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Vorwort:


Wir leben in mitten wilder Macchia in den Bergen auf Korsika, wo sich so gut wie jedes Wochenende die Jäger austoben, und das vom frühen Morgen an. Nicht selten erbeuten sie ein armes Wildschwein, aufgescheucht aus ihrer Nachtruhe von der irre bellenden Hundemeute, den wilden Schreien ihrer Halter und dem Herumgeballere…
Hört man dann das arme Wildschwein voller Agonie quietschen und schreiben, dann gefriert einem das Blut in den Adern…sogar eine meiner Katzen, die blind und daher sehr rezeptiv ist, stellte sich in voller Panik auf und miaute herzzerreißend in Richtung des agonisierenden Waldbewohners, als würde sie seinen Todeskampf spüren…erst als alles vorbei war, beruhigte sie sich wieder…
…und da kamen mir diese Bilder in Form von Text in den Sinn…
Bald ist die Jagd zu Ende; für ein Jahr haben die Waldbewohner dann Ruhe. Aber wie viele von ihnen sind der grausamen Sitte der Jagd zum Opfer gefallen?


"Wildschweindilemma…oder …aus dem tristen Leben einer Wildschweinmama…"

von Miluna Tuani

Es ist noch lau und feucht, doch die Nacht ist bald zu ende. Meine Kinderchen kuscheln sich dicht an meinen Bauch; ich ringle mich ein, um sie zu wärmen. Sie schlafen tief, aber unruhig; ich spüre laut ihre Herzchen klopfen; mein Jüngstes quiekt aufgeregt im Schlaf; anscheinend hat es einen Alptraum; mein Ältestes zuckt hastig mit den Gliedern, es träumt sicher, dass es durch den Wald rennt; oh je, jetzt hat es sein Geschwisterchen geweckt, die kleine quiekt leise. Ich kraule ihr sanft den Nacken mit meinen Zähnen. Sie sucht nach meiner Zitze, saugt ein wenig, dann schläft sie wieder ein…und ich mache auch noch ein kleines Nickerchen...ihr Vater grunzt laut, gähnt ausgiebig, streckt sich, und lasst mich wissen, dass er mal schnell austreten muss. Er verabschiedet sich mit einem riesen Schnuffelkuss und macht sich so leise wie möglich auf die Hufe, um die Kinder nicht zu wecken. Ich rolle mich noch dichter um sie, damit sie nicht aus dem Nest rollen. Ich schnüffele und rieche den frischen Morgenduft von taubedecktem Laub. Die ersten Sonnenstrahlen dringen in unseren Bau ein, bald ist Frühstückszeit, dann gehen wir alle in den Wald nach Kastanien, Wurzeln und Eicheln gründeln…Ich versuche gerade noch ein wenig weg zu dösen, als ich auf einmal von lauten, wilden Geschrei hoch schrecke. Oh, nein, Menschenschreie und Hundegebell, nur das nicht, Jäger!!! Und mein Mann ist dort draußen! Wie schrecklich, die Schreie kommen immer näher; ich rufe nach meinem Partner, doch er antwortet mir nicht; mein Herz schlägt auf Hochtouren; meine Kinderchen werden unruhig; ich möchte sie nicht wecken, entziehe mich ihnen ganz vorsichtig, um am Bauausgang nach meinem Mann zu schauen; oh, das Hundegebell kommt noch näher; ich höre galoppierende Hufe, Geschrei der Menschen, irres Hundegejaule, und da, oh nein, die Schmerzensschreie von meinem Liebsten, sie haben ihn erwischt! Da fällt auch schon ein Schuss aus diesem Tötungsding; er hallt grollend durch den ganzen Wald. Der Schuss schmerzt mir in den Ohren, ich spüre den Schmerz meines Liebsten, er lähmt mir meine Gedanken, lässt mein Blut gefrieren; der Lärm entfernt sich wieder ein wenig, sie jagen meinem Liebsten hinterher, er versucht sie von uns zu entfernen. Und da, ein zweiter Schuss fällt, mein Schatz kreischt auf, jault und quietscht voller Agonie, dann fällt ein Dritter, und dann hört man nichts mehr; mir gefriert das Blut in den Adern, mir stockt der Atem, ich will nicht begreifen, was da passiert ist, mir kullern die Tränen, ich zittere, atme schwer, bin wie paralysiert, ich warte da wie angewurzelt nahe dem Eingang, in reger Hoffnung, mein Schatz würde ankommen und wir würden uns in unserem Bau verbarrikadieren, wie wir es schon so oft gemacht haben, wenn diese Tötungskommandos hier in unserem Wald herum toben…meine Eltern haben sie im letzten Jahr abgeschossen, und meinen Schwiegervater vor einem Monat…meine Schwester samt ihren acht Babies wurde von einer Meute wilder Jagdhunde niedergemetzelt, obwohl sie sich bis zu ihrer letzten Kraft verteidigt hat! Sie schaffte es, einige umzuwerfen, aber es waren zu viele und gegen die Schüsse hatte sie keine Chance…jetzt mein Liebster, nein es darf doch nicht wahr sein, ich möchte wild los schreien, und auf diese Metzelbande losgehen, sie zerreißen sie zerfetzten, aber das würde ja auch nichts nützen, sie würden mich genauso nieder knallen, und meine Kinderchen wären sich selbst überlassen, oder sie würden sie einfangen um sie zu mästen und dann zu schlachten…jetzt nur die Ruhe bewahren und nicht in Panik geraten, sonst erwischen sie uns auch noch…wie vereist bleibe ich still bei meinen Babies liegen…wage es kaum zu atmen…die Tränen kullern mir eine nach der anderen aus meine buschigen Wimpern…
Nach einigen Stunden ist wieder Ruhe in unserem Wald eingekehrt; doch es ist eine tödliche Ruhe: das Hundegebell und Gejaule ist verhallt, das Geschrei der Jäger auch, die Stille zerrt mir schwer am Herzen…doch ich wage noch nicht wieder nach draußen zu gehen, meine Kinder werden unruhig. Sie wachen einer nach dem anderen auf. Sie beginnen mich mit ihren Fragen zu löchern: Mama, ich habe Hunger, Mama ich muss in die Büsche gehen, Mama, ich habe Durst… Mama, warum hast du Tränen in den Augen? Mama, warum zitterst du, Mama, wo ist Papa?
…ich weiß noch nicht, was ich ihnen antworten soll…

C Miluna Tuani
Januar 2012

Impressum

Texte: Miluna Tuani
Übersetzung: Miluna Tuani
Tag der Veröffentlichung: 16.01.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
allen Tierfreunden, Tierschützern und Bewahrern des Lebens...

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