Prolog
Klopfen, rhythmisches Klopfen. Herzschläge. Ich atme tief ein und sehe wie mein Atem als Rauchform empor steigt. Es ist kalt. Winter? Gibt es an diesem Ort überhaupt Winter? Sich nicht. Ein weiterer Atemzug. Als ich das erste Mal auf dieser Lichtung stand roch es noch Blumen, doch jetzt richt es modrig und man fühlt keinerlei Lebensfreude. Ich warte, zusammen mit meiner Familie. Kann man sie Familie nennen? Kann man, sie sind die einzigen die ich noch habe. Wir warten, ungeduldig. Auf jene, deren Herz nicht schlägt. Doch gibt es eine Ausnahme, einen Verräter. Ich habe ihm vertraut, wir alle haben ihm vertraut. Ein weiterer Herzschlag ist zuhören, jedoch ist er weit entfernt. „Anita, hörst du es?“. Ich nicke verkrampft. Nun ist es also soweit. Der Kampf naht. Mein Atem wird hektisch und eine Hand legte sich auf meine Schulter, sie beruhigt. Einen kurzen Augenblick später erscheinen sie, die Monster, er ist ganz vorn dabei. Sie bleiben etwa zehn Meter von uns stehen. Außer unseren Herzschlägen ist bloß eine zu hören. Es zerreißt mir das Herz ihn bei ihnen zusehen. Wie kann man sich nur so in einem Menschen täuschen. Wie kann man sich in jemanden wie ihn verlieben? Ja, ich bin verliebt, in ihn, so unsterblich verliebt. Ihr Anführer kommt einen Schritt näher und auch unser Anführer, der König geht einen Schritt vor. Der König will Frieden, doch was will der dunkle Kaiser? Alle warten, angespannt. Der dunkle Kaiser fletscht die Zähne. Nun ist es also soweit. Der Kampf beginnt. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun um sie, meine Familie zuretten. Ich kann nicht zulassen, dass ich sie verliere, so wie ich meine Eltern verlor. Ich blicke ihm, dem den ich vertraute ins Gesicht, er zeigt keine Reaktion. Er ist Kampfbereit. Ich bin es auch. Nur eine Seite kann gewinnen und ich werde dafür sorgen, dass es meine Seite ist, die Seite meiner Familie…
Kapitel 1
Schweißgebadet wachte ich aus meinem Traum auf. Wie hätte es auch anders sein sollen. Noch benommen schaute ich auf die Uhr. Es war halb fünf am Morgen. Ich hatte wieder nur vier Stunden geschlafen. Es verging keine Nacht, in der mich Albträume nicht aus dem Schlaf rissen. Das Mondlicht schien mir ins Gesicht. Ich knipste mein Nachtlicht an und verließ zitternd mein Bett. Noch etwas unsicher auf den Beinen ging ich zum Fenster. Ich öffnete es um die Nachtluft zu genießen. Ich steckte meinen Kopf hinaus und schaute mir die Sterne an. Mein langes blondes Haar wehte rhythmisch im Wind hin und her. Der Wind war recht kühl, und ein kalter Schauer fuhr mich über den Rücken. Ich schloss das Fenster und ging zurück zum Bett. Ich lies mich hinein sinken und seufzte. Wie lang sollte das mit den Albträumen noch weitergehen? Ich griff nach dem Bild, das auf dem Nachttisch stand und seufzte erneut. Ich blickte in die Gesichter meiner Eltern. Sie sahen so glücklich aus. Mein Körper find bei dem Gedanken an sie an zubeben und ich stellte das Bild zurück auf seinen Platz. Die inzwischen so vertraute Nässe floss meine Wangen hinunter. Ich schloss meine Augen und fing wieder an zu träumen. Ich träumte von meiner lieben Mutter, wie sie lachend an einem Strand steht. Sie ruft mich zu sich. Ich will zu ihr laufen, doch ich komme nicht von der Stelle. „Los Anita, komm schon her.“, rief sie lachend. Ich schrie immer wieder nach ihr und sagte, dass es nicht ginge. Im nächsten Augenblick, sah ich sie im Wasser um Hilfe schreien. Wieder kam ich nicht von der Stelle um ihr zu helfen. Ich sah, wie sie ertrank. Erneut erwachte ich aus meinem unruhigen Schlaf. „Warum?“, wisperte ich leise. Warum war ich zu jener Zeit nicht in der Lage gewesen meinen Eltern das Leben zuretten? Erneut schaute ich auf die Uhr es war nun halb acht am Morgen. Es machte keinen Sinn mehr zu schlafen.
Der Tag zog an mir Vorbei, bis es um drei Uhr am Nachmittag an der Tür klingelte. Ich ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt breit. Mein Vermieter stand mit verschränkten Armen vor mir. „Miss Monroe, Ihre Miete ist seit drei Monaten überfällig. Wenn sie nicht bald zahlen, muss ich Sie rausschmeißen.“, sprach er streng. Ich schaute den alten Mann ungläubig an. „Was, schon drei Monate?“, fragte ich tonlos. Panik überkam mich. „Mr. Clayton, ich versichere Ihnen, dass ich bald zahle, aber im Moment habe ich kein Geld.“, fuhr ich fort. Er musterte mich genau und dann seufzte er. „Miss Monroe, ich will sie wirklich nur ungern die Wohnung kündigen, aber Sie müssen zahlen, wie alle anderen auch. Weil Sie es sind, gebe ich Ihnen noch einen Monat Zeit.“, sagte er schließlich. Ich lächelte ihn dankbar an und dann ging er. Ich verschloss die Tür und eilte Richtung Schlafzimmer. So kann es nicht weitergehen, ich muss mir endlich einen Job suchen. Ich zog mir schnell eine Jeans und einen Pullover an. Dann griff ich nach meinem Mantel und zog ich hastig drüber. Mit dem Wohnungsschlüssel und keinem Cent Geld in der Tasche verließ ich meine mickrige Wohnung.
Gedankenverloren schlenderte ich nun durch die Straßen. Vom Wolken bedeckten Himmel fielen große silberne Tropfen, die glitzerten wie Diamanten. Ich kam an vielen Läden vorbei, aber keines wollte mir gefallen. Nach geraumer Zeit kam ich an einem alten Buchladen vorbei, vordem ich auch stehen blieb. Irgendwie kam mir dieser kleine schmuddlige Laden bekannt vor. Ich spähte durch das Schaufenster. Mein Blick blieb an dem alten grauhaarigen Mann hängen, der mir freundlich zuwinkte. Ich lächelte ihn an und betrat den Laden. Eine angenehme Wärme kam mir entgegen und ich hielt Ausschau nach dem alten Mann, den ich kurz zuvor noch durchs Schaufenster gesehen hatte. Da nirgendwo etwas von ihm zusehen war, schritt ich durch den kleinen Laden und schaute mir ein paar Bücher an. Ich sah viele Bücher, doch keines sprach mich wirklich an. „Kann ich Ihnen helfen Miss?“, fragte eine freundliche alte Stimme. Die Stimme kam so unerwartet, dass ich zusammen fuhr. Ich drehte mich zu ihm und lächelte. „Hallo, mein Name ist…-“ „Anita Monroe.“, unterbrach er mich. Verdutzt schaute ich ihn an. „Ich bin’s, Charlie Otis, wahrscheinlich kannst du dir gar nicht mehr an mich erinnern. Du kamst früher oft mit deinen Eltern her, als du noch klein warst.“, sprach er enthusiastisch. Ich überlegte einen Augenblick und dann fiel es mir wieder ein, jedoch hatte ich den Laden viel lebendiger in Erinnerung. „Ja, ich erinnere mich. Meine Mutter und ich haben immer gern Bücher bei Ihnen gekauft.“ „Genau, du kannst dich also doch erinnern. Aber Sag mir, wie kann ich dir weiterhelfen?“, fragte er. Ich überlegte genau, ob ich ihn wirklich nach einem Job fragen sollte. „Wenn ich ehrlich bin, wollte ich Sie fragen, ob Sie vielleicht einen Job zu vergeben haben.“, sprach ich verlegen. Er sah mich traurig an. „Tut mir Leid, ich kann dir leider keinen Job geben, da ich viel zu wenig verdiene. Tut mir Leid.“ Er musterte mich und verschwand hinter einer Tür. Verwundert blieb ich dort stehen, wo ich zuletzt stand. Nach kurzer Zeit kam er wieder, er lächelte. „Ich kann dir zwar keinen Job geben, aber dafür dieses Buch.“, sprach er. Er gab mir ein sehr alt aussehendes Buch mit einem goldenen Einband. Verwunderte schaute ich ihn an. „Dieses Buch hat mir einst deine Mutter gegeben und es hat ihr viel bedeutet. Ich find es nur richtig, wenn du es jetzt bekommst.“ Ich fragte nicht weiter nach, es würde zu sehr wehtun über meine Mutter zusprechen. Nachdem ich mich bei dem alten bedankte hatte ging ich zurück nach Haus. Ohne Job, dafür mit einem sonderbaren altem Buch.
Zurück in meiner Wohnung legte ich zunächst das merkwürdige Buch auf die Küchenzeile und machte mir einen warmen Kakao. Ich zog meinen nassen Mantel aus und hing ihn über die Heizung. Mit einem Handtusch rubbelte ich meine Haare wieder trocken. Mit einer Tasse warmen Kakao und dem Buch setzte ich mich auf meine alte Couch. Ich nahm einen Schluck und stellte die Tasse dann auf den Boden. Ich widmete mich voll und ganz dem Buch. Ein paar mal strich ich über den edlen Einband und versuchte zu entziffern, was auf dem Einband stand. Es war unlesbar, eine andere Sprache, wie ich vermutete. Als ich das Buch öffnete sah ich nichts. Die erste Seite war leer. Verwirrt blätterte ich weiter, doch nichts. Auch die folgenden Seiten waren unbeschrieben. Wieso gab mir der alte Buchhändler Charlie ein Buch in dem nichts drin stand? Warum sollte ein unbeschriebenes Buch meiner Mutter so viel bedeutet haben sollen? Enttäuscht warf ich das Buch auf den Boden, vor die Couch. Der Tag hätte mir einen Job bringen sollen und nicht ein blödes unbeschriebenes Buch. Meine Miete, konnte ich damit nicht bezahlen. Sofort tat es mir Leid, dass ich das Buch so unsanft weggeworfen hatte. Ich rappelte mich auf und bückte mich um es aufzuheben. Mein Blick blieb unter der Couch hängen als ich dort etwas glitzern sah. Flach auf dem Boden liegend griff ich nach dem glitzernden etwas. Ich zog es hervor und sah die alte Kette meiner Mutter. Sie schenkte sie mir kurz vor ihrem Tod. Wie kam sie nur unter die Couch? Die Kette hat mich schon in meiner Kindheit fasziniert, vor allem dieser eigenartige Anhänger. Man erkennt keine eindeutigen Formen, trotzdem wirkt es auf mich als wäre es beschützend. Es sieht so edel aus, als wäre es nicht von Menschenhand gemacht, nicht aus dieser Welt. Ich schmunzelte als mich die Erinnerung überkam, wie sehr ich Mutter um diese Kette beneidete. Ich setzte mich wieder auf die Couch und legte mir die feine Kette um den Hals. Sie saß wie angegossen. Auch wenn es mir nicht neu war, war ich erstaunt. Ich spähte aus dem Fenster und sah, dass es schon dunkel draußen war. Ein lautes Gähnen entfuhr mir und ich lachte. Das Buch legte ich zurück auf den Tisch, dann verließ ich das Wohnzimmer und ging zu Bett, selbst wenn ich wusste, dass ich dank meinen Albträumen nicht lang schlafen könne.
Und es passierte dasselbe wie jede Nacht, ein Albtraum riss mich aus dem Schlaf. Völlig aufgelöst setzte ich mich in meinem Bett auf und knipste das Nachtlicht an. Tränen der Angst liefen mir das Gesicht herunter, so wie jede Nacht. Ich träumte das jemand meine Eltern erschoss und wieder war ich nicht in er Lage sie zuretten. Wie sollte ich jemals wieder ruhig schlafen können? Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte fiel mein Blick auf meinen Nachttisch. Komischerweise lag dort, das Buch, das ich von Charlie bekommen hatte. Verwirrt nahm ich es in beide Hände und schaute es mir erneut an. Ich war mich hundertprozentig sicher, dass ich es auf dem Tisch im Wohnzimmer hab liegenlassen. Langsam atmete ich ein und aus, dann öffnete ich das Buch. Es war unglaublich. Ich wollte meinen eigenen Augen nicht trauen. War ich etwa verrückt geworden oder lag es daran, dass ich zuwenig schlief? In dem Buch stand nun etwas geschrieben. Es war zwar diese merkwürdige fremde Sprache, aber in diesem Buch standen Buchstabe, Wörter, Sätze. Verblüfft blätterte ich weiter und wie durch Zauberei konnte ich plötzlich lesen, was in diesem Buch geschrieben stand. Ich blätterte immer weiter ohne den Inhalt zu lesen. Ich konnte einfach nicht glauben, was ich sah. Als ich komplett durchgeblättert hatte schlug ich wieder die erste Seite auf und begann dort zu lesen.
>Eine andere Welt, eine Welt voller Liebe und Aufrichtigkeit. Doch die dunkle Macht ist zurück gekehrt. <, waren die ersten Worte des Buches. Urplötzlich begann es um mich herum zu beben, alles vor meinen Augen wackelte und verschwamm. Ein starker Windzug ging durch mein Zimmer und meine Ohren rauschten. Ich schrie verzweifelt auf und hoffte, dass es bald aufhöre, betete dass es nur ein Traum sei.
Kapitel 2
Ein harter Aufprall ließ mich erneut aufschreien. Am ganzen Leib zitternd lag ich auf einem harten Boden. Als mir bewusst wurde, dass die Gefahr vorbei war, öffnete ich vorsichtig die Augen. Das Sonnenlicht war hell, zu hell. Ich schloss die Augen wieder. Nun wusste ich, was für eine Helligkeit mich erwartete. Ich öffnete sie weniger weit und schirmte den Spalt mit meinen Wimpern ab. Hektisch atmend blieb ich auf dem Boden liegen und ließ sich meine Augen an das Licht gewöhnten und öffnete sie ganz. Ich richtete mich auf und sah mich um. Ich sah viele Bäume, Büsche und Blumen. Etwas weiter entfernt hörte ich Wasser plätschern. Wo war ich bloß gelandet? Was ist nur mit mir passiert? Panik überkam mich. War ich nur wieder in einem meiner Träume, in denen immer etwas Schlimmes geschieht? Nein, das war unmöglich, es war zu real. Plötzlich hörte ich ein Klopfen, das immer schneller wurde. Ich sah mich um, doch ich sah nicht, woher das Klopfen herkommen konnte. Es wurde lauter. Ich bekam es mit der Angst zutun. Voller Panik schaute ich mich um und lauschte dem Klopfen. Dann, als das Klopfen so nah schien, erblickte ich jemanden, einen Mann. Er war genau so erstaunt jemand zusehen wie ich. Misstrauisch kam er näher. Einen Meter von mir entfernt blieb er stehen. „Wer bist du, Fremde?“, fragte er mit einer kalten Stimme, was mich zusammen zucken lies. „Ich bin Anita.“, sprach ich schüchtern. Er musterte mich genau und kam näher. „Und wie kommst du hier her Anita?“, fragte er in demselben hasserfüllten Ton. Tränen der Verzweiflung stiegen mir in die Augen. „Ich weiß es nicht. Ich…“, doch weiter kam ich nicht. Die Tränen übermannten mich. Er rührte sich keinen Zentimeter. „Da war dieses Buch.“, fuhr ich fort doch wieder versagte meine Stimme. Ich schaute ihn verzweifelt an, dann lächelte er. „Ich werde dich zum König bringen, er weiß Rat.“, sprach er nun freundlich. Ich wischte mir die Tränen weg. Er machte eine Handbewegung, die mir signalisieren sollte, dass ich mit ihm gehen solle. Noch etwas wacklig auf den Beinen ging ich neben ihm. „Willst du mir nichts sagen, wie du heißt?“, fragte ich den schwarzhaarigen schüchtern. „Nein.“, antwortete er verbittert. Seine böse Art erschrak mich. Keiner von uns beiden sagte etwas. Still schweigend gingen wir neben einander her, bis wir vor einem riesigen Schloss standen. Ich war beeindruckt und blieb fast stehen. Als ich jedoch bemerkte, dass er einfach weiterging, ging auch ich weiter. Wir schritten durch ein Tor und kamen auf einen großen Platz auf dem viele Menschen waren. Bis hierher hatte ich das Klopfen nicht mehr wahrgenommen, aber jetzt war es wieder deutlich zuhören. Viel lauter, und es schien, als wären da mehrere verschiedene Klopfe.
Ich schaute mich hektisch um ob auch die anderen Menschen auf die Laute reagierten. Doch nichts, es schien, als würden sie es nicht bemerken. Ich erblickte ein Mädchen von circa fünfzehn Jahren. Als sie meinen Begleiter sah, strahlte sie. Erfreut kam sie auf uns zu gelaufen. „Sei gegrüßt Cole.“, sprach sie ihn freundlich an. „Hallo May Belle.“, antwortete er steif. Sein Name war also Cole und das Mädchen heißt May Belle. „Sag Cole, wer ist deine reizende Begleiterin?“, fragte sie nachdem sie mich musterte. „Ihr Name ist Anita.“ „Und wie kam sie zu uns?“ „Sie kam mit dem Buch.“, sprach er verbittert. Das Mädchen sah ihn erstaunt an und sagte ihm dann, dass sie uns bei unserem Weg begleiten werde. Cole willigte ein und wir gingen weiter. Niemand sagte etwas. „Und du bist wirklich mit dem Buch gekommen? Das ist erstaunlich!“, sprach May Belle zu mir. Ich nickte. „Darf ich dich mal etwas fragen?“ „Nur zu.“ „Ich höre immerzu dieses Klopfen.“, sprach ich leise. Sie lachte. „Das ist wahrlich interessant. Du hörst Herzschläge.“, antwortete sie. Sie sah mich entschuldigend an und ging zu Cole, der etwas weiter vor uns ging. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er sah May Belle erschüttert an und beschleunigte seinen Gang. Ich hatte mühe mit den beiden mit zuhalten. Dann plötzlich blieben sie stehen. Cole drehte sich hastig um und kam auf mich zu. Er packte mich am Arm und sah mich wütend an. „Du wirst gleich nichts als die Wahrheit sagen und nur sprechen, wenn es dir gestattet wird. Ist das klar?“, schrie er mich an. Erschrocken von seinem Verhalten war ich nicht in der Lage zuantworten. Tränen liefen mir die Wangen runter, er tat mir weh. „Antworte schon!“, schrie er abermals und schüttelte mich. „Cole, merkst du es nicht, du tust ihr weh!“, schrie ihn May Belle an. Er wirbelte herum und funkelte sie an. Dann schaute er mich wieder eindringlich an und lies meinen Arm los. Weinend sackte ich zu Boden. May Belle kam zu uns gelaufen. „War das wirklich nötig Cole?“, schrie sie ihn an. Er murmelte etwas, was ich nicht verstehen konnte und entfernte sie wütend etwas von uns. May Belle zog mich an den Armen hoch und flüsterte mir immer wieder beruhigend zu. „Du musst stark sein Anita. Habe keine Angst.“ Zusammen mit May Belle ging ich nun weiter vor Cole. Ich hörte Wutschreie, die nur von ihm kommen konnten. „Er ist sauer auf sich selbst Anita. Er kann es nicht fassen, was er getan hat. Manchmal hat Cole sich einfach nicht unter Kontrolle. Das liegt an seiner Abstammung, aber ich bin nicht befugt darüber zureden.“, sprach sie. Als er sich wieder beruhigt hatte schloss er wieder zu uns auf. Schweigend gingen wir nun alle nebeneinander her. Cole stieß eine große Eisentüre auf uns wir befanden uns in einem großen Haus, einer Art Schloss. Wenige Augenblicke später öffnete er eine neue Tür und wir standen in einem riesigen Saal. Am ende dieses großen Saals war ein Podest auf dem Ein Thron stand, darauf saß ein alter grauhaariger Mann. Er musste der König sein. Er musste mir helfen können.
„Cole, May Belle, kommt doch näher.“, sprach der König freudig. Schnellenschrittes gingen Cole, May Belle und ich näher zum König, dann blieben wir stehen. „Was kann ich für euch tun, meine lieben?“, fragte er grinsend. „Majestät, ich fand dieses Mädchen. Sie kommt aus der Menschenwelt und sagte sie käme mit dem Buch.“, sprach er geheimnisvoll. „Nun zuallererst lieber Cole glaub ich nicht, dass sie noch ein Mädchen ist. Sie sieht sehr reif aus.“, antwortete er. „Sag mir Mädchen, wie ist dein Name?“, fuhr er fort. „Ich heiße Anita Monroe.“, wisperte ich wieder den Tränen nah. Der König schmunzelte. „Nun Anita, was kann ich für dich tun?“, fragte er. „Ich möchte bloß zurück in meine Welt.“ „Er tut mir Leid, aber da du mit dem Buch gekommen bist, kannst du erst wieder gehen, wenn deine Zeit gekommen ist. Dummerweise kann ich dir nicht sagen, wann diese Zeit ist.“ „Was? Ich kann nicht zurück?“ Er sah mich entschuldigend an. Niemand traute sich etwas zu sagen. „Wie werde ich das Klopfen los?“, platze es aus mir heraus. „Du hörst das Klopfen?“, fragte er König erstaunt. „Das bedeutet, dass du eine von uns bist.“, fuhr er fort. „Was soll das bedeuten?“ „Anita, wir sind Elfen, du bist in der Elfenwelt. Und so wie es aussieht bist du eine Elfe beziehungsweise eine halb Elfe.“ Plötzlich drehte sich alles, mir wurde schlecht. Meine Beine gaben nach und ich fiel zu Boden. Um mich herum wurde alles schwarz.
Als ich meine Augen wieder öffnete, blickte ich der besorgten May Belle ins Gesicht. Sie erstrahlte als sie sah, dass ich wieder wach wurde. Sie half mir mich aufzusetzen und reichte mir ein Glaswasser zum trinken. Ich erinnerte mich an das Gespräch mit dem König, ein Schauer fuhr mir über den Rücken. Ich atmete einmal tief ein und aus. Ich stockte als ich Cole in der Ecke stehen sah. Er lehnte an einer Wand mit den Armen vor der Brust verschränkt, die Beine gekreuzt. „Wie geht es ihr?“, fragte er May Belle uninteressiert. „Du kannst sie auch selber fragen!“, zickte sie ihn an. Er knurrte. Es hörte sich wirklich seltsam an. So böse., so kalt. May Belle entschuldigte sich und verließ den Raum, da sie sich noch um etwas kümmern müsse. Sie versprach mir aber, dass sie später wiederkommen würde. Nun war ich allein mit Cole. Die Stimmung war bedrückend. Er rieb sich die Schläfen und kam dann näher zu mir. Er zögerte, doch dann setzte er sich auf die Bettkante, neben mich. Mein Herz pochte, ich hatte Angst vor ihm. Er lachte leise auf. Mir fiel ein, dass Elfen Herzschläge hören können. Er machte sich sicher über meinen Herzschlag lustig. „Also Anita. Woher hast du das Buch?“, fragte er mich. Ich war erstaunt, dass er mich ansprach. Ich atmete einmal tief ein um Zeit zu schinden. „Ich war in einem Buchladen der von einem alten Bekannten meiner Familie geführt wird. Er gab mir dieses Buch und sagte, dass es einst meiner Mutter gehörte.“, sprach ich. „Die letzte Elfe die dieses Buch besaß war Prinzessin Aurora.“, dachte er laut. Eine kurze Pause entstand. „Das bedeutet, du bist Auroras Tochter, die Enkelin des Königs.“
Kapitel 3
Cole ließ mir keine Zeit zu realisieren, was er grad gesagt hatte. Er sprang auf und zog mich aus dem Bett. Er nahm meine Hand und lief mit mir an seiner Hand los. Wir verließen den Raum, in dem ich grade zuvor noch geschlafen hatte. Einige Zeit liefen wir über einen langen Flur, erst dann fiel mir auf, dass ich nicht mehr meine Alltagskleidung trug, sondern ein Nachthemd, ein kurzes Nachthemd. Bei jedem Schritt hatte ich Angst, dass es hochfliegen würde. Plötzlich blieb Cole stehen und sah mir tief in die Augen. „Anita, was auch immer du gleich sehen wirst, du musst es mir ganz genau schildern.“, sprach er so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte. Er atmete einmal tief ein und sprach dann irgendwelche Wörter in der Sprach, die ich schon zuvor auf dem Buch gelesen habe. Es ertönte das Geräusch eines Türschlosses, dass geöffnet wurde. Cole öffnete vorsichtig die Tür und wir gingen in den Raum, den die Tür uns nun freigab. Seine Worte hatten mich so sehr verschreckt, dass ich meine Augen schloss und Cole vertraute. Er blieb stehen. Vorsichtig öffnete ich meine Augen, doch ich sah nichts. Alles um mich herum was schwarz, die Wände, der Boden. Es gab keine einzige Lampe und kein Fenster. Ich bekam Panik und mein Atem wurde schneller. Wo war ich nur? Dann ließ Cole meine Hand los und legte sie auf meine Schulter. „Keine Angst Anita. Sag mir was du siehst.“, flüsterte er. Ich nickte, auch wenn mir bewusst war, dass er es nicht sehen konnte. „Ich sehe nichts.“, wisperte ich. Er sagte immer wieder, dass ich mich konzentrieren solle, doch es geschah nichts. Es war immer noch dunkel. Er seufzte und sagte, dass wir nun wieder gehen werden. Wir verließen den mir unheimlichen Raum und gingen zurück in das Zimmer indem ich aufgewacht war. Erschöpft setzte ich mich auf eine Couch, Cole tat es mir gleich. Nach einiger Zeit des Schweigens, fasste ich mir ein Herz und sagte etwas. „Cole, was hätte ich eben in diesem Raum sehen sollen?“ „Das was du dir am meisten wünscht.“, gab er zurück. Ich sah ihn an und bemerkte, dass er die Augen geschlossen hatte. Ich fragte ihn, was er damit meine und er erzählte mir, dass Elfen eine Gabe haben mit der sie in diesem dunklen Raum alles sehen können was sie wollen. Ich dachte über seine Worte nach. Obwohl ich eine Halbelfe bin, konnte ich nichts sehen. Warum? „Cole, was glaubst du, warum ich nichts sehen konnte?“, fragte ich ihn bedrückt. „Du bist erst seit ein paar Stunden hier. Es kann sein, dass du deine Fähigkeiten erst noch erforschen musst. Der König wird dir sicher dabei helfen. Immerhin bist du seine Enkelin.“ Eine kurze Pause entstand. „Wir werden es ihm morgen mitteilen, heute ist es schon zu spät. Du solltest nun schlafen.“ Er hatte die Augen immer noch geschlossen. Ich ging in Richtung Bett und fragte mich, ob er nicht gehen wolle. Ich wurde nervös. Ein gedrücktes Lachen war zuhören. Er hat wohl wieder meinen Herzschlag gehört. Seufzend legte ich mich ins Bett. Dann stand Cole auf und verließ das Zimmer. Noch eine Weile hörte ich seinen Herzschlag. Als er nicht mehr zu hören war schlief ich ein.
Schweißgebadet wachte ich auf. Verwirrt schaute ich mich um. Dann fiel es mir wieder ein, ich war in der Elfenwelt. Bei dieser Erinnerung lief es mir eiskalt den Rücken runter. Wütend rappelte ich mich aus dem Bett auf und erblickte dann einen großen Spiegel am anderen Ende des Raums. Noch verschlafen ging ich hin und betrachtete mein Spiegelbild. Ich sah ein blondes Mädchen mit grauen Augen. Es war nicht schwer die schlimmen Augenringe zu erblicken. Wut überkam mich. Warum musste ich jede Nacht aufs Neue von Albträumen geplagt werden. Doch dies war eine rhetorische Frage, ich wusste es genau. Ich war für den Tod meiner Eltern verantwortlich und Albträume waren eine gerechte Strafe. Auch wenn ich schlimmeres verdient hatte. Ich legte meine Hände auf die kühle Oberfläche des Spiegels. Tränen liefen mir übers Gesicht, nicht weil ich Angst hatte, sondern vor Wut. Voller Selbsthass schlug ich mit geballten Fäusten auf den Spiegel ein. Klirrend fielen die einzelnen Glassplitter zu Boden. Weinend sackte ich zusammen und saß nun in einem Meer aus Scherben. Ich schaute mir meine Arme an und sah unzählige Glassplitter die sich in meine Haut eingebohrt hatten. Doch er kümmerte mich nicht weiter, ich hatte es verdient. Rechts neben mir erblickte ich eine große Scherbe. Wie gesteuert griff ich nach ihr. Ich betrachtete sie genauer. Ich hatte die Chance allem ein Ende zu setzten. Nie wieder Albträume, keine Gewissensbisse. Fest entschlossen führte ich die Glasscherbe an meinen linken Unterarm. Ich schloss die Augen. Grade als ich es tun wollte, lies mich eine Stimme stocken. „Ich hatte etwas Klirren gehört und ich dachte, dass ich…- Anita nein!“, es war Cole. Ich rührte mich keinen Zentimeter, ich war entschlossen es zutun und daran konnte Cole mich auch nicht hindern. Keine Sekunde verstrich und ich spürte Druck, doch kam es nicht von meinem Arm. Ich öffnete meine Augen und merkte erst dann, dass ich nicht mehr saß sondern lag. Cole lag auf mir. Erschüttert schaute ich ihn an. „Was sollte das werden?“, fragte er außer Atem. Ich war zu geschockt um zu antworten. Cole rappelte sich auf, ich hingegen blieb wie versteinert auf dem Boden liegen. Warum hat er das getan? Alles hätte ein End haben können. Cole hob mich hoch und legte mich aufs Bett. Keiner von uns sagte etwas. Doch er ist nicht gegangen, er blieb bei mir, saß am Bett und wartete, dass ich etwas sagte. Aber es war nicht möglich, ich konnte nicht. „Anita, du solltest jetzt schlafen.“, sprach er ganz leise. Ängstlich sah ich ihn an. „Nein, ich kann nicht schlafen! Albträume, immer und immer wieder!“, schrie ich verzweifelt. Cole nahm mich in den Arm um mich zu beruhigen, oder tat er es doch nur, damit ich nicht weglaufen konnte? „Ganz ruhig Anita.“, versuchte er es weiter. „Es ist alles meine Schuld Cole.“, schluchzte ich. Er verneinte es, doch er wusste gar nicht wie unrecht er hatte. „Doch Cole, es ist allein meine Schuld. Nur wegen mir starb meine Mutter, eure Prinzessin!“, weinte ich weiter. Er löste sich und sah mich verwirrt an. „Was hast du getan?“
Erschütterte wiederholte er seine Frage. Ich nahm all meinen Mut zusammen und nahm mir vor Cole die Wahrheit zu sagen. „Es ist jetzt fünf Jahre her. Meine Eltern weckten mich eines Nachts und hatten es ganz eilig mit mir wegzufahren. Ich war schlechtgelaunt, weil ich sehr übermüdet war. Meine Eltern waren sehr aufgebracht und ich war nur am meckern. Dad sagte nur immer, dass sie es mir später erklären würden. Ich wusste nicht was sie meinten, und ich meckerte weiter. Meine Mum fuhr und in einem Moment drehte sie sich zu mir um und sah mich wütend an. Ich hörten meinen Vater nur noch schreien, dass sie auf die Straße sehen solle. Erst im Krankenhaus kam ich wieder zu mir. Mir wurde gesagt, dass meine Eltern bei dem Unfall starben.“ Cole starrte mich an, nicht imstande etwas zu sagen. „Verstehst du nicht Cole? Hätte ich nicht gemeckert und hätte einfach auf meine Eltern gehört, wären sie noch am Leben!“, fuhr ich aufgebracht fort. „Anita, es ist nicht deine Schuld. Du kannst nichts dafür.“, stotterte er. Wieder fing ich an zu weinen. Ich weiß nicht, was mich dazu brachte doch ich lehnte mich an Coles Brust und weinte. Es war mir in diesem Moment egal, ob es ihm recht war oder nicht. Ich brauchte einfach menschliche Nähe, egal von wem. Egal wie sehr ich auch gegen meine Müdigkeit ankämpfte, es brachte nichts, ich schlief ein. Als ich am nächsten Morgen aufwachte saß ich immer noch an Cole gelehnt auf dem Bett. Hastig schreckte ich auf und sah Cole verschämt an. Es schien, als sei auch er am schlafen gewesen. „Tut mir leid, dass du wegen mir deine Nacht hier verbringen musstest. Du hast wahrscheinlich grausam geschlafen“, platzte es aus mir heraus. Seine Miene verfinsterte sich. „Ich schlafe nicht.“ Zuerst hielt ich es bloß für einen Scherz, aber er sah nicht aus als wäre ihm nach scherzen zumute. Plötzlich stand er auf und ging Richtung Tür, er hatte das Zimmer schon halb verlassen, doch dann sagte er noch etwas. „Mach dich fertig. Wir müssen mit dem König reden.“ Seine Stimme war so kalt, genau so wie bei unserem ersten Aufeinadertreffen. Dann schmiss er die Tür zu und verschwand. Verdutzt blieb ich zurück. Er sagte zwar, dass ich mich fertig machen sollte, jedoch hatte ich nicht die geringste Ahnung, wo meine Anziehsachen waren. Dann klopfte es an der Tür und May Belle kam herein. Ich fragte mich, ob Cole ihr wohl von meinem Ausraster in der letzten Nacht erzählt hatte, doch so wie es aussah, nicht. „Okay Anita, erstmal suchen wir dir was zum anziehen raus, immerhin haben wir heute viel vor. Cole hat mir erzählt…-“, „Was hat Cole dir gesagt?“, unterbrach ich sie nervös. „Er sagte, dass wir ganz dringend mit dir zum König müssen. Es sei sehr wichtig. Und wenn wir dann dort fertig sind, gehen wir zwei auf den Markt! Das wird toll!“, sprach sie aufgeregt. Erleichterte ließ ich mich aufs Bett fallen.
„Hm, was ziehen wir dir bloß an?“, sprach May Belle mit sich selbst und starrte vor eine Wand. Komisch. Ich lag immer noch auf dem Bett und war froh, dass Cole ihr nichts von meinem Ausraster erzählt hatte. May Belle klatsche einmal in die Hände und öffnete dann eine Tür. Mir war die Tür bisher noch gar nicht aufgefallen. Als ich mich genauer umschaute sah ich noch zwei weitere Türen. Wahrscheinlich hatte ich sie bisher noch nicht gesehen, weil ich immer mit etwas anderem beschäftigt war. „Komm schon Anita, worauf wartest du?“, sprach May Belle. Langsam rappelte ich mich auf und ging zu May Belle, die bereits den anderen Raum betreten hatte. Erst als ich selbst im Raum stand, erkannte ich was es für ein Raum war. Ein begehbarer Kleiderschrank! Der Raum war riesig. Kommoden, Schränke, Regale, Kleiderständer, alles war da. May Belle durchwühlte alles nach bestimmter Kleidung für mich. Ich ging zu ihr um sie zu beobachten. „May Belle, wessen Kleiderschrank ist das?“, fragte ich sie überwältigt. „Dieser Raum gehört keinem. Er ist lediglich für Gäste. Ah hier haben wir es ja.“ Sie reichte mir ein knielanges Kleid und wir verließen den Raum. „Mach dich nun fertig. Lass dir alle Zeit die du brauchst, ich warte vor der Tür auf dich.“ Ich nickte, dann ließ May Belle mich allein. Schnell zog ich mir das Kleid an. Ich wollte zum Spiegel gehen, doch dann rief sich wieder die letzte Nacht in meine Erinnerung. Erst in diesem Moment bemerkte ich, dass die Glassplitter nicht mehr da waren. Verwirrt schaute ich mich im Zimmer um, auf der Suchte nach einem zweiten Spiegel. Es war keiner zu sehen. Auf einem kleinen Tisch sah ich eine Schale voll mit Haargummis und Haarklammern, daneben lad eine Bürste. Ich bürstete mein blondes Haar und band es dann zu einem lockeren Zopf zusammen. May Belle hatte vergessen mir Schuhe zugeben, deswegen ging ich nochmals ins Kleiderzimmer. Ich machte mir sorgen, ob ich in so einem Raum jemals Schule finden würde, doch dann ging es doch ganz schnell. Hastig schlüpfte ich in ein paar Schuhe und ging dann hinaus zu May Belle. Wir gingen ein paar Schritte, dann stieß Cole zu uns. Keiner von uns dreien sagte etwas. „Cole, was gibt es denn wichtiges, dass wir zum König müssen?“, fragte May Belle nach einiger Zeit aufgeregt. „Du wirst es noch früh genug erfahren, du neugieriges Kind.“, antwortete er verbittert. „Cole du bist so ein Miespeter.“, beschwerte sich May Belle. Wieder schwiegen wir. Kurze zeitspäter kam wir zur großen Eingangstür des Thronsaals. Cole stieß sie auf und wir schritten hinein, zum König, zu meinem Großvater.
Kapitel 4
Mein Herz spielte verrückt. Was wollte Cole dem König bloß sagen? Ich hatte seine Tochter umgebracht! Zusammen gingen wir zum Thron, ich wartete drauf, dass Cole etwas sagte. Stille. Der König sah mich fragend an, wahrscheinlich wegen meines schnellen Herzschlags. „Cole, ich hätte euch drei nicht so schnell wieder erwartet, was kann ich für euch tun?“, fragte der König schließlich. „Ich sprach gestern Abend mit Anita und ich konnte in Erfahrung bringen, dass sie die Tochter von Prinzessin Aurora ist.“, sprach er höflich. Der König schaute Cole erschrocken an, dann wanderte sein Blick zu mir. Er stand auf und streckte seine Arme aus. „Bitte Anita, komm her.“, sprach er vorsichtig. Unsicher ging ich die Stufen des Podestes hoch. Als ich vor dem König stand, wartete ich auf eine Reaktion seinerseits. „Ist das wahr Anita? Bist du Auroras Tochter?“, fragte er leise. Ich nickte langsam. „Liebes Kind, sag wie geht es meiner Tochter?“ Ich hatte gebetet, dass er die Frage nicht stellen würde. „Sie…Sie ist tot. Es ist meine schuld!“, schluchzte ich. Ich verlor das Gleichgewicht, jedoch fiel ich nicht zu Boden. Cole und May Belle standen hinter mir und fingen mich auf. Sie setzten mich vorsichtig auf den Thron des Königs. Benommen saß ich dort. „Hey du da, hol der Prinzessin etwas zu trinken!“, rief May Belle einer Wache zu. Wie hatte sie mich grade genannt? Prinzessin? Ein Schauer lief mir über den Rücken. Der König winkte Cole zu sich. Dann geschah etwas ganz komisches. Der König legte seine Zeigefinger an Coles Schläfen. Dann nickte der König. In der Zwischenzeit hatte mir eine Dienerin ein Glas Wasser gebracht. Hastig trank ich es aus. Wie lang hatte ich eigentlich schon nichts mehr getrunken? „Cole, ich weiß, dass ich mich immer auf dich Verlassen kann, deswegen wirst gut auf Anita aufpassen, immer wenn sie das Schloss verlässt wirst du bei ihr sein. Sie darf nicht allein sein. Pass auf, dass sie nicht die Grenze überschreitet, du weißt was dann passiert. Es wird schwierig sie der dunklen Macht zu verstecken. Aber Cole ich weiß, dass du der einzig Richtige für diesen Job bist.“ Wie war das grade? Cole ist so was wie mein Kindermädchen? Mich vor der dunklen Macht verstecken? Wo bin ich hier bloß gelandet? Es muss doch ein Traum sein! „May Belle, Anita wird von nun an im alten Zimmer ihrer Mutter leben. Führe sie dort hin.“ Sie nickte und half mir auf. Wir, die übliche Dreierkombination, wie sie jetzt wohl öfter vorkommen wird, schritten auf die große Tür zu. Kurz bevor wir den Thronsaal verlassen hatten sagte der König noch, dass auch May Belle auf mich achtgeben soll und dass er am Abend mit mir sprechen müsse. Als wir den Saal verlassen hatten, lief Cole wütend weg, May Belle und ich gingen allein weiter. Sie seufzte. „Er ist wütend, weil der König seine Gedanken gelesen hat. Ich werde euch nun in euer neues Schlafgemach bringen, es steht euch frei, was ihr dann tun wollt.“ Wieso sprach May Belle plötzlich so mit mir? Es war mir unheimlich. „Prinzessin Anita, darf ich euch etwas fragen?“ „Nur zu.“ „Wusstet ihr die ganze Zeit, dass ihr die Enkelin des Königs seid?“ „May Belle. Ich bitte dich, sprich nicht so mit mir. Nenn mich nicht Prinzessin und sieze mich bitte nicht. Aber nein, ich wusste es nicht.“ Sie nickte erleichtert und blieb dann stehen. Sie öffnete eine Tür und ich spähte hinein. Es war unglaublich! „Hier ist dein Schlafsaal!“
Dieses Zimmer war unglaublich. Die Möbel waren alle in gold. Alles sah so edel aus. „Und hier soll ich schlafen?“, fragte ich May Belle verblüfft. „Warte ab bis du deinen Kleiderschrank siehst!“, sprach sie euphorisch. Sie ging auf eine Tür zu und öffnete sie. Sie wartete auf mich, dann gingen wir zusammen hinein. Dieser Kleiderschrank war noch größer als der im Gästezimmer. Die Kleidung die darin war, war wunderschön, vor allem die Kleider. Wenn man an eine Elfenwelt denkt, denkt man immer an viktorianische Festkleider, doch es war ganz anders. Es gab normale Kleidung, ja sogar Jeans! Die Auswahl an Kleidern und Röcken war unglaublich. „All diese Sachen gehörten deiner Mutter, bis sie sich entschied in die Menschenwelt zu gehen. Jetzt gehört alles dir.“ „Diese Welt ist so gleich und doch so anders, so sonderbar.“ „Warte ab Anita, du hast noch längst nicht alles gesehen. Wir müssen unbedingt auf den Markt! So und nun suchen wir die etwas neues zum Anziehen raus.“ Nach einiger Zeit hatten May Belle und ich mir ein hübsches Kleid ausgesucht. Wir wollten nun auf den Markt gehen, mussten aber auf Cole warten. Nach einiger Zeit kam er dann auch endlich. Er war immer noch schlechte gelaunt. „Wo soll es hingehen, Prinzessin?“, fragte Cole genervt. Soviel hass lähmte mich. „Wir wollen auf den Markt.“, antwortete May Belle für mich. „Na super, überall diese Silberaugen.“, murmelte er sauer. Er ging nun etwas hinter uns. „May Belle, was sind Silberaugen?“, fragte ich sie so leise, dass nur sie mich hören konnte. „Die Silberaugenfrauen sind die einzigen Frauen in der Elfenwelt die Kinder bekommen könne. Es gibt nicht viele von ihnen. Sie leben nur um Kinder zu bekommen. Sie leben in einem bereich des Schlosses und kommen nur selten raus. Meistens wenn Markt ist. Eigentlich werden sie von allen gemocht, aber Cole hat was gegen sie. Das liegt an seiner Vergangenheit. Weißt du sein Vater…-“ „Halt dich zurück du unwissendes Gör!“, brüllte Cole sie an. „Du hast nicht die Erlaubnis über meine Familie zu reden!“, fuhr er fort. Was war Cole nur für ein Mensch? Er war so voller hass, er machte mir Angst. Wir verließen das Schloss und schon dann waren sehr viele verschiedene Herzschläge zuhören. Mir machte dieser „Lärm“ immer noch sehr zu schaffen. Ich versuchte einfach ihn auszublenden und mich auf das zu freuen, was heute noch alles passieren würde. Es gelang mir ganz gut, bis wir fast am Markt angekommen waren. Das Klopfen war so laut, so präsent, ich konnte es nicht verdrängen. Ich bekam Kopfschmerzen. „Anita, was ist los?“, fragte May Belle besorgt. Ich hielt mir die Ohren zu, so laut war es. „Anita? Cole was ist mit ihr?“ Die Angst war deutlich in ihrer Stimme zu hören. „Das Klopfen…“, brachte ich mit mühe heraus. Es war eine Qual, mein Kopf schmerzte und ich schnappte nach Luft. „Cole tu doch was! Ich bin bloß ein Kind, ich weiß nicht, was zutun ist.“, schrie sie weiter. Ich schloss meine Augen und presste meine Hände fester auf meine Ohren. Zwei Hände hielten meine Arme. „Anita, sieh mich an. Sieh mich an.“ Es war Cole. Schwerenherzens öffnete ich meine Augen und er stand direkt vor mir und sah mir tief in die Augen. „Du musst ruhig bleiben Anita. Atme tief ein und aus und sieh mich an.“ Ich machte genau das was er mir sagte, doch es half nichts. „Es geht nicht!“, schrie ich weiter. „Konzentrier dich auf deinen Herzschlag.“, sprach er ruhig. Es ging nicht weg, ich hatte solche Schmerzen, es war nicht auszuhalten.
„Nun tu was Cole!“, schrie May Belle. „Wenn du schreist, bringt das uns auch nicht weiter. Sie jetzt ruhig May Belle.“ Er sah mich weiter ruhig an. „Anita, ich kann dir nicht helfen. Du musst dich beruhigen.“ Aber es ging nicht, egal was ich versuchte, es wurde nicht besser. „Was können wir tun?“, fragte May Belle panisch. „Wenn ich sie nicht bewusstlos schlagen soll, gibt es nur einen Möglichkeit.“, sprach er bedächtig. „Cole, sie wird nicht erfreut sein, und der König auch nicht.“, antwortete sie kritisch. „Es geht nicht anders oder willst du dass schlimmeres passiert?“, schrie er sie an. „Tut mir Leid Anita, aber es geht nicht anders.“ Verwirrt schaute ich ihn an. Doch ich bekam nicht die Chance etwas zu erwidern. Er legte seinen Arm um mich und presste seine Lippen auf meine. Ich war total überrumpelt. Als ich mich gefangen hatte stieß ich ihn weg. „Was fällt dir ein?“, schrie ich ihn an. Er sah mich einen Augenblick lang an und fing dann an zu lachen. „Was lachst du so?“, fragte ich wütend. „Das Klopfen ist weg, richtig?“ Er hatte recht, es war weg. „Aber wie?“, fragte ich geschockt. „Adrenalin meine Liebe, ich hatte die Wahl, entweder muss ich dich schlagen um dich abzulenken, oder eben das.“, er schien sichtlich amüsiert. „So und wenn wir jetzt zum Markt gehen konzentrierst du dich auf deinen eigenen Herzschlag, damit ich das nicht noch einmal machen muss.“, legte er fest. Ich nickte beschämt und ging allein voran, hinter mir Cole und May Belle, trotzdem konnte ich alles hören, was sie sagten. „Cole, bist du wahnsinnig?“ „Was hätte ich denn machen sollen, May Belle? Meinst du ich hab es gern gemacht, du kennst mich.“ „Wenn der König das erfährt, bringt er dich um.“ „Warum, weil ich seiner blöden Enkelin das Leben gerettet habe? Sie wird uns alle ins Unglück stürzen und das weißt du.“ „Cole, sag so was nicht.“ „Es ist aber die Wahrheit.“ Das tat weh, jetzt kann ich mir sicher sein, dass er mich hasst. Warum würde ich alle ins Unglück stürzen? Ich will doch niemanden verletzten! May Belle holte auf und ging von dann an mit mir. Ich tat so, als wäre nichts gewesen. Als wie am Markt angekommen waren wurde ich nervös, doch ich erinnerte mich an Coles Worte. Ich soll mich auf meinen Herzschlag konzentrieren und es half tatsächlich. „Geht es?“, fragte mich May Belle leise. Ich lächelte sie an und dann zog sie mich zum ersten Stand. Eine Frau mit braunen Haaren verkauft Lebensmittel. Ein Stand weiter verkaufte eine Frau Süßigkeiten. Etwas weiter wurde Wein in Fässern verkauf. May Belle sagte mir, dass der Wein hier besonders gute schmecken würde. Wir verbrachten sehr viel Zeit auf dem Markt und als wir uns ein paar Stände angeschaut hatten kam eine Frau an uns vorbei, eine Frau mit silbernen Augen.
Kapitel 5
Ich konnte meinen Blick nicht von ihr lösen, sie war so wunderschön. Sie war zierlich und hatte umwerfend schönes rotes Haar. Es kam mir vor, als würde die Frau mir einen Zauber auferlegt haben und müsse sie anstarren. „Anita lass uns weiter gehen.“, sprach Cole gleichgültig. Ich hatte seine Worte kaum wahrgenommen, ich war total auf die Silberaugenfrau fixiert. „Anita, mach schon.“ Ich zeigte mit meinem Finger auf sie, ich konnte nicht sprechen. Cole knurrte. „Verdammte Silberaugen.“, fauchte er. Die Frau drehte sich zu uns. „Oh hallo Cole, dich hier zu sehen verwundert mich.“, trällerte sie engelsgleich. „Jane. Nett die zu sehen.“, sprach er gereizt. „Wer ist deine reizende Begleitung?“ „Ihr Name ist Anita, sie ist Aurora Tochter.“ Ich funkelte ihn böse an, musste er das erwähnen? Was denkt sie bloß von mir? Die Enkelin des Königs starrte sie an als wäre sie von einem anderen Planeten, obwohl so abwegig war dass gar nicht. Immer hin war in einer anderen Welt. Die Frau, die wohl Jane hieß, saß mich verwundert an. „Auroras Tochter? Wurde sie wohl doch glücklich mit ihrem Menschenehemann. Verrücktes Weibsbild. Wie ergeht es ihr denn in der Menschenwelt? Ist sie so sehr vom Lärm geplagt, dass sie ihre Tochter schickt um beim König um Vergebung zu bitten, dass sie wieder zurück kann?“ Wie war das grade? Hat sie meine Mutter verrückt genannt? Entsetzen machte sich in mir breit. „Jane, pass auf was du sagst.“, antwortete Cole Wut geladen. „Oder was Cole Montagny? Willst du dann deine Familie auf mich hetzten? Vielleicht deinen Vater oder deinen Großvater? Hör du mir zu Cole Montagny, du und deine Familie, ihr seid der letzte Abschaum. Es ist eine Schande, dass du im Königshaus lebst. Wenn ich nur daran denke, wünsche ich mir den Tod.“ „Den kannst du schneller bekommen als du denkst, dreckiges Silberauge!“ Die Situation schien zu eskalieren. Ich wusste zwar nichts über Coles Familie, aber es war sicher nicht fair so mit ihm zu reden. Er sah so wütend aus und doch so traurig, ich wollte ihn aus dieser Situation holen. Aber wie sollte ich kleines Ding das bloß anstellen und warum sagte May Belle nichts dazu? „Cole, ich fühle mich nicht gut, können wir den Rückweg antreten?“, fragte ich ihn leise. „Natürlich, Prinzessin.“, sprach er immer noch zerknirscht. Schon wieder dieses Wort „Prinzessin“, ein Schauer lief mir über den Rücke. „Och ihr verlasst den Markt schon? Das bedauere ich zutiefst. Auf wiedersehen, Anita und grüß mir deine heilige Mutter.“ Cole packte mich am Arm und zog mich mit Leichtigkeit neben sich her. Er murmelte etwas vor sich hin, aber ich konnte es nicht verstehen, doch wenn ich raten müsste würde ich sagen, dass er über Jane fluchte. „Cole, du kannst mich wieder loslassen, ich kann durchaus allein gehen.“, sprach ich schon außer Atem von seinem Schritttempo. Schnell fiel ich hinter ihm zurück und ging mit May Belle zusammen weiter. Sie war ungewohnt still. „Was ist los mit dir?“, fragte ich sie schließlich. „Ach weißt du Anita, es ist immer schlimm für mich, wenn ich Cole und Jane streiten sehe. Einst pflegten Jane und ich ein gutes Verhältnis, aber nun reden wir kaum ein Wort miteinander.“ Ich fühlte mich nicht befugt weiter zu fragen, so ging ich weiter mit May Belle bis wir das Schloss erreicht hatten.
Zurück im Schloss brachten mich May Belle und Cole auf mein Zimmer. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken, dass ich nichts ohne sie machen konnte. Sie ließen mir etwas Zeit mich fertig zu machen, um bei dem Gespräch mit dem König nicht all zu fertig auszusehen. Es hatte nicht lang gedauert, und doch tat Cole so als hätte ich Stunden gebraucht. War er sauer auf mich? Oder bloß noch wütend wegen Jane? Ich dachte drüber nach was der König mit mir besprechen wollte. Vielleicht ist ihm doch ein Weg eingefallen, wie ich wieder zurück in meine Welt kann. Vielleicht will er mich auch in den Kerker sperren lassen wegen dem Tod meiner Eltern. „Können wir?“, fragte Cole genervt und riss mich aus meinen Gedanken. Ich nickte stumm und wir gingen zum König. So viele Fragen schwirrten mir auf dem Weg durch den Kopf und ich hatte Angst vor dem zusammentreffen. Doch zu meiner Überraschung gingen wir nicht in den Thronsaal, wir gingen in einen anderen Raum. Auf dem Weg dorthin erklärte mir May Belle, dass dies der königliche Speisesaal ist. Nur der König und von ihm auserwählte Personen dürfen dort speisen. Als wir an der Tür zum Saal angekommen waren blieben die beiden plötzlich stehen. „Was ist los?“, fragte ich sie verwundert. „Wir dürfen nicht mit rein, der König will mit dir allein reden, Prinzessin.“, antwortete Cole kühl. Ich warf einen Blick zu May Belle, sie sah sehr besorgt aus. Innerlich bekam ich es mit der Angst zutun. Sie drängten mich endlich hinein zugehen. Ich überwand meine Angst und schritt vorsichtig durch die Tür. Ich stand in einem großen Saal wo bloß ein langer Tisch mit Stühlen stand. Wie nicht anders erwartet war alles sehr edel. Der König saß am Ende des Tisches, dieser Teil war mit Essen eingedeckt. Sein Stuhl war nicht wie die anderen, seiner war irgendwie besonders, wie ein Thron. Ich blickte den König an und wusste nicht, was ich tun sollte. Er lächelte und winkte mich zu ihm. Ich setzte mich auf den Stuhl zu seiner linken. „Schön, dass du gekommen bist Anita.“ Ich lächelte, was blieb mir anderes übrig. „Wie war dein Tag, berichte mir davon.“, bat er. „Ich war mit May Belle und Cole auf dem Markt. Es war sehr schön.“, antwortete ich. Ich wollte nichts von Jane und meinen Schmerzen erzählen. Zu meiner Verwunderung stöhnte er. „Anita, ich weiß, dass alles neu und sehr komisch für dich ist, aber bitte lüg mich nicht an. Du musst wissen ich habe, sagen wir Mittel, um zusehen was ihr drei den Tag lang gemacht habt. Ich weiß, dass du große Schmerzen hattest.“ „Tut mir Leid. Bitte entschuldigt. Cole half mir das Klopfen los zu werden.“, antwortete ich reumütig. „Ich rede nicht vom Klopfen, Kind. Ich meine die Schmerzen, als Jane von Aurora sprach. Durch meine Mittel, weiß ich wie du fühlst.“ Ich schwieg und dachte drüber nach, was er gesagt hatte. „Anita, ich weiß wie schwer es alles für dich ist. Aber ich kann dich nicht zurück in deine Welt bringen.“ „Das hab ich mir schon gedacht.“ Ich war selbst über meine gelassene Antwort verwundert. „Weißt du was mich so wundert Kind? Du siehst deiner Mutter überhaupt nicht ähnlich, aber trotzdem erinnerst du mich immerzu an sie.“ „Wenn ich ehrlich bin, kann ich mich seit ihrem Tod nicht mehr an ihr aussehen erinnern.“
„Dachte ich’s mir doch.“, antwortete der König. Sein Blick war ganz komisch, ich konnte ihn nicht deuten. „Anita, ich bitte um Verzeihung, aber ich muss etwas über den Tod deiner Eltern herausfinden. Iss ruhig etwas und gehe dann in dein Zimmer.“ Er stand auf und wollte gehen. „Es gibt nicht zum herausfinden, sie sind wegen mir gestorben.“ Er seufzte und legte seine Hand auf meine Schulter. „Anita, es muss doch einen Grund geben, dass deine Eltern mitten in der Nacht aufgebrochen sind und auch, dass du dich nicht mehr an sie erinnern kannst.“ „Ich habe ein Foto von ihnen.“ „Ja, und doch weißt du, dass irgendwas mit ihrem Äußeren fremd ist, richtig?“ Ich schwieg, er hatte recht. Jedes Mal wenn ich das Bild sah wusste ich tief in mir, dass irgendwas falsch war. Er lächelte mich noch einmal an und verschwand dann durch eine Tür die ich zuvor nicht gesehen hatte. Verdutzt blieb ich einen Weile sitzen. Ich hatte keinen Hunger und verließ den Raum. Vor der Tür standen May Belle und Cole, sie schwiegen. „May Belle, ich werde die Prinzessin jetzt auf ihr Zimmer bringen. Du kannst dein Schlafgemach aufsuchen.“ Sie nickte widerwillig und verabschiedete sich mit einem Knicks. Schweigend ging ich neben Cole. Ich schaute ihn lange an, doch er starrte die ganze Zeit geradeaus. Ich erwartete, dass wenn wir an meinem neuen Zimmer angekommen wären, Cole gegangen wäre. Doch er kam mit mir ins Zimmer. Ich ging ins Ankleidzimmer und suchte einen Pyjama für die Nacht heraus, aber ich fand bloß Nachthemden. Es war mir peinlich so vor Cole zu treten, das Nachthemd war für meinen Geschmack zu kurz. Ich ging zu meinem Bett ohne Cole auch nur einen Augenblick aus den Augen zu lassen. „Willst du nicht auch schlafen gehen?“ Und mich endlich allein lassen. „Wie schon gesagt, ich schlafe nicht. Da kann ich genau so gut hier bleiben.“ Es schien ich zu amüsieren, dass ich ihn nicht da haben wollte. Ich legte mich ins Bett und schloss die Augen. „Dann gute Nacht.“, sprach ich sarkastisch. Es dauerte nicht lang bis ich einschlief. Ich träumte davon, dass ein Mann meiner Mutter ein Messer an die Kehle hielt und drohte sie zu töten. Ich schrie verzweifelt, dass er von ihr lassen sollte. Doch wie hätte es in meinen Träumen anders sein sollen, tötete er sie vor meinen Augen. Ich wachte schreiend auf. Sofort erblickte ich Cole der besorgt an meiner Seite saß. „Alles in Ordnung?“, fragte er leise. „Seh ich so aus?“, mein Ton war eindeutig zu hart. „Entschuldige bitte, dass ich mir Sorgen mache, weil du im schlaf schreist. Wie dumm von mir.“ „Wie schon gesagt Albträume. Wie immer.“ „Anita, schlaf einfach, ja?“, sprach er genervt. Ich schüttelte den Kopf wie ein kleines Kind. Er stöhnte und setzte sie auf die Couch im Zimmer. Ich stand auf und setzte mich zu ihm. Er sah mich finster an, doch ich verdrängte es. „Lass und reden, Cole."
Kapitel 6
„Wieso willst du reden. Ich bin dir in keiner Weise Rechenschaft schuldig.“, sprach Cole finster. „Ich habe bloß ein paar Fragen.“ Er seufzte. Ich überlegte vor jeder Frage ganz genau wie ich sie formulieren sollte. „Letzte Nacht als du weißt schon…-“ „Als du dich umbringen wolltest? Oh ja, daran erinnere ich mich nur zu gut.“ Seine Worte ließen mich zusammen zucken. Wie konnte er so darüber reden? Ich tat so als hätte er mich gar nicht erst unterbrochen und fuhr fort. „Die Glasscherben des Spiegels, wo sind sie hin?“ „Du fragst dich, wie die Scherben weggekommen sind, aber nicht woher du plötzlich diese Kraft hattest?“, fragte er sarkastisch. Ich schwieg. Er hatte recht, normalerweise würde ich niemals einen Spiegel zerstört bekommen. „Um deine Frage zu beantworten. Ich habe die Scherben in der Nacht weggeschafft, wir hätten kein Aufsehen erregen müssen. Und nur für den Fall, dass es dich interessiert du warst so stark, weil deine innere Elfe heraus kommt. Du verstehst sicher kein Wort von dem was ich sage, aber eines Tages wirst du verstehen, kein Zweifel.“ Ich musste zunächst erst einmal verdauen, was er so grade sagte. Meine innere Elfe? Er hatte recht, ich verstand in der Tat nicht wovon er sprach. „Hast du noch mehr Fragen oder willst du endlich schlafen?“, fragte Cole genervt. „Ich habe noch sehr viele Fragen.“ „Du bist wirklich sehr anstrengend.“ „Und du bist sehr unfreundlich. Womit wir bei meiner nächsten Frage wären. Warum hast du solche Probleme mit Jane?“ Er schwieg einen Augenblick, doch beim Aussprechen ihres Namens, schien es als würde er knurren. „Das geht dich nichts an.“, antwortete er wütend. „Wie schon gesagt, unfreundlich.“ Der starke Sarkasmus in meiner Stimme war nicht zu überhören. „Sag mir Anita, war dir Jane etwa sympathisch. Ich meine so wie sie über deine Mutter sprach musst du sie doch genau so verachten wie ich.“ Ich dachte wieder genau über seine Worte nach. Entweder hatte sie auch schlecht über seine Mutter gesprochen, oder er kann es nicht leiden, wenn schlecht über meine Mutter gesprochen wird. Ich nahm mir vor später in Ruhe drüber nach zu denken. „Warum schläfst du nicht?“, platze es aus mir heraus. Nun fing er an zu lachen. Eine höchst merkwürdige Reaktion meiner Meinung nach. „Ich hab schon auf diese Frage gewartet.“, sprach er gehässig. „Doch eine Antwort wirst du nicht bekommen.“, fuhr er fort. „Sturkopf.“, entgegnete ich schmollend. Immerzu achtete ich auf seinen Herzschlag, mir fiel auf, dass seiner viel leiser war als der von May Belle. „Nun Prinzessin, jetzt habe ich eine Frage an Euch, bloß eine.“ Ich nickte und wartete angespannt auf seine Frage. „Warum wisst Ihr nicht mehr, wie Prinzessin Aurora aussieht?“
Mit so einer Frage hatte ich nicht gerechnet. Doch sie war berechtigt, aber woher wusste er es? „Woher weißt du davon?“, fragte ich ihn ernst. „Sagen wir so, der König hat Mittel. Und mit dieses kann er mir alle Informationen zukommen lasse, die ich vielleicht wissen sollte. Doch nun, beantwortet die Frage.“ Ein Gefühl der Trauer und Einsamkeit überkam mich. „Es ist sehr komisch. Ich habe zwar ein Bild meiner Eltern, aber immer wenn ich es ansah fühlte ich mich leer und unvollständig. Es war, als wären es Fremde und doch wusste ich, dass sie meine Eltern sind. Die lachende Frau mit einem Baby auf dem Arm war meine Mutter, dass weiß ich, aber wenn ich die Augen schließe sehe ich sie nicht mehr. Es ist als wäre sie niemals da gewesen, als hätte sie so niemals existiert. Bei meinem Vater ist es genau so. Eine tiefe Traurigkeit überkommt mich, wenn ich an sie denke. Das, Cole sind Dinge, die du wahrscheinlich nicht nachvollziehen kannst.“ Tränen stiegen mir in die Augen. Ich fragte mich ob ich diese Sensibilität von meiner Mutter oder meinem Vater hatte. Schweigend wartete ich auf einen bösen Kommentar von Cole. Mein Körper begann zu beben, ich kämpfte gegen die Tränen an. Verkrampft starrte ich zu Boden. Dann passierte etwas sehr unerwartetes, anstatt eines bösen Kommentars, nahm Cole meine Hand und drückte sie leicht. Ich blickte ihn geschockt an und sah, dass er lächelte. „Du irrst dich Anita, ich weiß wie es ist sich nicht an die eigenen Eltern erinnern zu können.“, sprach er sanft. Diese sanfte und liebevolle Art von Cole war mir fremd und überrumpelte mich. „Cole, ich…-“ „Ist schon gut Anita. Ich weiß, dass alles was hier passiert sehr verwirrend für dich sein muss. Doch ich glaube fest dran, dass alles gut wird für dich und du bald zurück in deine Welt kannst.“ „Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht mehr, ob ich wirklich zurück will.“ „Sag das nicht, Anita. Es ist dein Zuhause und du solltest dort sein. Das ist der Ort an dem Aurora wollte, dass du aufwächst.“ Ich musste schlucken. Was war nur mit Cole geschehen? Warum war er so nett und einfühlsam? „Cole, warum bist du so?“ Er schaute mich fragend an und ließ meine Hand los. „Warum bin ich wie?“, fragte er leicht verwundert, doch ich war mir sicher, dass er genau wusste, was ich meinte. „Du bist so kühl und hasserfüllt, doch des Nachts wenn wir reden bist du ganz anders. Wieso?“ Er schwieg einen Augenblick, es schien als überlegte er genau, was er mir preisgeben wollte. „Des Nachts bin ich ein anderer. Ich will dir nichts vorenthalten, aber ich bitte dich drum mir etwas Zeit zu gewähren. Erfahren wirst du es, aber ich bitte dich mir Zeit zu lassen.“ Ich nickte versteift. Immer noch war ich von seiner Art verwundert. Er traf es auf den Punkt. Des Nachts war er ein anderer. „Und nun Anita, tu uns beiden den Gefallen und versuche zu schlafen, ja?“, fragte er freundlich. Meine antwort war ein Nicken und der gang zum Bett. Es dauerte nicht all zu lang bis ich ins Reich der Träume viel.
Kapitel 7
Sonnenstrahlen fielen mir ins Gesicht und wecken mich. Erschrocken fuhr ich hoch. Sonnenstrahlen? Kein weiterer Albtraum in dieser Nacht? „Alles in Ordnung?“, fragte mich Cole. Ich nickte und sagte ihm dass ich wundere, das ich keinen weitern Albtraum hatte. Doch seine Reaktion war nicht wie die in der letzten Nacht. Er war wieder der gefühlskalte Cole. Er wies mich an mich fertig für den Tag zu machen. Im Kleiderraum meiner Mutter wurde ich schnell fündig. Ich entschied mir für ein knielanges Kleid, da es mir auf Anhieb gefiel. Als nächstes stand eine Dusche auf meinem Plan. Im Bad, das ebenfalls überdimensional groß war, fand ich mich recht schnell zurecht. Fertig geduscht und neu gekleidet ging ich zu Cole, der inzwischen mit May Belle vor meinem Zimmer wartete. „Guten Morgen Anita. Hast du gut geschlafen?“, fragte May Belle freundlich. Ich war erleichtert, sie war wieder so wie ich sie kennengelernt hatte. Fröhlich. Sie nahm meine Hand und signalisierte mir, dass ich ihr folgen sollte. Erst dachte ich, dass wir wieder zum König gehen würden, aber wir schlugen eine andere Richtung ein. Verwundert fragte ich sie ob wir denn nicht zu ihm gehen würden. Sie sagte mir nur, dass verreist wäre und wir nun etwas essen gehen würden. Cole ging schweigend und mit den Armen vor der Brust verschränkt neben uns her. Wie konnte der König nur verreisen? Immerhin bin ich, seine Enkelin, durch ein Versehen hier in der Elfenwelt. Was kann des wichtiges passiert sein, dass er mich allein lässt? Mehr interessierte es mich doch was wir heute noch alles machen würden. Sicherlich gab es einiges über das Elfenreich, was ich noch nicht wusste. May Belle schliff mich durch Schlosskorridore die ich noch nicht gesehen hatte. Es dauerte nicht lang bis ich den Überblick verloren hatte. Nach langen hin und her gehen verließen wir das Schloss und kamen in einen Garten. Überall blühten Rosenbüsche und Vogelgezwitscher war zu vernehmen. Wir gingen weiter und etwas weiter entfernt war ein Bachlauf zu hören. Die Sonne schien stark vom Himmel auf uns herab, keine einzige Wolke war zu sehen. Ich dachte an das schlechte Wetter aus der Menschenwelt zurück. Es gab fast keinen Tag an dem es nicht regnete. Wir erreichten den Bach und setzten uns an einen Tisch der nah am Bach stand. Neben uns stand ein Dienstmädchen dass ich zuvor schon einmal gesehen hatte, doch ich konnte mich nicht an den Anlass erinnern. „Bethany. Bringe uns Trank und Speis. Die Prinzessin muss dringend etwas essen.“, sprach May Belle zum Dienstmädchen das den Namen Bethany trug. „Jawohl Lady Del Mar.“, antwortete sie und eilte zum Schloss. Anita, du siehst sehr schlapp aus. Seit wie vielen Tagen hast du nun schon nichts mehr gegessen?“, richtete sie sich nun an mich. Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern. Ich dachte über nach, warum Bethany May Belle Lady nannte. Mit Blick fiel zu Cole. Er sah mich an und als er meinen Blick bemerkte schaute er sofort weg. Warum war er nur so?
Schnell kam Bethany zurück geeilt. Sie trug ein großes Tablett worauf Essen stand. Neben ihr her ging ein kleines Mädchen, das einen Krug mit Wasser trug. Bethany stellte das Obstschalen auf den Tisch und nahm dem kleinen Mädchen den Krug ab. Sie goss uns dreien etwas in einen Kelch. Das kleine Mädchen wahrscheinlich nicht älter als fünf Jahre alt, versteckte sich hinter Bethany als sie mich sah. Bethany zog sie hervor und nahm sie an die Hand, erst jetzt sah ich was Bethany für schöne grüne Augen hatte. „Wenn ich noch etwas bringen kann, rufet.“ May Belle nickte und Bethany verschwand mit dem kleinen Mädchen. „Kinder.“, giftete Cole. May Belle sah ihn fragend an. Ich hoffte, dass er nicht gesehen hatte, dass das Mädchen angst vor mir hatte. „Hast du es nicht gesehen May Belle? Alessa versteckte sich hinter Bethany als sie Anita sah.“ May Belle funkelte Cole böse an. „Keine Angst Anita, Alessa ist Bethanys Tochter und sehr scheu.“ Ich dachte an ihre schönen grünen Augen zurück. „Ich dachte nur Silberaugen können Kinder bekommen. Sie hatte aber grüne.“ „In der Tat. Alessa wurde von Bethany gefunden als sie noch ein Baby war und seither kümmert sie sich um sie. Sie selbst ist keine Silberaugenfrau.“, antwortete May Belle. Weiter entfernt sah ich Bethany wie sie mit Alessa spielte. Beide waren sehr hübsch. So wie alle Elfen. Alle Elfen die ich bisher gesehen hatte waren wunderschön. Allen voraus Jane, auch wenn sie ein unfreundlicher Mensch war. „Sie sind sehr hübsch.“, sagte ich plötzlich. „Das sind sie wirklich. Weißt du Anita, man redet ja in deiner Welt von innerer Schönheit, bei uns ist es an dem Sprichwort etwas Wahres dran. Umso glücklicher eine Elfe ist um so mehr strahlt sie. Bethany und Alessa sind wie für einander geschaffen. Bevor Alessa da war, war Bethany ziemlich unglücklich. Doch jetzt strahlt sie vor Lebensfreude.“ Wir schauten ihnen noch eine Weile beim Spielen zu und aßen etwas. Cole saß stumm neben uns. Er aß und trank nicht. „May Belle. Darf ich dich etwas fragen?“ „Frage Anita.“ Ich dachte noch einmal nach ob ich meine Frage wirklich stellen sollte und wie ich sie formuliere sollte. „Ist mein Großvater der einzige König des Elfenreiches oder gibt es mehrere?“ Sie wusste natürlich nicht, dass ich mir eine Antwort auf die >Lady-Sache< erhoffte. „Es ist schwierig zu erklären, aber ich werde es versuchen. Dein Großvater ist der Herrscher, doch vor langer Zeit gab es Krieg im Lande und das Elfenreich drohte zu verlieren. Letzten Endes gewannen wir doch. Aber der wichtige Punkt ist, dass die Feinde von vielen Seiten kamen. Und von hieraus konnte man es nicht wissen. Nach dem Krieg teilte der König sein Land ich vier Teile. Der Norden ist der Hauptteil und der wird vom König selbst geleitet. Im Osten herrscht eine Schwester deines Großvaters, Lady Penelope. Im Süden herrscht Ankona sie ist eine Elfe mit starken Fähigkeiten. Und den Westen regiert Lord Tulemania er ist ein alters Heersführer. Die drei regieren nicht im Sinne von es gehört ihnen. Sie geben lediglich acht, dass die Feinde nicht eindringen. Alle Unnormalitäten werden unverzüglich dem König gemeldet. Die Bezirke von Penelope, Ankona und Tulemania sind wesentlich kleiner als der Hauptteil. Falls noch mal ein Krieg ausbrechen sollte, werden wir gewarnt sein und uns vorbereiten können.“ Ich lauschte jedem Wort, das sie sagte und fragte mich nun was für Feinde es waren. „Wer sind die Feinde?“, fragte ich schlussendlich. „Die Feinde sind, nun ja…-“ „Schluss May Belle. Rede nicht drüber, nicht zu diesem Zeitpunkt. Nun lass uns von hier verschwinden.“ Ich zuckte zusammen als Cole anfing zu reden. Mir schlich sich der Gedanke ein als wollte er nicht, dass ich es weiß, als würde er mir nicht vertrauen. Geknickt stand ich auf und ging mit den anderen beiden zurück zum Schloss.
Tag der Veröffentlichung: 23.07.2009
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