"Guten Morgen meine Damen und Herren hier ist SWR 3 mit den Nachrichten um sechs! Im Studio Kaya Aras !"
Mischa Fendrichs öffnete die Augen und schaute auf seinen Radiowecker. Sein Kopf brummte leicht vom schweren Rotwein, den er gestern Abend zu seinem Steak getrunken hatte. Der Polizeihauptmann und Amtsvorsteher, der kleinen Wache auf der Leipzigerstraße von Bettendorf, zwanzig Kilometer von Stuttgart, rieb sich den Schlaf aus den Augen und versuchte aufzustehen. Doch der Geschmack vom Wein ließ ihn wieder ins Kissen fallen.
"Mann hab ich einen Kater, dabei waren 's doch nur eineinhalb Flaschen!"
"Die Themen heute:" schepperte Aras.
Der Türke war sein Lieblingssprecher, doch heute Morgen hätte er ihn am liebsten mitsamt Radiowecker aus dem Fenster geworfen!
"Die Hitze in Deutschland wird wohl bis Oktober anhalten, genauso wie im Rest Europas. Dabei kam es in vielen Regionen und Ländern zu katastrophalen Waldbränden. Der Terror im heiligen Land findet kein Ende! Nach der zehnten Waffenruhe bekriegen sich Israelis und Palästinenser unerbittlich weiter. In Bethlehem steht die Geburtskirche Christi in Flammen. Militante Palästinenser hatten sich in ihr verschanzt, doch die israelische Armee hat sie trotz der Bitten Papst Pilatus' mit Kampfhubschraubern angegriffen. Der neue Papst, der erst seit wenigen Wochen im Amt ist, hat dies sehr bedauert und er betet für die Menschen im heiligen Land, egal welcher Konfession sie angehören!"
"Das hört wohl nie auf!" hörte Mischa die rauchige Stimme neben sich.
War gestern doch noch mehr gewesen und hatte er es doch nicht geträumt, dass er sie mitgenommen hatte und ge....
"Morgen!" sagte er kurz und drehte sich zu ihr um. Sie war noch genauso hübsch, wie gestern, als sie vor seinem Schreibtisch saß, nur ihr Makeup war etwas verschmiert. Von der Hitze und von ihren Körpersäften. Sie war wegen diesem Vorfall von vor zwei Tagen aus Mainz angereist. Sie nannte sich ZDF- Reporterin, doch Mischa vermutete, dass das Zweite Deutsche Fernsehen wohl ehr eine Praktikantin in ihre kleine Stadt geschickt hatte.
Ein Bauer von Grimmringshof, einem kleinem Dorf in der Nähe, der auf dem hiesigen Markt Eier verkauft hatte, hatte ohne Vorwarnung mit einem abgesägten Schrottgewähr um sich geschossen, dabei zwölf Menschen getötet und achtzehn verletzt. Sie war scharf auf die Story und hatte Mischa als erste ausgequetscht. Aber es waren nicht nur das öffentliche Fernsehen da, sondern auch die ganzen Privaten, doch bis auf drei Reporter waren alle gestern wieder verschwunden- schließlich gab es in den letzten Tagen genügend Topstories auf der ganzen Welt. Schulmassaker in München, Bombenanschlag im Dortmunder Westfalen Stadium, Anschlag auf den Pariser Eiffelturm, Schüsse auf das weiße Haus in Moskau, Granateneinschlag im Garten des weißen Hauses in Washington, Präsident Bush lag mit einer Gehirnerschütterung in einem geheimen Krankenhaus (Als ob es in dem Hirn viel zu erschüttern gebe!), der Bürgerkrieg in Israel und natürlich ein weiteres Lebenszeichen von Bin Laden!
Also, was sollten Reporter in Bettendorf?
Die schnelllebigen Medien hatten keine Zeit für einen Bauern aus der Provinz. Doch dieses Mädchen hier lag nun neben ihm, mit verschmiertem Makeup und sie roch so gut nach Muschi, dass er sie gleich noch einmal ficken wollte.
"Wenn du heute zu seiner Frau fährst, kann ich dann mit?" fragte Kristine.
"Interessiert dich der Mist wirklich?" fragte er etwas brummig.
"Der Mist nicht wirklich, aber du schon!"
"Ich sollte jetzt geschmeichelt sein, aber musst du nicht zurück und über etwas anders berichten?"
"Mein Redakteur sagte, wenn ich etwas Interessantes finde, macht er vielleicht eine Reportage daraus."
Mischa grinste. "Ich bin so interessant, dass du eine Reportage machst?"
"Unsere Zielgruppe schaut eigentlich alles! Sie sind zwar alt, dafür intellektuell!"
"Ihr glaubt den Scheiß also selbst, den Schmidt und Raab über euch sagen? Ich schau euer Programm selbst und ich bin erst in zwei Jahren vierzig!"
"Oh, du bist also zwölf Jahre älter als ich? Das macht dich alt und zu unserer Zielgruppe!" sie beugte sich zu ihn rüber und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Sie streichelte seine behaarte Brust, den Bauch und griff ihm dann ins Gemächt. "Dein kleiner Freund ist allerdings noch nicht so alt!"
Sie verschwand unter sein Laken, Decken konnte man schon seit April nicht mehr ertragen, und er spürte ihre Zähne, wie sie an seiner Vorhaut knabberte. Der Schweißfilm auf seinem Rücken wollte nicht trocken und er fühlte sich eigentlich zu dreckig, um mit einer Mitzwanzigerin zu vögeln. Doch sie brachte ihn auf Touren und er zog sie nach oben, drückte ihr Gesicht in das Kissen und drang von hinten in sie ein. Sie schrie, keuchte und schwitzte, mindestens soviel wie in der letzten Nach, doch die Sonne erwärmte das Zimmer mittlerweile wieder auf achtunddreißig Grad. Schweiß ran ihnen in Bächen aus den Hautporen und machte ihre nackten Körper glitschig.
Aras berichtete darüber, dass es im Irak und Iran wieder zu Kampfhandlungen gekommen war, dass sich der Konflikt zwischen Indien und Pakistan weiter hoch schaukelte und Mustasharaf mit dem Einsatz der Atombombe gedroht hatte. Und in China war die Pest wieder ausgebrochen. Die Spaßgeneration war wohl so langsam am Ende, die Freie Welt stand am Abgrund der Zeit.
Er zog ihn raus und ergoss sich auf ihren Rücken. "Ich werd' dich vermissen wenn du weg bist!"
"Nun, vielleicht komm' ich dich des Öfteren besuchen?"
"Brauchst du nicht, ich bin Bigamist!" er lachte, klatschte ihr auf den nackten Hintern und ging ins Bad. Sie setzte sich auf sein Kissen, rieb das Ejakulat von ihrem Rücken und schaute seinem sportlichen Arsch nach. "Verbrauch nicht zu viel Wasser, wer weiß wie viel es noch gibt? Es hat seit drei Monaten nicht mehr geregnet und wir haben erst Juli!"
"Kind, wir leben in Deutschland!"
"Trotzdem stellen sie die Atommeiler ab, alter Mann, wie im letzten Jahr!"
*
Sie fuhren mit seinem Motorrad auf den Parkplatz des kleinen Polizeireviers des Dorfs. Auf der Fahrt spürte er die ganze Zeit ihre heißen Schenkel in seinem Rücken und die Blicke der Bürger, die die junge Frau begutachteten, die ihr Polizeichef hinter sich sitzen hatte.
In der Sonne waren es mindesten fünfzig Grad und sie schwitzten unter den schwarzen Helmen, doch die Sonne machte ihn auch unendlich geil, am liebsten hätte er sie in dem Stadtbrunnen gebumst, an dem sie vorbei gefahren waren.
Als er durch die Sicherheitstüren mit ihr war, begrüßte ihn Jens: "Morgen Chef! Etwas spät heute?"
"Kümmre dich um deinen Mist!" er drückte ihn bei Seite. "Haben die aus dem Krankenhaus schon angerufen?"
Jens schaute mit einem Grinsen auf Kristine. "Morgen Frau Rosenberg, konnten Sie gut schlafen, bei dieser Hitze?"
"Das musste ich nicht!" gab sie passend zurück.
Jens schluckte verstört und gab seinem Chef die Antwort auf seine Frage: " Die sagen Paul war weder betrunken, noch hatte er Medikamente, oder Drogen genommen! Sie vermuten Blackout bei dieser Hitze!"
"Hoffen wir dass das der Einzige bleibt!"
"Doktor Jochens weiß noch nicht wohin mit den Leichen. Hast du da eine Idee?" Jens schaute ihn fragend an. Das hiesige Krankenhaus war genau so klein, wie die Polizeistation.
"Ruf mal bei dem Mces auf der B 15 an, vielleicht haben die noch etwas Platz in ihrem Kühlhaus. Machste mit Amtsanweisung, Paragraph hastenichtgesehen!" lachend beugte er sich über Susanne Klein, die am Schreibtisch saß und gab ihr einen Kuss auf den Hals. "Hallo Susi, hast du noch etwas von deinem göttlichen Eistee?"
"Hat die gestern Nacht bei dir geschlafen?" fragte sie schroff.
"Du kennst mich doch! Nächste Woche darfst du vielleicht wieder bei mir schlafen?"
"Mal sehen!" schmollte sie und drückte ihn von sich.
"Frau Maier hat angerufen Mischa" ging Jens dazwischen.
"Was wollte die Schachtel wieder?" Mischa war gereizt. "Hat sie wieder Marsmännchen bei der Landung gesehen?"
"Nein, sie hat uns benachrichtigt, dass auf dem Marktplatz ein seltsamer, fremder junger Mann stehen würde, der ihr irgendwie unheimlich ist. Er passt nicht hier her, hat sie gesagt."
Mischa wischte sich den Schweiß von der Stirn und ging in den Umkleideraum. Jens folgte ihm.
"Hat er auf jemanden geschossen?" fragte sein Chef.
Jens schaute ihn entsetzt an. "Nein! Natürlich nicht! Er stehe da halt rum...."
"Dann soll sie ihn stehen lassen, kann ihm ja ein Wasser anbieten, falls er Durst kriegt!" Mischa ließ seine Hose fallen. Jens sah, dass er keine Unterwäsche trug und schaute schüchtern zur Seite, dann suchte er Blickkontakt mit seinem Vorgesetzten.
"Ihr Ehemänner, ihr seid total verklemmt! Absolute Homophobie, was?“, er grinste, "Brauchst keine Angst zu haben, deine Frau weiß, dass ich nicht schwul bin!"
Jens lief rot an, schluckte drei Mal. "Das geht mich nichts an! Das war vor meiner Zeit!"
"Wenn du dir da mal sicher bist!" ärgerte Mischa ihn und zog seine Uniform an.
"Ohne Unterwäsche?" protestierte sein Kollege.
"Viel zu warm! Außerdem kann ich dann schneller... du weißt schon!"
"Du solltest heiraten, oder zum Arzt gehen! Gibt’s eigentlich eine, die du in unserem Dorf noch nicht hattest?" Jens schüttelte den Kopf. "Deine und meine Mutter!" lachte Mischa und stieß ihn beim raus gehen bei Seite.
*
Mischa saß in seinem Dienstwagen und fuhr zusammen mit Jens und Kristine nach Grimmringshof. Im Wagen herrschte eine Temperatur von mindestens sechzig Grad. Es roch unangenehm nach Schweiß. Am Marktplatz waren sie an dem seltsamen Vogel, wie Frau Maier ihn nannte, vorbeigefahren. Und wirklich, er war sehr seltsam! Er war so um die Dreißig, trug eine abgeschnittene Jeans, ein ärmelloses Metallica T- Shirt, seine Arme waren auf beiden Seiten stark tätowiert und seine schulterlangen Haare waren rot und blau gefärbt.
"Was machen Sie hier?" fragte Mischa ihn, als er links an ihn ran gefahren war.
Der Punk schaute ihn mit einem freundlichen Lächeln an und sagte: "Ich warte!"
"Warten Sie nicht zu lange, sonst bekommen Sie einen Sonnenstich!" Mischa kramte in seiner Hose herum. "Brauchen Sie einen Euro, damit sie sich etwas zu Trinken kaufen können?"
Der Mann schüttelte den Kopf. "Nö, hier gibt es einen schönen Brunnen!“
Der Polizist legte den ersten Gang ein. "Na schön, dann passen Sie auf sich auf!"
Auf der B17 nach Grimmringshof standen keine Bäume. Die Insassen des grünweißen Volkswagens kamen sich vor, als hätte man sie wie Händel in ein Ofenrohr gesteckt. Die Männer hatten beide Fenster herunter gekurbelt, trotzdem lief Kristine der Schweiß bis runter in die Poritze.
"Wie ist Frau Mengsass so?" wollte die junge Frau aus Mainz wissen.
"Wir sagen hier nett!" Mischa schaute in den Rückspiegel und erhaschte ihren Ausschnitt. "Sie ist eine typische, alte Bäuerin. Sie hat zusammen mit ihrem Mann den Ökohof geleitet. Sie machte die Büroarbeit und ihr Mann Paul verkaufte seine Produkte auf den Märkten in der Umgebung. Eigentlich ganz normale Leute!"
"Normale Leute sägen sich aber nicht ihre Flinten ab!" warf sie ein.
"Touche!" Mischa lachte. Er wischte sich wieder mit der Hand über die nasse Stirn und pustete schwer die Luft aus.
Der Hof der Mengsass' lag etwas außerhalb des kleinen Dörfchens. Er hatte ein großes Freigehege für Hühner und Kühe, aber nicht ein Tier war zusehen. Der Volkswagen rollte langsam auf dem Kiesbett vor dem Haus aus. Mischa stieg aus, dann folgten ihm Jens und Kristine. Der Polizeihauptmann von Bettendorf, hatte auch hier seine Befugnisse, da Grimmringshof keine eigene Polizeiwache hatte. Er schaute sich um, dann sah er die Frau in den Fünfzigern. Sie hatte ihre Haare zu einem Knoten zusammengebunden, trug einen altmodischen Kittel, der ihre breiten Hüften noch mehr zur Schau stellte und Sandalen an ihren nackten Füßen. Ihre Beine waren leicht behaart und schrumpelig, ihr Gesicht schaute kurz in ihre Richtung und Jens erkannte, dass sie noch älter geworden war. Und das in nur zwei Tagen. Sie bewegte sich von dem Zaun nicht weg, murkste einfach weiter daran rum und machte keine Anstalten damit aufzuhören.
Die kleine Gruppe schlenderte auf die Frau zu, die Sonne machte jede Bewegung zu einer Tortur. Die beigefarbenen Hemden, die Mischa und Jens mit hochgekrempelten Ärmeln trugen, verfärbten sich unter ihren Achseln dunkel.
"Hallo Frau Mengsass!" Mischa streckte ihr die Hand entgegen.
"Was willst du hier? Deine Kollegen, aus der großen Stadt, mit ihren feinen Krawatten waren schon hier und haben mich ausgepresst, wie eine Zitrone!" sie schaute ihn bösartig an und fummelte weiter an den Maschen des Zauns.
"Ich wollte Ihnen nur mein Beileid aussprechen!" er zog die schweißnasse Hand wieder zurück und putzte sie an der feuchten Hose ab.
"Das kannst du wieder mitnehmen! Zusammen mit deinem kleinen Pupser und dieser dunkelhaarigen Schlampe!" Katarina Mengsass drehte sich von ihnen weg. "Mein Mann ist jetzt zwei Tage tot! Aber ihr Auswärtigen hattet noch nie Respekt!"
"Hören Sie, wir wollten Ihnen nur einige Fragen stellen!" Jens ging an Mischa vorbei.
"Ach?" keifte die alte Frau. "Du bist jetzt bei der Polizei? Kleiner Scheißer! Dein Vater hat Preise wie in einer Apotheke! Darum solltest du dich kümmern – ihr alle! Lasst die echte Arbeit von echten Polizisten machen! Die haben Computer und so was!"
"Die haben wir auch!" protestierte der junge Polizist.
"Ach ja? Dann benutz ihn, du Hammel! Über Internet kannst du deine Kollegen um Informationen bitten! Aber die lassen euch nicht mitspielen!"
"Frau Mengsass ich bin vom ZDF und würde Ihnen...." Kristine wurde das Wort abgeschnitten.
"Und? Soll ich jetzt auf die Knie fallen?" sie starrte sie mit funkelnden und wachen Augen an. "In der letzten Woche sind mir drei Kühe, zehn Hennen und mein Mann eingegangen! Die Kartoffeln und Rüben werden dieses Jahr nichts werden und ich habe nicht genug Wasser, das ich auf meine Felder gießen kann! Glaubst du kleines Miststück wirklich, dein bekackter Sender interessiert mich? Fahr nach Hause, oder geh mit dem Schürzenjäger Fendrichs auf seine Bude! Der Taugenichts kann die Finger nämlich nicht von Röcken lassen!"
Mischa drehte sich um und ging zurück zum Wagen. "Ich wollte nur wegen Paul kurz vorbei schauen!"
Die Frau schaute dem Wagen hinterher. Wut, unermessliche Wut stand ihr ins Gesicht geschrieben, sie wäre am liebsten explodiert.
"Wow, die hatte aber schlechte Laune!" machte Kristine.
"Nee, eigentlich war sie heute ganz nett!" lachte Jens. "Wir kennen sie schon unser Leben lang, noch nie hat diese Frau gelacht.“
Susanne meldete sich über Funk. "Hey Leute, seid ihr wieder auf dem Weg nach hause?"
"Ja, warum?" fragte Mischa besorgt.
"Auf dem Marktlatz scheint wieder was los zu sein. Frau Maier hat angerufen, sie sagt, einige unserer netten Einwohner fühlen sich von diesem Mann provoziert!"
"Wir schauen uns das Mal an!"
*
Als der Passat vor dem Platz ausrollte, schauten sich einige der knapp hundert Leute nach ihnen um.
"Da kommt unser Sheriff!" lachte einer der anwesenden Männer. Mischa kannte ihn nur zu gut. Es war Karl Leger, Anfang fünfzig und so etwas wie ein Bauunternehmer. Mischa hatte ihn des Öfteren für eine Nacht in Gewahrsam genommen, weil dieser nette Mann sich gerne im Tänzelnden Pony herum schlug. Sein bester Freund Hans Klein, der Wirt des auf Tolkiens berühmten Romans basierenden Namen des Gasthauses, stand neben Karl und grinste.
"Was ist denn hier wieder los?" fragte Mischa, der besorgt nach vorne schaute, wo der Tumult stattfand.
"Dieser Penner, der schon seit heute Morgen da sitzt kriegt gleich eine rein!" Hans' Grinsen wurde breiter.
"Warum?" Jens plusterte sich neben seinen Chef auf und versuchte weiter nach vorne zukommen.
Karl rief ihm die Antwort nach: "weil er ein genauso arrogantes Arschloch ist wie du Lehmann!"
Die Bürger, die ihn ankommen sahen, brachen in Gelächter aus. Mischa folgte ihm durch die Menschentraube, hinter ihm ging Kristine. Sie hatte ihre Digicam aus ihrer Handtasche geholt und filmte das ganze Spektakel. Als sie bei dem Kreis der ersten Zwanzig standen schnappte sie einige Sätze einer jungen Frau auf. "Man kann ja wenigstens Auskunft geben! Für wen hält der Kerl sich bloß?"
Kristine sprach sie an, dabei richtete sie das Objektiv auf die Frau: "Kristine Rosenberg, ZDF! Was ist denn bitte hier los?"
Die junge, blonde Frau mit dem üppigen Busen setzte sofort ein freundliches Gesicht auf und ging sich mit den Händen durch ihren Lockenschopf. "Da sitzt so ein Punk! Schon den ganzen Morgen – einfach so! Ich und einige andere haben ihn gefragt von wo er herkommt und was er hier macht."
"Und was hat er geantwortet?"
Die Blondine schaute sie an, als ob Kristine von einem fremden Planeten kommen würde.
"Er sagte er käme von da!" sie zeigte auf den Ortseingang. "Und er warte!"
Kristine schaute sie verwundert an, besonders als sie merkte, dass sich in ihrem Gegenüber unendliche Wut staute. "Hat er gesagt worauf?"
"Das ist es ja!" empörte sich die Blondine, "Er sagt, dass er warte! Aber er hat uns keine Antwort gegeben, worauf! Wissen Sie vorgestern sind hier wirklich nette und anständige Leute gestorben! Wirklich, die haben das nicht verdient. Und jetzt? Kommt dieser Kerl hier her und verhöhnt sie! Wie der schon aus sieht!"
Kristine ließ sie stehen und versuchte sich durch die Leute zu graben, damit sie wieder neben Mischa stehen konnte.
Der stand nun genau in einem Kreis von Streithähnen, die sich um den jungen Mann geschart hatten, der nicht von hier war. Mischa blickte Peter Kronzucker fest in die wütenden Augen, der Mann, der zum Stadtrat gehörte, hatte einen hochroten Kopf. Teils aus Wut, teils wegen der Hitze. Der Polizeihauptmann fühlte sich, als stecke er in einer trockenen Sauna, die überfüllt war. "Beruhigen Sie sich Herr Kronzucker! Ich werde die Sache klären!"
"Fendrichs, dieses Subjekt muss hier weg!" er ballte die Faust.
Der Polizist drehte sich zu dem jungen Mann um. "So mein Freund, was haben Sie gemacht, dass die hier eine Hexenjagd veranstalten wollen?"
"Nichts!" er lächelte liebenswert und seine blauen Augen waren so voll Mitleid, dass sie wie zwei klare Seen wirkten.
"Er will uns nicht sagen worauf er wartet!" schrie Peter.
"Bitte was?" Jens starrte den Stadtrat fassungslos an.
"Wir alle hier, haben ihn gefragt, worauf er wartet! Aber diese Missgeburt gibt uns keine Antwort! Er sagt die ganze Zeit nur: ' Ich warte! Ich warte! Bäbäbä!"
Die herumstehenden Bürger knurrten bejahend.
"Deswegen belästigt ihr den Mann?" Mischa konnte es nicht fassen. Er schaute sich die Runde an, die bis zum Brunnen um ihn, Jens und den Fremden, standen. Die Sonne brannte heiß und er konnte kaum atmen. Er schaute in viel wütende Gesichter, die ihn trotz der Hitze das Blut in den Adern gefrieren ließ.
"Wir sollten ihn hängen!" schrie eine Frau. "Als Abschreckung für andere!"
Ein Brummen ging durch die Menge. So was wie Zustimmung lag auf den Gesichtern der Menschen. Bei einigen sprachen die Augen: Hey, eine tolle Idee! Wäre ich jetzt nicht drauf gekommen, aber prima Vorschlag!
Mischa war entsetzt. Von der alten Mengsass hatte er heute Morgen nicht viel erwartet, diese Frau stand ewig unter Wut, was dem Leben, das sie führte, zu urteilen auch ihr gutes Recht war, aber das hier ging doch etwas zu weit und war nicht mit Aggressionen durch Hitze zu belegen. Irgendwas brachte die Menschen gegen den eigentlich netten Punk auf.
Er drehte sich dem Fremden zu. "Also kommen Sie! Was machen Sie hier?"
"Ich warte!" war die knappe Antwort.
Ein wütendes Raunen ging durch die aufgeheizte Menschenmenge.
Mischa schaute das nett lächelnde Gesicht mürrisch an. "Worauf denn?"
"Er wird es dir nicht sagen!" rief Katarina Mengele. Mischa hatte mit ihr einmal einen One Night Stand gehabt und war entsetzt, wie viel Wut in den Augen der kleinen rothaarigen Frau loderte. Sie spuckte in seine Richtung.
Der Fremde strahlte jetzt. "Vielleicht auf Sie!"
Peter Kronzucker platzte in diesem Moment der Kragen. Ohne Vorwarnung war er an den beiden Polizisten vorbei und schlug mit der Faust zwei Mal in das Gesicht des Punks. "Du Ratte ich schlag dich kaputt!"
Das Gesicht des Fremden platzte an der Augenbraue auf, Blut spritzte daraus hervor und er landete auf das Kopfsteinpflaster des Marktplatzes. Jens und Mischa reagierten wie aus einer Trance erwacht und drückten Kronzucker zur Seite. Die Menge bewegte sich auf sie zu.
Kristine spürte wie die Menge auf die Mitte zu schwamm, sie wurde mit getrieben, sie hatte die Digicam auf den Fremden gerichtet, als dieser die Fäuste ins Gesicht bekam. Jetzt fühlte sie, wie die Luft aus ihren Lungen gepresst wurde und die Hitze wurde unerträglich. Die Luft, die sie versuchte einzuatmen war heiß und stickig, dabei roch sie nach Schweiß. Sie richtete ihr Objektiv wieder auf die Szene. Der Ton würde nicht so gut sein, durch das Gemurmel, aber das würde man später am PC wieder heraus filtern können. Sie sah wie Mischa zusammen mit seinem Kollegen den Angreifer bei Seite schob. Der Fremde stellte sich wieder auf, nicht einmal Wut war in seinen Augen zusehen, ehr Enttäuschung!
Dann flüsterte er etwas, das Kristine trotz des Tumults verstand und Mischa durch das Geschrei Kronzuckers vernahm. "Ich bin nicht das Lamm!"
Kronzucker riss seine Augen auf und fasste sich an die Brust. Er schrie, schien unendliche Schmerzen zu haben. Ein Herzinfarkt, schoss es Mischa durch den Kopf. Ich bin nicht das Lamm!
Der Stadtrat sackte in den Armen der Polizisten zusammen. Jens blickte erschrocken zu seinem Chef, dessen Augen sich auf den Fremden konzentrierten, der mitleidig zu ihnen herunter schaute. Er war plötzlich größer als sie, nein, sie legten Kronzucker langsam auf den Boden, aber trotzdem schien er an Größe zugelegt zu haben.
"Die Hitze Chef!" Jens zwang ihn in seine Richtung zu blicken. "Ein Hitzekoller!"
Als Mischa wieder auf den Fremden schaute, war dieser wieder ein ganz normaler Punk. Mischa wusste, dass es kein Hitzeschlag war, er spürte in seinem tiefsten Innern, dass die Hitze nicht für den Tod des Stadtrats verantwortlich war. Ich bin nicht das Lamm! Hallte es in seinem Kopf. Seine Nackenhaare sträubten sich. Die Luft wurde plötzlich dicker...... drückender? Ja! Ein Brummen war zuhören, und dieses Mal war es nicht die Menschentraube die näher kam, sondern etwas anderes. Etwas das hoch Oben zu sein schien. Es war wie ein Luftzug, der einem Düsenjet Platz machte und auch das Brummen schien von einer Maschine zukommen, die weit in den Lüften ihre Bahn zog. Der Boden schien durch dieses Brummen zu vibrieren, es zurück zusenden. Die Leute schauten in alle Richtungen, so etwas hatte noch niemand vernommen, es war wie das Brummen einer riesigen Hummel, die sich auf die Erde stürzen wollte.
Kristine nahm ihr Auge von dem Sucher und schaute in den bleichen strahlenden Sommerhimmel. Der Fixstern sah wie eine riesige tausend Watt Birne aus, die das Himmelszelt einschmelzen wollte. Seit Tagen sah man keine Wolke am Firmament. Da bemerkte sie das Flackern am Himmel. Sie spürte sofort eine Art Spannung in ihrem Körper. Die Menschen bewegten sich etwas auseinander und die junge Reporterin konnte wieder atmen. Es sah aus, wie Kugelblitze, die zuerst klein, aber dann immer größer wurden. Das Brummen wurde zu einem Dröhnen die Hitze nahm zu, ein heißer Wind kam auf und bildete sich zu einem Sturm. Die dunklen Haare der jungen Frau wirbelten quer durch ihr Gesicht, sie hob die Digicam in die Richtung und durch den Sucher sah sie, dass es sich nicht um Blitze handelte, sondern um Feuerbälle!
"Oh mein Gott!" flüsterte sie und ließ den Arm sinken.
Die Sensation war perfekt! Sie hatte nicht damit gerechnet, als sie vor zwei Tagen hier eintraf. Sie hatte mit dem Dorfbullen geschlafen, weil sie sich eine Story erhofft hatte, die aber eigentlich niemanden mehr interessierte. Dann fand sie gefallen an ihrem neuen Sexspielzeug und dachte sich, nehm' dir ein paar Tage frei und lass dich verwöhnen! Ist doch ein netter Ort hier. Als der Dorfgigolo unter der Dusche stand, hatte sie ihren Chef über Handy verständigt, dass er ihr kein Kamerateam schicken sollte und sie sich ein paar Tage ausklinken würde. Und jetzt?
Jetzt spuckte der Himmel Feuer und außer ihr waren nur noch zwei Gazettenschmierer da. Exklusivmaterial, schoss es ihr durch den Kopf, als sie die flammenden Zungen über den ausgebleichten Sommerhimmel zucken sah.
Sie blickte herüber zu ihrem neuen Freund, der über der Leiche eines älteren Mannes stand, der diesen verwilderten Typen geschlagen hatte. In Mainz war dieser Punk keine Sensation, hier allerdings sorgte er für Aufsehen. Doch nun war dies auch vorbei. Die knapp hundert Leutchen, die sich auf diesem alten Marktplatz, mit einem kleinen Brunnen in der Mitte, vor dem Rathaus versammelt hatten, glotzten wie Fische in einem Aquarium zum Himmel.
"Astroiden!" schrie das Blondchen, das sie vorhin kurz interviewete.
Die Luft war energiegeladen und schien zu kochen. Das Dröhnen verursachte Kopfschmerzen, Eine weitere Menschentraube aus zirka zweihundert Leuten lief auf den Marktplatz zu, um dem dort gebotenen Spektakel beizuwohnen. Dies war ihr Glück!
Zu dem Dröhnen gesellte sich plötzlich ein schmerzhaftes Zischen und innerhalb der nächsten Sekunde explodierte der alte Teil von Bettendorf.
Baaam!
Eine riesige Feuerwalze schoss durch das Dorf und verbrannte alles in wenigen Sekunden. Die Feuerwand blieb kurz vor dem Rathaus stehen und zündete dessen Dachstuhl an.
*
Die Explosion erschütterte den Boden, die Feuerwalze zog sich durch den kleinen Ort und verbrannte alles was ihr in die Quere kam. Mischa spürte die Druckwelle und sah die Feuerwand näher rücken. Der Punk schaute besorgt, aber nicht überrascht in das flammende Inferno.
Oh mein Gott! Was passiert denn hier? Mischas Augen wurden riesig als er sah, wie der Dachstuhl des Rathauses Feuer fing. Ein menschliches Wesen kam aus der Feuerwand gelaufen, es war schwarz und lodernde Flammen züngelten um es herum. Es krachte kreischend auf das Kopfsteinpflaster und starb. Die zweihundert Menschen, die aus dem alten Teil Bettendorfs gekommen waren schauten sich beängstigend um. "Wir hätten auch da drin sein können!"
Mischa konnte sich nur zu gut vorstellen, wie es dem Rest der Bewohner, vielleicht noch knapp Hundert, ergangen war. Nur der Windstoss des Feuers ließ sein Fleisch auf seinen Knochen garen. Die Menschen liefen in Panik in die andere Richtung, Kristine wurde zum Teil mitgerissen, konnte sich aber dann wieder zurück kämpfen. Als sie neben Mischa stand fragte sie, aber ohne eine Antwort zu erwarten: "Was war das?"
"Ich weiß nicht!" Mischa war geschockt.
"Ob es ein Terroranschlag war?"
"Verdammt ich weiß es nicht! Aber ist unser Dorf wichtig genug?" er wischte sich den Schweiß von der Stirn, dann zog er sein Hemd vom triefnassen Körper, rieb sich damit durchs Gesicht und warf es weg.
"Glaubst du, das es Astroiden waren?" sie richtete die Digicam auf ihn.
"Dann hätte man uns doch gewarnt!" er ließ sie stehen und schaute in den Himmel.
Weitere Flammenzungen schossen über den Horizont eine entfernte Explosion ließ die Erde erneut erzittern.
"Glaubst du wirklich der Staat würde uns informieren?" sie lachte, dann verstummte ihr Lachen, als sie auf den Punk schaute. Ich bin nicht das Lamm!
Jens kniete neben ihn und kümmerte sich um Kronzucker. Er schien tot zu sein, der blonde Polizist schüttelte frustriert den Kopf. Der Punk ging zu Kristine und hielt sie bei den Händen.
"Der Mensch weiß nicht alles, Fräulein Rosenberg!"
"Woher kennst du....?" eine weitere Explosion erschütterte den Ort. Das Dröhnen wurde wieder zu einem Brummen, dann zu einem Summen und weit in der Ferne explodierte wieder etwas.
Mischa nahm die Reporterin zur Seite. "Wir müssen hier Hilfe holen! Ruf über dein Handy die Feuerwehr! Ich werde das THW verständigen." Schweiß lief ihm über seinen muskulösen Körper und er ging zu seinem Wagen. In der Ferne hörte er die ersten Sirenen der Feuerwehrwagen und Löschzüge. Doch die aus Bettendorf und Umgebung würden nicht genug sein. Hier stand viel zu viel in Flammen. Jetzt wusste er, wie sich die Menschen in New York am 11. September gefühlt haben mussten. Panik war in einem, man wusste, es hatte viele erwischt, aber man selbst hatte überlebt. Warum hatte man überlebt? Warum hatte es so viele erwischt? Er wusste, es würde nicht so viele Tote zu beklagen geben wie im Big Apple, aber Bettendorf war ja auch erheblich kleiner. Seine Knie schlotterten und plötzlich wurde ihm trotz der Hitze eiskalt. Sein Nervenkostüm war zerrissen. Darauf hatte ihn niemand vorbereitet. Er setzte sich in das offene Auto und schnappte sich sein Funkgerät, er beschrieb Susi die Situation, damit sie alles in Bewegung setzen konnte was den Opfern half.
"Ich weiß nicht wie viele, ich weiß nicht wie groß! Hier ist die Hölle los Kleines!"
"Ich habe die Erschütterungen bis hier gemerkt! Unsere Fenster sind zersprungen!" krächzte ihre Stimme durch den Lautsprecher.
"Die wirst du im ganzen Ort wegwerfen können!" eine weitere Explosion in der Ferne ließ ihn zusammen zucken. Er blickte über den Marktplatz, auf dem sich nur noch drei Menschen und eine Leiche befanden. Jens schaute fassungslos in die Runde dann bewegte er sich zu der kleinen Straße, auf der die verkohlte Leiche lag und bückte sich zu ihr herunter. Er drehte sich im Kreis und schaute mit versteinertem Gesicht zu der Flammenwand, die sich seltsamerweise nicht vorwärts bewegte.
Mischa stieg wieder aus dem Wagen, in dem mindestens hundert Grad herrschten, doch die Luft draußen schien nur knapp darunter zu liegen. Die ersten fünf Löschzüge waren angekommen, es waren noch keine drei Minuten vergangen. In der Ferne hörte er weitere Sirenen, wahrscheinlich auch Kollegen aus der Umgebung. Er sackte zusammen und fiel längs auf die Straße, alles um ihn verschwand. Die Hitze, das Feuer, die Löschzüge und sogar der seltsame Punk.
*
Als er wieder zu sich kam, spürte er sofort die große Hitze und schmeckte den Rauch. Etwas dröhnte über ihn weg, er hatte furchtbare Angst, das es sich wieder um eine dieser Flammenzungen handeln könnte. Er öffnete die Augen und rollte sich weg - er fiel hart auf den Boden der Polizeiwache.
"Mischa!" Susanne war über ihm und schaute ihn besorgt an.
Er blickte neben sich und sah, dass er wohl auf einer Liege gelegen hatte. Wieder das Dröhnen und ein heißer Luftzug. Susanne blieb ganz ruhig, also herrschte wohl keine Gefahr. Er stand auf, sah sich in dem kleinen Amt um und erkannte, dass alle Fenster fehlten. Doch das zersprungene Glas war schon beseitigt worden.
"Na Chef? Wieder fit?" Jens lächelte verlegen, dann schaute er wieder auf seine schwarzen Hände.
"Wie lange war ich weg?"
"Fast fünf Stunden!" sagte Susi.
Der Polizeihauptmann schaute aus dem Fenster. Die Sonne war schon fast ganz im Westen, drei riesige Hubschrauber flogen ihr entgegen. Militärhubschrauber?
"Was machen die denn hier?"
"Die Bundeswehr hat das Oberkommando in einem solchen Fall!" ein stämmiger Mann in einer Uniform mit vielen Orden betrat zackig den kleinen Raum. "Oberst Feldmann!"
Mischa schüttelte ihm gedankenverloren die Hand. "Was für ein Fall?"
"Katastrophenalarm!" meldete er knapp.
"Was?" Mischa verstand nicht.
"Ein Meteoritenschauer ist über Deutschland nieder gegangen!" der Oberst schien stolz auf sich zu sein.
Mischa schaute ihn verwirrt an. "Und wieso ist die Bevölkerung nicht gewarnt worden?"
"Nicht mal die Amerikaner haben diese kleinen Scheißer gesehen! Die Mistratten hatten sich geschickt hinterm Mond versteckt! Tja Mutter Natur ist manchmal eine verdammt hinterhältige Fotze!" der dekorierte Mann schien das Ganze lustig zu finden.
Mischa blickte sich wieder um und zählte im Kopf die Leute in diesem Raum, Kristine fehlte. "Wo ist....?"
"Ihre Reporterfreundin?" fragte Feldmann.
Mischa nickte.
"Die ist Draußen und sichert sich ihre Exklusivrechte. Verdammt harte, kleine Frau, hat mich sogar weich geklopft, dass ich ihr unseren Sendewagen zur Übertragung ihrer Bilder an die DPA überlasse. Die hat Feuer in ihrem kleinen Arsch. Wo wir gerade bei Feuer sind. Wir haben es zum Großteil gelöscht. Fangen jetzt an die Toten zu zählen, so wie es aussieht haben sie zirka zweihundert Ihrer Steuerzahler verloren, tut mir leid Herr Fendrichs."
Mischa wurde schlecht. Zweihundert tote Mitbürger, Bekannte, vielleicht sogar Freunde und Familie?
Wieder flog ein Hubschrauber über das Polizeirevier. Feldmann legte ihm die Hand auf die Schulter. "Sie können stolz auf Ihren Deputy sein! Der Junge hat geschuftet, bis ihm die Hände verkohlt sind! Guter Mann! Sie hätten nicht in den Wagen steigen dürfen, der hat Ihr Hirn ganz schnell weich gekocht! Seien Sie froh, dass Sie noch leben!"
Susi brachte ihm ein großes Glas Eistee. "Langsam trinken!"
Er spürte förmlich ein Zischen in sich, als das kalte Getränk seine Kehle herunter ran.
"Oh scheiße!" fluchte Jens und schaute auf den kleinen Fernseher, der auf der Kannte der Theke stand, an der sich an manchen Tagen die Leute zu einer Schlange aufstellten.
"Machen Sie lauter, junge Frau!" befahl Feldmann Susi.
Die Polizistin schaute entsetzt auf den Bildschirm und zielte mit der Fernbedienung auf das Gerät. N-TV war eingeschaltet und es flimmerten furchtbare Bilder über den Äther. Die Kamera zeigte Bilder der Verwüstung. Eine Großstadt brannte lichterloh, Frankfurt am Main wurde eingeblendet. Die Hochhäuser der Mainmetropole standen in Schutt und Asche, Schnitt! Eine andere große Stadt, Stuttgart, in Flammen, Menschen in Panik. München, Berlin und Frankfurt/Oder!
Der Bundeskanzler trat vor die Kameras. "Weder unsere Institute, noch die NASA haben diese Katastrophe auf unser Land zukommen sehen! Wir sind sozusagen kalt erwischt worden! Jetzt werden die Leute sagen, dass man mehr Geld hätte investieren sollen in die angrenzenden Forschungsbereiche. Dennoch können wir auch erfreuliches Berichten, kein Meteor war größer als ein Tennisball!"
Der Kanzler verschwand und machte Platz für die Moderatorin, die ein verstörtes Lächeln im Gesicht trug. "Zu eben hat uns die Eilmeldung erreicht, dass sich Pakistan und Indien mit Atombomben beschießen. Die erste soll schon Neudelhi erreicht haben. Beide Regierungen waren nicht bereit mit dem russischen Präsidenten, noch mit dem Vizepräsidenten der USA über eine friedliche Lösung des Konflikts zu diskutieren und haben jegliche Einmischung als kriegerischen Akt bezeichnet."
"Ja ist die Welt jetzt ganz verrückt geworden?" Feldmann schlug sich mit der Faust auf die Handfläche. "Das kann doch nur noch Krieg bedeuten! Ich werde mich sofort mit meinen General in Verbindung setzen!"
Auf dem Bildschirm wurden nun Bilder des Meteoritenschauer gezeigt, drunter war zu lesen: Bettendorf.
Eine Gruppe Bundeswehrsoldaten lief wie eine Horde kopfloser Hühner durch das kleine Amt, einer von ihnen trug ein rotes Kreuz auf einem Ärmel und blieb bei Jens stehen. "Herr Lehmann, ich soll Ihnen Ihre Wunden versorgen."
Er kniete sich vor ihm hin, sah sich die Hände gründlich an und bestrich sie mit einer dickflüssigen Tinktur. Dann stand er auf und kam zu Mischa herüber, schaute ihm kurz in die Augen und überreichte ihm zwei Aspirin.
"Wo ist der Punk?" stellte Mischa die Frage.
"Unten in einer unseren Zellen!" sagte Jens und schaute von seinen Händen auf.
"Warum?"
"Weil dieser Mistbock uns nicht sagen wollte was er hier macht!" schnauzte Feldmann, der den Raum wieder betrat.
"Er wartet!" flüsterte Mischa.
"Ja, ja! Das hat uns diese kleine Made auch gesagt! Er wollte aber nicht damit raus auf wen!"
"Und darum haben Sie ihn eingesperrt?"
"In einer solchen Situation habe ich die Befugnis dazu!" die Brust des Oberst schwoll an.
"Er ist nur ein Mann!" Mischa blickte ihn verständnislos an. "Ein seltsamer, aber immerhin hat er nichts verbrochen."
"Er hat mir nicht gefallen!" damit sollte alles gesagt sein.
"Das macht mir Sorgen!" Mischa schüttelte den Kopf. "Wissen Sie, was daraus resultieren kann? Er wird uns anzeigen, oder schlimmer! In dieser Zeit dreht er vielleicht durch und veranstaltet einen Kleinkrieg gegen uns! Haben Sie nie die Novelle " FIRST BLOOD" gelesen?"
Feldmann schaute ihn fragend an.
"Rambo!"
"Darüber gibt es ein Buch?" der Oberst schüttelte verwirrt den Kopf.
"Ich möchte mit ihm reden!"
"Gehen Sie doch, ist doch Ihr Gefängnis!"
*
Als Mischa den engen Raum betrat, saß der Punk auf dem einzigen Möbel, den es außer dem Klo gab, die kleine Pritsche. Der Mann mit den rotblauen Haaren sah kurz auf und lächelte. "Na, ausgeschlafen!"
Hier im Keller des Polizeiamtes war es angenehm kühl, trotzdem schoss dem Polizist die Röte ins Gesicht. "Waren schon ein paar harte Tage! Der Amoklauf, die Hitze und das hier!"
"Na ja, das Ende der Welt haben Sie ja nicht verschlafen!" der Fremde schaute wieder zu Boden.
"Oh, Sie sind ironisch! Liegt das an einer guten Schulbildung?"
"Das Leben ist die beste Bildung!"
"Jetzt sprechen Sie in Rätsel!" Mischa schaute ihn provozierend an.
"Das ganze Sein ist ein Rätsel! Kommen Sie auch noch hinter, Mischa!"
Mischa Fendrichs stutzte, woher kannte er seinen Vornamen? Nun, den musste er irgendwo aufgeschnappt haben. "Und wie heißen Sie mein geheimnisvoller Freund?"
"Michael!" der Polizist zuckte leicht zusammen. "Michael Retter!"
"Woher kommen Sie, Herr Retter!"
"Von überall her!" er lächelte wieder gewinnend.
"Okay! Aber was wollen Sie hier? Und erzählen Sie mir nicht wieder Sie warten?" Mischa verschränkte die Arme vor seiner Brust.
"Ich kann nichts dafür, Herr Polizeihauptmann! Ich warte halt!" etwas wie Trauer schien in seinen Augen zu glänzen.
Mischa schüttelte den Kopf. "Ja verdammt! Auf was denn um Gotteswillen?"
"Vielleicht gerade darauf!" Mischa schaute ihn verwirrt an. "Auf Gotteswillen! Oder auch vielleicht auf Sie!"
"Sie kennen mich aber nicht!" die Laune des Mannes verschlechterte sich. Ich würde dich verdammten Punk am liebsten....!
"Sie sollten nicht so denken! Sie sollten freundlicher sein!"
"Ich soll was? Sie reden ziemlich viel Müll mein Freund! Sehen Sie sich mal an!"
"Sehe ich unfreundlich aus?" er schaute ihn mit einem Lächeln von der Pritsche aus an.
Mischa wollte etwas erwidern, als Kristine in die enge Zelle gestürzt kam. "Oh mein Gott Mischa! Die Amerikaner haben den Chinesen den Krieg erklärt!"
Mischa wurde blass um die Nase. "Was, aber warum denn?"
"Die Amis haben den Indern gedroht, darauf hin hat China für sie Partei ergriffen und jetzt gehen die beiden letzten Supermächte auf einander los!"
Der Polizist stand auf und wollte die Zelle verlassen, als Retter ihn aufhielt. "Wenn Sie jetzt rausgehen, werden Sie die Welt nicht retten!"
"Ach?" motzte dieser. "Aber wenn ich bei Ihnen bleibe werde ich das?"
"Wer weiß? Darauf warte ich!"
Mischa fiel das Gesicht herunter. "Was, Sie warten darauf, dass ich die Welt rette?"
"Nun, fangen wir erst einmal mit der Menschheit an!"
"Sag mal du Penner, auf was für einen Trip bist du eigentlich?" Zorn stieg in dem Mann auf und er drehte sich um.
Der Fremde zog eine Augenbraue hoch. "Mischa, es ist nicht...."
Fendrichs lief zu dem Mann auf der Pritsche und schüttelte ihn durch. "Glaubst du, dass du der Teufel bist?"
Der Punk legte ihm seine Hände auf die Schulter und zog ihn zu sich herunter. Kristine fand das gefährlich, schließlich war der Punk ein Gefangener. "Lass ihn in Frieden!"
"Schusch!" machte der Punk und wandte sich dann wieder Mischa zu. "Dafür liebe ich dich Mischa! Ich weiß noch, als du vor knapp sechs Jahren die ABO Miniserie "Stephen Kings 'Der Sturm' gesehen hast. Du hast dich gefragt, was du wohl tun würdest, wenn das Böse in deine kleine Stadt kommen würde. Du hast dir ausgemalt den Satan standhaft entgegen zu treten. Ja, denn du bist ein guter Mann. Aber du hast dich nie gefragt, was passieren würde, wenn das Gute in deine Stadt käme!"
"Du bist also das Gute?" Mischa schüttelte den Kopf.
"Ihr vermutet überall das Böse, aber das Gute ignoriert ihr!"
"Wenn du das Gute bist, dann stopp doch den ganzen Wahnsinn!"
"Ich bin nicht das Lamm! Ich bin der Löwe!"
"Was soll das jetzt!" Mischa wollte die Hände nicht mehr auf seinen Schultern spüren.
"Ich bin nicht gekommen um es aufzuhalten! Ich mache es!" der Punk drückte Mischa zu Boden.
"Dann bist du doch das Böse!"
"Warum? Nur weil ich böses tue? Deine Sichtweise ist wirklich klein. Eure Zeit ist vorbei, vielleicht tue ich deswegen etwas gutes?"
"Und was willst du dann von mir?" Mischa schaute ihn mit feuchten Augen an.
Kristine löste sich aus ihrer Verstörtheit und stellte sich neben den Polizisten. "Du wirst ihn jetzt los lassen! Ich glaube, du brauchst eine Zwangsjacke!"
"Oh Kristine, du glaubst? Das ist doch schon ein Anfang!" er lachte sie an. Ja, er lachte sie an, nicht aus, es war ein herzliches Lachen.
"Wieso kennst du meinen Namen, du wussten ihn vorhin schon! Wer bist du?"
"Ich bin ich, der Retter, der Richter- das hängt von Euch ab!"
"Wieso von uns? Wer sind wir?"
"Ihr seid der Eine!"
"Verdammt, was willst du? Das wir an dich glauben? Na schön, wenn du mich dann los lässt, glaube ich an dich!" Mischa weinte jetzt wirklich und er kämpfte krampfhaft gegen den Druck der Hände an, die ihn wie einen Schraubstock fest hielten.
"An mich? Habe ich das verlangt? Ich will nicht dass du, oder irgend ein anderer an mich glaubt! Ich bin hier um die Erde zu versengen! Also, warum willst du an mich glauben?"
"Willst du dass ich an IHN glaube? Du weißt ich kann das nicht!" Tränen liefen seine Wangen herunter. In der Zelle wurde es immer kühler, er fühlte sich wie in einem riesigen Ruhezentrum, wenn nur nicht dieser..... Mann? "Warum gehst du nicht nach Rom? Der Papst ist neu, es ist seine Arbeit an IHN zu glauben!"
Michael Retter schüttelte energisch den Kopf. "Der hat keine Zeit, er ist so mit seiner Kirche beschäftigt, dass er nichts findet! Er macht Politik, wie all eure anderen Glaubensführer auch. Gott braucht keinen Glauben, Gott braucht euch! Ihr braucht keine Tempel, ihr finden ihn überall, wenn ihr nur wollt!"
Mischa kroch und wendete sich wie eine Schlange in seinen Händen, die immer größer zu werden schienen. "Ich bin nicht der Richtige, ich glaube schon lange nicht mehr an ihn! Frag' sie doch! Vielleicht kann sie die Eine sein!"
Kristine schaute ihn verletzt an, sie war getroffen, wie ein Reh zur Jagdzeit. "Ich? Ich bin Jüdin! Ich habe mit eurem Zeug nichts zu tun!"
Sie schüttelte den Kopf und wollte den Raum verlassen, der ihr plötzlich stickig vor kam.
"Bleib!" schrie der Punk. Die Frau blieb wie angewurzelt stehen. "Gott gehört nicht den Juden! Nicht den Christen! Nicht den Moslems! Er gehört den Menschen und die Menschen gehören ihm! Ohne euch ist er nichts und ihr seid ohne ihn nichts! Doch ihr habt euch von ihm abgewandt! Ihr fliegt zum Mond, wollt zum Mars! In den Wolken habt ihr euren Gott nicht gefunden, also bekriegt ihr euch! Jagt euch in seinem Namen in die Luft, tötet und plündert! In der alten Zeit habt ihr seinen Namen missbraucht und jetzt verachtet ihr ihn.
Ihr führt Kriege in seinem Namen! Was ist Glaube? Ich glaube du weißt es! Und du weißt es auch, denn IHR seid EINS!"
"Gott?" schrie Mischa. "Gott? Du willst, dass ich an IHN glaube? Das tue ich nicht! Ich habe ihn vor Jahren verlassen!"
"Du kannst nur jemanden verlassen, den es gibt! Also glaubst du!" Retter schaute ihn freudig in die Augen.
"Warum quälst du mich?"
Der Punk hob eine seiner Hände, die Erde erbebte. Alles wurde durch geschüttelt. Sein Lächeln würde fast teuflisch. "Ich quäle nicht! Ich beende!"
Mischa sprang auf, schaute zu den Rissen in den Wänden, dann schlug er auf den Punk ein. "Töte mich, so wie du Kronzucker umgebracht hast! Er war nicht da! Er war nicht für sie da!"
Als wenn ihn jemand aus seinem Körper zerren würde, raste er durch die Zeit und saß plötzlich im städtischen Krankenhaus von Stuttgart. Er war wieder zwanzig, gerade auf der Polizeischule und er saß neben IHREM Bett. Tina. Sie war immer noch so schön, auch ohne Haare, auch wenn die Chemo und der Krebs sie auffraßen!
Sie war sein Mädchen, sie trug sein Herz an ihrem. Sie hatten ihr Kind verloren, doch sie hatten immer noch sich. Sie hing an Schläuchen und wurde künstlich ernährt, doch ER würde helfen, davon war Mischa überzeugt. Er ließ ihn nicht im Stich, denn die beiden waren Freunde! Er und Gott waren dufte Kumpel!
Er hielt ihre trockenen Hände, knete sie sanft und sprach mit seinem Freund. Er würde sie nicht sterben lassen. Nicht sie! Und wenn sie kein funktionierendes Organ mehr in sich hatte. Sie würde überleben.
Da hörte er den monotonen Piepton! Nulllinie, Exitus! Vorbei!
Kein Haha, keine kleinen Füßchen, die irgendwann durch sein eigenes Haus tapsten. Nichts nur Leere! Leere, die er sich raus vögeln würde, sobald er zu Hause war. Er würde ficken, bis ihm die Leere verlassen würde, bis alles mit billigem Sex und Alkohol betäubt war und nicht einmal mehr Platz für IHN war!
Wir sind keine Kumpel mehr, du kannst gehen! Es ist aus, wenn du nicht mal ihr helfen kannst!
"Er hat ihr nicht geholfen!" er schlug immer noch auf den Punker ein.
"Weil sie nicht dein war!" der Punk hielt seine Hände fest.
Oberst Feldmann stürmte in die Zelle:" Sie haben es getan! Diese gottverdammten Narren!"
Er schaute auf die Szene die sich ihm bot. Die Frau kniete auf dem Boden, schaute mit Schrecken auf die Risse in der Wand und dieser Punk hielt den Wachmeister fest! Feldmann zog seine Walter PK richtete sie auf den Punk, dann auf den Polizisten und danach auf die Reporterin. "Diese Narren!" wiederholte er und steckte sich den Lauf in den Mund.
Weder Kristine, noch Mischa hörten den Schuss. Die Frau bemerkte auch nicht das Blut, mit dem der Oberst sie besudelte. Sie war fasziniert von den Rissen in der Wand und sie wusste, dass das ganze Haus auf sie nieder fallen würde. Doch es störte sie nicht, sie wusste, Gott würde sich um sie kümmern.
Mischa verkrallte sich in die Hände des Punks. "Ich habe IHN so geliebt!"
Susanne Klein kauerte unter ihrem Schreibtisch, das Beben hatte alles verrückt und umgeworfen. Neben ihr saß ein Gefreiter, der mit weit aufgerissen Augen den Freitod seines Kameraden beobachtet hatte. Sie hielt seine Hand fest und schaute gebannt auf den Fernseher, auf dem außer Schnee nichts mehr lief. Die letzte Nachricht lautete, dass China und Amerika ihre Atomraketen gestartet hatten!
Susanne schaute nach Draußen. Ein einsamer Hubschrauber drehte seine letzte Runde, in der untergehenden Abendsonne. Sie hörte die erste Detonation, danach die Zweite etwas näher und die Dritte gefährlich nahe. Plötzlich wurde alles wieder heller und viel viel heißer.
Unten im Keller hielt Mischa Fendrichs immer noch die Hand des seltsamen Vogels (Wie Frau Maier ihn nannte!) und dachte darüber nach, dass er IHN immer noch genauso liebte wie frühe. Er hörte die Bomben, sah wie das Haus über ihm weg flog und wie sich sein Fleisch von seinen Knochen schälte.
*
Mischa Fendrichs saß hinter der Theke des kleinen Polizeiamtes und schaute seine Unterlagen durch. Nichts aufregendes, immer dieselbe Routine in diesem kleinen Nest, das sich Bettendorf nannte. Draußen war ein schöner warmer Sommertag, aber es wehte ein angenehmer Wind von Frankreich durch Deutschland.
Jens stand vor der gläsernen Türe und beobachtet das Treiben auf dem Marktplatz. Bestimmt würde er nachher zu Paul Mengsass gehen um für seine Frau und sich ein paar Eier für das Abendbrot zukaufen. Dabei würden sie über ihre Damen sprechen und beide Gesichter würden sich mit Stolz und Liebe füllen.
In solchen Momenten dachte Mischa immer an Tina, seine Verlobte. Sie war vor achtzehn Jahren an Gebärmutterkrebs gestorben. Da wo einst ihr Ring an seinem Finger gesessen hatte, juckte es dann immer unnatürlich. Ja Tina war schon eine Tolle!
Er hatte es vor zwei Jahren noch einmal probiert, mit seiner Kollegin Susanne, aber die beiden kamen nicht auf einen Nenner und so beendeten sie es, bevor sich jemand verletzte. Jetzt waren die Beiden gut mit einander befreundet und auch Susis Mann kam gut mit ihrem Vorgesetzten aus. Hin und wieder wurde gegrillt und Ben fragte ihn ab und zu, ob er sich nicht nach einer neuen Frau umsehen wolle.
Susi sagte dann immer: "Weißt du Schatz, im Himmel gab es nicht genug Seelen, also hat Gott sie geteilt und getrennt auf die Erde geschickt. Ihre Aufgabe ist es sich zu finden. Entweder Mischas Hälfte findet ihn, oder Tina war diese Hälfte. In beiden Fällen kann er sich glücklich schätzen!"
Ben fragte darauf: "Bin ich deine Hälfte!"
Susi lächelte:" Ich glaube schon!"
Jens ging die Stufen hinunter und rüber zum Marktplatz. Mischa setzte sich an seinen Rechner und wollte gerade ins Internet eintauchen, als sich die Türe öffnete und eine wunderschöne, junge Frau das kleine Amt betrat. "Hallo, mein Name ist Kristine Rosenberg, ich arbeite beim ZDF und würde gerne eine Reportage über ihr wunderschönes Dorf machen und ..... mein Gott haben sie tolle Augen!"
Farbe schoss der Frau mit den dunklen Haaren ins Gesicht und sie lächelte verschmitzt.
Mischa starrte sie fasziniert an und fragte: "Kennen wir uns?"
"Ich weiß nicht! Glaube nicht, aber....hm! Seltsam aber Sie kommen mir auch bekannt vor! Glauben Sie an Seelenverwandtschaft?"
"Immer schon! Haben Sie Lust das bei einem Schoppen und einem guten Essen herauszufinden?"
Kristine lächelte: "Warum nicht? Sie scheinen ganz nett zu sein! Außerdem sind sie Polyp und kein Geiselgangster. Kennen Sie ein nettes Lokal hier?"
"' Türlich! Das Tänzelnde Pony ! Die haben sehr guten Rotwein und fantastische Steaks!" er kam hinter der Theke hervor und legte seinen Arm um sie.
"Und Sie können einfach so Schluss machen?"
"Ja, ich bin der Chef!" mit diesen Worten verließen sie das Amt und traten auf den Gehsteig.
Draußen in der Sonne schauten sie sich in die Augen, beide lächelten, als plötzlich jemand in sie rein lief.
Mischa ging einen Schritt zurück und schaute sich den seltsamen Vogel an. "Hey langsam mein Freund! Du bist wohl nicht von hier?"
"Nö!" der Punk, mit dem schulterlangen rotblauen Haaren lächelte freundlich. Mischa klopfte ihm auf die Schulter und ging dann mit seiner neuen Bekannten an ihm vorbei.
"Wow!" machte Kristine. "Jeder Schutzmann in Mainz hätte diesen armen Kerl sofort einkassiert!"
"Wir sehen das hier nicht so eng! Ich denke Jeder hat eine Chance verdient!" Mischa drehte sich noch einmal nach dem Mann um. "Hey, was machst du hier?"
"Ich warte!" der Punk lächelte siegessicher. "Ich warte auf den Bus nach Stuttgart!"
Für eine bessere Welt!
Texte: Copyright by Michael Masomi 2004
Tag der Veröffentlichung: 15.10.2008
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Falk Peter Scholz, der nie seinen Glauben an sich und mich verliert.
Freundschaft ist ein kostbares Gut.