Die Praxis des “l'Occhjiu” (der Exorzismus gegen den durch einen Bösen Blick auferlegten Fluch) ist auf Korsika eine Tradition, die auf tausend Jahre zurückgeht und von Generationen zu Generationen, hauptsächlich von Frauen, überliefert wurde und immer noch wird.
Hier eine Abhandlung über diese Praxis, gefolgt von einer Anekdote, selbst erlebt.
© Miluna Tuani
Die Praxis des “l'Occhjiu” (Exorzismus gegen durch einen Bösen Blick auferlegten Fluch) ist auf Korsika eine Tradition die auf tausend Jahre zurückgeht und von Generationen zu Generationen, hauptsächlich von Frauen, überliefert wurde und immer noch wird. Es ist eine Art Ritual, eine Predigt, die man nur in der Weihnachtsnacht erlernen und überliefern kann. Es gibt mehrere Überlieferungen dieses Rituals und auch jede Predigt ist unterschiedlich, aber der Zweck ist derselbe bei allen: Es dient dazu, eine Person, die von einer Art Fluch heimgesucht wurde, davon zu befreien. Es gibt auch spezielle Ritual Formeln, die dazu dienen, Kopfschmerzen, Unwohlsein und allgemeine Erschöpftheit, ungeklärte Müdigkeit zu beseitigen, da diese Symptome oft Folgen eines unbemerkten Fluches sein können. Auch können manche "weise" Frauen, die dieses Ritual beherrschen, größeren Wunden schneller zur Heilung verhelfen. Einige Rituals Formeln sind spezifisch an ein Dorf gebunden und werden nur in der Familie von der Mutter an die Tochter, wie schon gesagt, in der Weihnachtsnacht überliefert. Normalerweise ist es die älteste Frau, oft eine Greisin, die das Ritual an ihre Töchter, Enkelin und Urenkeltöchter sowie Nichten und Cousinen weitergibt. Die älteste Adeptin dieses Rituals, nennt man die Signadora (die Signierende).
Die Signadora rezitiert mehrere Formeln in einer Art Gesangspredigt, aber so leise, dass man sie weder verstehen noch hören kann. Dann lässt sie einige Tropfen Öl in den Teller mit Wasser fallen. Wenn die Tropfen Öl rund und klein bleiben, liegt keinerlei Fluch auf der Person. Im Fall, dass die Tropfen sich auflösen und zu Formen zerfließen, bedeutet das, dass auf der Person ein Fluch liegt, der sie krank macht. Die Signadora macht nun mehrere Kreuzzeichen unter dem Teller, während sie weiter ihre Rituals Formeln unhörbar spricht. Fühlt sich die Person nicht augenblicklich besser, muss eine zweite Signadora das Ritual wiederholen und ist danach auch keine Besserung eingetreten, kann eine Dritte ihr Glück versuchen. Aber meistens klappt es beim ersten Mal! Also wer dieses Ritual erlernen will, sollte eine Signadora aufsuchen und sie um die Überlieferung in der Weihnachtsnacht bitten. Mir selbst wurde es oft angeboten, aber ich hatte zu Weihnachten selten Zeit, mich damit zu befassen. Aber es wird der Tag kommen, an dem ich bereit bin, dieses Ritual zu erlernen.
© Miluna Tuani
Man muss nur daran glauben
Vor einigen Jahren arbeitete ich als Haushaltshilfe bei einer alten Dame. Eines Morgens als ich bei ihr ankam, schaute sie mich durch dringlich an. Dann fragte sie, ob ich irgendwelche Beschwerden hätte, Kopfschmerzen, Fieber o.a. Ich war ein wenig erstaunt, dann fragte ich, wieso sie mir diese Fragen stellte und sie antwortete mir, dass sie spüre, dass jemand einen Bösen Blick, den l’Oghjiu" gegen mich oder gegen jemand in meiner Familie geworfen hatte. Ich wurde bleich, dann erzählte ich ihr, das mein Töchterchen, damals 4 Jahre alt, seit fast einer Woche Fieber hatte, sich schlapp und müde fühlte und ständig gähnte, tagsüber und nachts viel weinte und kaum schlief, aber keinerlei Anzeichen von einer Krankheit aufwies.Die Kinderärztin hatte sie von oben bis unten durchgecheckt, sogar Blutproben genommen, Urinproben gemacht und nichts, rein gar nichts gefunden! «Aha» sagte die alte Dame. „Ich habe mich also geirrt, es hat ihre Tochter erwischt; jemand hat ihr einen Fluch geschickt. Wenn Sie möchten, führe ich das Ritual durch, um sie davon zu befreien. Bringen Sie sie mir noch heute Nachmittag vorbei und wir werden sie von ihrem Übel befreien“. Ich willigte ein und, gegen 14.00 Uhr kam ich mit meiner kleinen Fee bei ihr an. Sie fing gleich an zu weinen, war rot, verschwitzt und heiß, hatte trotz der Medikamente fiebrige glasige Augen, war zappelig und nervös, was gar nicht ihre Art war. Die liebe Signadora lud uns ein, sich in ihrem Ritualsraum niederzulassen vor einem runden tiefen Tisch auf großen Kissen, wo schon die Öllampe und der Teller mit Wasser standen. Sie setzte sich uns gegenüber, fragte nach dem Namen meiner Kleinen und begann das Ritual. Nachdem sie das Öl eingeträufelt hatte, beobachtete ich mit Staunen die Öltropfen, die aufgingen und sich überall verteilten. “Na das war ja klar“, sagte die Signadora und begann mit dem Antifluchritual. Mein Töchterchen schien sich schon zu beruhigen und schaute wie hypnotisiert auf die tanzenden Öltropfen. Es dauerte noch eine Weile, dann war es vorbei und die Signadora rief erfreut „Na wie fühlst du dich, meine Kleine?“ - Meine Kleine schaute lachend auf; ihr Gesicht hatte eine normale Farbe angenommen, ihre Augen strahlten klar und gesund - ich fasste an ihre Stirn, die nicht mehr glühte. «Es hat geklappt, sie ist befreit und wieder gesund!Ich danke Ihnen von Herzen, aber wissen Sie wer meiner Kleinen einen Fluch auferlegt hat und warum?» Die Signadora schaute wie durch mich hindurch und erklärte dann, es seien Neider und schlechte schwarze Seelen aus dem Dorf in dem ich wohnte. Auch das erstaunte mich nicht. Sie gab mir einen kleinen Talisman, den ich meiner Töchter umhängen sollte, um sie vor neuen Angriffen zu schützen. Den trug sie dann auch und ich habe mir ebenfalls einen zugelegt.Leider hat sie ihr Amulett Mitte 2012 verloren und die liebe Signadora war bedauerlicher Weise inzwischen verstorben. Schockerdende Gegebenheiten folgten in den kommenden Jahren; wäre es alles so katastrophal abgelaufen, wenn ich eine andere Signadora gefunden hätte?https://www.bookrix.de/_ebook-miluna-tuani-teufelskreis/ © Miluna Tuani - 2004
Texte: Miluna Tuani
Übersetzung: Miluna Tuani
Tag der Veröffentlichung: 12.09.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
allen Korsikafans und denen die es noch werden möchten