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Europäisches Institut für Idealforschung Berlin, Labor IV – Präsentation „Prototyp 3015, männlich, „ na prima“, entfährt es Kevin beim Überfliegen des Auftrages.
„Hast du schon gelesen?“ Diana knallt ihren Palm PDA auf Kevins Schreibtisch. „Ich frage mich, was sie uns Journalisten noch alles aufdrücken wollen, mir hat letzte Woche die Mars-Fahrzeug-Messe gereicht, und nun das …“
Kevin lächelt süffisant. „Wir sind eben das beste Team Diana. Und außerdem müsste dich das doch brennend interessieren.“
„Ich kann mir keine Beziehung leisten bei meinem Job.“
„Sicher, aber durch dieses Forschungsobjekt solltest du doch endlich Hoffnung haben, oder?“
„Gibt es schon Vorinfos dazu?“
„Nein alles streng geheim, so wie damals beim Gen-Projekt.“
„Also Dienstoverall mit Identifikationsklappe?“
„Ja, und der Heli steht auch schon bereit, wir können gleich starten. Ich gebe nur noch schnell die Zieldaten ein.“
Während des Fluges bestellt Diana über den Bordcomputer die Quartiere im Pressezentrum. Kevin betrachtet mit verträumtem Blick die Wolkenfelder und pfeift ein uraltes Lied von einer weißen Taube, die übers Meer fliegt. Mit einem Male greift er nach Dianas Hand. „Stell dir mal vor, wenn die das Projekt durchkriegen, gibt es nur noch diesen Typ Mann. Macht dir das nicht Angst?“
„Nun ja, die Menschheit wird perfektioniert, so wie es seit Jahren in der Tierwelt geschieht. Du solltest dich lösen von allem Individuellen.“ Diana streicht ihm bei diesen Worten fast zärtlich über den kahlen Kopf. „So schwer kann das doch nicht sein, oder?“
„Du hast gut reden, solange sie euch Frauen aus dem Spiel lassen. Ich sehe mich schon als Auslaufmodell, verstoßen und belächelt. Und diese nützlichen, niedlichen Einheitsviecher widern mich auch an, nicht mal Tauben gibt es.“
Diana lacht. „Nein, gerade dadurch wirst du ja attraktiv, weil du Seltenheitswert besitzt. Es ist wie mit den Antiquitäten, jeder will sie ergattern und opfert dafür das Letzte.
„Ein schöner Trost, danke!“
„Das war kein Trost, und du kannst sicher sein, an uns Frauen wird bereits gearbeitet.“
Kevin schaut mit großen Augen, fast ein bisschen wirr. „ So eine Einheitslady will ich aber nicht!“
„Ach, stell dich nicht so an, ein paar Wahlmöglichkeiten wird es schon noch geben, die dir wenigstens etwas Individualität vorspielen.“
Nach einer Stunde Flug betreten die beiden Labor IV. Es wimmelt von Presseleuten, jeder Quadratmeter Fliesenboden ist besetzt. Grelles Licht durchflutet den steril wirkenden Raum, es riecht nach Desinfektionsmittel. Trotz der Massen ist es angenehm kühl, Kevin bemerkt an der Decke riesige Belüftungsklappen, deren Lamellen vibrieren, dennoch atmet er schwer. Schweißperlen bilden sich auf seiner Stirn. Im vorderen Teil des Raumes, der sich durch ein Podest erhebt, ist gut sichtbar ein länglicher Glasbehälter aufgebaut, in den zahlreiche Schläuche und Kabel führen. Darin gut erkennbar die nackte Gestalt eines Mannes. „Dies ist also das Objekt der Begierde, auf welches die Frauenwelt zu warten scheint. Und wir Europäer sind wieder einmal Bahnbrecher und Initiatoren“, haucht Kevin in sein Mikro.
Diana hat inzwischen die Modellbeschreibung ergattert. Entsetzt schaut sie zu Kevin. „Die haben ihn einem Schauspieler, Geburtsjahr 1952, nachgebildet. Schrecklich! Der hat überall Haare, sogar auf der Brust. Ein Amerikaner – David Hasselhoff hieß der Knabe, der konnte angeblich sogar singen und soll die idealen Körpermaße gehabt haben.“
Kevin kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. „ Hatten die keinen Europäer? Und was ist mit den Charaktereigenschaften, wurden die auch übernommen?
„Zum Glück nicht, denn der hatte irgendwann ein Alkoholproblem. Das Modell 3015 hat Eigenschaften, von denen Frauen laut umfangreicher Forschung angeblich seit Jahrzehnten träumen. Man betont, er würde auf die weibliche Psyche derart positiv einwirken, dass nicht einmal ein Streit mit ihm möglich wäre.“
„Wie langweilig, nicht einmal streiten kann der Schöne.“
„Der ist nicht langweilig – hier steht, er hat zahlreiche Freizeitmodule eingebaut bekommen, vor allem hat er Fantasie und soll überaus witzig und klug sein.“
„ Klar, der macht sogar die Hausarbeit, und nach fünf Jahren ist die Palette seiner Witzigkeit aufgebraucht, und ihr Frauen flüchtet vor ihm, weil er gerade in dem Moment am witzigsten ist, wenn ihr es überhaupt nicht braucht. Ich glaube nicht, das man ihn emotional auf ein natürliches Lebewesen abstimmen kann.“
„Oh doch“, protestiert Diana. „Bei den Tieren funktioniert das doch auch, sogar die eigenständige Fortpflanzung.“
Kevin verdreht die Augen. „Na ob für uns Menschen ein paar Duftstoffe, ein bisschen Balzverhalten sowie eine künstlich gesteigerte Potenz ausreichen?“
„Ha – ich kenne Männer, da reicht weit weniger aus für die Fortpflanzung!
Alles musst Du negativ bewerten, die haben den perfekt konstruiert, keine Sorge.“
Diana kaut auf ihrer Lippe und schaut gebannt nach vorn. Gleich wird der Deckel des Glasbehälters geöffnet, man sieht, wie nach und nach die Schläuche und Kabel entfernt werden.
„Soll der nicht eine Rede halten?“
„Ja, sei still.“ Kevin stellt sein Mikro auf Empfang. Im Labor entsteht Unruhe und Gedränge. Plötzlich erhebt sich das nackte Wesen, steigt aus seinem Glassarg, geht mit großen Schritten zum Rednerpult, lächelt und sagt mit tiefer Stimme: „Hallo ihr Frauen dieser Welt, hier bin ich, der ideale Mann, geschaffen nach euren Wünschen und Träumen, bereit, euch glücklich zu machen für alle Ewigkeit.“ Bei diesen Worten hält er beide Arme ausgestreckt, so als wolle er gleich jeden umarmen.
Mehr sagt er nicht, ein Raunen geht durch die Menge. Kein Beifall – keine Begeisterungsrufe – nichts, nur das Klicken der Kameras ist zu hören. Und dieser Typ steht inzwischen vor dem Rednerpult, groß, braungebrannt, schön und lächelt, bis ihm endlich eine der Frauen aus dem Team eine Decke überwirft.
„Und was ist nun?“ Diana trommelt mit den Fingern auf ihrem Prospekt herum.
„Jetzt kommen noch die wissenschaftlichen Vorträge zum 3015, und danach gibt es eine Pressekonferenz.“
Diana ergreift mit einem Male Kevins Ärmel, schaut ihm einen Moment in die Augen und zieht ihn dann hinter sich her.
„Aber wir müssen doch bis zum Ende …“ Kevin versucht, stehen zu bleiben.
„Nichts müssen wir hier! Wenigstens eine Hose hätten die ihm anziehen sollen“, brummelt Diana vor sich hin.
Als sie an der Tür sind, platzt es aus Kevin heraus, sein lautes Lachen zieht die Blicke aller auf sich.
„Das ist Romantik! - perfekt, ... ausgesprochen perfekt!“

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Tag der Veröffentlichung: 18.11.2010

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