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Ein neuer Zirkel

Ein neuer Zirkel

 

Michael J. Unge

 

 

Alle Rechte am Text liegen beim Autor.

Auszugweise Verwendung oder Vervielfältigung ist nicht gestattet.

 

Diese Geschichte ist in der Anthologie 'Fantastic Seasons' des 'Fantastic Shades Verlages' zu finden.

 

www.fantastic-shades-verlag.de

 

 

Prolog

 

„Du als Krieger und Weiser, solltest es doch besser wissen. Man nimmt keine dargebotenen Früchte von Fremden an“, tadelte die runzelige Alte, während sie den massigen Körper des Mannes gegen die Wand gepresst hielt.

Sein Kinn baumelte von einer Seite zur anderen über die muskulöse Brust. Ein unverständliches Brummen kroch seine Kehle empor. Die Lider flackerten im Fiebertraum, den sie durch das Gift hervorgerufen hatte. Macht ihrer Gedanken schlängelten sich Metallketten um die Handgelenke des Gefangenen. Sie lachte kreischend, als sie den Zauber an seinen Füßen wiederholte und vier Schlösser nacheinander einrasten ließ.

„Und sei die Fremde auch noch so liebreizend“, belehrte sie den benommenen Krieger.

„Was hast du mit uns vor?“, riefen die anderen beiden Gefangenen wie aus einem Mund.

Die Alte kicherte, wandte sich ab und verließ den Raum mit schlurfenden Schritten.

Der Dorfälteste

 

Ret Niw zog den wärmenden Fellmantel enger um den Körper, als er die Hälfte des Weges zur Dorfmitte zurückgelegt hatte. Auch an jenem Morgen brachte der eisige Wind Massen von Schnee mit, welcher das Dorf unter sich zu begraben drohte. Ret schätzte, dass sich seine Lippen bereits von der rötlichen Färbung verabschiedet und diese gegen ein dunkles Purpur eingetauscht hatten. Trotz der dicken Kleidung zitterte er am ganzen Körper. Immer wieder fanden Wind und Schnee Schlupflöcher zwischen den Kleidungsstücken, durch welche sie dicht an seinen Körper gelangten.

Im Schneegestöber konnte er die Silhouette einer weiteren Person ausmachen, die gegen den Wind kämpfte und sich schwankend fortbewegte. Als sie einander begegneten, grüßten die Männer sich lautstark, um das Heulen des Sturmes zu übertönen. Die Gestalt war ebenfalls mit einem dunklen Mantel aus Tierfellen vermummt, sodass Ret nicht hatte erkennen können, um wen es sich handelte. Er vermutete, dass es einer der Händler sein musste, die seit zwei Mondzyklen in ihrem Dorf festsaßen. Auch wenn seine Heimat ‚Dron‘ nicht viel für Fremde zu bieten hatte – der Ort zählte nicht mehr als dreihundert Seelen – war es im Inneren der Holzpartisanen sicherer als außerhalb, wo der Winter ungebremst über Wälder und Wiesen hereinbrach. Bei dem wütenden Schneesturm, welcher die Region in seiner gnadenlosen Gewalt hielt, wäre es reiner Selbstmord gewesen, das umzäunte Dron zu verlassen.

Allein durch den kurzen Gruß zuvor waren Rets spröde Lippen aufgerissen. Angewidert verzog er das Gesicht, als das metallische Aroma des Blutes seine Geschmacksnerven umfloss. Er presste die behandschuhten Finger auf die Lippen, um den Blutfluss zu stoppen, während er sich schräg gegen den Wind lehnte. Es knirschte unter seinen Stiefeln, die er fest in den Schnee stemmte, um nicht von den Füßen gerissen zu werden. Jeder seiner Schritte war gut überlegt und musste auf Anhieb sitzen, wollte er nicht Gefahr laufen, mit dem Gesicht im kalten Weiß zu landen. Er schob die Fellmütze aus den Augen, um sich einen flüchtigen Überblick des weiteren Verlaufs zu verschaffen.

Dreißig bis vierzig Schritte noch, schätzte er, dann würde er die Behausung des Dorfältesten erreicht haben. Schemenhaft hatte er das trotzige Bauwerk aus dunklem Lehm erkennen können, bevor er die Mütze wieder tief ins Gesicht zog. Bei normaler Witterung konnte man ohne große Mühe von einem Ende der Gemeinde zum anderen schauen. Dieser Tage durfte man sich glücklich schätzen, die eigene Hand vor Augen erkennen zu können.

Der hölzerne Schutz- und Begrenzungszaun war in einem absoluten Kreis um das Dorf errichtet. Zwei Hauptstraßen verbanden die vier Ausgänge und bildeten ein gleichmäßiges Kreuz. In der Mitte, dort wo sich die breiten, aus groben Steinen zusammengelegten Straßen vereinigten, stand das Lehmhaus, zu welchem er in jenem Augenblick unterwegs war.

Ret hatte sein gesamtes Leben in diesem kleinen Dorf verbracht. Die Winter waren seit jeher kalt, verschneit und aggressiv, doch etwas Derartiges, was sich seit geraumer Zeit abspielte, hatte noch keiner der Einwohner miterlebt. Vor etwa sechs Mondzyklen, als der Winter sich normalerweise hätte dem Ende neigen und dem Hauch des Frühlings weichen müssen, nahm die Katastrophe ihren Lauf. Die Temperaturen wollten nicht steigen. Der Winter hielt sich beharrlich. Zwei Mondzyklen später, als der Frühling bereits in seiner Blüte hätte stehen müssen, stieß eisiger Sturm in das noch immer winterliche Wetter und zwang die Temperaturen weiter in die Knie. Weitere ein oder zwei Mondzyklen später, mischte sich starker Schneefall hinzu und verdunkelte die Sonne. An diesem kalten, stürmischen und verschneiten Zustand, änderte sich in den vergangenen beiden Zyklen rein gar nichts. Es hätte bereits Hochsommer sein sollen, doch auch dieser hatte sich, wie der Frühling zuvor, geweigert zu erscheinen. Die Dorfältesten, die bereits mehr als Tausenddreihundert Mondzyklen alt waren, standen dem rätselhaften Wetterverhalten hilf- und ratlos gegenüber. Noch hatten Drons Einwohner Holz, um die Hütten zu befeuern. Auch war vor dem extremen Wetterumschwung mehr Wild durch ihre Wälder gestreift als je zuvor. Die weit über vierzig Jäger ihrer Gemeinschaft hatten Nahrung in Hülle und Fülle erbeutet. Das, so dachten sie jedenfalls bis vor Kurzem, würde ihnen das Jagen für eine komplette Saison ersparen. Wie man sich doch täuschen kann, dachte Ret resigniert. Sowohl dieses Fleisch und das geerntete Gemüse, als auch das Feuerholz neigten sich langsam jedoch beharrlich ihrem Ende zu.

Jemand musste etwas unternehmen, das stand für ihn felsenfest. So jedenfalls konnte es nicht weitergehen, wollten sie nicht Gefahr laufen, dass dies das Ende von Dron und seinen Einwohnern sein sollte.

Er hatte einen Entschluss gefasst, fühlte sich berufen zu handeln. Er, Ret Niw hatte einen Traum gehabt, eine Vision, wie er es nannte, und er würde tun, was ihm in düsteren Bildern gezeigt worden war.

„Komm nur herein mein Junge“, forderte Rhes Tla ihn auf, nachdem er gegen die blaue Holztür gehämmert hatte. Woher der Dorfälteste wusste, dass es sich bei seinem Besucher um Ret handelte, wusste der junge

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Michael J. Unge
Bildmaterialien: © dflohr - Fotolia.com
Lektorat: Sophie R. Nikolay / Fantastic Shades Verlag
Tag der Veröffentlichung: 25.04.2014
ISBN: 978-3-7368-5679-0

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ein großes DANKESCHÖN an den Fantastic Shades Verlag, der es mir ermöglicht hat, eine meiner Geschichten durch einen Buchverlag veröffentlichen zu können.

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