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Auf zu neuen Taten

Ich war von diesem Abenteuer so erschöpft, dass ich einige Tage nur kleine Ausflüge unternahm.

Doch dann überfiel mich wieder der Tatendrang.

Also machte ich mich wieder auf zum Sportplatz. Der Aufseher begrüßte mich freundlich. Nachdem wir einige Zeit über meine Skifahrerlebnisse geplaudert hatten fragte er mich: „Was hast Du heute vor?“ Nachdem ich kurze Zeit über­legt hatte erklärte ich etwas verlegen: „Ich möchte auf einen ganz hohen Berg hinauf joggen.“ und etwas schüchtern setzte ich hinzu: „Das ist wohl eine dum­me Idee.“ „Ganz im Gegenteil. Das ist eine tolle Idee. Die kann Dir wirklich wei­ter helfen. Wenn Du den Gipfel erreicht hast wirst Du nicht mehr der Selbe sein wie jetzt. Schau da hinüber und stelle Dir Deinen Berg vor auf den Du hinauf willst. Er wird genau so groß sein wie Du ihn Dir vorstellst.

Ich befolgte seine Anweisung und ein riesenhafter Berg erschiehn vor mir. „Du hast ja wirklich was vor. Der Berg ist mindestens doppelt so hoch wie der höchs­te in Deiner Welt. Ich wünsche Dir viel Glück auf Deiner Reise. Die Joggingstöcke findest Du am Fuß des Berges. Also dann mal los.

 

Ich schaute mir den Gipfel mit meinen hierzulande geschärften Augen an und erkannte dort die Katze. „Wartet dort diese Katze auf mich?“ „Ja sie ist Dein Ziel.“ Irgendwie ist mir bei diesen Gedanken etwas eigenartig zu Mute. ‚Soll ich all die Anstrengungen wegen einer Katze auf mich nehmen?‘ Mein Gegenüber scheint meine Gedanken gehört zu haben: „Es geht erst mal nicht so sehr um die Katze sondern viel mehr um Dich. Du bist es erst mal der sich ganz stark än­dern wird. Aber Du kannst das alles hier nicht verstehen. Das Verstehen kommt erst. immer mehr, unterwegs. Also mache Dich auf den Weg.

 

 


 

 

 


 

 

 


 

Die Reise beginnt

Wie er gesagt hatte fand ich die Joggingstöcke am Weganfang. Begeistert machte ich mich auf den Weg. Gleichmäßig und beharrlich kam ich flott voran. Ein kleiner Weg wandte sich in Serpentinen den Berg hoch.

‚Was wird mir hier alles begegnen? Wo werde ich übernachten? Wo bekomme ich etwas zu essen? Welchen Sinn hat das Ganze? Warum wollte ich ausgerech­net auf einen überhohen Berg joggen?‘

 

 

Tausend Fragen kamen in mir hoch so dass ich gar keine Zeit hatte eine zu beantworten. Das Ganze war ganz schön verwirrend.

Schließlich ging mir immer mehr die Puste aus und es begann auch schon zu dämmern. ‚Wie geht es jetzt weiter? Ich kann doch nicht kraftlos im Dunkel weiter rennen.‘

Aber ich erinnerte mich an die Worte des Wirts, dass ich hier immer alles bekä­me was ich brauche. Ich bräuchte es mir also nur zu wünschen. ‚Aber was brau­che ich jetzt eigentlich?‘ Die unbeantworteten Fragen schienen mich heute zu verfolgen.

Ihr nahm mir vor, dass ich mir nichts wünschen würde und lieber darauf warten was kommt. Manchmal liebe ich Überraschungen.

Die Überraschung

Nachdem ich den ganzen Tag bergauf gejoggt war und gerade der Sonnenun­tergang einsetzte war ich furchtbar müde und hungrig geworden.

Plötzlich führte mein Jogging-Weg direkt in eine Höhle. Es schien eine Wohn­höhle zu sein. Mir gegenüber sah ich vier Türen und war ganz erstaunt, dass auf der ganz rechts mein Name stand. In der Mitte stand ein Esstisch für vier Perso­nen.

Mein Raum war einfach eingerichtet, aber es war hier ein gemütliches Bett auf dem ich mich erst einmal ausruhte.

Gegenüber der Eingangstür zu meinem Raum war eine Ausgangstür hinter der mein Weg weiter ging - aber sie war verschlossen.

Nachdem ich mich ausgeruht hatte ging ich zurück in den Vorraum und jetzt war der Tisch für eine Person gedeckt. Außer mir war niemand zu sehen. Also setzte ich mich nieder und genoss das Essen.

Nach dem schweigenden Essen fragte mich eine Stimme: „Wer bin ich?“ „Wenn ich das begreifen könnte, dann wäre ich Du.“

 

Richtig, ich bin unvorstellbar. Du hast die Last mich verstehen oder begreifen zu wollen abgelegt. Damit ist die erste Tür für Dich offen.

Ich entdeckte rechts an der Wand die Worte:

Ich bin, der ich bin.

Was ist wirklich?

Wieder kam ich am Tagesende in eine Höhle. Sie sah genauso aus wie die erste. Alles geschah, bis nach dem Essen, wie das letztes Mal.

Diesmal fragte mich die Stimme: „Wenn ich unvorstellbar bin, bin ich dann et­was Abstraktes oder etwas Unwirkliches?“ „Nein, ich kann Dich zwar nicht se­hen, aber ich kann Dich hören. Also bist Du da. Du bist bei mir. Ich bin nicht al­lein. Du bist jetzt etwas Bekanntes für mich. Auch hast Du mir ja die erste Tür geöffnet, also kannst Du sogar Einfluss auf mein Leben nehmen. Wahrschein­lich ist Dir nichts unmöglich und ich werde immer wieder auf Dich angewiesen sein.“

Du hast die Last der Gottesferne abgelegt und so ist die zweite Tür für Dich of­fen.

Rechts an der Wand las ich die Worte:

Ich bin, der ich bin da.

Halt

Abend – Höhle – Ausruhen – verschlossene Tür – Essen – Stimme – es war im­mer das Gleiche.

Nützt es Dir etwas, wenn Du mich hören kannst?“ „Klar, so kannst Du mir Dei­nen Willen mitteilen. Er wird mir Halt und Orientierung schenken. Nur so kann ich Dir nachfolgen. Dir nachfolgen ist bestimmt das Beste, was mir passieren kann. Aber dazu gehört eben auch das Folgen und Dir folgen kann ich nur, wenn ich Deinen Willen kenne und den kann ich nur kennen lernen weil ich Dich hören kann. Das Zuhören ist also der erste Schritt für ein geglücktes Le­ben.“

Du hast die Last des Eigensinns abgelegt. Dadurch öffnet sich für Dich die dritte Tür.

Erst jetzt blicke ich wieder rechts zur Wand und lese dort:

Ich bin, der ich bin für Dich da.

Sehnsüchte

Diesmal saß eine Gestalt mir gegenüber am Tisch und ich traute mich nicht sie zu fragen wer sie sei. Da erklärte sie mir: „Dein Bruder Jesus ist irgendwie Ver­gangenheit. Dein himmlischer Vater ist irgendwie Zukunft. Ich bin die Gegen­wart.

Danach aßen wir in Stille.

Du willst Deinen Willen mit Gottes Willen in Einklang bringen. Ich rege in Dei­nen Herzen Sehnsüchte an. Du darfst den Vater um Erfüllung bitten und sicher sein, dass Er es auch tut, weil wenn Ich Dir es eingegeben habe, dann entspricht es dem Willen des Vaters.“ „Das ist ja ganz einfach.“ strahle ich. „An sich schon, aber manchmal kann es Dir anders erscheinen.“ „Immer mit Gottes Willen im Einklang sein ist doch toll.“

Du hast die Last der Trägheit abgelegt und sie gegen Begeisterung getauscht. Somit ist die vierte Tür für Dich geöffnet.

An der Wand stand diesmal:

Wer den Willen meines Vaters tut

hat das Himmelreich entdeckt.

Nur keine Eile

Wieder einmal war das Essen vorbei und mein Gegenüber begann mit einem seltsamen Gespräch. „Unseren Vater kannst Du Dir nicht als Mutter vorstellen.“ „Hängt das mit meiner Krankheit zusammen?“ „Ja, aber mit der Zeit wird es besser.“ „Wenn ich den Gipfel erreicht habe?“ „Richtig, aber bis dahin hast Du noch einen weiten, für Dich wahrscheinlich sehr beschwerlichen, Weg vor Dir.“ „Ich werde mich beeilen.“ „Das wird Dir nichts nützen.“ „Ach ich soll wohl Ge­duld lernen. Eile kann wirklich gefährlich werden, besonders im Gebirge. Da sollte ich immer auf den Weg achten und behutsam sein. Wie ich jetzt erkannt habe kann ich ja eh nur jeden Tag bis zur nächsten Höhle kommen.“

Wenn Du die Last der Ungeduld ablegst öffnet sich die fünfte Tür.

Wieder schaue ich zur Wand:

Wer es versteht zu warten ist dem Ziel ganz nahe.

Zurück?

‚Der Tag heute war besonders anstrengend und ich genieße das Ausruhen und das Essen heute ganz besonders. Ich bin schon gespannt, was ich heute ablegen darf:‘

 

Geh zurück.“ Ich bin entsetzt: „Ich bin heilfroh, dass ich es heute noch bis zur Höhle geschafft habe und jetzt soll ich zurück gehen?“ Nochmal kommt sehr betont: „Gehe morgen Früh zurück!“ „Aber das ist doch sinnlos. Erst die ganze Anstrengung und jetzt das Alles für Nichts. Ich will doch vorwärts kommen und dass sich neue Türen öffnen. Aber zurückgehen? So komme ich doch nie ans Ziel.“ Mein Gegenüber lächelt: „Willst du mir vertrauen und morgen zurück ge­hen? “ Ich stöhne: „Ja, ich vertraue Dir und gehe zurück.“

Weil Du die Last Deines Eigenwillens aufgegeben hast steht jetzt die sechste Tür für Dich offen.

An der Wand lese ich:

Gehe auf dem rechten Pfad.

Der Abgrund

Freudig erwachte ich und schaute aus dem Fenster. Der Weg, den ich weiter gehen soll führte direkt in eine tiefe Schlucht. ‚So kann ich doch nicht weiter kommen. Was soll ich tun: Die Tür ist offen und der Weg führt in den Abgrund. Aufgeben kommt nicht in Frage! Ich soll mich wohl wieder auf Vertrauen ein­lassen.‘ Also gehe ich durch die Tür und gehe langsam den Weg entlang. Kurz vor einer Biegung sehe ich ein Seil über die Schlucht gespannt. ‚Aber was soll mir das nützen? Daran komme ich nicht rüber. Ich bin kein Akrobat und auch nicht schwindelfrei. Soll ich umkehren? Aber das wäre sinnlos.‘ Ich erinnerte mich wieder: ‚Ich will vertrauen!‘ Also ging ich weiter und sah hinter der Biegung eine Gondel am Ende des Seiles. So kam ich hinüber und zur nächsten Höhle. Sie hatte ein Tür auf der stand:

Weil Du versucht hast Dich vor der Last des Misstrauens zu befreien öffnet sich Dir die siebte Tür.

und die Tür geht von selbst auf.

An der Wand standen die Mut machenden Worte:

Mit meinem Gott überspringe ich Mauern.

Das Ende?

Wie entsetzt war ich als ich mein Zimmer betrat. Die Rückwand war reiner Fels:

 

Kein Fenster und keine Tür. Ich war beunruhigt und fand so beim Ausruhen kei­ne Erholung.

Diesmal saß am Tisch neben mir noch ein Mann.

Nach dem Essen stöhne ich: „Das hier ist das Ende.“ „Damals im Garten war ich auch am Ende.“ erklang Seine Stimme neben mir. „Aber es ging dann doch wei­ter.“ „Aber es war nicht mehr Mein Wille was da geschah. Ich konnte nur noch vertrauen.“ „Ich soll Morgen also einfach wieder zurückgehen und die Hoffnung nicht aufgeben, dass ich doch noch einen Weg finde, der mich näher zum Ziel bringt.“ „Genau, damit hast Du die Last der Hoffnungslosigkeit abgegeben und die achte Tür ist für Dich offen.“ „Aber hier gibt es doch überhaupt keine Tür.“ „Hier würde sie Dir auch nichts nützen, weil kein Weg durch den Felsen führt.

An der Wand erscheinen die Worte:

Für Gott ist nichts unmöglich.

Genießen

Nach dem Frühstück verließ ich die Höhle. ‚Aber so komme ich doch nur wieder zur Schlucht. Es gab doch keine Abzweigungen von diesen Weg.‘ So im Gedan­ken stolperte ich. Ich erkannte dadurch, dass ich achtsamer sein soll. Letztlich fand ich dann einen schmalen Weg der leicht bergan führte. Von der anderen Seite her war er von einem Busch verdeckt. Nach einiger Zeit kam ich an eine leere Höhle. Am Ende war eine Tür mit einem Art Smiley drauf der auf der Stirn eine Acht hatte. Ich öffnete die Tür und trat ins Freie.

‚Hier sind alle Farben viel heller. Am Wegrand sind viele herrliche Blumen. War das bisher nicht so oder habe ich es übersehen?‘ Ich wurde langsamer um die Schönheit zu genießen. Wieder kam ich zu einer Höhle, aber die Tür war ver­schlossen. Ich dachte kurz darüber nach und warf dann meine Joggingstöcke weg.

Da erscheint auf der Tür:

Gott schuf die Zeit. Von Eile hat Er nichts gesagt.

Jetzt konnte ich sie öffnen. Meine beiden Tischgenossen erwarteten mich schon und ich bekam zu hören: „Weil Du Dich von der Last der Eile befreit hast war die neunte Tür für Dich offen.

Neue Lebendigkeit

Nach dem Essen fragt mich mein Nachbar: „Willst Du nicht einige Zeit hier blei­ben?“ Ich überlege: „Da ich es jetzt nicht mehr eilig habe ist das eine gute Idee.“

Jeden Tag haben wir gute Gespräche und ich wurde immer fröhlicher, zufriede­ner und glücklicher.

Schließlich drängt es mich immer mehr Gott für das alles zu danken. Wir dan­ken jetzt jedes Mal gemeinsam nach dem Essen. Mit der Zeit lerne ich auch für mein ganzes Leben zu danken: Für die traurigen Stunden ebenso wie für die freudigen.

Meine Gedanken werden immer freier – irgendwie erlöster.

Dazu meint mein Gegenüber: „Gedanken bedeutet viel Denken. Da Du die Last der Gedankenlosigkeit losgeworden bist steht für Dich nun die zehnte Tür of­fen.

An der Wand lese ich:

Nur danken kann ich mehr doch nicht.

Der Schlüssel

 

Schließlich war es dann doch an der Zeit weiter zu gehen. Vor der Höhle waren wieder diese prachtvollen Blumenwiesen mit den herrlichsten Farben.

Ich schlenderte gemütlich vor mich hin. Plötzlich endete der Weg vor einem Felsen. Etwa drei Meter höher ging der Weg weiter, aber der Fels war zu glatt, dass ich daran hätte hinaufsteigen können . Neben mir stand ein mächtiger di­cker Baum. ‚Wenn ich ihn erklimmen könnte käme ich leicht wieder auf den Weg. Aber er hat in meiner Höhe keine Äste an denen ich mich hoch handeln könnte.‘ Im umschritt den Baum und fand einen Eingang: Der Baum war hohl. Innen war eine Leiter und so erreichte ich mein Ziel.

Der Weg hier war wieder umgeben von mächtigen Felsen. Die Schönheit von gerade eben war vorbei. Ich sah eine Bank von der aus ich eine wunderbare Aussicht auf die Herrlichkeit unter mir hatte.

Da hörte ich eine Stimme: „Du kannst für immer hier bleiben. Aber wenn Du zu­rückkehrst, dann gilt diese Entscheidung für immer. Der Eingang zum Baum ver­schließt sich dann, oder er verdorrt.

„Es wäre schön hier zu bleiben, aber ich will mein Ziel nicht aufgeben.“

In diesem Moment fiehl ein Schlüssel neben mir auf die Bank.

Weil Du Dein Ziel nicht aufgibst erhältst Du diesen Schlüssel. Hebe ihn bis zum Ende auf.

Stille

Gedankenlos steckte ich den Schlüssel ein. ‚Wozu soll er mir helfen, wenn er mir nicht unterwegs eine Tür öffnet?‘

Ich stand auf und ging den trostlosen Weg zwischen den Felsen entlang – lang­sam und gelangweilt. Immer wieder war ich versucht schneller zu gehen, weil es hier nichts zu bewundern gab. Aber ich begriff, dass das auf diesem schma­len und steinigen Weg gefährlich sein könnte. Also ging ich langsamer aber sehr aufmerksam weiter und kam schließlich ans Tagesziel.

Alles war wie immer. ‚Diese Eintönigkeit nervt mich.‘ Ich bin also nicht gerade bester Laune.

Während des Essens bin ich schon neugierig auf das Gespräch danach. Aber niemand beginnt. ‚Muss ich heute beginnen?‘ Ich spüre jedoch, dass heute Stil­le angesagt ist und halte sie auch viele Stunden durch bis es Zeit ist sich zur Ruhe zu begeben. „Weil Du die Last Deiner Unruhe besiegt hast ist jetzt die elfte Tür offen.

Mein Blick fällt auf die Wand:

Gönne Dir Ruhe zur rechten Zeit,

dann bist Du allezeit bereit.

‚Bereit wofür?‘

Seltsames

Heute war schönes Wetter und die öde Landschaft sah etwas fröhlicher aus. So kam ich froh und munter zur nächsten Höhle.

 Nach dem Essen deutete mein Gegenüber auf die Wand. Ich schaue sie genau an und frage:

„Ich sehe hier nur Hieroglyphen.

Soll ich mich in sie vertiefen? “

Ja.

Ich starrte sie lange an und versank immer mehr in ihnen. Es war nicht zu be­schreiben: Irgendwie war ich in einer ganz anderen Welt. In meinem Herzen kam viel hoch von der Freude und Zufriedenheit, die ich in der Höhle der blü­henden Landschaft erlebte. Ich verweilte lange Zeit bis ich mich wieder von die­sen Schriftzeichen trennte. Irgendwie war ich leichter – erleichtert.

Da Du die Last des Starrsinns und des Festhaltens aufgegeben hast und nun bereit bist Dich auf Neues einzulassen ist die zwölfte Tür für Dich offen.

Mein Nebenmann ergänzt: „Das ganze Leben ist Veränderung. Nur wenn wir dazu bereit sind kommen wir dem Ziel näher.

Begeisterung

Munter wanderte ich am Morgen weiter. Mir ging Vieles durch den Kopf: ‚Es ist wirklich toll, dass ich schon zwölf Türen geschafft habe. Jetzt muss ich doch kurz vor dem Ende sein. Ich kann zwar den Gipfel von hier aus nicht erkennen, aber die nächste oder übernächste Tür wird wohl die letzte sein.‘ Ich steigerte mich so richtig in diese Gedanken hinein und war einfach nur begeistert, dass ich schon so viel erreicht hatte.

Nach dem Essen in der nächsten Höhle machte mein Gegenüber ein trauriges Gesicht. „Was ist los?“

Er deutet nur stumm zur Wand:

Der Herr ist es, der die Türen öffnet.

Ich erschrak. Mir wurde erst jetzt bewusst, dass ich das alles nicht aus eigener Kraft geschafft hatte.

Ich bat Gott um Verzeihung und ich spürte ein Kopfnicken und ein Lächeln.

Auch mein Tischnachbar machte jetzt ein fröhliches Gesicht. „Weil Du Dich von der Last des Stolzes getrennt hast ist jetzt die dreizehnte Tür für Dich offen.

Der Angriff

 Am nächsten Tag ging ich sehr nachdenklich weiter: ‚Scheinbar gibt es da noch viel mehr als ich geahnt hatte was ich noch loswerden soll.‘ Deshalb befürchte ich, dass der Weg noch sehr lange werden kann.

Plötzlich sah ich einen Türrahmen ohne Tür vor mir. Er führte scheinbar in ein unterirdisches Labyrinth.

Mich ergriff panische Angst die Türschwelle zu überschreiten: ‚Wie soll ich da drin einen Ausweg finden?‘

In meiner Verzweiflung betete ich. Ich spürte die Antwort: „Drei Mal links und vier Mal rechts.“ Sofort dachte ich: ‚Dann gehe ich ja im Kreis.‘ Kurz darauf: ‚Das stimmt nur wenn ich quadratisch denke.‘ Wieder war ich ganz durcheinan­der und betete nochmal. Die Antwort: Ein Lächeln und „Geh wie Du willst.“ „Ich komme also auf jeden Fall wieder heraus.“ „Natürlich, ich lasse Dich doch nicht im Stich!

Beruhigt wollte ich weiter gehen. Aber die Angst wurde größer und ich war wie erstarrt. Wieder betete ich: „Was hält mich hier fest?“ „Der Feind. Aber es ist Deine Entscheidung ob Du weiter gehst oder nicht. Er kann Dich nicht am Wei­tergehen hindern wenn Du es ernsthaft willst, weil Ich bei Dir bin.“ „Ja Du bist bei mir.“ wiederholte ich um mir Mut zu machen. ‚Wenn ich hier stehen bleibe komme ich nie ans Ziel.‘ So machte ich einen beherzten Schritt über die Schwel­le und fühlte mich frei. „Hier bist Du mir so nahe, dass er mich nicht erreichen kann.“ „Richtig.

 

Als ich den Ausgang erreichte kamen wieder Zweifel hoch: ‚Kann mich der Feind hier draußen wieder belästigen?‘ Ich dachte an meine Katze und ging mu­tig weiter. Tatsächlich hatte mir der Gedanke an sie und an das Ziel die Angst genommen. Bald erreiche ich die nächste Höhle.

 

Nachdem ich mich lange Zeit ausgeruht hatte ging ich wie immer in den Speise­raum. Diesmal war für Vier gedeckt. Mir schräg gegenüber saß eine Frau.

Nach dem Essen sah sie mich fragend an. Ich verstand nicht und war verwirrt. Sie stand auf und ging in das Zimmer ganz links.

„Habe ich etwas falsch gemacht?“ „Nein, Du bist nur noch nicht so weit.“ erklärt mir mein Tischnachbar. Von meinem Gegenüber vernehme ich die Worte:

Weil es Dir heute gelungen ist die Last der Angst abzugeben ist die vierzehnte Tür für Dich offen. Der Weg ist noch weit, aber Du wirst immer leichter.

An der Wand leuchtet eine Schrift auf:

Die Liebe kennt keine Furcht.

Der Bär

 

Beim Weitermarschieren fühlte ich mich diesmal bärenstark. Mit kräftigen Schritten kam ich immer höher. Ich war so kräftig, dass mich der Marsch heute nicht ermüdete.

Aber am Schluss des Tages stand ein großer Bär von der nächsten Höhle und brummte furchteinflößend. Ich geriet nicht in Panik. Das war die Frucht, dass ich meine Angst abgegeben hatte. ‚Was sollte ich jetzt tun?‘ Plötzlich gewahrte ich, dass am Wegrand ein Speer und ein Schwert in der Erde steckten.

Mit beiden kann ich nicht umgehen, aber mir wurde bewusst, dass hier andere Gesetze herrschen und ich mit beiden meisterhaft umgehen könnte.

‚Ich kann mit dem Speer den Bären stark verletzen um in dann mit den Schwert zu besiegen.‘ Aber irgendwas sträubt sind in mir. ‚Ich will ihn nicht töten. Aber was kann ich sonst tun?‘

Ich redete ihn an und das Brummen wurde sanfter, aber es war immer noch zu spüren, dass er mich auf keinen Fall durchlassen würde.

Wieder fiel mir ein, dass mir hier nichts unmöglich ist. Also wünschte ich mir ei­nen großen Topf voll Honig – und schon war er da. Ich machte eine einladende Geste zum Bären hin und er stürzte sich auf den Honig mit der Bemerkung: „Du bist klüger als ich dachte.“ Ich konterte: „Du bist genauso gierig wie ich vermu­tet hatte.“ Wir lachten einander an und ich ging weiter.

 

Als ich zum Abendessen kam war wieder für Vier gedeckt und die Frau saß mir wieder schräg gegenüber. Nach dem Essen vermied sie es mich anzusehen. Sie wollte mich nicht in Verlegenheit bringen. Mir war trotzdem irgendwie unwohl.

Mein Tischnachbar lenkte mich ab: „Die Menschen haben uns nie richtig ver­standen. Immer meinen sie Feinde mit Feuer und Schwert ausrotten zu müssen. Dabei habe ich ihnen doch gesagt, dass sie ihre Feinde lieben sollen und dass sie ihren Feinden in der Not helfen sollen. Solch eine Hilfe hat die Kampfkraft wie glühende Kohlen über ihr Haupt.

Du hast Dich hier gut eingewöhnt und die Möglichkeiten, die Du hier hast, ge­nutzt. Du hast einen Feind, der nicht in Not war, wie einen Freund beschenkt. So hat der Honig mehr Kampfkraft als glühende Kohlen.

Es kann doch nicht sein, dass nur Du Meine Worte verstanden hast.

Weil Du Dich von der Last der Lieblosigkeit befreit hast ist jetzt auch die fünf­zehnte Tür offen.

 

An der Wand lese ich:

Gib Deinem Feind das was er braucht,

damit sein Zorn und Hass verraucht.

Immer im Kreis

Wieder einmal ging ich meinen Weg. Aber nach Stunden erkannte ich, dass ich hier schon einmal war. ‚Habe ich mich verlaufen? Bin ich irgendwo falsch abge­zweigt? Ich kann mich an keine Abzweigung erinnern.‘ Ich wurde immer mutlo­ser: ‚Immer im Kreis laufen ist doch sinnlos. Was habe ich falsch gemacht? Achtsamkeit? Ich muss meinen Weg achtsamer gehen. Genau jedes Gebüsch anschauen, ob ich etwas finde, was mir weiter hilft. Der rechte Weg müsste links abbiegen. Also achte ich jetzt ganz besonders auf den linken Wegrand.‘

Mit ein wenig Hoffnung ging ich weiter. Trotz aller Achtsamkeit kam ich am Schluss wieder an die gleiche Stelle. Ich war am Verzweifeln. Aber dadurch stellte sich eine Trotzreaktion ein: ‚Ich will nicht aufgeben. Ich weiß doch, dass es mit Gottes Hilfe weiter geht, auch wenn ich mir das im Augenblick nicht vor­stellen kann.‘

Also marschierte ich nochmals los und achtete jetzt besonders auf die rechte Seite: ‚Wieder nichts. Ich komme jetzt schon zum dritten Mal durch diese Schlucht – eingeschlossen von Felsen. Wo soll ich da etwas finden? Das ist ein­fach trostlos. Aber ich will nicht aufgeben. Nicht mich und nicht die Hoffnung, die Zuversicht und das Vertrauen. Hier ein dicker Busch der sich lang dahin­zieht. Der Fels ist hier etwas weiter weg, so dass die Enge der Schlucht breiter ist.‘

Ich ging den Busch entlang bis zu seinem Ende. Wie erstaunt war ich, als ich hinter dem Busch einen kleinen Weg entlang des Felsens fand. Auf ihm ging ich ein Stück zurück und kam zur nächsten Höhle.

 

Hier stand eine Frau im Essraum und winkte mir freundlich zu. Dann ging Sie in ihr Zimmer. ‚Offensichtlich hat Sie auf mich gewartet und sich gefreut, dass ich es geschafft habe.‘ Auch ich war glücklich, dass ich es geschafft hatte. ‚Auf Gott ist eben immer Verlass. Mit Ihm geht es immer weiter. Mit Ihm komme ich si­cher ans Ziel. Das will ich mir jetzt ganz fest einprägen und immer danach han­deln.‘

Nach dem Essen im Schweigen hatte ich das Gefühl, dass mich alle bewundernd ansahen. Mein Gegenüber verkündete: „Weil Du die Last der Verzweiflung ab­gelegt hast ist die sechzehnte Tür nun offen.

Der Text an der Wand macht mich sehr nachdenklich:

Wer zweifelt fragt nach Mir –

wer verzweifelt hat Mich aufgegeben.

Der Abgrund

Ein langes Tunnel führte hinter meiner Tür ins Freie. Es dauerte sehr lange bis ich endlich wieder die Sonne sehen konnte, den blauen Himmel und die ver­schiedenen Wolkengebilde. Ich genoss das alles und vergaß alles um mich her­um.

Plötzlich rutschte ich aus und fiel in eine tiefe Schlucht. Ich hatte große Schmer­zen versuchte mich aber trotzdem aufzurichten. Es ging nicht. Das dürfte kein Problem sein: ‚Hier geschieht ja alles was ich will. Also wünsche ich mir gesund zu sein.‘ Nichts veränderte sich. ‚Was ist geschehen? Gelten die Gesetze die bis­her hier gegolten haben plötzlich nicht mehr?‘ Hilflos lag ich da und wusste nicht weiter.

Da erschien eine seltsame Gestalt, die sich offensichtlich über mich freute.

Du bist in meinen Herrschaftsbereich eingedrungen. Sei herzlich willkommen.

Die freundliche Begrüßung irritierte mich. „Kannst Du mir helfen?“ „Das würde ich gern tun, aber es ist nur möglich, wenn Du die Wirklichkeit anerkennst.

„Welche Wirklichkeit?“ „Dass Du mein Reich nicht mehr verlassen kannst.

„Mit Gott ist mir nichts unmöglich.“ „Das ist wohl wahr. Aber Er hat mir dieses Reich zugewiesen und wir haben eine Abmachung, dass Er hier nicht eingreifen wird – egal was geschieht. Er wird dieses Reich niemals betreten.“ „Das soll ich glauben?“ „Ob Du mir glaubst oder nicht ändert nichts daran, dass es so ist.

„Ich bin jetzt also Dein Gefangener?“ „So würde ich es nicht nennen. Ich will Dich nur reichlich beschenken.“ „Mit was willst Du mich beschenken?“ „Mit Ge­sundheit, ewiger Jungend und Macht. Du wirst Dein eigener Gott sein. Du kannst Deine eigene Welt erschaffen. Du kannst alles bewirken was Du willst. Nur nach Auszeit kannst Du nicht zurückkehren.

„Das ist doch nicht möglich.“ „Doch! Er hat mir die Macht dazu gegeben und ich will sie auch anderen schenken, weil ich ein Menschenfreund bin. Auch wenn mir das die Meisten nicht glauben.“ „Das ist auch wirklich unglaublich.“ „Aber ich sage die Wahrheit.“ und er setzt betont dazu: „Wie immer!“ „Ich kann das alles im Moment nicht begreifen.“

 

Du musst Dich auch nicht sofort entscheiden. Ich komme später wieder mal vorbei.

Er ging und ich lag immer noch hilflos da ohne mich bewegen zu können. ‚Ich will ihm nicht glauben.‘ Ich betete um Hilfe: Nichts geschah. Ich schrie um Hilfe und schrie vor Schmerz: Nichts geschah. ‚Gott scheint hier wirklich nicht da zu sein wie er gesagt hat. Sollte etwa doch alles stimmen was er behauptet hat? Das darf doch nicht sein. Wenn ich ihm glaube dann kann ich mein eigenes Himmelreich erschaffen. Auf alle Fälle besser als hier bewegungslos zu liegen.‘

 

Die Situation kommt mir bekannt vor: ‚Als mir die Wahrheit zeigte wer ich bin, war ich ein Sünder, weil ich ein Geschenk angenommen hatte. Soll ich hier ein Sünder werden?‘

Plötzlich tauchte diese seltsame Gestalt wieder auf: „Du kannst hier kein Sün­der werden denn Du bist schon einer. Wenn Du mein Angebot annimmst, dann kannst Du Deinen Geschöpfen die Sünden vergeben, falls Du ihnen erlaubst zu sündigen. Ich sehe Du hast Dich noch nicht entschieden. Dass Dir die Entschei­dung leichter fällt nehme ich den Schmerz von Dir.“ Er ging und ich war schmerzfrei, aber bewegen konnte ich mich noch nicht.

Ich kam mir vor als wäre ich von allen guten Geistern verlassen: ‚Kein Rat, keine Idee, einfach Nichts wie es weitergehen soll. Wenn ich ihm glauben würde, würde ich dann sein Angebot annehmen? Ich möchte Nein sagen, aber es ge­lingt mir nicht wirklich.‘

Immer wieder besuchte er mich mit einem siegessicheren Lächeln, aber er drängte mich nicht zu einer schnellen Entscheidung. In meiner Hilflosigkeit mal­te ich mir das Himmelreich aus, das ich erschaffen würde. Dabei wollte ich im­mer wieder Gottes Schöpfung verbessern, aber letztendlich war meine nicht besser. ‚Welches Ziel kann ich meiner Schöpfung anbieten?‘ Ich merkte, dass ich überfordert war. Alle Weisheit, die ich mir wünschen könnte, würden das Problem nicht lösen.

Also entschloss ich mich das Angebot nicht anzunehmen.

Die seltsame Gestalt war etwas verstimmt, dass ich ablehnte – kam aber ab und zu vorbei um zu erfahren ob ich meine Meinung geändert hätte.

 

Die kurzen Momente, die ich nicht allein war, taten mir gut, andererseits wollte ich ihn los werden.

In der Einsamkeit ging mir immer wieder mein ganzes Leben durch den Kopf und so erinnerte ich mich an Psalm 141:

 

1 HERR, ich habe dich gerufen, eile mir zu Hilfe!

Höre auf meine Stimme, wenn ich zu dir rufe!

3 HERR, stelle eine Wache vor meinen Mund,

behüte das Tor meiner Lippen!

4 Neige mein Herz nicht zum bösen Wort,

damit ich nicht frevlerische Taten verübe

zusammen mit Männern, die Unrecht tun,

damit ich nicht koste von ihren Genüssen!

5 Schlägt mich ein Gerechter, ist es Liebe,

weist er mich zurecht, ist es Salböl,

das mein Haupt nicht verweigert.

Ja, immer noch bete ich für sie trotz ihrer Bosheit.

8 Doch auf dich, GOTT und Herr, richten sich meine Augen,

bei dir habe ich mich geborgen, gieße nicht aus mein Leben!

 

Ich betete ihn jetzt immer wieder. Mit der Zeit stellte ich fest, dass er jedes mal sofort wieder weg war, wenn er mich beim Beten erwischte. Also betete ich je­des mal Psalm 141 wenn er kam und schon bald kam er überhaupt nicht mehr.

 

Irgendwann kam er dann doch noch und schrie mich an: „Sei still!“ Ich betete weiter. Ein kräftiger Schmerz durchfuhr mich. Ich hörte auf zu beten. „Steh auf!“ Ich konnte wirklich aufstehen und dann vertrieb er mich aus seinem Reich. Wie in meinen besten Jahren rannte ich den schmalen Pfad entlang, der aus seinem Herrschaftsbereich heraus führte. Ich rannte bis ich zusammen­brach.

Eine Hand streckte sich mir entgegen und richtete mich wieder auf. Die Frau führte mich zur nächsten Höhle.

 

Vor dem Essen bemerkte sie: „Es war köstlich als er zu uns kam und uns fle­hentlich darum bat Dich vertreiben zu dürfen. Er hat Deine Gebete einfach nicht mehr ausgehalten.“ Die Anderen nickten zustimmend.

Nach dem Essen in Stille meinte mein Nachbar: „In der Wüste wurde ich auch in Versuchung geführt. Du bist ein würdiger Nachfolger.“ Dann setzte mein Ge­genüber dazu: „Es ist Dir gelungen der Last der Versuchung zu widerstehen. Da­mit hat sich die siebzehnte Tür geöffnet.“ „Es war ein schwerer Kampf. Ich glau­be es wäre gut hier länger zu verweilen um neue Kräfte zu schöpfen.“ Die Frau antwortete darauf: „Ja die abgewiesene Versuchung hat Dich gestärkt und er­müdet. Bleibe solange Du willst. Du wirst noch all Deine Kräfte brauchen.

An der Wand stand:

Bete und bitte allezeit, dann ist Dir kein Weg zu weit.

Eine Veränderung

Ich genoss die Sicherheit in dieser Höhle. Keine Anfechtungen, ja nicht einmal dumme Gedanken. Ich empfand das als wahre Freiheit. Nichts konnte mich von der Geborgenheit Gottes ablenken. Ich fühlte mich ganz und gar geborgen.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, als würde die Höhle jeden Tag größer.

Die Zimmereinrichtung wurde reichhaltiger und edler. Der einfache Esstisch wurde ganz vornehm – ebenso das Geschirr. Die Felsenwände bedeckte sich mit kostbaren Gemälden. Schließlich war alles wie in einem Schloss – Luxus pur.

Ich war sehr verwundert. So etwas hätte ich niemals erwartet.

Da erklärte mir mein Gegenüber: „Du und wir sind Spiegelbilder Deines Inneren. Wenn Du immer eng mit uns verbunden bleibst, dann wir diese Veränderung in Dir geschehen und Du wirst innerlich unvorstellbar reich und kostbar.

 

Nach dieser Belehrung verwandelte sich alles ganz langsam wieder in den ur­sprünglichen Zustand. „Was ist jetzt los? Habe ich euch irgendwie verloren?“ „Nein, Du sollst Dich nur nicht an den Luxus gewöhnen.“ Mein Tischnachbar er­gänzte: „Selig die arm sind vor Gott.“ Dir Frau fügte hinzu: „Denn sie lassen sich von Gott beschenken und erleben so Himmelreich. Man könnte sagen wir sind das Himmelreich.“ „Wenn das so ist will ich arm bleiben und mich beschenken lassen.“ lächelte ich. Alle schauten zur Wand und ich folgte ihren Blick:

Erlebe Himmelreich all Deine Tage,

dann wird Nichts und Niemand Dir zur Plage.

 

Aufgemuntert durch diese Worte erkannte ich, dass es Zeit war weiter zu wan­dern.

Leichtigkeit

Am nächsten Tag machte ich mich beschwingt auf den Weg und erreichte ohne Probleme die nächste Höhle.

Am Abend unterhielten wir uns gemütlich über meine bisherige Reise.

Doch am Schluss erschrak ich: „Ich habe ja heute nichts abgelegt um die acht­zehnte Tür zu öffnen.“ Fröhlich teilte mir die Frau mit: „Sie ist schon offen.

„Wieso?“ „Du wolltest arm sein vor Gott und Dich beschenken lassen.“ „Richtig, aber was hat das damit zu tun?“ „Damit hast Du die Last des Reichtums, die Last der falschen Werte und die Last der falschen Sicherheiten hinter Dir gelas­sen. Da bist Du ganz viel los geworden. Hast Du auf dem Weg hier her nicht die­se neue Leichtigkeit gespürt?“ „Jetzt wo Du es sagst fällt es mir erst auf, dass der Weg heute besonders leicht war.“

An der Wand las ich:

Nimm an die Gaben, die Gott Dir schenk,

weil Er Deine Wege lenkt.

 

Eine Entscheidung

Bei meiner weiteren Wanderung kam ich zu einem Aussichtspunkt. Ganz rechts der Sportplatz, halbrechts weiter hinten das Dorf und daneben die Wirtschaft.

Vor mir Nichts - absolut Nichts – nicht einmal Boden. Aber das Nichts hatte eine Ausstrahlung. Ich merke, dass das Nichts nicht nichts ist.

Es war wunderbarer als die herrlichste Aussicht. Ich war einfach fasziniert und ganz tief beeindruckt. ‚Spiegelt sich da Etwas von meinem tiefsten Inneren wie­der?‘ Ich hatte Sehnsucht nach diesem Nichts und wollte ganz in diesem Nichts sein. Ich wollte mich hineinstürzen.

Zuvor überlegte ich: ‚Meine drei Begleiter werde ich auch dort treffen.‘ Aber dann wurde mir bewusst: ‚Meine Katze werde ich dort nicht finden.‘ Also ging ich sehr nachdenklich weiter.

In der nächsten Höhle nach dem Essen erzählte ich begeistert und aufgeregt von meinem Erlebnis. Sie hörten mir geduldig zu obwohl sie wahrscheinlich schon alles wussten.

Du hast die Last des Leichtsinns abgelegt und damit ist die neunzehnte Tür ge­öffnet.

Erstaunt laß ich an der Wand:

Die Liebe führt Dich auf den rechten Weg.

 

Plötzlich höre ich ein Miau. Die Frau klärt mich auf: „Die Katze bedankt sich, dass Du ihretwegen weitergegangen bist.“

Der Sumpf

Leichtfüßig machte ich mich am nächste Morgen wieder auf den Weg. Lange Zeit schien es eine problemlose Wanderung zu werden. Doch dann stand ich vor einem Sumpf. Ich konnte ihn nicht umgehen. ‚Einfach durch? Hier kann mir ja nichts passieren. Aber ich könnte steckenbleiben und hilflos und bewegungs­unfähig mitten im Sumpf enden.‘ Ich hatte meine letzte Bewegungsunfähigkeit noch ganz tief in Erinnerung. ‚So geht es nicht, aber es muss noch eine andere Möglichkeit geben den Sumpf zu überwinden. Ich bin beschützt und behütet und es geht immer weiter. Aber wie?‘ Ich schloss meine Augen und bekam eine Eingebung: Ich öffnete meine Augen wieder und fixierte ganz gründlich den kleinen Hügel jenseits des Sumpfes. Dann schloss ich meine Augen wieder und stellte mir ganz intensiv vor, dass ich auf dem Hügel sei.

Als ich meine Augen öffnete war es wirklich so.

Bald kam ich zur nächsten Höhle und mein Gegenüber meinte anerkennend: „Dir ist ein Akt des Glaubens gelungen.“ Mein Nachbar, der wieder ganz in Sei­ner Vergangenheit verweilte, meinte: „Ich wäre einfach darüber gegangen. Aber jeder auf seine Weise.“ Die Frau lächelte: „Du hast die Last Deiner Zweifel, ob das wirklich möglich ist, besiegt und so steht für Dich jetzt die zwanzigste Tür offen.

An der Wand standen die Worte:

Nur wer das Unmögliche glauben kann

wird Unmögliches bewirken.

Die Gabe

In der nächsten Station erzählte ich nach dem Essen von meinem Erlebnis un­terwegs: „Heute ist mir ein Mensch begegnet.“ „Da muss es um etwas ganz Wichtiges geben. So was kommt nur äußerst selten vor.“ gab mein Tischnach­bar zu bedenken. „Er gab mir einen Spiegel und ging einfach weiter.“ „Das muss für Dich schrecklich gewesen sein, was Du darin gesehen hast.“ bemerkte die Frau mitleidsvoll. „Genau ich sah das Elend und die Not der ganzen Welt und ich war zu tiefst erschüttert.“ „Und wie reagierst Du darauf?“ fragte mich mein Gegenüber.

 

„Was kann ich schon gegen das ganze Unheil in der Welt tun?“ Es entstand eine Stille aber schließlich redete ich weiter: „Kannst Du mir die Gabe der Heilung schenken? Damit könnte ich wenigstens ein klein wenig was lindern.“ Meine Gegenüber den ich angesprochen hatte meinte dazu: „Hier hilft Dir diese Gabe nichts. Hier wird niemand krank und niemand liegt am Sterben. Auch in Deiner Welt wird Dir die Gabe wenig nützen.“

Das wollte ich nicht glauben: „Warum sollte es mir wenig nützen wenn ich Je­dermann heilen kann?“ „Genau das darfst Du eben nicht. Du würdest die Welt­ordnung durcheinanderbringen.

Jetzt verstand ich überhaupt nichts mehr und machte ein dämliches Gesicht. „Überlege doch mal: Würdest Du alle Sterbenden heilen, weil Du so ein mitleidi­ges Herz hast, dürften keine Kinder mehr auf die Welt kommen, oder ihr müss­tet bald neue Welten suchen, was euch aber noch lange nicht möglich ist. Des­wegen kannst Du nur jemanden heilen, wenn unser Vater diese Heilung will. Nur Er hat den Überblick über Seinen Heilsplan.

Das war für mich verständlich: „Ich werde die Gabe also nur anwenden, wenn es der Wille des Vaters ist. Allerdings werde ich die Welt so nicht groß verän­dern können. Aber unser Vater wird schon wissen was Er tut.“ Die Frau lächelte mir zu: „Weil Du die Last des Weltverbesserns aufgegeben hast ist jetzt die ein­undzwanzigste Tür offen.

 

Mein Gegenüber stand auf, hielt Seine Hände über mich und murmelte unver­ständliche Worte. Dann erklärte Er mir: „Jetzt hast Du die gewünschte Gabe.

An der Wand las ich:

Bittet und ihr werdet erhalten.

Der Ruf

Fröhlich machte ich mich wieder auf den Weg. Es war ein herrlicher Tag und es schien keine Hindernisse oder Probleme zu geben. Plötzlich ging ein Weg ziem­lich steil bergab. Er war nicht schwer zu gehen und ziemlich breit, aber ich war enttäuscht, dass er in die Tiefe ging. Innerlich schimpfte ich vor mich hin.

Da hörte ich eine Stimme: „Hallo!“ Ich blieb stehen und schaute nach oben, aber Felsvorsprünge verhinderten, dass ich die Ruferin sehen konnte. Als ich wieder nach unten schaute stellte ich fest, dass ich vor einem kleinen Weg stand, der zwischen den Felsen hindurchführte. Wäre ich nicht stehen geblie­ben hätte ich in meinem Unmut den Weg glatt übersehen.

Ich nahm den Weg, weil er mich näher zu der Stimme führte. Nach einem lan­gen Marsch war ich total ausgepowerd und schaffte es nicht den kleinen Fels vor mir zu erklimmen. ‚Wenn ich noch fit gewesen wäre hätte ich das mit Leich­tigkeit geschafft. Aber jetzt liegt er mitten im Weg und versperrt mir die Mög­lichkeit weiter zu kommen.‘

Da sehe ich plötzlich über mir eine Hand und ergreife sie. Sie zeiht mich hoch und ich stehe vor der Frau: „Danke Mama.“ Sie strahlt bei der Anrede und führt mich in die Höhle, die gleich daneben steht.

Nach dem Essen fragte mich mein Gegenüber: „Was haben die Worte im Alten Testament zu bedeuten, dass Mann und Frau eins werden sollen?“ Ich war über die Frage verwundert: „Biologisch kann es nicht gemeint sein, denn das Gefühl des Einssein ist nur kurz und dann sind es doch wieder zwei.“ „Richtig.“ ertönte eine Stimme und ich überlegte weiter: „Wenn nur Männer bestimmen, wie es lange Zeit üblich war und oftmals auch noch heute ist, dass entwickelt sich die Welt nicht so wie sich der Schöpfer das gewünscht hätte.“ „Ebenfalls richtig.“ hörte ich jetzt eine weibliche Stimme. Also überlegte ich weiter: „Aber wenn nur Frauen bestimmt hätten gäbe es viele Probleme, die wir heute haben, nicht, aber dafür sicherlich anderen.“ Ich denke nochmals weiter: „Also klappt ein Leben für Alle nur, wenn wir den Willen des Schöpfers erkennen. Aber das können weder Frauen noch Männer allein. Das können sie nur gemeinsam.

Also müssten alle Posten, die Entscheidungen zu treffen haben, jeweils mit ei­ner Frau und einem Mann besetzt sein, wobei keiner von beiden das letzte Wort haben dürfte. Nur gemeinsame Beschlüsse dürften umgesetzt werden. So könnte man Einseitigkeiten vermeiden und vielleicht sogar, mit Gottes Hilfe, ei­ne bessere Welt schaffen als Abglanz der künftigen.“

Ich war von der langen Rede ganz erschöpft, doch mein Gegenüber meinte an­erkennend: „Du hast es kapiert.“ Mein Nachbar meinte dazu: „Weil Du die Frei­heit gewonnen hast den Vater als Mutter zu sehen ist die zweiundzwanzigste Tür für Dich geöffnet.
Die Wand zeigte mir folgende Worte:

 Sturheit blockiert – Zusammenarbeit belebt.

Über die Wahrheit

Vor dem Frühstück saß ein uralter Mann mit langem Bart auf dem Platz der Frau. Ich musste lauthals lachen: „So altmodisch denke ich jetzt wirklich nicht mehr, dass ich Dich für einen alten Greis halten würde.“ Offensichtlich fand es der Mann überhaupt nicht lustig: „Meint ihr wirklich, dass ihr von dieser Vor­stellung weggekommen sein? Wie viele glauben immer noch, dass ich mit ei­nem Fernglas oder vielleicht sogar unter einem Mikroskop alles genau beobach­te was jeder Einzelne tut und dass ich dann sorgfältig auch die kleinste Kleinig­keit genau in ein Buch eintrage um Alle dann in die Hölle schicken zu können. Nur Wenige haben umgedacht und erkannt wie sehr ich mich nach euch sehne und wie sehr ich sie liebe.

Sie nennen das Verweigern des Umdenkens Tradition oder gar eine eigenwillige Auslegung der Bibel die amtlich nicht bestätigt ist. Sie wollen sich am Alten fest­klammern, weil sie meinen, dass ihnen das Sicherheit schenkt und sie so nichts falsch machen können.

Dabei machen sie so alles falsch. Sie sollen sich an Mich festhalten!

Er wurde beim Sprechen immer erregter und ich erkannte wie es Ihn schmerz­te, dass es Vielen nicht um eine persönliche Beziehung zu Ihm ging, die von Vertrauen getragen wird.

Alle waren wir sehr betroffen und ich wusste nichts zu antworten. Er stand auf und ging in Sein Zimmer. Nach Kurzem kam wieder die Frau heraus, die wir jetzt schon lange kannten. Verlegen aber bestimmt bemerkte ich: „Ich will mich nicht am Alten festhalten. Ich bin bereit zum Umdenken. Ich will eine tiefe per­sönliche Beziehung zu Euch.“ „Da hast Du Dir aber etwas vorgenommen.

Meinte mein Nachbar. Mein Gegenüber verkündete:

Da Du die Freiheit vom Hängen am Alten gewonnen hast wirst die die dreiund­zwanzigste Tür öffnen können, wenn Du keinen Fehler machst

“ Ich erschrak: „Was kann ich denn falsch machen?“ „Du wirst auf Deinen Weg auf drei Türen stoßen. Versuchst Du die richtige zu öffnen, dann geht sie auf. Versuchst Du aber eine falsche Tür zu öffnen, dann ist die richtige Tür beleidigt und verschließt sich.“ erklärte mir mein Nachbar. ‚Beinahe hätte ich darüber ge­schmunzelt, wenn es nicht um so etwas Ernstes gehen würde.‘

An der Wand lese ich:

Wenn nicht der Herr über Dich wacht

wachst Du trotz aller Aufmerksamkeit umsonst.

 

So ganz verstand ich den Text nicht:

‚Gemeinsam und vertrauensvoll mit Gott wachen?

Wo und wann darf ich nicht einschlafen?

Selbst wenn ich einschlafe passiert mir nichts Schlimmes?

Versäume ich Etwas wenn ich einschlafe?

Wann darf ich schlafen?

Muss ich auf all diese Fragen eine Antwort finden?

Oder genügt: Ich vertraue auf Dich?‘

 

Also zog ich nach dem Frühstück sehr nachdenklich weiter.

Schließlich kam ich zu den drei Türen: Auf der linken stand nur 23, auf der mitt­leren Eine Zeugin und ganz rechts waren nur unlesbare Hieroglyphen. Ich woll­te schon die linke Tür öffnen doch dann dachte ich mir: ‚Das ist zu einfach, das kann es nicht sein.‘ Die mittlere Tür machte mich neugierig, aber wie sollte ich erkennen, dass sie die richtige war? Ich vertiefte mich in die Hieroglyphen aber sie nahmen keinen Sinn an. ‚Also zurück zur mittleren Tür.‘ Ich beobachtete sie lange. Dann nur die beiden Großbuchstaben: EZ. Da wurde mir klar: ‚Wenn ich sie auf den Kopf stelle, dann haben sie eine Ähnlichkeit mit 23. Das muss es sein.‘ Ich versuchte die Tür zu öffnen und es gelang.

 

Ich kam in einen Raum in dem eine schöne Frau, die ich nicht kannte, an einem Tisch saß. Sie lud mich zu Tee und Kuchen ein. Ich wusste nicht wie ich ein Ge­spräch anfangen sollte, aber es war nicht nötig, weil sie nur einen Zuhörer suchte: „Ich war die Einzige die Ihn nach Seinem Tod und vor Seiner Auferste­hung gesehen hat.“ meinte sie nachdenklich: „Stelle Dir das mal vor – Du willst einem Toten die letzte Ehre erweisen und plötzlich hörst Du Ihn und siehst Ihn. Das ist nur durch die Liebe möglich.“ Noch ganz fasziniert erzählte sie weiter:

Niemand hat mir geglaubt. Petrus und Johannes liefen zwar zum Grab, stellten aber nur fest, dass es wirklich leer war.

Wenigstens Johannes glaubte mir daraufhin. Aber mich wundert es, dass Johan­nes, der ganz aus Seiner Liebe gelebt hat, Ihn nicht sehen konnte.

Daraufhin war mir einen Augenblick lang schwindlig und ich schloss meine Au­gen. Ich hörte noch ihre Stimme: „Wenn Du die Wahrheit sehen willst, dann denke an mich.“ Als ich meine Augen wieder öffnete war sie nicht mehr da.

 

‚Die Wahrheit sehen wollen – an sie denken?

Die Wahrheit sehen wollen geht nur durch die Liebe.

Die Wahrheit sehen wollen ist für Frauen leichter als für Männer?

Auf jeden Fall werde ich ohne meine Katze die Wahrheit nicht sehen können.‘ Das wurde mir jetzt klar.

Bedächtig, langsam und nachdenklich verließ ich den Raum und ging weiter.

 

Kurz vor der nächsten Höhle war eine herrliche und weite Wiese. Dort spielten eine Frau, ein Mann und ein Kind. Ich musste sofort daran denken, dass auf ei­nem Deckengemälde mein Gegenüber bei Tisch als Kind dargestellt ist. Es be­stand kein Zweifel: Es waren meine täglichen drei Tischgenossen. Aber irgend­etwas stimmte nicht.

Als mich das Kind erblickte lief es freudig auf mich zu: „Wir haben uns verwan­delt. Niemand ist der den Du siehst. Du musst herausfinden wer von uns wer ist.“ Ich dachte über die Aufgabe nach und kam zu dem Schluss: „Unlösbar! Ich müsste mindestens von einer Person wissen wer sie wirklich ist um Rückschlüs­se auf die anderen ziehen zu können. Aber für jede Person gibt es zwei Mög­lichkeiten, so dass ich keine eindeutig bestimmen kann.

Der Mann kann die Frau oder das Kind sein.

Die Frau kann der Mann oder das Kind sein.

Das Kind kann die Frau oder der Mann sein.

Wie soll ich da jemanden eindeutig erkennen können? Hoppla!

Es gibt nur eine Person die Frau und Mann sein kann.

Ich habe es ja selbst erlebt. Es ist die Person, die ich normalerweise als Frau sehe.

Also ist das Kind die Frau.

Dann kann der Mann weder Frau noch Mann sein und ist somit das Kind

und die Frau kann dann nur noch der Mann sein.

Somit wäre das Rätsel gelöst. Aber nur wenn meine erste Voraussetzung stimmt.“ So ganz sicher war ich mir irgendwie doch nicht. Ich wollte keine vor­schnelle Antwort geben: „Es muss noch eine andere Methode geben um die Wahrheit herauszufinden. Was könnte das wohl sein? Logik allein genügt hier­für nicht.“

Ich ging auf das Kind zu uns spürte eine mütterliche Ausstrahlung. Also war es wie vermutet die Frau. Dann ging ich auf die Frau zu und sie roch nach Erde. Also war sie wie ich angenommen hatte der Mann. Schließlich ging ich noch auf den Mann zu und hörte in mir eine Stimme, auch wenn ich nichts verstand. So war es eindeutig, dass es das Kind war. Ich hatte also doch recht gehabt.

Ich führte jeden zu seiner Türe. Als ich an die Wand sah hing dort ein Spiegel. Ich erblickte in ihm eine Katze. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass auch ich mich verwandelt hatte. Wir waren wohl alle für kurze Zeit zwei Personen. Kurz dar­auf sah ich im Spiegel wieder mich selbst.

Über ihm stand auf der Wand:

Nur Gottes Geist kann klar und ungetrübt denken.

 

Weil Du die Freiheit von der Verwirrung gewonnen hast steht für Dich jetzt die vierundzwanzigste Tür offen.

Das Tal der Bäume

Wieder einmal machte ich mich beschwingt auf den Weg. Da war dann eine tie­fe Schlucht neben mir aus der ich viele Geräusche vernahm mit denen ich aber nichts anfangen konnte. Kurz darauf kam ich zu einer Stelle an der der Weg ge­radeaus bergaufwärts führte und eine Abzweigung nach unter zur Schlucht. Als ich gerade aus gehen wollte hörte ich in mir eins Stimme: „Links abbiegen!“ ‚Ich soll schon wieder in die falsche Richtung? Aber ich will folgsam sein.‘ Also ging ich in die Schlucht. Weil ich heute so gut drauf war sogar ohne Murren.

Unten angekommen wurde ich mit einem freundlichen „Hallo!“ begrüßt. Aber ich sah niemanden. Ich schaute verwirrt überall herum. Es war niemand da.

Aus einer anderen Richtung hörte ich eine Stimme kichern. Dann hörte ich nochmals, aus einer dritten Richtung, eine Stimme: „Der hat noch nie einen Baum sprechen gehört.“ Ich war verlegen: „In der Welt aus der ich herkomme sprechen die Bäume nicht.“ Vierte Richtung – vierte Stimme: „Bäume reden überall. Aber ihr seid in eurer Welt so laut, dass ihr nichts mehr hört. Hier in der Stille hast Du uns ganz da oben gehört, auch wenn Du nichts richtig verstehen konntest.“ Die vielen Stimmen aus den verschiedenen Richtungen verwirrten mich: „Redet bei euch ein Einzelner niemals mehrere Sätze oder führt eine gan­ze Unterhaltung?“ „Wir sind Viele und alle sollten zu Wort kommen. So ist das bei uns. Da reden nicht nur Wenige und Alle haben zu folgen. Bei uns darf Jeder so sein wie er ist. Niemand wird geachtet oder besonders geehrt. Du hast mich in Versuchung geführt. Ich habe zu lange geredet.“

Gelächter von allen Seiten. Dann eine ernsthafte Stimme: „Was ist Dein Ziel wenn Du zurück in Deiner Welt bist?“ Ich überlegte lange und fand keine Ant­wort. „Habe ich es euch nicht gesagt, dass diese Wesen nie wissen was sie tun und für was sie es tun.“ „Vielleicht könnten ihm unsere Ältesten helfen.“ „Si­cherlich, geh durch den Wald bis zur großen Lichtung vor der leeren Höhle. Dort findest Du unsere Ältesten.“ „Sie sind die Weisen dieses Waldes.“ „Sie kennen noch die Sagen aus den uralten Zeiten als alle Welten noch eine Einheit waren.

Aber begegne ihnen respektvoll wie es sich gebührt.“ „Aber keine Angst. Sie sind sehr verständnisvoll.

Von den vielen Stimmen aus allen Richtungen brummte mir der Schädel. Ich bedankte mich und machte mich auf den Weg. Ich fand die große Lichtung und stand jetzt in ihrer Mitte: „Was soll ich jetzt tun?“ Wieder Gelächter: „Warum stehst Du so hilflos da?“ „Verneige Dich vor unserem Oberhaupt.“ „Das ist der, der uns alle überragt.“ Ich schaute mich um und sah einen Baum der höher war als alle anderen. Ich verbeugte mich vor ihm.

Was willst Du hier?“ fragte er mich freundlich. „Ich weiß nicht wie mein Leben weiter geht nachdem ich in meine Welt zurückgekehrt bin. Da haben mich die anderen Bäume hier her geschickt.“ „Natürlich kenne ich Deine Zukunft, aber ich darf sie Dir nicht verraten, sonst könntest Du versuchen sie zu ändern.“ ‚Das war jetzt aber gerade nicht besonders hilfreich.‘ dachte ich mir. „Wenn Du zu­rückkehrst bist Du ein vollkommener Mensch. Also brauchst Du Dir über Deine Zukunft keine Sorgen machen.

„Wieso kennst Du meine Zukunft? Die kann doch nur Gott kennen.“ „Ich bin für Dich so etwas wie Gott, weil Du mich geschaffen hast.“ Jetzt war es total aus. Ich kapierte überhaupt nichts mehr. Das waren doch lauter Widersprüche und Unmöglichkeiten. ‚Obwohl hier natürlich nichts unmöglich ist. Aber das geht dann dennoch zu weit.‘ Ich musste mich erst mal setzen. Ich fand, noch immer in der Mitte der Lichtung, einen Baumstumpf. Als ich darauf zuging fragte ich mich: „Entspricht das den Regeln der Höflichkeit hier wenn ich mich jetzt ein­fach hinsetze?“

Also ging erst mal die ganze Lichtung ab und verneigte mich immer wieder, so dass alle Bäume sich geehrt fühlen konnten. Dann setzte ich mich erschlafft nie­der. „Auch wenn er von Nichts eine Ahnung hat; er hat wenigstens Anstand.“ wurde ich gelobt. Ich atmete erleichtert auf: ‚Wenigstens habe ich nichts falsch gemacht.‘ Ich saß jetzt da mit meinem Blick auf den Allerältersten: „Wie soll ich Dich erschaffen haben? Davon müsste ich doch etwas wissen.“ „Du hast uns in Deinem Unterbewusstsein erschaffen, deshalb weißt Du nichts davon. Das war vorhin als Du an der Abzweigung standest.“ „Aber wie kannst Du dann mein Gott sein?“ „Ich bin für Dich wie Gott weil ich Deine Zukunft kenne und Dir hier etwas ganz Wichtiges beibringe.“ „Was denn?“ fragte ich verblüfft.

Alles was Du denkst, fühlst oder sonst irgendwie wahrnehmen kannst wird zur Wirklichkeit. Deshalb ist eure Welt so – sagen wir es mal ganz behutsam – un­vollkommen, weil ihr zuviel Schlechtes denkt, Schlechtes fühlt und viele schlech­te Meinungen habt.

So bleibt eure Welt ein Jammertal obwohl sie euch das schönste Leben schen­ken könne.

Alle Bäume wedelten zustimmend mit ihren Blättern. Ich war erst mal sprach­los.

„Aber wie kann ich das ändern?“ rief ich verzweifelt. „Stimuliere Dein Unterbe­wusstsein damit Du Dir eine friedliche Welt vorstellen kannst; so dass Du fühlen kannst wie es ist in ihr zu leben. Genieße die Vorstellung diese neuen Welt zu er­leben. Lass sie durch Deine Sehnsucht erstehen.

Wieder war ich total überfordert: „Wie kann ich mein Unterbewusstsein stimu­lieren?“

Das kann ich Dir nicht sagen. Ich bin ein Baum in einer zeitlosen Welt und exis­tiere deshalb schon immer und ewig. Ich habe kein Unterbewusstsein.

Das hast Du für mich nicht vorgesehen.

Du erlebst uns real. In Deiner Welt ist auch alles real was ihr auf diese Weise er­schafft, aber ihr könnt es nicht wahrnehmen.

Nur Dein Gott wird Dein Unterbewusstsein richtig stimulieren können. Aus eige­ner Kraft schaffst Du das nicht. Aber Deine Bereitschaft und Dein Wille Dich ver­ändern zu lassen ist dafür wichtig.

Jetzt kennst Du Deine zukünftige Aufgabe wenn Du zurückgekehrt bist.

Ich bedankte mich herzlich. Dann verkündete mein Gegenüber: „Weil er unser Schöpfer ist darf er die Abkürzung durch die Höhle nehmen.“ Ich blieb noch lan­ge schweigend sitzen, weil mich das Ganze einfach überfordert hatte. Dann stand ich auf, verabschiedete mich und folgte dem Gang hinten in der Höhle. Nach einigen Windungen ging es steil bergan und ich dachte: ‚Wenn ich zurück zu dem ursprünglichen Weg gegangen wäre, wäre es einfacher gewesen.‘

Ich war total am Ende als ich, nach endlos langer Zeit, den Gang verließ. Rechts von mir erkannte ich den Weg auf dem ich anfangs gegangen war. Aber zwi­schen diesen Weg und meinem Standpunkt war eine tiefe Schlucht. ‚Auf dem ursprünglichen Weg wäre ich also nie hier her gekommen. Es gab also über­haupt keinen Weg hier her. Ich habe diesen Weg also erst erschaffen indem das Tal der sprechenden Bäume aus meinen Unterbewusstsein entstand. Das ist ganz schön verwirrend. Aber wie geht es jetzt weiter? Ich bin am Ende meiner Kräfte.‘

Da hörte ich plötzlich eine liebliche Melodie. Sie schenkt mir neue Kraft und so machte ich mich erneut auf den Weg. Kurz darauf hatte ich das neue Tagesziel erreicht und ging sofort auf mein Zimmer um auszuruhen.

Nach dem Essen erzählte ich meine Erlebnisse des Tages. Danach schauten mich meine Gastgeber intensiv an: „Ihr müsst mein Unterbewusstsein stimulie­ren, so dass ich mir eine Welt vorstellen kann, so wie Ihr sie Euch gedacht habt.“ Sie nickten zustimmend und die Frau erklärte: „Weil Du Deinen Lebens­auftrag angenommen hast und die Last der Mutlosigkeit abgelegt ist jetzt die fünfundzwanzigste Tür für Dich offen.

An der Wand stand:

Vertraue auf Gottes Hilfe allezeit,

dann bist zum Helfen auch Du bereit.

Angst

Am nächsten Tag ging alles ganz locker und leicht, ganz ohne Probleme.

Nach dem Abendessen schaut mein Gegenüber auf die Wand. Dort stand:

Liebe Deine Feinde.

 

Meine erste Reaktion war: ‚Das kann ich doch gar nicht. Damit bin ich doch to­tal überfordert.‘ Dann dachte ich an Gestern: ‚Erschaffe ich die Feinde selbst? Sie sind doch schon oft in Kopf da bevor sie dann in der Wirklichkeit erschei­nen. Wie kamen sie in meinen Kopf? Ich glaube es ist die Angst, die aus Men­schen Feinde macht. Also ist die Angst der wahre Feind. Kommt die Angst aus zu wenig Selbstbewusstsein? Meine ich, dass ich mich nur behaupten kann, wenn Andere Angst vor mir haben? So beginnt der Kreislauf des Beherrschens, der Angst, der Feinde im Kopf, die dann zu wirklichen Feinden werden – und dann beginnt der Krieg im Großen und im Kleinen, wo es wieder nur ums Be­herrschen geht.

Die Liebe soll mir das nötige Selbstvertrauen schenken, damit ich keine Angst mehr zu haben brauche. Die Liebe kennt keine Furcht.‘

Voll Begeisterung rief ich: „Ihr seid die Liebe! Wenn ich eng mit euch verbun­den bleibe, dann lösen sich alle Probleme. Darauf will ich künftig vertrauen.“ Ich konnte mich gar nicht mehr beruhigen über diese Erkenntnis.

Gott ist von Dir noch viel mehr begeistert wie Du gerade von uns.

Immer wieder wiederhole ich: „Gott ist von mir begeistert.“

Schließlich geriet ich in eine Art Verzückung und war ganz lange Zeit außer (halb von) mir. Danach war ich total erschöpft und begab mich ganz selig in mein Bett.

Da Du die himmlischen Freuden entdeckt hast ist jetzt die sechsundzwanzigste Tür für Dich offen.“ murmelt jemand hinter mir her.

Ein unlösbares Problem?

Diesmal lief alles problemlos, bis ich an eine Stelle kam, an der eine verzweifel­te Frau auf einen Stein saß. Ich fragte sie was ihr fehlte. Aber ich bekam nur ganz erschrocken zur Antwort: „Hau ab, Du machst alles nur noch schlimmer.

Nachdem sie bemerkte, dass sie mich nicht los wurde begann sie zu erzählen: „Ich weiß nicht wie ich hier her gekommen bin. Aber diese endlosen Wege die nirgendwohin führen und die Einsamkeit macht mich wahnsinnig.“ „Geh ein Stück mit mir, dann bist Du wenigstens eine Weile nicht mehr einsam.“ Ver­ängstigt bekam ich zur Antwort: „Nein! Dann ist hinterher alles nur noch schlim­mer. Dann ist die Einsamkeit noch unerträglicher.

Ich überlegte: „“Ich kann Dich wohin bringen wo man Dir helfen kann.“ Sie ge­riet in Panik: „Das sind doch nur falsche Hoffnungen. Hinterher ist die Enttäu­schung um so größer.“ Danach wurde sie richtig grob: „Kannst Du mich nicht al­lein lassen? Ist das zu viel verlangt? Oder willst Du mich absichtlich quälen?

Traurig ging ich weiter: ‚Sie ist doch schon im schlimmsten Zustand den man sich vorstellen kann. Aber scheinbar ist ihre Angst, dass es noch schlimmer wer­den könnte, unüberwindlich.‘ Ich war total frustriert.

Nach dem Abendesser erzählte ich, in der nächsten Höhle, dieses Erlebnis. Ich hoffte, dass mir meine Gastgeber einen guten Rat geben würden, aber sie schwiegen.

Ich schaute auf die Wand:

Der Apostel Andreas brachte alles zu Jesus.

 

Verzweifelt schrie ich: „Das will ich doch. Ich habe alles versucht. Tut doch was! Ihr könnt ihr doch helfen. Euch ist doch nichts unmöglich.“ „Wir zwingen Nie­manden. Wenn sich jemand nicht helfen lässt können wir nichts tun.

Das konnte ich zwar einsehen, aber ich konnte mich nicht damit zufrieden ge­ben. Lange dachte ich nach bis mit etwas einfiel. Ich fragte meinen Gegenüber: „Kannst Du mir eine Flöte geben und das Talent darauf zu spielen?“ Sofort reichte Er mir die Flöte: „Du kannst darauf die schönsten Melodien spielen.

„Danke.“

Ich ging vor die Tür und blies in die Flöte. Eine wunderbare Melodie erklang und ihr Echo hallte überall wieder. Aber nichts geschah. Ich spielte lange Zeit weiter, aber wieder geschah nichts. ‚Das kann doch nicht sein. Die Melodien sind doch unwiderstehlich.‘ Ich wollte nicht aufgeben und blies weiter.

Es begann schon zu dämmern als die Frau doch noch kam.

Ich führte sie in die Höhle und auf der Stirnseite war ein herrliches Essen für sie aufgetischt. Meine Gastgeberin forderte sie auf sich zu setzen. Zaghaft kam sie der Aufforderung nach; das Essen war zu verlockend.

Ich gab meinem Gegenüber die Flöte zurück und Er flüsterte mir zu: „Weil Du sie zu uns gebracht hast und künftig alles zu uns bringen willst, ist jetzt die sie­benundzwanzigste Tür für Dich offen. Lass uns jetzt mit ihr allein.

Glücklich begab ich mich zur Ruhe.

Abschied

Als ich wieder auf dem Weg war erfasste mich Unruhe. Ich spürte, dass bald die letzte Türe kommen würde. Aber ich konnte mir ein anderes Leben, wie ich es in den 27 Tagen erlebt hatte, gar nicht mehr vorstellen.

Irgendwie hatte ich Angst was nach der letzten Tür kommen würde. Etwas ganz Neues, das ich mir noch nicht vorstellen konnte. Aber gerade dafür hatte ich ja all das auf mich genommen. So kam ich ziemlich nachdenklich und irgendwie entmutigt am nächsten Tagesziel an. Ich war doch so erfolgreich gewesen und hatte es bis hierher geschafft. Ich sollte damit zufrieden sein und mich freuen.

Doch das gelang mir nicht.

 

Aufmerksam hörten meine Gastgeber zu als ich nach dem Abendessen davon berichtete. Ich endete mit der Klage: „Ich kann mir ein Leben ohne unseren täg­lichen Austausch gar nicht mehr vorstellen. Ich habe Angst wieder einsam und allein zu sein.“ „Willst Du für immer hier bleiben?“ Gern hätte ich ein freudiges „Ja“ als Antwort gegeben, aber dann würde ich das Ziel, meine Katze, nie errei­chen und sie damit verraten.

Schweren Herzens sagte ich: „Nein.“ und wollte: „aber …“ hinzufügen. Dabei wurde mir klar, dass es jetzt kein Aber gab, sondern nur eine endgültige Ent­scheidung.

Die Frau tröstete mich nach meinem: „Nein.“ „Wir sind doch immer bei Dir, wenn auch nicht mehr als sichtbares Gegenüber. Wir sind Dir doch künftig noch viel näher. Du kannst jederzeit mit uns reden und Du darfst immer auf uns ver­trauen.

„Ich weiß und deshalb entscheide ich mich jetzt dafür immer ganz auf Euch zu vertrauen, dass alles was auf mich zukommt nur das Beste für mich sein kann.“ Alle drei lächelten und nickten mit den Köpfen: „Weil Du Dich ganz uns anver­traut hast ist jetzt die letzte Tür für Dich offen.

An der Wand stand:

Wahres Leben braucht immer wieder Veränderung.

 

Als ich das las dachte ich mir: ‚Dann will ich jetzt mit dem wahren Leben begin­nen.‘

Erreicht

Trotz allem fiel mit der Abschied am nächste Morgen sehr schwer: Ich konnte und wollte meine Tränen nicht unterdrücken.

Langsam und nachdenklich machte ich mich auf den Weg. Bald bemerkte ich, dass es gar nichts mehr zum Nachdenken gab: ‚Einfach geschehen lassen.‘

Schließlich war ich dann schon nahe am Gipfel. Nur noch eine letzte Biegung und ich musste am Ziel sein. Ich hörte ein sehnsüchtiges Miauen.

Ein paar Schritte weiter hatte ich das Ziel erreicht. Eine wunderbare Frau stand vor mir und lächelte mich an.

Sie hielt mir ihre offenen Hände hin als erwarte sie, dass ich etwas hineinlegen würde. Ich sah sie fragend an: „Gib mir den Schlüssel!“ forderte sie mich auf. „Welchen Schlüssel?“ „du musst doch einen Schlüssel bekommen haben, den Du bis zum Ende aufbewahren solltest.“ „Ach ja da war mal was.“ erinnerte ich mich schwach wieder.

Verzweifelt suchte ich den Schlüssel. Ich hatte ihn damals nicht weiter beach­tet, weil ich mit ihm nicht anzufangen wusste. Schließlich fand ich ihn und es fiel mir ein Stein vom Herzen.

Ich zitterte als ich den Schlüssel in ihre Hände legte.

Sie nahm den Schlüssel, öffnete damit mein Herz und verschwand darin.

Im ersten Moment war ich traurig, weil ich mich gefreut hatte wieder ein Ge­genüber zu haben. Aber es war wie in der Höhle: So war sie mir viel näher.

Jetzt war ich wieder ein ganzer Mensch.

Die Freude darüber verlieh mir Flügel und langsam schwebte ich zurück zur Wirtschaft.

 

Dort wurde ich freudig von meinem Wirt begrüßt, der mir zu meinem Erfolg gratulierte. Natürlich wollte ich wissen: „Und wie geht es jetzt weiter?“ Er lä­chelte: „Ruhe Dich erst einmal aus. Das Weitere wird sich ergeben.

Das zweite Getränk

Ich ruhte mich viele Tag lang aus. Das alles hatte mich doch sehr mitgenom­men. Erst jetzt als ich zur Ruhe gekommen war spürte ich das so richtig.

Wieder einmal saß ich abends an der Bar. Ich verspürte das Bedürfnis wieder einmal einen dieser seltsamen Drinks zu mir zu nehmen.

Ich erzählte dem Barkeeper, dass ich früher in einem christlichen Chat war und dort einen eigenen Raum hatte, den ich Quelle des Friedens nannte.

„Gibt es hier so was zu trinken?“ „Eine Friedensquelle? Kann ich zusammen mi­xen. Aber diesmal nur ein kleines Glas voll.“ Ich nickte schmunzelnd mit dem Kopf. Er spielte auf unsere erste Begegnung an, bei der ich sehr starrsinnig war und mir nichts sagen lassen wollte.

Er machte sich sofort ans Werk und schon bald stand das Ergebnis vor mir. In einem Glas war eine Flüssigkeit, die aussah wie edler Rotwein. ‚Das Rotwein­glas ist gar nicht so klein.‘ dachte ich mir ‚Er wollte mich nur auf den Arm neh­men.‘

Ich trank in kleinen Schlucken und träumte vor mich hin. Plötzlich machte ich ein verwundertes Gesicht und war ganz abwesend. Als ich wieder in die Wirk­lichkeit zurückkehrte, sah mich der Wirt fragend an. Diesmal war ich sofort be­reit ihm zu erzählen, was ich gesehen hatte.

„Es war frühmorgens. Auf der ganzen Welt läuteten alle Glocken. Verwundert fragte ich eine Person neben mir, was das zu bedeuten hätte. Sie antwortete: ‚Vor woher kommst Du denn, dass Du als einziger nicht weißt, dass heute der letzte Tag ist?‘ ‚Der letzte Tag?‘ fragte ich ganz verwundert und bekam ein kräftiges Kopfnicken als Antwort. Plötzlich hörten die Glocken auf zu schlagen und es war totenstill.“

Mein Gegenüber dachte eine Zeit lang darüber nach und ermunterte mich dann: „Das ist ein guter Gedanke: Morgen einen letzten Tag zu leben. Der Schlaf wird für Dich eine gute Vorbereitung darauf sein.

Ich verließ den Schankraum, ging die Treppen hoch in mein Zimmer und schon bald schlummerte ich selig vor mich hin.

Der letzte Tag

Freudig sprang ich aus dem Bett. ‚Heute ist der letzte Tag, also der Tag der Erlö­sung. Das ist doch wirklich ein Grund zur Freude.‘

Nach der Morgentoilette ging ich beschwingt hinunter und setzte mich an den bereits gedeckten Tisch. Mein Gastgeber setzte sich, wie immer, zu mir. Wir aßen, wie immer, im Schweigen, aber wir sprachen auch hinterher kein einzi­ges Wort. Das war unsere Ehrfurcht gegenüber diesem bedeutsamen Tag. Der Wirt war in bester Laune. So gut war er noch nie drauf.

Nach einer Weile erkannte ich, dass er meine eigene Begeisterung widerspie­gelte.

Leichten Herzens verließ ich die Kneipe.

Jeden Tag ging ich in die gleiche Richtung, aber die Umgebung schaute immer anders aus. Heute war es besonders deutlich. Heute war alles vorhanden: Wäl­der, Wiesen, Felder, Seen, Bäche und Berge.

Schließlich stand ich vor einem besonders hohen Berg, über den eine lichte Wolke schwebte. Ich erinnerte mich daran, dass in der Bibel Gott immer in oder hinter solch einer Wolke war. Freudig schaute ich hinauf und spürte ein liebe­volles Lächeln aus der Wolke kommen. Alles war einfach herrlich und ich total glücklich.

Oder doch nicht ganz? Bei aller Leichtigkeit meines Körpers spürt ich zwischen Bauch und Herz eine unendliche Schwere. ‚Was bedrückte mich da so sehr?‘ Das passte überhaupt nicht zu meiner Stimmung.

Gib alle Lasten an mit ab.“ wurde ich im Gedanken, liebevoll, aufgefordert.

Ich nahm den Stein aus mir heraus und warf ihn auf den Berg. Dort rollte er nach oben und wurde, wie eine Lawine, immer mächtiger. Als er beim Herrn angekommen war, war er schon ein riesiger Fels. Gott umarmte ihn und setzte sich schließlich darauf. Das erinnerte mich an die Engel beim leeren Grab.

Als ich wieder auf den Berg vor mir schaute, sah ich jetzt unmittelbar vor mir ei­nen Eingang. Hinter ihm war alles schwarz. Ein so dunkles schwarz, wie ich es mir hätte nie vorstellen können. Ich konnte diese tiefe Dunkelheit hauptsäch­lich innerlich spüren. Ich verstand, dass das eine Einladung war hinein zu ge­hen.

‚Nein! Unmöglich.‘ Das passte doch überhaupt nicht zu meiner Hochstimmung. Warum sollte ich jetzt in die finsterste Finsternis gehen, ohne auch nur zu ah­nen, was mich dort erwarten würde? Natürlich konnte es nur etwas Gutes sein, schließlich war es eine Einladung von Ihm.

Ich konnte mich einfach nicht dazu entschließen die Höhle zu betreten. Da spürte ich, dass ich die Wahl hatte weiter zu gehen oder um zu kehren. Er wür­de mir keinen Vorwurf machen und meine Entscheidung respektieren.

Aber als ich mich umdrehte wurde mir klar: Wenn ich es nicht wage, dann bleibt dieser Tag unvollkommen. Das wollte ich natürlich nicht.

Also drehte ich mich wieder zum Eingang hin. Da stand ich nun und kam nicht weiter. Da dachte ich mir: ‚Ich kann doch nicht ewig hier stehen bleiben, bis ich mich endlich mal entschließe weiter zu gehen.‘ Im Geiste sah ich, wie Gott lä­chelte, weil ich mir Sorgen um die Zeit machte, die es hier ja gar nicht gab.

Es dauerte lange bis ich mich aufraffte mich einen Schritt der Höhle zu nähern und dann noch lange bis ich den zweiten riskierte. Jetzt stand ich im Eingang. Meine Rückseite im Hellen, meine Vorderseite im Dunkeln. Da fiel mir auf: Im Dunkeln. Es umgab mich, ich selbst wurde nicht dunkel. Eine Vorstellung be­mächtigte sich meiner, als ich noch einen Schritt weiter ging und jetzt ganz im Dunkeln stand: ‚Wenn jetzt jemand aus der Höhle auf mich schauen würde, müsste ich ihm wie ein schwaches Licht vorkommen. Ich Licht in dieser un­durchdringlichen Dunkelheit?‘ Ich ahnte vor mir die Felswand. Da war etwas was mich anzog. Langsam näherte ich mich ihr. Ich konnte sie innerlich spüren. Jetzt war ich unmittelbar davor.

Gegenüber der Stelle meines Körpers, aus der ich den Stein entfernt hatte, ent­stand eine Öffnung. Zwischen dieser neu entstandenen Aushöhlung und meiner Körperstelle entstand ein Austausch. Was da wirklich geschah konnte ich nicht begreifen, aber es fand so etwas wie Kommunikation statt.

Es war etwas ganz Besonderes und verlieh meiner unbändigen Freude eine ganz besondere Tiefe. Ich war dem wahren Leben irgendwie näher gekommen. Große Ehrfurcht ergriff mich.

Die Bank

Plötzlich wurde es hell. Ich saß auf einer Bank und erinnerte mich, dass ich mich hier, von einer langen Wanderung, erholt hatte. War ich eingeschlafen? Hatte ich geträumt? Aber ich hatte alles so wahrhaftig erlebt. Aber egal, ich merkte, dass ich nicht mehr der selbe war wie zuvor.

Ich stand auf und ging weiter, zurück zu meinem irdischen Zuhause. Schon bald konnte ich es in der Ferne erkennen. Jetzt überlegte ich mir, ob meine Mit­menschen wohl meine Veränderung bemerken würden.

Ich schüttelte über mich selbst meinen Kopf: Ich wollte künftig doch in der Ge­genwart leben und machte mir schon wieder Gedanken über die Zukunft.

Impressum

Texte: ®MicMam 2024
Tag der Veröffentlichung: 12.01.2024

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle die ihr Ziel nicht aus den Augen verlieren.

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