Selina lief zügig durch den strömenden Regen, ihre Umhängtasche schlug rhythmisch gegen ihren Oberschenkel. Warum hatte sie diesen Job nochmal? Ach ja, weil er schlecht bezahlt wurde und ihre Eltern es verlangten. Schöne scheiße.
Das rothaarige Mädchen war schon bis auf die Haut durchnässt und sie hatte noch die Hälfte der Strecke vor sich. Sie hätte vielleicht doch eine Regenjacke anziehen sollen, doch sie hatte gedacht der leichte Regen würde bald aufhören. Kaum war sie aber aus dem Haus gewesen hatte es begonnen stärker zu regnen und nun hingen ihr die nassen Strähnen ihres Haares in die Augen, ihre Jeans klebte ihr an den Beinen und ihre schwarzen Turnschuhe waren durchnässt.
Hätte sie nicht schon eine Erkältung würde sie sich wohl spätestens nun eine holen, dachte sie bitter.
Ein kleines rotes Auto kam die Straße entlang und Selina stutze als das Auto nicht an ihr vorbei, sondern langsam neben ihr herfuhr.
Sollte sie wieder einen Weg beschreiben?
Oder gar Entführung? In ihrem Dorf war noch nie jemand entführt worden -aber irgendjemand musste ja den Anfang machen. Misstrauisch legte Selina einen Schritt zu, lenkte ihre Schritte unauffällig ein wenig von der Straße weg.
Die Scheibe wurde heruntergelassen und ein junger Mann, etwa im Alter ihres Bruders, um die 18, kam zum Vorschein. Ein gutaussehender junger Mann mit dunkelblonden Haaren.
„Soll ich dich mitnehmen?“, fragte er freundlich mit tiefer Stimme. „Nein, danke.“, brachte sie ebenso höflich hervor.
Wohl doch keine Entführung. Selina entspannte sich ein wenig.
„Wie heißt du? Ich bin Fabio“, fragte der junge Man weiter. Hmm, er sah nicht wie ein Fabio aus. Unter einem Fabio stellte Selina sich eher einen braungebrannten Spanier vor. Braungebrannt schien der junge Mann zu sein, doch Spanier eher nicht.
„Selina.“, gab sie preis. Sollte wohl eher eine Anmache werden, stellte sie amüsiert fest. Selina blieb genau wie Fabio stehen.
„Selina Arnold?“, fragte er weiter und nun stutze Selina, blieb stehen. „Kenn ich dich?“, fragte nun sie. Der Typ lachte und antwortete einige Augenblicke später. Seine blauen Augen blitzten.
„Bin ein Kumpel von Jan. Verletzt mich jetzt irgendwie das er nichts von mir erzählt hat. Er redet ständig von dir.“. „Aha.“, erwiderte Selina verwirrt.
Nein, den Namen Fabio hatte sie noch nie gehört. Zumindest von ihrem Bruder. Seltsam, wenn er etwas mit ihm unternahm. Jan erzählte ihr immer wenn er etwas vor hatte und auch mit wem, damit sie sich keine Sorgen um ihn zu machen brauchte. Er hatte es wohl vergessen, sie hatten sich am Morgen auch nicht gesehen.
„Soll ich dich wirklich nicht mitnehmen?“, fragte er noch einmal nach, „Ich fahr jetzt sowieso zu Jan.“. Nervös spielte Selina mit ihrem Unterlippenpiercing, einem silbernen Ring.
„Nö, ich muss noch Zeitungen austragen.“, erklärte sie dem süßen Typen, deutete dabei auf ihre blaue Tasche. Er warf einen kurzen Blick darauf, öffnete dann die Tür und stieg aus. Reflexartig wich Selina weiter an die Wand hinter ihr, denn Fabio war sehr groß.
Sie war kein Winzling mit ihren 1,83m, doch Fabio schien an die 1,95m zu sein. Sie fragte sich wie dieser Riese in das kleine Auto gepasst hatte, denn nicht nur seine Größe machte Masse, sondern auch die Muskeln.
Fabio zog sich seine Lederjacke aus und hielt sie ihr wortlos hin. Selinas Blick glitt zu dem, am Oberarm spannenden, T-Shirt und dem flachen Bauch. Sie musste aufpassen, dass ihr der Mund nicht aufklappte, denn einen solchen Typen hatte sie noch nie so nah vor sich stehen gehabt.
Ihr Bruder war zwar auch ein Kaliber, aber Fabio war ein ganz anderes.
Langsam durchnässten auch ihn die Regentropfen, die Selina einige Zeit gar nicht mehr wahrgenommen hatte. „Die wird nachher aber nicht mehr so frisch sein.“, brachte Selina hervor, wollte die Jacke zuerst nicht annehmen.
„Passt schon. Aber wenn du weiter so rumläufst bekommst du eine ganz böse Erkältung, also nehm sie. Ich kann sowieso nicht glauben dass Jan dich so in den Regen gelassen hat, der beschützt dich doch sonst wie seinen Augapfel.“, murmelte Fabio vor sich hin, wurde gegen Ende immer leiser, sodass Selina sich anstrengen musste ihn zu verstehen.
„Er hat mich ja nicht gesehen, als ich das Haus verlassen hab.“, brachte sie grinsend hervor und auch Fabio lächelte breit.
Der junge Mann half Selina in die Jacke und schloss den Reißverschluss. Streifte dabei ihre feuchte Haut unter dem dünnen Pullover, und bescherte ihr eine Gänsehaut.
Selina kam sich in der Jacke verloren vor, aber sie wärmte sie langsam wieder auf, während sie zusätzlich Fabios Geruch nach Heu und Aftershave zu ihr trug.
Fabio sah sie noch kurz an, stieg dann wieder ins Auto und fuhr mit einem fröhlichen „Wir sehen uns später.“, und einem intensiven Blick aus den Eisblauen Augen, weiter.
Doch Selina Arnold sollte nicht wieder zu Hause ankommen.
Sie sollte ihren Bruder nicht sehen können, der sie immer beschützt hatte, als wäre Selina sein größter Schatz und auch nicht wieder mit ihren Eltern streiten können.
Sie sollte Fabio seine Jacke nicht zurückgeben können.
Wenige Häuser vor Selinas Elternhaus hatte ein blauer Kleinbus geparkt, kaum war Selina in seine Reichweite gekommen wurde die Tür geöffnet und sie hineingezerrt.
Niemand hatte etwas gesehen.
Niemand hatte etwas gehört und Selina Arnold war verschollen.
…to be continued…?
Texte: alle Rechte bei mir
Bildmaterialien: http://www.animaatjes.de/wallpapers/wallpapers/regen/wallpaper_regen_animaatjes-23.jpg
Tag der Veröffentlichung: 30.05.2013
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Widmung:
weil das Schicksal sich meistens die Menschen greift die dabei sind glücklich zu werden :(