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„Verdammt nochmal, Nele, stell endlich deine Hottentottenmusik leiser!“ brüllte mein Nachbar Adolf Hilzer über den Gartenzaun. Mein freundlicher Nachbar ist ein Korinthenkacker und Pedant, wissen Sie, so einer, der seine Rasenkanten mit der Nagelschere schneidet und der den Gänseblümchen nun aber auch gar keine Chance lässt. A.H. ist Rentner, seit fünf Jahren, er hat jetzt viel Zeit, leider. In alles muss er seine Nase stecken, und wer ihm nicht passt, wird gnadenlos von ihm niedergebrüllt.Sein Lieblingsopfer bin ich, Nele Frings, 23 Jahre alt, Studentin der Archäologie und der Orientalistik, und bekennende Vegetarierin. Ich liebe unseren kleinen naturbelassenen Garten und bei uns hat auch der Löwenzahn eine faire Chance. Adolf sieht das natürlich völlig anders, für ihn sind wir „Schlampengesindel“, mit dem man „früher ganz anders umgegangen wäre“. Wir, das sind außer meiner Wenigkeit meine Mitbewohner Anna und Lutz. Die beiden sind seit ihrer gemeinsamen Schulzeit ein Paar. Sie können sich denken, dass unsere WG dem lieben Adolf ein Dorn im Auge ist, er vermutet ganz offensichtlich wüste nächtliche Exzesse, der verklemmte Sack.

Adolf fixierte mich mit seinen farblosen Schweinsäuglein und zischte:“Ich habe mir diesen Saustall lange genug angesehen. Zum nächsten Termin seid ihr draußen.“ Sie müssen wissen, dass A.H. -leider- unser nicht allzu geschätzter Vermieter ist. Meinen kleinlauter Einwand, das mit der lauten Rockmusik werde nicht mehr vorkommen, parierte er unwirsch mit einem“Geh, red' doch nicht so saublöd daher!“

Na wunderbar, das war's nun wohl mit unserer „Landkommune“. Adolf Hilzer, dieser Spießer, saß nun einmal am längeren Hebel, zumal wir auch noch mit einer Monatsmiete im Rückstand waren. Mann, war ich wütend auf diesen Kerl. Der Hölle Rache kochte in mir, und ich schmiedete wüste Vernichtungspläne. Wie konnte man diesem alten Knochen beikommen? Ihn garottieren, vierteilen, rädern und andere wohlfeile Methoden der Vorzeit fielen leider flach. Auch hatte ich keinen Funken Lust, seinetwegen in den Bau zu gehen.

Missmutig zertrat ich ein paar Löwenzähnchen, die ja nun auch nichts dafür konnten, als mein Blick wie zufällig auf das Blumenparterre vor dem Küchenfenster fiel. Wie schön doch der blaue Eisenhut diesen Sommer wieder blühte, und wie lange schon! Und wie schön giftig er ist! flüsterte mir ein kleines Teufelchen ins Ohr. Das war es doch! Aconitum napellus, der gemeine Eisenhut, von Alters her bei Giftmischerinnen bekannt und beliebt, die sich einer unbequemen Person entledigen wollen. Ein königlicher Einfall, Adolf den Kretin mit einer kleinen Dosis Aconitin dahin zu befördern, wo er hingehörte. In die Hölle. Blieb nur die kleine, aber nicht unerhebliche Frage, wie ich Adolf das Gift unterjubeln konnte. Aber das würde mir noch einfallen, zunächst einmal musste ich ein wenig herumexperimentieren, in welcher Form das Zeug überhaupt zu gebrauchen war. Ich zog mir Gartenhandschuhe über, man weiß ja nie, nicht wahr, schnitt mehrere große Blätter ab und brachte sie in unsere Küche.

Vorsichtig, immer noch mit Handschuhen , hackte ich das Grünzeug fein und stellte es dann zur weiteren Verwendung erst einmal in unseren Kühlschrank. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich mich jetzt aber beeilen musste, wollte ich noch rechtzeitig zu Professor Borgias Vorlesung über die Entstehung der ersten Siedlungen am Arno in der Uni sein.

Zweieinhalb Stunden später war ich, um einige Kenntnisse bereichert, wieder zurück. Mein Mitbewohner Lutz war inzwischen auch nach Hause gekommen und der liebe Kerl hatte sogar das Essen gemacht. Rindsrouladen mit Kartoffelpüree und einem schönen grünen Salat. Der Salat war wie immer nur für mich, Lutz und Anna sind ausgemachte Karnivoren. Die gute Anna würde heute auswärts essen, und so setzen wir uns an den Tisch und machten uns über das Essen her. Lutz, er ist Doktorand der Biologie, erzählte von seiner Versuchsreihe mit Drosophila melanogaster. Ich hörte ihm scheinbar aufmerksam zu (Biologie war nicht gerade mein Lieblingsfach gewesen, was glauben Sie, warum ich Archäologie studiere!) und kaute derweilen genussvoll den leckeren Salat. „Was hast du denn in die Salatsoße getan, die schmeckt ja superlecker“ fragte ich den Meisterkoch. „Stand doch ne kleine Schüssel Krautzeug im Frigo (Lutz' Mutter ist Französin !), die hab ich in die Vinaigrette gekippt.“

Tolles Aroma, schön pikant, dachte ich, und wollte mir gerade noch den Rest des leckren Salätchens auftun, als mir das kleine Teufelchen von heute Morgen erneut etwas zuflüsterte: Dumm gelaufen, Nele, was? Man sieht sich! Bis dann!

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Tag der Veröffentlichung: 27.03.2011

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