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Widmungen




Für Anastasia, meine beste Freundin.
Ich kann nicht aufs Papier bringen wie viel ich dir verdanke.
Aber vor allem danke ich dir dafür, dass du mir gezeigt hast
wie wertvoll wahre Freunde sind.

Prolog



Wie ein Embryo liege ich in meinem Bett und warte. Ich
warte auf das, was jede Nacht geschieht.
Nie weiß ich ganz genau wie und wann es passiert, nur,
dass es irgendwann eintrifft.
Ich zittere. So heftig, dass mein gesamter Körper zu
beben beginnt. Tränen laufen an meinen Wangen
hinunter, während sich meine Finger immer tiefer
in meine Bettdecke hinein graben. Bald, sehr bald
wird es wieder soweit sein. Das ahne ich.
Wieder wird alles damit beginnen, dass der Hund
bellt. Seine Laute werden mir verraten, dass er bald
Zuhause ist. Bald darauf werde ich sein Auto hören,
das in die Einfahrt fährt, gefolgt von seinem
Schlüssel, der die Haustür öffnet.
Ich zucke zusammen, denn da ist es, das Bellen.
Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn und ich
Frage mich was er dieses Mal mit mir vor hat.
Hoffe, dass er gar nicht erst in mein Zimmer kommt,
sondern sich gleich in sein eigenes Bett legt, auch
wenn ich weiß, dass es naiv ist auf ein solches
Wunder zu vertrauen.
Augenblicklich verstummt das Bellen. Ich drehe mich
auf die andere Seite des Bettes, so dass ich einen
direkten Blick zur Tür habe. Es ist Licht im Flur und
das bedeutet, dass er im Haus ist.
Die Türklinke meines Zimmers wird nach unten
Gedrückt. Mein herz setzt für einen kurzen Moment
aus, bevor es dann ganz schnell weiter schlägt. So
schnell, dass mir fast übel wird. Ich ziehe mir das
Kissen übers Gesicht, damit ich ihn nicht sehen muss.
Denn ich kann seinen Anblick nicht mehr ertragen.
Jedes Mal, wenn ich in seine Augen sehe, dann sehe ich
nur, dass er mich verraten, mein Vertrauen missbraucht
und mich dann zum Schweigen gezwungen hat.
Und jedes Mal heißt es dass niemand erfahren darf, was
ich von ihm, und er von mir weiß. Mittlerweile glaube
ich sogar, dass er recht hat.
Trotzdem will ich ihn verraten.
„Ich werde dich verraten!“, schreie ich in mein
Kissen. Meine Stimme klingt gedämpft. Aber er
hat mich verstanden. Jedes Wort hat er verstanden.
Das weiß ich.
„Wie war das bitte? Ich habe dich nicht verstanden.“
Auch wenn seine Ausdrucksweise höflich ist, seine
Stimme ist erregt. Und dann packt er mich an den
Schultern und dreht mich zu sich herum. Jetzt sehe
Ich es wieder, das Gesicht, das in meinen
Albträumen erscheint. Seine Augen funkeln vor Zorn,
während er mich so heftig schüttelt, dass ich glaube
die Besinnung zu verlieren. Und erst nach einer
gefühlten Ewigkeit entlässt er mich aus seinem
Griff. Das Pochen in meinen Schultern ist fast so
unerträglich wie das in meinem Kopf.
Auf einmal ist sein Blick wie ausgewechselt. Seine
Augen funkeln nicht mehr, sondern wirken beinahe
ausdruckslos. Seine leblosen Augen werden mit
Einem Lächeln geschmückt. Es ist unheimlich. Die
Hand, die mir vor wenigen Sekunden noch Schaden
zugefügt hat streichelt jetzt behutsam meine Wange.
„Hey Kleines“, haucht er. „Eine Hand wäscht die
Andere. Verrätst du mich, so werde ich dich auch
verraten müssen.“
Er spricht ruhig. Trotzdem hat seine aber etwas
Bestimmendes an sich. Etwas Bedrohliches.
Es brennt ein Feuer in mir, dass durch Lügen und
Intrigen entfacht wurde, die er in mein Leben
gebracht hat.
„Dann verrate mich doch! Ich habe keine Angst
vor dir!“
„Solltest du aber. Denn du hast mit allem recht
Was du mir unterstellst. Ich habe dich belogen.
Du kennst nur den, der ich vorgebe zu sein. Du
weißt nicht wer ich wirklich bin.“
Kaum bevor ich realisiere was er zu mir gesagt
hat, spüre ich schon seine Lippen, die sich
drängend an Meine pressen. Es widert mich an.
Doch ich bin seinen Handlungen hilflos
ausgeliefert. Selbst wenn ich versuchen würde
mich zu wehren, er würde den Kampf trotzdem
gewinnen. Also lasse ich es über mich ergehen
in der Hoffnung es so schneller hinter mir zu
haben. Er scheint meine Abneigung gegen ihn
registriert zu haben. Denn nach dem er sich von
mir abwendet meint er schlicht:
„Hat es dir denn nicht gefallen, Kleines?“
„Ich bin nicht deine Kleine.“
Vergeblich versuche ich meiner Stimme
Nachdruck zu verleihen aber es klingt nur wie
ein lächerlicher Rebellierversuch und nicht wie die
Stimme von jemandem, dem man Respekt schenkt,
den man ernst nehmen sollte.
„Glaubst du wirklich, dass du etwas entscheiden
darfst. Du hast mir zu gehorchen!“
Im nächsten Moment verpasst er mir eine saftige
Ohrgeige. Das Blut saust durch meine Ohren.
Tränen steigen in meine Augen und ich begreife,
dass ich mich ihm unterworfen habe. Ich habe
zugegeben die Schwächere zu sein.
Gewollt oder ungewollt ist nicht von Belang.
Tatsache ist, dass ich es bin.
Sein höhnisches Lachen erfüllt den Raum.
Mir läuft es eiskalt den Rücken runter.
„Und außerdem wolltest du doch, dass ich dir
helfe schon vergessen? Jetzt hast du was du
wolltest.“
Wieder lacht er. Und ich fange an zu zittern,
aus Angst und Wut zu gleich.
„Aber nicht so…“
Meine Stimme ist nur noch ein Flüstern, dass
Von dem Zittern beinahe erstickt wird.
„Jetzt können wir es aber nicht mehr rückgängig
machen. Jetzt musst du einfach bereit sein.“

Die Jahrtausendwende



Kennt ihr das auch? Dass man irgendwann in seinem Leben einen
Punkt erreicht hat, an dem man sich von seiner Familie
entfernen und versuchen möchte seine eigenen Wege zu gehen?
An dem einem die immer noch virtuell vorhandene Nabelschnur
einfach nur die Nerven geht? Dieser Punkt wird gerne auch
Jugend oder Pubertät genannt. Man
ist längst noch nicht bereit auf eigenen Füßen zu stehen,
trotzdem glaubt man aber alles erreichen zu können – ohne
die Hilfe der Familie. Bei mir geht das jetzt schon eine
ganze Weile so. Wie lange genau ist schwer zu sagen. Lange
eben.
Witzig ist aber, dass meine Mutter auch mal bereit ist die
Rollenverteilung zu verändern, wenn sie gute Laune hat.
Heute ist so ein Tag. Heute bin ich ihre beste Freundin.
„Mady! Komm doch bitte mal her! Ich brauche deine Hilfe!“
Es ist meine Mutter. Ich renne schnell zu ihr ins Bad. Denn
je schneller ich bei ihr bin desto schneller ist sie endlich
weg. Und zusätzlich ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass
ich länger ihre Freundin sein darf.
„Wie kann ich dir behilflich sein?“, flöte ich und lehne
lässig am Türrahmen. Es fällt mir schwer meine Freude zu
verbergen aber ich bemühe mich trotzdem.
Doch ein Grinsen kann ich nicht aufhalten.
„Ich bin total unsicher, welche Schuhe ich anziehen soll.
Was meinst du? Soll ich die schwarzen langen Stiefel
nehmen oder doch lieber die Kurzen nehmen?“
Sie posiert nervös vor unserem Spielschrank. Sie sieht
dabei aus wie ein Teenager.
Wird man überhaupt mal erwachsen?
Aber ich verstehe sie. Es steht mal wieder ein Date mit
Martin an, der ihren Erzählungen zufolge wirklich ein
atemberaubender Mann sein muss. Man darf aber auch nicht
jedes Wort meiner Mutter auf die Goldwaage legen. Würde
man das aber tun, dann wären wirklich sehr viele Männer
auf dieser Welt einfach perfekt! Und das stimmt ja schon
mal nicht, oder?
Martin soll es aber wirklich sein, sagt sie. Er ist
Psychiater, deshalb soll er sehr einfühlsam sein, sagt
sie. Dann besitzt er eine eigene Praxis und dadurch auch
ganz viel Geld, hat häufig schöne Geschenke für sie, und
noch dazu ist er wahnsinnig romantisch, behauptet sie.
Aber ob das wirklich so stimmt werde ich erst noch
herausfinden müssen. Jetzt aber muss ich erstmal dafür
sorgen, dass sie die richtigen Schuhe trägt, falls er
wirklich so ein Klassetyp sein sollte wie sie sagt. Und
außerdem ist das ja die Aufgabe einer Freundin.
„Nimm die langen Stiefel.“
„Bist du sicher?“
„Ja ich bin sicher“, lache ich. Denn mit Make up, ein
wenig Rouge auf den Wangen, Masscara, einem schönen
Lidstrich und den blutroten Lippen, wirkt meine Mutter
sehr jung, fast schon zu jung dafür, dass sie schon
Mittevierzig ist. Und das ist doch einfach unglaublich.
Ach ja und was sie natürlich ganz besonders jung macht,
ist ihre überraschend jugendliche Art, wenn sie von Martin
oder irgendetwas, das im Entferntesten mit ihm zu tun hat,
redet.
„Was lachst du so, Liebling? Freust du dich so sehr
Silvester ohne deine Mutter zu verbringen?“
„Das auch.“, gebe ich zu. „Aber vor allem, weil du dich
immer so süß benimmst, bevor du dich mit Martin triffst.“
Tadelnd hebt sie ihren Zeigefinger und damit bin ich
wieder zur Tochter geworden. So schnell kann’s gehen.
„Als ob du besser wärst, junges Fräulein. Du bist erst
vierzehn und führst schon so eine ernste Beziehung mit
deinem Alex.“
Ich versuche es trotzdem noch ein letztes Mal in der
Freundinnenrolle mit einem Hauch von pubertärem
Temperament.
„Aber ich drehe nicht einmal halb so sehr wie du durch,
wenn ich im Bad bin, um mich fertig zu machen. Und
außerdem werde ich bald fünfzehn!“
Nun ist sie es, die lacht und ich verdrehe nur die Augen.
Wir sind wieder vollständig in unsere Uhrsprungsrollen
zurückgekehrt.
„Auch fünfzehn ist kein Alter. Du hast noch so viel Zeit
und musstest trotzdem schon so früh mit dem ganzen Zeug
beginnen.“
Ich weiß genau, dass sie sich Sorgen um mich macht. Sie
tut zwar gerne so, als fände sie es total süß – dass ist
dann wenn sie sich wie meine Freundin benimmt - aber in
Wahrheit bangt sie nur um meine
Jungfräulichkeit. Sie glaubt ich würde demnächst mit ihm
schlafen und dann wie die Mutter meiner besten Freundin
viel zu früh schwanger werden und von meinem Freund
verlassen werde.
Zugegeben im Normalfall sind solche Sorgen berechtig,
wenn ein junges Paar über ein halbes Jahr mit einander
geht. Aber bei mir ist das etwas anders.
Ich habe angst mit Alex zu schlafen. Ich liebe ihn zwar
aber irgendwie war das nie wirklich wichtig für mich.
Es ist ein Kapitel, für das ich in unserer Beziehung
nie einen Platz gesehen habe und auch jetzt tue ich das
nicht. Aber so habe ich das noch nie jemandem anvertraut.
Nicht meiner Mom, nicht Alex, niemandem!
Niemandem außer Jane.
„Und was wirst du Schönes machen?“
Das willst du nicht wissen…
„Ich werde bei Jane schlafen.“, sage ich stattdessen.
Aber warum habe ich gelogen? Ich weiß doch ganz genau,
dass ich nicht mit ihm schlafen werde, oder werde ich es vielleicht doch?

Eine Stunde später, stehe ich vor seiner Haustür. Sie ist
immer noch von Weihnachtsmännern und Kerzen umgeben, obwohl
wir heute schon Silvester haben. Auf einmal erscheint mir die
Tatsache, dass wieder ein Jahr rum ist, beängstigend. Und
vor meinem geistigen Auge spielt sichmein persönliches
20stes Jahrhundert ab, und dabei höre ich die Stimmen der Moderatoren
im Radio, die heute Morgen folgendes gesagt haben:
„Es ist der Silvesterabend überhaupt, der uns heute Abend
bevorsteht. Wir können froh sein, dass wir die sind, die ihn erleben
dürfen. Den Abend, der Jahrtausendwende! Also sehen Sie zu,
dass Sie etwas ganz Besonderes aus dieser Nacht machen.
Ihr persönliches Highlight! Meine Lieben, lasst uns gemeinsam
in der Vorfreude schwelgen und rufen Sie bei uns an und erzählen
Sie uns kostenlos von ihren Plänen für diese Nacht! “


Ich fange an zu schwitzen, obwohl ich viel zu kühl angezogen
bin für diese Jahreszeit. Was hätte Alex denen wohl erzählt,
wenn er dort angerufen hätte? Sicherlich so was wie:
„Es klingt vielleicht völlig kitschig und so gar nicht nach
einem Siebzehnjährigen. Ein gewöhnlicher Siebzehnjähriger
würde in den besten Laden der Stadt stürmen und sich mit
allen partywilligen jungen Menschen in das neue Jahrtausend
tanzen, flirten und saufen. Ich aber werde den Abend mit
meiner Freundin verbringen. Romantisch und in ungestörter
Zweisamkeit. Und dann werde ich meine Freundin entjungfern!“


Ja so in etwa würde er es machen glaub ich…
Aber würde mir das denn so gefallen?
Und dann öffnet sich die Tür und er sieht mich. Mich in meinem
schwarzen Rock, dem roten Pulli und braunen Stiefeln und den
viel zu dünnen Nylonstrumpfhosen. Ich weiß, dass ich ihm
gefalle, denn er grinst, so wie er immer grinst, wenn er findet,
dass ich saumäßig gut aussehe.
„WOW du siehst toll aus!“
Ich fühle mich geschmeichelt, blicke verlegen zur Seite wie
damals bei unserem ersten Date.
„Komm rein!“, fordert er mich auf.
Ich gehe einfach rein und hoffe darauf, dass dieser Abend
gewöhnlicher abläuft, als ich es erwarte. Und so auf den
ersten Blick fehlt mir zu meinem Glück auch nichts
Besonderes auf, außer eben wie auch schon vor der Tür die
immer noch vorhandene Weihnachtsdekoration. Aber das ist
ja nichts Ungewöhnliches.
„Komm lass mich dir deinen Mantel abnehmen.“, meint er
übertrieben Gentleman-like, worauf hin ich los pruste.
„Was hast du denn?“
„Nichts.“
„Bist du sicher?“
„Ja.“
Ich lache wieder. Dieses Mal leicht hysterisch. Er bemerkt
es zum Glück nicht. Ich atme erleichtert aus.
„Ist der Pulli neu?“
Wieder schaut er mich an. Aber nicht träumerisch und
verliebt wie ich es jetzt gerne gehabt hätte, sondern mehr
so wie wenn er mich auf der Stelle
ausziehen möchte. Also mindestens genau so frech wie
das Grinsen auf seinem Gesicht, als er mir vor wenigen
Minuten die Tür aufgemacht hat. Wie etwas das man
eben nehmen oder einfach stehen lassen kann. Ich
komme mir ein wenig billig vor, zupfe an meinen
Nylontrumpfhosen herum. Ich befürchte sie bald durch
meine Fummeleien zu ruinieren. Es war ein Fehler sich so
schön zu machen. Der bildet sich doch tatsächlich was ein.
Aber was erwarte ich eigentlich bei einer schon so lang
andauernden Beziehung ohne Sex?
„Nein eigentlich nicht. Ich hatte ihn schon ein paar Mal an
in diesem Winter an.“
Jetzt schaut er mich überrascht an. Streift mit seiner Hand
über den weichen Stoff des Pullis.
„Wirklich?“
Ich nicke lachend und kopfschüttelnd zugleich. Ich weiß
genau jetzt kommt gleich was ganz Schleimiges.
„Aber weißt du Mady, du bist so schön, da fällt es einem
echt schwer auf deine Klamotten zu achten, denn du siehst
in allem einfach umwerfend aus.“
Ich erröte. Das ist es, was ich an ihm Liebe. Diese Art wie
er mir Komplimente macht und mir das Gefühl gibt etwas
ganz Besonderes zu sein. Auch wenn sie manchmal durch so
lächerliche Diskussionen über meinen Pulli entstehen.
„Du bist so süß, Alex.“
Er kneift mich leicht in die Seite.
„Hey, du weißt doch, dass ich es nicht mag, wenn du mich
süß findest.“
„Ja schon klar. Das ist dir nicht Macho genug. Aber du bist
es trotzdem.“
Zärtlich streichelt er meinen Arm. Ich bekomme Gänsehaut.
„Komm mit ins Wohnzimmer. Ich möchte dir was zeigen.“

Und das Wohnzimmer befürwortet meine schlimmsten
Erwartungen. Das Zimmer wird nur durch romantische
Duftkerzen beleuchtet, leise höre ich
Mariah Carey aus dem CD-Spieler singen. Sie ist meine
absolute Lieblingssängerin. Eigentlich mag ich es sie zu hören
aber aus dem CD-Spieler meines Freundes meine Lieblings-
sängerin zu hören, das jagt mir nur angst
ein. Denn es bedeutet, dass er mich beeindrucken will. Auf
dem Glastisch finde ich meine zweite Überraschung vor. Es
stehen zwei Gläser und eine Flasche Rotkäppchen Sekt auf
ihm. Aber er weiß doch, dass ich nicht gerne
Alkohol trinke. Warum habe ich ihm doch schon so oft
erzählt! Langsam werde ich wütend. Und die dritte Überraschung
ist das Sofa. Es ist voll von weichen roten und weißen Kissen
und Blütenblättern!
Zugegeben jedes normale Mädchen wäre überwältigt und wäre
ihrem Schatz in die Arme gefallen und hätte sich auf eine
romantische wie auch leidenschaftliche Nacht mit ihm eingelassen.
Aber ich bin, wie schon einmal erwähnt, nicht wie jedes normale
Mädchen, leider nicht.
Eine leise Stimme in meinen Kopf redet warnend auf mich ein:
„Mady, er will dich heute Nacht ficken!“


„Na, wie findest du es?“
„Alex…es ist wundervoll“, sage ich anstatt mich auf die Flucht
zu begeben, wie ich es eigentlich möchte.
Lässig lässt er sich auf dem Sofa nieder. Ich stehe wie angewurzelt
Da, bin unfähig mich zu bewegen. Stehe zwischen den Fronten.
Die eine Seite will die Gefühle von Alex nicht verletzten und die
andere möchte grad auf alles scheißen und abhauen!
Alex deutet meine Ratlosigkeit als Überwältigung und nimmt sie
geschmeichelt entgegen. Er klopft mit einer Hand auf das Sofa.
„Komm her zu mir, Kleine.“
Hab ich ein Glück, dass er so schlecht im Gedankenlesen ist,
oder auch nicht. Vielleicht müsste ich mich dann nicht so dumm
anstellen, wenn er wüsste was wirklich in mir abgeht.


Kaum habe ich mich widerwillig zu ihm hingesetzt öffnet er mit
dem Korkenzieher in einer flinken Bewegung die Sektflasche.
Er gießt den Sekt in die beiden Gläser ein. Ich schaue an mir
herab. Ich trage einen Pullover, der meine um mal ganz ehrlich
zu sein viel zu kleinen Brüste zwar gut in Form bringt aber besser
fühle ich mich dadurch trotzdem nicht. Und mehr mögen tue ich
meine Brüste deshalb auch nicht. Und jetzt mal ehrlich:
Auch wenn er hier und jetzt unbedingt darauf besteht mit mir zu
schlafen, der wird doch einen Schock kriegen, wenn der mich
nackt sieht. Was findet der eigentlich an mir? Und warum konnte
er den Alk nicht einfach weglassen? War das wirklich notwendig?
„Komm lass uns anstoßen?“
Nun platzt die Wut aus mir heraus.
„Nein Alex wir werden nicht anstoßen!“
„Was wieso denn nicht?“ Er war auf meinen Angriff nicht
vorbereitet doch er versucht sich zu retten, in dem er seine Hände
um meine Schultern legt. Jetzt will er auch noch schmusen, na ganz
toll. Aber ich schüttle seine Hände von mir ab.
„Du weißt genau was ich von Alkohol halte und erst recht halte ich
wenig davon, wenn man es für solche Zwecke verwendet, wie du
es tun möchtest.“
Jetzt habe ich ihn erwischt. Jetzt muss er gestehen.
„Aber Mady, Kleines wo denkst du hin? Es ist Silvester. Ich wollte
einfach einen schönen Abend mit dir verbringen. Und zu so einem
Feiertag gehört nun mal ein Glas Sekt.“
„Ein Glas?“, hake ich skeptisch nach.
„Ein Glas.“, schwört er und reicht mir eines der Beiden beinahe
bis zum Rand gefüllten Gläser.
So kann man natürlich ganz geschickt aus einem Glas immerhin
eineinhalb Gläser machen.


Feierlich und mit verführerischem Unterton verkündet Alex:
„Auf eine wundervolle Nacht und ein wundervolles neues
Jahrtausend.“
Und dann schauen wir uns tief in die Augen und stoßen an.
Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein. DAS weiß ich
jetzt schon.


Es fällt der zweite Korken an diesem Abend. Dieses Mal
bin ich es, die die Flasche öffnet.
Ich bin schon leicht angetrunken. Inzwischen finde ich
die Blütenblätter reizend, die Musik nehme ich nicht mehr
wahr, und dass ich Alkohol
getrunken habe stört mich nicht mal mehr im Geringsten.
„Hey Alex“, lalle ich. „Findest du nicht, dass dein Hemd
so was von unnötig ist?“
„Doch schon“, lacht er.
Und dann küssen wir uns. Unsere Lippen finden wie
einstudiert zu einander. Wir wissen genau was und wie der
andere es schön findet. Jetzt funktioniert es perfekt.
Meine Hände wuchern sich tief in seine Haare, während
Seine meinen Arsch begrabschen.
„Wie lange habe ich darauf gewartet dich so zu erleben,
so ungezähmt.“
Seine Hände wandern unter meinen Pullover.
„Verstehe, du willst, dass ich ein bööses Mädchen bin?“
„Ja! Ja genau das will ich!“
Während seine Hände meinen Bauch umfassen, küsst er
meinen Hals. Ich lege meinen Kopf in den Nacken und meine
Hände krallen sich in seine Schultern.
„Ich ziehe dir jetzt dein scheiß Hemd aus“, schreie ich und
danach verfalle
ich wieder in Gelächter.
„Ja, mach das aber dann musst du auch damit rechnen deinen
Pullover opfern zu müssen.“
„Das macht mir überhaupt nichts aus, Süßer.“
„Ich liebe dich, Madeleine.“
Wieder küssen wir uns, wobei meine Hände sich an sein feines
Hemd zu schaffen machen und einen Knopf nach dem anderen
öffnen möchten. Doch ich tue mich schwer dabei, denn die
Trunkenheit lässt es zur kleinen Herausforderung werden. Die
Löcher scheinen zu klein und meine Finger kennen das Wort
Motorik nicht mehr.
„Was sind das für bescheuerte Knöpfe?“
Er zieht sich das Hemd über der Kopf.
„Spielen die denn jetzt noch eine Rolle?“
„Nein.“
Ich lache wieder. Doch mein lachen wird von seinen Küssen
erstickt. Ich lasse mich fallen, lande auf dem Sofa voller
Blütenblätter. Sie sehen für mich aus wie eine Decke.
Auf einmal ziehe ich auch meinen Pullover aus und lasse ihn
achtlos auf den Boden sinken.
Seine Hände fühlen sich warm auf meiner nackten Haut an.
Sie erforschen jeden Winkel meines Körpers.
„Ich dachte schon du würdest nie so weit sein.“
Sie nährten sich meinem Bh und da bekam ich auf einmal
wieder Panik.
„Verdammt du liebst ihn doch also leck die scheiß kleinen
Brüste am Arsch!“


„Alex…“
„Was ist denn Kleines?“
Er grinst frech, während seine Hand über meinen Bh streichelt
und ihn dann mit einem Ruck öffnet. Mein Herz setzt aus.
Da war ich nun. Völlig entblößt. Auf einmal fangen die Nähe
und die Leidenschaft, die vor wenigen Minuten noch so
wundervoll gewesen war, an mich einzuengen. Sie ist nicht
mehr reizvoll, sondern überfordert mich.
„Würdest du mich auch lieben, wenn ich das hässlichste
Mädchen der Welt wäre?“
„Was soll das jetzt, Mady? Von hässlich bist du weit entfernt.
Kann es sein, dass der Alk schuld hat an dieser Frage? Komm
lass uns einfach da weiter machen wo wir waren, hm?“
Ich richte mich auf. Stütze mich mit meinen Ellebogen ab.
Mir wird kalt. Ich nehme den Winter und die Gänsehaut war.
Die Leidenschaft ist verflogen, einfach so. Geschmolzen wie
eine Schneeflocke auf der Haut. Und er hat recht. Der Alk ist
an allem schuld!
„Nein ich meine es ernst. Liebst du mich wirklich? Also auch
für meine inneren Werte?“
Er nimmt mein Gesicht in seine Hände, lässt meine Brüste
einfach meine Brüste sein.
„Natürlich. Ich liebe dich für alles was du bist, Mady. Wenn
das nicht so wäre, dann hätte ich mir doch gar nicht die Mühe
gemacht alles so schön für dich vorzubereiten, oder etwa doch?“
Und jetzt kommt auch noch mein schlechtes Gewissen dazu.
Da sitzt er, dieser tolle Junge und ich kann ihm nicht das
geben was ich ihm geben sollte.
Warum nicht? Wo ist dein Problem, Mady?!


In meiner Verzweiflung fange ich an zu weinen. Er seufzt tief
bevor er mich schließlich in seine Arme nimmt.
„Es tut mir so leid Alex…“
„Ist schon okay, Kleines.“
Seine Hände streicheln meinen Rücken. Ich weiß sie haben nichts
Schmutziges mehr mit mir vor. Zumindest nicht heute. Für mich,
oder besser gesagt für uns steht fest, dass es nicht die Nacht der
Nächte sein wird, auch wenn ich weiß, dass er es sich so gewünscht
hat und es doch die perfekte Nacht gewesen wäre. Die Nacht, der
Jahrtausendwende.
Mit diesen Selbstvorwürfen kann ich die Nacht nicht bei ihm
verbringen. Ich würde ihn nicht mehr anschauen können ohne mich
mies zu fühlen. Es fühlt sich jetzt schon mies an.
Seine grünen Augen funkeln mich liebevoll an und ich fühle die
Reue in mir lodert. Ich hasse mich für meine Selbstzweifel und
vor allem aber für meine Alkphobie!
Ich räuspere mich.
„Alex, ich glaube es ist besser, wenn ich jetzt gehe.“
Seine Augen weiten sich. Ich weiß, dass ich ihn damit
überrumpelt und sehr enttäuscht habe.
Im Nu ist er auf den Beinen.
„Was! Nein bitte nicht… Bleibe doch noch.“
„Es tut mir echt leid aber ich glaube es ist wirklich besser,
wenn ich jetzt gehe.“
„Aber Mady bitte es ist doch Silvester… Komm schon.“
Ich fange an mich anzuziehen zuerst de Bh. Die kleinen
Körbchen widern mich an.
„Glaub mir es wird für uns beide das Beste sein, wenn ich
jetzt gehe.“
Er nimmt mich an den Händen und zieht mich aufs Sofa zurück.
„Lass uns wenigstens über all das reden was hier passiert ist.
Es tut mir echt leid das mit dem Alk. Gott ich hab einfach nicht
nachgedacht und es ist doch Silvester verdammt!“
„Oh Alex, ich bewundere es, dass du dir so viel Mühe für mich
gegeben hast. Das ist nicht selbstverständlich und ich möchte
wirklich mit dir darüber reden aber nicht heute. Ich rufe dich an
okay?“
Er lässt meine Hände los, knöpft sein Hemd zu, und schaut mich
nicht mehr an.
Ich klettere vom Sofa runter und suche auf dem Boden nach
meinem Pullover. Ich bereue meine Unachtsamkeit. Jetzt sieht
alles wieder so schrecklich übertrieben aus. Die Kerzen, die
Rosen und vor allem dieser Sekt!
„Darf ich dich wenigstens nach Hause bringen?“
Ich schaue ihn wieder an. Ich sehe die Hilflosigkeit in seinen Augen.
Irgendwie und es ist ihm scheiß egal wie, will er diese Nacht noch
retten. Er begreift nicht,
dass wir Pech gehabt haben. Ich wünschte ich hätte auch etwas von
diesem Optimismus in mir, dann wäre vielleicht doch noch was aus
diesem Abend geworden, aber egal jetzt.
Mittlerweile habe ich mir den Pullover über den Kopf gezogen.
Endlich fühle ich mich nicht mehr so nackt. Und meine Brüste sind
wieder schön versteckt.
„Nicht nötig Alex, ich laufe heim.“
„Bist du sicher?“
Die Hoffnung schwindet nach und nach aus seinen Augen.
Ich raffe mich auf und laufe noch ein letztes Mal zu ihm hin, lasse
es noch einmal zu, dass wir uns küssen aber nicht zu innig. Nur so,
dass er weiß, dass es nicht seine Schuld war, sondern meine. Aber
er soll trotzdem einsehen, dass ich wirklich gehen werde.
Ich streichle seine Wange und sage es ihm noch ein letztes Mal,
nur um sicher zu gehen, dass er es wirklich begriffen hat.
„Ich gehe jetzt, Alex. Schönes Neues, und einen guten Rutsch.“
„Dir auch“, erwidert er niedergeschlagen.
Benommen laufe ich aus dem Haus ohne mich noch einmal zu ihm
umzudrehen. Und kaum bin ich aus dem Haus renne ich davon.
Und in meinem Kopf höre ich wieder die Stimmen aus dem Radio:
„Es ist der Silvesterabend überhaupt, der uns heute Abend bevorsteht.
Wir können froh sein, dass wir die sind, die ihn erleben dürfen.
Den Abend, der Jahrtausendwende! Also sehen Sie zu, dass Sie
etwas ganz Besonderes aus dieser Nacht machen. Ihr persönliches
Highlight! Meine Lieben, lasst uns gemeinsam in der Vorfreude
schwelgen und rufen Sie bei uns an und erzählen Sie uns
kostenlos von ihren Plänen für diese Nacht! “


Aus einem Impuls heraus oder vielleicht auch wegen dem vielen
Alkohol schreie ich in die dunkle kalte Nacht hinein:
„WISST IHR WAS?! SCHEIßT DOCH AUF DIE
JAHRTAUSENDWENDE!
UND ICH BIN IMMER NOCH JUNGFRAU MAMA! HÖRST
DU MICH?! ICH BIN’S DEINE TOCHTER, DIE EWIGE
JUNGFRAU!“
Und dann fange ich an zu weinen.


In meiner Verzweiflung habe ich beschlossen dorthin zu
gehen, wo ich immer willkommen bin. Es war schon immer
so was wie mein zweites Zuhause. Ich
mochte es fast lieber als mein echtes Zuhause. Ich glaube
es ist klar, dass ich von Janes Zuhause spreche.
Ich klingle und warte darauf, dass mir jemand öffnet. Ich
weiß, dass sie Zuhause sind.
Im nächsten Moment öffnet sich die Tür und ich sehe
Janes Mom vor mir.
Ich sehe ihre kleine Stupsnase, das jugendliche Strahlen
in ihrem Gesicht und ihre auftoupierten dunkelblonden
Haare.
„Carrie“, bringe ich hervor.
Meine Stimme ist heiser vom Schreien und von der Kälte.
„Kann ich rein kommen?“
„Aber klar doch. Schön, dass du da bist.“
Sie tritt zur Seite und lässt mich herein. Ich atme
erleichtert auf. Sie hat nicht bemerkt, dass es mir nicht
gut geht. Aber Jane wird es garantiert bemerken. Das weiß
ich jetzt schon, denn ihr entgeht wirklich gar nichts.
„Jane ist oben. Du kannst rauf gehen, wenn du magst.“
Sie lächelt mich freundlich an.
„Danke Carrie.“
Und dann eile ich auch schon nach oben, damit ihr bloß
nichts Ungewöhnliches an mir auffallen kann.
Hab ich ein Glück, dass Carrie erst dreißig ist. Viel zu
jung für so was wie misstrauische Mutterinstinkte.
Ohne anzuklopfen trete ich ein. Jane sitzt auf ihrem Bett mit
dem Mp3-Player in der Hand. Sie blickt von dem Gerät zu
mir auf. Ihre blauen Augen verlieren sofort jeglichen Glanz.
Sie rafft sich auf und rennt auf mich zu. Ohne, dass ich ein
Wort sagen musste nimmt sich mich in ihre Arme. Ich lasse
mich von ihr umarmen, lasse sie ihre Arme um mich schlingen.
Lasse zu, dass wir eins werden und versuche dadurch alles um
mich herum zu vergessen. Alles, außer ihr. Und es funktioniert,
wie immer. Das einzige was ich noch wahrnehme ist die Wärme,
die von ihrem Körper ausgeht und wie sie sich auf Meinen zu
übertragen scheint. Sie hüllt mich ein wie ein warmer Mantel.
Bei ihr fühle ich mich sicher und geborgen. Ich muss nichts tun
nichts sagen. Sie spürt einfach wie es mir geht und ist einfach
immer zu jeder Zeit für mich da. Wir ergänzen uns perfekt.
Wir konnten schon Minuten lang schweigen ohne, dass es eine
von uns gestört hatte. Und jetzt tun wir es auch. Ich lasse
meinen Tränen freien Lauf, lasse mich von ihr streicheln und
auf den Beinen halten, bis ich mich besser fühle. Würde sie
mich jetzt nicht halten, ich würde auf den Boden sinken,
wie ein schwerer Sack.
Irgendwann rollen keine Tränen mehr an meinen Wangen
herunter, ich fange an mich zu beruhigen und finde wieder zur
Selbstbeherrschung zurück. Aber immer erst, wenn ich wieder
vollständig bei mir selbst angekommen bin, entlässt sie mich
aus ihren Armen,
Und erst nachdem wir uns von einander gelöst haben nimmt
sie meine Hand und fragt mich was los ist. Wir sind ein perfekt
aufeinander abgestimmtes System. Aber heute ist irgendwie
alles anders als sonst. Heute nimmt sie meine Hand und fragt
mich nicht was los ist, sondern weiß es schon.
„Wieso hast du ihm nicht einfach gesagt, dass du nicht kannst?“
Sie lässt meine Hand nicht los, sondern hält sie umso fester.
Erwartungsvoll schaut sie mich an. Jetzt funkeln ihre Augen
wieder.
„Ich weiß nicht. Keine Ahnung. Ich wollte seine Gefühle nicht
verletzen.“
Sie erhebt ihre Stimme. „Aber zulassen, dass er etwas tut was
du nicht möchtest, das kannst du?“
„Bitte reg dich nicht auf.“
„Ich rege mich nicht auf. Es überrascht mich nur immer wieder
wie selbstlos du manchmal sein kannst. Denkst du eigentlich
auch mal an dich?“
Ich weiche ihrem Blick aus.
„Ich muss ihm doch was bieten können. Er wird achtzehn im
April! Und ich, ich werde im Februar gerade mal fünfzehn!
Was will er eigentlich von einem Mädchen wie mir? Er könnte
viel Bessere haben. Ältere, Klügere, Reifere, Schönere…“
Meine Augen tränen erneut.
Die Wimperntusche ist sicher völlig verschmiert und die Haare
sicher noch zerzauster, als auf seinem Sofa.
Schon bei dem Gedanken an das Sofa und den Sekt wird mir
schlecht. Wie konnte ich das nur zulassen? Und wie geht es
jetzt weiter mit Alex und mir?
„Er wird dich nicht verlassen und jetzt sehen wir erst mal zu,
dass wir dich wieder herrichten, damit du siehst wie schön du
bist und dann erzählst du mir in aller Ruhe was passiert ist,
okay Süße?“
Ich lächle kurz. Kann sie meine Gedanken lesen? Ja, das konnte
sie schon immer. Und dann lasse ich mich von Jane ist das
Badezimmer bugsieren ohne eine Widerrede, denn ich weiß,
sie sind bei ihr völlig Zwecklos.
Der erste Blick in den Spiegel ist wie ein Schlag ins Gesicht.
Ich sehe wirklich unheimlich aus. Doch mit Janes Hilfe ist das
Desaster schnell beseitigt und ich sehe bald wieder wie ein
Mensch aus. Jane steht direkt hinter mir und schlingt ihre Arme
um meine Taille.
„Wenn ich ein Junge wäre ich würde mich in dich verlieben.“
Ich weiß nicht was ich dazu sagen soll. Damit habe ich nicht
gerechnet. Aber als Jane zu lachen beginnt, stimme ich
erleichtert mit ein. Doch ihre Hände ruhen weiter dort wo sie
waren.
„Na los komm und jetzt erzähl mir alles.“

Sie sitzt auf ihrem Bett und mein Kopf ruht auf ihrem Schoß.
Ihre Hände streicheln unaufhörlich meinen Rücken, während
ich die Situation zum mindestens zehnten Mal schildere.
„Es war echt der Wahnsinn, ja? Der hat sich solche Mühe mit
allem gegeben. Es war fast schon zu perfekt. Und irgendwie
hat gerade das mich nervös gemacht. Ich wusste dadurch
einfach, dass er es schon geplant hat, dieses ganze Theater.
Und dann noch meine Mom und ihre unnötigen
Anspielungen. Das war einfach alles zu viel. Ja und dann
noch der Sekt. Der hat dann wirklich alles kaputt gemacht!
Er weiß doch wie ich zu
Alkohol stehe und warum!“
„Sicher weiß er das. Aber er dachte vielleicht, dass du an
Silvester eine kleine Ausnahme machst.“
Ich richte mich empört auf.
„Eine Ausnahme? Ginge das denn nicht alles auch ohne Alk?
Ich meine er hat sich so viel Mühe gegeben. Er hat Musik von
Mariah Carey abgespielt. Und er hasst Mariah Carey
normalerweise, weiß aber, dass ich ihre Musik liebe. Er hat
wirklich an alles gedacht. Wir hätten es ohne den
Sekt sicher noch ehr geschafft mit einander zu schlafen…
Aber durch den Sekt musste ich dann alles versauen.“
Wieder nimmt sie meine Hände. Dieses Mal sieht sie mich aber
sehr eindringlich an. Es macht mir fast angst.
„Jetzt hör mir mal zu, Mady. Wir wissen beide, dass Alex dich
liebt. Und wenn er dich wirklich liebt - also so richtig, dann
wird er warten bis du soweit bist. Und wenn du eben noch nicht
so weit bist, dann muss ER das einsehen. DU musst dich für
ihn zu nichts zwingen okay? Mach nicht den Fehler, den ich
gemacht habe. Nur meinetwegen hast du doch den ganzen
Mist am Hals mit dem negativen Gedanken über Sex.“
Sie senkt den Blick und starrt auf unsere Hände. Ich nehme ihr
Gesicht in meine Hände und nun bin ich es, die sie eindringlich
ansieht.
„Du bist keine Schlampe, Jane.“
„Doch bin ich! Wen kennst du, der so was macht, der keine
Schlampe ist?“
„Du warst betrunken. Du konntest doch gar nichts dafür. Es ist
einfach passiert. Du warst im praktisch ausgeliefert. Und er…
und er…“
Die Wut lodert wieder in mir auf.
„Reg dich nicht auf Mady. Es ist vorbei, Vergangenheit. Wir haben
daraus gelernt, dass du nicht den Gleichen begehen darfst. Es
zählt nur, dass du es besser machen wirst als ich.“
„Und du wirst es auch mal besser machen können, Jane.“
Sie lächelt gequält. „Wenn du das sagst.“
„Ja das sage ich.“
Und dann küsse ich ihre Wange.
„Du bist so süß, Mady. Was würde ich nur ohne dich machen?“
„Was würde ich nur ohne DICH machen?“, frage ich zurück.
„Sag du’s mir“
Auf einmal höre ich ein schrilles Klingeln. Wir zucken beide
zusammen.
„Was ist das?“
„Mein Wecker.“
Jane steht vom Bett auf und stellt ihren Wecker ab.
„Es geht gleich los.“
„Was denn?“
Sie lacht. „Bist du heute denn völlig auf den Kopf gefallen.
Gleich geht das Feuerwerk los. Dann findet DIE
Jahrtausendwende überhaupt statt. Los raus hier!“
Sie packt mich am Arm und zieht mich nach draußen auf
den Balkon.
Es ist total kalt draußen aber durch die Aufregung wird mir
auf einmal ganz heiß.
Jetzt erst nehme ich war was in wenigen Augenblicken geschehen
wird. Ich werde mich von allem verabschieden was ich einmal
gekannt habe. Von meiner ganzen Kindheit. Ich werde im 21.
Jahrhundert erwachsen werden müssen und wer weiß was das
Für mich bedeuten kann.
Ich höre die Stimmen der Menge die rufen:
„Zehn!, Neun!, Acht!...“
Ich lege meine sehnigen Arme um ihren Nacken.
„Komm Jane, lass es uns noch einmal tun. Um der alten Zeiten,
um dem letzten Jahrtausend willen!“
Meine Stimme schießt vor Aufregung eine Oktave nach oben.
„Bist du sicher?“
Ihr Gesicht ist nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt.
„Ja!“, japse ich.
Und dann küssen wir uns, halten uns in den Armen. Genießen die
Zweisamkeit und während wir alles um uns herum vergessen
schlägt das neue Jahrtausend ein.

Impressum

Texte: Cover erstellt von Nadia
Tag der Veröffentlichung: 26.11.2011

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