Statistisch gesehen verkaufen die meisten Sterblichen ihre Seele aus fünf Gründe: Sex, Geld, Macht, Rache und Liebe. In dieser Reihenfolge.
So gesehen hätte es mich dann vermutlich beruhigen sollen.
Dass ich hier draußen bei Numero uno
aushelfen sollte, aber ich kam mir trotzdem ein wenig...nun ja, schmutzig vor. Und wenn ich etwas sage, will das was schon heißen.
Vielleicht kann ich es nicht mehr so richtig nachvollziehen. Es ist schon allzu lange her. Als ich Jungfrau war, glaubten die Menschen noch daran, dass Schwäne Mädchen schwängern können.
Hugh neben mir wartete geduldig darauf , dass ich meine Zurückhaltung überwand. Er hatte die Hände in die Taschen seiner gut gebügelten Stoffhose geschoben und sich mit seinem langen Köper an denn Lexus gelehnt. >>Was soll denn da so besonders dran sein? Das machst du doch sowieso ständig!<<
Was genau stimmte, aber wir wusste beide, was er meinte. Ich beachtete ihn nicht weiter, sondern musterte betont sorgfältig meine Umgebung. Nicht, dass das meine Laune beträchtlich gesteigert hätte. Vorstädte deprimierten mich immer. Identische Häuser. Perfekte Rasenflächen. Viel zu viele Geländewagen. Irgendwo wollte ein Köter in dieser Nacht einfach nicht zu kläffen aufhören.
>>So was mach ich nicht ständig<<, erklärte ich schließlich. >>selbst ich habe gewisse Ansprüche.<<
Hugh schnaubte, um seine Ansicht über meine Ansprüche kundzutun. >>Na gut, na gut, wenn du dich damit besser fühlst, dann betrachte es eben nicht unter dem Aspekt der Verdammnis. Sieh es einfach...sagen wir...als ein Fall von christlicher Nächstenliebe.<< >>Christlicher Nächstenliebe?<<
>>Natürlich.<<
Er holte seinen Pocket-Pc heraus und wirkte auf einmal trotz überrascht gewesen wäre. Hugh war ein professioneller Kobold, ein Meister in der Kunst, Sterbliche zum Verkauf ihrer Seele zu überreden, ein Experte in Verträgen und legalen Schlupflöchern, bei denen jeder Anwalt vor Neid erblasst wäre. Er war auch mein Freund. Was der Redensart >>Bei solchen Freund brauchst du keine Feinde<< in gewisser Hinsicht eine Völlig neue Bedeutung verlieh.
>>Hör dir das doch mal an<<, fuhr er fort. >>Martin Miller. Männlich, natürlich. Weißer. Nicht praktizierender Lutheraner. Arbeitet in einem Geschäft für Computerspiele im Einkaufszentrum. Lebt hier im Souterrain...im Haus seiner Eltern.<<
>>Mein Gott!<<
>>Hab´s dir gesagt.<<
>>Nächstenliebe oder nicht, das kommt mir alles so...extrem vor. Wie alt ist er gleich?<<
>>Vierunddreißig.<<
>>Aua.<<
>>Genau. Wenn du so alt wärst und noch nie einen gehabt hättest, würdest du vielleicht auch zu verzweifelten Maßnahmen greifen.<< Er warf einen Blick auf seine Uhr. >>Also, tust du das jetzt oder nicht?<<
Zweifelsohne hielt ich Hugh von einer Verabredung mit irgendeiner heiße Dame ab, die halb so alt war wie er - womit ich natürlich meine, halb so alt, wie er aussah. In Wirklichkeit ging er auf die hundert zu. Ich setzte meine Tasche ab und warf ihm einen warnenden Blick zu >>Dafür bist du mir was schuldig.<<
>>Ja ja<<, gab er zu.
Das waren schließlich nicht meine üblichen Engagements, wofür ich der Göttin heiß und innig dankte. der Kobold vergab solche Sachen normalerweise >>außer Haus<<, aber heute Nacht hatte es wohl Terminprobleme gegeben. Ich konnte mir nicht vorstellen, wer das sonst für ihn erledigte.
Ich wollte zum Haus gehen, aber er hielt mich zurück.
>>Emy?<<
>>ja?<<
>>Da ist...noch was...<<
Ich drehte mich um, weil mir sein Tonfall ganz und gar nicht gefiel >>Jaaa?<<
>>Er, äh, hat mit was Spezielles bestellt.<<
Ich wartete mit hochgezogenen Braunen.
>>Siehst du, äh, er fährt voll auf diese Sache mit dem Böse ab. Weißt du, wenn er seine Seele schon dem Teufel verkauft - sozusagen, jedenfalls -, dann sollte er seine Jungfräulichkeit auch an, ich weiß nicht so recht, eine Dämonin oder so was in der Preisklasse verlieren.<<
Ich schwöre, dass selbst der Köter bei diesen Worten zu kläffen aufhörte. >>Das soll doch wohl´n Witz sein?<<
Hugh reagierte nicht.
>>Komm schon, Amy. Ist doch nichts dabei! Kleines Sahnehäubchen. Rauchen und Spiegel. Bitte! Tu´s für mich, ja?>> Nun stehen. Wie gesagt, er wat echt gut in seinem Job. >>Ich stecke wirklich in der Klemme...Wenn du mir hier aushelfen kannst...Es würde so viel bedeuten...<< Ich stöhnte. Bei dem bemitleidenswerten Ausdruck auf seine breiten Gsicht konnte ich ihm einfach nichts abschlagen. >>Wenn irgendjemand etwas davon erfährt...<<
>>Meine Lippen sind versiegelt!<< Er besaß tatsächlich die Dreistigkeit, eine entsprechende Handbewegung zu vollführen. Resigniert beugte ich mich herab und löste die Riemchen an meinen Schuhen.
>>Was tust du da?<<, fragte er.
>>Das sind meine Lieblingsschuhe, Bruno Maglis. Sie sollen nicht absorbiert werden, wenn ich dir Gestalt wechsele.<<
>>Ja, aber...kannst du sie nicht wieder zurückverwandeln?<<
>>Das wäre nicht dasselbe.<<
>>Doch. Du kannst alles daraus machen, was du willst. Das ist schlicht bescheuert.<<
>>Sieh mal<<, sagte ich zu ihm, >>soll ich hier draußen mit dir über meine Schuhe debattieren, oder soll ich aus deiner Jungfrau einen Mann machen?Was ist dir lieber?<<
Hugh presste die Lippen aufeinander und machte eine winkende Geste in Richtung Haus.
Ich stapfte über das Gras davon, es kitzelte an meinen bloßen Füßen. Die hintere Terrassentür, die ins Souterrain führte, stand offen, wie Hugh es versprochen hatte. Ich betrat das schlafende Haus und hoffte, dass sie hier keinen Hund hatten. Niedergeschlagen überlegte ich, wie ich nur auf diesem Tiefpunkt meiner Existenz angelangten konnte. Nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich bald die Einzelheiten eines gemütlichen Mittelklasse-Wohnzimmers: Sofa, Fernseher,Bücherregal.Eine Treppe führte nach links weg und ein Flur nach rechts.
Ich wandte mich zum Flur und veränderte im Gehen mein Erscheinungsbild. Das Gefühl war so vertraut, so zur zweiten Natur geworden, dass ich mein Äußeres nicht einmal sehen musste, um zu wissen, was geschah. Meine zierliche Gestalt wurde größer, der schlanke Körperbau blieb, nahm jedoch eine härtere Note an. Meine Haut wurde blasser, bis sie Totenbleich war und keine Spur der üblichen leichten Bräune mehr aufwies. Das Haar, das mir bereits bis weit auf denn Rücken hinabreichte, behielt seine Länge, dunkelte jedoch zu einem Pechschwarz, und die leichten Wellen glätteten sich. Meine Brüste - sowieso schon recht beeindruckend - schwollen noch mehr an und konnten jetzt mit jenen von Comic - Heldinnen, mit denen dieser Knabe zweifelsohne groß geworden war, locker mithalten.
Und mein Outfit... na ja, die süße Bluse nebst kurzer Hosen war futsch. Hohe schwarze Lederstiefel tauchten an meine Beinen auf, dazu ein passendes Top sowie ein Rock, mit dem ich mich nie hätte bücken können. Stachelige Flügel, Hörner sowie eine Peitsche vervollständigte die Ausstattung.
>>Meine Güte!<<, brummelte ich, als ich meine Erscheinungsbild zufällig in einem kleinen Spiegel an der Wand wahrnahm. Ich hoffte, dass keine der hiesigen Dämoninnen je etwas davon erführe. Sie waren echt stinkvornehm.
Ich wandte mich von dem höhnischen Bild im Spiegel ab und ging durch den Flur zu einer geschlossenen Tür, an der ein gelbes Schild mit der Aufschrift >>Vorsicht, Bauarbeiten!<< hing. Ich glaubte, schwach das Piepen eines Videospiel zu vernehmen, obwohl die Geräusche sofort verstummten, als ich anklopfte.
Einen Augenblick später wurde die Tür geöffnet, und ich stand einem Typen von etwa eins siebzig gegenüber, mit mit schulterlangem schmutzig blondem Haar, das sich an der Stirn schon rapide lichtete. Eine mächtige behaarte Wampe lugte unter seinem Homer-Simpson-T-Shirt hervor,und in einer Hand hielt er eine Tüte Kartoffelchips.
Bei meinem Anblick ließ er die Tüte zu Boden fallen.
>>Martin Miller?<<
>>J-ja<<, brachte er keuchend heraus.
Ich ließ die Peitsche knallen. >>Bist du bereit für ein Spiel mit mir?<<
Exakt sechs Minuten später verließ ich die millersche Wohnung Vierunddreißig Lebensjahre sagen über das Stehvermögen anscheinend nicht sonderlich viel aus.
>>Mann, das ging aber wie bei der Feuerwehr!<<, bemerkte Hugh, als er mich über die Einfahrt kommen sah. Er lehnte wieder am Auto und rauchte.
>>Allerdings. Hast du noch eine?<<
Er grinste, reichte mir seine Zigarette und musterte mich noch mal von oben bis unten. >>Wärst du eingeschnappt, wenn ich dir sage, dass mich die Flügel so richtig anmachen?<<<
Ich nahm die Zigarette entgegen, inhalierte und musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. Ein rascher, prüfender Blick versicherte mir, dass sonst niemand in der Gegend war, und ich verwandelte mich wieder in meine übliche Gestalt.
>>Du bist mir verdammt was schuldig!<<, erinnerte ich ihn, als ich die Schuhe wieder anzog.
>>Weiß ich. Natürlich könnte man auch der Ansicht sein, dass du mir was schuldig bist. Du hast´n ordentlichen Kick gekriegt.
Besser als das übliche Zeugs.<<
Das konnte ich nicht leugnen, aber mir war dabei auch nicht allzu wohl in meiner Haut. Armer Martin! Versager hin oder her, seine Seele der ewigen Verdammnis auszuliefern, war ein höllischer Preis für sechs Minuten.
>>Möchtest du was trinken gehen?<<, fragte Hugh.
>>Nein, zu spät. Ich geh nach Hause. Muss ein Buch lesen.<<
>>Ah, natürlich. Wann ist der große Tag?<<
>>Morgen!<<, verkündete ich.
Der Kobold kicherte über meine Heldenverehrung. >>Er schreibt bloß Mainstream! Wahrlich kein Nietzsche oder Thoreau.<< >>He, man muss nicht surreal oder transzendental sein, um ein großer Autor zu sein. Ich sollte das wissen; ich habe über die Jahre ein paar davon kennengelernt.<< Hugh grunzte und verneigte sich angesichts meines gebieterischen Auftretens spöttisch vor mir. >>Fern sei es mir, einer Dame Ihres Alters zu widerspreche.<< Ich gab ihm ein rasches Küsschen auf die Wange und ging dann die beiden Blocks hinab, wo ich meinen Wagen geparkt hatte. Ich schloss ihn gerade auf, da spürte ich es: Das kitzelnde Gefühl von Wärme, das auf einen anderen Unsterblichen in der Nähe hindeutete. Vampir, dachte ich nur eine Millisekunde lang, bevor er neben mir auftauchte. Verdamm, waren die schnell! >>Georgina, meine Schöne, meine süßer Sukkubus, meine entzückende Göttin!<<, deklamierte er und legte sich dabei dramatisch die Hand aufs Herz. Na super! Genau das, was ich brauchte. Duane war sehr wahrscheinlich der widerlichste Unsterbliche, der mir je über den Weg gelaufen war. Er rassierte sich das blonde Haar kurz und bewies wie üblich seine entsetzlichen Geschmack sowohl bei der Kleidung als auch bei Deodorant. >>Verschwinde, Duane! Ich habe dir nichts zu sagen.<< >>Oh, nun komm schon<<, gurrte er, und seine Hand schoss an mir vorbei, um die Tür festzuhalten, die ich gerade öffnen wollte. >>Selbst du kannst diesmal nicht einen auf schüchtern machen. Sieh dich doch an! Du glühst ja frömlich. Gut gejagt, hm?<< Bei der Erwähnung von Martins Lebensernergie blickte ich finster drein, da ich wusste, dass sie mich umgab. Beharrlich versuchte ich, meine Tür gegen Duanes Griff aufzuziehen. Vergebens. >>Er wird vier Tage lang hinüber sein, so wie du aussiehst<<, füge der Vampir hinzu, nachdem er mich genau in die Augenschein genommen hatte. >>Dennoch könnte ich mir vorstellen, dass der Besreffende den Ritt genossen hat - sowohl den auf dir als auch den zur Hölle.<< Er lächelte mich träge an und bleckte seine spitzen Zähne nur ein ganz klein wenig. >>Er muss dir ziemlich gutgetan haben, wenn du so heiß bist. was ist passiert? Ich dachte, du würdest nur den Abschaum der Erde ficken. Die richtigen Arschlöcher.<< >>Kurswechsel. Ich möchte dir allerdings keine falschen Hoffnungen machen.<< Er schüttelte anerkennend den Kopf. >>Oh. Georgina, du entäuschst mich nie - du und deine geistreichen Bemerkungen. Aber na ja, man trifft ja immer wieder auf Huren, die ihr losen Mundwerk einzusetzen wissen, ob während des Jobs oder hinterher.<< >>Lass los!<<, fauchte ich und riss heftiger an der Tür. >>Warum die Eile? Ich habe ein Recht zu erfahren, was ihr hier zu tun habt, du und der Kobold. Die Eastside ist mein Revier.<< >>Wor müssen uns wohl kaum nach deinen "Revierregeln" eichten und das weißt du.<< >>Dennoch verlangt es die allgemeine Höflichkeit, dass du, wenn du dich in der Nachbarschaft herumtreibst - in diesem Fall buchstäblich -, zumindest Hallo sagst. Übringens, wie kommt´s dass wir niemals einen draufmachen? Du bist mir ein paar schöne Stunden schuldig. Schließlich verbringst du genug Zeit mit diesen anderen Versagern.<< Die Versager, von denen er sprach, waren meine Freunde und die einzigen anständigen Vampire, die mir je begegnet waren. Die meisten Vampie - wie Duane - waren arrogant, ohne jegliche gesellschaftliche Umgangsformen und besessen von der Verteidigung ihres Teritoriums. Darin waren sie vielen sterblichen Männer, denen ich bislang begegnet war, übrigens gar nicht so unähnlich. >>Wen du mich nicht gehen lässt, wirst du eine völlig neue Definition von "Höflichkeit" kennenlernen.<< Na gut, das war eine bescheuerte, verlogene Pharse aus einem Actionfilm, aber es war das Beste, was mir so auf die Schnelle einfallen wollte. Ich ließ meine Worte so bedrohlich wie möglich klingen, aber es war nackte Tollkühnheit, und er wusste das. Sukkuben waren mit Charisma und der Fähigkeit zum Gestaltwechsel ausgestattet; Vampire waren superstark und superschnell. Was bedeutete, dass einer von uns besser auf Partys zurechtkam und der andere jemandem schon beim Händeschütteln das Handgelenk brechen konnte. >>Du willst mir Tatsächlich drohen?<< Er strich spielerisch mit einer Hand an meiner Wange entlang, sodass sich mir die Härchen im Nakcen aufrichteten - auf unangenehme Weise. Ich drehte und wand mich >>Bewundernswert. Und fast sogar erregend. Ich würde dich wirklich gern mal in der Offensive erleben. Vielleicht, wenn du dich wie ein braves Mädchen benimmst - au! Du kleines Miststück!<< Da seine Hände gerade beschäftig waren, hatte ich die Gelegenheit genutzt: Ein rascher Gestalwechsel, und scharfe, sechs Zentimeter lange Klauen erschienen an meiner rechte Hand, die ich ihm über die Wange zog. Wegen seiner überlegenen Reflexe kam ich mit dieser Getse nich allzu weit, aber er blutete, bevor ermich am Handgelenk packte und es gegen die Tür knallen konnte. >>Was soll das? Noch nicht offensiv genug für dich?<<, brachte ich trotz der Schmerzen heraus. Weitere miese Filmspürche. >>Süß, Georgina. Sehr süß. Sehen wir mal, wie süß du bist, wenn ich...<< Scheinwerfer leuchteten durch die Nacht, als ein Wagen um die Ecker des nächsten Block bog und auf uns zukam. In diesem Sekundenbruchteil erkannte ich die Unschlüssigkeitauf Duanes Gesicht. Der Fahrer würde unser Tête-à-Tête bestimmt bemerken. Während Duane leicht einen Sterblichen, der dazwischengehen wollte, töten könnte - Teufel, damit verdiente er sich den Lebensunterhalt -, sähe ein Mord in Verbindung mit der sexuellen Belästigung meiner Person bei unseren Cehfs gar nicht gut aus.
(Bald geht es weiter)
Texte: Unbekannt
Bildmaterialien: Google
Tag der Veröffentlichung: 01.10.2012
Alle Rechte vorbehalten
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An alle Leser.