Das wunderbare Schloss
Es war ein mal vor langer, langer Zeit, als die Menschen noch wirklich sehen konnten. Also lange Zeit bevor Jeremias folgendes schrieb:
„Hör das, du törichtes Volk ohne Verstand: Augen haben sie und sehen nicht; Ohren haben sie und hören nicht.“ (Jer 5,21)
Es war also vor langer, langer Zeit, als auf dem höchsten Berg ein Schloss stand, gebaut aus Liebe. Jeder der das Schloss betrat meinte im Himmel zu sein.
Aber die meisten Menschen glaubten nicht an dieses Schloss: So etwas kann es doch gar nicht geben Das sind doch nur sinnlose Fantasien und Träumereien. Und deshalb geriet mit der Zeit das Schloss immer mehr in Vergessenheit.
Eines Tages regnete es fast den ganzen Tag, aber schließlich kam die Abendsonne heraus und ein wunderbarer Regenbogen erschien am Himmel. Alle Leute des kleinen Dorfes rannten auf die Straße. So auch die kleine Magdalena. „Schaut! Gott hat uns eine Nachricht geschickt.“ rief sie begeistert. „Was steht den drin?“ meinten die Leute lachend: „Schaut wie herrlich ich die Welt geschaffen habe und denkt immer an mich.“ „Na, dann vergiss das nie.“ meinte ein großer Junge spöttisch.
Ein alter Mann mit weißen Haaren und schwarzen Bart saß etwas abseits und war auf die Kleine aufmerksam geworden. Er beobachtete sie genau und hörte genau auf jedes Wort von ihr.
„Wo ist der höchste Berg?“ wollte sie jetzt ganz aufgeregt wissen. Erstaunt fragte ein junger Mann: „Wozu willst Du das wissen?“ „Ich habe gerade in einem Buch von einem Schloss gelesen, das mit Liebe erbaut wurde. Es soll auf dem höchsten Berg stehen. Da muss ich unbedingt hin.“
Uralte Erzählungen
„Du hast wohl ein Märchenbuch gelesen? Und glaubst auch noch, was da drin steht.“ spottete der ältere Junge wieder. Da konterte das Mädchen: „Natürlich war es ein Märchenbuch. Aber warum sollte es nicht die Wahrheit sein? Welchen Sinn hätte es, etwas zu schreiben, was nicht wahr ist?“ Dem vorlauten Jungen blieb vor Staunen der Mund offen stehen und die andern Leute lachten herzhaft.
Ein uralter Greis meinte dazu: „Meine Großeltern haben mir früher mal von diesem Schloss erzählt und dass schon Viele versucht hätten es zu finden, aber es niemand gelungen sei. Wenn es das Schloss also wirklich gibt, dann wirst Du es wohl nicht erreichen.“ Da zog das Mädchen eine Schnute und es war klar, dass es sich mit dieser Antwort nicht zufrieden geben würde.
Nach kurzem Überlegen meldete sich der alte Mann, der etwas abseits saß zu Wort: „Natürlich hat es bisher niemand gefunden, weil es nur Menschen mit reinem Herzen und kindlicher Unverdorbenheit sehen können. Für alle anderen Menschen ist es unsichtbar.“
Da fragte, das kleine Mädchen nochmals, wo denn der höchste Berg sei und die Leute schwafelten etwas vom Himalaja.
Aber der Alte widersprach: „Der Berg auf dem das Schloss steht, ist viel höher.“ „Das ist doch Unsinn.“ meinten die gescheiten Leute, „Einen Berg, der höher wäre, könne niemand besteigen. Dem ging schnell. die Luft aus.“ „Wer ein reines Herz hat und ein unverdorbenes Gemüt, der lebt allein von der Liebe und braucht unsere irdische Luft nicht.“ meinte der Alte dazu. Da schüttelten die Leute nur verächtlich den Kopf, über so viel Dummheit, aber Magdalena war begeistert.
Der erste Versuch
Jetzt war sie nicht mehr zu halten und wollte unbedingt sofort aufbrechen. Natürlich erlaubten ihm seine Eltern nicht, sich auf die Suche zu begeben. Missmutig begab sie sich ungewöhnlich früh zur Ruhe.
Als es schon lange dunkel war und sie die Eltern schnarchen hörte, schlich sie sich heimlich fort.
Mutig lief sie durch die Dunkelheit und kam zu einen finsteren Wald. Hier konnte sie wirklich nichts mehr erkennen. Aber sie wollte unbedingt ihrem Ziel näher kommen und ging, trotz ihrer schrecklichen Angst, mutig weiter.
Plötzlich hörte sie ein Geräusch. Da war jemand, aber sie konnte nichts erkennen. Drohte ihr Gefahr? Was konnte ein anständiger Mensch hier, mitten in der Nacht. suchen? Der hatte bestimmt nichts Gutes im Sinn. Sie war ganz starr vor Angst.
Da sprach sie die Gestalt an und als sie die Stimme des Alten erkannte, atmete sie erleichtert auf. „Kannst Du mir vielleicht helfen, den Berg zu finden.“ fragte, das kleine Mädchen ganz hoffnungsvoll. „Natürlich nicht und Du wirst ihn auch nicht finden!“ knurrte der Alte vor sich hin.
Das war eigentlich gar nicht seine Art. Er war doch sonst immer so freundlich. Sie erschrak über diese grobe Antwort. Trotzdem erwiderte sie mutig: „Warum soll ich ihn nicht finden?“ „Überlege doch mal, was ich gesagt habe, wer den Berg nur finden kann.“ „Die ein reines und unverdorbenes Herz haben. Das hab ich doch.“ „Wenn Du Deinen Eltern nicht gehorchst und einfach davon läufst, dann hast Du kein reines und unverdorbenes Herz mehr!“ erklärte er ihr ärgerlich. Das Mädchen wurde ganz blass:
„Ja, da hast Du recht. Kann ich jetzt den Berg nie mehr finden?“ und sie begann schwer zu schlucken und Tränen standen in ihren Augen.
„Kehre um und folge Deinen Eltern und versuche auch sonst recht zu handeln. Mit zunehmenden Alter wird das immer schwerer werden, aber wenn Du das schaffst, bis Du erwachsen bist, dann wirst Du das Schloss finden.“
Neue Hindernisse
Gehorsam ging sie nach Hause. Das Herz war ihr jetzt einerseits schwer, weil sie noch soo lange warten sollte, andererseits war sie froh, dass sie das Schloss eines Tages doch noch finden würde.
Endlich war sie erwachsen. Aber inzwischen hatte sie einen Mann gefunden, den sie sehr liebte. Der wollte sie daran hindern auf die Suche zu gehen:
„Du bist das Schönste und Größe und Herrlichste für mich.“ meinte er, „Lass mich nicht im Stich für solche Träumereien.“
Da wurde ihr das Herz schwer. Was sollte sie tun? Sie ging in den Wald um darüber nachzudenken. Plötzlich begegnete sie wieder dem alten Mann der inzwischen uralt war und gebückt auf einem Stock daherkam.
Sie klagte ihm ihr Leid und er meinte: „Achte auf seine Worte!“ „Wieso? Hat er etwas Wichtiges gesagt?“ „Er hält Deine Sehnsucht für eine nutzlose Träumerei. Er kann Dich nicht wirklich verstehen und deshalb ist er wohl nicht der Richtige für Dich.“ Das machte die junge Frau sehr nachdenklich - irgendwie hatte der Alte schon recht. Wenn er das nicht einmal versteht ....“
„Aber er gab Dir einen wichtigen Hinweis.“ meinte der Alte und warf sie aus ihren Gedanken. „Ja was denn? Er hat doch sonst nur seine Begeisterung über mich ausgedrückt.“ „Du suchst den größten Berg und wirst ihn wahrscheinlich nicht finden, wenn Du nicht an seine Worte denkst.“ Jetzt war die junge Frau ganz schön verwirrt. „Was soll der mir für einen Hinweis auf den Berg gegeben haben?“ „Er sagte: Du bist die Größe. Du selbst bist der Berg!
Ziel erreicht
Du musst Dich selbst bezwingen, damit Du das Schloss finden kannst. Wenn Dir das gelingt wirst Du es finden.
Aber verstehe mich nicht falsch: bezwingen heißt nicht, dass Du Dir Gewalt antust, sondern, dass Du Dein kindliches Herz bewahrst und ganz offen für Deinen Schöpfer bleibst. Wenn Dir das gelingt, dann wirst Du es finden!“
Wieder vergingen viele Jahre und Magdalena versuchte immer ein offenes Herz für ihren Schöpfer zu haben. Da erkannte sie plötzlich:
Er ist in mir!
Er ist das Schloss in mir, das aus Liebe gebaut ist!
Fortan lebte sie ein Leben in Liebe, bis sie schließlich bei dem war, den sie am meisten liebte.
Texte: ©MicMam 2021
Tag der Veröffentlichung: 06.04.2021
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle, die sich nach einem Leben in Fülle sehnen.