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Ein KURZER Tag




Viertel vor acht… Der Wecker klingelte bereits zum vierten Mal, doch Frau Kurze dachte noch nicht einmal ans Aufstehen.
Sie wälzte sich verschlafen in ihrem Bett – ähm… vielleicht wäre es besser es Gruselkabinett zu nennen.
Die Regale in dem kleinen Schlafzimmer türmten sich mit Büchern. „Schüler dissen leicht gemacht“, „Schlechte Noten geben leicht gemacht“, „Wie lasse ich meine Schüler erfolgreich durch die Prüfung fallen“ und „Notenwürfeln nach Maß“. Werke wie diese lagen überall herum.
An der Wand gegenüber des Fensters stand ein kleines Tischchen. Es war das Herzstück des Raumes. Oder eher des gesamten Hauses.
Fünf Minuten vor acht. Wieder klingelte der Wecker und wieder gab es keine Reaktion…
Acht Uhr. Nun meldete sich der Radiowecker zu Wort und das Lied „Guten Morgen Sonnenschein“ ertönte.
Grunzend wälzte Brigitte Kurze sich von einer Seite auf die andere und warf mit einem ihrer Kissen blindlings durchs Zimmer. In der Hoffnung den sie bei ihrem Schönheitsschlaf störenden Wecker zu erwischen.
Doch wie an jedem Morgen flog das Kissen sonst wo hin, nur nicht auf den Wecker.
Langsam, vor sich hin schimpfend, stand sie auf und schaute auf die große Standuhr neben ihrem Kleiderschrank.
„Acht Uhr?!“ Erschrocken riss sie die Augen auf. Acht Uhr… Das bedeutete sie musste sich beeilen. Sehr beeilen…
Ohne auf die am Boden liegenden, vom Vortag übriggebliebenen Klassenarbeiten einer siebten Klasse zu achten stürmte sie los. Richtung Kleiderschrank um sich schnell irgendetwas zum Anziehen zu holen.
Es kam wie es kommen musste. Sie rannte direkt über die Zettelstapel und die fein säuberlich aufgeschichteten, allesamt mit Noten zwischen 3- und 6 beschriftet flogen in alle Richtungen.
„Umpf!“
„.“ Brigitte fluchte, doch Zeit um das Chaos zu beseitigen bliebt ihr keine.
Schlechte gelaunt riss sie die Schranktüren auf – und vergaß dabei das das obere Scharnier der linken Tür nur noch lose herunterhing. Als sie an der Tür riss löste sich auch das andere und sie hatte die gesamte Tür in der Hand.
„Verfluchtes Scheißding!“ Sie versetzte der Schranktür einen Tritt und beförderte sie an die Wand. Daraus konnte sie später Brennholz machen, jetzt zählte nur das sie endlich im Auto saß und losfahren konnte.
Sie griff nach dem erstbesten T-Shirt und zog es über.
Es war giftgrün.
Das Nächste was sie in der hand hielt war eine blaue Jeans Hose. „Auch gut.“ Brummte sie und schlüpfte in die Klamotten.
Zum Frühstücken war unter diesen Umständen natürlich keine Zeit mehr. Das einzige was sie sich noch Schnell vom Schlüsselbrett griff war ihr Autoschlüssel, dann stürmte sie auch schon hinaus auf den Flur und den Gang hinunter.
An der Haustür hielt sie inne. Hatte sie nicht etwas vergessen?
„Natürlich!“ Rief sie und rannte zurück, den Flur entlang und die Treppe nach oben. Hektisch riss sie die Tür ihres Schlafzimmers wieder auf und griff nach einem kleinen, auf dem Tisch an der Wand liegenden Kästchen. Behutsam öffnete sie die kleine Holzschachtel.
Um ein Haar hätte sie ihre Schicksalswürfel zuhause vergessen.
In all den Jahren ihrer bisherigen Dienstzeit hatte sie ihre Schicksalswürfel ein einziges Mal vergessen und an dem Tag aus versehen eine Note 1 vergeben. Wenn sie daran zurückdachte lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter. Eine Note 1… so etwas gab es unter ihrer Regentschaft nicht. Nicht einmal zu Feiertagen.
Sie nahm die zwei Würfel aus dem Kasten und schob sie in ihre Hosentasche. Dan stürmte sie wieder zurück nach draußen. Ihr Auto stand einige Meter entfernt unter einer alten Eiche.
Als sie darauf zuging viel ihr etwas auf. Direkt vor ihr Parkte ein großer Blauer Rover. Nicht einmal dreißig Zentimeter von ihrer Stoßstange entfernt.
„Arschgesicht.“ Knurrte Brigitte.
Dem würde sie es beim Ausparkten so richtig geben.
Sie schloss die Fahrertür ihres Autos auf und stieg ein. Bevor sie den Motor startete warf sie einen Blick in den Rückspiegeln und was sie sah lies sie vor Wut in das Lenkrad beißen. Nur wenige Zentimeter hinter ihr Parke noch ein Auto. Ein bunter Hippie-Bus.
Wie hatte sie den nur übersehen können?
Wutentbrannt stieg sie wieder aus und knallte die Autotür ins schloss.
Das konnte doch nicht Wahrsein!
Mir Schrecken hörte sie die Kirchenuhr schlagen. Acht Uhr fünfzehn…
Dann sah sie den großen, roten Stadtbus um die Ecke biegen. Ohne zu überlegen sprintete sie los, rannte einige Meter neben dem Bus her und versuchte dem Fahrer mit furchterregenden Grimassen und schreiben auf sich aufmerksam zu machen.
Eher zufällig drehte der Busfahrer sich zur Seite und bemerkte sie. Erschrocken hielt er an und öffnete die Türen. Frau Kurze sprang in den Bus und kreischte den Fahrer an er solle gefälligst gucken und ahnungslose Fahrgäste nicht Kilometerweit neben dem Bus her rennen lassen.
„Sie mich auch.“ Brummte der Fahrer und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße.
So eine Person hatte er noch nie erlebt.
„Soll froh sein das ich die Hexe noch reingelassen habe…“ Murmelte er in seinen Bart.
Frau Kurze hatte sich mittlerweile auf die Letzten Bank gesetzt und starrte finster vor sich hin.
„Geht das nicht schneller?!“
Ihr hysterischer Befehlston lies die anderen Fahrgäste zusammenzucken.
„Nun fahren sie schon sie Opa!“
Der Fahrer konnte bloß den Kopf schütteln. So etwas hatte er wirklich noch nie erlebt.
„Ich werde mich bei ihrem Chef beschweren! Und sie danach verklagen wenn sie mich nicht sofort in die Stadt fahren!“
Empörtes raunen ging durch den Bus. Eine ältere Dame sah Frau Kurze geschockt an.
„Aber wie reden sie denn? Dies ist ein öffentliches Verkehrsmittel und ich erwarte anstand!“
Brigitte bedachte die Dame mit einem zornentbrannten Blick. „Was erlauben sie alte Schachtel sich eigentlich?“
Die Frau wollte gerade etwas erwidern, als der Busfahrer rechts auf dem Seitenstreifen hielt und nach hinten kam. „Nun reicht es wirklich. Dies ist keine Irrenanstalt sondern ein seriöses Linienbusunternehmen. Die anderen Fahrgäste möchten ihre Fahrt in unseren Beförderungsmitteln genießen.“
Frau Kurze knurrte wieder.
„Ich muss sie darum umgehend bitten meinen Bus nun zu verlassen. Unter diesen Umständen kann ich sie nicht befördern.“
Mit wutverzerrtem Gesicht stampfte sie durch die geöffneten Glastüren des Busses.
Noch immer murmelten die anderen Leute aufgebracht.

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Texte: Alle Bilder von Google. -> Bildersuche
Tag der Veröffentlichung: 18.05.2011

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Widmung:
Für Kelly. =)

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