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Du, Willi, sie war wieder unterwegs. Gestern, als du beim Arzt warst, rast die mit so einem, die Dinger kennst du auch, auf mich zu. Die hat mich fast über den Haufen gerannt. Natürlich wieder von oben bis unten alles passend. Das liegt ja heute wie eine zweite Haut an. Ganz in Schwarz. Wenn du bedenkst, früher waren nur die Pfannen Teflon-beschichtet, heute tragen die so was am Körper. Letztens hatten sie Bambus-Socken im Prospekt. Bambus, das muss doch kratzen.

Heinz, Bambus ist eine neue Naturfaser und super angenehm zu tragen. Wirkt sogar antibakteriell.

Was du alles weißt. Wo du das gerade sagst. Die hatten da unlängst Damen- Unterwäsche mit Aloe Vera-Extrakt im Sortiment. Ich trink manchmal so`n Saft.

…?

TAC TEL Schwä ne Sport platz PO LY ES TER da, die bei den Al ten wie der COOL MAX Spiel platz LY CRA

Also: Sie läuft auf mich zu, der Pferdeschwanz wippt auf und ab, diese weißen Zähne, und lächelt mich an. Ich lächle freundlich zurück und plötzlich blickt sie wieder ganz ernst, als ob ihr das Lächeln Leid tut. Ich weiß gar nicht, was ich falsch gemacht habe.

Heinz, nichts hast du falsch gemacht. Du hast nur den Knopf im Ohr nicht gesehen. Die hat nicht dich gemeint. Die lernt wahrscheinlich gerade Chinesisch und hat sich über die Aussprache amüsiert oder sie hat ganz banal telefoniert.

Ich wüsste ja zu gern, ob die einen Freund hat. Wieso eigentlich Chinesisch, Willi?

…?

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RI SI KO CON TROL LING Schwäne PRO JEKT MA NAGE MENT VER FAH REN Sportplatz RI SI KO Ü BER WACH UNG die beiden Rentner RI SI KO STEU E RUNG Spielplatz RI SI KO

Was soll ich dir sagen: Egal wie lange diese Frau läuft, du siehst keinen Tropfen Schweiß an ihrem Körper. Dabei ist die doch auch nicht mehr die Jüngste.

Ist doch heute alles atmungsaktiv und hautfreundlich, Heinz. Nicht mehr so wie früher: 100% Baumwolle und dir klebt das Sporttrikot am Körper.

AB GE SCHLOS SE NES Sommersonne BE TRIEBS WIRT SCHAFT LI CHES Flirren STU DI UM leichte Schwüle PRÄ DI KATS AB SCHLUSS der Tag schon ein wenig müde SCHWER PUNKT aber es ist Sommer CON TROL LING es bleibt hell bis in die Abendstunden SPIEL PLATZ

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Was sagt denn der Arzt, Willi?

Das, was er mir immer sagt. Ich soll mich mehr bewegen. Da, Heinz, da ist sie wieder.

Die beiden Alten aus der Muppetshow SELBST BE WUSST das Schwanenpaar DURCH SET ZUNGS FÄ HIG der Eiswagen: die Eiswaffel auf dem Asphalt, die Tränen ENT SCHEI DUNGS FREU DIG der Spielplatz UND BE LAST BAR

Und wie ist es mit deiner Tochter, Heinz? Immer noch keinen Freund? Da tickt die Uhr doch auch schon kräftig.

Was soll ich dir sagen, Willi? Du weißt doch, wie es heute ist. Erst hat sie Abitur gemacht, dann hat sie studiert und jetzt will sie erst mal Geld verdienen. Kann man ja auch irgendwie verstehen. Und sie ist echt gut. Das siehst du schon allein an dem, was sie verdient. Da kann unser einer nur von träumen. Sie hat viel Ähnlichkeit mit der da. Weißt du, Powerfrau und sich nichts gefallen lassen.

Du kennst die doch gar nicht.

Ich meine ja nur, mit Sport und so. Egal wie spät meine Anna aus dem Büro kommt: Zuerst wird frisches Obst gepresst und dann geht es gleich weiter, entweder in so ein Fitnessstudio oder zum Laufen.

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SEAM LESS Kinder werfen den Schwänen Brotkrumen zu FUNK TIO NELL Auf dem Sportplatz üben Kinder Weitsprung AT MUNGS AK TIV Das Altersheim hat wieder Ausgang AN TI STA TISCH Kinderschlange am Eiswagen… "Na, kleines Fräulein, was darf`s denn sein?" "Zwei Kugeln in der Waffel, Erdbeere und Schokolade und, Mama, darf ich auch Sahne?" "Weil heute die Sonne ganz besonders glücklich scheint." "Lass es dir schmecken, Kleines."… E LAS TISCH

KLI SCHEE KLI SCHEE KLI SCHEE Du hast einen Vierzehnstundentag. Er sitzt im Vorstand. Du hast kein Privatleben. Er ist verheiratet und hat Kinder - erzählt die Fotografie auf seinem gläsernen Schreibtisch. Du bist unter vierzig, er über fünfzig. E MO TIO NA LE IN TEL LI GENZ Du siehst gut aus, tolle Figur. Er ist attraktiv und seine grauen Schläfen machen ihn selbstredend noch attraktiver. Du arbeitest den ganzen Tag, weil du deinen Job liebst und - weil zu Hause keiner auf dich wartet. Du bist dabei, Karriere zu machen. Er hat bereits Karriere gemacht, hat alles erreicht: Mehr Vergangenheit als Zukunft. Was liegt da näher als ein Verhältnis mit einer jungen Frau? SELBST BE WUSST EI GEN VER ANT WORT LICH IM BE RUF UND PRI VAT?

Heinz, irgendetwas ist anders als sonst.

Wie meinst du das?

Sie ist anders als sonst.

Wie, anders als sonst?

Ich weiß es ja auch nicht. Vielleicht läuft sie auch nur anders.
Blödsinn, Willi.

Lass es dir gesagt sein. Irgendetwas ist neu.

SPIEL PLATZ RUT SCHE PFÜT ZE MAT SCHE PATSCHE

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DA MEN: 37-41 Die Schwäne haben ihr Territorium kampflos aufgegeben: Zu viele nackte und bebadehoste, mit Eimerchen und Schäufelchen ausgerüstete Kinder plantschen im Wasser HER REN: 42-46 Auf dem Sportplatz tummeln sich Menschenmassen. Familiensportfest: Klapptische, Picknickdecken, Plastikbecher, Limonadenkuchen. Mütter sackhüpfen gegen Väter, Väter kicken gegen Söhne, Männer grillen, Frauen packen die Salate aus, Olaf darf gerade nicht mitspielen. Er hat Bärbel bespuckt. Das darf man nicht. TREN DI GE LAUF SCHU HE Ob das den beiden Alten nicht zu langweilig ist? Jeden Tag, immer dieselbe Bank, immer zur gleichen Zeit. BE SON DERS LEICH TES MA TE RI AL MIX

Heinz, guck jetzt hin. Ich sag dir, da stimmt was nicht.

Willi, nicht so auffällig. Fehlt nur noch, dass du mit dem Finger auf sie zeigst.

Aber Hingucken und Lächeln wird ja wohl noch erlaubt sein.

Ein Lächeln zurück. FUT TER UND DECK SOH LE Ob sie Ehemänner sind, waren, Witwer sind, Väter sind, Schwiegerväter, Opas? AUS AT MUNGS AK TI VEM TEX TIL Sie ist Tochter, Schwester und Tante - Patentante: Geburtstage und Weihnachten, früh genug auf Termin gelegt, Telefonat zwecks Wunsch¬nachfrage. Entweder Beteiligung an einem größeren Geschenk: rechtzeitiges Abschicken einer Weihnachtsklappkarte in extra kinderleserlicher Schrift "Mama hat mir erzählt, dass du eine Siegerurkunde bekommen hast" oder "Mama hat gesagt, du wünschst dir einen neuen Sattel" oder "Mama hat erzählt, dass du ein tolles Zeugnis hast" plus reichlich bemessenem Geldschein, weil die Tante ja einen ganz tollen Job hat und keine Kinder. Manchmal wollte ihre Schwester ihr aber auch eine Freude machen - von wegen persönlicher und so - und hatte extra "unter Aufbietung aller Gehirnzellen" für die Patin ein eigenes Geschenk ersonnen: Nie hatte Paula ihrer Schwester gesagt, wie schlimm es für sie war, Spielzeuggeschäfte zu betreten. Am schlimmsten waren Spielzeug¬geschäfte in der Vorweihnachtszeit. DÄMP FEND E ZWI SCHEN SOH LE Also, Paula, wessen Leben langweiliger ist, ist noch nicht raus. FÜR HO HEN LAUF KOM FORT Seit Jahren lief sie ja jeden verdammten Tag dieselbe Strecke. Der Spielplatz ist heute wie ausgestorben. Es ist zu heiß, alle sind am Wasser.

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Heinz, da, du hast mich doch letztes Mal angeschaut, als ob ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe.

Ich glaub das jetzt nicht. Ja weißt du denn nicht, was das ist? Kein Wunder, dass du dich hier als Hellseher aufspielst.

LAU FEN seit drei Jahren waren sie nun zusammen oder - treffender - hatten ein Verhältnis. Seine Kinder waren aus dem Gröbsten raus, seine Frau hatte seit ein paar Monaten einen 400 Euro-Job. Nach wie vor konnte sie sich nicht zwischen Pilates und progressiver Muskelentspannung entscheiden. Auf jeden Fall wollte sie aber wieder mit Aquarell anfangen. Seine Auslandstermine hatten über die Jahre kontinuierlich zugenommen, und in der jüngsten Vergangenheit hatte er es immer wieder so deichseln können, dass Paulas Teilnahme von unternehmeri¬scher Seite zwingend notwendig war. REN NEN So sah Paula viel von der Welt in angenehmer Gesellschaft. Er war aufmerksam, roch gut. Und er war wohl auch ein guter Liebhaber, wenngleich ihr da die Vergleichsmöglichkeiten fehlten. Vielleicht war sie ja auch einfach nur genügsam. Durch ihn fühlte sie sich jedenfalls als Frau begehrenswert und mehr war einfach mit ihrem Beruf nicht zu vereinbaren?! JOG GEN… SO HÄT TE ES NOCH JAH RE LANG LAU FEN KÖN NEN... SPRIN TEN wenn sie nicht jeden Tag an den Schwänen vorbei gelaufen wäre. An den Schwänen, von denen es hieß, dass sie sich ein Leben lang treu blieben. Wenn nicht allzu häufig Bundesjugendspiele und bunte, laute Spielefeste auf dem Sportplatz stattgefunden hätten. Und dann die beiden Alten: Immer mehr Raum hatten sie in ihren Gedanken eingenommen. An einem Tag führten sie das langweiligste Leben, das sie sich vorstellen konnte. Nur einen Tag später sah sie die beiden an Vormittagen mit ihren Enkelkindern im Park spazieren gehen. Dann spürte sie wieder förmlich beim Vorbeilaufen deren Eintönigkeit im Leben und danach hörte sie in ihrer Vorstellung die Ehefrauen der beiden Männer sich über ihre Männer beschweren. ALL TAG TRET MÜH LE TROTT Wessen Leben beschrieben diese Worte eigentlich?

ALL TAG Als sie den Entschluss gefasst hatte, war alles ein Kinderspiel gewesen. Alles wie immer: Nach dem Job kurz beim Japaner vorbei und eine Kleinigkeit besorgt. Er aß zwar schon zu Hause mit seiner Familie, denn das waren Familienrituale, die für Kinder sehr wichtig waren - und auch für ihn. Das müsse sie verstehen. Verstand sie. Aber nach dem Sex - manchmal aber auch zwischen dem ersten und dem zweiten Mal, denn das war ihm ganz wichtig, dass er auch immer wieder mal zweimal konnte, zu einer Art Sport hatte es sich für ihn entwickelt, einer Art Herausforderung - packte ihn meist noch mal der Hunger, nach vollbrachten Höchstleistungen, wie er immer wieder betonte. TRET MÜH LE Für sich hatte sie frisches Bio-Obst gekauft: Kiwi, Banane, Apfel und probiotischen Joghurt in den sauberen Mixer auf der aufgeräumten Theke in der blitzblanken Küchenzeile für den Energy-Fitness-Power-Drink. DANN IHR TÄG LI CHES LAUF PEN SUM AN DEN SCHWÄ NEN AM SPORT PLATZ AN DEN AL TEN IM PARK AM SPIEL PLATZ VOR BEI Als er kam, hatte sie schon eins von seinen unzähligen Geschenken angezogen, Slip und Korsage in Unschuldsweiß. Manchmal entschied er sich beim Kauf auch für aufreizendes Rot oder ratten¬scharfes Schwarz mit einem Touch Domina. "Hallo, Schatz, ging nicht früher." War es wirklich möglich, dass sie sich heute erstmalig fragte, ob er vor kaum zehn Minuten zu seiner Ehefrau "Tschüss, Schatz" gesagt hatte? TROTT Alles wie immer, diesmal allerdings hatte sie auf ein zweites Mal gedrängt. Und danach ging sie nicht, wie sonst, ins Badezimmer, sondern schaute ihm vom Bett aus zu, wie er die Sushis verschlang. Sie hatte gar nicht mehr mitbekommen, als er ging. So tief und fest hatte sie geschlafen.

Ich habe dir doch gesagt, dass sie mit so einem Ding gelaufen ist.

Die nennt man Jogger, Heinz.

Wie, die nennt man Jogger. Das ist für mich eine Frau, also bestenfalls eine Joggerin.

Heinz, diese Dinger nennt man Jogger. Die brauchst du, wenn du mit einem kleinen Kind laufen willst.

Aber da sitzt doch gar kein Kind drin, Willi.

….?

Glück für die Schwäne. Es war kühler geworden. Selbst wenn es noch einen schönen Spätsommer gab, sie würden nicht mehr von kleinen Nackedeis vertrieben werden. Dafür ist wieder auf dem Spielplatz die Hölle los: Brüderchen prügelt mit dem Schäufelchen auf sein kleines Schwesterchen ein. Schwester¬chen schreit. Mädchen zieht Mädchen an den Haaren. Mädchen heult. Mama schimpft mit Söhnchen. Söhnchen knatscht. Großer Kerl vermöbelt großen Bengel. Großer Bengel hat noch einen größeren Bruder. Großer Kerl wird simultan vermöbelt und jammert nicht. Filius fällt von der Stange und flennt. Nesthäkchen findet das lustig und lacht - und bekommt Sand ins Gesicht. Nesthäkchen vergießt Krokodilstränen. Und die Mamas? Haben die süßesten, niedlichsten, hochbegabtesten Kinder. Sind sie nicht süß, die Kleinen?

BURN OUT Sie hatte gerade noch die Kurve bekommen - in zweierlei Hinsicht. Diesmal war sie dem Alten nicht über die Füße gefahren. Viel wichtiger aber war die Kurve in ihrem Leben. TIME OUT Vor ein paar Tagen hatte sie ihm erstmalig in Jeans und Rolli die Tür geöffnet und belustigt seinen leicht irritierten Gesichtsausdruck registriert. WORK OUT Sie hatte ihm mitgeteilt, dass sie schwanger sei. Und kaum hatte sie dieses Wort ausgesprochen, hatte sich ein Schwall von "Wie kann das sein, du verhütest doch… ich habe schon zwei Kinder… du nimmst doch die Pille" ergossen. Sein Mund hatte sich einfach nicht mehr geschlossen. Er war aufgesprungen, wild mit den Armen gestiku¬lierend im Zimmer auf und ab gelaufen. Irgendwann hatte er zufällig in ihre Richtung geblickt und seine Worte waren auf seiner Zunge liegen geblieben: "Was gibt es da zu lächeln? Wir haben es hier mit einem ernsten Problem zu tun. Hast du dir schon Gedanken gemacht, wie es weiter gehen soll?" Wohl mehr eine rhetorische Frage, denn schon fielen wieder Worte aus seinem Mund. Und sie hatte "Setz dich, ich habe mir Gedanken gemacht - bevor ich schwanger werden wollte" geantwortet: Ganz analytisch sei sie an die Betrachtung ihres bisherigen Lebens herangegangen. Dabei sei sie nach eingehender Überprüfung aller Risiken auf Basis der bekannten Daten und Abwägung aller in Zukunft neu zu definierenden Strategien ganz nüchtern zu dem Entschluss gekommen, dass sie dieses Leben nicht mehr länger führen wolle. Was im Einzelnen bedeute, dass sie keinen Tag länger seine Bettgespielin sein werde, keine Minute länger sich für ihn verkleiden werde und keine halbe Sekunde länger ihn für seinen zweiten Orgasmus loben werde. Des Weiteren werde sie keine Karriere machen, wobei sie mittlerweile eigentlich gar nicht wirklich wisse, auf was sie da verzichte, wenn sie sich jetzt so sein Leben vor Augen halte. Sie werde in Zukunft lediglich so viel arbeiten, respektive Geld verdienen, dass es für sie und ihr Kind reiche. Wolle sagen, er brauche sich keine Gedanken zu machen. Das sei ihr Projekt, das sie eigenverantwortlich in Angriff genommen habe und umsetzen werde.

Diese Sprache hatte er verstanden: Ein ungeschminkter Bericht direkt an den Vorstand. Und weil er wusste, wie durchsetzungsfähig sie war, hatte er prakti¬scherweise irgendwann seinen Mund geschlossen, sich erhoben und ihre Wohnung verlassen. CHILL OUT

Die beiden Alten hatten ihren Spaß. Das sah sie ihnen an. Eine Joggerin mit einem leeren Jogger. Die musste doch am Rad drehen. Aber sie konnte es einfach nicht mehr aushalten. Sie musste schon mal damit Probe laufen.

Du, Heinz, ich hab`s, da ist was unterwegs!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.10.2008

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