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Cameron Kerr Band 1 - Der Cop aus der Hölle

Irgendwo auf dem Highway 60 im Bundesstaat Arizona

 

Der Regen trommelte monoton auf die Frontscheibe des Ford Mustang, der einsam um diese Uhrzeit den Highway 60 entlangfuhr, der mit seinen 4.300 km durch neun Bundesstaaten führt. Den Anfang nimmt er im Staat Arizona, um in Virginia Beach, einer bekannten Touristenstadt in der Region Hampton Roads im Bundesstaat Virginia, sein Ende zu finden. Schon seit Stunden war dem Fahrer kein anderer Wagen mehr entgegengekommen. Allein kämpfte er sich durch die Einöde der Prärie, die von beiden Seiten die asphaltierte Schlange, genannt Highway 60, flankierte.

Sein Ziel war die kleine, verschlafene Stadt Davis, die er am nächsten Tag erreichen würde.

Dean Morris, 34, hellblondes, kurzes Haar, saß am Steuer des Wagens und kämpfte mit seiner immer stärker werdenden Müdigkeit. Es war abzusehen, dass er diesen Kampf bald verlieren würde.

Auch der Song aus dem Radio brachte da kaum etwas, der laut erklang. Er mochte AC/DC und ihr Lied „Highway to Hell“, trotzdem half es ihm nicht beim Wachbleiben.

Fluchend drückte Dean den Ausschaltknopf des Gerätes, ihn nervte im Moment alles.

Allgegenwärtige Stille breitete sich im Fahrzeug aus. Außer dem Prasseln der Regentropfen auf der Karosserie und den Fensterscheiben vernahm Dean nichts.

Seine Augen brannten, mit dem Zeigefinger rieb er sich zuerst das rechte und danach das linke Auge. Kurzzeitige Linderung war der Erfolg. Wieder musste er gähnen, er war völlig fertig. Kein Wunder, ein harter Tag lag hinter ihm. Aufgrund seines Berufs als Versicherungsvertreter war sein Terminkalender randvoll, übervoll. Es lief also gut für ihn, denn Morris wurde nach Provision bezahlt – abgesehen davon, dass sein Privatleben de facto nicht mehr stattfand.

Von seiner Frau musste er sich, jedes Mal, wenn er von einer Tour heimkam und auch beim Aufbruch zu einer neuen, eine Standpauke anhören. Er sollte sich endlich einen anderen Job suchen, der ihn nicht quer durch die ganzen USA führte, doch dazu liebte Dean Morris seinen Beruf doch zu sehr. Bei kaum einem anderen wurde die Möglichkeit geboten, weite Teile des Landes zu bereisen.

Durch fast jeden der 50 Bundesstaaten war er schon gefahren oder geflogen, Dean Morris konnte bereits auf seinen Reisen für die Versicherungsfirma den Grand Canyon und die Niagarafälle bestaunen.

Zum wiederholten Male rieb Dean sich mit der linken Hand über seine Augen, die langsam zu tränen begannen. Es wurde Zeit, endlich ein Zimmer für die Nacht in einem Motel zu suchen. Vergeblich hatte er bis jetzt Ausschau nach einem der berühmten Neonlichter gehalten. Die zerknitterte Landkarte auf dem Beifahrersitz entpuppte sich als alt und damit nutzlos, alle bis jetzt darauf aufgelisteten Motels existierten nicht mehr oder waren Schnellimbissbuden gewichen.

Es lebe der Fortschritt!“, dachte Dean Morris sarkastisch bei sich. Nicht immer verbesserte dieser auch das Leben der Menschen.

Neben der Karte lag ein zerknüllter Kaffeebecher aus Pappe, den Dean sich vor drei Stunden an einer Tankstelle besorgt hatte, die genau so mies aussah, wie der Kaffee schmeckte. Ein widerliches Zeug. Wahrscheinlich der missglückte Versuch, aus Motoröl und Resten von Kaffeepulver etwas zu fabrizieren, das wie Kaffee aussah, nur nicht im Entferntesten danach schmeckte. Jetzt schüttelte es Morris noch, wenn er an den ersten Schluck zurückdachte. Einen zweiten gab es nicht, er kippte die eklige Brühe bei der Fahrt aus dem Fenster und fluchte wegen des umsonst ausgegebenen Geldes.

Die Scheibenwischer kämpften weiter tapfer gegen die Massen von Regenwasser an. Aber da es schien, als ob der Himmel alle Schleusen geöffnet hätte, war dies ein fast unmögliches Unterfangen, deshalb schrumpfte Deans Blickfeld immer mehr. Er bremste den Wagen langsam ab, gefühlvoll und dabei mit dem Bremspedal spielend. Die Straße verwandelte sich durch den Dauerregen in eine gefährliche Rutschbahn. Kurz kam der Wagen ins Schleudern, weil Morris zu stark auf die Bremse drückte.

Heiß fuhr ihm das Adrenalin durch die Adern. Sein Herz pochte bis zum Hals, aber er bekam den Mustang wieder in den Griff.

Mit der linken Hand wischte Dean Morris sich den Schweiß aus dem Gesicht, und um die Hand wieder trocken zu bekommen, benutze er sein Hemd. Langsam beruhigten sich sein Herzschlag und seine Atmung wieder. Ein tiefer Atemzug, der die Lungen mit Luft füllte, die er langsam wieder entweichen ließ. Mit dieser Technik schaffte er es, dass sein Puls sich normalisierte.

Ein Gutes hatte die Aktion gehabt: Dean war mit einem Schlag wieder putzmunter. Er nahm nun auch wieder das Trommeln wahr, das der Regen auf dem Wagendach erzeugte. So bei sich dachte er: „Shit, es wird Zeit, dass endlich ein beschissenes Motel auftaucht!

Auf einmal tauchte das Wageninnere in ein diffuses, rotes und blaues Licht. Das Innere des Wagens wurde mit Morris aus der Dunkelheit gerissen. Eine Sirene jaulte kurz auf, um danach wieder zu verstummen. Nur langsam verhallte ihr Echo in der Nacht. Morris sah in den Rückspiegel und bemerkte, dass hinter ihm ein Polizeiwagen fuhr, mit eingeschalteten Blaulichtern, die sich auf dem Wagendach des Polizeiautos drehten. Er lachte kurz in einem Anfall von Galgenhumor und murmelte: „Na, da brat mir doch einer einen Storch! Was will der Bulle jetzt von mir? Sind wohl die Donuts ausgegangen, dass der um diese Zeit und bei dem Wetter auf Kundenfang geht!“

Aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als rechts ran zu fahren. Er blinkte, fuhr langsam an die Seite, brachte den Wagen zum Stillstand, stellte den Motor ab und wartete.

Der Streifenwagen blieb in einiger Entfernung hinter dem Mustang stehen, noch immer drehten sich die Lichter auf dem Wagendach. Sonst passierte zunächst nichts, nur der Regen machte keine Pause.

Plötzlich flammte an der rechten Seite des Polizeiwagens ein Scheinwerfer auf. Da dies ohne Vorwarnung geschah, wurde auch Morris davon komplett überrascht, er schloss geblendet die Augen. Rote und gelbe Blitze tanzten auf seiner Netzhaut.

Er hörte nur am Rande, wie die Wagentür des anderen Wagens sich öffnete. Jemand stieg aus. Kurz danach war das Zuschnappen der Fahrertür zu hören. Schritte näherten sich dem Ford Mustang. Dean blinzelte und schaute über die linke Schulter, um etwas erkennen zu können, aber da der Scheinwerfer immer noch brannte, wandte sich Dean sofort wieder um. Der Cop hatte inzwischen den hinteren Bereich seines Wagens erreicht.

Ein Geräusch ließ Dean zusammenzucken – der Cop fuhr mit den Fingern über die Karosserie des Mustangs, es hörte sich an wie das Quietschen von Kreide auf einer Tafel.

Einen Moment später stand er an der Tür und klopfte dann an das Fenster.

Morris blickte durch das Wagenfenster, um endlich zu sehen, wie der Polizist aussah, doch durch den Regenschleier und das grelle Licht wurde dies unmöglich gemacht. Wieder klopfte es an das Fenster. Verschwommen war eine, in dunklen Handschuhen steckende Hand zu erahnen.

Das Klopfen klang nun ungeduldiger.

„Ja, ja, ist gut!“

Langsam glitt die Scheibe herunter. Feuchte, warme Luft drang in das Wageninnere und füllte dieses auch schnell aus. Eine kalt und unmenschlich klingende, keinen Widerspruch duldende Stimme drang an Deans Ohr.

„Aussteigen! An den Wagen stellen. Die Hände aufs Dach legen und die Beine auseinander!“

Bei Dean stellten sich alle Haare auf und ein kalter Schauer lief seinen Rücken entlang. Die Stimme klang wie aus einer Gruft, tief und schallend.

„Ähm, Mister, immer langsam mit den jungen Pferden. Was werfen Sie mir überhaupt vor?“

Ein Lachen erklang, aber kein sehr freundliches, nein, ein hämisches, wie es nur vom Teufel selbst herstammen konnte.

„Sie wollen wissen, was ich Ihnen zur Last lege?“, zischte der Cop.

Er trat nun den letzten Meter an den Wagen heran, der sie noch trennte. Beugte sich tiefer hinab, so dass sich ihre Blicke trafen.

Dean Morris lag schon ein dreister Spruch auf der Zunge, da er immer noch keine Antwort erhalten hatte. Dieser blieb ihm aber im Halse stecken, als er die schreckliche Fratze erblickte. Ein blanker Totenschädel schaute ihn an, auf dem die Mütze völlig deplatziert wirkte. In den Augenhöhlen glühte ein düsteres, dunkelrotes Licht, das immer stärker zu leuchten schien. Das Licht erreichte Deans Gesicht und färbte es blutrot.

Mit offenem Mund saß er in seinem Wagen, unfähig sich zu bewegen. Dean Morris klebte förmlich an seinem Sitz. Er zittere auf einmal am ganzen Leib, der Schreck war ihm in sämtliche Glieder gefahren. Ein Donnergrollen erfüllte die Landschaft.

Kaum war dessen Echo verklungen, schossen die Arme des teuflischen Cops vor und umfassten den Hals des bedauernswerten Morris mit Klauen. Eiseskälte strömte von ihnen aus, trotz der Handschuhe griff sie über auf Dean. Ihm wurde klar, dass der Tod seine Hände nach ihm ausstreckte.

„Was du verbrochen hast, du Hund, willst du wissen? Du lebst noch! Das hast du verbrochen, dies ist dein Vergehen! Und dies wird von mir immer mit dem Tod bestraft!“ Wieder lachte er widerlich und öffnete dabei sein Maul. Ein dunkles Loch wurde sichtbar, zumindest empfand Dean es als solches. Ein Loch, das ihn fressen würde, für immer verschlingen.

Mit unvorstellbarer Kraft wurde er aus dem Fahrzeug gerissen. Dean baumelte mit den Füßen eine Handbreit über dem Boden. Der Horror-Cop hielt ihn fest in seinem eisernen Griff und schüttelte Morris wild durch, sodass seine Gliedmaßen hin und her geschleudert wurden. Der Kopf wurde davon nicht verschont. Auch er wurde stark geschüttelt und pendelte hin und her.

„Kommen wir nun zur Vollstreckung des Urteils. Tod durch meine Hand!“ Der Unheimliche trat einige Schritte zurück.

Es schmatzte. Der Boden war mit Pfützen übersät, die immer mehr Nachschub bekamen.

Wie beiläufig schien es, als der Unheimliche ausholte und Dean Morris mit brutaler Gewalt auf den Ford Mustang warf. Es knackte, als Dean unglücklich mit dem Schädel gegen das Wagendach krachte und sich dabei das Genick brach. Blut spritzte auf den Wagen und wurde vom Regen sofort wieder weggewaschen. Zusammengekrümmt blieb Dean Morris’ Leiche neben den Wagen liegen.

Der Unhold betrachtete ihn noch einen Moment, um sich kurz darauf umzudrehen. Gemächlichen Schrittes ging er zum Streifenwagen zurück. Er stieg ein, schaltete die Blaulichter und den Scheinwerfer aus. Dann startete er das Fahrzeug und fuhr los. Im Schritttempo ging die Fahrt an Dean Morris und seinem Fahrzeug vorbei. Er beschleunigte, um kurz darauf eins zu werden mit der Nacht.

Nur der Regen prasselte unaufhörlich weiter.


Impressum

Texte: Michael Kruschina & Mondschein Corona - Verlag
Bildmaterialien: Finsia Moschiano - Kunstfabrik 2013 & Mondschein Corona - Verlag
Tag der Veröffentlichung: 31.07.2014

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