Kapitel 1:
"Ethan?"
"Hmm?"
"Du machst es schon wieder!"
"Was?"
"Du träumst am hellichten Tag!"
"Tue ich nicht!"
"Nein, schon klar. Du hast mich aus Spaß seit zehn Minuten ignoriert."
"Dir zuzuhören bereitet mir solche Höllenqualen, dass ich mich einfach mal für einen Augenblick entspannen musste. Meine Ohren qualmen schon von deinem ununterbrochenen Geplapper."
"Hmpf!", schnaubte das Mädchen, mit den rot blonden Haaren, unter ihrer dunkelbraunen Kapuze, die ihr bis über die frech dreinschauenden, goldbraunen Augen fiel. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und reckte ihr Kinn trotzig in die Höhe.
"Ich bin eine Prinzessin, ich plappere niemals.", sagte sie überaus würdevoll, ganz wie es einer Prinzessin zu Gesicht stand.
Meistens jedoch, benahm sie sich ganz und gar nicht prinzessinnenhaft. Sie war launisch und dickköpfig, sie sprach wann immer sie wollte und trug, so wie auch heute, fast jeden Tag Hosen und Jagdstiefel aus weichen Hirschleder anstatt einem der schweren Samtkleider aus ihren übervollen Kleiderschrank.
Sie war besser im Bogen schießen als die meisten Männer, die Ethan kannte und war auch wesentlich schlauer und schneller als diese. Im Umgang mit dem Breitschwert übertraf sie sogar ihn. Er war zwar wesentlich stärker als sie, doch sie war wendig wie eine Katze und gerissen wie ein Fuchs.
Wahrscheinlich, so dachte er, ist das auch der Grund, aus dem Vater immer noch keinen passenden Ehemann für sie gefunden hat.
Jeden Kandidaten, der dafür in Frage kam, hatte sie in wenigen Tagen, mit ihrer scharfen Zunge in die Flucht geschlagen. Sahira sträubte sich vehement jemanden auszusuchen.
Sie hatte ihm bereits mit zwölf Jahren anvertraut, dass sie niemals einen von diesen aufgeblasenen Ochsen heiraten würde und nur über ihre Leiche dann dessen artig lächelnde, schweigende und knicksende, Sklavin von Ehefrau werden würde.
Ethan hatte nie an ihren Worten gezweifelt.
Er wußte, dass seine stolze kleine Schwester sie niemals einem Mann unterwerfen würde, wenn ein Mann sie als Ehefrau wollte, müsste er sie so nehmen wie sie war.
Im Palast war ihr Verhalten bereits Anlass für Getuschel und Gelächter geworden. Er war in Sorge um seine kleine Schwester, die, mit ihrer zweifelhaften Anmut, bereits den wenig schmeichelhaften Beinamen "der Bauerntrampel" bekommen hatte.
Die Damen und Herren der Oberschicht machten sich hinter vorgehaltener Hand über sie lustig und er war sich sicher, dass Sahira dies wusste. Es war ihr schlicht und einfach egal, ob Lady Gwyniffer behauptete, ihr Vater König Ictan hätte Sahira bei einem Ausritt im Wald gefunden, oder Sir Isan der permanent betonte, sie habe eine Grazie, wie sie sonst nur Wildschweinen gegeben sei.
Sie machte sich nichts aus solchem Klatsch und ihr Vater liebte seine junge Tochter so abgöttisch, dass er solches Getratsche einfach zu überhören schien.
Beim Volk allerdings war Ira, wie er seine Schwester liebevoll nannte, sehr beliebt, und auch die Zofen, Kammerdiener und die anderen Bediensteten im Palast, hatten seine kleine Schwester sofort ins Herz geschlossen. Ihre Amme Ailyn liebte das Mädchen, wie die Mutter, die sie nie gehabt hatte.
Er sah seine Schwester an, die immer noch so tat als ob sie schmollen würde.
Sie hatte das Gesicht ihrer Mutter, bemerke er mal wieder und es schmerzte ihn daran zu denken.
Ihre Mutter Jocelyn war bei Sahiras Geburt gestorben, und hatte ihn, der damals sieben gewesen war, und seine neugeborene Schwester Ira allein zurückgelassen.
Sie waren gerade auf dem Weg in eines der Nachbarkönigreiche gewesen, als ihre Kutsche durch ein tiefes Schlagloch fuhr, ins schlingern geriet und umstürzte.
Ethan erinnerte sich noch als wäre es gestern gewesen.
Der Kutscher war vom Kutschbock geschleudert worden und unter der Kutsche eingeklemmt.
Eines der Pferde hatte es geschafft sich los zu reißen, während das andere mit zerschmetterten Hinterläufen, vor Schmerz und Angst schreiend am Boden lag.
Seine Mutter war aus der Kutsche geschleudert worden und konnte sich vor Schmerzen nicht mehr bewegen.
Er hatte furchtbare Angst gehabt.
Er selbst war wie durch ein Wunder , bis auf ein Paar Prellungen unverletzt und konnte aus der umgestürzten Kutsche klettern.
Der Wald in dem sie sich befunden hatten, war stockfinster gewesen und das einzige Licht waren der Vollmond und der Stern der Göttin gewesen.
Die Göttin hatte ihm Mut gemacht. Ihr warmes orange gelbes Licht hatte ihm die Kraft gegeben.
Er war zu seiner Mutter gelaufen und hatte versucht ihr aufzuhelfen. Doch es war sinnlos gewesen. Sie war zu stark verletzt gewesen.
Blut war ihr aus dem Mundwinkel gelaufen und auf ihr weißes Samtkleid getropft, als sie ihm beruhigende Worte zugeflüstert hatte.
Er hatte nicht geweint. Er hatte stark sein wollen, wie ein Mann. Er hatte seiner Mutter das feuchte blonde Haar aus der Stirn gestrichen.
Dann, hatten die Wehen eingesetzt. Die Wehen hatten den gebrochenen Körper seiner Mutter geschüttelt und sie hatte vor Schmerz geschrieen, als er eine Stimme hinter sich gehört hatte.
Eine zerlumpte, alte Frau war zwischen den Bäumen hervor aufgetaucht.
Er hatte Angst gehabt. Seine Mutter hatte ihn zu sich runter gezogen und ihn sanft auf die Stirn geküsst.
`Jetzt wird alles gut, hab keine Angst mein Sohn´, hatte sie geflüstert und er hatte der Alten, die ihm versprach sich um seine Mutter zu kümmern, vertraut.
Die Alte hatte ihn mit einer spielerischen Leichtigkeit auf das unverletzte Pferd gehoben und ihn angewiesen, so schnell er konnte zu seinem Vater zurück zu reiten.
Sie hatte dem kräftigen Schimmel etwas ins Ohr geflüstert und das Pferd war, wie der Wind, die ganze Nacht hindurch galoppiert, bis es vor dem Palast seines Vaters, König Ictan, zum stehen kam.
Völlig erschöpft vom langen Ritt, war er durch das Tor getaumelt.
Hauptmann Philus hatte ihn gefunden und sofort zu seinem Vater gebracht.
Ethan hatte seinem vor Schock kreidebleichen Vater sofort alles erzählt, was passiert war, und sein Vater hatte augenblicklich reagiert.
Er hatte seine besten Männer mitgenommen und war schon Augenblicke später fort gewesen.
Nichts war wieder gut geworden, dachte Ethan verbittert.
Seine Mutter war noch in der Nacht gestorben.
Als sein Vater und seine Männer wieder kamen trug der König seine kleine Schwester Sahira im Arm.
Ein wunderschönes, gesundes Baby, das seine Mutter niemals kennenlernen würde.
Nie wieder hatte sein Vater über seine Mutter oder jene Nacht gesprochen, wahrscheinlich waren die Erinnerungen an seine Frau einfach zu schmerzhaft für ihn.
Noch immer ganz in Gedanken versunken, spürte er plötzlich einen harten Stoß in der Rippen Gegend, der ihm die Luft aus den Lungen preßte.
„Uff!", machte er und stieß keuchend die Luft aus.
„Ha!", rief Sahira triumphierend. „Endlich hab ich deine Aufmerksamkeit wieder!" Sei grinste frech und ihre Augen blitzten vor Schalk.
„Zeig ein bisschen mehr Respekt vor deinem großen Bruder, wenn ich bitten darf!", schalt er sie ebenfalls grinsend.
Sie über ging seinen Einwand einfach als hätte er nichts gesagt und fuhr fort ihn auf zu ziehen.
„Na schon wieder von deiner Hübschen geträumt, was?!“
Er machte ein ernstes Gesicht und sagte, in noch ernsterem Ton: „Du weißt doch, dass du die einzige Frau in meinem Leben bist, Schwesterchen.“
„Oh ja...“, witzelte sie, „noch! Aber wenn du erstmal Nila geheiratet hast ist das für immer und ewig vorbei! Dann ist es aus mit der Rumtreiberei!“
„Wenn ich mich recht entsinne, bist du diejenige von uns, die sich immer aus dem Palast schleicht. Ich passe nur auf, das du nichts Dummes anstellst.“
„Wie soll ich auch sonst Persival los werden?“, fragte sie Achsel zuckend.
Persival, der neueste Heiratskandidat seines Vaters klebte an Ira wie eine Klette. Er war klein, dicklich und hatte trotz seines jungen Alters bereits die Halbglatze eines fünfzig Jährigen. Ethans hübsche Schwester war zwar kein sonderlich oberflächlicher Mensch, und doch war ihr dieser Mann durch und durch zuwider. Was vielleicht auch an dessen mangelnder Körperhygiene lag.
Sahira hatte bereits am vorherigen Abend ihr bestes gegeben um den unerwünschten Verehrer loszuwerden .
Sie war auf dem Abendlichen Bankett in Blut befleckter Jagd Kleidung erschienen. Ihre Haare hatten wild zerzaust und mit Blättern gespickt von ihren Kopf abgestanden.
Während des essens hatte sie laut gerülpst und mit einem Hühnerknochen ihre Zähne gesäubert. Anschließend hatte sie lautstark nach mehr Bier verlangt, sich am Hintern gekratzt und ihre schlammigen Stiefel auch das saubere und frisch gestärkte weiße Tischtuch gelegt. Dies hatte Fräulein Benfinir, die sonst so mütterlich freundliche Haus-Dame, so erzürnt, dass sie Sahira noch am selben Abend , zur Strafe alle Tischdecken im Palast hatte waschen, stärken und bügeln lassen.
Solche Strafen hielten Sahira allerdings nicht davon ab bei der nächsten Gelegenheit wieder etwas dummes anzustellen. So hatten diese Strafen für sie nämlich den großen Vorteil, dass sie währen sie die Strafe abarbeitete wenigstens keine Zeit mit Persival verbringen musste.
Sich aus dem Palast zu schleichen und allein, ohne Wachen Begleitung einen Spaziergang über den Marktplatz zu machen, war eine von vielen Folgedummheiten, die bei Sahira oft auf eine frisch abgearbeitete Strafe folgten.
Zu ihren Glück hatte Ethan sie gefunden und begleitete sie nun als ihr „Alibi“ und um ein Geschenk für Nila seine Verlobte zu kaufen.
„Das hier ist hübsch“, sagte Ira und zeigte ihm einen aus Weißgold gearbeiteten Armreif.
„Hmm, ich weiß nicht“, er runzelte die Stirn. „Der ist ein bisschen zu schlicht, finde ich.“
Der Händler zog die buschigen Augenbrauen hoch.
„Warten sie, ich glaube ich habe genau das Richtige für sie.“
Der Mann öffnete eine nichtssagende Schatulle und zauberte ein paar herrlich gearbeiteter Perlenohrringe und ein dazu passendes Kollier hervor.
„Das ist es!“, rief Ira begeistert. „Ich kenne Nila schon länger als du Ethan, vertrau mir, das wird ihr auf jeden Fall gefallen! Es ist traumhaft!“
„Ich finde es wirklich wunderschön.“, gab Ethan zu. „Ich denke ich nehme es.“
Ira strahlte über das ganze Gesicht. Sie selbst machte sich herzlich wenig aus Schmuck.
Die Halskette ihrer Mutter war der einzige Schmuck den sie trug. Doch Nila, die nicht nur Ethans Verlobte, sondern auch ihre Freundin war,
liebte hübsche Dinge und sie wusste, dass Nila die Ohrringe und die Kette lieben würde.
Sie sah ihren Bruder, der seit seiner Verlobung, vor Glück beinahe zu strahlen schien an und lächelte still in sich hinein.
Es war schön ihn glücklich zu sehen. Sie wusste, dass es Nila genauso erging. Denn obwohl Nila und Ethan durch ihre Heirat zwei Königreiche miteinander verbanden
und somit einen Reichsbund schlossen,war die Hochzeit zwischen Iras bester Freundin und ihrem Bruder eine Liebesheirat.
Malu das Reich ihres Vaters,war ein Reich in dem zum größten Teil Menschen lebten, und Falonia war das Reich der Elfen, Nilas Königreich
Etwas, dass sie sich immer für ihren Bruder, den Thronfolger, gewünscht hatte.
In Malu waren Vernunftehen, innerhalb der Königlichen Familie, so normal wie für andere Lebewesen das Atmen. Jeder tat es und niemand dachte weiter darüber nach.
Sie sollten das Königreich stärken und vergrößern.
Doch Nila gab Malu nicht nur Stärke und Größe, sie machte Ethan zum glücklichsten Mann der Welt.
Ira war ganz in Gedanken versunken, dass sie und Ethan, der noch immer mit dem Goldhändler diskutierte, gar nicht bemerkten, wie sich zwei vermummte Gestalten näherten.
Auf einmal ging alles ganz schnell.
Eine der Gestalten packte Ethan an der Schulter und schlug ihn mit einem gezielten Faustschlag KO.
Der zweite stülpte Sahira einen schmutzigen, alten Sack über den Kopf. Sie zappelte und schrie, sie biss und schlug um sich, sodass es ihm nicht recht gelingen wollte.
Sie traf einen Angreifer mit dem Knie und biss den Anderen kräftig in die Hand.
Es schmeckte salzig und als sie sein Blut auf ihrer Zunge schmeckte, überwältigte sie der Geschmack nach Talg und Kupfer.
Sie würgte und spuckte um den wiederlichen Geschmack los zu werden.
Der Angreifer schrie auf und schlug ihr reflexartig in den Magen.
Sie japste vor Schmerz und drückte sich ihre Hände in die schmerzende Gegend.
Das reichte, damit die Angreifer sie entgültig überwältigen konnten.
Bevor sie ihr den Sack vollsändig über den Kopf zogen, stopften sie ihr einen Lumpen in den Mund, der ihr den Atem raubte.
Dann fesselten sie sie und warfen sie auf einen Wagen, wo sie neben dem immer noch bewusstlosen Ethan liegenblieb.
Danach wurde alles schwarz.
Kapitel 2:
„Eure Majestät.“
„Hauptmann, habt ihr sie endlich gefunden?“, fragte König Ictan und ging besorgt im Ratszimmer auf und ab.
„Nein, aber wir haben...“
„Nein! Was soll das heißen?!“, schrie der König erbost.
Eines der Hausmädchen stieß vor Schreck eine teure Vase aus dem Regal, welches sie gerade abgestaubt hatte. Klirrend zersprang sie auf dem edlen Holzboden. Der König zuckte nicht einmal mit der Wimper. Er war so in Rage, dass er es gar nicht mitbekam, wie die Frau auf allen Vieren und Entschuldigungen stammelnd, über den Fußboden kroch und die Scherben einsammelte.
„Ich hatte euch den Befehl gegeben meine Kinder wieder zurück zu holen! Seid ihr und eure Männer so unfähig, dass ihr es nicht schafft zwei Männer einzuholen, die vor hunderten von Zeugen, mitten in unserer Hauptstadt, den Thronfolger und seine Schwester entführen?“, seine Stimme war schneidend wie Eis. Wenn Hauptmann Philus den König nicht so gut gekannt hätte, wäre es ihm Kalt den Rücken hinunter gelaufen, doch er wusste, dass der König fast wahnsinnig vor Sorge um seine Kinder war.
„Majestät, wir haben die Spur der Entführer zwei Tagesreisen nach Osten verfolgt, doch ab dort verschwindet die Spur. Ihren Zweispänner haben wir gefunden. Eure Majestät, wir fürchten, dass die Entführer eure Kinder in den Nimlu verschleppt haben. Ihr wisst was das bedeutet Hoheit. Wir müssen Königin Nila bitten uns Waldführer zur Verfügung zu stellen. Ohne die Hilfe der Elfen können wir die Entführer unmöglich im Wald verfolgen. Wir würden uns rettundgslos verirren. Die Schutzzauber des Waldes sind für uns einfach zu stark.“
„Ja, ihr habt Recht Hauptmann. Schickt sofort einen Boten nach Falonia. Königin Nila wird nicht erfreut sein ihre Hochzeit verschieben zu müssen, aber ich denke das es auch in ihrem Interesse liegt ihren Bräutigam wieder zu finden.“
König Ictan setzte sich erschöpft auf den schweren Eichenstuhl am Ende des langen Tisches. Er atmete schwer.
„Wie konnte soetwas nur passieren? Wir waren vorbereitet und warum haben sie auch Ethan mitgenommen?“, seufzte er.
„Ich weiß es nicht euer Hoheit. Vielleicht ist es ja nur ein Zufall und nicht die Prophezeiung. Es wusste schließlich niemand davon, nicht einmal die Prinzessin selbst.“
Hauptmann Philus trat einen Schritt näher an seinen König heran.
„Prinzessin Sahira ist schlau und stark und euer Sohn ebenfalls. Die beiden werden sich nicht unterkriegen lassen. Es würde mich nicht wundern, wenn sie plötzlich durch die Tür hereinspatziert kämen und das ganze für ein lustiges Abenteuer halten würden.“
„Hmm, vermutlich habt ihr Recht. Ira hätte warscheinlich ihren Spaß daran, diesen Kerlen den Hintern zu versohlen.“, antwortete der König und ein schwaches Lächeln huschte über sein von Angst gezeichnetes Gesicht.
Ethan spürte jeden Knochen in seinem Leib. Er lag zerschunden auf dem Boden eines feuchten und dunklen Kerkers. Nur langsam gewöhnten sich seine zugeschwollenen Augen an die Dunkelheit seines Verlieses.
Stundenlang hatten die Handlanger des Truskerkönigs ihn gefoltert. Sie wollten, etwas über seine Schwester wissen, doch er hatte hartnäckig geschwiegen. Zum Einen, weil er seine Schwester liebte und sie niemals an diese Kröten verraten würde, zum Anderen, weil er einfach nichts wusste.
Die Luft um ihn herum war muffig und roch nach modrigem, abgestandenem Wasser. Er tastete sich langsam voran um sich zu orientieren.
Es zerriss ihm fast das Herzvor Sorge um seine Schwester. Er hatte von ihr nichts mehr gehört oder gesehen seitdem er vom Wagen gezerrt wurde .
Was war geschehen? Was hatten sie ihr angetan?
Er spürte in seinem Innersten, das sie noch lebte. Aber wie lange noch? Wie lange würde sie wohl so einer Folter standhalten?
Ein Geräusch an der Kerkertür ließ ihn innehalten.
Ein Wächter schob einen Teller und einen Krug mit Wasser durch den schmalen Türspalt.
„Was habt ihr mit meiner Schwester gemacht?!“, schrie Ethan verzweifelt. „Wo ist sie?!“
„Schweig still du bleicher Maluraner!“, knurrte der häßliche Kerkerknecht.
Obwohl der durch die Folter geschundene Ethan momentan nicht der schönste war, sah er im Gegensatz zu dem schaurigen Grottentroll blendend aus.
„Die Kleine hat noch ganz schön Ärger gemacht, aber das hat sie schnell bereut!“, grunzte der Troll und spuckte verächtlich auf den Boden. „Feuriges kleines Ding, deine Schwester... ich hoffe ich darf auch mal ran, wenn der Kommandant mit ihr wieder zurück ist.“ Der Troll grinste anzüglich und entblößte dabei seine verfaulenden Zahnstummel.
„Du Mistkerl du wirst sie nicht anrühren!“, brüllte Ethan wutentbrannt und ging mit den Fäusten auf seinen Wärter los.
Der Grottentroll lachte hämisch, packte ihn am Hals und hielt ihn mühelos einige Zentimeter über dem Boden fest. „Dreckiger Maluraner, du glaubst doch nicht wirklich, dass du jemals lebendig wieder hier raus kommst?“, grölte der Troll und warf ihn wie einen Sack Lumpen in eine Ecke der Zelle.
Dann schloss sich die Tür und Ethan saß wieder allein in der Dunkelheit.
Ächzend kroch er zu seinem mickrigen Mahl.
Er aß schweigend, denn ganz egal was dieser Sohn einer Hündin sagte, er musste bei Kräften bleiben.Er musste irgendwann, irgendwie entkommen.
Und dann würde er es diesem krötengesichtigen Mistkerl, der sich hier König nannte, alles doppelt und dreifach zurückzahlen.
Drei Tage später:
Er konnte ihr Lagerfeuer schon seit mehreren Meilen riechen und auch ihr Gestank war seit einiger Zeit fast unerträglich. Sie hatten auf der kleinen versteckten Lichtung vor ihnen ihr Lager aufgeschlagen. Es waren fünf und sie hatten eine Geisel, die etwas abseits an einen Baum gefesselt war.
„Wir sollten jetzt angreifen.“, brummte Wakashi neben ihm. „Diese widerlichen Kröten würden mit unserem Dorf dasselbe tun, das weißt du genau Ian.“
Ian sah seinen Freund an. Er wusste, dass es den Taurenkrieger nach Blut dürstete. Im letzten Jahr hatte eine Horde Trusker sein Dorf überfallen und alle getötet, die sich ihnen in den Weg gestellt hatten. Auch Wakashis Schwester und seine Mutter waren von ihnen hingerichtet worden.
„Bleib ruhig, du wirst deine Rache bekommen.“, beschwichtigend legte Ian seine Hand auf die muskulöse Schulter seines Freundes. Wakashis Muskeln zitterten vor Anspannung. „Wir werden angreifen sobald es dunkel ist. Sie werden uns nicht kommen sehen. Ihnen wird keine Gnade gewährt werden.“, sagte er grimmig.
Wakashi nickte entschlossen. „Ich werde den Anderen Bescheid geben.“, sprach er und verschwand im Unterholz.
Ian beobachtete die Trusker noch eine Weile. Trusker waren die so ziemlich widerlichsten Wesen die er sich vorstellen konnte. Ihre Haut war glitschig und hatte die grünlichbraune Färbung eines abklingenden Blutergusses. Ihre Körper waren stehts unbehaart und ihre Glatzen schimmerten im Licht der untergehenden Sonne. Ihre Augen waren genau wie ihre Münder überdimensional groß, und quollen fast aus ihren Höhlen. Sie hatten ein Doppelkinn, welches sie wenn sie aufgeregt waren zur doppelten Größe aufblähten. An den Spitzen ihrer Finger hatten sie kleine runde Saugnäpfe, mit denen sie im Kampf ihre Gegner fest umklammerten, sodass diese sich nur unter größter Kraftanstrengung wieder befreien konnten. Doch das abartigste an diesen Sumpfbewohnen war, dass sie sich vom Fleisch ihrer Feinde ernährten.
>Wahrscheinlich haben sie deshalb das arme Mädchen dabei.<, dachte Ian und zog sich dann leise aus seinem Versteck zurück.
Er drehte sich um und und verschwand im Wald. Sobald es dunkel war würden sie angreifen und sie hatten noch eine Menge zu besprechen.
„Ian! Da bist du ja endlich! Wir dachten schon, du hättest ohne uns angefangen, weil du den Spaß für dich allein haben willst!“, rief Zifallon feixend und stocherte, mit seinem leicht gebogenen Schwert, seinem Dáhrmi, gelangweilt in dem fast gänzlich niedergebrannten Feuer herum.
„Pass du lieber auf das du kein Feuer fängst, statt dir Sorgen um mich zu machen.“, brummte Ian zurück, schlug ihm zur Begrüßung sacht auf die Schulter und setzte sich zu seinen Gefährten.
„Ich mir Sorgen um dich machen? Davon träumst du wohl Nachts, was ?!“, sie lachten leise. Zifallon steckte sein Dáhrmi in die Scheide zurück und setzte sich bequemer hin.
„Und, wie sieht es aus? Werden wir diesen Mistkerlen eine Tracht Prügel verpassen oder müssen wir uns verstecken wie feige Hühner, weil sie wieder in Kohorten umherziehen?“, fragte Ehawee ernst.
„Nein, keine Kohorte, sie sind nur zu fünft und sie haben eine Geisel. Ich frage mich was sie dazu bringt, ohne die üblichen 400 Mann durch den Wald zu ziehen...“, erwiderte Ian.
„Hmm, vielleicht ist die Geisel ja irgendjemand wichtiges und sie wollen kein Aufsehen erregen?“, warf Wakashi ein.
„Oder es sind Desateure.“, gab Zifallon zu bedenken und zog seinen Schleier unter der tief hängenden schwarzen Kapuze vom Gesicht um sich ein Stück Tavabrot in den Mund zu schieben.
Er reichte das angebrochene Stück an Ehawee weiter, die den Arm danach ausgestreckt hatte.
Er zuckte unmerklich zurück als ihre Hand seine berührte. „Ich vergesse immer wieder wie heiß du bist!“, zischte er. Sie verdrehte nur die Augen.
Als Feuerdämonin, Salamandra, war sie es gewohnt das andre Völker ihre Körpertemperatur als unangenehm empfanden, doch bei Zifallon war das etwas anderes, ihm als Erdnymphe, war Feuer und Hitze besonders unangenehm, es trocknete ihn aus und machte ihn langsam und verletzlich, so wie ein Batzen Lehm in der Sonne trocken und bröselig wurde.
Man verbrannte sich zwar nicht gleich die Finger wenn man sie im ruhigen Zustand berührte, doch im Gefecht war ihr ihr hitziges Blut durchaus von nutzen. Es überzog die Haut des Feindes innerhalb von Sekunden nach der Berührung mit einer schmerzhaften Schicht aus Brandblasen und, wenn sie es darauf anlegte, schwarzen, verkohlt riechenden, offenen Brandwunden.
„Stell dich nicht so an, ich tue dir schon nichts.“, schoss sie zurück.
„Ehawee, lass dich von dem doch nicht ärgern. Du weißt doch das er so seine Probleme mit starken Frauen hat.“, warf Wakashi mit einem verschwörerischen Lächeln ein.
„Hmpf!“, machte Zifallon genervt und atmete geräuschvoll aus. „Das wüsste ich aber! Wenigstens treib ich es nicht mit Schafen!“, kam augenblicklich die Retourkutsche .
„Ruhe jetzt!“, unterbrach Ian die Streitereien. „Die Sonne ist bereits vom Himmel verschwunden und ihr sitzt hier rum und streitet euch! Ich dachte ihr wolltet ein wenig Spaß heute Nacht? Die Trusker werden bereits tief und fest schlafen und wenn wir jetzt nicht angreifen, bekommen wir vielleicht keine Chance mehr!“ Nach diese Zurechtweisung wurde es schnell still unter dem sonst so streitlustigen Trio.
Wakashi war der Erste der seine Stimme wiederfand. „Dann sag uns Ian, wie wollen wir es machen?“
Kapitel 3:
Lautes Kampfgebrüll und das Geklirr von Stahl, der auf Stahl traf weckte sie unsanft aus ihrem traumlosen Schlaf. Ihre Arme, die ihr die Entführer auf den Rücken gebunden hatten, waren bereits ganz taub vor Schmerz. Sie ignorierte es und zerrte verzweifelt an ihren Fesseln.
Irgendjemand griff ihre Entführer an. Inständig hoffte sie, dass es die Männer ihres Vaters waren.
Ihr Blick glitt gehetzt hin und her, als ein riesiges Monstrum an ihr vorbei rannte und ein fürchterliches Kriegsgeschrei anstimmte. Verängstigt drückte sie sich dichter an den Baumstamm, hinter dem ihre Hände noch immer fest verbunden waren.
Hatte sie eben gedacht, das haarige, gehörnte Ungetüm sei ihren Albträumen entsprungen, so wähnte sie beim Anblick der Frau, die sich nun auf einen der Entführer stürzte, bereits tot und den Grauen der Unterwelt ausgesetzt.
Die Frau hatte Haut und Haar so schwarz wie das Pech in dem die Sünder der Unterwelt verbrannten, ihre Augen aber waren das schlimmte, leuchtend rot drangen sie ihr durch Mark und Bein, als die Frau dem Trusker, mit einem langen schmalen Dolch, den vorgewölbten Bauch aufschlitze.
In Todesqualen schreiend, brach der Krötenmann zusammen. Seine Eingeweide fielen aus dem geöffneten Bauchraum und bedeckten die Blut getränkte Erde. Er wand sich noch einen grotesken Augenblick lang zuckend, dann schnitt die Frau mit den brennenden Augen ihm die Kehle durch.
Das Blut spritzte aus der geöffneten Arterie und traf die Frau im Gesicht.
Sahira zuckte angewiedert zusammen, beim Anblick von solch gnadenloser Grausamkeit wurde ihr schlecht.
Weiter entfernt fiel der letzte Entführer unter dem Schwert eines Angreifers.
Dann war es still.
Sie schickte ein Stoßgebet an die Göttin, das sie ihr Leben verschonen möge.
Die Frau, die sie eben noch so Hass erfüllt angeblickt hatte, musterte sie interessiert.
„Ehawee, warum stehst du da so rum? Mach die Kleine endlich los!“, sagte einer der Männer.
„Wenn du sie gut durchgegart willst Ian, dann gern.“, antwortete die angesprochenen zynisch.
„Kling nicht schlecht! Ich könnte schon wieder ein Häppchen vertragen.“, lachte das haarige Monster und stupste den Vierten im Bund mit dem Ellenbogen in die Rippen, woraufhin sich dieser gemächlich in ihre Richtung bewegte.
Sahira musterte den sich nähernden Fremden mit wildem Blick.
Als er sich neben sie hockte und ihr den Knebel fachmännisch aus dem Mund zog, gab sie keinen Ton von sich. Sie starrte ihn nur feindselig an.
Sie machten sie nur los, damit sie sich wehrte, da war sie sicher. Sie hatte den Wahnsinn in den Augen der Frau gesehen, sie hatten Spaß am töten und wollten das sie um ihr Leben wimmerte, bevor sie starb. Das Monster hatte schließlich gesagt er wolle sie essen! Es passte einfach haargenau zu den Geschichten, die ihre Amme Ailyn ihr immer, von den Ungeheuern und Stämmen von jenseits des Nimlu, erzählt hatte.
„Ha! Sie mag dich nicht Zifallon! Sieh nur wie sie guckt!“, jubiliete die Ehawee genannte Frau und lachte herzhaft, was Sahira einen Schauer über den Rücken jagte.
Der Mann, der sich inzwischen hinter dem Baum in ihrem Rücken an den Fessel zu schaffen machte, brummte nur etwas unverständliches, wodurch er Ehawee zu noch lauterem Gelächter animierte.
Ein kurzer Ruck und Sahiras Hände waren frei. Sie zögerte keine Sekunde und rannte, so schnell sie ihre Beine trugen los.
Sie war noch noch keine zehn Meter weit gelaufen, als etwas hartes sie vor der Brust traf und sie japsend auf dem Rücken landete. Hart schlug sie mit dem Kopf auf den trockenen Boden.
Als sie sich aufrappelte wurde ihr schwarz vor Augen und sie wurde ohnmächtig.
„Das hast du ja wirklich toll hin bekommen Wakashi. Eine echte Glanzleistung. Schlagen wir das arme verängstigte Mädchen nieder, warum bin ich nicht darauf gekommen?!“, rief Ian erbost und seine Stimme troff vor Sarkasmus.
Missmutig hob Ian ihren schlanken Körper vom Boden. Ihr langes, rotes Haar hing in weichen Kaskaden an seinem Arm herab.
„Zifallon, sieh zu das du dieses Durcheinander beseitigst. Es darf kein Tropfen Blut mehr zu sehen sein. Wir wollen ja nicht, das man auf uns aufmerksam wird.“, befahl er streng und lief dann in einem lockeren Trab in den Wald hinein. Wakashi und Ehawee folgten ihm auf dem Fuße.
Blatter fielen von den umstehenden Bäumen auf sie herab, als die Erde für einen kurzen Augenblick bebte. Keiner von ihnen beachtete es.
Nach knapp einer halben Stunde fanden sie ihren Lagerplatz wieder und Ian legte das Mädchen, welches noch immer ohnmächtig war, auf einem weichen, Moos bewachsenen Stück Boden nieder.
Ehawee schichtete in der zwischen Zeit, in der mitte der kleinen Lichtung, Holz auf und entzündete es mit einer sanften Berührung ihrer Fingerspitze.
Wenige Augenblicke später traf auch Zifallon ein. Wortlos ließ er sich neben dem Feuer auf den Boden fallen, , klemmte sich seine Tasche unter den Kopf und streckte sich ein wenig um bequem liegen zu können.
„Hey du Faulpelz, lieg da nicht nur rum, sondern leiste zur Abwechslung mal deinen Beitrag! Nur weil ich eine Frau bin heißt das noch lange nicht, dass ich alles, was unter die Kategorie Hausarbeit fällt, allein mache!“, fauchte Ehawee bissig und trat ihn energisch in die Seite. „Sogar Wakashi ist Wasser holen gegangen, also beweg dich und bau von mir aus die Zelte auf oder mach sonst irgend etwas aber lieg hier nicht nur rum!“
Murrend erhob er sich. Er begann allerdings nicht sofort damit, die Zelte aufzubauen, sondern schländerte gelassen zu Ian hinüber.
„ Wie gehts ihr?", fragte er leise und hockte sich neben das Mädchen auf den Boden.
„Es scheint nicht so schlimm zu sein, wie es im ersten Moment aussah. Jedenfalls ist nichts gebrochen, alles nur oberflächlich. Ich denke, das das Meiste schnell abheilen wird.",antwortete Ian und nickte dabei, während er ohne sich von Zifallon ablenken zu lassen ihren rechten Arm mit sauberen Leinentüchern verband.
Er hielt einen Augenblick inne und beschloss dann, das die Kleidung des Mädchens einfach nicht mehr zu retten war. Ihr ehemals weiches Leinenhemd, war blutverkrustet und an den Ärmeln, sowie auch am Ausschnitt eingerissen.
Ihre Stiefel hatten ihre Entführer ihr bereits genommen, genau wie den Mantel, den sie zwischen den Habseligkeiten der Trusker gefunden.
Sie sahen noch ganz passabel aus, auch wenn der Mantel fürchterlich stank.
Warscheinlich, so dachte Ian, hatte einer dieser Krötengesichtigen Mistkerle ihn benutzt.
Als er das Mädchen weiter nach verletzungen abtastete, fand er in ihrem Hosenbund einen kleinen geschwungenen Dolch, den die Entführer wohl übersehen hatten. Kurz wog er ihn in der Hand, dann steckte er ihn ein. Er würde ihn ihr wiedergeben, wenn sie aufwachte und ihre Wunden verheilt wären.
„Zifallon,", sagte er zu dem Vermummten neben sich. „Kannst du das heilen? Ein so junges Mädchen sollte nicht, für den Rest seines Lebens, mit Narben im Gesicht herumlaufen."
Er richtete sich auf und gab Zifallon den Blick auf ihr stark zugeschwollenes Auge frei.
Ein Schnitt spaltete ihre zart geschwungene Augenbraue in zwei Hälften.
„Natürlich, das ist nun wirklich kein Problem.", antwortete dieser.
„Aber sollten wir sie nicht nach weiteren Verletzungen absuchen? Diese Kerle scheinen sie nicht gerade sanft behandelt zu haben."
Ian wollte ihm gerade antworten, als Wakashi mit dem Wasser zurück kam.
Er hatte die letzten Worte mitbekommen grinste anzüglich und verkündete: „Das würde ich mit freuden freiwillig über nehmen! Ich verspreche euch, dass ich nicht einen Finger breit Haut unabgetastet lassen werde."
Ein Lächeln stahl sich über die Gesichter der anderen beiden Männer, doch Ian winkte ab und erklärte, dass Ehawee diese Aufgabe übernehmen solle, da sie das einzige weibliche Wesen sei und das Mädchen sich warscheinlich nicht sehr dankbar zeigen würde, sollte sie aus ihrer Ohnmacht erwachen, während Wakashi sie seiner Untersuchung unterzog.
Wakashi gab ein hallendes Lachen von sich. „Ich denke, mein Freund damit hast du Recht."
Als Sahira erwachte hörte sie Stimmen, die sich etwas von ihr entfernt leise unterhielten.
Sie haben mich nicht getötet, schoss es ihr durch den Kopf, also haben sie mich nun als Geisel übernommen. Warscheinlich planen sie gerade, wie sie meinen Vater um möglichst viel Gold erleichtern können, dachte sie missmutig. Aber da werde ich ihnen einen Strich duch die Rechnung machen. Mit mir nicht!
Entschlossen öffnete sie die Augen und musterte ihre Umgebung kritisch.
Sie war nicht mehr auf der Lichtung. Erschrocken setzte sie sich auf, man hatte sie tiefer in den Nimlu gebracht. Aus dem verzauberten Wald fand kein Mensch allein wieder raus. Entmutigt legte sie den Kopf in ihre Hände.
Noch hatten ihre vermeintlichen neuen Entführer ihr Erwachen nicht bemerkt. Sie konnte sich immer noch unbemerkt davonschleichen, hoffte sie.
Sie fuhr sich mit den Fingern durch die, wie rote Seide glänzenden Haare. Jemand hatte sie ihr gewaschen, bemerkte sie verwundert. Sie waren noch ein wenig feucht und klebten nicht mehr vor geronnenem Blut.
Sie betastete ihr Gesicht. Die Schwellung an ihrem Auge war vollständig verschwunden und von dem Schnitt in ihrer Augenbraue, dem sie sich vor ihrer Ohnmacht so schmerzhaft bewusst gewesen war, war nichts als frische zarte Haut geblieben.
Sie fröstelte, und zog den Mantel, den man ihr gelassen hatte um ihre Blöße zu bedecken enger um sich.
Desshalb haben sie mich nicht gefesselt, dachte sie zerknirscht, sie brauchen nicht zu befürchten, dass ich nackt flüchte.
„ Endlich bist du wach.", sagte eine sanfte weibliche Stimme neben ihr.
Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie in das Gesicht der Frau blickte, die ihr beim erstenmal solche Angst eingejagt hatte. „Du brauchst dich nicht vor mir zu fürchten, ich werde dir nichts tun.", sagte die Frau leise, wobei sie das "Du" deutlich betonte.
„Ich habe keine Angst vor dir!", sagte Sahira und schob trotzig ihr Kinn vor.
„Sicher.", sagte die Frau, die wie Sahira fast erleichtert feststellte, noch fast ein Mädchen war, und lächelte ihr ermutigent zu.
Warscheinlich ist sie sogar jünger als ich, dachte Sahira zögerlich.
„Hier, zieh das an. Vieleicht ist es ein wenig zu eng, aber das muss erstmal gehen. Es sei den, du möchtest lieber nackt vor diesen Böcken herumlaufen, dann nehme ich das Kleid wieder mit.", fuhr das rotäugige Mädchen grinsend fort.
„Nein, das wird schon gehen!", antwortete Sahira ein weinig zu hastig und zog das Kleiderbündel an sich, das sie ihr hinhielt.
Das Mädchen nickte lächelnd und stand auf um zu ihren Kameraden zu gehen.
„Danke.", flüsterte Sahira.
Sahira blickte ihr noch einen Augenblick hinterher, sah wie das Mädchen sich wieder am Feuer niederließ und beeilte sich dann , das Kleid über zu streifen.
Es war aus dicht gewebtem Leinen, in einem dunklen Grünton, der gut mit ihren Haaren harmonierte. Am Hals und an den weit geschnittenen Ärmeln, waren zarte Stickereien.
Sie zog die Schnürung am Rücken fest, verknotete sie und strich es dann sanft mit den Händen glatt.
Es ist hübsch, dachte sie erleichtert und kam zu dem Schluss, das diese Entführer es wohl besser mit ihr meinten.
Schnell schlüpfte sie in ihre Stiefel und blickte sich dann unschlüssig um.
Das Mädchen hatte bereits bemerkt, das sie fertig war und winkte sie energisch zu sich.
Zögerlich folgte sie der Aufforderung und ging zum Feuer.
Dort angekommen blieb sie einen Augenblick zögernd stehen und richtete ihren Blick scheu gen Boden.
Doch ihr blieb keine Zeit lang zu zaudern, da das gehörnte Ungetüm, welches, wie sie jetzt erkannte, ein riesiger Taure war, aufmunternd neben sich auf den Boden klopfte und sagte:
„Setzt dich Mädchen, hier am Feuer ist es warm und Hunger hast du doch sicher auch."
Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die wohl ein Lächeln darstellen sollte, und Sahira nahm ihren Mut zusammen und ließ sich am Feuer nieder.
Sofort wärmten die knisternden Flammen ihr Gesicht und sie entspannte sich ein wenig.
Über den Flammen hing an einem Dreifuß ein Eisenkessel, aus dem ein verführerischer Duft emporstieg.
Ihrer Unsicherheit zum Trotz knurrte ihr Magen laut, desshalb nahm sie ohne Wiederworte eine Schüssel entgegen und aß gierig.
Nach beinahe einer Woche Wasser und schimmligem Brot, war ihr, als hätte sie nie einen besseren Gemüseeintopf gegessen.
Fasziniert beobachteten die Vier Gefährten, wie Sahira noch zwei weitere Schüsseln verschlang.
Es war ihr sichtlich unangenehm und so ergriff Ian beherzt das Wort: „ Jetzt wo du dich ein wenig gestärkt hast, würde es mich brennend interessieren, was du bei diesen Krötengesichtigen Kerlen getrieben hast und was ein Mensch so tief im Nimlu verloren hat."
„Das, geht dich nichts an. Nur soviel, freiwillig war ich nicht bei ihnen, wie selbst dir aufgefallen sein sollte.", fuhr sie ihn erboßt an.
„Wir wollen dir wirklich nichts böses Mädchen. Wir haben uns nur gewundert, das ist alles.", fiel Ehawee Ian , der gerade etwas hatte erwiedern wollen, ins Wort Und lächelte dem scheuen Mädchen vertrauensvoll zu. „Ich bin Ehawee.", sagte sie, reichte ihr die Hand und fragte: „Wie heißt du?"
„Sahira, ich heiße Sahira.", antwortete sie stockend und musterte die Männer in der Runde mit kritischen Blicken.
Diesen blieben ihre Blicke nicht unbemerkt und so stellten sie sich reihum vor.
Sie plauderten noch eine Weile über über unwichtige Dinge. Schnell stellte sich heraus, das Sahira ein wissenshungriges und lebesfrohes Mädchen war. Auch zeigte sich, dass sie gar nicht so jung und naiv war, wie sie zuerst, aufgrund ihrer zarten Statur und dem blassen Gesicht, gedacht hatten.
Ian und Zifallon waren sich darüber einig, das Wakashi mit seiner Vermutung, Sahira müsse jemand wichtiges sein, wohl recht berhalten hatte. Ihre Mimik und Gestik waren nicht die eines einfachen Bauernmädchens.
„Ich habe noch nie einen Tauren aus der Nähe gesehen und ich muss zugeben, ich hatte sie mir auch nie so gewaltig vorgestellt", sagte Sahira gerade zu Wakashi, der in ein Lautes Gelächter ausbrach. Zu ihm hatte sie auf Grund seiner lockeren und kameradschaftlichen Art bereits das meiste Vertrauen gefasst.
Noch immer von Lachern geschüttelt antwortete Wakashi: „ Gewaltig, ja das höre ich von Frauen öfter! Meistens liegen diese allerdings Auf dem Rü..."
„Wakashi!", rief Ian entsetzt, „Sowas kannst du ihr doch nicht erzählen!" Und mit einem Seitenblick auf Sahira, die knall rot im Gesicht geworden war, „Du beschämst sie! "
Plötzlich schallte ein herzhaftes Lachen über die Lichtung. Und als Ian sich wieder zu Sahira drehte, saß diese vornübergebeugt und sich vor Lachen ausschüttend, neben Wakashi.
Auch Ehawee hielt sich den Bauch vor Lachen.
Völlig sprachlos starrten Ian und die anderen beiden Männer die Mädchen an, die sich atemlos am Boden wälzten.
Ian war völlig verdattert und wusste nicht, was er falsch gemacht hatte. Er hatte nur Sahiras Unschuld bewahren wollen, die wie Zifallon bestätigt hatte noch gänzlich markellos war.
Er war, davon ausgehend, das sie kein Bauernmädchen sondern jemand wichtiges, eine Adelige oder die Tochter eines reichen Kaufmanns sei, der Überzeugung gewesen, dass sie den Humor des Tauren, als unangenehm empfinden könnte und sich persönlich beleidigt fühlen würde.
Nach wie vor sprachlos schüttelte er den Kopf.
Sahira, die noch immer von Lachattacken geschüttelt wurde, bemühte sich sichtlich wieder ernst zu werden. Mit zittriger Stimme, presste sie heraus: „Du hast gerade geklungen wie mein Bruder!" Wieder wurde sie von einer Lachsalve geschüttelt. „Ethan, hat auch immer Angst um meine Tugend gehabt ." Noch immer prustend, schaffte sie es ihrer Stimme einen ernsten Ton zu geben. „Wenn ich dich noch einmal erwische Schwesterherz, wie du dich bei den Soldaten rumtreibst, dann werde ich es Vater sagen. Ich denke nicht, das er sehr erfreut wäre, davon zu hören, das seine einzige Tochter dabei ist, sich um eine solch ungehörige Zeit einen Ruf als Soldaten-Liebchen einzuhandeln!"
Diemal, lachte nicht nur sie. Auch die Anderen fielen in das Gelächter mit ein, denn sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, sprichwörtlich. Genau solche Sorgen hatten auch Ian zu einem solchen Eingreifen bewogen.
Als sie sich endlich alle wieder zusammenrissen, war es Zifallon, der als erster das Wort ergriff.
„Dein Bruder, er heißt Ethan?", fragte er neugierig.
„Ja, das hatte ich gesagt.", antwortete Sahira, auf einmal wieder mißtrauisch. „Warum fragst du?"
„Ich habe nur gerade gedacht, das du, wenn dein Vater Soldaten bei sich einquartiert und dein Bruder Ethan heißt, eventuell Sahira von Malu Tochter des Ictan sein könntest.", antwortete er ruhig und sah sie mit durchdringendem Blick an.
Wer musste diesen Augen wohl schon alles standhalten, dachte Sahira und schluckte. Dann brach sie den Blickkontakt ab.
„Ha! Ich wusste es!", rief Zifallon thriumphierend.
„Was wusstest du?", fuhr ihn Ehawee gespannt an. „Erzähl uns was los ist du Hornochse!"
„So schonmal gar nicht Fräulein! Mit deinen Beleidigungen kommst du bei mir nicht weiter.", erwiederte er sachlich. „Zügle dein hitziges Themprament und entschuldige dich bei mir, sonst sage ich gar nichts!", stichelte er weiter. Und an Wakashi gewandt, sagte er leise aber gerade so laut, das sie es hören konnte: „Ich hasse es wenn sie ihre Tage hat!"
Obwohl sie wusste, das er es einzig und allein darauf angelegt hatte, sie zu triezen, ärgerte Ehawee sein selbstgefälliger Ton maßlos.
Wie eine Raubkarze erhob sie sich und stürzte sich mit einer fließenden Bewegung auf ihr Opfer. SIe schlug so schnell und hart zu, dass es Zifallon, nicht gelang aufzuweichen. Das Klatschen ihrer Flachen Hand auf seiner Wange, konnte man warscheinlich Meilenweit hören und Sahira konnte den durchdringenden Geruch verbrannten Haares riechen.
Das konnte Zifallon nicht auf sich sitzen lassen und so artete das ganze schnell in eine handfeste Prügelei aus.
„ Ich setze 5 Silber auf Zifallon.", hörte Sahira Wakashi sagen.
„Was 5 Silber? Nee hat du gesehen wie wütend sie ist? Ich halte dagegen, Ehawee gewinnt!", antwortete Ian lachend.
"Ihr wettet um den Ausgang der Prügelei?!", Sahiras Stimme klang empört.
"Aber sicher, wie soll ich denn sonst meine Reisekasse aufbessern?", antwortete Ian gelassen.
"Sie ist ein Mädchen! Er wird ihr weh tun!", rief Sahira entsetzt.
"Ach was, mach dir mal keine Sorgen, Ehawee ist zäh, ich denke sie gewinnt, Zifallon wird schon sehen was er davon hat, sie ständig zu reizen!", erklärte Ian ruhig. „Außerdem machen die beiden das ständig und es ist noch nie jemanden wirklich was passiert." Er zuckte mir den Schultern und wandte sich wieder dem Schauspiel zu.
Inzwischen blutete Zifallon´s Lippe und Ehawee´s Fuß steckte wie angewurzelt bis über den Knöchel in der Erde fest.
Texte: Alle Figuren und die Handlung gehören nur mir!
Tag der Veröffentlichung: 25.08.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle die das Kopfkino genauso lieben wie ich!