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Ein Ausschnitt aus dem Roman mit dem Titel "Lasst fahren dahin" und Fortsetzung von "Lasst fahren dahin, Das Ende einer langen Reise"
Von Miluna Tuani
ZITAT: „Und weiter sah ich den Sisyfos in gewaltigen Schmerzen: wie er mit beiden Armen einen Felsblock, einen ungeheuren, fortschaffen wollte. Ja, und mit Händen und Füßen stemmend, stieß er den Block hinauf auf einen Hügel. Doch wenn er ihn über die Kuppe werfen wollte, so drehte ihn das Übergewicht zurück: von neuem rollte dann der Block, der schamlose, ins Feld hinunter. Er aber stieß ihn immer wieder zurück, sich anspannend, und es rann der Schweiß ihm von den Gliedern, und der Staub erhob sich über sein Haupt hinaus.“
– Homer: Odyssee 11. Gesang, 593–600. Übersetzung Wolfgang Schadewaldt, aus Wikipedia
Ariana hatte alles hinter sich gelassen. Nach dem Tod ihres Vater, musste sie die gemeinsame Mietwohnung verlassen, da die Besitzer Eigenbedarf ankündigten. Ihre Mutter war Besitzerin eines fünfstöckigen Hauses, in dem ihr Bruder und ihre Schwester mit ihren Familien wohnten, und drei weitere Wohnungen vermietet wurden. Da eine Dachwohnung frei war, wollte Ariana dort einziehen. Doch ihre Stiefgeschwister stellten sich dagegen und ihre Mutter, mit der sie sich nie gut verstanden hatte, war in den letzten Jahren an Alzheimer erkrankt. Ihr Stiefbruder, von Beruf Notar, hatte die Mutter unter Vormundschaft gestellt, und so die Kontrolle des ganzen Gebäudes an sich gerissen. Ihre Stiefschwester war mit ihrem Bruder einverstanden. So zog Ariana in ein WG-Zimmer am Stadtrand ein. Sie hatte teuer für Anwälte bezahlt, um wenigsten ihr Erbe zu sichern oder sich ihren Pflichtteil auszahlen zu lassen. Aber sie verlor alle Prozesse, da ihr Bruder mit seinen unehrenhaften Machenschaften, die Angelegenheit zu ihren Ungunsten verdrehte.
Einige Jahre folgten mit Prozessen, viel Geldausgaben, Krediten, in denen ihre Schulden an stiegen. Mehrere Nervenzusammenbrüche folgten, die sie zwangen, schwere Medikamente gegen Depressionen zu nehmen. So verlor sie ihre Stelle als Musiktherapeutin aus gesundheitlichen Gründen. Sie strengte sich an, mit kleinen Jobs über Wasser zu halten, um wenigstens ihre Miete zahlen zu können. Eines Tages surfte sie im Internet und fiel auf eine Stellenanzeige, „suchen Aushilfskraft für Bar-und Restauranttätigkeiten auf Korsika, Ostküste, in einem Feriendorf, natürlich französische, deutsche, italienische und englische Sprachkenntnisse erbeten.“ Sie nahm Kontakt auf. Außer sich vor Freude, dass man sie in kürzester Zeit zurückrief und ihr den Job zusagte, und einlud, sofort nach Korsika zu kommen, war sie sich sicher, dass diesmal ihr Lebenstraum wahr werden würde: alles hinter sich zu lassen, aus zu wandern und ganz neu an zu fangen.
Eine Woche später saß sie im Flugzeug Richtung der Insel der Schönheit, ihre WG Kameradin, hatte ihr das Geld für den Flug ausgelegt.
Sie blieb einige Wochen im Süden, verbrachte ihre Zeit mit Bergwandern, schwimmen, sonnen, chillen und abends tanzen in den Stranddiskos. Einfach unbeschwert leben. Dann arbeitete sie am Nachmittag an der Strandbar eines von Deutschen geführten Feriencamps, und abends servierte sie in der Poolbar. Man hatte ihr einen Bungalow zur Verfügung gestellt, und sogar ein eigenes Auto, mit dem sie in ihrer raren freien Zeit ein wenig durch die Gegend fuhr.
Seit langen fühlte sie sich mal wieder wohl, war ausgelassen, und kommunikationsfreudig mit ihren Kollegen und den Kunden.
An einem Abend in der Poolbar lernte sie Armand kennen, ein braungebrannter Strand Dandy, der ihr anschließend den Hof machte. Erst blieb sie zurückhaltend, aber dann verfiel sie doch seinem Charme und ließ sich von ihm verführen. Er spielte ihr den großzügigen Latinlover vor. Mit viel Romantik und Charme umgarnte er sie. Sie wurde ihm schnell hörig, denn sie war stolz, die vielen anderen Rivalinnen ausgestochen zu haben. Er genoss das Abenteuer und sie glaubte, endlich den Richtigen fürs Leben gefunden zu haben, zu verliebt, um die Wahrheit zu erkennen. So zog sie übereilt zu ihm, in ein kleines Dorf im Mittelgebirge im Nordosten.
Einige Monate ging es gut, doch dann begann er sich zu verändern. Er wurde immer gereizter, jähzornig, cholerisch und er fing an, sie zu schikanieren. Er wollte eine perfekte Hausputze, da er ein eher krankhafter als positiver Sauberkeitsfanatiker war. Er bestand darauf, dass sie weiter arbeiten ging, da er wegen eines Unfalles arbeitsunfähig war. Ihr Job war zu Ende, doch er schickte sie zu seinen unzähligen Verwandten, um denen im Haushalt zu helfen. Während sie schuften ging, vergnügte er sich weiter an den Stränden und Strandbars mit Anmache neu ankommender Touristinnen.
Ariana war zu Tode betrübt, fühlte sich betrogen und gekränkt. Sie fasste dann trotz schweren Herzens den Entschluss, ihn zu verlassen. Doch als sie feststellte, dass sie schwanger war, fühlte sie sich nicht in der Lage, allein gegen die Welt, wie es ihr schien, eine Bleibe zu suchen.
Und da ging der Terror für sie erst recht los. Armand griff sie ständig an, weil sie es nicht mehr schaffte, für ihn den Haushalt so zu erledigen, wir er es in seinem Sauberkeitswahn verlangte. Er fand immer noch Staub auf den Möbeln, Schmieren an den Fenstern und Fusseln unter dem Sofa.
Darüber hinaus beschuldigte er sie, sie hatte sich das Kind mit einem anderen aus dem Dorf gemacht zu haben. Tag um Tag wurde er immer öfter handgreiflich. Er gab ihr regelmäßig Fußtritte, Faustschläge in den Rücken und stieß sie zu Boden. Er drehte ihr das Wasser ab, wenn sie duschte, und kritisierte sie, wenn sie aß, riss die Tischdecke mit den Tellern runter, wenn ihm ihr essen nicht schmeckte.
Er war nie mit etwas zufrieden, da er ein manischer Dauernörgler war.
Die Dorfbewohner machten sich über sie lustig: Sie hörte sie unter sich in ihrer Muttersprache reden, die Ariana verstand, „Schau mal, da hat sich der Armand wieder eine dieser naiven Ausländerinnen angelacht, die muss wirklich dumm sein, dass sie nicht begriffen hat, dass er die Frauen nur fürs Bett und für den Haushalt will, erstaunlich, dass er die solange duldet! Die anderen setzt er normalerweise nach einer Woche raus, er wird sie doch nicht geschwängert haben, dann würde ein Touristenbastard geboren werden, “ - schäbiges Gelächter folgte. Ariana blieb fast das Herz vor Seelenschmerz stehen. Sie litt oft unter Herzrhythmusstörungen in letzter Zeit, Schwindel und Beklemmungen, und Rückenschmerzen, aber sie kannte das, das waren psychosomatische Beschwerden, die bei Stress und Überlastung auftraten. Sie begann, um ihr Baby zu fürchten. Im fünften Monat hatte sie starke Krämpfe, wie Vorwehen, und sie ließ sich per Ambulanz in die Klinik zur Untersuchung fahren. Es wurde zwar festgestellt, dass es ihrem Baby gutging, aber es wurde ihr angeraten, dass sie sich von nun an schonen musste. Doch das war keine Frage, denn Armand bedrohte sie, wenn sie nicht korrekt seinen Haushalt führte, würde er sie vor die Tür zu setzen, schwanger oder nicht. Er schrie ihr weiter und oft alle Gemeinheiten an den Kopf, wie „es ist mir scheissegal, mit was für einem Balg da, du trächtig bist, du fette Sau“, diskriminierte sie, auch wenn sie in der Öffentlichkeit waren, beleidigte sie mit rassistischen Parolen, schlug mit Gegenständen auf sie ein, aber nie stark genug um ihr Zeichen zu hinterlassen, mit denen sie sich an einen Arzt oder eine Frauennotstelle hätte wenden können.
Als sie es dann doch versuchte, stieß man sie in einer Behörde ab, mit der Bemerkung, wenn sie ihrem Mann keine gute Hausfrau sei, sollte sie nicht verwundert sein, dass er handgreiflich wurde. Es war dazu immer noch eine frauenfeindliche Gesellschaft, in die sie hineingeraten war.
Ariana nahm ihr Leben nur noch wie durch einen grauen Schleier aus depressiven Zuständen und Negation wahr, aber sie liebte ihr ungeborenes Kind, sie hielt sich an ihm fest, und das gab ihr die Kraft, durchzuhalten.
Als ihre Tochter dann geboren worden war, wollte Armand sie nicht rechtlich anerkennen. Ariana suchte im Geheimen nach einer neuen Unterkunft für sich und ihr Töchterchen. Und sie wurde erneut ungewollt schwanger, da er sie zum Verkehr, zwang, wann immer er es wollte. Sich zu verweigern bedeutete, ihn so in Rage zu bringen, dass sie Angst hatte, er würde sie umbringen. Sie musste, sie musste für ihre Tochter und ihr Ungeborenes durchhalten, bis sie einen Ausweg aus dieser Hölle gefunden hatten.
Als ihr zweites Kind geboren wurde, und sie aus der Klinik kam, wollte Armand nicht mal seine zweite Tochter sehen. Ihr erstes Töchterchen war in einer Tagesstätte, während ihres Klinikaufenthaltes untergebracht. Während ihres Klinikaufenthalts war eine Frau bei Armand ins Haus eingezogen und er erklärte ihr, dass er eine Neue hatte und das sie hier nicht mehr wohnen könne. Er hatte all ihre Sachen auf die Terrasse gestellt und bedrohte sie, alles unten im Garten zu verbrennen, wenn sie nicht all ihren Plunder bald schnell abholen ließe.
Ariana bemühte mit der wenigen Kraft, die ihr noch geblieben war, zu kämpfen, um sich aus dieser Situation zu befreien. Sie rannte von einer Stelle zur anderen, um eine Sozialwohnung in der Stadt und Umgebung zu beantragen. Aber man erklärte ihr, dass die Hoffnung eine zu bekommen, sehr gering war. Weil die Wartelisten seitenweise voll waren, und man erst die Funktionäre, die Familienzusammenzuführenden und die, am meisten Schmiergelder zahlten, platzieren müsste.
So blieb sie erst einmal in einem Mutterkindheim, in der Hoffnung, bald privat eine Bleibe für sich und ihre Kinder zu finden.
Sie ließ sich beim Arbeitsamt eintragen, und fand dann nach einigen Monaten eine Aushilfsanstellung als Haushaltshilfe für alte Leute in der Nachbarsmittegebirgsregion an der Ostküste der Insel.
Es wurde auch angeboten, Armand wegen häuslicher Gewalt anzuzeigen. Aber sie vermied sie, da sie Angst hatte, er würde seine Drohungen wahr machen, ihr die Kinder wegnehmen zu lassen, da sie wusste, er hatte Verbindungen, mit denen er eine solche Tat hätte umsetzen konnte.
Über eine ihrer alten Damen, deren sie den Haushalt dreimal in der Woche zwei Stunden machte, fand sie eine neue Bleibe: ein Häuschen inmitten in der Gebirgsregion in der Nähe eines Bergdorfes. Es war das Haus eine ihrer Nichten, die dringend einen Mieter suchte: Es gab jedoch ein kleines Problem, wie die Vermieterin es nannte. Die letzten Mieter hatten alles in Ruin gelegt, das heißt, den Garten voll Müll hinter sich gelassen, und Wildwuchs von Ranken, mussten entfernt werden. Man prahlte ihr vor, dass sie Wasser nicht zu bezahlen brauchte, da es einen Grundwasserbrunnen auf dem Grundstück gäbe. Die Miete schien ihr etwas hoch, für die viele Reinigungsarbeiten, die vor ihr lagen, aber die Kindergeldstelle würde einen Teil übernehmen, und den Rest zahlte sie mit ihrem kleinen Gehalt dazu. Die Vermieterin versprach ihr nach drei Monaten Probezeit einen festen Jahresvertrag auf Dauer, da sie sich regelmäßige Einnahmen sichern wollte. Beim ersten Besuch des Hauses war sie trotz allem vom Außenbereich verzaubert: Das Häuschen gefiel ihr sehr, aber als ihr der Innenbereich vorgeführt wurde, kamen ihr arge Zweifel, dass sie es schaffen würde, es zu einer bewohnbaren Bleibe aufzuforsten. Aber wenn sie es schaffte, würde jede ihrer Töchterchen ihr eigenes Zimmer haben, das erste Mal in ihrem kleinen Leben. Ihr gefiel der großen hohe Wohnraum mit amerikanischer Küche, einem offenen Kamin, und vor allen Dingen die Sonnenterrasse, der Putz blätterte überall ab und die Wände müssten gestrichen werden, und natürlich erst mal die Grundreinigung dieser Bleibe, die anscheinend einige Jahrzehnte nicht mehr bewohnt gewesen war, und der wildwachsenden Garten, würde sich schon aufforsten lassen. Als sie dann noch die Hinterseite des Grundstückes besichtigten, das von einer riesigen Mauer Brombeer- und Wildrosenranken umzäunt war, kamen ihr jedoch erneut Bedenken auf: Sie wurde von einer Wolke kleiner schwarzer Flöhe angefallen, die sich gierig in ihre Beine stachen und Blut saugten. Die Besitzerin winke jedoch ab und wollte ihr klar machen, dass es sich um Rosenläuse handelte. Doch dann gab sie zu, als auch ihre Beine von Stichstellen übersät kratzten, dass der vorherige Mieter Hunde züchtete und über vierzig Hunde im Haus und im Garten und überall hielt, ohne sie gegen Ungeziefer zu trimmen. Seitdem kam es vor, dass die Flöhe in der warmen Zeit ab und zu wieder auftauchten, obwohl sie schon das möglichste mit Antiflohmitteln getan hatten. Aber trotz jeder Logik hatte Ariana dieses Häuschen im provenzalischen Stiel schon in ihr Herz geschlossen. So entschied sie sich, ihr Möglichstes zu tun, um von der Vermieterin als Dauermieterin akzeptiert zu werden.
In den drei folgenden Monaten legte sie sich also mächtig Zeug, aus dem Dornröschenschloss, wie ihre Töchter es nannten, ein wirkliches Schlösschen zu machen, doch es gab sehr viel mehr Arbeit, als sie sich hatte vorstellen können: der Garten, gut das hatte man ihr vorher gesagt, war ein scheinbar undurchdringbarer Dschungel; mit der Sichel machte sie sich daran zuerst einen Weg durch das wildwachsende Gestrüpp aus immergrünen Pflanzen, verwachsenen Bäumen, tonnenweise Unkraut, Schlingpflanzen und vor allen Dingen, Wildbrombeer- und Wildrosenranken, die den Durchmesser des Armes ihrer Töchter hatte. Dabei stieß sie auf eine Unmenge Unrat, so viel und extremen Schrott und Müll, dass es ihr beinahe verging, weiter zu machen. Und ihr wurde bewusst, dass sie nicht nur Hilfe brauchte, sondern auch Abtransportmöglichkeiten. Wie verfaulende Säcke mit Hausmüll, Geschirr, Plastiksäcke mit Resten von Tierkadavern darin, Windeln, Gläser, Flaschen,sie fand haufenweise abgenutzte Restaurationskochtöpfe, (die Tante der Vermieterin hatte ihr erzählt, dass das Haus einige Jahre als Auberge mit Spezialitäten aus der lokalen ländlicher Küche gedient hatte, geführt von ihrer Vermieterin). An einer Stelle häuften sich Autobatterien, elektronische Geräte, Staubsauger und am unteren Ende des Gartens, in Terrassenform fand sie noch größeren Müll, wie Kühlschränke, Waschmaschinen, Möbelreste, Grillgeräte, Mikrowellen, Couch, Bettroste usw. usw. usw. Nach einem vollen Monat Arbeit, hatte sie gewaltig die Nase voll, doch sie blieb zäh dran, und für den Grossmüll und Schrott hatte sich der Müllmann aus dem Dorf mit seinem Kleinlaster bereit erklärt, den Abschaum ab zu transportieren, die Bürgermeisterin bezahlte ihn dafür, denn die Dorfgemeinde hatten diesen Schandfleck in wilder Natur schon lange auf dem Kieker. Die Besitzerin erklärte sich nicht in der Lage, die Reinigungsarbeiten zu übernehmen, posaunte aber gleichzeitig, dass sie jemanden gefunden hatte, der sich daran machte, bzw., die sich daran machte, eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern. Da war es klar, dass das Dorf mit anpacken musste.
Ariana bezahlte trotzdem die wegen der Reinigungsarbeiten ein wenig reduzierte Miete regelmäßig am Monatsanfang, da die Vermieterin sie gebeten hatte, erst nach den drei Monaten bei der Kindergeldstelle den Antrag auf Mietbeihilfe zu stellen, da sie immer noch die Beihilfe der letzten Mieter einkassierte, da diese doch zu viel Schäden hinterlassen hatten, und die sie damit abdecken wollte.
Sehr serös klang das nicht, aber Ariana versuchte alles mit Gelassenheit zu nehmen, so wie die verwilderten Schweine, die sich zu ihnen gesellten und ihr bei der Arbeit zu schauten.
Ariana wollte dieses Haus, aber ihr war doch mulmig zu Mute, irgendwie hatte sie ein ungutes Gefühl, hier nur als Reinigungskraft zu dienen, so wie bei ihrem Ex.
In der Notunterkunft war es auf die Dauer unmöglich für sie und ihre Kinder. Die Sozialarbeiterin hatte ihr schon gedroht, wenn sie nicht schnell eine Bleibe fände, könnte es sein, dass das Jugendamt ihre Kinder in Heime unterbringen würde.
Und sie musste ihre Trennung vor den Behörden erklären, ihre Adresse ummelden, und ihre Papiere, dabei kam ihr diese Dreimonatsfrist dazwischen, aber wo würde sie woanders etwas in der schnelle finden? Und einen Vertrag, die Vermieterin hatte ihr einen Jahresvertrag versprochen, das ist selten, die meisten Vermieter vermieten ohne Vertrag, um nicht Steuern zu zahlen, und sie konnten so die Mieter ohne Vorwarnung raus setzen.
Diese Chance hier durfte sie sich nicht entgehen lassen, und sie wollte dank dieser Bleibe ihre Freiheit wieder erlangen, denn solange sie bei ihrem Ex noch gemeldet war, hatte sie keinerlei Recht auf soziale Freiheit gehabt, kein Recht auf Sozialhilfe, kein Recht auf Sozialversicherung, usw. usw., alles lief über seinen Namen und wurde über seine Einnahmen ab kalkuliert. Was für eine Versklavung der Frau im 21. Jahrhundert!!!
Ariana konnte das kaum verstehen. Aber sie musste durchhalten! Nach der Arbeit schuftete sie jeden Tag bis spät abends im Garten und drum herum, verbrannte den Unrat, forstete den Garten auf. Und auch die Innenarbeiten nahmen ihre kurzen Nächte in Anspruch, alles Wände mussten verputzt und gestrichen sowie die Innenholzbalken und die Holzverkleidung unter dem Dach gebeizt werden. Nach zwei Monaten harter Schufterei hatte sich der Aspekt des Hauses völlig positiv geändert und sogar die Vorbeiziehenden, wie Jäger und Angler, glaubten ihren Augen nicht. So hatten sie das Haus noch nie gesehen, sie gratulierten ihr und bedankten sich ebenso, denn für jeden Naturfreund war dieser Ort eine Katastrophe, eine ehemals stinkende Müllhalde in der so wunderschönen Umgebung. Aber im Inneren des Hauses gab es mehr als Probleme: in den drei großen Dachräumen häuften sich ebenso der Müll und Unrat an, wie in den weiten Kapellenräumen unter dem Haus: verwanzte Decken, stinkende faulige Kleidung, Matratzen, vergilbte Bücher und Zeitschriften, Kanister, Autoteile und vieles mehr und alles von Ratten und Mäusen zerfressen und mit Urin und Kacke durchtränkt. Ariana arbeitete mit Maske und Handschuhen, aber am Abend hatte sie echt Lust, sich zu übergeben, da sie fast 50 verwesende Rattenkadaver vom Parkett gekratzt hatte.
Nach mehreren Monaten neigte sich das Jahr dem Herbst entgegen, und es begann zu regnen und zu schütten. Ein Unwetter tobte über den Bergen. Der Blitz schlug direkt ins Haus in den Stromzähler ein, leitete sich aber über das anliegende Bad unter der Badewanne in den Blitzableiter ab. Zitternd und verängstigt verzogen sich Ariana mit ihren Töchterchen in das einzige fast trockene Zimmer, sie hatte dort ein großes Falttritt aufgestellt und sie schliefen alle dort zusammen im Trockenen dicht aneinander gekuschelt, unter dreifachen Decken, da die Heizkörper auch nicht funktionierten. Mit Mühe versuchte sie ihre Kinder mit sanfter Musik abzulenken. Die anderen Zimmer waren vorerst bei Regen unbewohnbar, denn mit Ärger entdeckte Ariana und ihre Kinder, das es fast in jedem Raum unter den Holzbalken, die das Dachwerk trugen, einregnete. Sie legten jedes Mal Handtücher aus und stellten Eimer unter die stark tropfenden undichten Stellen. Der kleine vorstehende Raum des Kamins lief fast mit zwei Zentimeter hohen Wasser an. Ebenso hatten sie schon vor dem Unwetter bemerkt, dass kaum eine Steckdose im Haus funktionierte, und im WC, Flur und im Bad überhaupt kein Licht gab. Also klebte Ariana LED Lampen an die Wand, um abzuhelfen. Jedes Mal wenn man das Wasser aufdrehte, flackerte das Licht im ganzen Haus, da Wasser durch eine Pumpe am Eingang des Grundstücks gepumpt wurde, die scheinbar schon einige Altersschwäche aufzeigte. Die Pumpe befand sich am Fuße des Wasserreservoirs des Dorfes, dass sich an ihr Grundstück anschloss. Sollte das der Grundwasserbrunnen sein? Kaum möglich.
Ariana hatte das Größte hinter sich, sie fühlte sich kaputt und ausgelaucht. Sie fuhr zur Vermieterin hinunter an die Ebene, um ihr die Miete zu bringen (sie wollte in bar ausgezahlt werden!) Und um nun endlich den so langersehnten Vertrag zu unterschreiben.
Es war Anfang Dezember. Ariana hatte ihrer Vermieterin eine Liste aufgestellt, mit allen Details zu den Schäden, undichte Stellen, kaputte Steckdosen, kein Licht in Bad, WC und Flur, offene Stromkabel im Speicher und im Dachboden, ein ständig laufender als tropfender Wasserhahn im Bad, was die Pumpe ständig in Betrieb hielt und auch den Stromzähler rollen ließ, usw. usw. usw., die Liste war lang, und die Vermieterin schien so zu tun, als wüsste sie nichts von all diesen Schäden, sie erklärte sich bereit, den Preis für das nötige Reparaturmaterial von der Miete abzuziehen, wenn Ariana ihr die Rechnungen brachte. Doch Ariana hatte weder Elektriker-Klempner oder Dachdecker Kenntnisse. Ihre Vermieterin gab ihr einige Telefonnummern von Personen die Reparaturen gegen kleine Kosten erledigten. Ariana blieb stumm. Und als sie dann nun auf den Vertrag zu sprechen kam, da blockte ihre Vermieterin ab, das sei nicht nötig, einen geschriebenen Vertrag auszustellen, sie würde ja nun bald bei der Kindergeldstelle ihren Antrag einreichen, den sie schon unterzeichnet hatte und ihr aushändigte, und sie gäbe ihr die Quittung für die Miete, das sei völlig in Ordnung und legal. Ariana fühlte sich total an-geschissen. Doch dann überlegte sie nicht weiter, jetzt wieder auf neue Suche gehen, und all die Arbeit, die sie reingesteckt hatte, um das Haus nur ein wenig bewohnbar zu machen, nein, sie wollte jetzt nicht aufgeben. Also akzeptierte sie. Die Vermieterin rief ihr noch hinterher, jetzt müsste sie die volle Miete zahlen, da die Probe-und Reinigungsphase vorbei sei, alles Weitere und neu anfallende Pannen gingen auf ihre Kosten. Und so geschah es dann auch, Ariana musste sich einige Handwerker bezahlen, die ihr die ihr die Steckdosen reparierten, Licht in den Räumen legte und nicht sehr professionell mit Silikon Paste die undichten Stellen unter den Dachträgern verschmierten. Sie nahmen mehr Geld, als vorgesehen war und die Stromrechnung war auch mehr als hoch in dieser Saison, der Warmwasserheizer gab einen extremen Lärm von sich und die Pumpe litt scheinbar schwere Qualen - andere Wasserhähne brachen auseinander, Wasserrohre platzen, der Wasserheizer gab den Geist auf, die Pumpe ebenso, pro Monat blieben sie mehr als vierzehn Tage ohne Wasser und ohne Warmwasser, da musste sie ihre Töchterchen mit einer Kasserolle mit auf dem Herd aufgewärmten Wasser duschen, und Trinkwasser mussten sie sich kaufen, was ihr ziemlich ins Budget einschlug, ganz zu schweigen von dem Wegwerfgeschirr, den Wegwurfwischtüchern und anderen Reinigungsmaterial ohne Wasser. Ihr kleines Gehalt ging ganz und gar in Reparations- und Instandhaltungskosten drauf.
Und erneut regnete es bei starkem Unwetter an anderen neuen Stellen ins Haus rein und diesmal mehr als zu vor, und die schwarzen Feuchtigkeitsschimmelpilze wuchsen an den Wänden. Obwohl Ariana sie mit Chlorbleiche und Wasser abschrubbte, waren sie nach einem neuen Regenfall wieder da. Sie nahm Kontakt zu ihrer Vermieterin auf und erklärte ihr, dass man etwas unternehmen müsse, sie und eine ihrer Töchter sei allergisch gegen diese Feuchtigkeitspilze, sie hatten ständig verschleimte Rachen, und Reizhusten, der sich bei Ariana wie Asthma ankündigte. Aber Frau Vermieterin wollte nichts davon wissen, riet ihr weiter, die Chlorbleiche anzuwenden.
Bei Ariana häuften sich die Schulden, Strom bezahlte sie immer gleich nach der Miete, da sie ja auch sonst ohne Wasser wären, würde man ihnen den Strom abstellen. Doch es gelang ihr kaum noch, am Ende des Monats 10 € auf dem Konto zu haben. Sie hatte schon drei Monate die Kantine ihrer Töchter nicht mehr bezahlen können, und sie drohten ihr sie aus der Kantine auszuschließen, und auch der Kredit für die Anschaffungen und Autoreparaturen kam ins Stocken; ihre Telefon- und Internetrechnung stieg enorm an und man drohte ihr, die Verbindung abzustellen. Mit Hilfe des Internets verdiente sie sich einige Groschen zusätzlich durch den Verkauf von Secondhandware, die ihr die alten Damen bei denen sie arbeitete, zusteckten. Einen Monat später dann, erhielt sie die Nachricht, dass drei Personen, um die sie sich kümmerte, in ein Altersheim eingewiesen wurden und ihr nur noch zwei blieben. Damit strich man ihr die Ganztagsstelle auf Halbtagsstelle. Der Schock, da kam sie nicht mal auf 300 € Gehalt pro Monat, von denen sie noch 100 € für Benzingeld ausgeben musste, um in die Orte zu fahren, in denen sie arbeitete. Das war ein harter Schlag, denn sie musste ja schon 500 € für die Miete zu zahlen, 300 € zahlte die Kindergeldstelle. Dann verstarb auch noch ihr letzter Haushalt und sie wurde lizenziert aus Mangel an Bedarf an Kräften. Da sie nur vier Monate gearbeitet hatte, bekam sie kein Arbeitslosengeld. Die beantragte Sozialhilfe wurde ihr nach einigem Hin und Her bewilligt. Aber ihrer Vermieterin gefiel das gar nicht, sie hatte schon über die letzten Mieter hergezogen, die Sozialhilfeempfänger gewesen waren, und so wie sie sagte, auf den Taschen der ehrlichen Leute lagen, die arbeiteten, wie sie, als Bürofachkraft in einem kleinen Unternehmen.
Zwischen der Zahlung des letzten Gehaltes und der Sozialhilfe, gab es fast 20 Tage Abstand, und die Vermieterin bedrohte Ariana am Telefon, wenn sie nicht sofort die Miete zahlen würde, würde sie alles Mögliche unternehmen, um sie und ihre Bälger, die ihr Haus in einen Schweinestall verwandelten, wie sie es sagte (sie spielte dabei auf die Schimmelpilze an), wenn es sein müsste, auch mit Gewalt, raus zu setzen. Denn wir seien hier auf Korsika und auf Korsika lässt man sich nicht mit sich spaßen. Sie selbst gehörte eingewanderter Reisevolk Festländer an, die aber die sogenannten korsischen Manieren schnell angenommen hatten.
Als wieder einmal die Pumpe streikte und sie seit über 18 Tagen ohne Wasser waren, fing der Stress erneut für Ariana und ihre Töchterchen an.
Aus Geldmangel tranken sie Wasser aus dem Ablaufschlauch des Reservoirs, wuschen sich auch dort, ebenso wie ihre Wäsche. Sie machten dort ihren Abwasch, und ihre Geschäfte erledigten sie in der anliegenden Macchie. Zum Glück war es Mitte Mai und schon schön warm, dann endlich erschien ihre Vermieterin ohne Ankündigung bei ihr im Haus. Als sie erneut die Schimmelpilze an den Wänden sah, begann sie auf Ariana ein zu schreien, dass sie dabei war ihr Haus in Ruin zu setzen. Alle Schäden, die die letzten Mieter verursacht hatten, und die Ariana aus finanziellen Gründen nicht reparieren konnte, schob sie ihr nun in die Schuhe. Sie strich wutentbrannt Staub von den hohen Küchenmöbeln, entdeckte Ölspritzer auf ihrem Kochherd. Sie kritisierte Ariana, unfähig zu sein, einen Haushalt zu führen, und schallt sie eine dreckige Schlampe, (sie hätte sich darüber hinaus informiert, wo sie vorher gelebt hatte, und verstand, warum ihr ihr Exlebensgefährte vor die Tür gesetzt, hatte). Man hatte sie schon gewarnt vorsichtig mit Ausländern zu sein, die seien alle schmutzig, so wie sie, die in ihrem Haus eine große Schweinerei zusammen mit ihren kleinen Bastardinnen anstelle. Sie drohte ihr, ihre Schwägerin einzuschalten, die Anwältin ist, und ihr einen Prozess zu machen, um sich die von ihr verursachten Schäden auszahlen zu lassen. Ariana versuchte ihre Vermieterin zur Vernunft zu bringen, dass sie ohne Wasser im Haus, das oft, zu oft fehlte, nicht den Haushalt vernünftig führen könne, doch ohne Erfolg. Die Frau zog schreiend und drohend ab, so schnell wie möglich eine andere Bleibe zu suchen, bevor sie die Geduld verlor und ihre Cousins engagierte, sie mit Waffengewalt aus ihrem Haus zu jagen. Ausserdem hätte sie einen Interessenten gefunden, der das Haus kaufen wollte, und natürlich selbst mit seiner Familie einziehen wollte.
Ariana war weiß geworden, blutleer im Kopf, ihr Gehirn brummte, ihr Schädel schien zerspringen zu wollen, sie fühlte sich so unwohl wie selten in ihrem Leben. Sie umklammerte mit Tränen in den Augen ihre beiden Töchterchen, die verängstigt zu weinen begonnen hatten.
Und so machten sie sich wieder auf die Suche.
Und wenn sie nichts gefunden haben, suchen sie immer noch.
Von 2012 bis heute
Eine ihrer Töchter wurde vor Ort mehrmals u.a. von einem Insekt gestochen, von denen es ja trotz aller Reinigungsarbeiten weiter hin dort wimmelte. Daraufhin wurde sie krank. Schwer krank. Chronisch krank. Schockdiagnose Neuro Borreliose.
Bis heute bleibt das Leben ihrer Tochter ein Seiltanz über unendlicher Tiefe über dem verehrenden Abgrund ohne vorauszusehendes Ende.
Das Horrorhaus wurde noch mehrmals an unwissende unschuldige Menschen vermietet, unter denselben Voraussetzungen, natürlich blieb keiner, die Besitzerin wohnte schließlich selber dort, bis sie erneut in die Stadt zog. Wenig später brannte das Haus bis auf die Grundmauern bei einem Macchiebrand ab, der die Mikroregion in Schutt und Asche legte.
Karma oder Eigenverantwortung? Wie oft hatte sie sie sagen hören, „Eines Tages brenne ich die Bude nieder und lasse sie mir von der Versicherung erstatten.“
c Miluna Tuani
Überarbeitung: 05/10/2022
Ariana wischte sich die nasse Stirn. Obwohl der glitzernde Schnee unter ihren Stiefeln knirschte, und ihre nassen Füße eiskalt waren, lief ihr der Schweiß herunter unter der Mittagssonne, als sie die Gasflasche für ihren Gasherd die steile Auffahrt zu ihrem Haus hinauf schleppte. Der Schnee war dicht über Nacht gefallen und hatte die Insel Korsika unter einer weißen dicken Decke zugedeckt. Der Verkehr an der Ebene wie in den Bergen lag so gut wie lahm, nur einige lokale Minibusse der Dorfgemeinden befuhren die schlecht gereinigten und vereisten Serpentinenstraßen der Mittelgebirgsgegend. So war sie mit dem Minibus der Dorfgemeinde an die Ebene in den Supermarkt gefahren, hatte die wichtigsten Einkäufe gemacht und die Gasflasche für ihren Kochherd besorgt, die ihr gerade ausgegangen war. Es war das alte Modell, welches fast 50 kg wog. Sie zog, sie zerrte, sie schleppte sie hinter sich her. Sie biss die Zähne zusammen. Sie rutschte aus, rappelte sich wieder auf, zerrte weiter, bis zum steilsten Stück, das im Schatten lag und so gut wie vereist war. Sie schaffte es kaum noch, blieb auf den Knien hocken, zog dann die Flasche im Hocken weiter Stück für Stück heran. Sie spürte ein starkes Knacken in ihrem rechten Ellenbogen und in ihrer Schulter gefolgt von einem stechenden Schmerz. Fluchend ließ sie von der Gasflasche ab, sicherte sie im Schnee, damit sie ihr nicht wieder hinunter rollte. Sie dachte an die Legende von Sisyphus, und musste laut lachen. Dabei rieb sie sich die schmerzende Schulter und ihren Arm. „Ach du meine Güte, ich glaube ich habe mir da etwas ausgerenkt!“ - rief sie laut mit schmerzverzerrtem Gesicht. Sie wollte sich gerade wieder aufrappeln, als ihr Handy klingelte. Sie erschrak. Der Klingelton zeigte ihr an, dass es sich um einen Bekannten handelte, mit dessen Anruf sie ganz und gar nicht mehr gerechnet hatte. Er war der ehemalige Sänger einer der bekannten Gruppen der Insel, und er hatte seit einigen Jahren eine Solokarriere gestartet. Zum Anlass des Erscheinens seines neusten Albums hatte sie ihn im Oktober letzten Jahres kontaktiert, um ihm einige Fragen zu seinem neuen Album zu stellen, den sie als Artikel in ihrem kulturellen Webmagazin veröffentlichen wollte. Er hatte ihr auf ihre Fragen direkt per Mail geantwortet, bestand aber darauf, sie zu treffen, um ein richtiges Interview zu machen, und über seine Projekte zu sprechen. Als er sie dann einen Monat später kontaktiert, um ihr ein Treffen vor zu schlagen, fühlte sie sich aber gar nicht in der Lage dazu. Ihr Ex suchte ihr ständig Ärger, sie hatte Probleme mit ihrem Vermieter, und mit der Gesundheit war es auch nicht in Ordnung. So hatte sie ihn gebeten, sie später zu kontaktieren. Er war ohne weiteres einverstanden. Als er sie dann versuchte zu erreichen, hatte einen Tag zuvor ihr Auto eine Panne und sie musste es in die Werkstatt bringen. So erklärte sie ihm, sich bei ihm zu melden, sobald ihr Wagen wieder fahr-tüchtig war. Er versicherte ihr, geduldig zu warten und zu hoffen, dass es beim nächsten Mal klappte, sobald er in ihrer Gegend sei. Die Reparatur dauerte länger als vorhergesagt, da wichtige Teile bestellt werden mussten. Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen sandte sie ihm erneut ein sms, um ihn zu informieren, und wünschte ihm gute Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Er antwortete ihr, dass er Anfang Februar wieder in ihrer Gegend sei und sie dann anrufen würde. Nun hatte es so stark geschneit, dass auch die Telefonleitungen durch hingen und das Fixtelefon so gut wie nie funktionierte. Und sie war in ihrem Haus von der Gegend abgeschlossen. Ihre private Auffahrt wurde nicht von den öffentlichen Schneeentfernungsservice geräumt, so dass sie mit ihren Kindern festsaß. Über eine Woche kamen sie gar nicht runter, dann nur auf allen vieren mit Stöcken, um sich zu halten. Es hatte mehrmals darüber geschneit und nachts fror die unterste Schneedecke, so dass die Piste nicht begehbar war, geschweige denn befahrbar, schon wegen ihres starken Anstiegs. Ihr Handy klingelte und es war er. Doch sie konnte es nicht schnell genug aus der Tasche holen und der Anruf ging auf den Anrufbeantworter. Sie hörte ihn ab und er sagte ihr, dass er am Wochenende in der Gegend sei und er sich freuen würde, wenn sie sich treffen könnten. Ihr klopfte das Herz stark in der Brust. Sie hatte sich da auf ein starkes Abenteuer eingelassen. Sie hatte sich an die bekanntesten und beliebtesten Gruppen der Insel heran gewagt, und um ein Interview gebeten, um ihre Artikel in drei Sprachen in ihrem virtuellen Kulturmagazin zu veröffentlichen. Einige waren begeistert, die, die im internationalen Bereich wahrgenommen werden wollten, andere überhaupt nicht, ihnen war es nur wichtig, im lokalen Bereich aufzutreten und zu agieren. Nach mehreren Ablehnungen war er der Einzige, der sehr freundlich und offen auf sie zu ging, und nun war es das dritte Mal, dass sie ihm absagen musste. Sicher hielt er sie für eine Nichtprofessionelle oder Blablatante. Sie kannte ihn schon vom Sehen, bei Konzerten, bei denen er mit anderen Gruppen gesungen hatte, unter andere, mit einer ihrer Lieblingsgruppen, und vielen anderen. Er hatte eine außergewöhnliche Stimme, sanft und voller Power zugleich. Er war auch im kulturellen Bereich sehr aktiv, die korsische Musik und Kultur nach draußen zu bringen. Er hatte mit einem seiner faszinierenden Lieder im internationalen Musik-Wettbewerb den ersten Preis gewonnen. Das Lied und seine Stimme verursachten bei ihr pure Gänsehaut. Sie stellte das Lied in ihrem MP3 Player an, und lauschte, sie hatte es als Klingelton für seine Nummer gewählt, damit sie ihn sofort erkannte, wenn er anrief. Ihr Handy spürte nicht genug Sendewellen auf, um anzurufen, also tippte sie erneut ein SMS: Sorry, aber ich bin im Schnee bei mir blockiert, unser Weg wird nicht von der Munizipalität geräumt, und es hat schon dreimal darüber geschneit, und nachts friert es und fürs kommende Wochenende ist erneut Schnee angesagt; also sollte ich runterkommen, komme ich nicht mehr rauf, aber ich kann auf keinen Fall meine Kinder allein lassen…habe mir gerade die Gasflasche bis zum Fuße der Auffahrt von dem Minibus des Dorfes hochfahren lassen und schleppe sie jetzt hoch bis zum Haus, bin ganz fertig…tut mir Leid also, dass ich dir wieder absagen muss. - Er antwortete ihr: Ach du meine Güte, kann dir denn keiner helfen? Ansonsten, alles klar, mach dir keine Sorgen, sobald du wieder runter kannst, sag mir Bescheid, du hast Kinder? Wie alt sind sie denn? - Mein ältester ist 15, sein Bruder 13 und mein Töchterchen 11. - 16? Du siehst auf deinen Fotos auf Facebook selbst nicht älter als 16 aus. - Sie lächelt zufrieden. Danke, aber das sind verschönerte Art Fotos für mein öffentliches Profil bestimmt. - Aja, und dein Mann kann die Gasflasche nicht hochtragen? - Nein, bin geschieden, lebe allein mit meinen Kindern: - Ach so, du bist mutig, allein mit drei Kindern in den abgelegenen Bergen, unterstützt dich ihr Vater wenigstens finanziell? - Nein will auch keine Hilfe von ihm, um jeden Kontakt zu vermeiden. - Ah, verstehe… also sobald du vom Schnee befreit bist, lasst du mich es wissen, ok? - Sicher alles klar, ich bereite schon mal den Artikel in der Rohform vor, dann zeige ich ihn dir und füge noch die Infos zum Album dazu usw.,- mit Vergnügen, ich hoffe auf bald - ich auch, bis bald und danke für deine Zusammenarbeit - mit Freude, bis bald, herzliche Umarmung - schrieb er in seiner Muttersprache. Ihr wurde warm ums Herz, und antwortete ebenso in korsisch: - bis bald und herzliche Umarmung ebenso - dann war ihre Batterie leer und sie steckte ihr Handy in die Tasche, schnappte sich die Gasflasche und zog sie zügig voran, bis sie am Haus angekommen war. Sie spürte auf einmal, dass ihr diese kurze herzliche Konversation irgendwie Kraft gegeben hatte. Einige nette Worte taten bei ihr Wunder, seine sehr netten Worte. Sie war ein wenig selbst über diese Reaktion erstaunt, dachte aber nicht darüber nach, nahm die Situation nur einfach dankend an, sie hatte es einfach so nötig.
Eine Woche später begann es stark zu regnen. Die Temperatur war angestiegen und der Schnee begann zu tauen. Nach einigen Tagen war die Auffahrt so gut wie frei, nur die Ränder waren noch zugeschneit. Doch sie wagte eine Abfahrt. Obwohl der Wagen ein wenig schlitterte, kam sie gut unten an. So fuhr sie runter an die Ebene, um Einkaufe zu machen. Aber irgendwie fühlte sie sich schlapp, musste ständig gähnen und ihr vielen beim Fahren fast die Augen zu. Nur wenn sie an ihn dachte, und seine Musik hörte, da ging es ihr wieder besser. Also hörte sie sie oft, suchte im Net nach Videos und fand sie auch, und die Bewunderung für ihn nahm immer mehr zu. So sandte sie ihm erneut ein sms, dass sie wieder schneefrei sei, und wenn er Zeit hatte, könnte er es ihr ja wissen lassen. Eine Woche lang wartete sie auf Antwort, doch er ließ nicht von sich hören. Wahrscheinlich hatte er die Nase voll von ihrem hin und her. Sie spürte Enttäuschung und Frustration. Am kommenden Tag stellte sie fest, dass ihre Wasserpumpe des Hauses wieder - wie schon so oft - den Geist aufgegeben hatte. Sie rief den Vermieter an und bat ihn, die Pumpe reparieren zu lassen. Er schrie sie an, dass er genug von den Reparaturen hatte, und sie sich einen Klempner kommen lassen sollte. Doch sie blieb hart, es sei seine Pflicht als Besitzer des Hauses, die Basisfunktionen wie Wasser, heiß Wasser, Strom instand zu halten und auf seine Kosten gehen zu lassen. Doch er beschimpfte sie nur übel, drohte ihr mit Rausschmiss, wie auch so oft, und erklärte ihr, dass er nichts mehr reparieren lassen würde. Da sie im Moment finanzielle Belastungen mit der Autoreparatur gehabt hatte, konnte sie sich keinen Klempner leisten und schon gar nicht einen Spezialisten für hydraulische Installationen, da die Pumpe des Hauses direkt an das Wasserreservoir des Dorfes angeschlossen war, das sich in dem Grundstück des Hauses befand, welches sie bewohnten. So blieben sie ohne Wasser im Haus. Zum Glück befand sich im Garten ein Überlaufabflussrohr des Reservoirs der Gemeinde, bei dem sie Wasser holen konnten, aber es war weit unten im Garten und es fiel ihr schwer genug Wasser, ins Haus zu schleppen, zum Trinken, zum Kochen zum Waschen zum Geschirrspülen, zum Duschen, für die Klospülung für vier Personen, sieben Katzen zwei Hunden, und vier Meerschweinchen. Sie versuchte noch einmal die Diskussion mit dem Vermieter, erklärte ihm, dass sie fast 200 € mehr Ausgaben hatte, um Trinkwasser zu kaufen, Wegwerfgeschirr, Trockenwaschtücher, Kosmetiktrockenprodukte, Benzingeld, um zum Waschsalon zu fahren. Dazu hatte nun auch noch ihre Waschmaschine ihren Geist aufgegeben, da die Pumpe streikte, wieder anlief, wieder streikte. Das hatte der Waschmaschine den Garaus gemacht. So bat sie den Besitzer des Hauses, 200 € weniger zu zahlen. Doch er verweigerte und blieb dabei, dass sie die volle Miete von 800 € zahlen müsste. Wassermangel im Haus sei kein Grund für ihn, die Miete herabzusetzen. Es gäbe ja den Bach da unten. Sie war müde von dieser Diskussion, jedes Mal war es das Gleiche! Seit vier Jahren wohnten sie nun hier, und von Anfang an gab es Probleme mit dem Material. Und da waren sie wieder an derselben Situation angekommen, nur das sie im Moment keinerlei finanzielle Möglichkeiten hatte, sich einen Handwerker zu bezahlen. Sie hatte gerade wieder das Wasser hoch geschleppt. Ihr Größter half ihr ein wenig, aber sie wollte nicht, dass er sich überanstrengte, denn die Kanister wogen 20 kg einer. Sie stellte ihn endlich im Haus ab und hielt sich den schmerzenden Rücken und legte sich ein wenig aufs Sofa. Ihre Kinder nahmen die Dusche in dem Topf erwärmten Wasser, den sie auch wieder von der Küche ins Bad schleppen müsste, und gossen ihn sich in der Badewanne darüber. Wie in alten Zeiten! - scherzte sie. - Eure Groß- und Urgroßeltern kannten kaum laufendes warmes Wasser und sie haben oft mehr als sechs Kinder groß gezogen! Sie wuschen ihre Wäsche an den abgelegenen Waschstellen, schleppten manchmal kilometerweit ihre Wäsche zurück in ihr Dorf und holten ihr Wasser von den Dorfbrunnen mehrmals am Tag; und sie beschwerten sich nicht; doch wer will heute noch so leben? Sicher, wir die jungen Generationen sind kaum noch zu etwas fähig, was harte körperliche Arbeit betrifft ... - erzählte sie verronnen. Ihre Kinder schauten sie staunend an. Dann raffte sie sich auf, um sie zum Schulbus zu begleiten. Nachdem sie so gut wie möglich ihren Haushalt gemacht hatte, legte sie sich ein wenig hin. Sie hatte sich eine Antischmerzcreme auf die Lendenwirbel und auf die Knie und ihre Schulter geschmiert, da sie arg schmerzten. Sie litt seit langen Jahren unter einer chronischer Lendenwirbelverknöcherung, und es war ihr eigentlich verboten, schwere Lasten zu tragen oder zu schleppen. Der Transport der Gasflasche, die Einkaufe und nun noch das Wasserschleppen hatten ihren Bandscheiben eben nicht gutgetan. Sie fühlte sich ausgelaugt und müde, schlaff und ohne Energie. Sie schloss die Augen, dachte an ihren Sänger, las noch einmal seine netten sms, spürte erneut ein intensives Kribbeln, eine so angenehme Wärme ihre Herzgegend durchfluten. Augenblicklich schreckte sie aus ihren Tagträumen auf, als ihr Handy mit der zauberhaften Melodie seines Liedes klingelte. Sie setzte sich kerzengerade auf und spürte nicht einmal mehr den Schmerz. Das war er! Er hatte sie endlich angerufen! Sie wollte abnehmen, doch ihr Handy hatte den Empfang verloren, sie konnte nur seine folgende Nachricht hören, die er auf ihren Antworter gesprochen hatte. - Hallo, ich bin es, ich bin morgen in der Gegend, würde mich freuen, wenn wir uns treffen könnten, ruf mich doch bitte zurück, danke, bis später, Kuss und Umarmung - Sie lief rot an wie eine überreife Tomate. - Holla, Kuss und Umarmung, das ist sehr sympa! - Sie nahm all ihren Mut zusammen und rief ihn mit ihrem Fix Telefon an, doch sie fiel auf seinen Antworter, sprach aber nicht drauf, versuchte es noch einmal später und fiel wieder auf seinen Antworter. Sie versuchte, ihre Stimme so frisch wie möglich zu gestalten, und sprach ihm eine Message drauf. - Salut, ich bin es, irgendwie ist es kompliziert, uns zu treffen, du kannst mich unter folgender Nummer erreichen; mein Handy verliert ständig den Empfang, der hier in den Bergen schon schlecht ist, bis gleich, hoffe ich ... - Sie legte auf, und wartete, als gerade wieder ihr Handy anzeigte, dass sie ein neues SMS erhalten hatte. - ich bin in Corti, kannst du kommen? - Sie antworte per SMS - Corti, ja, sicher, wenn nicht ein Meteor vom Himmel fällt und die Hauptstraße zerstört. - Sie versuchte mit diesem Scherz gut bei ihm zu landen, aber er reagierte nicht darauf. Er schrieb: - Wann kannst du kommen? -Sie antwortete: - Ich mache mich sofort auf den Weg, wenn du möchtest... - Ihr Fixtelefon klingelte. Sie hob ab. - Hallo? - Ich bin es, na endlich, es ist wirklich schwierig, dich zu erreichen! - Es schien ihr, dass eine Stimme ein wenig angestrengt klang. - Oh ja, aber dabei bist du der Star, also ich mache mich gleich auf den Weg, wo kann ich dich finden? - Sie zögerte ein wenig, ob sie Du oder Sie sagen sollte. - ich bin im Nord Hotel, ruf mich einfach, an wenn du angekommen bist, ok? - Im Nord Hotel? Alles klar… dann bis später - bis später… - Sie wartete auf ein „Kuss und Umarmung,“ das kam aber am Telefon direkt nicht. Irgendwie war sie verwirrt, beim Smsschreiben war er sehr viel intimer als am Telefon. Hörte jemand zu? Aber warum machte sie sich deswegen Gedanken? Sie wollte ihn treffen, um ein Interview zu machen, um ihren Artikel endlich zu veröffentlichen. Das war der einzige Grund. All diese emotionellen Schwankungen hatten gar nichts hier zu suchen. Sie nahm sich vor, sich einen klaren Kopf zu fassen und sich zusammen zu nehmen, und nicht wie ein verrückter fanatischer Fan seinem Idol gegenüber in Anhimmeln zu versinken. Ja, aber das war es wohl, sie war Fan seiner ehemaligen Gruppe, und das verursachte bei ihr eben eine Art von künstlerischer Anbetung. Aber sie war aus dem Alter raus, um so zu reagieren. Mit diesen Gedanken machte sie sich auf in den Garten, um eine kalte Dusche direkt am Wasserrohr zu nehmen. Aber das Wasser war so kalt, das es ihr unmöglich war, ihre Haare zu färben, die an den Wurzeln weiß nach wuchsen. Sie kleidete sie sich in eine ihrer neuen Tunique mit Ethnikstyle, leicht, locker, in frischen Farben, parfümierte sich dezent, frisierte ein wenig wilde Frisur, und machte sich anschließend auf den Weg nach Corti.
Es war sehr warm für die Jahreszeit geworden. Die Februarsonne wärmte schon stark, als sie im Stau vor der Stadt stand. Sie fühlte sich verschwitzt und musste aufs Klo. Es gab aber keins auf dem Weg. Als sie dann endlich auf dem Hotelparkplatz ankam, sandte sie ihm eine Mail, da der Verkehrslärm so stark war, das man kaum telefonieren konnte, um ihn von ihrer Ankunft zu informieren, Sie erhielt keine Antwort per Mail, aber er rief sie gleich darauf an. Sie nahm diesmal sofort ab: Tut mir leid, dass ich dich warten lassen muss, aber ich habe da noch eine wichtige Angelegenheit zu erledigen, in zehn Minuten bin ich da, du kannst ja in der Hotelhalle an der Bar warten. - Sie antwortete: - Ok, danke, aber ich warte lieber auf dem Parkplatz in der strahlenden Sonne und dem höllischen Verkehrslärm, den ich ja bei mir in den Bergen schon gar nicht mehr gewöhnt bin. - Wieder ging er nicht auf ihre ironische Bemerkung ein, oder hatte er bei dem Straßenlärm nicht gehört, was sie gesagt hatte? Seine Stimme klang jetzt entspannter, fast fröhlich. - Dann bis gleich! - Bis gleich! - Er legte auf, sie tat es ebenso. Dann lehnte sie sich an die Mauer und versuchte sich im Geiste auf die Fragen zu konzentrierte, die sie ihm stellen wollte. Doch sie fühlte sich nervös und zappelig. Da parkte gerade ein Kleinbustaxi neben ihr und sie schaute erstaunt auf, sie erkannte ihn hinter dem Steuerrad. Er war zusätzlich noch Taxi-Busfahrer? Sie holte tief Luft, sie bemühte sich ein natürlich sympathisches Lächeln, auf zu setzen, und bewegte sich langsam auf ihn zu. Er stieg aus, fixierte sie und hatte irgendwie einen erstaunten, fast erschreckten Eindruck in den Zügen. Sie dachte: „Oh je, wirke ich so abschreckend? Kalt geduscht, mit weißem Haaransatz, innerlich müde und gekrümmt durch die Rückenschmerzen, verschwitzt, mit kalten Schauer auf dem Rücken.“- Sie nahm allen ihren Mut zusammen und versuchte ein so offenes und sympathisches Lächeln wie möglich auf zu setzen und ihre innere Natürlichkeit strahlen zu lassen. - Freut mich, dich endlich zu treffen - er musterte sie von oben bis unten und entgegnete mit nun wieder müder Stimme: - ganz meinerseits. - aber ohne ein Lächeln in den Zügen. Sie stockte, lächelte aber weiter, nur sehr angespannt. Anscheinend hatte er eine andere Erscheinung vor sich erwartet, die dem Bild ihres Profilfotos ähnelte - sie wagte nicht daran, zu denken, dass er sich mehr als ein Interview mit ihr erhofft hatte. Sie wollte ihm die Hand zur Begrüßung reichen, doch er winkte ab und entgegnete: - ich bekomme immer und überall Stromschläge, wenn ich jemanden die Hand gebe. - Jetzt musste sie leise kichern. - Du auch??? Mir geht das ebenso, egal was ich anfasse ... - dachte aber bei sich: Na, da haben wir ja schon eine Gemeinsamkeit! - und laut fügte sie hinzu: - ich habe gehört, das kann an eventuellen Magnesiummangel liegen. - Ach ja? - Er schien sie erneut einen Augenblick lang zu mustern, doch seine Miene blieb ernst, und undurchdringlich, im Gegenteil zu seiner Stimme am Telefon, die so aufmunternd und zuversichtlich klang. Er wandte sich dem Wagen zu, nahm einiges Gepäck mit und schloss dann das Fahrzeug ab. Währenddessen musterte sie ihn: Er war größer, als sie angenommen hatte, bei den Konzerten und den Videoaufzeichnungen war ihr das nie aufgefallen, und er wirkte jünger und frischer als auf Bildern und Videos. - Also gehen wir rein? - Ja sicher. - Er überquerte die Straße mit großen Schritten, sie folgte ihm im Laufschritt. Er öffnete die Glastür des Hotels, trat ein. Mit Erstaunen stellte sie fest, dass er ihr nicht die Tür aufhielt, und als Erster voranschritt, doch sie folgte ihm zügig und dachte: - galant ist er nicht, aber umso mehr charmant! - Sie fixierte ihn, er hatte die Aura eines Heerführers aus dem alten Rom oder Griechenland, sie fand, dass er sogar ein wenig Julius Caesar ähnlich sah. Sie griente begiggelt und er betrat selbstsicher den Empfangsraum, bestellte sogleich einen Mocca an der Bar für sich und fragte, was sie trinken mochte. Sie war so vertieft ihn zu sondieren, dass sie sie kaum bemerkt hatte, dass er ihr eine Frage gestellt hatte. - äh, einen Multisaft bitte! - stotterte sie beinahe. - Einen Multisaft? Du hast Vitamine notwendig? - Sie stockte, verlegen fragte sie ihn: - sieht man mir das so sehr an? - Nein, tut mir leid, so wollt ich das nicht sagen! - Sie lächelte erneut. - Sicher ich habe Vitamine notwendig nach diesem stressigen Winter. - Verstehe, setz‘ dich doch - er zeigte ihr in Richtung der runden Lounchsessel im Nebensaal der Empfangshalle des Hotels. Er lächelte immer noch nicht, aber seine Züge schienen entspannter. Sie entgegnete: - Ja danke! - und ließ sich auf einen der tiefen Sessel nieder und legte ihren Hefter mit den Interview-Fragen auf den Tisch und kramte in ihrer Handtasche nach ihrem Stift, während er die Getränke in Empfang nahm und sich dann zu ihr gesellte. Er servierte ihr und ließ sich ihr gegenüber in einen breiten Sessel fallen, gerade als sein IPhone klingelte. Er nahm ab, diskutiere ein Weilchen, dann legte er auf und wandte sich ihr zu. - Tut mir Leid, wegen der kleinen Störung.- ist doch kein Problem! - Er fixierte sie nun mit seinen Augen, die einfach ausdrucksvoll waren - graugrün, grau silbrig? - wie tiefes in der Abendsonne waberndes Wasser. Ihr lief ein heißer Schauer über den Rücken. Sie spürte, dass es ihr schwerfiel, seinen Augen standzuhalten, doch sie bemühte sich, ihm weiterhin offen entgegen zu lächeln. Sie hatte auf einmal den Eindruck, dass ihre beiden Augenpaare wie von Magneten angezogen sich ineinander verfingen. Augenblicklich wurde ihr heiß und kalt zur gleichen Zeit. Es war, als wäre sie in einer Art Vision gefangen. Bilder, Eindrücke und Gefühle drehten sich vor ihrem inneren Auge. Alles um sie herum schien total irrelevant. Raum und Zeit waren nicht mehr da. Gefangen im Zauber dieser Begegnung ihrer Augen. Erneut lief ihr heißer und kalter Schauer über den Rücken. Sie versuchte seinen Augen standzuhalten, ohne sich abzublocken. Urplötzlich spürte sie wie aus weiter Ferne ein enormer Knall in ihrem Inneren, als sei eine Bombe irgendwo explodiert, begleitet von einer auflodernder Fackel, einem gleißenden Blitzschlag, der absolut und unvermittelt eingeschlagen war, aber wo? Ihr Herz begann an zu rasen, kam ins Stottern, setzte mehrmals aus, nahm dann wieder seinen normales Rhythmus auf. In ihren Adern kribbelte es überall, als hätte sie Millionen Ameisen im Blut. In der Solarplexusgegend krampfte sich alles zusammen und das Kribbeln breitete sich in ihrem ganzen Körper aus, und jedes Härchen ihres Körpers stellte sich auf. Eine weitere Gänsehaut rann ihr auf und ab über den ganzen Körper. Sie atmete tief aber lautlos ein und aus, und sie bemerkte, dass er es genauso tat. Sie spürte Hilflosigkeit und Benommenheit, an die Stelle der Vernunft traten gleichzeitig eine so enorme und absolute Power, dass sie Regenwälder hätte ausreißen können. Er schaute sie entgeistert an, sie erwiderte seinen Blick, lächelte sanft. Sie sah pures Staunen in seinen Augen, bemerkte und spürte, dass er dasselbe wahrgenommen hatte, und hörte in ihrem Geist seine Stimme: - was war das denn? - Er hatte also auch diesen eigenartigen Knall vernommen. Sie antwortete ihm mit ihrem Geist: - ich weiß es nicht - als hatte er sie gehört, zog er eine Augenbraue hoch, schaute ein wenig irritiert um sich, dann atmete er erneut tief ein und aus und nahm die Kaffeetasse zur Hand. Er räusperte sich und fragte sie dann, mit jetzt sehr sanfter Stimme: - also du schreibst Artikel über korsische Gruppen in drei Sprachen? - Sie versuchte sich zu besinnen, schien wie aus weiter Ferne in die reale Welt zurückzukommen aus diesem nahezu unbeschreiblichen Gefühlschaos, diesem absolut überwältigenden einzigartigen Gefühl, was immer es auch gewesen war. - ja, seit einem Jahr arbeite ich mit einem virtuellen Reisebüro zusammen, und habe mein Magazin im Internet an ihre Webseiten geschlossen, die mir pro Tag fast 1000 Besucher bringen. - Das ist enorm! - Ja, kann man wohl sagen! - ein wenig Werbung außerhalb täte mir und meinen Gruppen gut, ich bin schon in Europa aufgetreten, in Belgien, Luxemburg, Italien und auch in Norwegen und Deutschland, in Norwegen haben wir ja erste Preise internationaler Wettbewerbe gewonnen. - ja das ist wirklich ausgezeichnet, auch all die andere Aktivitäten, die du verfolgst, du bist ein wahrer Ambassadeur der korsischen Musik, der echten korsische Musik, nicht der verkaufbaren Popsuppe in korsischer Sprache, um damit international anzukommen, um damit international anzukommen, oder? - Er schaute sie ein wenig streng an. - du sprichst da etwa auf eine bestimmte Gruppe an? Es sind enge Freunde von mir! - ah, Verzeihung, aber das ist ja nicht meine persönliche Meinung, das ist die allgemeine Kritik an ihnen, im Gegenteil zu deiner Musik, die voller Emotionen geprägt ist, eben wie deine ehemalige Gruppe, und dazu noch deine Stimme. - danke, hast du mich schon auf der Bühne gesehen? - Ja, vor langen Jahren mit einer deiner ersten Gruppen und mit einigen anderen. - Aber nicht Solo? - nein, aber ich kenne deine Sololieder durch die Videos im Net, ich würde gerne dieses eine einstellen, das im Artclub aufgenommen wurde, wie heißt es doch gleich, Momente der Stille, oder so, nicht wahr? - ja, du kannst es gerne einstellen, gefällt es dir? - ja sehr, sehr sanft und gefühlsbetont, genau mein Geschmack! - Er schaute ihr wieder direkt in die Augen, und ihr wurde eigenartig zu Mute, sekundenlang sah sie sich erneut in einem Wirbel Bildern, Eindrücken und Emotionen gefangen. Sein Ausdruck spiegelte dieselben Wahrnehmungen, doch der sanfte Augenblick löste sich auf, als sein iPhone klingelte. Er wandte sich von ihr ab. Sie schnappte unauffällig nach Luft. - Tut mir leid, ich muss mal schnell meine Mails abfragen. - kein Problem, ich hab’s nicht eilig. - Er beschäftigte sich mit seinen Mails und sie trank ein Schluck Multifruchtsaft, betrachtete dabei ihren Spickzettel und bereitete sich auf die Fragen vor. Er widmetet ihr wieder sich wieder ihr zu und sie begann ihm die Fragen des Interviews zu stellen. Er antwortete ihr kurz aber sehr klar, sie machte einige Notizen. Er erzählte ihr dann von seinen Projekten seines polyphonen Gesangsensembles, von seinem letzten Album. Er erläuterte ihr den Inhalt und die Messagen des Coverliedes und versprach ihr ihr das Album zu geben, damit sie sich einen direkten Eindruck machen könnte. Er beobachtete sie, während sie ihre Notizen machte, und stellte ihr dann einige Fragen: - du wohnst also mit dienen Kindern in Serra di Oranu? - ja, ein wenig außerhalb des Dorfes. - Aja, seid ihr gut untergebracht? - ehrlich gesagt, nein ... - und sie erläuterte kurz das Problem mit dem sturen Mieter, und fügte hinzu: - wir suchen nach einer neuen Bleibe, da es dort immer Probleme gibt, die Miete ist zu hoch, alles fällt auseinander, wie erwähnt; du kennst doch viele Leute, im Falle, wenn du bei dir im Süden etwas hörst, ein Haus auf dem Lande, in den Bergen, aber mit Wasser, nahe Kollege, ansonsten nehme ich jedes Angebot gerne an. - ok, sobald ich etwas höre, werde ich es dir mitteilen - danke sehr, das ist nett von dir - dein Job als Redakteurin ist der gut bezahlt? Da die Mieten im Süden auch sehr hoch sind. - na ja, nicht unbedingt gut, ich werde pro Artikel bezahlt und unter Freiangestelltenbasis und mit Werbeblock und ähnlichen, zusammen mit dem Kindergeld kommen wir so über die Runden. - hmm, das ist weniger gut, die Vermieter wollen einen festen Gehaltsnachweis! - ich weiß, aber mein Onkel als Besitzer mehrerer Immobilien ist Garant für die Miete. - ok, du lebst also wovon direkt? - Kindergeld, keinerlei Nebenjobs, Übersetzungen usw. - wie ich schon sagte, bist du mutig. - ist lieb von dir, aber ich war immer eine Kämpfernatur. - das ist bemerkenswert. - Er lehnte sich zurück, schaute sie erneut tief in die Augen und entgegnete: - du ähnelst überhaupt nicht dem Bild auf deinem Profil, aber war mir eine Freude dich kennengelernt zu haben. Sie lächelte selig. - mir war es auch eine Freude, dank dir das du mir deine Zeit geopfert hast! - es war mir ein Vergnügen! - Er erhob sich. - ich gebe dir mein Album, am Auto, ok! - aber gerne doch! - Er ging zügig hinaus, sie folgte ihm und musste sich sputen, um mit ihm Schritt zu halten. Sie begleitete ihn zum Taxibus, und er überreichte ihr das Album - ich danke dir nochmals! - danke dir ebenso! - sobald der Artikel fertig ist, schicke ich dir den Link, ok - ok, bis dann also. - bis dann also. Er schaute ihr noch einmal tief in die Augen, verharrend, ein wenig zögernd. Sie wartet auf eine Geste, doch er dreht sich ab und stieg ins Auto ein. Sie machte es gleich. Er startete seinen Wagen, fuhr die Auffahrt zur Hauptstraße hoch, winkte ihr noch einmal zu. Dann ließ sie sich in den Sitz fallen, atmete tief durch, noch immer überflutet von diesem starken, eindringlichen Kribbeln in der Magengegend und überall. Jetzt erst fiel es ihr wieder ein, dass sie dringend auf Klo muss. Sie startet schnell und fährt zurück, dabei seine CD einlegend und in den zauberhaften Klängen seiner Stimme und seiner Musik schwelgend.Anmerkung des Schicksals: hätte sie in diesem Moment noch den Verlauf des Folgenden ändern können. Wohl kaum, denn wer kann das schon in einer solchen Situation? Wie bekannt, Liebe macht...blind...taub...und vollkommen unfähig, die Folgen zu ermessen...gez. das Schicksal -
Entflammt
Gleich einem tobenden Feuer
lodernd, brennend
Doch nicht zerstörend
wärmend
erhellend
anfüllend
überwältigend
leidenschaftlich einlullend
Vertrauen weckend
alles Negative verbrennend
ERFASST
Gleich einem brausenden Sturm
doch nicht verwehend
atemberaubend
aber klärend
erneuernd
in den Himmel erhebend
alles Negative wegfegend
EINGETAUCHT
Gleich in sprühenden Wogen
Sich gewaltig überschlagend
doch nicht ertränkend
erfrischend
reinigend
alles Negative wegwaschend
ERHELLT
Gleich glitzernder Sonne
strahlend
aber nicht brennend
Wärmend
Aber nicht gleißend
Schwelendes Licht
die Leere an füllend
Negatives auslöschend
GLEICH
Aller Naturgewalten
Energiegeladen, berauschend
Atemberaubend
c Miluna Tuani
Hier geht es zu der musikalischen Untermalung von INFIARATU
https://soundcloud.com/galaxia-tuani/infiammatu-by-galaxia-tuani
Beim Aufräumen findet die Protagonistin ihr altes Tagebuch, und beim Hineinlesen, blättert sie die Seiten ihres Lebens zurück, durchlebt erneut das Vergangene, das Verdrängte, den unangenehmsten Teil ihres Lebens, und das ihrer Kinder. Dadurch lässt sie den Schmerz der Erinnerung dahinfließen, befreit sich und kann endlich mit einem neuen Lebensabschnitt beginnen.
ACHTUNG TRIGGERWARNUNG
THEMEN HÄUSLICHE GEWALT, GEWALT AN FRAUEN, GEWALT IN DER PARTNERSCHAFT
SOLLTEST DU PROBLEME MIT DIESEN THEMEN HABEN, BITTE NICHT LESEN
Ariana wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war fast mittags und im Dachboden des Hauses war es stickig und heiß. Sie war daran die Umzugskartons mit ihren Büchern, Manuskripten, und sonstigen Utensilien anzufüllen, die sie seit langem auf dem Dachboden aufbewahrt hatte. Seit heute Morgen arbeitete sie, und sie hatte noch immer die Hälfte des Bodens auszumisten. Hinter ihr standen schon mehr als zehn Müllbeutel voll mit unnötigem Papierkram und sonstigen Material, welches sie alles später im Garten verbrennen wollte. Ans Umziehen hatte sie schon lange nicht mehr geglaubt. Es war schon nicht leicht gewesen, diese Bleibe hier zu finden. Und all die Jahre, die folgten, waren ebenso schwer gewesen. Aber sie hatte nie die Hoffnung auf eine positive Wendung aufgegeben. Sie war nun mal ein Stehaufmännchen. Engagiert in vielen kulturellen Bereichen und sozialen Organisationen, lernte sie so ihre neue Liebe kennen. Sie kannten sich noch nicht sehr lange, doch sie wusste, dass sie diesmal das große Los gezogen hatte. Er war wie sie, sanft und liebevoll. Und sie hatten so viel gemeinsam, dass es schon unglaublich zu sein schien, wie denselben Geschmack zur Kunst, zur Musik, dieselbe Lebensauffassung, die Liebe zu ihren Kindern, zur Natur, und die Leidenschaft für diesen Ort, für die sie sich beide jeder auf seine Weise einsetzten, aber mit demselben Ziel. Es war alles so schnell gegangen, zwischen ihrer ersten Begegnung, wo sie das erste und das einzige Mal in ihrem Leben wirklich der sogenannte Blitzschlag getroffen hatte, und darauf folgenden intensiven Austausch per Mail und Telefon, in denen sie feststellte, das sie beide füreinander geschaffen waren. Völlig unerwartet und spontan lud er sie ein, ihn auf eine kurze Promotionsreise seiner Umweltorganisation zu begleiten - es war romantisch wie im Film gewesen, bei Dinner mit Kerzenschein, leiser Musik, hat er ihr seine Liebe gestanden und mehr als bewiesen. Sie musste selig lächeln, als sie daran dachte - und beim letzten Date hatte er sie dann um ihre Hand gebeten. Nun bereitete sie ihren Umzug zu ihm vor - sie war glücklich, vielleicht das erste Mal in ihrem Leben, und sie wollte dieses Glück aus vollen Zügen genießen und vor allen Dingen es um alles in der Welt bewahren. Und doch, gab es da noch irgendetwas, dass sie belastete. Es schienen die Geister der Vergangenheit zu sein, die um sie kreisten und die immer noch versuchten, nach ihr zu greifen. Auch die Last der Angst bedrückte sie immer noch, dass alles wieder eine schlechte Wendung nehmen könnte, wie schon so oft in ihrem bisherigen Leben.
Sie rieb sich erneut den Schweiß von der Stirn, dann setze sie ihre Arbeit fort. Sie leerte einige Plastiktüten mit Büchern und Alben und sortierte sie dann sorgfältig in den Umzugskarton ein. Dabei stieß sie auf eins ihrer Tagebücher, sorgfältig versiegelt mit einem Catena. Sie wollte es in den Karton legen, doch dann zögerte sie. Sie nahm es in die Hand, und auf einmal durchzog sie ein Schauer, der ihr heiß und kalt den Rücken herauf und hinunter lief. Ihr fiel das Datum des Tagebuchs in den Blick. Sie spürte einen starken Stich in ihrer Herzgegend. Das war wohl eine der härtesten Etappen in ihrem bisherigen Leben, die sie hier in diesem kleinen Büchlein aufgeschrieben hatte. Dieses Büchlein war der einzige, aber auch wirklich einzige Zeuge vom Erlebten. Sie hatte sich niemanden anderen anvertrauen können. Sie überlegte, es in die Müllbeutel zum Verbrennen zu verfrachten. Doch könnte sie dadurch auch ihre Erinnerungen verbrennen, die so tief in ihrem Innersten versteckte hielt? Sicherlich nicht. Sie war sich klar bewusst, dass sie all das Geschehen dieser Jahre verdrängt hatte. Konnte sie denn ein neues Leben beginnen, so wie es jetzt vor ihr lag, ohne mit diesen Geschehnissen abgeschlossen zu haben? Zweifel stiegen in ihr auf. Zögernd und mit zittrigen Händen schloss sie das kleine Catena auf und begann in den Seiten ihres Tagebuches zu blättern. Sie begann die Zeilen zu überfliegen. „Oh, das war genau heute vor 15 Jahren. “Es steht fest, ich wandere aus, lasse alles hinter mir, ich habe einen Job auf Korsika gefunden, morgen startet der Flieger in ein neues Leben - alle halten mich für verrückt, aber es ist mir egal, nach Papas Tod hält mich hier nichts mehr, meine Kollegen schauten mich alle neidisch an, als ich ihnen ankündigte, das ich meinen Job an den Nagel hänge und in die Sonne umziehe. Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie die Erinnerungen wegfegen, doch sie las weiter. Drei Monate später: Der Job lief gut, war aber sehr anstrengend, die Gäste des Feriendorfes sind penibel, drei Monate harte Arbeit, von morgens um acht bis abends um acht, mit nur einer kleinen Mittagspause, ich bin k.o. Habe Ferien notwendig. Man hat mir einen Bungalow zur Verfügung gestellt, aber nur bis Ende September, zurück will ich auf keinen Fall, suche dringend nach einer anderen Bleibe und einem Jahresjob!!!Sie seufzte tief, möchte das Diary beiseite in die Kiste legen, doch dann atmet sie tief durch und beschließt, weiter zu lesen. Alle diese Jahre hatte sie versucht zu verdrängen, hier in diesem kleinen Büchlein, versteckt im hintersten Ende ihres Dachbodens, so wie sie diese Erinnerungen im tiefsten Inneren ihres Seins verborgen hielt. Doch ab und zu kamen sie hoch, in ihren Albträumen, manchmal sogar am helllichten Tage, stürzten die Bilder des Schreckens über sie ein. Sie bemühte, sich jedoch immer wieder Kontrolle zu bewahren, vor allen Dingen vor ihren Kindern. So las sie also weiter.
Ende September: Gestern war ich mit einigen Bekannten in der neuen Disko, ich habe da einen tollen Typen kennengelernt. Er machte mir galant den Hof, er ist großzügig, braungebrannt, feurig und leidenschaftlich, der perfekte Latinlover, steh‘ ja eigentlich nicht auf solche Typen, aber bei ihm hat es einfach gefunkt. Er hat mich zu sich eingeladen – und ich bin stolz die vielen anderen Rivalinnen ausgestochen zu haben. Ich genieße total dieses Abenteuer und ich glaube, endlich den Richtigen fürs Leben gefunden zu haben.
Eine Woche später: Ich bin völlig hin und weg, wir haben eine Woche bei ihm verbracht, und das war wohl die aufregendste Zeit meines Lebens, er hat mich gebeten bei ihm einzuziehen, er hat ein kleines Häuschen in einem Dorf im Nordosten – ich bin im siebten Himmel, er hat sogar schon von Heirat gesprochen… und Familienplanung… Sie wischte sich wieder den Schweiß von der Stirn und blättert weiter. Sie überschlägt einige überkritzelte Seiten, faltet einige zerknitterten Seiten wieder glatt und liest weiter.
Einige Monate später: Himmel hoch jauchzend zu Tode betrübt - ich könnte Tag ein Tag aus heulen, es ging so gut mit ihm, dann auf einmal hat er sich verändert - es fing auf einmal an mich wegen jeder Kleinigkeit zu schikanieren, er wollte, dass ich ihm eine perfekte Hausputze bin, ich habe festgestellt, dass er ein krankhafter Sauberkeitsfanatiker ist. Er bestand darauf, dass ich arbeiten gehe. Er schickt mich zu seinen unzähligen Verwandten, um denen im Haushalt zu helfen, und während ich schuften gehe, hängt er in den Bars rum und hat sogar schon einige Barmaids mitgebracht, gestern als ich zurückkam, hatte er zwei halbnackte Weibsbilder auf dem Sofa, und seine Hände in ihren tief dekolletierten Ausschnitten. Ich bin zu Tode betrübt, fühle mich betrogen und gekränkt, wie konnte ich nur so blind vor Verliebtheit sein? Ich will ihn verlassen, sobald ich eine neue Bleibe und einen Job gefunden habe.
Sie schluckte einen großen Kloß herunter, der ihr ihre Kehle zu zuschnüren schien.
Eine weitere Woche später: Ich glaube es nicht, ich bin schwanger!!!
1. bis 3. Monat: Er beschuldigt mich, ich hatte sich das Kind mit einem anderen aus dem Dorf gemacht, er wurde handgreiflich, stieß mich unsanft zu Boden auf den Kachelfußboden, bin zum Glück auf die Seite gefallen, habe aber Schmerzen in der Hüfte. Ich schrie ihn an, dass er keinerlei Respekt vor seinem zukünftigen Kind habe, er antwortete, es sei ihm völlig egal, welches Scheißbalg da auf die Welt kommen würde. Ich fühlte mich allein und ausgestoßen, ohne Kraft mich auf Wohnungssuche zu machen.
4. bis 7. Monat: Er hat mich ins Nebenzimmer verfrachtet, lässt mich auf dem alten Sofa schlafen, da er alle zwei Nächte eine Frau mit ins Haus bringt. Er schreit mich oft an, und sogar wenn wir in der Öffentlichkeit sind, hört er nicht auf mich zu schikanieren. Ich habe den Eindruck, alle Augen sind auf mich gerichtet, und man lacht über mich. Ich weiß, dass die Dorfbewohner sich über sie lustig machen: ich höre sie unter sich in ihrer Muttersprache reden, „Schau mal, da hat er sich wieder eine dieser naiven Ausländerinnen angelacht, die muss wirklich dumm sein, dass sie nicht begriffen hat, dass er die Frauen nur fürs Bett und für den Haushalt will, erstaunlich dass er die solange duldet! Die anderen setzt er normalerweise nach einer Woche raus, er wird sie doch nicht geschwängert haben, dann würde ein Touristenbastard geboren werden, “ - mir bleibt fast das Herz vor Seelenschmerz stehen. Ich leide oft unter Palpitationen in letzter Zeit, Schwindel und Beklemmungen, und Rückenschmerzen, ich weiß, es sind psychosomatische Beschwerden… Er findet immer noch Staub auf den Möbeln, schmieren an den Fenstern usw.. Er gibt mir regelmäßig Fußtritte, Faustschläge in den Rücken, stößt mich zu Boden, Ich begab mich ins Bad, wollte duschen. Da kam er wieder an, drehte mir das Wasser ab, mit der Bemerkung ich käme ihm zu teurer, wenn ich ständig Wasser laufen ließ. Wenn ich esse, ich habe im Moment einen riesigen Appetit und schon fast 15 kg zugenommen, hört er nicht mehr auf mich zu kritisieren, er nennt mich eine fette trächtige Sau. Mir fällt es immer schwerer, den Haushalt zu führen. Er ist nie zufrieden, wenn ihm ihr essen nicht schmeckt, reißt er die Tischdecke mit den Tellern runter und zwingt mich alles aufzusammeln und zu fegen. Er wird immer gemeingefährlicher, er greift mich ständig an, weil ich für ihn den Haushalt mehr genug erledigte. Er hat mich wieder unsanft zu Boden gestoßen. Ich bin so stark auf den Bauch gefallen, dass ich Angst um mein Baby habe, ich fing laut an zu schreien und zu weinen, er trat mir ins Gesicht, und drohte mir mich umzubringen, wenn ich nicht auf höre so hysterisch zu schreien und zu flennen, wie er es nannte. Ich fürchtete um mein Baby, bin im fünften Monat, habe starke Krämpfe wie Vorwehen, ich umfasse meinen Bauch, spürte krampfartige Bewegungen, starkes Strampeln meines Babys, nervöse Zuckungen und Schluckauf, es hat Schluckauf, wahrscheinlich wegen des Stresses, ich halte sanft meinen Bauch umschlungen, versuchte es zu beruhigen durch mein Streicheln, summte in mich hinein, doch ich erhalte nur starke schmerzvolle Tritte in die Bauchdecke als Antwort. Also jetzt von außen und von innen. Bin frustriert, muss ständig weinen. Ich wünschte mir beinahe, alles wurde aufhören, hier und jetzt und es wäre besser, dass es nie geboren würde, doch schnell verschlage ich mir wieder diesen Gedanken. Er lässt von mir ab, als es an der Tür klopft. Es ist sein Onkel, er machte sich einen Weg zu mir ins Zimmer frei, obwohl er sich dazwischen stellt, angesichts meines Zustandes, entschließt er den Notarzt anzurufen. Er sagt seinem Onkel, ich sei gestürzt. Sein Onkel fragt mich, ob es wahr sei. Ich nicke, da ich bemerke, wie er mit den Zähnen knirscht, und hinter ihm die Fäuste in meine Richtung ballt, ich zittere vor Angst. Die Ambulanz kommt und bringt mich in die Klinik zur Untersuchung, es wird festgestellt, dass es meinem Baby gut geht, mir werden keinerlei Fragen gestellt, nur,“ sie sind gestürzt?“ Und ich bejahe… man verschreibt mir Vorwehen Blocker und sagt mir, dass ich mich schonen müsste; doch das ist keine Frage, er bedroht mich weiter und wieder, wenn ich nicht korrekt seinen Haushalt führe. Er sagt, er will mich vor die Tür zu setzen, schwanger oder nicht - er hat viele meiner Habseligkeiten vor die Tür auf die Terrasse geworfen, und lässt mich nicht mehr rein - zwei Nächte schlafe ich schon in meinem Auto, sehr unbequem und kalt. Habe Hunger und Durst, mir ist schwindlig, mein Baby strampelt und stößt ungehalten, habe fast fünf Kilo verloren. Die Nachbarn kichern hinter ihren Fenstern.
7. bis 9. Monat: Er hat mich wieder rein gelassen, aber schreit nun Tag ein Tag aus, wirft mir weiter alle Gemeinheiten an den Kopf, diskriminiert mich mit rassistischen Parolen, schlägt mit Gegenständen auf mich ein, aber nie stark genug, um Zeichen zu hinterlassen, ich kann nicht mehr, ich halte das nicht mehr aus!!!! Will versuchen mich bei der nächsten Untersuchung meinem Arzt anvertrauen. Er hat mich an eine SosFrauenNottstelle weiter geleitet. Hatte gestern Rendezvous: Dort hat man mich auf unverständliche Art abgewiesen, mit der Bemerkung, wenn ich meinem Mann keine gute Hausfrau sei, sollte ich nicht verwundert sein, dass er handgreiflich wird. Ich kann das nicht fassen. In was für eine Gesellschaft bin ich da hineingeraten? Ich nehme das Leben nur noch wie durch einen grauen Schleier aus depressiven Zuständen und Negligation wahr, aber ich liebe mein ungeborenes Kind, ich halte mich an ihm fest, und es gibt mir die Kraft, durchzuhalten.
9. Monat und Geburt: Am frühen Morgen fangen starke Wehen an, ich beschließe, selber in die Klinik zu fahren, da er keinerlei Anstalten macht die Ambulanz anzurufen, er hat mir sogar das Telefon versteckt. Alles geht ziemlich schnell… Mein Sohn ist geboren, er ist gesund und munter und wunderschön, er sieht überhaupt nicht seinem Vater ähnlich, hoffe auch, dass er nicht seinen Charakter geerbt hat. Er ist nicht einmal gekommen, um ihn zu sehen, will ihn auch nicht anerkennen. Noch in der Klinik kommt eine Sozialarbeiterin vorbei, die mir den Kindergeldantrag unterschreiben lässt. Ich frage sie danach, einen Antrag auf eine Sozialwohnung zu stellen, sie lässt mich die notwendigen Papiere ausfüllen.
Sie überfliegt einige Seiten, liest nur kurze Ausschnitte.
1 bis 3 Monate: Mein Söhnchen schläft fast keine Nacht durch, er weint und schreit und schreit, der Kinderarzt sagt mir, es sind die Dreimonatskoliken, ich habe angefangen, die Brust zu geben, aber ich leide unter Milch Blockade, seelisch bedingt? Wir haben immer noch keine Bleibe gefunden, sie Sozialstellen sagen mir immer dasselbe, man muss warten. Er ist aggressiv wie immer, verträgt weder Lärm, noch die Nähe seines Sohnes. Wir sind beide endgültig ins Nebenzimmer umgezogen.
1 Jahr: Und wieder hat er ersucht mein Söhnchen zu verprügeln, weil er einen Zweig vom Rhododendron abgebrochen hat - ich ging dazwischen und er schlug mir dem Holzstab der Harke auf den Arm, habe ein riesiges Hämatom – sein Onkel kam vorbei, um den Kleinen zu sehen, fragte mich nach dem Hämatom, er antwortete wie immer an meiner Stelle, sie ist gestürzt, und ich bejahe, da er mich bedroht, wenn ich etwas durchsickern lasse, bin ich tot und das Balg auch, wie er sagt.
2. Jahr: Heute hat er meinen Kleinen bei den Haaren gepackt und wollte ihn gegen die Wand schlagen, weil er sein Obstsaftglas umgeworfen hat und es auf dem Boden zerbrach - wir verbarrikadieren uns im Kinderzimmer und er versucht die Tür einzuschlagen.
3. Jahr: Mein Söhnchen hat seine arge Trotzphase, er steht in seinem Bett auf und schlägt mit dem Kopf gegen die Stäbe, wenn er was will und es nicht haben kann, auch auf dem Boden macht er das, und auch gegen die Wände - war beim Kinderarzt, er wird auf alle möglichen Krankheiten untersucht.
4. Jahr: Mein Söhnchen will immer noch nicht von seiner Windel lassen, er hält sich daran fest, als sei sie lebensnotwendig für ihn - der Kinderphsy, den wir seit einem halben Jahr frequentieren, sagt, er muss selbst davon abkommen, wenn man ihn zwingt, würde das nichts nützten - Er hat mich erneut gezwungen, mit ihm zu schlafen.-
Einige Monate später: Ich bin erneut schwanger.
9 Monate vergehen ohne große Zwischenfälle, er raucht viel, arbeitet fast von morgens bis abends im Garten. Lässt mich in Ruhe. Mein zweites Baby ist ruhig im Bauch, leichtes hüpften und Zupfen ansonsten, sehr zen - große Überraschung, es sind Zwillinge, mein zweiter Sohn und meine Tochter sind geboren worden, beide sind gesund und hübsch wie Engelchen, so wie ihr Bruder – beide schlafen von Anfang an durch, nuckeln und schlafen viel und sind ruhig und sanft. Sein Bruder nimmt sie mit gemischten Gefühlen auf und lässt nun endlich von seiner Windel ab. Mit seiner Schwester geht er sanft um, aber ich erwische mein Söhnchen, wie er sein Brüderchen kratzen will - er hat seinen Bruder in den Arm gebissen - er haut auf seinen Bruder ein - er schubst seinen Bruder ständig - er gibt ihm Fußtritte - er zieht in an den Haaren – er hat ihn so geschubst, das er mit dem Kopf gegen die Mauer Seite gefallen ist und ein Loch im Kopf hat – schnell in der Notaufnahme, die Wunde wird genäht - sein Vater schlägt ihn dafür – der einzige Kontakt zwischen den beiden; Schläge, Schreie, Anklagen. Seinen zweiten Sohn beachtet er überhaupt nicht -
5. Jahr: Mein Erstgeborener kommt in die Vorschule, großes Problem, er will kein Wort sprechen, die Lehrkräfte halten ihn für autistisch und beantragen Untersuchungen, um ihn eventuell in eine Sonderschule umzuschulen – doch die Diagnose lautet gesund, alles in Ordnung, es sei der Charakter – sie schicken mich erneut mit ihm zum Psy, der macht erstmals Nachforschungen im familiären Bereich, ich muss es raus lassen, das sein Vater sehr aggressiv ist und wir seit Jahren als getrenntes Paar zwangsmäßig unter demselben Dach leben.
7. Jahr: Habe einen Job gefunden - wir ziehen aus - ich wage es noch gar nicht zu glauben! Wir haben eine neue Bleibe gefunden… Endlich frei.
Sie atmetet tief durch, Tränen standen ihr in den Augen, die sie sich verärgert wegwischte.
„Warum habe ich mir das alles gefallen lassen wie ein hilfloses Schmetterlingen gefangen im Netz der schwarzen Spinne, er stach mir nur so viel Gift ein, um mich zu betäuben, um mich dann erneut anzugreifen…“
Sie schlägt das Diary zu, schließt das Catena ab, und legt das Buch in den Karton und viele weitere andre Sachen darauf.
Von der Einfahrt her hört sie ein Hupen. Sie reibt sich die eingeschlafenen Füße und läuft ans Fenster. Dorf entdeckt sie den Geländewagen ihres Schatzes. Sie eilt zu ihm hinunter und fällt ihm tränen überlaufen in die Arme. Er umarmt sie innig schaut sie aber besorgt an, „Was ist los mit dir, du machst einen so vergrämten Eindruck? Du weinst?“ - Sie schüttelt den Kopf, wischt sich die bleibenden Tränen weg und küsst ihren Schatz innig. „Es geht schon, alles ist in Ordnung, ich hatte nur eine kleine Begegnung mit der Vergangenheit, alte Fotos, und Aufzeichnungen, die ich beim Aufräumen gefunden habe, aber wie sagte doch mein Papa immer, bei Sorgen, die einem belasten „Lass fahren dahin“, und genau das tue ich jetzt, und es geht mir besser und gut und ich bin bereit, mit dir einen neuen Anfang zu machen, o mio carucciu…“- er schaut ihr tief in die Augen. „Wie haben deine Kinder die Neuigkeit aufgenommen?“ - „Ganz gut, glaube ich, das einzige was sie ein wenig stört, ist dass sie wieder die Schule wechseln müssen, ansonsten, sind sie zufrieden. Für sie ist es ja etwas ganz neues, ihre Mama glücklich in den Armen eines liebenswertes Mannes zu sehen, das haben sie ja nie von ihrem Vater kennengelernt.“ - „Dann wird es aber endlich Zeit, dass wir ihnen endlich ein harmonisches Familienleben vorleben.“- Sie nickte und schmiegte sich fest an ihn. So blieben sie noch eine Weile eng umschlungen stehen. Anschließend begannen sie die ersten Umzugskartons einzuladen.
Gerade als sie den Kofferraum verschlossen hatte und vorne neben ihm Platz nahm, erhielt er einen Anruf. Sie bemerkte sofort, dass er sehr besorgt wirkte. Er stieg aus und diskutierte mit lauter sehr angestrengter Stimme mit seinem Gegenüber und schaute dabei jedes Mal zu ihr hinüber, als wollte er nicht, dass sie ihm zuhörte. Als er aufgelegt hatte, ließ er sich schweratmend in den Sitz fallen. Sie fragte ihn beunruhigt, „Was ist denn los? Du siehst aus, als hättest du keine guten Nachrichten erhalten.“ - Er schaute zu ihr herüber, vermied aber, ihr in die Augen zu sehen. „Es tut mir leid, aber es gibt eine Planänderung, ihr, bzw. wir können nicht in das versprochene Haus einziehen, es gibt da ein schwerwiegendes Problem, mit der Stabilität des Bodens, der hat sich in der Mitte gespalten, anscheinend nach dem letzten kleinen Erdbeben, die Hauptpilone aus Holz sind teilweise eingesackt, also Lebensgefahr, aber ich habe eine Lösung gefunden, ein Freund von mir vermietet ein Zweizimmer-Apartment an der Ebene, da bringe ich dich jetzt hin, und deine Sachen werden dort auch hingebracht, also alles in Ordnung, mit deinen Tieren geht es auch, im Garten ist ein Zwinger für die beiden Hunde und die Katzen können frei herumspazieren. Sie wirkte schockiert. „Du sagtest, ein Zwei Raumapartement, ist das nicht ein wenig eng für uns fünf?“ - Er räusperte sich und hustete ein paarmal. „Für euch vier wird es reichen, es gibt da auch einen Mezzanine, ich bleib dann erst mal bei mir.“ - Er schaute starr nach draußen. Sie wurde bleich.“Das heißt, wir ziehen nicht zusammen, kein neuer Anfang, so wie du es mir versprochen hast?“ - Die letzten Worte wurden immer leiser und gingen in einem unterdrückten Schluchzen unter. „Es tut mir leid, erst mal nicht, aber sobald ich etwas gefunden habe, gebe ich dir bescheid, und nun lass uns fahren, schnall dich bitte an.“- Sie schien alles wieder nur im Nebel wahrzunehmen, und fragte sich, ob sie in einem Alptraum mit Endlosschleife gefangen war.
Nachdem er sie in der neuen Bleibe abgesetzt hatte, verlor sie den Kontakt mit ihm komplett. Nur ab und zu eine Message per Sms, das schien es gewesen zu sein. Sie verstand die Welt nicht mehr.
Texte: Miluna Tuani
Cover:
Tag der Veröffentlichung: 04.06.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
allen Sisyphosen dieser Welt