer Eule, schreckt mich auf. Ich treibe meinen geliebten Esel weiter voran und meine aufwallende Panik sticht Balthazar wie eine Biene. Er schreitet so schnell wie er kann, denn auch ihm erscheint dieser finstere Wald nich wohlgesonnen gegenüber uns. An meinem Hosenbein stechen bereits die krallenähnlichen Äste und Zweige zu und zerreissen mir die samtende, aus Seide gesponnene Hose. Balthazars weiß-graues Fell bedeckt nun Blut, das von den Schrammen und Kratzern auf meinem Bein hervortritt und gemächlich Richtung Boden rinnt. Doch ich werde sämtliche Qualen auf mich nehmen nur um bei ihr zu stehen und sie fest in meine Arme zu schließen. Mein Engel der Nacht, ich sehne mich nach ihr, ihre Umarmungen, ihre Küsse und ihre Liebe. Ich erspähe ihr bescheidenens Haus und ein warmes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Sie allein kann mein kaltes, zersplittertes Herz schmelzen und in ein neues formen. Ich führe Balthazar hinter ein paar Bäume, denn auch wenn er mein treues Reittier bleibt, so schäme ich mich, auf einem Esel zu ihr zu reiten. Da kommt meine Geliebte, was für ein Gefühl der unschlagbaren Freude mich in diesem Moment erfüllt. Wir grüßen uns mit einem Kuss, doch bleiben wir stehen und umarmen uns. Wie ich ihr Gesicht, ihre grünen Augen und ihren Duft vermisst habe. Die kalten Strahlen des Mondlichtes fallen auf ihre schwarzen Haare. Sie ist meine Göttin. Diejenige, die mich anlächelt, wenn die Welt mich unterdrückt. Auch wenn ich nur bei Mondschein an ihrer Seite verweilen kann, meine heißblütigen Gefühle flüstern mir ins Ohr, dass es nicht möglich wäre. Ich betrat die Falle der Liebe freiwillig, als solches müssen andere verstehen, dass niemand ihr das Wasser reichen kann. Sie nimmt meine Hand und zieht mich stumm mit sich. Ich nehme ihr kleines Lächeln, das über die kommende Nacht mehr verrät als mein Engel verstehen kann, wahr. Mein Körper erschauert, als wir ihrem Zimmer nahe kommen. Diese Nacht singt schon voll Hingebung und ihre süßen Töne, namens Liebe tanzen mit. Die Tür aus lackierter Eiche öffnet sie mit einiger Mühe. Dieses Stück Holz bewegt sich schwer und verspricht mir, meine Geheimnisse zu wahren. Meine Göttin gewehrt mir Eintritt in ihre Gemächer und meine Hand greift ihre in einen festen Halt. Wir betreten ihr Zimmer mit einer Stille, die normal für uns klingt. Die Stille äußert sich vermeintlich laut und wir beginnen unser nächtliches Spiel.

 

Am frühen Morgen, wo die Welt noch in Graustufen gezeichnet wird, sehen wir uns tief in die Augen. Trotzdem ich nie mit ihr rede, verdeutliche ich meine imposanten Gefühle für sie und ich lese ihre in ihrem Gesicht ab. Wir brauchen keinerlei bedeutungslose und nichtsnützige Worte. Ein Wind weht ihr die Haare von ihrem reizenden Gesicht und ich sehe ihre Augen, die nicht mehr wie die Sterne am Nachthimmel funkeln. Fragen, will ich sie, was ihr diesen Gesichtsasudruck verleiht, doch ich kann mich nicht dazu bringen. Mein Herz fühlt die Schmerzen, als der Gesichtsasudruck meine Engels sich verdüstert. Sie scheucht mich hinfort und ich sehe von dem breiten Baum, hinter dem ich mich verstecke, einen großen und schwer muskulösen Mann auf sie zustapfen. Er umarmt und küsst sie in einer barbarischen und brutalen Weise. Sie lächelt ihn nur an und küsst ihn sanft auf seine rauen Lippen. Mein Herz splittert und ich erspähe etwas, das davor nicht viel Beachtung wert war. Ein goldenes Band um ihren Ringfinger, mit einem blauen Edelstein, den ich von meiner Position aus, nicht näher erkennen kann. Die Farbe der Welt wurde rot und ich erkenne denselben Ring, den meine Geliebte trägt doppelt. Die Strahlen der heiteren Sonne lassen die Ringe des verheirateten Pärchens aufblitzen. Meine Augen haben genug erspäht, um zu verstehen, dass Liebe auf dieser Welt für mich nicht existiert. Entmutigt, und mit tiefhängendem Kopf trotte ich zu Balthazar. Ich nehme seine Zügel, doch ich steige nicht auf, sondern beginne ihn zu führen. Meine nicht wahrgenommene Führung lässt uns auf eine kleine Lichtung mit Flusslauf stoßen. Ich befreie meine steife Hand von den Zügeln und setze mich neben einen Baum. Balthazar, hingegen begibt sich zu dem Fluss. Er stillt seinen Durst und grast friedlich in der Lichtung. Meine Gedanken kreisen um die Szene, die ich miterlebt habe. Mein Herz bröckelt und droht zu kollabieren. Ich schmecke bittere Zitronen, die mir die Fähigkeit mich laut zu äußern stehlen. Mein Engel benimmt sich wie meine ehemalige Gattin. Eine rauhe, lange und nasse Zunge weckt mich aus meinen Gedanken. Balthazar steht vor mir, seine Schnauze presst er sanft gegen meine Brust. Erneut leckt er mir die Wange. Ich sehe ihn verdutzt an und er blickt mich mit seinen beruhigenden und großen, braunen Augen an. Plötzlich verstehe ich, was er mir mitteilen will. Mein heiteres Lachen ertönt in der Lichtung und scheucht viele Vögel von den Baumkronen. Ich richte mich auf und umarme Balthazar. Auch wenn mich die Frauen betrügen, er wird niemals von meiner Seite weichen. Schließlich komme ich zu dem Entschluss, die Welt mit meinem tierischen Begleiter und Freund zu bereisen und ich danke euch Götter, mir meinen geliebten Freund, Balthazar, geschickt zu haben.

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Tag der Veröffentlichung: 21.02.2014

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