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Unruhe




Der Fremde: Diesmal war es für Dich einfach, weil es nur einen Weg gab der weiterführte.
Ich: Der Fels ist mit etwas, wieEdelstein überzogen.
Der Fremde: Ja, es spiegelt so eigenartig.
Ich: Hörst Du das Pfeifen?
Der Fremde: Ja ganz in der Nähe, aber es ist kein menschliches Pfeifen, auch nicht von einer Maschine.
Ich: Von einem Vogel ist es auch nicht.
Der Fremde: Es kommt aus dem Seitengang da vorne rechts.
Ich: Ja, jetzt wo wir vor dem Seitengang stehen wir es lauter.
Der Fremde: Also gehen wir dem Ge-räusch nach.


Ich: Nein!
Der Fremde: Warum nicht?
Ich: Ich kann es nicht erklären, aber ich fühle, dass es so richtig ist.
Der Fremde: Und Du hast zum ersten Mal keine Angst etwas zu versäumen?
Ich: Du hast recht. Das ist eigenartig, aber ich habe wirklich
keine Angst davor.
Der Fremde: Also weiter geradeaus.
Ich: Da eine Vertiefung in der Wand mit einer seltsamen Zeichnung.
Der Fremde: Was hat das zu bedeuten? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es wichtig ist.
Ich: Ja, aber ich merke und fühle nichts – keine Veränderung.


Der Fremde: Dann liegt die Bedeutung noch tiefer. In einem Bereich von dem wir nichts mehr wahrnehmen können.
Ich: Aber was hat es dann für einen Nutzen?
Der Fremde: Was hast Du plötzlich?
Ich: Ich möchte weiter kommen und es auch bemerken!
Der Fremde: Wir sind doch schon unheimlich weit gekommen.
Ich: Das genügt mir nicht mehr. Ich möchte endlich am Ziel sein!
Der Fremde: Gibt es denn überhaupt ein Ziel.
Ich: Es muss! Sonst wäre ja alles sinnlos. Warum wäre ich sonst in diese Höhle gegangen?
Der Fremde: Das Bild tut Dir nicht gut. Lass uns weiter gehen.


Ich: Es ist wohl besser so. Was ist das? Wie ein Nebel um meinen Geist. Ich bin total verwirrt.
Der Fremde: Wir haben zu viel erlebt. Wir brauchen einen Ort, wo wir ausruhen können.
Ich: Du hast recht. Gehen wir weiter. Immer weiter. Es ist zum verrückt werden. Ich träume von Wald, innerer Ruhe, Frieden und Zufriedenheit. Das Träumen entspannt meine Nerven etwas.
Der Fremde: 'Was kann ich nur für ihn tun? Wenn ich nur einen Ausweg wüsste.'
Ich: Aber trotzdem muss ich irgendetwas ändern.
Der Fremde: Hör diesen wunderbaren Gesang!


Ich: Ich kann ihn nicht mehr aushalten. Der macht mich noch verrückt!! Ruhe!
Der Fremde: Plötzlich ist alles still. So bedrückend still.
Ich: Ich bin ganz verwundert: Es geschieht ja immer noch was ich will.
Der Fremde: Ist doch prima: Dann musst Du Dir ja nur wünschen, was Du brauchst um wieder in Ordnung zu kommen und alles wird gut.
Ich: Woher soll ich wissen, was ich brauche? Wenn ich das wüsste, wäre das Leben einfach.
Der Fremde: Willst Du nicht einen Ausweg von hier? Stell Dir vor, Du wärst wieder vor der Höhle und frei von allen Sorgen.


Ich: Aber habe ich schon alles in dieser Höhle erlebt was mich weiterbringen kann?
Der Fremde: Ich denke wir haben genug erlebt und brauchen jetzt dringend wieder die Welt dort oben.
Ich: Nein, ich kann mich nicht dazu entschließen. Und überhaupt bist Du ja an allem schuld.
Der Fremde: Wieso?
Ich: Du hast mich doch in diese Höhle gelockt.
Der Fremde: Aber doch nur, weil Du da draußen vor lauter Sehnsucht in die Höhle zu kommen ganz verkümmert bist!
Ich: Und jetzt soll ich weiter verkümmern?!
Der Fremde: Nein, Du hast hier jetzt so viel erlebt, dass Du draußen jetzt ein gutes Leben führen kannst.
Ich: Und wie?


Der Fremde: Das musst doch Du wissen.
Ich: Ich habe Dir doch gesagt, dass ich das nicht weiß!Wir bleiben hier, bis ich wieder meine alte Gestalt habe. Und damit basta!
Der Fremde: Ich bin der dümmste Mensch auf Erden, dass ich Dir geholfen habe in Deine Höhle zu gehen.
Ich: Willst Du etwa in dieser Gestalt wieder unter die Menschen gehen?
Der Fremde: Besteht denn Hoffnung, dass wir unsere alte Gestalt wie-derbekommen?
Ich: Da fragst Du mich zu viel. Du weißt doch, dass ich all das nicht weiß! Warum fragst Du mich immer wieder!! Willst
Du mich ärgern?


Der Fremde: Nein. Aber könnte es nicht sein, dass wir draußen von selbst unsere natürliche Gestalt wiederbekommen?
Ich: Hörst Du schlecht?! Du sollst mir keine Fragen mehr stellen!!
Der Fremde: Ganz still, es kommt etwas auf uns zu.
Ich: Sterne in einer Höhle: Ich werde verrückt!
Der Fremde: Ich finde sie ganz toll. Sie sind zum Greifen nahe. Wir können die Sterne vom Himmel holen. Ein alter Kindheitstraum erfüllt sich.
Ich: Ich versuch es. Sie sind wie Luft – keine feste Materie. Genau so wie Deine nutzlosen Träume.
Der Fremde: Oh! Sie erfassen uns und fliegen mit uns weg.

Ein seltsamer Raum




Ich: Unglaublich!
Der Fremde: Sie setzen uns irgendwo ab. Vor einem Haus.
Ich: Innerhalb oder außerhalb der Höhle?
Der Fremde: Ich weiß es nicht. Ich kann nur das Haus sehen.
Ich: Meinst Du, dass wir zu Hau-se sind?
Der Fremde: Frag Dein Gefühl; es wird Dir Antwort geben.
Ich: Nein, es ist nur eine Zwischenstation – ein Rastplatz, wo wir uns gründlich ausruhen können.
Der Fremde: Das haben wir auch dringend nötig. Dann gehen wir jetzt rein.
'Ich traue mich nicht mehr zu fragen.'

Ich: Ja, es wird endlich Zeit für uns zum Ausruhen. Dort ist der Schlafraum.
Der Fremde: Dann also: Gute Nacht.


Ich: Guten Morgen. Bist Du frisch und munter?
Der Fremde: Ja, jetzt geht es mir wieder besser. Und Dir?
Ich: Ich bin ruhiger. Aber ich habe noch ein so komisches unzufriedenes Gefühl in mir.
Der Fremde: Komm schauen wir uns die anderen Räume an.
Ich: Schau, ein Buch.
Der Fremde: Eine Bibel. Warum ist hier eine Bibel?
Ich: Sie soll uns wahrscheinlich daran erinnern, dass wir Christen sind.
Der Fremde: Haben wir das denn vergessen?

Ich: Wann hast Du das letzte Mal daran gedacht?
Der Fremde: Guck mal, hier ist noch ein Buch. Das Buch enthält die Regel Bene-dikts. Das finde ich doch sehr eigenartig.
Ich: Ja weißt Du, ich war einmal, oder bin immer noch, in einem Kloster. So genau weiß ich das nicht mehr. Es ist alles schon so
lange her was vor unserem Höhleneintritt war.
Der Fremde: Und Du hast in der Höhle ganz vergessen, dass Du ein Ordensmann bist?
Ich: Ja, das stimmt.
Der Fremde: Es muss doch einen Grund haben, warum Du genau jetzt daran erinnert wirst.


Ich: Mag schon sein, aber ich kenne den Grund nicht.
Der Fremde: Vielleicht ist es Zeit für Dich in Dein Kloster zurückzukehren?
Ich: Aber ich weiß ja nicht einmal wo es ist.
Der Fremde: Jedenfalls nicht hier drinnen. Wir müssen nach draußen.
Ich: Wir kennen doch beide den Weg nach draußen nicht. Wir können nur immer weiter gehen – egal wo wir hinkommen. Ein anderer Weg bleibt uns nicht. Egal ob es uns gefällt oder nicht.
Der Fremde: Du hast recht. Verlassen wir dieses wohnliche Haus und gehen weiter. Auf Wiedersehen, weiter geht es ins Un-
gewisse.


Ich: Haben wir das Schlimmste nicht schon hinter uns?
Der Fremde: Man sollte das wirklich meinen, aber was wissen wir schon?
Ich: Der Gang wird immer breiterund neben uns fließt wieder ein Bach wie damals kurz nach unserm Eintritt in die Höhle.
Der Fremde: Wie lange ist das wohl schon her? es kommt mir unendlich lang vor.

Die letzte Verwandlung


Ich: Keine Ahnung. Oh, eine Insel.
Der Fremde: Prima, endlich wieder ein erfreulicher Anblick.
Ich: Auf schwimmen wir hin-über.
Der Fremde: Mir Freuden.
Ich: Das war richtig erquickend.
Der Fremde: Du hast Dich sehr zu Deinem Vorteil verändert: Du schaust aus wie ein Künstler.
Ich: Du hast Dich aber auch sehr verändert.
Der Fremde: Oh je, ich sehe ja aus wie eine Frau. Das geht doch wirklich zu weit.
Ich: Du siehst auf jeden Fall besser aus als zuvor.
Der Fremde: Aber ich bin doch keine Frau. DEINE Höhle macht mich noch total verrückt.


Ich: Wir können nichts dran ändern. Wir müssen alles so nehmen, wie es halt ist.
Der Fremde: Du hast leicht reden: Du hast Dich ja nicht so extrem verändert wir ich. Ich komme mir ganz komisch vor.
Ich: Jammern hilft nichts. Mach einfach das Beste draus.
Der Fremde: Schön ist die Insel ja. Man könnte sich hier richtig wohlfühlen.
Ich: Und was hindert Dich daran?
Der Fremde: Ich brauche Sonne um leben zu können; des-halb halte ich es in dieser Höhle nicht aus und wenn wir hier auch den schönsten Platz auf der ganzen Erde finden.
Ich: Zufrieden?


Der Fremde: Wunderbar! Wo kommt hier den plötzlich die Sonne her? wie kann es in einer Höhle eine Sonne geben?
Ich: Hast Du vergessen, dassich alle Macht habe und bewirken kann was ich will? Gibt es jetzt noch einen Grund meine Höhle zu verlassen?
Der Fremde: Deine Macht ist ja wirk-lich toll, aber trotzdem wäre ich lieber in meiner ursprünglichen Gestalt vor der Höhle.
Ich: Es gibt doch überhauptkein vor und in der Höhle mehr. Du kannst es ja selbst gar nicht mehr unterscheiden. Also genieße die herrliche Insel und sei zufrieden.

Der Fremde: Ich weiß nicht, ich fühle mich trotzdem eingeschlossen und will hinaus auch wenn ich keinen Unterschied zu draußen erkennen kann.
Ich: Du bist verrückt! Dir kann niemand helfen. Entweder Du wirst jetzt glücklich oder Du bleibst für immer unglücklich, aber das ist dann alles Deine Schuld. An Deiner Umgebung liegt es nicht.
Der Fremde: Du bist gemein. Du nimmst mir meine Freiheit nur damit Du Deine Macht demonstrieren kannst.


Ich: Kannst Du nicht verstehen, dass ich die Höhle noch besser kennen lernen will. Jetzt wo ich alle Macht habe kann uns doch nichts mehr geschehen. Es wird sicherlich wunderschön.
Der Fremde: Kapierst Du nicht! Ich will hier raus!!!
Ich: Vergiss es und halt Dich an die Wirklichkeit, nicht an Deine Wünsche.
Der Fremde: Lass mich allein! Ich will nicht nie wieder sehen!
Ich: O.k. Ich gehe auf die andere Seite der Insel. Ich lasse mich von Dir doch nicht tyrannisieren.


In diesem Moment erwache ich allein vor meiner Höhle.
Entsetzt frage ich mich:
Bin ich den wirklich so? Ich will doch gar nicht so sein.

Impressum

Texte: ©MicMam 1999
Tag der Veröffentlichung: 10.09.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle, die sich vor sich selbst nicht fürchten.

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