Froh und heiter erwache ich wieder und bleibe erst mal im Gras liegen. Ich schaue in den Himmel. Die Sonne scheint und der Himmel ist bewölkt, aber die Wolken verdecken die Sonne nicht. Ich strecke mich ganz gemütlich aus und genieße die Wärme auf meinem Körper. Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich einen Blumenstängel im Mund habe. Ich grabe die Blume wieder in die Erde ein. Nachdem ich jetzt so richtig durch gewärmt bin, überkommt mich ein mächtiges Verlangen, mich ins Wasser zu begeben. Ich streichle und liebkose die Blume und frage sie: „Kommst Du mit mir runter zum Teich?“ „Nein, ich bleibe lieber hier.“ ist die Antwort.
Also springe ich auf und renne zum Teich und auch gleich hinein, bis mir das Wasser bis an die Schulter reicht. Jetzt stört mich meine kurze Hose, die mir noch geblieben ist und ich ziehe sie aus und werfe sie an Land. Nachdem ich eine ganze Weile so im Wasser gestanden bin, schwimme ich mit kräftigen Zügen ans andere Ufer. Dort setze ich mich in den Sand - das Wasser geht mir jetzt bis zu den Hüften.
Nachdem ich dies ausgekostet habe, grabe ich mich bis an die Hüften in den Sand ein, so dass mir das Wasser bis an die Schultern reicht. Aber ich bleibe nicht lange so, weil ich mich dabei etwas unwohl fühle und schon bald befreie ich mich wieder vom Sand.
Als ich so über das Wasser blicke, fällt mir der Frosch ein, der den Baum hochgeklettert war: Gemeinsam wäre es hier sicherlich viel schöner. Kurz darauf kommt er auf mich zu geschwommen. Er trägt eine Krone. Ich freue mich sehr meinen alten Bekannten wieder zu sehen und denke mir, dass dies ein ihm besser vertrautes Element ist wie der Baum. Hier wird er sich sicherlich wohler fühlen. Erstaunt über seine seltsame Bekleidung frage ich ihn: „Warum trägst Du eine Krone?“ „Ich bin der König der Tiere des Teiches.“ Ich bin sehr erstaunt: „Ein richtiger König, der befehlen kann und der seine Befehle auch durchsetzen kann?“ Er lächelt mir zu: „Bei uns wird nichts mit Gewalt gemacht. Bei uns gehorchen alle freiwillig.“ Ich kann es immer noch nicht so recht glauben: „Ehrlich gesagt, es verwundert mich etwas, dass gerade Du König bist. Haben Dich die anderen Tiere zum König gewählt?“
Meine Unwissenheit erfreut ihn sichtlich, aber nicht so, dass ich böse werde oder mich ärgere: „Nein, bei uns kann jeder König werden, der es will und für so lange Zeit wie er will. Es wird immer wieder abgewechselt.“
Diese tolle Möglichkeit mit dem Herrscher dieses Reiches bekannt zu sein, muss ich unbedingt ausnutzen: „Kannst Du mir etwas Besonderes von Deinem Reich zeigen?“ Es freut ihn, dass ich mich so für seinen Herrschaftsbereich interessiere: „Ja, aber nicht heute, das nächste Mal, wenn wir uns hier treffen.“
Dann schwimmen wir gemeinsam in die Mitte des Sees und ich will noch wissen: „Warum hast Du Dich damals in ein Baby verwandelt?“ Ernsthaft erwidert er: „Weil Du ein Baby gebraucht hast.“ Dann schwimmen wir weiter zurück zum Ufer und gehen zurück zur Wiese. Ich lege mich erquickt und fröhlich nieder und lasse mich von der Sonne trocknen. Der Frosch hüpft mir dabei auf dem Bauch herum. Danach nehme ich wieder für 'heute' Abschied von meinem Frosch und meiner Blume.
Ich träume von einer prächtigen Stadt unter Wasser und einem sehr weisen König, der alle Probleme lösen kann.
Am 'nächsten Morgen' sehe ich meinen Frosch schon zu meiner Blume hüpfen. Welch ein lebendi-
ger Anblick schon in aller Frühe. Ich stehe auf und gehe zu ihnen. Wir begrüßen uns herzlich und ich streichle die beiden. Aufgeregt frage ich den Frosch, ob er mir heute etwas Besonderes von seinem Reich zeigen würde. Er bejaht und hüpft auch schon zurück zum Teich. Begeistert folge ich ihm. Ich lege mich am Ufer in den Sand und mein Frosch setzt sich auf meinem Bauch. Ich schaue in den Himmel: Zuerst kann ich die Sonnenstrahlen auf mich zukommen sehen, aber dann verschwindet die Sonne hinter Dunst.
Voll Energie rennen wir beide dann ins Wasser. Das Wasser wird nur langsam tiefer. Mein Frosch schwimmt immer neben mir her. Als mir das Wasser schließlich bis über die Schultern reicht, halte ich an und genieße noch einmal die Wärme des Tages. Nach einer Weile gehe ich weiter, bis ich mit dem Kopf unter Wasser bin. Mein Frosch taucht jetzt zu mir herunter und macht mich auf eine Falltüre im Boden aufmerksam. Er fordert mich auf sie zu öffnen.
Ich bin schon ganz gespannt, was ich hier alles entdecken kann. Ich öffne die Falltür und begebe mich mit meinem Frosch in die Öffnung. Da gibt mir der Frosch zu verstehen, dass ich die Falltür wieder schließen soll. Ich weiß nicht wie, weil sie an der Innenseite keinen Ring zum Halten hat. Nach einigen Versuchen schaffe ich es dann doch noch.
Obwohl es dunkel ist, kann man den Weg noch etwas erkennen. Der unterirdische Gang führt zuerst in Richtung des Zuflusses, macht kurz zuvor eine Biegung nach rechts und verläuft dann in der ursprünglichen Richtung weiter. Es wird mir klar, dass wie jetzt rechts vom Bach sind, kurz darauf unter dem Bach hindurchgehen und uns schließlich unter den Felsen des südöstlichen Gebirges befin-
den. Plötzlich geht der Gang aufwärts, biegt noch-
mal nach rechts ab und der Felsen öffnet sich, so dass wir im Freien sind.
Ich atme erst einmal kräftig durch und genieße das Tageslicht. In einigem Abstand rechts von mir vermute ich die Quelle, die ich kürzlich mit meiner Schnecke besucht habe. Vor mir ragt der höchste Berg auf. Nach kurzem Überlegen entscheide ich mich auf den Berg zuzugehen.
Mein Frosch schaut mit tief in die Augen und fragt: „Würdest Du mich als Baby mitnehmen?“ Ich bin über diese Frage etwas erstaunt, aber bejahe sie. Sogleich verwandelt sich der Frosch in ein Baby. Ich lege es auf meine linke Schulter und marschiere los. Es ist diesmal lebhafter, als das letzte Mal, aber es spricht kein Wort mit mir, was mich etwas befremdet.
Nach einer Weile kommen wir zu einem großen freien Platz. Ich finde dort eine weiße Tischdecke und Lebensmittel. Ich breite die Tischdecke aus und füttere mein Kind. Anschließend esse ich das Gleiche. Wir sind beide sehr fröhlich und fühlen uns nach dem Essen auch wieder stark und kräftig. Bevor der Platz in eine Schlucht einmündet, steht da ein Papierkorb. In ihn werfe ich die Tischdecke, in der ich die Essensreste eingepackt habe. Nachdem wir einige Schritte in die Schlucht gegangen sind, stehen da auf einem Fels zwei Milchgläser. Ich nehme eins davon und lasse mein Kind daraus trinken, danach trinke ich den Rest des Inhalts. Ebenso machen wir es mit dem zweiten Glas. Nun fühlen wir uns wieder erquickt, lebendig und voll Tatendurst.
Gleich darauf geht es steil bergan und ich habe Angst mein Baby zu verlieren. Glücklicherweise finde ich einen Tragkorb und so kann ich mein Baby sicher auf meinen Rücken schnallen. Auch habe ich nun die Hände frei, um die Felsen bewälti-
gen zu können: „Ist es nicht herrlich, dass man in diesem Land immer alles bekommt, was man gerade nötig hat?“ Der steile Aufstieg strengt mich sehr an, aber er bereitet mir auch große Freude. Mit der Zeit wird mir mein Kind ganz schön schwer und ich denke mir: „Als Frosch könnte ich es leichter tragen. Aber wenn es sein Wille ist, dann werde ich es auch auf diese Weise schaffen.“ Da fällt mir ein, dass es da oben ganz schön kalt werden kann und ich nehme mir vor, dass wir uns gegenseitig so gut wie möglich wärmen werden. Momentan geht wohl noch genug Wärme von mir aus, dass keine Gefahr besteht, dass mein Kind frieren könnte.
Also krieche ich entschlossen weiter. Plötzlich stehe ich vor einer sehr tiefen Schlucht. Ich muss sie überqueren. Aber wie? Ich mache mir keine großen Sorgen, weil ich ja jetzt schon öfters die Erfahrung gemacht habe, dass man hier alles bekommt, was man braucht.
Und tatsächlich, als ich mich jetzt umschaue, finde ich ein langes Seil mit einer Stange, an der ein Saugnapf befestigt ist. Ich werfe es mit aller Gewalt über die Schlucht und der Saugnapf saugt sich auf der anderen Seite am Felsen fest. Ich befestige mein Ende auch an einem Felsen. Ich prüfe, ob uns das Seil aushalten wird und dies ist wirklich der Fall. Aber das Seil hängt durch und ist nicht straff, weshalb ich mich nicht traue, es wie ein Seiltänzer zu überqueren. Mich mit den Händen hinüber zu hangeln, erscheint mir auch zu gefährlich. Schließlich komme ich auf die Idee, das Seil wie eine Kletterstange zu verwenden, so dass ich mit Händen und Füßen Halt hätte. Aber das ist für mein Baby zu gefährlich. Es kann dabei viel zu leicht aus der Trage fallen. Also hänge ich die Trage über das Seil und schiebe sie immer wieder mit den Füßen weiter. Dies funktioniert tatsächlich. Glücklicherweise hängt das Seil nicht so stark durch, dass ich auf der anderen Seite nicht mehr aufwärts komme. Als ich einen Blick in die Tiefe wage, stelle ich fest, dass ich den Boden nicht sehen kann. Über mir ist der Fels unendlich hoch. Als ich drüben bin, finde ich keinen Halt für meine Füße.
Erst nach vielen Versuchen finden meine Füße auf einem schmalen Pfad Halt. Ich schnalle mein Baby wieder auf meinen Rücken, ziehe ruckartig am Seil, so dass es sich drüben löst und ich es einholen kann und gehe dann immer weiter aufwärts.
Schließlich kommt Schnee und ich wundere mich, dass er erst jetzt kommt, denn ich hatte ihn schon seit langer Zeit von unten gesehen. Sehr schnell wird der Schnee immer tiefer und tiefer, zuerst bis an die Knöchel und dann bis an die Knie. Aber ich gehe mit kräftigen Schritten weiter. Schließlich reicht mir der Schnee bis an die Hüften und ein Weiterkommen ist kaum mehr möglich. Auch habe ich eine Erho-
lung dringend nötig. Nachdem ich mein Baby abgeschnallt habe, tauche ich bis an den Hals in den Schnee ein. Dann wasche ich mir mit ihm mein Gesicht. Mit meinen kalten Händen reibe ich anschließend mein Baby warm. Ich schnalle es mir wieder auf den Rücken und mache den fast aussichtslosen Versuch weiterzukommen. Nach einer kurzen Strecke muss ich einsehen, dass ich so nicht mehr weit kommen werde. Es muss irgendeinen Ausweg aus dieser scheinbar ausweglosen Situa-
tion, geben.
Ich bemerke plötzlich, dass der Weg vor mir wieder abwärts geht und der Schnee immer tiefer wird. Mir bleibt also nicht anderes übrig, als mein Seil in die Hand zu nehmen und mit aller Kraft nach oben zu werfen. Ich meine schon ins Leere geschossen zu haben, aber bei genauerem Hinsehen kann ich freudig feststellen, dass es sich doch an einem Felsvorsprung festgesaugt hat. Nachdem ich wieder etwas zur Besinnung komme, bin ich zwar etwas erleichtert, aber mir wird auch klar, wie schwierig dieser Weg noch werden wird. Unter Aufwendung aller Kräfte komme ich ganz gut am Seil vorwärts. Aber was soll ich jetzt da oben tun? Wie kann ich die Felsnase überwinden? Zu meinem eigenen Erstaunen versuche ich es mit einem Salto. Mein Erstaunen ist jedoch noch viel größer, als ich erkenne, dass ich jetzt tatsächlich sicher auf dem Felsvorsprung stehe. Der Angstschweiß über meine Tollkühnheit bedeckt mein Gesicht. Aber es wird totenbleich, als mir bewusst wird, wie leicht ich dabei mein Baby hätte verlieren können. Ich nehme mir fest vor in Zukunft besonnener und vorsichtiger zu sein.
Nachdem ich mich von diesem Schock erholt habe, klettere ich langsam weiter.
Dabei bemerke ich, dass ich an verschiedenen Stellen blute, aber es ist nicht weiter schlimm. Jetzt fällt mir auf, dass der Fels frei von Schnee ist; was mich neu beflügelt und nach einiger Zeit erreiche ich tatsächlich die Bergspitze. Ich nehme an, dass ich nun mein Ziel, den höchsten Punkt in der Umge-
bung, erreicht habe. Es ist nur wenig Platz hier, so dass es schwer ist, eine halbwegs bequeme Stelle zu finden, um mich umschauen zu können. Viel kann ich wegen des Nebels nicht erkennen. Aber nach gründlichem Umsehen kann ich erkennen, dass hinter einer kleinen Senke ein höher gelegenes Plateau liegt. Ich hoffe, dass ich dort den Nebel durchstoßen kann und mache mich sofort auf den Weg. Aber ich bin immer noch im Nebel. Ein Stück weiter liegt ein noch höheres Plateau, nur durch eine Senke getrennt. In der Hoffnung, dass dies nun endlich der höchste Punkt ist, erklimme ich auch dieses. Aber nochmals ist hinter einer Senke ein noch höheres Plateau, das ich zu guter Letzt mit letzter Kraft auch noch erreiche.
Ich stehe jetzt nicht mehr im Nebel und kann erkennen, dass es nirgends ringsum eine weitere Erhebung, die noch höher ist, gibt.
Ich bin heilfroh, denn ich weiß nicht, ob ich für einen weiteren Aufstieg noch die Energie haben würde. Ich schaue mich genauer um und stelle fest, dass es hier einen spärlichen Graswuchs gibt. Irgendwie löst das große Freude in mir aus: „End-
lich ein wenig Abwechslung zu den nackten Felsen.“ Eine Erinnerung an meine Wiese, an Entspannung und Erholung. Erst jetzt merke ich, dass mir die Füße noch etwas von der Anstrengung zittern. Aber ich bin schon Stolz darauf, dass ich dieses Ziel, das oft so unerreichbar schien, jetzt doch erreicht habe und das vergrößert meine Freude.
Aber nach ein paar Schritten wird mir schwindlig und ich muss mich erst einmal hinsetzen und ein wenig verschnaufen. Ich setzte nun mein Baby auf meinen Schoß, so dass es in die gleiche Richtung sehen kann wie ich. Wir können aber nur wenig erkennen, denn ein Dunst verschleiert alles – auch die Sonne. Trotzdem ist es ein herrliches Gefühl hier zu sein und ich atme kräftig durch. Ich drehe mein Baby dann um, so dass es mit dem Gesicht nach unten liegt. Ich will warten bis der Dunst abgezogen ist, aber er macht keine Anstalten dazu.
Ich überlege, ob ich den Rückweg antreten soll, denn ich habe Sehnsucht nach meiner Wiese. Noch nie war ich länger als 'einen Tag' von ihr weg gewesen. Aber mir wird klar, dass ich die Anstrengung des Aufstiegs nicht noch einmal auf mich nehmen würde. Also wäre das ganze Unternehmen umsonst gewesen, wenn ich jetzt umkehren würde. So beschließe ich zu bleiben, bis wir zusammen die Aussicht einmal wirklich genießen können. Vor Erschöpfung schlafen wir beide nach kurzer Zeit ein.
Ich träume von einer herrlichen Aussicht nach allen Seiten und in unendliche Fernen.
Nachdem wir wieder aufgewacht sind, reibe ich mein Baby erst einmal mit meinen Händen warm. Dann nehme ich es in meine Armbeuge. Da spricht es zum ersten Mal mit mir: „Stell mich auf den Boden und lass mich laufen.“ Erst jetzt bemerke ich, dass es über 'Nacht' gewachsen ist. Also stelle ich mein Kind auf seine eigene Füße. Ich nehme es an der Hand und will es umher führen. Aber es bittet mich: „Lass mich doch allein gehen.“ Mir ist nicht ganz wohl dabei: „Traut sich mein Kind nicht zu viel zu?“ Aber ich will ihm seinen Willen lassen: „Pass aber auf! Man kann hier sehr leicht am Abgrund den Halt verlieren und hinunterfallen.“ Ich bin erstaunt, wie sicher mein Kind schon laufen kann und merke schon nach kurzer Zeit, dass ich mir deshalb keine Sorgen zu machen brauche. Ich bin richtig stolz auf mein Kind.
Wir gehen das ganze Plateau ab und finden schließlich ein Höhle, die wir natürlich sofort kennen lernen wollen: Schon gleich am Eingang sehen wir, dass Mitten in der Höhle ein Holztisch mit zwei Holzbänken steht.
Als wir uns umschauen entdecken wir an der linken Wand ein Brett, dass scheinbar eine Öffnung verdeckt. Ich bekomme heraus, dass man das Brett einfach herunter klappen kann. In der Öffnung dahinter liegt ein Laib Brot und ein Messer. Ich nehme das Brot und das Messer und lege sie auf den Tisch, als mich mein Kind fragt: „Darf ich das Brot aufschneiden?“ „Ja, wenn Du das gerne willst. Aber pass auf, dass Du Dich nicht schneidest.“ Ich lege das Brot nun auf die Bank und gebe meinem Kind das Messer. Es macht ihm sichtlich Spaß, das Brot aufzuschneiden und es hört nicht mehr auf: „Es ist jetzt genug. Soviel Brot können wir ja gar nicht essen!“ „Aber es macht mir doch so viel Freude.“ „Der Rest trocknet doch nur aus und man kann ihn nicht mehr essen.“ Daraufhin hört mein Kind auf und ich lege das restliche Brot und das Messer zurück in die Öffnung und schließe die Klappe.
Wir setzen uns beide zu Tisch: Mein Kind so, dass es in die Höhle hineinschaut. Ich sitze ihm gegen-
über, so dass ich zur Höhle hinaus schaue. Wir haben beide einen guten Appetit. Ich schaue auf meine Verletzungen.
Das Blut ist noch auf meinem ganzen Körper ver-
schmiert, aber die Wunden beginnen schon zu heilen. Nachdem wir reichlich gegessen haben, fragt mich mein Kind: „Darf ich die Höhle erfor-
schen?“ „Ja natürlich, aber iss zuerst auf.“ Es isst den Rest seiner angebissenen Brotscheibe und geht dann auf Entdeckungsreise. Ich bemerke, dass die Sonne in die Höhle scheint.
Nach einer Weile ruft es ganz begeistert: „Ich habe eine Quelle gefunden! Darf ich baden?“ Ich erlaube es. „Das Wasser ist ja ganz warm. Es ist aber trotzdem richtig erfrischend.“ „Es kommt Dir nur so warm vor, weil es hier so kalt ist.“ Als mein Kind zum Tisch zurückkommt, glitzert es. Jetzt gehe auch ich zur Quelle und erquicke mich. Das Wasser verschwindet sofort wieder im Boden und ich überlege, ob dies der Zufluss zu der Quelle sei, die ich mit meiner Schnecke besucht habe. Das Wasser ist wirklich nicht kalt, aber angenehm zum Trinken. Nach dem Bad schaue ich meinen Körper an: Das Blut ist verschwunden und die Verletzungen verkrus-
tet.
Dann untersuche ich die Höhle nach einem anderen Ausgang, aber ich finde keinen.
Als ich schließlich zum Tisch zurückkehre, glitzere auch ich. Mein Kind will gerade die letzte Scheibe Brot essen: „Willst Du die Hälfte abhaben?“ „Gern, das Brechen und Austeilen erzeugt in mir ein so schönes Zusammengehörigkeitsgefühl.“ Wir teilen die letzte Scheibe und sind nun beide gut gesättigt.
Nach dem Essen gehen wir wieder vor die Höhle. Die Sonne und die Umgebung liegt immer noch im Dunst, aber auf der rechten Seite kann ich zwei hohe Bergspitzen erkennen, zwischen denen eine tiefe, breite Schlucht hindurch führt. Die Bergspit-
zen erscheinen mir etwas höher als mein jetziger Standpunkt. Trotzdem bin ich überzeugt, dass wir beide am höchsten Punkt sind, auf dem man noch stehen kann. Nach kurzer Zeit wird mir schwindlig und ich gehe vom Rand weg.
Ich fange mit meinem Kind eine Unterhaltung an: „Können hier wohl Blumen wachsen?“ „Wenn die Sonne durchkäme, wäre das sicherlich möglich. Es könnte dann hier ganz schön heiß werden.“ Wir lassen unsere Phantasie spielen und malen es uns in den buntesten Farben aus. „Ob unsere Blume auf der Wiese wohl traurig ist, dass wir so lange ausbleiben?“
„Sicherlich nicht, denn sie weiß, dass es uns gut geht und dass wir irgendwann zurückkommen, weil wir treu sind.“ Diesmal hat das Wort – Treue - eine ganz andere Bedeutung für mich, als damals beim Abschied von König Protec und Prinz Dona. Ich habe das Gefühl, dass ich es erst jetzt, zum ersten Mal, so richtig verstehe.
Als ich noch so im Gedanken verloren dastehe, schleppt mein Kind eine Decke an und mir wird bewusst, wie kalt es hier doch in Wirklichkeit ist. Ich lege mein Kind auf meinen Bauch mit dem Gesicht zum Himmel und hülle uns in die Decke ein. Aber schon bald wird es uns zu warm und ich schlage die Decke zur Seite und mein Kind legt sich neben mich. Ich setzte das Gespräch fort. Ich bin so richtig glücklich, dass ich endlich einen Menschen bei mir habe, mit dem ich sprechen kann: „Wer bist Du eigentlich? Dein Entstehen und Dein Wachstum verwirren mich etwas.“ „Denk doch einmal nach, wer der Frosch ursprünglich war, aus wem er entstanden ist. Er ist doch aus Dir geworden.
Ich bin Deine Kindheit, Deine Jugend, die sehr lange wohl behütet und beschützt war, aber jetzt auf dem Gipfel des Berges angekommen ist, wo sie sich weiter entwickeln kann.“ Mir wird ganz seltsam zumute: „Ich stehe mir selbst gegenüber.“ Irgendwie hatte ich das schon gewusst, aber jetzt, so es ausgesprochen ist, ist es plötzlich nicht mehr so selbstverständlich und natürlich wie zuvor. Mir fällt es nicht leicht mich mit dem Gedanken vertraut zu machen. Ich brauche erst mal ein bisschen Ablen-
kung.
Wir schauen links von der Sonne ins Tal und ich meine, einen Fluss zu erkennen, aber ich bin nicht sicher, ob ich ihn mir nur hinter dem Dunst einbilde. Noch weiter links werde ich in meiner Vorstellung meine Wiese gewahr. Dort unten muss sie liegen und noch weiter links, über dem Bach nach dem See, eine unendliche, freie, ebene Landschaft.
Ich gehe wieder in die Höhle und mein Kind folgt mir. Ich untersuche sie noch einmal gründlich und finde über der Quelle einen tiefen Schacht. Aber aus dem Boden und dem Felsen ragen spitzige Steine, so dass ich mich beim Erforschen sicherlich nicht nur oberflächlich verletzt hätte.
Ich frage deshalb mein Kind: „Soll ich erforschen, ob dies ein zweiter Ausgang ist“ „An Deiner Stelle würde ich es nur tun, wenn wir in eine Notsituation geraten und diesen Ausgang wirklich brauchen. Es ist nicht sinnvoll, ohne Not seine Gesundheit zu gefährden.“ Obwohl ich gerne wüsste, ob dieser Schacht wirklich ein Ausgang ist, verzichte ich darauf es auszukundschaften. Wir legen unsere Decke auf den Tisch und begeben uns auf ihr zur Ruhe.
Ich träume von meiner Wiese. Mit allen Lebewesen, die ich in diesem Land kennen gelernt habe, feiere ich ein herrliches Fest.
Texte: ®MicMam 1996
Tag der Veröffentlichung: 18.03.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle Bergsteiger.