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Serinio war total erschöpft. Stundenlang war er durch den dunklen Wald gewandert. Aber die Ausdauer hatte sich gelohnt. Endlich war er an einer riesengroßen kreisrunden Lichtung angekommen. „Das kann doch nicht natürlichen Ursprungs sein.“ dachte er sich: „Aber es sieht auch nicht so aus, als wenn Menschen diese Lichtung angelegt hätten.“
In der Mitte stand ein kleiner Felsen. Er war etwa fünf Meter hoch und hatte etwa den gleichen Durchmesser. Serinio ging langsam auf diesen Mittelpunkt zu. Als er dort angekommen war, umschritt er ganz gemächlich, fast ehrfürchtig, diesen Felsen.
Da fiel seine Auge plötzlich auf eine quarzfarbene Stelle, die dunkel schimmerte. Er war fasziniert von diesem Anblick, denn hier bildete der Fels einen Thron, der ihn magisch anzog. Er setzte sich darauf, um sich von seinen Strapazen auszuruhen. Bald schloss er seine Augen und verfiel in einen erquickenden Halbschlaf.


Als er die Augen öffnete, war plötzlich alles ganz anders. „Träume ich noch? Oder hat sich meine Umgebung wirklich so stark verändert? Kann es vielleicht sein, dass ich gar nicht mehr in meiner Welt bin?“ All diese Fragen gingen dem erstaunten Sucher durch den Kopf. Serinio war ratlos. Aber es bleib ihm nichts anderes übrig, als sich auf die neue Situation einlassen. Wahrnehmen, verstehen und begreifen wollte er all das Neue, das nicht mehr dem entsprach, was er bisher gewohnt war. Würde er wirklich alles, was ihn da umgab einordnen können und sich darin zurecht finden? Er war ja darauf vorbereitet gewesen, sich auf etwas Neues einzulassen. Aber ob es das war, was er gesucht hatte?

Er war total verunsichert.
Er war umgeben von Farbe, von Farben, die er noch nie gesehen hatte, von Farben in allen Schattierungen, in einem Meer von unvorstellbar vielen Farben. Die Farben flossen ineinander, so dass er keine Begrenzungen erkennen konnte. Es gab keine erkennbaren Formen und Gegenstände mehr.


Er schaute an sich herunter: Auch er war nur noch Farbe, kaum von seiner Umgebung zu unterscheiden.
Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er stand. Er hatte gar nicht wahrgenommen, dass er aufgestanden war. Vorsichtig begann er sich zu bewegen und ging einige Schritte. Es kam ihm vor, als wenn er dabei jedes Mal in einen weichen Moosteppich einsinken würde. Doch er merkte, dass er kein Gewicht hatte. Die Bewegungen bereiteten ihm keinerlei Anstrengung. Wenn er es genau betrachtete, konnte er eigentlich seinen Körper gar nicht mehr wirklich wahrnehmen. Es war mehr ein Wissen, dass er noch in ihm verweilte. Besonders merkwürdig fand Serinio, dass er gar nicht feststellen konnte, ob er sich wirklich weiterbewegt hatte, oder immer noch an der selben Stelle stand wie zuvor, weil er ja nur die buntesten Farben sah, aber keine Umrisse.
Er ließ sich ganz auf diese neue Daseinsweise ein und fühlte sich dabei total geborgen und angenommen. Nichts war mehr fremd, alles gehörte zu ihm und er gehörte zu allem was ihn umgab.


„Ob man sich wohl in dieser Farbenwelt orientieren kann?“ fragte er sich und drehte sich um seine eigene Achse, wobei er alles genau beobachtete.
Da fiel im auf, dass wenn er nach Norden schaute, waren die Farben ziemlich dunkel. Desto weiter er nach Osten kam, desto heller wurden sie und schließlich im Süden fast unerträglich hell. Nach Westen hin wurden die Farben dann wieder dunkler. „Super!“ dachte sich Serinio „So hab ich einen ganzen Tag in einem Augenblick zusammen gefasst.“
Als er sich weiter genau umschaute, wurde ihm bewusst, dass sich alles bei ihm unten nur ganz ruhig bewegte, wenn er jedoch nach oben blickte, wurde alles viel bewegter und unruhiger. Da waren richtige Wirbel, die in ihm Gefühle von wirklichem Leben auslösten. Nichts war zerstörerisch, weil nichts feste Materie war. Alles passte sich genau an, alles war ganz einfach so wie es sein sollte. Der herrlichste und erstrebenswerteste Zustand, den er sich vorstellen konnte.
Nichts konnte schöner sein, als das was er jetzt fühlte und empfand. Hatte er das Ziel seines Lebens erreicht?


Aber als er diese Freude so richtig ausgekostet hatte, wurde ihm bewusst, dass irgendetwas nicht stimmte.


„Wenn ich ganz in dieser Welt aufgehen wollte, dann wären alle nur denkbaren Gedanken, bunt gemischt, gleichzeitig bei mir und ich könnte keinen einzelnen davon wiedergeben und beschreiben.“ wurde Serinio bewusst.


Da erkannte er in seinem Geist: „Es ist Deine Entscheidung, ob Du ganz in diese Welt der Farben eintauchen willst oder nicht.“


Lange dachte er darüber nach, doch er hatte unheimliche Angst davon, sich dabei selbst zu verlieren. Er wäre dann ein Teil des Ganzen, aber nicht mehr er selbt.

Nein! Das wollte er nicht.

Aber nachdem er diese wunderbare Welt erlebt hatte, wollte er auch nicht mehr in die trostlose, ihm bisher bekannte Welt zurück.
Wie sollte es weitergehen?


Da überkam ihn plötzlich die Erkenntnis: "Du kannst diese Farbenwelt auch als Durchgang zu einer ganz anderen, unvorstellbaren Welt nützen. Wenn Du das willst, dann gehe immer weiter nach Südosten, dem späten Vormittag."

Was blieb Serinio übrig? Er wollte eine neue Welt ent-
decken, deshalb war er schließlich ausgezogen. Jetzt konnte er nur konzequent weitergehen.


So schritt er mutig voran, bis er die Farben verließ und in eine unbeschreibliche Welt eintauchte.


ENDE

Impressum

Texte: ®MicMam 2012
Bildmaterialien: ®MicMam 2012
Tag der Veröffentlichung: 20.05.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle, die sich nicht mit dem Gewöhnlichen zufrieden geben.

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