Die Eltern von Greggy hatten Abends nie mehr Zeit. Immer hatten sie gerade etwas ganz wichtiges zu tun. Aber die kleine Greggy wollte nicht auf ihre Gute-Nacht-Geschichte verzichten. Deshalb bezirzte sie ihren schon fast erwachsenen Bruder, dass er ihr ein Märchen erzählen sollte. Michael wollte beweisen, dass er das genauso gut konnte wie seine Eltern, wenn nicht noch besser. Deshalb ließ er sich schnell überreden. Dann schlug er seiner Schwester vor: „Versuchen wir mal eine Fortsetzungsgeschichte zu erfinden. Aber Du musst mitmachen! Davon lebt so ein Märchen.“
Gespannt wartete Greggy was jetzt nun kommen würde und ihr schlauer Bruder begann:
„Es war einmal vor langer langer Zeit, da lebte in einer geräumigen und gemütlichen Höhle ein kleiner Junge mit seiner Schwester und seinen Eltern.
Wie heißt der Junge?“
„Der Junge hieß Andreas!“ Michael schmunzelte und erzählte weiter.
Dir Höhle lag mitten in einem großen finsteren Wald. Nur um die Höhle herum war eine weite Lichtung, so dass die Sonne bis auf die Erde hindurch dringen konnte.
Eine herrliche Blumenwiese zierte den Eingang zur Höhle. Während es im Wald fast keine Tiere gab, versammelten sich die verschiedensten Arten in der Nähe der Lichtung in großen Scharen. Besonders die Vögel sangen ständig ein lustiges Lied zum Lobpreis Gottes.
Andreas hatte leider keine Augen für all das Schöne um ihn herum: Für die Blumenpracht, das herrliche Vogelgezwitscher, die Sonne und vieles andere.
Seine jüngere Schwester war deswegen sehr um ihn besorgt.
„Wie heißt die Schwester?“
„Suse.“ „Ein schöner Name.“ stellte ihr Bruder fest. Er trank einen Schluck Wasser und schon setzte er die Geschichte fort:
„Suse meinte, dass das eine Krankheit sein müsste und wollte ihren lieben Bruder davon heilen. Aber sie hatte keine blassen Schimmer wie sie das anfangen könnte. Vielleicht lag ja auch ein böser Zauber auf ihrem lieben Andi. Sie wusste es einfach nicht.
Ob sie mit ihren Eltern darüber sprechen sollte?
Ja oder Nein?“
„Ja.“ Der Geschichtenerzähler lächelte und fuhr fort:
„Also ging sie zu ihrer Mutter und umarmte sie ganz herzlich. Die Mutter war davon so gerührt dass sie alles stehen und liegen lies und ganz für ihre Kleine da war. 'Mami etwas stimmt nicht mich Andi. Er kann einfach das Schöne nicht erkennen. Alles ist für ihn so selbstverständlich und normal. So wird er niemals glücklich. Da müssen wir doch etwas für ihn tun. Er ist ja sonst ganz nett. Aber er kann sich halt nie so richtig freuen. Mamiii was soll ich tun?' fragte Suse ganz aufgeregt.
Die Mutter war ganz überrascht über diese Fürsorge ihrer Kleinsten und sie freute sich über das gute Herz ihres Kindes. Aber was man da tun kann wusste sie auch nicht.
Sie wurde sehr nachdenklich: War das angeboren, oder ein Schicksal der Natur, lag es an geheimen Kräften? Sie wusste es einfach nicht und schon gar nicht was man dagegen tun kann.
'Ehrlich gesagt mein liebes Kind ich weiß es auch nicht. Das kann nur ein sehr kluger Mann wissen.'
und nach einer kleinen Pause: 'Frag doch mal Deinen Vater.'
Suse gab ihrer Mutter einen Kuss auf die Stirn und schon war sie weg.
Der Vater wollte sich gerade etwas von seiner schweren Arbeit ausruhen, aber eh er es sich versah saß seine Jüngste auf seinem Schoss.
Er nahm sie fest in seine Arme. Sie musste etwas ganz wichtiges haben, wenn sie so stürmisch zu ihm kam. 'Papi, Dir ist doch sicher auch schon aufgefallen wie freudlos unser Andi ist. Wir müssen was dagegen tun. Mama meint, dass Du mir weiterhelfen kannst.' Der Vater kam sich total überrumpelt vor: 'Lass mir erst mal Zeit zum Nachdenken. Mir ist das bisher noch gar nichts so bewusst geworden. Ich sah nur immer, dass er fleißig arbeitet und nie frech und ungehorsam ist.' 'Ach ihr Männer.' stöhnte das kleine Schwesterlein: 'Ihr seht immer nur die Oberfläche und nie das auf was es im Leben wirklich ankommt. Aber ich vertrau Dir dass Du mir weiterhelfen wirst.'
Lassen wir dem Vater erst mal Zeit zum Überlegen und setzen morgen die Geschichte fort.“
„Nööö, immer wenns spannend wird.“
„Das ist doch immer so bei Fortsetzungen.“
Voll Erwartung auf den morgigen Tag gab sich Suse damit zufrieden.
Heute ging Greggy mal ausnahmsweise freiwillig ins Bett, denn sie konnte es schon gar nicht mehr erwarten wie die Geschichte wohl weitergehen würde.
„Also wo waren wir?“ wollte ihr Bruder wissen nachdem er es sich in einem Lehnstuhl gemütlich gemacht hatte. „Suse hat den Vater um Rat gefragt.“ antwortete sein Schwesterlein sofort.
„Genau. Weiß der Vater etwas oder schickt er Suse zu jemand anderen?“ „Er schickt Suse zu jemand anderem. Väter wissen sowas nie.“ gab Greggy ihre Lebenserfahrung kund.
„Zu einer Hexe, einem Zauberer, einen weisen Ortsvorsteher, zu einem Tier oder zu einem anderen Wesen?“ „Hm, mal überlegen. Hexe und Zauberer nicht, sowas mag ich nicht so gerne. Ein Tier vielleicht?“ „Also Tier - oder bist Du noch am überlegen?“ „Nö, ein Tier.“
„Gut. Dann kann die Geschichte weitergehen.“ meinte Michael und seine kleine Schwester spitzte die Ohren.
„Der Vater zögerte - solche Dinge weiß nur unser Weisheitsbär, der am anderen Ende des Waldes wohnt. Du weißt, dass Bären gefährlich sind und ebenso der lange Weg durch den Wald. Für so ein Abenteuer bist Du noch viel zu klein. Empört meine Suse: 'Ich bin überhaupt nicht mehr klein ich bin schon ...'
Wie alt ist Suse?“ „Hm, 10???“
„'Z E H N Jahre alt.'
'Wenn Du wenigstens schon 14 wärst, dann ging das vielleicht, aber so ist es unmöglich.' entschied der Vater. Alles Bitten und betteln hatte keinen Erfolg. Mit einer Schnute verließ die Kleine ihren Vater. Enttäuscht ging sie ins Bett. Das durfte doch nicht wahr sein, dass es Hilfe gab und sie nicht helfen durfte. Sie konnte das einfach nicht verstehen.
Sie war gerade eingeschlafen, als sie ein kleines Licht wahrnahm. Sie wachte auf, rieb sich die Augen und schaute genau hin. Es waren ganz viele, ganz kleine Lichter. Jetzt wurde es ihr klar: Das war ein Schwarm Glühwürmchen. Die waren doch noch nie in die Höhle gekommen. Das musste etwas zu bedeuten haben. Immer wieder flogen die Lichter über ihren Kopf und dann zum Ausgang. Wollten sie ihr sagen, dass sie ihnen folgen sollte?“
Greggy lauschte ganz gespannt und wurde schon unruhig.
„Ja, es war eindeutig. Also stand sie auf, zog sich an und folgte den Glühwürmchen.
Sie flogen bis zum Ende der Lichtung und dann immer höher. Jetzt konnte sie in der Dunkelheit eine weiße Eule erkennen.
'Schön dass Du da bist. Du hast heute genau den richtigen Tag erwischt. Einmal im Jahr bei Neumond können die Menschen mich sehen und verstehen.' Suse war ganz erstaunt dass ein Vogel mit ihr redete und sie ihn wirklich verstand. 'Lieber Uhu! Willst Du mir weiterhelfen?' 'Deswegen hab ich Dich ja rufen lassen. Du darfst nicht leichtsinnig werden. Nähere Dich dem Bären nur wenn er satt ist. Abends macht er noch mal eine ausgiebige Mahlzeit. Aber morgens ist er natürlich schon wieder hungrig. Also sei vorsichtig. Tagsüber ist der Bär eigentlich immer hungrig.' Wie soll ich dann eine Zeit finden in der ich mit ihm sprechen kann? fragte sich das Mädchen. Aber alle Schwierigkeiten wollte sie in Kauf nehmen und sich keine Gedanken darüber machen, wenn sie endlich eine Gelegenheit bekäme ihrem Bruder zu helfen.“
„Ich liebe Suse.“ strahlte Greggy ganz laut.
„'Aber wie finde ich die Bären?' 'Die Glühwürmchen werden Dir den Weg zeigen. Lass Dich durch nichts vom Weg ablenken. Wenn Du auf dem Weg bleibst und keine Furcht zeigst, dann wird Dir nichts geschehen.' 'Vielen Dank für Deine Hilfe. Ich bin ja so glücklich, dass ich endlich etwas tun kann.'
Langsam flogen die Glühwürmchen wieder tiefer, bis sie ganz nahe am Boden waren. Dann flogen sie zu einem kleinen Waldweg. Suse hatte noch nie die Lichtung verlassen und jetzt war es auch noch so dunkel und alles so unheimlich. Am liebsten wäre sie wieder ins warme Bett gestiegen und hätte gewartet bis sie vierzehn ist. Aber so lange konnte sie ja ihren lieben Andi nicht warten lassen. Also nahm sie allen Mut zusammen und folgte dem schmalen Waldweg. Außer den kleinen Lichtern konnte sie überhaupt nichts erkennen und sie musste ganz vorsichtig ihre Füße in kleinen Abständen auf den Boden aufsetzen und immer wieder mit ihnen alles abtasten, um nicht an ein Hindernis zu stoßen. So kam sie nur sehr langsam voran und wurde schon ganz ungeduldig. Da blieb sie erst mal stehen um sich wieder zu beruhigen und sich dann weiter zu tasten.
Jetzt hörte sie die seltsamsten Geräusche, die sie nicht einordnen konnte und nicht wusste von welchen Tieren sie kamen. Sie hörten sich unheimlich an. Schrecken ergriff sie und sie wollte davonrennen. Aber sie dachte an den Rat des weisen Vogels, dass sie auf dem Weg bleiben müsse und die Stimmen nicht beachten dürfte. Plötzlich tauchten aus dem Nichts ein komischer Schatten auf.
Wie war das überhaupt möglich. Konnte die total dunkle Nacht Schatten werfen?“
Greggy kuschelt sich ganz fest an ihren Teddybär und meinte. „Das ist aber mega gruslig.“
„Dieser Schatten musste doch ein sehr geheimnisvolles Wesen sein. Es kam ihr auf dem Weg entgegen. Was sollte sie tun? Ausweichen? Aber dazu müsste sie ja den Weg verlassen. Sie blieb wie angewurzelt stehen und hielt den Atem an. Plötzlich flogen die Glühwürmchen schnell weiter, dem Schatten entgegen. Jetzt stand sie total im Dunkeln. Nur in der Ferne konnte sie, in der Nähe des Schattens, ganz schwach ein kleines Licht erkennen,. Das mussten die vielen Glühwürmchen sein. Ihr Herz pochte vor Aufregung. Der Schatten folgte den Glühwürmchen und die flogen in den Wald. So stand sie jetzt ganz allein in der Finsternis.“
„Die arme Kleine.“ nahm Greggy Anteil an Suses Schicksal.
„Plötzlich meinte sie eine Stimme zu vernehmen. Hörte sie sie wirklich oder bildete sie sich das nur ein. 'Schließe die Augen!'
Die Stimme klang so wie die der Eule und so fasste Suse Vertrauen und schloss ihre Augen. Da sah sie vor sich plötzlich einen weißen Flecken. Langsam und mit geschlossenen Augen ging sie auf ihn zu. Sie bewegte sich wie eine Blinde vorwärts. Nach unendlich langer Zeit, wie es ihr schien, war sie dem weißen Punkt zum Greifen nah. Jetzt öffnete sie die Augen und stand vor einem Baum auf dem an einer Stelle die Rinde kreisförmig weggeschnitten war. Diese Stelle hatte so weiß geleuchtet.
Aber wie sollte es jetzt weitergehen? Sie hatte ja immer noch keine Ahnung wo sich die Bärenhöhle befand. Inzwischen war sie auch schon ganz schön müde geworden von all den Anstrengungen und der Angst die sie ausgestanden hatte. Sollte sie sich hinsetzen und schlafen bis der Morgen anbrechen würde? Aber gerade da würde der Bär am hungrigsten sein. Das war keine gute Idee. Sie musste weiter. Nur wohin? Sie konnte keinen Weg erkennen. Sie war total verzweifelt. Sie konnte sich nur noch aufrecht halten, weil sie immer wieder an ihren Bruder dachte.
Plötzlich hörten die unheimlichen Geräusche des Waldes auf. In ihrer Aufregung hatte sie sie gar nicht mehr beachtet.
Es war jetzt totenstille und das war fast noch schlimmer wie alles andere. Sie begann zu zittern. Da merkte sie erst wie kalt es war und dass ihr die Kälte schon bis in ihre Knochen eingedrungen war. Die Lage war zum Verzweifeln.
„Oh meno, es muss doch einen Ausweg geben.“ stöhnte Greggy verzweifelt.
„'Lieber Vater im Himmel hilf mir. Ich tue es doch nur aus Liebe zu meinen Bruder. Du liebst Andi doch auch. Lass ihn nicht im Stich.' rief sie plötzlich ganz verzweifelt. Da wurde sie mit einem Male ganz ruhig und gelassen.
Was war das? Plötzlich ein neues Geräusch in diesem so lautlosen Wald. Sie horchte ganz genau hin. Ein Schnarchen, ein ganz kräftiges Schnarchen. Das konnten nur die Bären sein. Sie war fast am Ziel. Vorsichtig bewegte sie sich in Richtung der Geräusche und schon nach kurzer Zeit stand sie vor einem Höhleneingang. Sie vermutete es zumindest. Da tauchten plötzlich die Glühwürmchen wieder auf und sie war so richtig froh, dass sie wieder eine Orientierung hatte. Denn blind in die Höhle zu gehen, wäre wohl sehr dumm gewesen.
Sie konnte erkennen, dass die Höhle ungefähr so groß war wie die zu Hause, aber nur aus einem Raum bestand. Rechts vom Eingang in der Ecke lagen die Bäreneltern und genau gegenüber lag ein Bärenkind.
Mit letzten Kräften ging Sue zu dem Bärenkind und kuschelte sich ganz fest daran um wieder warm zu werden. Schon bald war sie vor Erschöpfung eingeschlafen.
"Wie Michael jetzt auch. Soweit für heute."
Lächelnd und ganz zufrieden lag Greggy in ihrem Bettchen und die Augen fielen ihr zu.
„Jetzt weck doch mal die Suse, damit dem Andi endlich geholfen wird.“ drängte Greggy und sprang fröhlich ins Bett. „Wir wollten doch nicht Andi sondern Suse retten, wenn ich recht orientiert bin.“ konterte Michael. „Erst Suse und dann Andi.“ meinte die kleine Schwester nachsichtig. „So schnell geht das mit der Andihilfe nicht - aber ok machen wir weiter.
Als Suse erwacht fühlt sie sich herrlich ausgeruht und es ist ihr kuschelwarm. Im selben Moment wacht auch der große, riesige Bärenvater auf.“
„Oho“ Greggy ist ganz aufgeregt.
„Er reckt und streckt sich und sein Magen knurrt bedenklich. Er schaut sich um und entdeckt Suse.
Lobend meint er zu seinem Sohn: 'Prima, dass Du schon ein Frühstück besorgt hast.' Das kleine Mädchen wird kreidebleich und sie fängt zu zittern an. Sie hatte ja gar nicht mehr daran gedacht, dass die Bären morgens am hungrigsten sind. Wie sollte das weitergehen. Flucht war aussichtslos. Wie versteinert stand sie da.
Jetzt richtete sich auch der kleine Bär auf und schaute in ihre strahlenden blauen Augen. Er stellte sich schützend vor Suse und erwiderte seinem Vater ganz aufgeregt: 'Du kennst doch das Bärengesetz: Was mit einem Bären gekuschelt hat darf man nicht essen.'“
Greggy lacht aus vollem Hals, so dass das Bett zu wackeln beginnt.
„'Immer diese dummen Gesetze.' brummte der Vater. Jetzt war auch die Mutter erwacht und sprach zu den beiden Kindern: 'Geht nach draußen. Ich bereite unserem Brummbär aus unseren Vorräten ein Frühstück. Ihr könnt inzwischen draußen spielen.' Die beiden rannte vor die Höhle und der Bär zeigte dem Mädchen einen Strauch mit den wunderbarsten Beeren. Da aßen sie sich erst mal so richtig satt. Dann begannen sie miteinander zu spielen und wurden bald gute Freunde. Die Zeit verging wie im Flug. Plötzlich rief sie eine ganz tiefe brummige Stimme, dass sie wieder in die Höhle kommen sollten.
'Mein Vater ist ein Gelehrter und liebt es wenn man ihn achtet. Ehre in also, dann brauchst Du keine Angst vor ihm zu haben.' rief das Bärenkind seinem Menschenfreund zu.
Als sie die Höhle betraten stand, in der Ecke rechts hinten, der gelehrte Bär auf beiden Beinen. Er reichte fast bis zur Decke.“
Plötzlich schaut Greggy ganz ängstlich auf ihren großen Bruder, aber der lächelt ihr nur beruhigend zu.
„Es war ein imposanter Anblick. Auf der Nase hatte er eine Brille. Die brauchte er allerdings nicht zum Lesen, sondern nur um seine Gelehrsamkeit zu unterstreichen. Trotz dem Ratschlag des kleinen Bären fürchtete sich Suse ungemein. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Der Schweiß trat ihr auf die Stirn und es lief ihr eiskalt über den Rücken. Der Kleine nahm sie an der Hand und sie setzten sich in der Mitte der Höhle auf den Boden, nachdem sie sich ehrfürchtig vor dem Weisen verbeugt hatten.
Der Riesenbär schien zufrieden und lies sich wieder auf seine Vorderbeine fallen. Dann beugte er seine Kopf so tief, dass man den weisen Kreis auf seinem Haupt sehen konnte. 'Das ist das Zeichen, dass ich ein Gelehrter bin und über viele Dinge Bescheid weiß von denen die meisten keine Ahnung haben.' erklärte der Bärenvater. 'Deshalb ist auch der Baum vor meiner Höhle so gekennzeichnet, damit man weiß, dass hier ein Gelehrter lebt.'
'Nun mein liebes Menschenkind, was kann meine Weisheit für Dich tun?'
Es dauerte eine Weile bis sich Suse einigermaßen erholt hatte und wieder Worte fand. Sie verstand es die Würde des Bären besonders zu betonen und so seine Zuneigung zu gewinnen. Dann erzählte sie ihm ihre ganze Geschichte. 'Du bist ein mutiges Mädchen.' stellte der Bär anerkennend fest: 'Und Du hast ein gutes Herz. Deswegen verdienst Du es dass ich Dir helfe.
Also hör genau zu: Nur die Weisheitsbären kennen die Geschichte der Schöpfung von Anfang an und die musst Du kennen damit Du alles verstehest.“ Jetzt war Suse aber so richtig neugierig geworden. Ihr wollte der Bär das Wissen aus uraltester Zeit anvertrauen. Das fand sie richtig toll.
Hören wir uns das nächste Mal an was der Bär alles zu berichten hat.“ „Oh. Immer wenns grad so richtig spannend ist.“ kam der übliche Protest. „Ich bin schon echt müde. Das ist halt das Schicksal bei Fortsetzungsgeschichten.“ grinste Michael. „Ich dachte Du seist schon eingeschlafen.“
Greggy bettelt noch bisschen und nörgelte an ihrem großen Bruder rum, aber schließlich gab sie auf und gab sich ihren wunderbaren Träumen hin.
Greggy rückte den Sessel für Michael zu recht und gähnte: „Heute bin ich so müde, dass ich Dir bei der Geschichte nicht helfen kann.“ „Nun ja.“ meinte der große Bruder ganz streng: „Dann wollen wir heute mal eine Ausnahme machen.“ und lachte dabei. Also wo waren wir stehen geblieben?“
„Suse steht vor dem Bärenvater, oder??“ „Was heißt oder? Besser aufpassen.“ „Ok, und jetzt bin ich ganz ruhig und höre ganz aufmerksam zu.“ Michael lächelt und erzählt weiter.
„Der Bär lehnte sich gemütlich gegen die Wand an der Rückseite der Höhle und begann würdevoll zu sprechen: 'Am Anfang der Zeit erschuf der Schöpfer aller Dinge und auch die Menschen. Er gab ihnen den Auftrag die Schöpfung zu bewahren, zu behüten und zu beschützen. Es wurde auch ein König des Lebens eingesetzt, der diesen Auftrag verwirklichen sollte.
Man weiß nur nicht, ob er den Auftrag falsch verstanden hat, oder ob sich dunkle Mächte seiner bedienten, auf jeden Fall unterdrückte er die Schöpfung und beutete sie aus. Er meinte dass das nötig sein, damit der Mensch sich weiter entwickeln könnten.
Sein jüngerer Bruder war ein großer Magier und sehr naturverbunden. Er verabscheute das Treiben seines Bruders. Also nützte er seine Fähigkeiten und verbannte einen Teil des Herzens seines Bruders an einen unbekannten Ort. Das hatte zur Folge, dass der König des Lebens all seine Macht verlor und nicht mehr über die Schöpfung herrschen konnte.
Aber Mutter Natur war darüber entsetzt: Noch nie hatte es jemand gewagt über einen Teil eines anderen Herzens zu verfügen. Solch ein Frevel konnte nicht ungestraft hingenommen werden. Sie nahm dem Magier all seine Kräfte und verbannte die beiden Brüder in einen großen finsteren Wald, der von einer unendlich großen Wüste umgeben war.'
Suse wollte etwas fragen. Aber bevor sie dazu kam fuhr der Weisheitsbär schon weiter:
'Die Nachfahren dieser Verbannten seid nun ihr. Immer wieder kommt es einmal vor, dass einer das Erbe des Königs des Lebens abbekommt. Dann geht es ihm so wie Deinen Bruder: Er hat nur ein halbes Herz und kann deshalb nichts wirklich genießen und an nicht wirklich Freude haben.' 'Das ist ja entsetzlich!' schrie Suse. 'Was kann man denn dagegen tun?' 'Nur nichts übereilen.' meinte der Bär: 'Lass mich erst mal ausreden.'
Es kommt auch immer wieder mal vor dass Nachfahren des Magiers seine Kräfte erben.' 'Aber er hatte doch gar keine mehr hast Du gerade erzählt.' meinte das Mädchen etwas verwirrt.
'Gut aufgepasst.' knurrte der Bär: 'Aber jetzt hör doch endlich mal zu und lass mich ausreden.' 'Entschuldigung. Ich bin nur so aufgeregt. es muss doch ein Möglichkeit geben dem Andreas zu helfen.'
'Also!' fuhr der gelehrte Bär gestresst fort, der es nicht gewohnt war so lange unterbrochen zu werden: 'Diese Erben des Magiers haben natürlich keine wirklichen Kräfte. Sie können nur Licht in Illusionen verwandeln. Diese Menschen nennt man dann Illotas. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Du so eine Illota bist.'“
“Oho!“ rief da Greggy „Eine Illota! Das finde ich toll.“
„'Ich? Eine Illota?' meinte Suse ganz erstaunt, weil sie das nicht glauben konnte: 'Ich kann doch nicht das Licht verwandeln.' 'Natürlich kannst Du das nicht so von allein. Dazu brauchst Du einen guten Lehrer. Die Weisen dieses Waldes können zwar selbst keine Illusion herstellen, aber sie können Dich in ihrer Weisheit darin unterrichten.' erklärte der Bär mit viel Geduld. 'Das ist ja toll. Dann unterrichte mich bitte.
Du bist sicherlich der beste Lehrer auf der ganzen Welt.' strahlte Suse. Der Bär wurde gleich einige Zentimeter größer, als er dies hörte. Endlich hatte mal jemand wirklich verstanden, was in ihm steckte. Trotzdem brummte er: 'Alles zu seiner Zeit.' stand auf und verließ die Höhle.“
Da rief Greggy verzweifelt: „Nö!“ „Was heißt hier nö?“ „Er soll net weggehen.“ „Geduld so schnell entkommt er nicht, auch wenn ihm schon der Magen knurrt und er endlich auf Futtersuche gehen will.
„Schnell rannte das Mädchen hinter ihm her. Langsam kamen auch der kleine Bär und seine Mama aus der Höhle. Draußen vor der Höhle saß auf einen Baum die weiße Eule und schlief. Als sie die Geräusche hörte versuchte sie das linke Auge ganz leicht zu öffnen. Als Suse sie sah erschrak sie. 'Oh, meine Eltern machen sich sicherlich Sorgen um mich. Ich sollte schon längst wieder zu Hause sein. Aber ich kann doch hier nicht weg, weil ich ja den Unterricht des Bären brauche.' Verschlafen antwortete die Eule: 'Deine Eltern haben heute Nacht im Traum gesehen wo Du bist und die feste Zuversicht bekommen, dass Du bald heil zurückkehrst.'
Doch schon knurrte der Bär: 'Du bist noch zu jung. Ich kann Dich jetzt noch nicht unterrichten.'
Wütend stampfte Suse mit dem Fuß auf den Boden, so dass er zitterte und sprang in die Luft. Dabei schrie sie immer wieder aus vollem Hals:
'Ich bin nicht jung. Ich bin schon Z E H N Jahre alt.'
Sie tobte richtig vor sich hin und wollte sich gar nicht mehr beruhigen.“
Begeistert meinte Greggy: „Recht hat sie.“ Ihr Bruder freute sich über ihre Anteilnahme.
„Als sie endlich still war meinte die Eule: 'Solange Du so impulsiv bist, bist Du wirklich noch zu jung.'“
„Och meno.“ meinte die kleine Schwester enttäuscht. „Die Erwachsenen haben doch 0 Ahnung.“ Ihr Bruder schmunzelte über das ganze Gesicht.
„'Entschuldige. Ich habe das nicht so gemeint. Aber alle sagen immer, dass ich für alles zu jung sei und das stimmt doch einfach nicht.' Suse war schon fast am Heulen. Mit seiner freundlichsten und liebenswürdigsten und verständnisvollsten Stimme meinte der Bär: 'Ich wollte Dich ja auch nicht verletzen. Aber ich darf Dich erst ausbilden, wenn Du die erste Prüfung bestanden hast.' 'Prüfung? Ja das mache ich sofort. Was soll ich denn tun?' rief Suse ganz aufgeregt.
'Du kannst sie jetzt nicht ablegen und ich kann Dir auch nicht sagen worin sie besteht. Das wird Dir schon zur rechten Zeit jemand sagen.' erwiderte der Bär, der inzwischen mit seinen Nerven am Ende war und schaute erwartungsvoll auf die Eule.“
„Der arme Bär.“ meinte Greggy mitleidig und Michael freute sich, dass seine Schwester so einfühlsam war und meinte dazu: 'Ja das Leben ist hart. Selbst für Weisheitsbären.' Da musste jetzt auch die Kleine lachen.
„Das sah das kleine Mädchen sofort: 'Liebe Eule sag mir worin die Prüfung besteht.' Die Eule schmunzelte: 'Du musst noch viel Geduld lernen. Die Zeit wird kommen und dann wirst Du wissen was Du zu tun hast. Aber Du kannst nichts beschleunigen und musst abwarten. Aber jetzt wird es erst mal Zeit dass Du zurückkehrst zu Deinen Eltern.' 'Wie finde ich denn zurück?' fragte Suse ganz eingeschüchtert und ein wenig traurig. 'Uhu, Uhu, Uhu!' rief die Eule und plötzlich kam ein riesiger Hase angerannt: 'Er wird Dir den Heimweg zeigen. Aber pass genau auf. Präge Dir den Weg gut ein.'
Das nächste Mal wenn Du hier her kommst werden keine Glühwürmchen bei Dir sein, die Dir den Weg zeigen. 'Ja ich werde aufpassen.' versprach das Mädchen ganz aufgeregt.
Der Bär näherte sich der Kleinen und berührte sie ganz liebevoll mit seiner Riesentatze an der Schulter.
Das tat Suse gut. Das war sein Abschied und schon war er weg, um endlich nach Nahrung zu suchen. Dann kam der kleine Bär und fiel dem Mädchen um den Hals. Als er dann mit seiner Mutter in die Höhle ging, drehte sich diese nochmal um und winkte der Abenteurerin nochmal zu.
Die Eule ermahnte Suse: 'Vergiss nicht Deinem künftigen Lehrer ein Geschenk mitzubringen, wenn Du wieder kommst!' Dann marschierte sie mit dem großen Hasen los. Der lief gleich voraus. 'Hals nicht so schnell! Ich soll mir doch den Weg einprägen.' Gehorsam kam der Hase zurück und lief neben ihr her. Der Rückweg kam ihr ganz leicht vor und der Weg ließ sich ganz einfach merken. Auch kam ihr der Weg viel kürzer vor als in der Nacht.
Bald war sie wieder zu Hause und wurde von ihren Eltern freudig empfangen.
So und jetzt lassen wir ihr mal viel Zeit bis sie endlich ihre Prüfung ablegen kann und machen Schluss für heute."
Wie immer ließ Greggy ein langgezogenes „Och!“ vernehmen, weil sie natürlich nie Schluss machen wollte.
„War doch ganz schön lang heute Abend.“ beruhigte sie ihr großer Bruder. Da erwiderte die kleine Schwester ganz nachdenklich: „Greggy hat auch nur ein halbes Herz.“ „Oh weiha. Das sollte nicht sein.“ meinte Michael entsetzt: „Da müssen wir beide jetzt besonders gut aufpassen, ob uns Suse einen Weg zeigen kann was wir dagegen tun können.
Heute war Greggy noch ganz munter und Michael meinte, dass sie heute besonders eifrig mitmachen müsse. Dazu war sie auch bereit. So begann er wie immer: „Wo sind wir stehen geblieben?“ „Auf dem Weg nach Hause“ vermutete die Kleine. „Besser aufpassen!“ ermahnte ihr großer Bruder: „Suse war schon zu Haus angekommen und ihre Eltern hatten sie freudig begrüßt. Seitdem wartete sie ganz gespannt, was das wohl für eine Prüfung sein sollte, die sie zu bestehen hätte und was diese Prüfung endlich stattfinden sollte.“ „Ach ja, stimmt.“ erinnerte sich das Schwesterlein. „Wie lange muss jetzt die ungeduldige Suse auf ihre Prüfung warten? ½ Monat, ½ Jahr, zwei Jahre oder gar 4 Jahre bis sie endlich 14 ist?“ wollte Michael wissen. „Viel zu lange! Höchstens einen halben Tag.“ „Das geht nicht. Der ist schon vorbei. Vor dem nächsten Vollmond geht es auf keinen Fall.“ „Also gut. Wenn es nicht schneller geht, dann ½ Monat.“ gab Greggy nach.
„Bald war zu Haus wieder alles ganz gewöhnlicher Alltag und nichts erinnerte an das Abenteuer, das die mutige Suse schon bestanden hatte.“
„Ja, Alltag ist fürchterlich langweilig.“ bemerkte Greggy.
„Aber er gehört halt auch zum Leben. Wenn es nur aus Abenteuer bestehen würde, wäre es viel zu anstrengend.“ lachte ihr großer Bruder.
„Das Warten war für sie grausam und mit der Zeit wurde sie sich ganz unsicher, ob sie das alles wirklich erlebt hatte, oder ob es nur ein sehr lebhafter Traum gewesen war. Ihre Eltern, die es ja wissen mussten, wollte sie nicht fragen, dabei wäre sie sich albern vorgekommen. Aber für ihren Andi hoffte sie immer noch, dass sie das alles wirklich erlebt hatte."
„Nach einiger Zeit, die ihr unendlich lang vorkam, stand sie einmal vor der Höhle und betrachtete den wundervollen Sonnenuntergang. Plötzlich streckte sie ihre Hand aus mit den Handflächen zum Himmel hin. Ein Sonnenstrahl schien auf ihrer Hand Platz zu nehmen. Sie schloss die Hand und rannte freudig ins Haus wo die Mutter gerade den Tisch für das Abendessen gedeckt hatte.
Ganz begeistert rief sie: 'Ich habe einen Sonnenstrahl eingefangen.' 'Was ist denn das wieder für ein Unsinn?' brummte ihr Bruder. 'Ein Sonnenstrahl lässt sich doch nicht einfangen.'
Suse öffnete die Hand und auf ihrer Handfläche war eine wunderbare Lichtkugel.
Sie stieg in die Luft und blieb genau in der Mitte über dem Esstisch stehen. Nachdenklich schauten die Eltern auf dieses Gebilde, das den ganzen Tisch erleuchtete. Begeistert strahlte Suse ihren Bruder an: 'Na, ist das nicht toll? Was sagst Du dazu?' 'Was ist den los? Alles nur Unsinn, wie ich gesagt habe.' 'Ja, siehst Du denn die Lichtkugel nicht?' 'Nein, ich sehe nichts, wovon sprichst Du denn?' erwiderte Andreas ganz verstört. 'Lass ihn in Ruhe. Er kann es wirklich nicht sehen.' ermahnte die Mutter ihre Tochter.“
„Der Arme, sieht er es wirklich nicht?“ überlegte Greggy ganz betrübt. Michael musste über so viel Mitgefühl schmunzeln. Ja er hatte schon eine ganz liebe Schwester.
„Suse war ganz traurig, dass ihr Bruder nicht an dieser Pracht teilnehmen konnte.
Andi hingegen fühlte sich ausgestoßen, weil er nicht das wahrnehmen konnte, was alle anderen sahen. Wieder fühlte er sich so einsam und allein, einfach total unverstanden.
Nachdem sie mit dem Essen, das im Schweigen verlief, fertig waren, forderte die Mutter Andreas auf das Geschirr abzuräumen und zu waschen.
Andreas wunderte sich, dass er schon wieder mit dem Küchendienst dran war, aber er sagte kein Wort und tat was man ihm geheißen hatte.“
„Warum ist er denn schon wieder dran? Suse soll auch mal was machen!“ Greggy hatte überhaupt kein Verständnis für so viel Ungerechtigkeit und wieder lächelte ihr Bruder vor sich hin: „Die Eltern wollen allein mit Suse sprechen, über Dinge die Andreas nicht verstehen kann.“ „Ach so.“
„Als dann die Eltern mit ihrer Kleinen allein waren, meinte der Vater ganz nachdenklich: 'Jetzt ist es wohl Zeit, dass Du zum weisen Bären zurückkehrst. Ich denke jetzt kann Deine Ausbildung beginnen.
Ich befürchte dass es ein Abschied für lange Zeit werden wird.' 'Aber wir vertrauen auf Dich, dass Du alles lernst und dadurch die Möglichkeit hast unserm Andi zu helfen.' fügte die Mutter noch schnell hinzu. 'Die Sonne ist jetzt endgültig untergegangen. Es ist Zeit dass Du Dich auf den Weg machst.
Ob Dir der Vollmond in dem finsteren Wald viel helfen wird, weiß ich nicht. Aber Du wirst schon zu recht kommen.' fügte der Vater noch an.
Sobald Andreas von seiner Arbeit zurückkehrte, gab es eine große Verabschiedung und es flossen auch Tränen.
Andi konnte überhaupt nicht verstehen, warum seine Schwester sie verlassen wollte. Alle schienen zu wissen worum es ging, nur er nicht. Wieder war er der Außenseiter.“
„Oh man, der Arme! Das ist gemein!“ nahm Greggy am Schicksal von Andreas teil. Ob es ihr wohl manchmal auch so ging?
„Er merkte nur, dass es scheinbar ganz wichtig war, dass seine Schwester jetzt das Haus verließ und er konnte nur hoffen, dass sie bald zurückkehren würde.“
„Warum darf er es denn nicht wissen?“ Greggy konnte sich einfach nicht beruhigen. „Er kann das alles nicht verstehen. Das liegt an seinem halben Herzen. Deshalb kann er nur logisch denken und kann deswegen das Licht nicht sehen und könnte auch nicht verstehen, dass seine Schwester die andere Hälfte seines Herzens suchen will.“ versuchte Michael zu erklären.
„Ohne seine liebe Schwester war es zu Haus sicherlich noch viel einsamer. Aber der Abschied konnte nicht ewig dauern. Plötzlich begann sich der Lichtball zu bewegen. Er begab sich zum Ausgang der Höhle. Da wussten alle, dass es jetzt an der Zeit war sich endgültig zu trennen.
Suse folge dem Licht und es führte sie weiter bis zum Beginn des kleinen Weges, der in den finsteren Wald führte.
Dann blieb das Licht über ihr stehen, so dass sie den Weg mühsam erkennen konnte. Offensichtlich wollte das Licht sie nicht führen. Da erinnerte sich Suse, dass ihr die Eule gesagt hatte, dass sie sich den Weg genau einprägen sollte. Das hatte sie ja auch getan.
Aber das war jetzt ja schon so lange her. Damals war es hell und sie war den Weg rückwärts gegangen. Da hatte er ihr ganz leicht ausgesehen. Sie war damals immer nur gerade aus gegangen. Aber jetzt stand sie plötzlich vor einer Kreuzung. Wie war das möglich? Als sie sich alles genau ansah bemerkte sie, dass egal von wo sie gekommen war, sie immer nur gerade aus gehen musste und die Seitenwege keine Rolle gespielt hatten. Aber jetzt hatte sie drei Möglichkeiten und keine Ahnung welche die rechte sein könnte. Was sollte sie tun? Sie war ratlos.“
„Hm.“ andächtig und gespannt lauschte Greggy.
„Sie hörte in sich hinein, aber auch da war keine Antwort. Die schrecklichen Laute aus dem Wald halfen ihr auch nicht weiter.
Sie hatte sie bis jetzt überhört wie es ihr die Eule ganz am Anfang geraten hatte.“
„Und jetzt? Gibt sie auf?“ die kleine Schwester war ganz aufgeregt. „Soll sie aufgeben?“
„Nein!“ dieser Gedanke war einfach zu schrecklich für Greggy. Aber sie wusste ja, dass sie sich auf ihren Bruder verlassen konnte.
„Aber jetzt drangen all diese fürchterlichen Laute ganz bewusst an ihr Ohr und obwohl sie allen Mut zusammen nahm rieselte es ihr kalt über den Rücken. Ohne dass es ihr richtig bewusst wurde, lies sie ein Stoßgebet zum Himmel aufsteigen.
Plötzlich bewegte sich die Lichtkugel über ihren Kopf nach links und verfolgte diesen Weg. Hocherfreut wollte Suse ihrer Lichtkugel folgen, aber diese war viel zu schnell und schon nach wenigen Augenblick stand sie fast total im Dunkeln. Nur gut dass es Vollmond war und man so doch noch ein wenig von der Umgebung erahnen konnte. So stand sie da und wusste nun erst recht nicht weiter. Als sie schon ganz verzweifelt war, kam das Licht zurück. Aber es blieb nicht bei ihr, sondern verfolgte sofort den Weg direkt vor ihr. Und ehe es sich Suse richtig versah, war die Lichtkugel schon wieder verschwunden.“
„Das ist aber gar nicht nett von der Lichtkugel.“ beschwerte sich Greggy.
„Aber ihr wurde jetzt klar: Offensichtlich suchte die Lichtkugel den Weg. Gut dass sie sich so schnell bewegen konnte. So blieb sie voll Zuversicht und Vertrauen ganz ruhig stehen und versuchte die unheimlichen Geräusche nicht wirklich wahrzunehmen. Es dauerte nicht lange bis das Licht wieder kam und nach rechts abbog. Jetzt musste die Entscheidung bald kommen. Wenn nicht alle Wege falsch waren, musste das Licht jetzt den rechten gefunden haben. Trotz allem wurde Suse schön langsam ungeduldig. Er kam ihr vor, als wenn sie schon die halbe Nacht hier stehen würde.
Schön langsam wurde es ihr auch kalt. Endlich kam das Licht wieder. Aber es kam nicht ganz bis zu ihr, sondern blieb in einigen Abstand vor ihr in der Luft stehen. Sues verstand das als Zeichen, dass die Lichtkugel den rechten Weg gefunden hatte und sie jetzt führen wollte. Sie ging auf das Licht zu und das Licht flog langsam weiter, so dass sie gut mithalten konnte.
Suse war ganz erstaunt, dass es da noch mehrere Abzweigungen gab. Allein hätte sie sich nie zurechtgefunden. Gut dass sie ihre Lichtkugel hatte. Wieder kam ihr der Weg so unendlich weit vor. Und plötzlich, was war das? Dunkle Schatten von allen Seiten.
Da gab es keine Entrinnen. Das Herz von Suse schlug immer schneller. Die Glühwürmer hatten einen Schatten in die falsche Richtung leiten können. Aber bei so vielen Schatten war das sicherlich nicht möglich.“
Greggy gruselte es. Sie bekam eine Gänsehaut und drückte sich ganz fest an ihren Teddy.
„Plötzlich war auch ihre Lichtkugel noch verschwunden. Jetzt war sie ganz hilflos und allein.“
Greggy versteckte sich plötzlich unter der Bettdecke: „Michael? Ich kann dich nicht mehr hören.“
Michael sprach etwas lauter, damit ihn seine kleine Schwester trotzdem noch hören konnte. Auch versuchte er alle Angst aus seiner Stimme zu nehmen.
„War das jetzt das Ende? Das durfte doch einfach nicht sein. Schon wegen Andi.
Plötzlich, einige Meter vor ihr, tauchte das Licht wieder auf. Gleich danach war es wieder verschwunden und tauchte wo anders auf. Die dunklen Schatten waren total irritiert, aber lang würde sie das auch nicht abhalten.“
Greggy kam ganz vorsichtig wieder unter der Decke raus. Die Neugierde war doch zu groß.
„Immer näher kamen sie auf Suse zu. Das konnte nicht gut ausgehen. Suse schloss die Augen und wollt nur noch auf ihr schnelles Ende warten.“
„Oh!“ Greggy war total entsetzt. Sie wurde schon ganz blass.
„Kaum hatte sie die Augen geschlossen sah sie den weisen Kreis und sie rannte so schnell wie möglich los. Die Augen immer noch geschlossen und auf kein Hindernis achtend, rannte sie, wie sie in ihrem Leben noch nie gerannt war.“
Greggy hielt sich die Augen auch ganz fest zu.
„Plötzlich ein lautes Stopp in ihrem Kopf und nur eine Vollbremsung konnte verhindern, dass sie mit alle Wucht gegen den Hausbaum des Bären gerannt wäre. Sie öffnete die Augen und war glücklich, dass sie es geschafft hatte, diesen Baum zu erreichen. Die Höhle konnte jetzt nicht mehr weit sein.
Aber ihre Beine zitterten und sie konnte sich nicht mehr aufrecht halten. Sie musste sich erst einmal hinsetzen und wieder zu Atem kommen.
Sie blickte zurück zum Weg. Alle Schatten hatten sich da versammelt, wo sie sich gerade noch befunden hatte. Es war ein grässlicher Anblick einer unvorstellbaren Dunkelheit.“
Greggy bekommt Angst und beginnt zu zittern. Michael nimmt Greggy bei der Hand und streichelt sie ganz vorsichtig.
„Aber sie war in Sicherheit. Sie atmete erleichtert auf. Aber was war mit ihrem Licht. Hatten die Schatten es aufgezogen? Hatten die Schatten ihr geliebtes Licht, das ihr das Leben gerettet hat, verschlungen? Suse hatte nun Tränen in den Augen. Aber es half alles nichts. Sie musste weitergehen. Sie konzentrierte sich und es fiel ihr wieder ein in welcher Richtung die Höhle lag. Langsam tastete sie sich weiter und kam schon bald am Ziel an. Sie war jetzt wirklich am Ende ihrer Kräfte. Kaum war sie angekommen trat der Bärenpapa vor die Höhle, als wenn er sie schon erwartet hätte.
Ganz bestürzt frage er: 'Hast Du Dein Licht verloren?' Beschämt gab Suse zur Antwort: 'Ich glaube ja.' 'Dann war alles umsonst.' meinte der große Bär enttäuscht.“
„Oh nein!“ rief Greggy entsetzt: „Mach was, großer Bruder!“
'Das darf nicht sein!' schrie Suse ganz entsetzt. 'Ich kann Dir nicht helfen. Wenn Du das Licht verloren hast, dann bist Du nur noch eine Illota, die nichts mehr bewirken kann.' stöhnte der Weisheitsbär.“
„Nein! So darf die Geschichte aber nicht ausgehen!“ schrie Greggy ganz energisch.
„Als sie noch im Gespräch vertieft waren, tauchte plötzlich in unendlicher Ferne ein ganz kleines Licht auf. Der Bär strahlte: 'Offensichtlich musste es einen sehr großen Umweg machen, um den Schatten zu entkommen. Es ist noch da. Du hast wirklich Glück gehabt. Oder einen mächtigen Helfer.'“
„Wie gut! Du hast Suse gerettet, Brüderchen.“ lachte Greggy erleichtert. „Michael tut doch immer sein Bestes.“ bemerkte ihr Bruder ganz schelmisch. „Greggy meint, dass ihr Bruder halt der Beste ist.“ „Klar doch. Wofür hat man denn einen Bruder?“ Die Kleine musste jetzt laut lachen.
„'Bist Du sicher, dass das meine Leuchtkugel ist?' frage das Mädchen ganz verstört, aber doch schon wieder mit einem Funken Hoffnung.
Das Licht wurde immer größer und schließlich war es da, in seiner ganzen Schönheit. Suse wurde erst jetzt so richtig bewusst wie schön das Licht war und dass es alle nur erdenklichen Farben enthielt. In der aufgehenden Sonne funkelte es nach allen Seiten wie ein Diamant. Suse konnte sich an ihrer Schöpfung gar nicht mehr satt sehen.
'Also diese wunderbare Lichtkugel hast Du erschaffen?' bewunderte der Bär sichtlich erstaunt Suse. 'Ich sehe, Du bist wirklich eine Illota. Eine Illota, die in der Lage ist, alles zu lernen, was ich ihr beibringen kann. Du wirst meine beste Schülerin sein, die ich je hatte. Noch niemand hat seine erste Prüfung so toll bestanden wie Du.' Der weise Bär war sichtlich stolz auf seine künftige Schülerin.
'Aber jetzt kommt das Schwerste, bevor Du Dich zur Ruhe legen kannst.' gab der alte Bär ganz vorsichtig von sich. 'Ja, was denn?' rief Suse ganz begeistert 'Ich bin bereit alles zu tun.'“
Greggy fieberte vor Spannung.
'Dann zeig es mir mal. Du musst jetzt genau befolgen was ich Dir sage. Ohne zu Zögern. Auch wenn Du nicht verstehst warum das nötig ist. Ich werde Dir das dann Morgen erklären. Also alles klar. Befolgst Du meine Anweisungen ganz genau?'
Dem Bären ging fast der Atem aus von solch einer langen Rede. 'Natürlich werde ich alles ganz genau so machen wie Du es sagst. Ich will ja die beste Schülerin sein, die Du je hattest.' begeisterte sich Suse. 'Na, dann wollen wir mal sehen.' meinte der gelehrte Bär skeptisch. 'Stecke Deine Hand aus mit der Handinnenfläche nach oben.' Das ist doch nicht schwer dachte sich Suse und befolgt die Anweisung. Sofort ließ sich das Licht auf ihrer Hand nieder. 'Und jetzt schließe die Hand, damit sich das Licht wieder auflöst und zu dem wird was es vor seiner Verwandlung war.' fuhr der Bär ganz ernst fort.“
„Oho!“ Greggy war ganz Ohr. Wie war so konzentriert wie noch nie in ihrem Leben.
„'Ich soll das Licht, das mir das Leben gerettet hat vernichten? Nein, das kann ich nicht. Das ist zu grausam.' Suse war den Tränen nahe.
Greggy zitterte schon vor wieder Aufregung: „Schafft Suse das?“
„ 'Wie soll ich Dich ausbilden können, wenn Du mir nicht folgst? Du vernichtest das Licht nicht, sondern schenkst ihm seine ursprüngliche Gestalt.' Und mit viel Nachdruck: 'Ich kann Dich nicht ausbilden, wenn Du mir nicht bedingungslos vertraust.'
Suse war ganz bleich geworden. Das konnte doch niemand von ihr verlangen. Das war doch nur eine unsinnige Prüfung. Der Bär würde doch nicht wirklich darauf bestehen. Unschlüssig stand sie da und der Bär war bereit ihr Zeit zu lassen. Sehr ernst schaute er sie an und sie merkte, dass es wirklich um alles ging. Aber sie konnte sich nicht entscheiden. Da hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf. Oder war es nur ein Gefühl? Sie wusste es nicht. Auf jeden Fall kam es von der Eule. Da war sie sich ganz sicher. Sie spürte: 'Folge ihm!'
Millimeter für Millimeter zog sie ihre Finger zusammen. Sie spürte richtige Schmerzen in sich. Tat sie etwas ganz Schlimmes oder hatte doch alles seine Richtigkeit?“
„Mach Suse, mach!“ feuerte Greggy das kleine Mädchen an.
„Nein, sie konnte es nicht tun. Die Finger hielten an.“
„Oh nein!“ Greggy konnte es nicht glauben.
„Da hörte sie aus fernen künftigen Zeiten Greggy schreien: 'Mach Suse, mach!'“
Da lachte Greggy erleichtert auf. Hatte sie Suse wirklich helfen können?
„Das gab ihr Mut und sie machte ganz vorsichtig weiter. Wenn ein Nachricht aus so ferner Zeit kam, dann muss es doch ganz wichtig sein und durfte nicht unbeachtet bleiben. Die Hand war schon halb geschlossen und sie kam sich wie eine Mörderin vor.“
„Weiter Suse, denk an Andi!“ feuerte Greggy ihre Freundin aus der Vergangenheit an, um ihr Mut zu machen.
„Wieder hielten die Finger an. Da leuchtete ihr das Licht so fröhlich und freundlich entgegen, dass sie wusste, dass auch die Lichtkugel wollte, dass sie jetzt ihre Hand zur Faust schloss.
Es fiel ihr immer noch sehr schwer. Beständig Millimeter für Millimeter schloss sie die Hand und obwohl es ihr so schwer fiel ohne jede weitere Unterbrechung.
Als sie die Hand geschlossen hatte, spürte sie so etwas wie einen leichten Stromschlag in ihrer Hand. Als sie sie wieder öffnete setzte der Lichtstrahl seinen unterbrochenen Weg zur Erde fort. Es war ein herrlicher Anblick. Aber danach brach Suse vor Erschöpfung zusammen.“
„Die Ärmsten.“ bedauerte Greggy. Aber alle Angst und ihre Anfeuerungsrufe hatten geholfen und das freute sie ungemein.
„Der alte weise Bär lächelte erleichtert und trug seine Schülerin behutsam in die Höhle und legte sie neben seinen Sohn.“
„Der Bär ist richtig lieb.“ freute sich Greggy. „Aber Suse hat das ja wirklich verdient, nachdem was sie heute alles ausgestanden hat.“ „So und jetzt lassen wir Suse erst mal tüchtig ausruhen und wir brauchen das jetzt auch.“ Greggy kuschelte sich in ihr Bett und machte zufrieden die Augen zu.
Heute begann Michael mit der Frage: „Mag Greggy denn Schule?“
„Hm,“ sie war sich da gar nicht so sicher und musste lang über legen. Aber schließlich sprach sie dann doch ein entschiedenes „Ja!“ „Oh!“ der große Bruder war ganz verwundert, denn er war gar nicht so begeistert von der Schule: „Dann mal gut aufgepasst - hoffentlich verwirre ich Dich heute nicht.“ „Doch ganz bestimmt.“ meinte Greggy schelmisch und lachte.
„Also, Suse hatte herrlich an der Seite des kleinen Bären geschlafen. Frisch und munter wachte sie wieder auf.“
„Die hat es gut. Greggy hat gar nicht gut geschlafen.“ „Wieso denn nicht? Hatte sie Alpträume?“
„Ihr Kuscheltier war nicht da und ihr großer Bruder auch nicht:“ bemerkte die kleine Schwester vorwurfsvoll. „Wer hat denn das geklaut? Wie gibt es denn so was? Das wollte sicher in der Geschichte mitspielen.“ „Nö, war nur in der Waschmaschine gelandet.“ „Was es nicht alles gibt.“ staunte Michael. „Aber ich kann doch nicht die ganze Nacht Händchen halten.“
„Warum nicht?“ „Michael muss ja auch mal schlafen.“ „Ach so.“ „Ach ja. Soll ich jetzt weiter erzählen?“ „Ja.“ meinte Greggy begeistert und war gar nicht mehr beleidigt.
„Bald darauf waren auch die anderen Bären wach. Die Bärenmama und das Bärenkind begrüßten sie ganz begeistert. Gleich darauf schickte die Bärenmama die beiden kleinen wieder nach draußen zum Beeren essen. 'Warum schickt uns Deine Mama immer nach draußen, wenn es Essenszeit ist?'
'Na ich denke, dass Du kein rohes Fleisch magst und unsere Tischmanieren würden Dir auch nicht gefallen.' antwortete der kleine Bär belustigt. 'Ach so. Daran habe ich überhaupt nicht gedacht.' meinte Suse etwas verlegen. So aßen sie die köstlichsten Beeren und spielten lange Zeit miteinander, bis schließlich der große gelehrte Bär vor der Höhle erschien. Er schickte seinen Junior zurück in die Höhle.
'So jetzt können wir den Unterricht beginnen.'“
„Oh, ob Suse das schafft?“ fragte Greggy ganz aufgeregt.
„'Warum musste ich gestern meine Lichtkugel unbedingt wieder verschwinden lassen? Und warum wäre ich eine kraftlose Illota, wenn meiner Schöpfung etwas passieren würde?' fragte Suse ganz eifrig.
'Halt! Stopp! So geht es nicht. Eins nach dem andern. Ich halte hier den Unterricht und weiß schon was ich Dir beizubringen habe. Da musst Du keine Fragen stellen' meinte der Weisheitsbär und war wieder mal ganz außer Atem weil der Satz so lange war.“
Das kleine Schwesterlein fand das sehr lustig: „Hihi, das hat er davon.“
„'Ok, ich werde ganz aufmerksam zuhören und nichts mehr fragen.' versicherte die Schülerin. Zufrieden und beruhigt nickte der Bär mit seinem dicken Kopf. 'Also es ist so: Du kannst immer nur eine Illusion erschaffen. Wenn diese Illusion verlorengeht, kannst Du folglich keine neue erschaffen und bist machtlos.' erklärte der weise Lehrer.“
„Oh! Da muss Suse aber gut aufpassen.“ erschrak Greggy, die erkannte, dass das alles nicht so einfach ist, wie sie sich das vorgestellt hatte.
„'Du kannst Deine Illusion beeinflussen und das ist ganz wichtig, damit Du sie vor Fremden und Gefahren schützen kannst.'“
„Greggy wüsste gerne was das schwere Wort bedeutet.“ „Du meinst Illusion?“ „Ja.“ „Wenn etwas nur in Deinen Gedanken existiert, also alles was Du Dir im Kopf ausmalst und was es gar nicht wirklich gibt, ist eine Illusion. Es gibt sogar böse Menschen, die behaupten, dass Märchen Illusionen seien.“ „Klar doch, weil böse Menschen keine Ahnung von der Wirklichkeit haben.“ erkannte Greggy messerscharf.
„'Oh, wie geht das und will man meine Illusionen zerstören?' Der Bär schaute sie sehr ernst an. 'Entschuldige, aber ich bin so aufgeregt. Ja, ich werde nichts mehr fragen.' Der Gelehrte schmunzelte gutmütig: 'Es gibt viele die keine Illusion erschaffen können, aber Illusionen beeinflussen können. Da gibt es gute und schlechte Mächte. Wenn die Eule Deine Illusion nicht geleitet hätte, dann hätte sie Dich nicht hierher führen können. Auch wäre sie dann den dunklen Schatten hilflos ausgeliefert gewesen. Aber sie hat das nur getan, weil Du das selber noch nicht konntest. Normalerweise musst Du selbst auf Deine Illusion achten. Das werden wir sehr gründlich lernen und üben.'“
„Die arme Suse.“ Greggy ahnte, dass das nicht leicht sein würde.
„‘Aber es gibt auch Wesen, die Deine Illusion für ihre Zwecke verwenden wollen. Sie versuchen Deine Illusion so zu beeinflussen, dass sie ihnen gehorcht. Das musst Du auf jeden Fall verhindern. Desto näher jemand bei einer Illusion ist, desto größeren Einfluss hat er. Deswegen solltest Du dafür sorgen, dass Deine Illusion immer ganz nahe bei Dir ist. Wenn Du sie, wie die Eule, auf Wegsuche geschickt hättest, wäre ein großes Risiko damit verbunden gewesen. Wenn die Illusion ganz nah bei Dir ist, dann hast Du mehr Einfluss darauf, als jemand der weiter weg ist, auch wenn der mehr Kraft besitzt als Du.
Übrigens musst Du einer Illusion normalerweise nicht ihre normale Gestalt zurückgeben, wie bei der Lichtkugel. Ein Illusion vergeht von selbst, wenn Du sie in Deinem Innern nicht mehr aufrechterhalten kannst. Es kostet viel Übung, bis man eine Illusion längere Zeit aufrechterhalten kann.‘“
„Viel üben ist aber ganz schön anstrengend. Aber Suse wird das schon schaffen.“ berichtete und hoffte Greggy aus ihrer persönlichen Erfahrung.
„Begeistert fragte Suse: ‚Wann fangen wir mit der Ausbildung an?‘ Mürrisch bekam sie zur Antwort: „Morgen, oder besser erst nächste Woche, oder vielleicht erst nächsten Monat.“ Dann rannte der Bär weg. Suse wusste nicht was sie davon halten sollte. Hatte sie etwas falsch gemacht? ‚Liebe Eule kannst Du mir verraten, warum der Bär plötzlich so abweisend ist?‘ ‚Du hast ihr schwer beleidigt!‘ ‚Ich habe doch nichts falsches gesagt und habe auch geduldig und ohne zu unterbrechen seinen Anweisungen zugehört.‘ ‚Aber Du hast vergessen, was ich Dir anfangs gesagt habe.‘ ‚Ja, was denn?‘ Die Kleine überlegte angestrengt, da fiel es ihr plötzlich ein: ‚Richtig, in der Eile habe ich vergessen das Geschenk mitzunehmen. Es liegt immer noch in meinem Schlafzimmer. Könntest Du es vielleicht holen?‘ fragte sie schüchtern. ‚Uhu, Uhu, Uhu.‘ und schon erschien wieder der große Hase. ‚Frau Vergesslich braucht einen Postboten. Kannst Du bitte das Paket in ihren Schlafzimmer bringen?‘ Sogleich war der Hase verschwunden und Suse bedankte sich herzlich bei der Eule.
Knurrend kam der Bär zurück und ging an ihr vorbei, ohne sie zu beachten. Sie zögerte einen Moment, dann rief sie den Bären.
Der drehte sich um und sie hielt beide Hände mit der Oberfläche nach oben und fing zwei Sonnenstrahlen auf, dann konzentrierte sie sich und plötzlich erschien ein Doktorhut.
Der Bär war begeistert: ‚Das Du schon vor Beginn meiner Ausbildung zu so einer schwierigen Illusion fähig bist ist staunenswert.‘ Natürlich verschwand die Illusion nach kurzer Zeit. Aber der Bär stellte begeistert fest: ‚Du konntest sie zwei Minuten lang aufrecht erhalten. Das ist für Anfänger eigentlich unmöglich. Da werde ich Dir nicht mehr viel beibringen können. Aber ohne Ausbildung wirst Du in der Schule nicht aufgenommen.‘ Nach dieser langen Rede musste der Bär wieder einmal kräftig schnaufen.“
„Suse ist einfach super.“ jubelte Greggy. „Darf sie jetzt endlich mit der Ausbildung beginnen?“ „Nein, der Bär hat ja noch kein Geschenk bekommen. Ohne ein Geschenk darf er sie nicht ausbilden. So verlangt es der Ehrenkodex.“ „Was ist denn das wieder für ein Unsinn?“ „Ein Schüler muss seinen Lehrer ehren und ihm dies durch ein Geschenk zeigen.“ „Der Hase holt es doch schon. Der ist gewiss schon zurück.“ „Richtig. Er hat die Schachtel hinter einen Baum versteckt.“
„Traurig drehte sich der Bär weg, denn es tat im leid eine so begabte Schülerin nicht aufnehmen zu können.
Schnell eilte Suse zu ihrer Schachtel und schnitt dann dem Bären den Weg ab. Sie hielt ihm wieder einen Doktorhut hin. ‚Was soll der Unsinn. Auch wenn es Dir gelingt die Illusion länger aufrecht zu erhalten kann ich Dich trotzdem nicht ausbilden.‘ ‚Das ist keine Illusion. Der ist echt.‘ Ungläubig berührte der Bär den Hut. ‚Tatsächlich.‘ meinte er erstaunt, setzte sich den Hut auf und rannte in die Höhle, um sich im Spiegel zu bewundern. Schnell rief er ihr noch zu: ‚Morgen bei Sonnenaufgang beginnen wir mit der Ausbildung, falls ich schon wach bin und gut gefrühstückt habe.‘“
„Na endlich.“ meinte Greggy ganz erleichtert. „Das die Männer aber auch aus allen ein Problem machen.“ „Dann freue Dich doch, dass Du kein Mann bist.“ bemerkte Michael dazu. „Mach ich auch.“ erwiderte sie todernst.
„Die Eule meinte lächelnd: ‚Manche Gelehrte benehmen sich wie kleine Kinder.‘ ‚Andere wie kleine Babys, die den ganzen Tag über schlafen.‘ dachte sich Suse. ‚Ich habe Deine Gedanken gehört.‘ bemerkte die Eule ‚Aber es muss Dir nicht peinlich sein. Alle Gelehrten haben halt irgendeine Besonderheit.‘“
„Dann bin ich auch eine Gelehrte!“ betonte Greggy „Ich bin nämlich etwas ganz Besonderes.“ „Daran habe ich auch nie gezweifelt.“ bekannte ihr Bruder. Er hätte sich nicht getraut etwas anderes zu behaupten, denn er kannte den Zorn seiner Schwester.
„Danach wollte die Eule noch wissen: ‚Wo hast Du den Hut her?‘ ‚Ich ging zum Bürgermeister und habe ihn gefragt. Er sagte mir, dass ihm jemand den Hut gegeben habe mit den Worten: Schenke ihn einer Illota, die danach fragt.‘ Darauf erwiderte die Eule: ‚Ja der Bürgermeister ist der dritte Gelehrte in dieser Gegend. Er hat entdeckt, dass Du eine Illota bist und Dir die Glühwürmchen geschickt.‘“
„Einfach toll, wie lange schon alles vorbereitet war.“ freute sich Greggy.
„Tatsächlich schritten schon beim Sonnenaufgang der große Bär und seine kleine Schülerin vor die Höhle. ‚Du hast ihr nicht die ganze Wahrheit gesagt, Du oh so kluger Bär.‘ ermahnte ihn die Eule. ‚Ich wollte sie nicht erschrecken.‘ ‚Du musst ihr die ganze Wahrheit sagen, bevor ihr beginnt.‘ ‚Dann erklär Du es ihr doch.‘ meinte der Bär beleidigt. ‚Ich gehe dann noch eine Runde schlafen.‘ und schon war er weg.“
„Oh man, muss denn immer alles so kompliziert sein? Können die nicht einfach endlich mal mit der Ausbildung anfangen? Wenn die so weiter machen ist Suse uralt bis die Ausbildung beginnt.“ „Na ganz so schlimm wird es hoffentlich nicht werden. Aber sie muss doch wissen, auf was sie sich wirklich einlässt. So eine Ausbildung ist nicht nur schwer, sondern verlangt auch Opfer.“ „Das klingt ja schrecklich.“
„Suse seufzte: Was ist jetzt wieder los? Was muss ich noch wissen?‘ Die Eule räusperte sich und überlegte, wie sie beginnen sollte. ‚Es gibt ganz strenge Vorschriften für die Ausbildung von Illotas.
Während der ganzen Ausbildung hier darfst Du Deine Eltern und Deinen Bruder nicht besuchen und sie dürfen auch Dich nicht besuchen.‘“
„Das können sie ihr doch nicht zumuten. Sie muss doch ihre Eltern und ihren Bruder sehen um immer wieder neuen Mut und neue Kraft zu schöpfen. Was sind das für idiotische Vorschriften.“ „Es gibt einen Meister der Illota und einer von ihnen hat halt irgendwann mal diese Vorschriften gemacht.“ „Die müssen sofort geändert werden!“ verlangte Greggy mir allem Nachdruck. „Die könnten nur geändert werden, wenn Suse selbst die Meisterin wird. Aber das ist extrem schwierig.“ „Sie schafft das.“ meinte Greggy mit großer Überzeugung.
„Suse wurde blass, aber sie nahm allen Mut zusammen: ‚Die paar Jahre werde ich aushalten. Hauptsache, dass ich hinterher unserem Andi helfen kann.‘ Die Eule war ganz verlegen: ‚Du kannst natürlich nach der Ausbildung hier, nach Hause zurückkehren. Aber dann war alles umsonst. Dann werden Dich viele bewundern, aber es wird sich nichts ändern.‘“
„Das ist Betrug! Die haben Suse und auch Andreas hereingelegt! Das kann doch nicht wahr sein.“ schrie Greggy und dann zu Michael: „Ich bin enttäuscht von Dir.
Da hättest Du Dir was besseres einfallen lassen können.“ Zögerlich antwortete Michael: „Das muss alles so sein wie es ist, damit sie ans Ziel kommen kann. Aber bis dahin brauchst Du noch mega viel Geduld, sonst halten das Deine Nerven nicht aus.“ „Geduld!?“ meinte Greggy ganz verächtlich, denn das war wirklich nicht ihre Stärke.
„Suse war jetzt total verwirrt: ‚Ich habe das doch alles nur gemacht um Andi zu helfen und jetzt soll alles umsonst sein?‘ Die Eule stöhnte: ‚Gelehrte haben es so schwer, weil man ihnen nie bis zum Ende zuhört.‘“
„Wenn sie alles einfach, kurz und klar jemanden verständlich machen würden, dann würde man ihnen schon zuhören. Aber wenn sie immer nur Romane erzählen und hinterher niemand weiß was Sache ist, dann hört man natürlich nicht mehr zu,“ stellte Greggy fachfraulich fest. Michael nickte nur mit dem Kopf.
„Verzweifelt blickte Suse die Eule an: ‚Also gut, ich werde mich bemühen Dich nicht mehr zu unterbrechen.‘ ‚Wenn Du Andi wirklich helfen willst, dann musst Du erst mal auf die Schule gehen.‘ ‚Ich dachte, dass ist hier meine Schule.‘ Die Eule verdrehte die Augen, weil sie wieder unterbrochen worden war: ‚Das hier ist sozusagen nur der Kindergarten. Die Schule ist irgendwo außerhalb unseres Verbannungsortes. Das heißt Du musst den großen Fluss, der uns einkreist und die endlose Wüste die um uns herum ist, durchqueren. Du wirst dann schon irgendjemand finden, der weiß wo die Schule ist.‘“
„Na wenn es für mich so umständlich gewesen wäre zur Schule zu kommen, wäre ich wohl nie in eine gekommen.“ bemerkte Greggy frustriert.
„‘Aber auch während der Schulausbildung darfst Du niemanden besuchen und niemand Dich. Es wird Dir also wie eine Ewigkeit vorkommen.‘ Die Eule machte eine Pause um Suse die Gelegenheit zu geben etwas dazu zu sagen. Aber sie hielt sich an ihr Versprechen ihn nicht mehr zu unterbrechen. Deshalb fuhr er fort: ‚Nach der Schule kannst Du in die Welt gehen und die Aufträge erfüllen, die Dir Dein Leiter gibt. Du kannst aber auch die Aufnahmeprüfung für die höhere Schule machen, damit Du selbst ein Leiter wirst, der Aufträge des hohen Rats weitergibt und darauf achtet, dass sie richtig ausgeführt werden. Wenn Du die hohe Schule besonders gut abschließt, kann es sein, dass Du in den hohen Rat aufgenommen wirst.
Aber ab da darfst Du die Schule und die dazugehörigen Gebäude nicht mehr verlassen. Im hohen Rat hast Du keinen Ausbilder mehr, sondern kannst Dich nur noch selbst weiter bilden. Dabei lernst Du alle Fähigkeiten, die in Dir sind, zu entdecken und kannst vielleicht Dinge tun, die bisher noch nie jemand getan hat. Hierbei kannst Du vielleicht einen Weg finden Deinem lieben Andreas zu helfen. Wenn der Meister des hohen Rates stirbt, dann wird der zum Nachfolger gewählt, der die beste Illusion erzeugen kann. Die Aufgabe des hohen Rats und seines Meisters ist es den Menschen zu helfen, damit sie mit der Zeit lernen ein besseres Leben zu führen. Hast Du alles verstanden?‘ keuchte die Eule, der schön langsam die Luft ausging.. Suse stand unter Schock und konnte nur noch ein schüchternes ‚ja‘ raus bringen.“
„Das schafft doch kein Mensch“ meinte Greggy, war aber trotzdem ganz zuversichtlich: „Da wirst Du Dir aber jetzt einiges einfallen lassen müssen, dass Suse wirklich Erfolg hat. Wehe (!!!) wenn sie am Schluss dem Andi nicht helfen kann.“
„Nun endlich begann die Ausbildung:
‚Als erstes darfst Du nie vergessen: Die Hoffnung nie aufgeben.
Damit sind wir mit der Theorie fertig und die Praxis kann beginnen.‘ eröffnete der Bär die erste Unterrichtsstunde. Suse verwirrte ihn immer wieder, weil sie plötzlich Dinge konnte, die er ihr nicht beigebracht hatte. Sie war beharrlich und ausdauernd und erlernte alles perfekt. Es war eine sehr schwere Zeit, die nur wenig Zeit zum Spielen übrig ließ, aber die ständigen Fortschritte schenkten ihr Mut und Freude. Es war einfach super ständig etwas Neues zu entdecken.“
„Ich wusste es doch, das Suse die Beste ist und alles schafft.“ rief Greggy begeistert.
„Zum Ende der Ausbildung, die vierzig Monate dauerte, hielt der Weisheitsbär mit Doktorhut eine lange Rede. Alle mussten sich bemühen nicht ein zu schlafen.
Jetzt war der Hals des Bären ganz ausgetrocknet und er brauchte erst mal eine Hemina Met.“
„Was ist eine Hemina Met?“ „Met ist ein Getränk, das die alten Germanen tranken; Ein Honigwein. Hemina ist eine Maßeinheit, die in einer Ordensregel erwähnt wird. Aber niemand mehr weiß wie viel eine Hemina ist.“ „Macht ja nichts. Aber ich will jetzt ein Glas Met. Der schmeckt sicherlich süß und gut.“ „Aber Wein ist für so junge Damen gar nicht gut. Deshalb lassen wir das lieber bleiben.“ meinte Michael lächelnd und um jedem Widerspruch vorzubeugen ergänzte er: „Und wir haben sicherlich keinen Met im Haus. Ich weiß nicht, ob es den heutzutage überhaupt noch gibt.“ „Au prima, dann mixen wir morgen einen Met zusammen, verkaufen ihn und werden reiche Leute.“ „Ja, aber erst nachdem Du gründlich ausgeschlafen hast.“ stöhnte Michael.
„Lassen wir Suse mal Zeit über alles nachzudenken was sie gelernt hat und machen Schluss für heute.“ „Ich werde ganz fest schlafen, damit ich morgen fit bin zum Mettesten.“ lachte Greggy und drehte sich um.
Es war wieder Zeit zum ins Bett gehen. Greggy torkelte die Kellertreppe hoch und lallte: „Met scheckt ehrlich.“ Michael war entsetzt und sauste in den Keller. Da stand tatsächlich eine angebrochene Weinflasche, ein angebrochenes Honigglas und eine große Tasse, die offensichtlich benutzt worden war. Michael rannte sofort wieder hoch. Er war total durcheinander. Was sollte er tun?
Die Nachbarin benachrichtigen, einen Arzt anrufen? Er hatte keine Ahnung. Er verfiel in Panik: ‚Zuerst ins Bett bringen.‘ dachte er sich und trug sie die Treppen zum Schlafzimmer hinauf. „Ig gan ssselbst saufen.“ protestierte Greggy. Nachdem er sie ins Bett gebracht hatte, forderte sie: „Mädchen erzählen.“ „Heute gibts kein Märchen. Erst mal den Rausch ausschlafen.“
Plötzlich fing sie aus vollem Hals zu lachen an: „Du hältst mich doch wohl nicht für so blöd, dass ich Alkohol trinke. Ich habe mal gesehen, wie jemanden davon schlecht wurde. Das muss ich mir nicht antun.“ Michael wäre fast ausgerastet, aber seiner kleinen Schwester konnte er nie böse sein. Innerlich schmunzelte er: ‚Sie ist eine gute Schauspielerin. Es war ja eigentlich ein guter Scherz, der niemanden geschadet hat. Außer meinen Nerven.‘ Deshalb ermahnte er sie trotzdem noch: „Ich hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen. Tu das bitte nie wieder.“ „Warum sind die Männer nur so empfindlich.“ bekam er zur Antwort. „Wenn ich wirklich so empfindlich bin, dann bin ich heute zu empfindlich zum weiter zu erzählen.“ „So war es doch nicht gemeint: Weiter erzählen!!!“
„Nach dem Frühstück am nächsten Tag fragte Suse die Eule: ‚Hast Du verstanden, was uns der Bär bei der Abschiedsrede sagen wollte.‘ ‚Eigentlich nur, dass Du ganz toll warst und dass er Dir alles Gute für die Zukunft wünscht.‘ ‚Es gibt also nichts mehr, was ich noch wissen müsste?‘ Die Eule überlegte kurz: ‚Wenn Du jemanden begegnest, von dem Du wissen willst, ob er ein Illota ist, dann dreh Deine Handfläche nach oben, fange einen Sonnenstrahl auf, drehe sie wieder nach unten und lass den Sonnenstrahl weiterziehen. Das geht so schnell, dass es nur ein Illota bemerkt. Wenn Dein Gegenüber also einer ist, dann wird er das Gleiche tun.‘“
„Das mit dem Sonnenstrahl muss ich morgen gleich mal probieren. Das sollte ich doch hinkriegen. Vielleicht bin ich ja auch eine Illota.“ „Ja, das müssen wir unbedingt herausfinden.“ stimmte ihr Michael zu.
„Jetzt ließ sich der Abschied nicht länger hinausschieben und es gab viele Tränen. Suse bat die Eule ihren Eltern und ihrem Bruder schöne Grüße auszurichen. Plötzlich drückte ihr der klein Bär einen leeren Korb in die Hände. Die Eule erklärte dazu: ‚Sammle darin Heilkräuter für den Fährmann. Er ist krank und braucht dringend einen Tee, der ihn wieder gesund macht. Über Heilung mit Kräuter hat Dir ja unser Gelehrter ganz viel beigebracht.‘ ‚Wo finde ich den Fährmann?‘ ‚Das musst Du selbst herausfinden. Ab jetzt bist Du ganz auf Dich allen gestellt.‘“
„Bevor Suse mit der großen Reise beginnt, wollen wir uns erst einmal ausruhen. Michael ist heute schon richtig müde.“ „Ich noch nicht. Immer wenn es spannend wird unterbrichst Du.“ kam der tägliche Protest.
Am nächsten Abend ermahnte Greggy ihren Michael: „Jetzt muss es aber endlich mal los gehen. Die können doch nicht ewig nur immer reden.“
„Suse überlegte, welchen Weg sie gehen sollte: ‚Wenn der große Fluss unser ganzes Land einschließt, dann ist es egal in welche Richtung ich gehe. Ich werde immer auf ihn stoßen.‘ Also ging sie einfach drauf los und war schon nach kurzer Zeit am Fluss: ‚Soll ich jetzt flussabwärts oder flussaufwärts gehen? Flussabwärts liegt unser Dorf und ich könnte meinen Eltern oder meinem Bruder begegnen, was ich ja nicht darf. Also gehe ich flussaufwärts.‘ Es dauerte auch nicht sehr lange, bis sie ein Häuschen erblickte, das wohl dem Fährmann gehören musste. Sie fand ihn dort auch in einem schrecklichen Zustand. Er hatte wohl schon lange nichts mehr gegessen und verließ sein Bett nicht mehr. Er nahm kaum wahr, dass er Besuch hatte. Suse begann sofort mit einer kurzen Untersuchung, wie sie es beim Bären gelernt hatte. Dann wusste sie welchen Tee sie brauen musste. Nachdem sie ihm viele Tage diesen Tee einflößte, ging es ihm wirklich besser und er nahm jetzt auch wieder Nahrung zu sich.
Es dauerte noch einige Wochen bis er wieder fit war. Herzlich bedankte er sich bei Suse und bedauerte, dass er sie dafür nicht belohnen könnte. ‚Wenn Sie mich auf die andere Seite fahren, ist das genug Lohn für mich.‘ ‚Das geht leider nicht. Irgendwann tauchten in diesem Fluss Krokodile auf und ich konnte niemand mehr befördern. Das Boot habe ich auch nicht mehr instand gehalten, weil ich es ja nicht mehr gebraucht habe. Wahrscheinlich ist es nicht mehr dicht und ich weiß nicht, ob ich es wieder in Stand setzen könnte. Aber das wäre ja sinnlos, wegen der Krokodile.‘“
Neiiiin! Das kann nicht sein, dass Suse schon wieder am Ende ist. Hat sich denn alles „gegen sie verschworen. Sofort lässt Du einen riesigen Adler kommen, der sie auf die andere Seite hinüber fliegt.“ verlangte Greggy mich Nachdruck.
„Eine gute Idee.“ lobte ihr Bruder: „Aber alle Vögel sind gerade bei einer wichtigen Versammlung, die die Eule einberufen hat.“ „Das ist ein Notfall. Der ist wichtiger als die Versammlung. Die können sie auch später halten.“
„Es kam kein Adler und Suse war ratlos. Aber sie hatte die Theorie, die sie gelernt hatte nicht vergessen: Die Hoffnung nie aufgeben. ‚Es muss noch eine andere Möglichkeit geben, um über den Fluss zu kommen. Bitte verrate sie mir.‘
‚Du könntest die unsichtbare Brücke verwenden. Aber das ist zu gefährlich: Einen falschen Schritt und Du bist Krokodilfutter.‘ ‚Ich werde jetzt erst mal schlafen gehen und bis Morgen darüber nach denken.‘ Daraufhin begab sich Suse zur Ruhe.“
„Und das werden wir jetzt auch tun.“ „Du bist super gemein. Immer wenn es gerade am Spannendsten ist. Wehe wenn sie es Morgen nicht schafft der Fluss zu überqueren.“
„Hat Suse jetzt geträumt wie es weiter geht?“
„Suse erwachte und wusste nicht was sie tun sollte. Der Mut hatte sie irgendwie verlassen.“
„Nein, nicht aufgeben.“ brüllte Greggy.
„‘Oh, die Stimme aus der Zukunft rät mir, nicht aufzugeben.‘ ‚Fährmann, ich muss es versuchen.‘ Der Fährmann führte sie vor das Haus. Sie standen jetzt an der linken Ecke des Hauses. Auf der anderen Seite des Flusses, stand eine Hütte, die genauso aussah wie die auf dieser Seite. ‚Schaue auf die rechte Ecke dieser Hütte. Das ist genau der Weg. Die unsichtbare Brücke geht schräg über den Fluss.
Da kann man leicht die Orientierung verlieren und schon ein Fehlschritt genügt …‘ Suse bekam Angst. Wie sollte sie das schaffen?“
„Nicht aufgeben! Lass Dir was einfallen! Du bist eine Illona! Deshalb schaffst Du das!“ schrie Greggy ganz verzweifelt.
„Ok, wenn das meine Stimme aus der Zukunft sagt, dann muss es stimmen. Ich werde nachdenken.“
Jetzt warnte Michael seine kleine Schwester, die ganz unruhig war: „Jetzt musst Du ganz ruhig sein. Sonst kann sich Suse nicht konzentrieren und dann geht ihre Illusion verloren, die sie sicherlich braucht, um ans Ziel zu kommen.“ Greggy legte sich ein Kopfkissen auf den Mund.
„Suse war ganz in sich gekehrt und schaute um sich: Vor ihr hing Wäsche auf einer Leine. Jetzt hielt sie die Hände hoch und schloss kurz die Augen. Plötzlich schwammen die Krokodile flussabwärts. Nach einiger Zeit ließ sie die Hände sinken und atmete erschöpft drei Mal kräftig durch. Dann erhob sie die Hände erneut und er erschien ein Seil, das von der linken Seite dieses Hauses bis zur rechte Seite des gegenüberliegenden Hauses ging.
Das Seil war knapp über ihren Kopf. Jetzt ging sie los und achtete immer darauf, dass sie genau unter dem Seil ging. Sie wurde immer schneller und schließlich begann sie zu rennen.“
„Ist die jetzt wahnsinnig geworden?“ flüsterte Greggy unter ihrem Kopfkissen.
„Sie hatte schon drei Viertel des Weges geschafft, als man plötzlich die Krokodile brüllen hörte. Noch waren sie ein ganzes Stück weg. Im selben Moment verschwand das Seil. Suse schloss die Augen und rannte weiter. Schließlich stolperte sie und viel hin.“
„Das darf doch nicht sein!“ schrie Greggy aus vollem Hals und bombardierte Michael mit ihrem Kopfkissen.
„Sie lag am Ufer und der Fährmann half ihr auf die Beine. Gerade waren auch die Krokodile zurück gekehrt. ‚Wo kommst Du denn her?‘ fragt sie überrascht. ‚Ich bin sein Zwillingsbruder, der jeweils auf der anderen Seite ist.‘ erklärte er ihr. ‚Aber wie hast Du das geschafft?‘ ‚Ich ließ die Krokodile Fleisch riechen, so dass sie dem Geruch nach geschwommen sind.‘ ‚Eine Geruchsillusion? So etwas habe ich noch nie erlebt.‘
‚Dann ließ ich das Seil erscheinen. Aber ich wusste, dass ich nicht viel Zeit hatte, weil sie den Irrtum bald bemerken würdne. Als sie dann brüllten, wusste ich, dass es so weit war. Aber dadurch war ich abgelenkt und die Illusion verschwand. Deshalb rannte ich weiter und schloss die Augen, damit mich nichts vom richtigen Weg ablenken sollte. Am Ufer angekommen stolperte ich dann.‘ ‚So einer mutigen jungen Frau bin ich noch nie begegnet.‘“
Der große Bruder schnaufte, als wenn er selbst die ganze Strecke gerannt wäre: „Das war heute wirklich anstrengend. Jetzt müssen wir uns erst mal erholen.“Endlich ist Suse auf der anderen Seite.“ stellte die kleine Schwester erleichtert fest: „Das war heute wirklich anstrengend.“ Kurz darauf schlief sie selig ein.
Am nächsten Abend lauschte Greggy gespannt, wie es weitetgehen würde.
„Nachdem sich Suse einige Tage beim Fährmann ausgeruht hatte, zog sie weiter. Schließlich kam sie zur Wüste und sie zögerte weiter zu gehen: ‚Wie soll ich mich da zurecht finden? Hier kann ich mich ja an nichts orientieren. Ich weiß dann ja nicht einmal, ob ich noch gerade aus gehe, oder ständig im Kreis.‘ Aber sie wusste, dass sie nicht aufgeben durfte. Also schritt sie schließlich mutig voran. Es war schon später Nachmittag, als sie in der Ferne jemanden auf sich zukommen sah. Als er näher kam, machte er das Erkennungszeichen der Illota. Sie tat es ebenso. Noch bevor sie eine Frage stellen konnte, erklärte er ihr im Vorbeigehen: ‘Folge den drei weißen Kreisen. Du wirst eine Woche unterwegs sein. Nach vier Tagen wirst Du auf eine Oase stoßen, wo Du dich erholen kannst und alles bekommst, was Du für Deine Weiterreise brauchst.‘ Als sich Suse bedanken wollte war er schon weg. Eine Weile stand sie ratlos da: ‚Von welchen Kreisen spricht er? Hier gibt es doch keine Kreise.‘ Doch dann viel ihr der weiße Kreis am Baum des Bären ein, zu dem sie sich seinerzeit geflüchtet hatte.
Also schloss sie wie damals die Augen und folgte den Kreisen, die sie jetzt vor sich sehen konnte. Wie vorausgesagt näherte sie sich nach vier Tagen einer Oase. Sie hatte Hunger und Durst, denn inzwischen waren ihr alle Vorräte ausgegangen. Es war höchste Zeit sich wieder zu stärken, um wieder zu Kräften zu kommen. Es begann bereits zu dämmern.“
„Lassen wir Suse jetzt erst mal die Oase genießen, damit sie wieder fit wird für den weiteren Weg.“ „Ok, stimmte Greggy erstaunlicher Weise zu, ohne zu meckern.“
„Wo waren wir stehen geblieben?“ „Suse ist in der Oase und lässt sich es gut gehen.“ „Nein, sie ist noch nicht ganz bei der Oase. Aber sie kann sie schon sehen.“
„Aber als sie die Gegend genau ansah, konnte sie eine Räuberbande entdecken, die die Oase wohl im Schutze der Dunkelheit überfallen wollte. Sie war näher bei der Oase als sie. Sie hätte sie leicht entdecken können, wenn sie an ihnen vorbei gelaufen wäre. Aber irgendwie musste sie die Dorfbewohner doch warnen. Sie war so aufgeregt, dass ihr nichts einfiel.“
„Ganz ruhig werden! Dir fällt schon was ein.“ schrie Greggy aus Leibeskräften. Michael hielt sich die Ohren zu. Aber nach einer Pause erzählte er dann doch weiter.
„Plötzlich hörte man von Dorf her einen Schuss. Da wurden die Bewohner lebendig. Die Räuber starrten verwundert auf die Oase. Sie selbst hatten keine Feuerwaffen. Dann war noch ein Schuss zu hören. In Dorf war jetzt ein wildes Durcheinander. Die Räuber ergriffen die Flucht.“
Greggy grinste: „Das war doch sicherlich wieder ein Trick von Suse.“ „Schlaues Mädchen. Kein Wunder, Du bist ja meine Schwester.“ „Alter Angeber.“
„Langsam und mit ausgebreiteten Armen, damit man sah, dass sie nicht bewaffnet war, näherte sie sich der Oase. Auf die Frage, wer den geschossen hätte, antwortete sie: ‚Niemand. Ich kann Geräusche nachmachen. Aber jetzt bräuchte ich erst mal eine Unterkunft und Verpflegung. Ich bin total am Ende.‘ Die Bewohner wollten nicht glauben, dass sie die Schüsse gemacht hätte, aber sie waren gern bereit sie aufzunehmen und zu verköstigen.“
„Endlich mal vernünftige Leute.“ kommentierte Greggy.
„Am nächsten Abend fand eine Feier am Lagerfeuer statt. Auch Suse war dazu eingeladen. Ein kleines Mädchen meinte: ‚Wenn Du wirklich Geräusche nachmachen kannst, dann lass mich mal eine Nachtigall hören.‘ Suse überlege sich, ob sie schon jemals eine gesehen hätte, schloss die Augen und konzentrierte sich. Plötzlich flog eine Nachtigall über das Lagerfeuer. Sie war nur kurze Zeit zu sehen, aber die Menschen waren begeistert. Nur das kleine Mädchen beanstandete: ‚Ich habe sie aber nicht singen gehört.‘ Suse erklärte: ‚Bilder erscheinen lassen habe ich gelernt. Geräusche nachmachen nicht, deshalb ist das für mich schwieriger und ich brauche dafür mehr Konzentration. Deswegen habe ich mit etwas Leichterem angefangen. Wenn ihr ganz ruhig seid, auch dann noch, wenn ihr etwas hört, dann gelingt es mir vielleicht.‘ Sie schloss wieder die Augen und schon bald konnte man den wunderbaren Gesang einer Nachtigall hören. Da die Menschen wirklich ruhig waren und sie nicht störten, konnte sie den Gesang sogar lange aufrecht erhalten – fast fünf Minuten. Die Menschen waren außer sich vor Begeisterung. Die meisten hatten solch einen Gesang noch nie gehört.“
„Ich wusste er doch: Suse schafft alles.“ jubelte die kleine Schwester. „Und von dem Gesang sind dann alle eingeschlafen.“ ergänzte ihr großer Bruder.
„Ist Suse am nächsten Tag schon fit, oder ruht sie sich noch einige Tage in der Oase aus.“ Greggy überlegst angestrengt: „Eigentlich sollte sie jetzt endlich mal zur Schule kommen. Aber ich glaube, sie sollte sich noch ein paar Tage ausruhen, damit sie dann auch alles schafft.“
„Nachdem die Dorfbewohner das alles gesehen hatten, glaubten sie ihr, dass sie sie wirklich von den Räubern gerettet hatte. Freudig nahmen sie sie auf und gaben ihr das Beste, was sie hatten. Suse bat sie noch: ‚Bitte erzählt niemanden davon, was ihr gesehen habt. Denn es gibt auch schlechte Menschen und ich will nicht in einem Zirkus oder auf Jahrmärkten landen, wo sie meine Fähigkeiten sehen wollen.‘ Die Leute versprachen es ihr. Aber nach einigen Tagen war es dann doch Zeit Abschied zu nehmen. ‚Wie viel Proviant sollen wir Dir für die Reise mitgeben?‘ ‚Ich werde noch drei Tage unterwegs sein.‘ ‚Dann geben wir Dir Proviant für eine Woche mit. Man weiß nie, was nicht planmäßig verläuft.‘ Suse schloss wieder die Augen und verfolgte die drei weißen Ringe. Schließlich konnte sie ein riesiges Gebäude, auf einem riesigen Gelände erkennen, mit einigen kleinen Nebengebäuden. Das musste die Schule sein. Als sie am Tor war, sah sie ein Schild: ‚Schule für Anfänger geschlossen, weil zu wenig Anmeldungen vorliegen. Prof. Kluge OO‘ Suse wollte ihren Augen nicht trauen. Aber sie konnte es noch so oft lesen, der Text blieb immer der gleiche.“
„So ein fauler Lehrer.“ protestierte Greggy „Eine Schülerin genügt doch. Dann kann er ihr viel mehr beibringen, als wenn er viele Schüler hätte.“ Ihr großer Bruder erzählte weiter:
„Suse überlegte: ‚Was soll OO bedeuten? Braucht der Professor eine Brille?‘ Doch dann wurde es ihr klar: ‚OO muss seine Adresse sein. Dem werde ich Bescheid geben. Ich habe all diese Mühen doch nicht auf mich genommen, damit am Ende alles umsonst war.‘ Also schloss sie die Augen und folgte den beiden weißen Ringen. Jetzt war sie froh, dass sie mehr Proviant dabei hatte, als ursprünglich vorgesehen.“
„Jawohl, sag dem mal ordentlich die Meinung.“ begeisterte sich die kleine Schwester. „Ich weiß nicht, ob man mit Wut was erreicht. Aber lassen wir Suse jetzt erst mal den Weg zu ihrem neuen Lehrer finden.“
„Hat sie ihn endlich gefunden?“ fragt Suse am nächsten Abend ganz aufgeregt.
„In einer verlassenen Gegend stand eine alte Hütte. Dort musste er wohl wohnen. Suse klopfte an und bekam ein mürrisches ‚Herein‘ zur Antwort. Sie betrat das Haus. Überall herrschte nur Chaos. Kluge schien schon lange mit dem Leben abgeschlossen zu haben. ‚Was willst Du hier?‘ ‚Ich will in die Schule für Illota. Deshalb brauche ich sie als Lehrer.‘ ‚Die Zeiten sind vorbei. Ich habe versagt. Das Leben hat keinen Sinn mehr.‘ Suse merkte, dass sie so nicht weiter kam. Deshalb schloss sie die Augen und konzentrierte sich. Nach einer Weile öffnete sie ihre Augen wieder und der Professor war verwundert: ‚Was sollte das sein? Ich habe keine Illusion gesehen.‘ ‚Spüren Sie mal in sich selbst nach.‘ Kluge fand das sehr seltsam. Aber schließlich tat er es doch: ‚Seltsam, plötzlich fühlt sich nicht mehr alles so sinnlos und hoffnungslos an. Hast Du das bewirkt. Das ist doch überhaupt nicht möglich.‘ ‚Ich kann vieles, was bisher noch niemand konnte.‘ ‚Du bist ja sehr selbstbewusst. Von wem kommst Du?‘ ‚Vom Weisheitsbären.‘ Seine Augen leuchteten: ‚Das war mein bester Schüler. Aber ich war ein schlechter Lehrer.
Keiner meiner Schüler hat es geschafft, auf die höhere Schule zu gehen.‘ ‚Dann werde ich ihre erste Schülerin sein, die das schafft. Also jammern Sie nicht länger, sondern beginnen sie wieder mit Ihrem Beruf.‘ ‚Tut mir leid, aber ich kann Dich nicht aufnehmen.‘ Suse winkte ab: ‚Ich weiß schon, dass Sie zuerst ein Geschenk erwarten: Ich werde ihr Bude in Ordnung bringen und mich so lange um sie kümmern, bis die anderen Schüler da sind, die sich schon angemeldet haben.‘ ‚Das ist mal ein sinnvolles Geschenk. Deine Gegenwart scheint mir gut zu tun. Sie bringt wieder Licht in mein Leben. Also Du bist angenommen und die anderen vier werden sofort verständigt, dass sie hier her kommen sollen. Dann reisen wir gemeinsam zur Schule.‘ Suse atmete erleichtert auf.“
„Greggy ebenso. Ich dachte schon, das Andreas einen weißen Bart haben wird, bevor Suse auf die Schule kommt, um ihm dann schließlich helfen zu können.“
„Bald darauf begann der Unterricht und Suse war immer die Beste. Auch lernte sie ständig Sachen, die ihr niemand beigebracht hatte. So erreichte sie nach vielen Jahren alles, was sie sich gewünscht hatte.“
„Habe ich auch nicht anders erwartet. Aber jetzt muss sie doch endlich mal ihrem Bruder helfen. Übermorgen kommen unsere Eltern zurück. Also hast Du nur noch morgen Zeit, einen Weg zu finden, wie Andreas geheilt werden kann.“ „Ich werde mein Bestes tun.“ versprach Michael. Aber jetzt brauche ich viel Schlaf, damit mir etwas einfällt. Greggy gab sich damit zufrieden.
Am nächsten Abend lag Greggy ganz unruhig in ihrem Bett: „Jetzt musst Du beweisen, dass Du ein guter Geschichtenerzähler bist. Von einem guten Schluss hängt ganz viel ab.“ Michael schnaufte einmal kräftig durch und begann:
„Es vergingen viele Jahre. Eines Morgens erwachte Andreas und war ganz durcheinander: ‚Habe ich das jetzt wirklich alles nur geträumt. Das kann doch nicht sein. Ich habe alles so wirklich erlebt.‘“ Danach machte er sich fertig und ging ins Wohnzimmer. Da saßen seine Eltern, der Bürgermeister, die Eule, die ganze Bärenfamilie, seine Schwester und eine unbekannte Frau. Freudig stürmte er auf Suse zu und wollte sie umarmen. Aber er griff ins Leere.“
„Nein, das darf doch nicht sein!“ protestierte Greggy. „Das wird ja ein ganz schreckliches Ende. So geht das nicht!“ „Jetzt warte doch erst mal geduldig ab, wie es weiter geht.“ Leider war geduldig ein Reizwort und er erreichte eher das Gegenteil.
„‘Nimm doch erst mal Platz. Ich werde euch gleich alles erklären.‘ lud Suse ihren kleinen Bruder ein. Dann erzählte sie, was sie inzwischen alles erlebt hatte. ‚Schließlich wurde ich in den hohen Rat gewählt und hatte dort viel Zeit, alle meine Fähigkeiten kennen zu lernen. Immer versuchte ich etwas zu schaffen, was noch niemand erschaffen konnte. Vor nicht all zu langer Zeit starb unser Meister und jeder von uns muss eine Meisterprüfung ablegen. Wer die beste ablegt, wird zum neuen Meister gewählt. Ich hatte inzwischen die Realillusion erfunden.‘ ‚Was ist eine Realillusion?‘ wollte der Weisheitsbär wissen. ‚Ein Illusion, die man wirklich berühren, fühlen und lebendig wahrnehmen kann. Man kann eine Realillusion nicht von der Wirklichkeit unterscheiden. Man kann dazu beliebig viele Personen erscheinen lassen und sie auch beliebig lange aufrecht erhalten. Aber das kostet unheimlich viel Konzentration und Kraft. Deshalb konnte ich heute hier nur als gewöhnliche Illusion erscheinen, weil ich keine Kräfte mehr habe. Aber so etwas hatte es in der Geschichte der Illota noch nie gegeben und deshalb wurde ich zur neuen Meisterin gewählt. Mutter Erde muss die Wahl nur noch bestätigen.‘ und sie schaute auf die unbekannte Frau am Tisch. Mutter Erde nickte: ‚Es ist unmöglich, dass jemand mit einen halben Herzen eine Illusion sehen kann. Deine Realillusion muss etwas in ihm verändert haben.
Das ist es genau, was wir in Zukunft brauchen, um den Menschen noch besser helfen zu können, was ja die Aufgabe der Illotameisterin ist. Ich bestätige hiermit die Wahl.‘ Alle brachen in lauten Jubel aus und der Weisheitsbär rief immer wieder: ‚Meine Schülerin, meine Schülerin, …‘ und der Doktorhut saß noch würdiger als sonst auf seinem Kopf.“
Ganz laut stimmte Greggy in den Jubel mit ein. Sie hüpfte vor Freude im Bett auf und ab.
„‘Wer jubelt da mit?‘ fragte die Mutter von Suse ganz verwundert. ‚Das ist meine Begleiterin aus der Zukunft.‘ erklärte die neue Meisterin lächelnd. Alle schauten ganz verwundert, nur Mutter Erde konnte das richtig verstehen.“
Schnell erzählte Michael weiter, bevor seine kleine Schwester wieder etwas beanstanden würde.
„Andreas war noch etwas verwirrt: ‚Wie hat denn diese Realillusion ausgesehen?‘ Suse lächelte: ‚Was Du heute Nacht erlebt hast, das war meine Realillusion.‘ Ihr Bruder staunte: ‚Das hast alles Du gemacht? Einfach unglaublich. Damit hast Du Dir die Meisterschaft wirklich verdient.‘
Jetzt wandte sich Mutter Erde an Suse: ‚Du weißt, dass ich jedem neuen Meister bzw. Meisterin - Du bist die erste – einen Wunsch erfülle. Deinen Herzenswunsch kenne ich natürlich schon.‘ Sie zog eine Schachtel unter dem Tisch hervor und öffnete sie. Sie entnahm ihr ein halbes Herz, ging auf Andreas zu und setzte es ihm ein. Dieser war ganz verwundert: ‚Auf einmal ist die Welt so bunt. Es gibt so viel Schönes zu sehen. Ich spüre Freude und habe plötzlich Hoffnung, dass das Leben Spaß machen könnte.‘
Dann erklärte Mutter Erde:
‚Suse, Meisterin der Illota, wenn Du Dein Amt sieben Jahre lang gut ausführst, dann nehme ich den Fluch von eurem Land. Der große Fluss und die Wüste werden verschwinden und ihr werdet wieder zum Rest der Welt gehören.
Andreas, wenn Du sieben Jahre gut und verständnisvoll mit der Natur umgehst, dann ernenne ich Dich zum König der Natur, wie es vor langer Zeit Dein Urahn war.‘“
Nach diesem Versprechen von Mutter Erde hofften alle Anwesenden auf eine segensreiche Zukunft.
Greggy war begeistert und fiel ihrem Bruder um den Hals. Der wurde ganz verlegen: Soviel Anerkennung hatte er noch nie erhalten.
Natürlich hatte seine kleine Schwester das Haar in der Suppe entdeckt: „Aber ich weiß jetzt ja nicht, was der Andreas in dieser Nacht alles erlebt hat. Das musst Du mir unbedingt noch erzählen.“ „Dazu bleibt leider keine Zeit mehr: Heute ist es schon spät und ab Morgen erzählt Dir Mutter wieder die Gute-Nacht-Geschichten.“ „Du bist gemein. Ich muss das doch wissen.“ „Das geht aber nicht. Dazu müsste ich Dir ein Geheimnis verraten.“ „Geheimnis! Toll, das muss Du mir gleich verraten.“ „Aber wenn man ein Geheimnis verrät, dann ist es ja kein Geheimnis mehr.“ „Was hat ein Geheimnis denn für einen Sinn, wenn es nicht verraten wird?“ Da musste sich Michael geschlagen geben: „Also, Du hast doch in ein paar Tagen Geburtstag.“ „Na klar und da erwarte ich ein ganz tolles Geschenk von Dir.“ „Du bekommst ein kleines Buch, in dem steht was Andreas alles erlebt hat. Du bist ja jetzt schon alt und kannst selbst lesen.“ Damit war Greggy zufrieden und sie strahlte vor lauter Verfreude.
Der kleine Andreas unter:
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Texte: ®MicMam 2012
Bildmaterialien: prixello.de: Schau mir in die Augen..... (Kategorie: Vögel) / Animals/Birds/Owls - Kolb, Chr.,
Tag der Veröffentlichung: 20.07.2021
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für meine kleine Greggy.