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Die Botschaft




Es war einmal vor langer langer Zeit, als Hora noch mit ihrem Prinzen in einem großen Reich im Norden lebte, als zu ihrem Schwiegervater ein Botschafter von dessen Vetter, dem König eines Reiches im Süden, kam: „In unserem Land herrschte vor einiger Zeit eine große Hungersnot. Alle Bewohner verließen das Land. Nur Dein Vetter, mit seiner Frau und ihrer Tochter mit ihren beiden verwaisten Freundinnen, waren noch im Schloss. Aber auch sie hatten kaum mehr etwas zu essen. Da kam ein Drache und versprach, dass die Hungersnot ein Ende haben würde, wenn der König ihm die drei Mädchen mitgeben würde. In seiner Not ging Dein Vetter darauf ein – und wirklich: Es begann zu regnen und bald gab es wieder Lebensmittel in Hülle und Fülle. Die Bewohner kehrten zurück und leben jetzt in großem Wohlstand. Aber trotzdem bereute der König seine Tat und schickte alle Spione des Landes aus, um herauszufinden, wo sich der Drache aufhält. Aber trotz intensivster Suche konnte dessen Aufenthaltsort nicht ermittelt werden. Dein Vetter lässt Dich nun fragen, ob Du ihm nicht irgendwie helfen kannst.“ Nachdem der König dies vernommen hatte, ließ er die drei Brüder seiner Schwiegertochter zu sich kommen: „Ich war zu euch immer wie ein Vater und ich habe euch unterrichten lassen wie Prinzen.


Jetzt seid ihr alt genug, um in die Welt hinauszuziehen und zu beweisen, dass ihr für das Leben tauglich seid. Sucht den Drachen und bringt die drei Mädchen zu meinem Vetter zurück. Das wird euch Ansehen und Ruhm verleihen.“ „Aber wohin sollen wir uns wenden? Niemand hat auch nur die geringste Ahnung, wo sich der Drachen aufhält.“ warf Cor ein. „Es gibt nur einen Weg für euch: Um diese Jahreszeit könnt ihr den großen Fluss nicht überqueren, also könnt ihr nur nach Südwesten, an seiner Quelle vorbei – nördlich des großen Sees, gehen. Also viel Erfolg.“ „Kommt Dein Sohn mit uns?“ wollte Ra noch wissen. „Nein in unserem Lande ist es verboten, dass ein jung Verheirateter in den Krieg zieht, oder seine Heimat verlässt.“ Also zogen die drei Brüder los, immer nach Südwesten, weil diese Richtung genauso gut war wie jede andere. Nach einigen Wochen kam ihnen ihre Reise ziemlich sinnlos vor, da sie immer noch keine Ahnung hatten, wie sie ihrem Ziel näher kommen könnten. Die Lebensmit-
telvorräte waren ihnen ausgegangen und sie wussten nicht, wovon sie sich am nächsten Tag ernähren sollten. Plötzlich kamen sie aus einem weiten Wald heraus, auf eine riesige Lichtung, in deren Mitte ein ungeheuer hoher Baum stand. Noch nie hatten sie einen Baum mit solchen Ausmaßen gesehen. Sie kamen sich neben ihm wie Ameisen vor.


„Den besteige ich. Vielleicht kann man von dort oben erkennen, wie unser Weg weiter geht.“ rief Ra, erfreut über diese Abwechslung. Wendig wie ein Eichhörnchen kletterte er immer höher. Schon bald konnten ihn seine Brüder nicht mehr sehen und er antwortete auch nicht mehr auf ihr Rufen. Die Dunkelheit brach herein und sie hörten und sahen immer noch nichts von ihrem Bruder. So blieb ihnen nichts übrig als sich schlafen zu legen und zu warten, was der nächste Tag bringen würde. Die Sonne stand bereits ziemlich hoch, als sie erwachten. Sie spähten aus und konnten tatsächlich einen kleinen Punkt ganz oben am Baumstamm erkennen – das musste ihr Bruder sein. Es dauerte dann immer noch drei Stunden, bis ihr Bruder schließlich, total erschöpft, bei ihnen ankam. Sofort fiel dieser in einen tiefen Schlaf. Den ungeduldigen Brüdern blieb nichts anderes übrig als zu warten, bis ihr Bruder wieder erwachen würde, um zu berichten, was er erlebt hätte. Erst am nächsten Morgen erwachte der Bruder und berichtete: „Dort oben ist das Laub so dicht, dass man überhaupt nichts sehen kann. Ich legte mich nach dem siebenstündigen Aufstieg in eine Astgabel um auszuruhen. Nachdem ich mich etwas erholt hatte, hörte ich etwas in meiner Nähe und fand einen schwarzen Vogel mit einem gelben Streifen auf seiner Stirn. Er war ganz niedergeschlagen und verhungert.


Er bat mich um etwas Nahrung und ich gab ihm das letzte Stückchen Brot, das ich mir noch aufgespart hatte. Nachdem er die Hälfte gegessen hatte, meinte er, dass es ihm wieder besser ginge und er den Rest morgen essen würde. Da bekam ich Mitleid und konnte ihm den Rest nicht wegnehmen, obwohl ich selber, von dem schweren Aufstieg, großen Hunger hatte. Der Vogel schien immer noch sehr betrübt und so streichelte ich ihn. Dabei muss ich wohl eingeschlafen sein. Scheinbar habe ich ihn aber trotzdem die ganze Nacht weiter gestreichelt. Der Vogel war jetzt ganz munter und aß den Rest des Brotes. Er riet mir nach Südosten zu gehen. Wir würden dort nach kurzer Zeit auf eine Hütte stoßen. Später würde er auch kommen. Mit diesen Worten flog er davon und ich machte mich an den mühsamen Abstieg, der mich meine letzten Kräfte kostete.“ Endlich hatten sie einen Anhalt in welche Richtung sie sich wenden konnten und so liefen sie gestärkt mit Hoffnung los: Tatsächlich fanden sie nach etwa drei Stunden einen Brunnen, an dem sie sich erfrischten und nicht weit davon sahen sie eine kleine Hütte. Sie standen noch am Brunnen, als ihnen ein kleines Mädchen entgegengelaufen kam und sie freudig begrüßte. Sie nahm die Brüder mit in die Hütte und bereitete ihnen ein bekömmliches Mahl. Aber irgendwie war sie traurig und deshalb fragte Ra sie: „Was fehlt Dir?“


„Ich lebe hier allein mit einem Raben, der mir alles beibringt was ich wissen muss, um hier leben zu können. Aber manchmal ist er depressiv, dann fliegt er davon und fliegt solange, bis er total erschöpft ist und sich vor Hunger nicht mehr aufrecht halten kann. Dann landetet er auf einem Baum, immer irgendwo in der Nähe und kann sich selbst nicht mehr helfen. Aber bisher habe ich ihn immer noch rechtzeitig gefunden und nachdem ich ihm Nahrung gebracht und ihm freundlich zugeredet hatte, war alles wieder in Ordnung gewesen. Aber diesmal habe ich schon alle Bäume in unserer Umgebung abgesucht und ihn nicht gefunden. Ich befürchte, dass er diesmal auf den Großen Baum geflogen ist, wo ich ihn nicht erreichen kann, um zu sterben.“ Da strahlte Ra: „Ich habe Deinen Raben gerettet und er wird bald zurückkommen.“ Das kleine Mädchen fiel ihm vor Freude um den Hals, doch dann bekam es Zweifel: „Er müsste doch schon längst da sein. Fliegen geht doch viel schneller als Laufen und verirren kann man sich beim Fliegen auch nicht, weil man den besseren Überblick hat.“ Nach dem Essen setzten sie sich alle auf eine Bank vor der Hütte, um auf den Raben zu warten, aber das Mädchen war so unruhig, dass es nicht lange sitzen konnte und immer wieder hin und her lief, aufgerieben zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Es war schon Mittag vorbei, als das Mädchen plötzlich rief: „Da kommt er!!!“


Die Brüder hielten sie für verrückt, weil sie mit dem besten Willen nichts erkennen konnten. Aber sie nahm ihre Augen nicht mehr vom Himmel. Erst eine halbe Stunde später konnten die Brüder einen kleinen schwarzen Punkt im Osten erkennen und das kleine Mädchen schrie wieder begeistert: „Er ist es! Er ist es!“ Da meinte Cor: „Woher willst Du das wissen? Das kann doch alles Mögliche sein.“ „Der gelbe Streifen an Seiner Stirn. Das kann nur er sein.“ „Ich kann mit Müh und Not etwas Schwarzes erkennen und Du siehst schon den gelben Streifen? Wie ist das möglich?“ Freudig rannte das Mädchen in die Hütte: "Ihr müsst halt noch sehen lernen." Es dauerte noch drei Stunden bis der Rabe wirklich da war, aber das kleine Mädchen hatte ihm inzwischen schon ein fürstliches Mahl zubereitet. Schließlich landete der Vogel erschöpft aber fröhlich auf dem Tisch und hielt eine Rose in seinem Schnabel, die er dem Mädchen schenkte. In diesen alten Zeiten war eine Rose noch eine ganz seltene Blume, die es nur im Garten Eden gab. Das Mädchen war begeistert, denn noch nie in seinem Leben hatte es etwas geschenkt bekommen – und die Rose war das Wertvollste, was sie sich vorstellen konnte. Nochmal umarmte sie stürmisch Ra, der ihren geliebten Raben gerettet hatte. Nach dem Abendessen meinte Cor: „Du bist doch ein weiser Rabe! Kannst Du uns sagen, wo wir den Drachen finden, der die drei Mädchen entführt hat?“


„Er hat sie nicht entführt, der König hat sie ihm in seiner Not freiwillig mitgegeben und der Drache hat Wort gehalten, so dass die Hungersnot wirklich vorbei war. Aber Menschen sollten natürlich unter Menschen leben.“ und er stand auf und ging zu einer Landkarte, die an der Wand hing: „Seht hier ist das Nordmeer, dort das Westmeer, hier das Südmeer und dort drüben das Ostmeer. Dazwischen ist eine unendliche Landmasse, auf der sich all unsere Königreiche befinden und wir leben. Seht diesen kleinen Punkt: Das ist unsere Hütte. Genau in der Mitte zwischen allen Meeren befindet sich die Drachenhöhle.“ Kaum hatte er dies gesagt, leuchtete ein roter Punkt in der Mitte der Karte auf. Er lag inmitten eines großen unbewohnten Gebietes. Nachdem die Brüder sich den Weg genau eingeprägt hatten, klopfte der Rabe mit seinem Schnabel auf die Karte in die Nähe der Höhle. Nun konnten sie die ganze Umgebung wie in einem Film betrachten. „Wenn ihr dort angekommen sein, werdet ihr die Gegend wiedererkennen. Schaut dann in den Himmel. Ihr werdet dort eine schwarze Wolke sehen und genau unter dieser Wolke ist die Höhle.“ „Dann lasst uns sofort aufbrechen!“ drängte Ra. „Das geht leider nicht. Der Winter bricht jetzt bald herein und im Schnee werdet ihr die Höhle nicht finden können. Ihr werdet wohl einige Monate hier bleiben müssen, um euch für den bevorstehenden Kampf auszuruhen.“


Diesmal ließ sich Ra ohne zu Murren auf diesen unvorhergese-
henen Aufenthalt ein. Alle waren sie zufrieden und genossen die kommenden Monate.

Der Kampf




Es war einmal vor langer, langer Zeit, als drei Helden darauf warteten, dass es Frühling würde, damit sie ihre Drachensuche fortsetzen könnten. Das Mädchen, bei dem sie wohnten, nahm von ihrer Rose vier Rosenblätter und gab sie Ra: „Bewahre sie gut auf! Sie können Krankheiten und Verletzungen heilen. Ihr werdet sie sicherlich brauchen.“ „Sie können wirklich jede Krankheit heilen.“ setzte der Rabe geheimnisvoll hinzu. Ra bedankte sich stürmisch. Da begann der Rabe noch einmal: „Ich bin alt und werde mich bald in ein anderes Land zum Sterben zurückziehen müssen. Versprecht mir bitte, dass ihr sie zu euch nehmt, wenn ihr euren Drachen besiegt habt.“ „Das ist doch selbstverständlich.“ meinte Ra begeistert. Auch Cor versprach es feierlich. Nur Rei sagte wie so oft nichts. Das Mädchen meinte noch: „Besorgt euch unterwegs schöne Kleider für die Mädchen, die ihr befreien wollt und legt sie vor der Schlacht neben den Brunnen hinter der Höhle. Und jetzt macht es gut und kommt bald wieder.“ Und dann nahmen sie endgültig Abschied. Sie befolgten unterwegs die Anweisung des Mädchens, obwohl sie diese ziemlich überflüssig und lächerlich fanden. Gut vorbereitet wie sie waren, fanden sie die Höhle ziemlich schnell.


Sie legten die Kleider neben dem Brunnen ab und gingen dann zur Vorderseite, um mit dem Drachen zu kämpfen. Schon stürmte der Drache aus seiner Höhle und es entbrannte ein fürchterlicher Kampf. Nach einigen Stunden waren sowohl die Helden, als auch der Drache schwer verletzt. Aber die Helden waren mit ihren Kräften am Ende und es konnte nur noch kurze Zeit dauern, bis der Drache endgültigen den Sieg davontragen würde. Da ertönte plötzlich eine laute Stimme: "Dooohooo!" Der Drache Doo ließ sich dadurch für einen Moment ablenken und das nützten die Helden aus. Mit ihren letzten Kräften versetzten sie dem Drachen den Todesstreich. Aber auch für sie war es zu spät – sie erlagen ihren Verwundungen und starben. Da kam Hora, die überhalb der Höhle stand zu ihren Brüdern herunter und nahm Ra die Rosenblätter aus der Tasche und legte diese auf ihre Brüder. Dann verschwand sie. Kurz darauf erwachten die Brüder und hatten keine Verletzungen mehr. Sie ließen sich gar keine Zeit sich darüber zu wundern, sondern stürmten gleich in die Höhle um die Königstochter mit ihren beiden Freundinnen zu befreien. Es war eine fürchterliche Höhle, dreckig und stinkend, so dass es kaum auszuhalten war. Auf ihr Rufen hin meldete sich niemand. Sie durchsuchten die ganze Höhle und fanden niemand. Sie befürchteten schon das Schlimmste.


Schließlich hörten sie plötzlich im hintersten Winkel gut versteckt ein leises Räuspern. „Warum versteckt ihr euch. Ihr braucht keine Angst vor uns zu haben. Wir sind gekommen, um euch zu befreien. Wir haben den Drachen besiegt und ihr braucht vor nichts mehr Angst zu haben.“ „Wir schämen uns so sehr. Wir hatten bisher gar nicht bemerkt, wie grausam es hier ist. Der Drache hat uns eine Illusion vorgespielt, so dass wir glaubten in einem Raum zu sein, der so herrlich sei wie der schönste Raum in unserem Schloss. Alles war so schön und so sauber und funkelte nur so vor Reinlichkeit. Auch die Schätze, die wir uns einbildeten zu sehen, waren überaus prächtig. Wir meinten die besten Speisen zu essen und die kostbarsten Gewänder zu tragen. Aber als der Drache gestorben war, sahen wir die Wirklichkeit, dass wir zerlumpt und dreckig sind. So können wir euch nicht unter die Augen treten.“ „Wir drehen uns um. Geht zum Brunnen hinter der Höhle und macht euch frisch. Ihr werdet dort auch schöne Gewänder finden.“ Und so geschah es denn auch und schon bald machten sich die sechs gemeinsam auf den Weg ins Königreich des Südens. Plötzlich meinte die jüngere Freundin, die Waise eines armen Bauern, dass sie noch einmal zur Höhle zurückkehren müsse. „Soll ich Dich begleiten?“ bot sich Rei sofort an. „Nein ich möchte gern allein gehen.“ und schon war sie fort. Sie lief zurück zum toten Drachen und beweinte ihn.


Eigentlich war die Zeit mit ihn ja gar nicht so schlecht gewesen, auch wenn alles nur Illusion gewesen war. Der Drache war auch immer aufmerksam und freundlich zu ihnen gewesen und hatte alles für sie getan, was er konnte. So bedauerte sie, dass sie jetzt nichts mehr für ihn tun konnte: Sie konnte ihn ja nicht einmal begraben. Neben dem Drachen standen plötzlich drei Rosenstöcke, die waren ihr bei der Abreise gar nicht aufgefallen. Und hier lag noch ein einzelnes Rosenblatt. Sie legte es auf den Drachen, anstelle eines Blumenstraußes und folgte dann wieder den anderen. Da erwachte der Drache vom Tod, wie zuvor auch die Helden und wunderte sich, dass er ganz allein war. Es kam ihm nur zum Bewusstsein, dass ihn die bösen Menschen wieder einmal getötet hatten. Wieso er jetzt wieder lebte, konnte es sich nicht erklären. Und wieder war es wie beim letzten Mal: Kurz vor seinem Tod hatte er einen Augenblick lang etwas gesehen, was eine tiefe Sehnsucht in ihm auslöste, aber er konnte sich nicht erinnern, was es war. Auch wusste er immer noch nichts über die tiefe Sehnsucht in sich. Auf jeden Fall wollt er nie wieder Menschen sehen und zog sich deshalb ins Innere der Erde zurück. Und immer wenn ihn seine Sehnsucht wieder besonders schmerzt und er darüber in Wut und Zorn gerät, beginnt die Erde zu beben und aus den Bergen dringt Rauch und Feuer.


Die sechs Menschenkinder kamen bald im großen Reich des Südens an und der König gab Cor seine Tochter zur Frau und sie wurden später ein vorbildliches Herrscherpaar, das sich ganz für sein Volk aufopferte. Ra nahm sich die Waise des reichen Kaufmanns und segelte mit ihr durch die ganze Welt. Sie waren als Kaufleute sehr erfolgreich und suchten auch nach den Schätzen der Erde. Rei schließlich heiratete die Waise des armen Bauern und so war es ihm auch am Liebsten. So wurden an einem Tag drei prächtige Hochzeiten gefeiert und die Paare waren ihr ganzes Leben miteinander sehr glücklich.

Die Rückkehr




Es war einmal vor langer, langer Zeit, als der Drachenjäger Rei mit seiner Frau gut versorgt am Königshof seines Bruders lebte, als er des üppigen Lebens überdrüssig wurde. So zog er mit seiner Frau in die alte Heimat: „Warum ziehen wir so weit nach Osten? Dein Heimat liegt doch direkt im Norden.“ „Auf den Weg zum Versteck des Drachens hat uns jemand geholfen und wir haben ihm ein Versprechen gegeben. In unserem Glück haben wir das total vergessen. Wir müssen jetzt dorthin reisen, um unser Versprechen einzulösen.“ erwiderte Rei. Gern hätte sie Näheres darüber gewusst, aber sie spürte, dass er nicht darüber reden wollten und so drängte sie ihn auch nicht. Nach einer wochenlan-
gen Reise meinte Rei: „Jetzt müssten wir bald da sein.“ Kurz darauf kam ihnen ein kleines Mädchen entgegen gerannt, dass gar nicht mehr so klein war: „Gut, dass ihr endlich kommt. Der Rabe ist schon vor einer Woche fortgeflogen, in das Land von dem er nicht mehr zurückkehren wird.“ Sie begleitete ihre Gäste zu ihrer Hütte und bewirtete sie mit allem, was ihr zur Verfügung stand. Rei's Frau ahnte, was die Brüder dem Mädchen damals versprochen hatten und verstand jetzt warum ihr Mann nicht darüber reden wollte: „Ich würde gern eine so nette und fleißige Tochter wie Dich bei uns haben.


Willst Du uns nicht in seine Heimat begleiten? Du könntest eines Tages auf unsere Kinder aufpassen und ihnen sicherlich viel Nützliches beibringen.“ Das Mädchen war hocherfreut und Rei atmete erleichtert auf. Nach wenigen Tagen zogen sie weiter. Nach einer langen beschwerlichen Reise, erreichten sie die einsame Hütte, die jetzt schon ziemlich zerfallen war. Aber mit viel Fleiß machten sie sich sofort daran, alles wieder herzurichten und wohnlich zu gestalten. Später, als das kleine Mädchen schon erwachsen war, bauten sie die Hütte der Alten wieder auf und sie zog dorthin. Rei's Kinder besuchten sie oft und sie war ihnen eine gute Lehrmeisterin.

Es war fast alles wieder so wie in den uralten Zeiten und so waren sie über viele Generationen hinweg glücklich und zufrieden.

Hora




Es war einmal vor langer, langer Zeit, als es noch Menschen mit besonderen Gaben gab, als Hora, die Gattin eines reichen Königs, einem Mädchen das Leben schenkte. Sie nannte ihr Kind ebenfalls Hora und es erbte die gleichen besonderen Gaben wie seine Mutter. So geschah es jetzt von Generation zu Generation und die besonderen Gaben wurden so über Jahrtausende immer an die älteste Tochter weitergegeben. Eines Tages, in einer weit entfernten künftigen Zeit, begehrte die noch sehr junge Hora in die Welt zu ziehen. Ihre Eltern waren darüber entsetzt: „Die Welt ist viel zu gefährlich für ein so junges Mädchen und Du hast hier doch alles, was man sich nur wünschen kann.“ Aber Hora bestand darauf: „Ich muss in die Welt hinaus, um den Drachen zu finden!“ „Welchen Drachen?“ meinten die Leute: „Es gibt doch schon seit Jahrtausenden keine Drachen mehr.“ „Es muss noch irgendwo einen geben und ich muss ihn finden. Das ist meine Lebensaufgabe!“ beharrte Hora. Die Menschen schüttelten verständnislos den Kopf, aber weil sie halt eine Hora war, forschten sie sorgfältig in den alten Büchern: „Es gibt gar keinen Zweifel. Der letzte Drachen ist schon vor vielen tausenden von Jahren von drei Drachentöter, den Brüdern der ersten Hora, getötet worden.


Es gibt dafür sechs Zeugen, die den toten Drachen gesehen haben.“ Aber Hora war gar nicht bereit richtig zuzuhören: „Es muss irgendwo noch einen Drachen geben. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel!“ Die Menschen verzweifelten fast über soviel Starrsinn, aber weil sie eine Hora war, forschten sie weiter nach allen Quellen und Informationen, die sie aus diesen alten Zeiten hatten: „Das einzige Seltsame ist, dass kurz nach dem Tod des letzten Drachen die ersten Erdbeben und Vulkanausbrü-
che begannen.“ „Also lebt er doch noch und hat sich nur ins Innere der Erde zurückgezogen. Stellt fest, wie ich zu ihm gelangen kann.“ „Das könnte stimmen. Aber über einen Vulkan ins Erdinnere einzudringen ist zu gefährlich und einen anderen Weg gibt es nicht.“ „Es muss einen geben!!!“ beharrte Hora ganz begeistert und aufgeregt. Also machten sich die Menschen daran alle Dokumente aus der damaligen Zeit sorgfältig zu prüfen: „Es gibt tatsächlich ein uraltes Buch, das von einem Menschen berichtet, der ins Erdinnere vorgedrungen ist. Die Stelle, wo er eingestiegen ist, ist sogar ziemlich genau beschrieben.“ „Na also, habe ich es euch nicht gesagt. Rüstet so schnell wie möglich eine Expedition aus. Ich kann es kaum mehr erwarten.“ Bald war alles vorbereitet und da die Eltern einsahen, dass sie sie nicht von ihrem Vorhaben abbringen konnten, gaben sie ihr ihren Segen und ließen sie traurigen Herzens ziehen.


Nach vielen Wochen erreichten sie die Stelle im hohen Norden, an der vor unvorstellbar langer Zeit ein Mensch in das Erdinnere eingedrungen war. Aber das Klima hatte sich seit dieser Zeit stark verändert. Der Schacht, der in die Tiefe führte, war mit Eis gefüllt, wahrscheinlich hatte es eine Dicke von mehreren hundert Metern. „Jetzt musst Du wirklich einsehen, dass Du nicht ins Erdinnere vordringen kannst. Durch diese Eisschicht kommt niemand durch. Auch Du musst Dich mit den Tatsachen, die die Natur geschaffen hat, zufrieden geben. Vielleicht kann eine Nachfahrin von Dir Dein Vorhaben verwirklichen.“ Hora war sehr traurig, setzte sich aufs Eis und weinte bittere und heiße Tränen. Da schmolz das Eis ganz langsam und sie fuhr im Schneckentempo, wie mit einem Aufzug, ständig nach unten. Als sie nicht mehr zu sehen war, machten sich die Leute auf den Heimweg. Seitdem hat man nie wieder eine Hora auf Erden gesehen.

Doch kurz nach dem Verschwinden der letzten Hora gab es keine Erdbeben und keine Vulkanausbrüche mehr. Jedoch nicht nur die Natur wurde friedlich, sondern auch die Menschen. Schon bald gab es keine Kriege mehr und die Menschen stritten nicht mehr miteinander, so dass eine paradiesische Zeit anbrechen konnte.


Und wenn ihr mir dies nicht glauben wollt, dann sucht das Wasser des Lebens, damit ihr die ferne Zeit, in der sich dies alles erfüllen wird, noch miterleben könnt.

Impressum

Texte: ®MicMam 2008
Bildmaterialien: O. O.
Tag der Veröffentlichung: 24.02.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle, die die Hoffnung auf eine bessere Zukunft noch nicht aufgegeben haben.

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