Wegen all der dummen Weihnachtsgeschenke hastete ich noch durch die Straßen, längst war die Straßenbeleuchtung dabei, eine festliche Stimmung in der blauen Dämmerung zu suggerieren – das ist eigentlich die Stunde in der ich am liebsten arbeitete. Ein Anruf meines Bruders bestätigte mir, dass ich mich in diesem Moment eher mit unseren Geschäften hätte beschäftigen müssen, als hier durch die Innenstadt zu rasen. Die Carellis machten Stress, unsere Geschäfte liefen nicht gut und das ganze Viertel wusste das. Nun war ich auch in Sachen Familie unterwegs, aber in streng geheimer Mission.
Als Patentonkel von gefühlten 80 Neffen und Nichten ist man ein geplagter Mensch. Der Kindersegen in meiner Familie erfreut vor allem meine Eltern und ihre Geschwister. Dass man mich nicht missversteht, ich liebe wirklich meine Familie, wirklich alle. Je größer sie ist, um so besser. Es bedeutet Macht und Heimat zugleich. Und ich sorge und behüte meine Familie wie meinen Augapfel. Das kann wohl jeder, der unsere Familie kennt oder Zeitung liest, bestätigen. Nur, nun ging es daran, diese Familie zu beschenken und dieser Geschenke-Stress, die vorhergehende Ideenlosigkeit und das Aufschieben des Einkaufs bis zur letzten Minute bringen mich jedes Jahr an den Rande des Wahnsinns. Es war der 23. Dezember und ich sah fast nur Männer, die den gleichen starren Blick mit gefurchter Stirn tragen wie ich. Stress kurz vor Ladenschluss!
Ich stolperte von einem Geschäft in das andere, gut, für die älteren Kinder und Jugendlichen hatte ich eine Reihe an Büchern und Filmen schon zusammengekauft, auch einige Gutscheine waren dabei. Aber die 2- bis 6jährigen waren immer eine harte Nuss. Was könnten die denn schon gebrauchen? In dem Alter sind sie mit Kuscheltieren, Piratensäbeln, ganzen Puppenhäusern und Lego-Burgen schon eingedeckt, die Zimmer platzen aus allen Nähten, die Eltern zucken bei meinen Nachfragen nur mit den Schultern. „Lass dir was einfallen, du bist doch schließlich ihr Pate.“ oder gerne auch sowas wie „Du kannst dich ja öfter Blicken lassen und mit Michaele/Paolo/Gianluca... spielen, dann wüsstest du, was ihm gefällt!“ - Ja genau, nee. Geht nicht.
Weiter ins nächste Geschäft. Ich hatte eben einen Bekannten getroffen, der genauso gequält guckend vor dem Schaufenster eines Unterwäschegeschäfts stand. Es schien ihm schon peinlich zu sein, überhaupt die halbnackten Puppen anzusehen, den Eingang zu finden war bestimmt eine Sache von mindestens einer halben Stunde. Der Jäger auf der Suche nach den verlorengegangenen Dessous seiner Frau, haha. Vor meinen Augen entstand das Bild meines Bekannten in grünem Jägeroutfit, mit einer Flinte auf die Wäsche der Schaufensterpuppen zielend. Seine Frau würde wie eine Frau der 50er-Jahre mit weißem Schürzchen über einem roten adretten Rock das Geschenk unter dem Weihnachtsbaum auspacken (nachdem sie ihren Eierlikör auf dem Untersetzer abgestellt hat, versteht sich), erröten und mit einem koketten Blick sagen: „ Ach, Giorgio, das wär doch nicht nötig gewesen, dass du alter Schürzenjäger auch dabei an mich denkst...“ Ich habe ihn mal lieber nicht angesprochen, das war seine Baustelle. Pech gehabt.
- - Jagd! Das ist es! In der Spielwarenabteilung fand ich unter einem großen blauen Planeten aus Pappe, der an die Decke gehängt war, die Geschenke für meinen Trupp Patenkinder: Ein Plastik-Fernrohr, zwei schwarze Kinder-Pumpguns und ein Kaleidoskop. Ein Regal weiter schnappte ich mir eine Fahrradklingel und einige Sonnenbrillen.
Am 24. war es soweit, meine Schwestern waren dabei, die zerstörten Geschenkpapiere nach einer lauten Bescherung einzusammeln, meine Schwager, Brüder und Cousins rauchten auf der Terrasse und ich öffnete die Tür zu meinem alten Zimmer im elterlichen Haus. Die Jungs gingen mit großen Augen in den improvisiert umgebauten Raum: unser Raumschiff. Ich hatte mit viel Alufolie zusammengeschobene Möbel eingewickelt, das Licht ausgeschaltet und meinen alten Sternprojektions-Wecker aufgestellt. Jeder der mit Sonnenbrillen zum Astronauten gereiften Jungs hatte seinen Spaß auf der Suche nach dem intergallaktischen Stern und weg von der Explosion in unserem Nacken. Klar, ich kannte mich bestens mit Waffen aus, genauso wie mit Bedrohungen von außen und der Suche nach Macht. Ich wusste, meine Familie und unsere Geschäfte zu schützen, es lag auf der Hand, dieses Wissen auch an die kommende Generation weiterzugeben. Ich war der beste Patenonkel, den es gab. Und der beste Pate.
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Tag der Veröffentlichung: 23.02.2013
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