Vorwort
2003 begann ich mit der Arbeit zu meiner Novelle Anuschka. Diese Geschichte spielt zum Teil in dem Viertel in dem ich lebe. Ich nannte es in der Geschichte Hellskitchen. In Anlehnung an den Film Sleepers mit Brad Pitt und Robert de Niro. Ich finde und fand mein Viertel genauso trostlos, aber auch voller Leben wie dieses alte New Yorker Ghetto.
Irgendwann bekam ich immer mehr Ideen für Geschichten, die hier spielten. Dies ist nun der erste Band der Hellskitchen - Shortstories.
In GOTT IST EIN DJ beleuchte ich kurz einen Tag im leben eines arbeitslosen Lehrers, der trotz HARTZ IV noch Spaß am Leben hat. DER FEHLER beruht auf einer wahren Geschichte und zeigt, wie schnell sich dein Leben zum Abgrund bewegt, wenn du die falschen Entscheidungen triffst. In MADONNA IST ALT GEWORDEN erinnert sich ein alternder Taugenichts an seine Freundschaft mit einem seltsamen Jungen.
Die VENUSFALLE hält uns Männern mal wieder vor Augen, wie gefährlich es sein kann, wenn man nur mit den Schwanz denkt. In BARFLIES- EINE NACHT IM MC LOSE treffen wir auf alle möglichen Nachteulen, die man in jedem kaputten Viertel antrifft und einem jungen Man, der nicht zu ihnen gehören will. In AMOK erleben wir, dass jedem Menschen irgendwann einmal die Hutschnur reißt und wir aufpassen sollten, was wir Menschen antun. SPERMAFEST IM ALTENHEIM zeigt auf lustige Weise, wie ein arbeitsloser Mann versucht aus Langeweile seine Frau zu betrügen und dies in einem Desaster endet.
ZEIT DES WOLFS ist eine fiktive Geschichte über einen Mann, der sich nur noch durch Raub und Mord am Leben hält. In HELLSKITCHEN sinniert der Ich-Erzähler über die Schönheiten, des fiktiven Ghettos. CHRISTINA erzählt die Geschichte eines Arbeitsvermittlers, der dank seines Job keinen Kontakt mehr mit seinen Mitmenschen hat und mit einer Realdoll zusammen lebt.
Die Stories:
Gott ist ein DJ S 8 - 15
Fehler S16 - 29
Madonna ist alt geworden S30 -37
Venusfalle S37 -45
Barflies - Eine Nacht im Mc Lose S46 -64
Amok S64-73
Spermafest im Altenheim S73 -84
Zeit des Wolfs S85 - 98
Hellskitchen S98 - 102
Christina S102 -111
Gott ist ein Dj
19.03.07
Der Tag war Kacke! Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich hatte einen Pelz im Mund, vom Rauch der letzten Nacht und mein Kopf dröhnte. Die Sonne stach mir in die Augen, mein Bett roch nach meiner Frau und die Wohnung nach Scheiße.
Buffo hechelte wild und sein bärenähnlicher Kopf schaute gestresst in mein Schlafzimmer, dass ich die letzte Nacht alleine für mich hatte. Angela war bei ihrer Mutter. Ihre Worte halten noch in meinem Hirn nach. „Beweg' dich endlich! Mach was, sonst verlass ich dich!“
„Ich mach doch was!“
„Ja, mit einer Achtzehnjährigen im Park spazieren. Du bist mein Mann! Ich bin schwanger!“
Ich bin schwanger, war in den letzten drei Monaten die Antwort auf alles. Hier nimm Sam, ich bin schwanger. Trag das, ich bin schwanger, mach das, ich bin schwanger! Kiff nicht immer in der Wohnung, ich bin schwanger. Ja, ja, aber nicht schwanger genug, um auf dem Markt Wassermelonen zukaufen, oder den wöchentlichen Rotwein zu saufen.
„Ich bin schwanger und du bist ohne Arbeit!“
„Ich kann mir keine Arbeit aus der Arschbacke schneiden!“
Ich war doch Lehrer. Ich konnte doch nicht einfach in einer Fabrik Dosen zuschrauben!
„Du hast deinen Job wegen des Kiffens verloren!“
Hatte ich nicht. Sie konnten mir nie was nachweisen. Denn wenn jemand im Lehrerzimmer Tests durchgeführt hätte, würde eine ganze Schule geschlossen, soviel Alkohol und Tabletten waren dort im Umlauf. Wer interessierte sich dort schon für ein wenig Pot, wo doch jeder einen Jack mit Eis in seiner Thermokanne hat? Die Kinder rauchen selber alle und bei mir ist es eigentlich nur hin und wieder. Also kein großes Ding!
Jaqueline ist ein großes Ding.
„Du bist arbeitslos, ich bin schwanger und du gehst mit einer kleinen Schlampe in den Park!“
Jacky ist keine Schlampe, sie ist ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Okay, sie sieht zurzeit etwas attraktiver aus als Angie, aber will ich mit ihr schlafen?
Ja! Sie macht mich wild, sie flirtet ganz subtil mit mir. So unter der Oberfläche des Sehbahren. Sie räkelt sich immer, wenn sie neben mir steht und sie bückt sich für meinen Geschmack etwas zu oft um ihren Dackel zu streicheln. Und ich würde sie gerne ficken!
Mein Kopf dröhnte. Das Zeug von Carsten war mal wieder der Hammer.
„Torsten, du bist nicht für die Ehe geschaffen.“ Ich sah sein überdimensionales Gesicht vor mir, verschwommen im Rauch.
Das sagte meine Exfrau auch immer, dennoch hatte ich es ein zweites Mal versucht.
Ich stand wankend auf und folgte dem Geruch zur Wohnungstüre. Da sah ich das Malheur: Furzsoße auf dem Paket. Buffo hatte Durchfall. Na Prima, toller Tag!
Die Scheiße fing ja schon gut an. Es war sieben Uhr, die Frau war bei den Eltern, der Hund kackte mir die Wohnung voll und ich wollte noch zur ARGE. Montag, sag ich da nur.
Als ich alles in der Tüte hatte klingelte es. Jacky!
Ich schlüpfte in meine Jeans und öffnete.
„Heute keine Schule?“
„Ne! Du bist doch auch Lehrer!“
Ich grinste.
„Wo ist deine Frau?“
„Abgehauen! Zu Mutti.“ Ich versuchte ein verführerisches Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern.
„Stress?“
„Jep!“
„Tut mir leid!“ Sie blickte suchend durch den Flur.
„Blas' mir einen!“
Die Türe knallte zu und ich stand mit offener Hose, einen Ständer der langsam wieder zusammen fiel und einer Tüte voll Scheiße da und glotzte auf das Holz der Tür.
Hatte ich das wirklich gesagt? War ich so zugedröhnt, dass ich einen Teenager zum Blowjob aufforderte?
Buffo fiepte kurz und heftig und sprenkelte die Tapete in ein lustiges Muster. Ich packte ihn beim Kragen und verfrachtete ihn auf den Hof. Dann schmiss ich die Tüte weg und zog mich richtig an. Die Hose nicht gebügelt, der Pulli zu kurz. Was sollte es, ich war Hartz IV.
Ich schüttelte noch den Kopf über Jacky, als ich in meine Sneaker stieg und die Türe hinter mich schloss und mich auf den Weg zur ARGE machte. Nach dreizehn Minuten war ich da, setzte mich in die Wartezone und starrte so um mich herum. Eigentlich nehme ich immer ein Buch mit, dieses Mal hatte ich es vergessen. Und so verstört, wie ich war, hätte ich eh keinen Satz lesen können. Mein Kopf fühlte sich wie ein aufgeblasener Luftballon an. Alles um mich herum stand unter Elektrizität. Ich saß so da und glotzte die Leute an, die da waren.
Ein Pärchen saß mir gegenüber und die Frau sprach monoton auf ihren Mann ein: „Du brauchst Arbeit Franz, wir haben kein Geld.“
„Ich kann mir keinen Job aus der Arschbacke schneiden!“
Waren alle Männer verflucht? War ich aus meinem Körper gefahren und sah mich nun von oben?
War die Welt verloren? Wurde niemand mehr gebraucht? Gab es zu viele Menschen für die wenige Arbeit. War Arbeit alles auf dieser Welt?
In meiner alten Schule, einer Hauptschule warteten die Kinder darauf, mit dem Abschluss, oder ohne, in die ARGE aufgenommen zu werden. Sie würden heiraten, Familien gründen und sich auch keinen Job aus der Arschbacke schneiden können. Was war nur in den letzten Jahren passiert? War alles so überflutet, dass nichts mehr produziert werden musste? Oder überlegten sich die Bosse, wenn man in der 3. Welt produzieren ließ, konnten sich das hier die Bekloppten immer noch mit den Hungerlöhnen, oder der Sozialhilfe leisten und die Hinterweltler mussten nicht mal anständig bezahlt werden.
Da kam Familie Totaldruff. Ihm war der Alkoholmissbrauch ins Gesicht geschrieben und sie hatte wohl andere Probleme, die sie sich nach ihren Blicken wohl anders finanzierte, als der vermeintliche Erzeuger ihres kleinen Lenchens. Lena lief umher und suchte weitere Kinder. Doch heute waren keine weiteren da. Meine Sam saß bei Oma und hörte sich Geschichten aus einer anderen Welt an. Einer anderen Zeit, wo Opa noch auf Zeche war und Oma am Herd.
Ich schaute auf meine Adidasschuhe. Super, die hatte Buffo auch voll erwischt. Vorne war alles mit kleinen hellbraunen Punkten besudelt. Und erst jetzt merkte ich dass sie auch noch rochen. Der Familienvater schaute mich mit seinem trüben Blick angewidert an. Ich glühte wohl noch und sein Atem war wohl in der selben Liga wie meiner.
Meine Nummer erschien und die Nummer des Zimmers in das ich treten durfte.
Ich öffnete die Türe und die quitschige Stimme von Afroman schallte mir entgegen.
I LOST MY JOB BECAUSE I GET HIGH
Ich dachte mir, ja da geht die Sonne auf. Der Typ am Tisch nahm meine Nummer und grinste mich an. Der junge Mann hatte den gleichen Blick, den ich in den letzten Tagen immer im Spiegel gesehen hatte. Ein Kiffer erkannte den anderen.
Ich schmunzelte.
I LOST MY KIDS’ N WIFE ‚ BECAUSE I GET HIGH
I EAT YOUR PUSSY AND THEN I GET HIGH
NA NA NA NA LA LA BECAUSE I GET HIGH! BECAUSE I GET HIGH!
“Kann ich was für sie tun, Herr Geher?“
LA LA LA LA I GET HIGH!
Ich drehte mich um und sagte: “Ne, danke bin Falsch hier!“
Ich ging wieder nach Hause.
Dort setzte ich mich aufs Klo, mit dem Zeug vom letzten Abend und drehte mir einen fetten Blunt.
Ich saß da, mein Schwanz hing in der Schüssel und ich drückte trockene Würste aus. Ich hustete, da hörte ich Buffo draußen furzen und jaulen.
Ich inhalierte den schweren Rauch und musste über das ganze Gesicht grinsen.
Wenn Gott ein DJ ist, wer bin ich dann, dass ich nicht tanze?
Fehler
28.02.08
Der alte Fritz, wie sie Friedrich Beckers alle nannten, lag mit seinem Gesicht in einer Pfütze aus einer Mischung von Regenwasser und Erbrochenen. Der Aufenthalt im Schwuup up war mal wieder zu lange und zu feucht gewesen. 27 Alt und sieben Whisky ließen ihm zwar seine künstliche Hüfte vergessen, doch er schaffte es gerade mal bis über die Schlucht, wie er die Straße zwischen Kneipe und seinem Wohnhaus bezeichnete und landete Gesicht voran in das Mottloch und erbrach sich.
An Hochkommen war gar nicht zu denken. Alleine würde er es nie schaffen. Es war kurz vor Mitternacht und der alte Fritz wusste, dass die beiden jungen Männer, die ihn sonst immer aus seiner Misere retteten, um diese Zeit nicht auf der Straße waren. Er drehte sich aus dem Wasserkotzloch heraus und blieb auf dem Rücken liegen.
Er hasste sich. Er hasste sich für die Schmach, die er sich jeden Tag selber zufügte und er hasste sich, dass er alt war. Alt und keine Gefahr mehr. Darum hatten sie ihn vor sieben Jahren in die Freiheit geschickt.
Er war 62 Jahre und wenn er in den Spiegel schaute und für einen Moment nüchtern war, da wusste er, dass er älter aussah wie sein 82- jähriger Nachbar Heinz.
Ein viertel Jahrhundert hatten sie ihn eingesperrt. Und nun, da die Welt sich weiter gedreht hatte, als er es sich in seinen kühnsten Träumen hätte vorstellen können, da schmissen sie ihn auf die Straße, steckten ihn in ein Loch in Hellskitchen und ließen ihn langsam sterben.
Jeder hatte einen Computer und mit Hilfe von Nummern unterhielten sie sich und mit Hilfe von Nummern kam man nur noch durchs Leben. Er war auf dem Arbeitsamt nur eine Nummer, der vom Alter her noch keine Rente zustand, aber dank seiner Alkoholsucht auch keine Tätigkeit mehr ausführen konnte.
Er atmete und starrte in den schmutzigen Nachthimmel über der Stadt. Von irgendwo her erklang ein Martinshorn. Der Türke hatte bestimmt schon wieder die Bullen und die Ambulanz benachrichtigt. Er würde ihn wohl bald aus seiner Wohnung klagen, damit er sie an seine Schwester vergeben konnte. Er war in seinem eigenen Land nicht gern gesehen. Das schmerzte ihm und wenn er noch junger gewesen wäre, dann hätte er diesem verdammten Ali fertigt gemacht.
Doch er war alt und konnte nicht mehr auf seinen Füßen stehen. Dafür hatten die Alis in der JVA gesorgt. Ein Wunder, dass sie ihm nicht das Rückgrat gebrochen hatten. Aber er war selber Schuld. Was musste er auch zu der Bruderschaft gehören?
Als immer mehr Ausländer in den Knast wanderten, hatten die Einheimischen schnell gemerkt, dass sie gegen die Südländer keine Schnitte hatten. Und wenn du in der Anstalt nicht als Massenmörder giltst, dann hat auch niemand angst vor dir. Schon gar nicht vor einem Taugenichts wie Fritz, der mit zwanzig noch Hippie war und mit der rechten Gesinnung nichts am Hut hatte.
Sie hatten ihn in die Mangel genommen und mehr als einmal fast tot geschlagen. In den 25 Jahren hatte er die Aufenthalte im Hospital nicht mehr gezählt. Der geschmuggelte Alkohol ließ ihm auch schnell die Nächte in Gips vergessen.
Als er draußen war schaffte er es auch, den Knast am Tage fern zuhalten. In der Nacht war es schlimm, doch meistens war er im Koma und hielt seinen Kater an sich gedrückt.
Teddy war auf Weihnachten gestorben. Einfach so. Tot lag er in seinem Bett.
Blaulicht flackerte über ihm. Ein Polizist trat ihm sanft mit der Schuhspitze in die Rippe.
„Fritz! Fritz! Du schon wieder!“ Die Taschenlampe blendete ihn.
Er versuchte etwas zusagen, doch nur Speichel flog aus seinem Mund, dann das verzweifelte : „Haut doch ab!“
Damals, vor 32 Jahren, blendeten sie ihn auch. Mit einer Tischlampe. Sie wollten wissen wer geschossen hatte. Er wusste es. Doch er sagte nichts. Stefan beschuldigte ihn, doch Zeugen waren sich nicht ganz einig, wer von den beiden geschossen hatte.
Sein größter Fehler war die Freundschaft mit Stefan. Stefan und sein todsicherer Plan.
Und Marianne!
Marianne war sein Frau, die Mutter seiner Tochter, die nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Wie hatte er sie geliebt. Das kleine Wesen, als es auf die Welt kam, das war 1973, er war so stolz gewesen. Sein Fleisch und Blut, sein kleines Mädchen. Vicky. Nach der Schlagersängerin.
Fritz hatte einen Job in einem Getränkemarkt, beim EKZ. Er verdiente 1500 DM. Er war zufrieden, sie hatten eine schnucklige Wohnung, einen alten Opel und Essen stand auch auf dem Tisch. Irgendwann kam Stefan als sein Kollege dazu. Er mochte ihn. Sie saßen oft im Lager und tranken ein Rhenania zusammen. Nach einer Zeit lud er ihn ein um mit seiner Familie zu essen und sie gingen beide Sonntags zum Spiel in die Grothenburg.
Bayer Ürdingen 05, war ihr Verein. Kästen sortieren war ihr Tagwerk. Und wie Männer so sind waren sie glücklich.
Als Vicky sechs wurde, wurde Marianne unzufrieden. Acht Jahre Ehe waren vorüber und ihr Mann nächtigte mehr auf der Couch, als in ihrem Bett. Sie waren in Spanien und auch in Italien gewesen, einmal sogar zusammen mit Stefan, doch das hatte bloß Ärger gegeben. Eigentlich dachte Fritz immer das alles in Ordnung sei. Doch eines Abends, als er mit seiner geliebten Tochter aus dem Bad kam und sie in einem großen Handtuch abrubbelte, sagte sie: „Friedrich. So geht es nicht weiter! Immer der Getränkemarkt, willst du nicht auch mal was werden?“
„Was werden?“ er hob seine Tochter in die Höhe und drückte ihr einen Kuss auf die feuchte Nase. „Was denn werden? Ich bin doch was? Wir haben Fernsehen, HiFi, Video, Urlaub. Was brauchst du mehr?“
„Ach ich würd auch mal gern Schmuck haben. Lecker essen gehen, ein schönes Parfüm, oder unsere Rostlaube abgeben. Immer nur Fußball und der Garten. Such dir doch einen Job im Stahlwerk. Da kannst du auch Getränke verkaufen und verdienst noch was. Drei Schichten haben sie da, sagt die Erika.“
„Was soll ich denn mit drei Schichten? Ich bin doch froh, wenn ich um halb sieben zu Hause bin und ein wenig die Tagesschau sehe und mit euch beiden Mensch ärgere dich nicht spielen kann. Und überhaupt. Was ist den mit dem Stefan? Wir beide sind ein ganz tolles Gespann. Ein Team, wie sie heute sagen. Er...“
„Immer der Stefan. Weißt du eigentlich das er mir immer schöne Augen macht, wenn du nicht hinschaust?“
„Na und? Da siehst du mal, dass du eine hübsche Frau bist. Trotz Kind und Mann. Du bist ja noch ein Mannequin!“
„Würd ich mal eins sein, mein Gutster!“ sie schlug sich vor ihren Kopf, in dessen Haaren sich große Lockenwickler befanden. „Dann würden sich nämlich die Playboys für mich interessieren und ich hätte auch mal ein paar Mark für mich! Das Vicky kommt diesen Sommer in die Schule. Wir müssen noch eine Tasche kaufen, Schulsachen. Wenn du Nachtschicht arbeitest, dann haben wir mehr Geld....“
So ging das einige Monate und Fritz ging immer ungern nach Hause. Er klagte seinem Freund sein Leid und der meinte: „Na ja, ein bisschen mehr Geld tät nix schaden!“
„Ach komm hör auf! Bin doch kein Fabrikarbeiter. Nur Arbeiter, den ganzen Tag. Und dann soll ich denen Cola in kleinen Flaschen verkaufen, in einer Holzhütte sitzen, bei der Kälte. Früh- Spät- und Nachtschicht. Das is nix für mich.“
Und dann? Der todsicherer Plan.
Stefan stieß ihn an, als er eine Kiste Hansapils in den Einkaufswagen einer Hausfrau stellte. „Da guck!“
Der Mann vom Geldtransport ging an ihnen vorbei.
„Und?“
Das is das Ding.“
„Was denn für ein Ding?“ Fritz verstand nur Bahnhof.
Als sie in der Mittagspause hinten im Lager jeder ein halbes Hänchen mit Pommes verdrückten und eine Dose Alt tranken sagte Stefan schmatzend: „Da is nie jemand bei!“
„Wo bei?“ Fritz stellte seine Dose vor seine Füße.
„Bei dem Geldtransport.“
„Und?“
„Na den können wir knacken!“
„Biste bekloppt?“
„Ich mein...guck mal...du bist dreißig! Fialleiter wirst du nicht mehr!“
„Und?“
„Mein Gott! Ein bisschen Geld machen.“
„Mit' nem Überfall?“ Fritz ließ eine Pommes mit Mayo fallen.
„Kommt doch keiner auf uns! Wird doch nie jemand denken, dass wir das waren!“
„Wieso nicht?“
„Na wir arbeiten hier und...“
„Komm lass mal gut sein! Ich will nicht bei Aktenzeichen XY dabei sein.“
„Scheiße Fritz. Wir halten die Karre an, rauben denen die Kohlen und weg sind wir. Kriegt doch keiner mit, die sind doch versichert. Schön auf der Straße, irgendwo ran und dann“ er machte mit Daumen und Zeigefinger eine Pistole, „Hände hoch! Geld her!“
„Bist du total jeck? Eine Pistole. Mensch die knallen dich ab. Die sind Profis. Und was is mit der Polizei?“
„Ist doch nicht wie bei Starsky und Hutch. Bis die losfahren sind wir weg. Kommen am nächsten Tag wieder ganz normal zur Arbeit.“
„Nee! Da mach ich nich mit!“
Aber er machte mit.
Er deckte Stefan, als dieser dem Geldtransporter folgte, er fuhr mit ihm nach Duisburg und sie kauften eine Pistole und er saß neben Stefan in einem geklauten Ford Capri und schaute auf die Stoßstange des Mercedes Van, den sie seit gut zwei Stunden verfolgten.
„Das müssen mindestens 200 000 Mäuse sein!“ Stefans Hände am Steuer zitterten.
„Jetzt oder nie!“ sagte Fritz mit einem Klos im Hals.
Auf der Straße nach St Tönis beschleunigte der orangene Capri und drängte den Geldtransporter ab. Als die Autos standen sprang Fritz aus dem Wagen und hielt die Pistole vor die Scheibe des Transporters.
„Raus du Arsch!“ schrie er mit einer Skimutze vorm Gesicht.
Der Beifahrer hatte unvorsichtiger Weise die Türe nicht abgeschlossen und Fritz zerrte ihn nun raus.
„Mach das scheiß Auto auf und gib uns das Geld!“ forderte Stefan.
Der Fahrer kam um die Ecke. Er hatte seine Waffe gezogen und zielte auf die Beiden.
„Weg mit der Waffe!“
Fritz schnappte sich den Beifahrer und hielt ihm den Lauf an die Schläfe. „Waffe weg!“
Der Wachmann ließ seine Pistole fallen und hob die Hände.
„Mach die scheiß Karre auf!“ zischte Fritz seiner Geisel in das Ohr.
Sie gingen zu dem Auto und als die Türe offen stand atmeten sie schwer. Nur Koffer und Geldbomben. Keine Säcke und kein loses Geld.
„Scheiße Fritz! Wie sollen wir die den weg...“
„Keine Namen du Arsch!“ fauchte er.
Da hielt auch schon der erste Wagen. Als der Fahrer die Pistole sah, gab er Gas, raste in einen vorbeifahrenden Trecker und blieb liegen.
„Schöner Plan!“ maulte Fritz.
„Komm lass uns abhauen. Die Kohlen kriegen wir nie da rein.“ Stefan schlug ihm auf die Schulter.
Der Schuss war so laut und erschreckte Fritz so, dass er nicht einmal mitbekam, dass sich das Hirn seiner Geisel auf dem Blech des Vans verteilt hatte und er von Oben bis Unten mit Blut besudelt war.
„Oh Scheiße!“ er hielt sich das linke Ohr und wartete, dass der Knallefekt nachließ.
Seine Waffe fiel ihm aus der Hand und er ließ den toten Mann auf die Straße klatschen.
„Was machst du denn?“ Stefan schaute ihn erstaunt an und riss sich die Maske vom Gesicht.
Verstört schaute er zu dem Wachmann, der wie betäubt an seinem Wagen lehnte und den Namen seines jungen Kollegen flüsterte.
Irgendein anderes Fahrzeug hielt an, dann noch eins und aufgeregtes Laufen war zuhören, dann vernahmen sie die Stimme: „Polizei!“
Fritz schaute zu den Beamten, die sich neben den Wachmann postiert hatten und ihn schützend zur Seite nahmen. Stefan hatte seine Pistole noch in der Hand, wie in Trance hob er den Arm. Der erste Schuss zerfetzte ihm den Unterkiefer, der zweite traf ihn in die Schulter, der dritte ins Bein. Als Fritz seinen Kompanion auf den Asphalt aufschlagen sah, war er selbst unter zwei Bullen begraben.
Stefan erhängte sich noch im gleichen Jahr in seiner Zelle. Er wollte mit seiner Behinderung wohl nicht mehr leben.
Fritz hatte die ganzen 25 Jahre bekommen. Auch wenn sie ihm die Tötungsabsicht nicht nachweisen konnten.
Sie sperrten ihn weg.
Weg von Vicky, weg von seiner Frau, weg von seinem Leben.
Er gab immer nur sich die Schuld. Nie seiner Frau, oder Stefan. Er hätte nein sagen können.
Mit 55, als zu schnell gealterten, gebrochenen und kranken Mann, entließen sie ihn aus der Haft.
Sozialhilfe, Arbeitsamt, Alkoholsucht und eine zerschundene Hüfte, war alles, was er Draußen hatte.
Marianne hatte sich in dem Jahr scheiden lassen, als er eingesperrt wurde. Vicky besuchte ihn die ganzen 25 Jahre nicht. Er hatte sie so geliebt und als er ihre Adresse heraus fand und sich überwand zu ihr zu gehen. Da schlug sie ihm die Türe vor der Nase zu, mit den Worten: „Du hast mich verloren, als du es getan hast!“
Schnaps ließ ihn vergessen. Die Krankenkasse bezahlte die künstliche Hüfte. Doch niemand versuchte ihm von seinen Alkoholexzessen zu befreien.
Und so versoff er jeden 1. im Monat sein Geld im Schwuup up. Landete im Krankenhaus, oder in der Ausnüchterung.
Sein Leben war verpfuscht, seine Tochter war weg, sein Freund tot und nicht einmal seine Katze blieb dem alten, armen Mann. Der wegen eines Fehlers, einer falschen Entscheidung alles verlor.
Sie zogen ihn aus der Pfütze und verfrachteten ihn in den Ambulanzwagen.
Wieder mal.
(Für Addy)
Madonna ist alt geworden!
05.02.08
Ich trank meinen Southern Comfort. Das Eis klirrte in dem leicht beschlagenen Glas und der süße, raue Geschmack des Whiskylikör ran meinen Kehle herunter. Samstag. Ein typischer Samstag! Nichts zu tun, nur ruh' n. Die Arbeit war getan, bis Montag würde sie ohne mich auskommen müssen.
Wie lange würde ich sie noch ausüben können, wenn ich meine freien Tage immer mit Schnaps ertrank?
Meine Bong, die schon bessere Tage gesehen hatte, Risse und Kittchen zierten ihr Antlitz und ich musste auch langsam den Whisky im Innern gegen frischen austauschen. Gibt es etwas geileres, als süßes Gras durch einen Sud aus Whisky zu ziehen. Ein einmaliges Ereignis. Jedes Mal. Je älter der Whisky wurde, um so besser schmeckt der Shit. Doch wenn das Zenit des flüssigen Sonnenlichtes überschritten war, schmeckte es nur noch bitter.
Ich rauchte den letzten Kopf mit einer Grimasse aus Verachtung und spülte mit SC nach.
Beschwingt schlurfte ich zur Küche und goss den Scotch (denn nur dafür war er gut!) in den Ausguss und schaute dem öligen Zeug hinterher. Wieder zwei Monate Dope.
Früher, als ich noch jünger war, so in den Neunzigern, da rauchten wir alle zusammen. Wir saßen auf dem Spielplatz, auf dem es damals keine Kinder gab, rauchten und tranken Bier. Hatten einen Kassettenrekorder dabei und hörten Metal. Wir Jungs waren alle 18, oder 19 und die Mädels waren so um die 15, 16. Vielleicht waren auch einige Jüngere dabei.
Wir waren die coolen Jungs. Wir hatten kein Mofa, dafür hatten wir Mädchen. Und die nicht zu knapp. Es war damals schon so, Schmalzlocke, die von Omi ein Moped bekam, bekam keine Muschi ab. Ungeschriebenes Gesetz bei den Mädchen: Die Gesetzlosen sind die coolen!
Den Fahrer können nicht Trinken, ohne ihren Lappen zu verlieren. Dabei fällt mir ein, Alex war schon älter. Er hatte einen Scirocco, das alte Modell, mit der flachen Schnauze. 125 PS bei leichtem Aufbau, das Biest hob auf der Landstraße ab.
Seine Freundin pinkelte mir einmal auf den Finger, als sie und ich uns mit einer Tüte Schnaps ins Gebüsch schlugen. Ihre Mummu war so kahl und sie vibrierte bei dem Geschäft. Sie war so dürr, und wenn ich heute an sie denke, weiß ich nicht, ob ich sie sehe, oder Tula aus Günther Grass' Novelle „Katz&Maus“. Doch sie hatte wahnsinnig lange Beine. Und sie kannte die Wörter Nein und Treu nicht. (Habe sie vor knapp fünf Jahren mal auf dem Markt getroffen, sie war stark verwelkt.)
Wir waren schon ein Team. Der Peter, - Gott möge seiner Seele gnädig sein! Er müsste jetzt auch schon fast 15 Jahre tot sein?! - Seine Freundin hat ihm im Drogenrausch ein Messer ins Herz gestoßen. Der war eine Marke. Straßenschitzo, würde ich heute sagen. Der Vögelte alles, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Ein dünner, schrotiger Kerl. Ich erinnere mich noch, so als sei es Gestern erst gewesen, wie er vor Annikas Vater davon lief, weil er deren Schwester vernascht hatte.
Silke war behindert. Nicht körperlich, aber geistig. Und Anni? Sie war eine dreizehnjährige Lolita, die man kein zweites Mal traf. Sie hatte nichts mit Nabokovs Dolores gemein. Sie war ein Kind, gefangen in dem Körper einer Frau und ihr Vater hütete sie mit Argusaugen.
Wir wollten sie alle knacken, doch wir hatten zu viel Schiss vor ihrem Alten.
Silke war zwei Jahre älter, aber viel naiver, als ihre kleine Schwester. Die kam nur immer Minutenweise auf den Spielplatz um uns Jungs verrückt zumachen. ( Die anderen Mädchen, die die sich mit uns abgaben, hassten sie vom Grunde ihrer jungen Herzen. ) Silke blieb immer stehen und lächelte verträumt, wenn wir sie ansprachen. Sie hatte einen schweren Hirnschaden bei der Geburt erhalten und konnte eigentlich kein Gespräch länger folgen als zwei Minuten. Wenn sie nicht mehr weiter wusste, steckte sie ihre Zunge durch die Lippen, machte ein Furzgeräusch und klatschte hektisch in die Hände. Dann lief sie schrill lachend weg.
Peter fickte sie in der Tiefgarage neben ihrem Wohnhaus. Auf der Motorhaube eines alten Fords.
Ihr Vater kam dazu, als Peter abspritzte und sie sich die Lippen ab schleckte.
Silkes Vater wollte nur den Müll runter bringen, als er seine Tochter lachen hörte, während sich der siebzehnjährige Lummel sich einen von der Palme holte.
Wir fielen vor Lachen fast von den Bänken und hätten unsere Joints verloren, als wir den dicken, wilden Mann hinter dem kleinen Peter in seiner Bomberjacke und ohne Hosen herlaufen sahen.
Er hatte seine Jüngste immer beschützt, kam doch nie auf die Idee, dass sich jemand an seine verrückte Tochter vergehen könnte.
Doch so war er der Peter. Immer schon mit einem Bein im Grab – Zwei Jahre später lag er schon unter der Erde.
Sein Vater hatte seine Mutter früh verlasen. Seine Mutter lernte einen anderen kennen und als Peter zehn war, ließ sie ihn bei ihm zurück, weil sie meinte ohne Kind besser zurecht zukommen.
Ein halbes Jahr bevor er starb, schwängerte er ein Mädchen aus unserer Clique. Er muss eine siebzehnjährige Tochter haben, die nun in unserer Stadt lebt. Ich habe sie nie getroffen.
Sie und die ominösen Scheißflecken in einem dunklen Keller dürften alles sein was von diesem Jungen übrig geblieben ist. Ich will euch nicht mit Einzelheiten quälen, ich sage nur so viel: Wenn man Analverkehr hat, sollte die (oder der?!) Jenige nicht furzen. Es gab ein tolles gesprenkeltes Bild an der grauweißen Kellerwand und Peters berühmte Bomberjacke stank mindestens ein halbes Jahr.
Wie lernte ich ihn kennen? Zwei Jahre früher. Er war neu auf unserem Terrain. War irgendwie mit meiner Ex zusammen, die noch drei Jahre älter war als ich und sie schien ihn gegen mich aufzuhetzen. Er hatte ein Butterflymesser dabei, was durch den Film American Fighter sehr berühmt geworden war. Mit dem fuchtelte er mir vor der Nase herum, bis ich meine 38ziger Gas zog und ihm sie genau vor die Eier hielt.
„Make my day!“ sagte ich zu ihm in bester Eastwoodmanier und schaute ihm gelassen in die kleinen, unsicheren Augen.
Er klappte das Messer zusammen und ich steckte die Gaswaffe wieder ein.
Damals konnte man Waffen noch unter 18 bekommen. Heute ist sogar das Saufen auf der Straße verboten!
Seit dem Tag waren wir Freunde.
Meine zwei wichtigsten Erlebnisse mit ihm waren diese: Ein Dreier, mit einer scharfen Blondine und auf Madonnas „Like a virgin“ wichsen.
Ich ging wieder ins Wohnzimmer, setzte die Bong auf den Tisch und füllte sie wieder mit Johnny Walker. Setzte das nächste Köpfchen auf und zog durch.
Erinnerungen sind wie Kaugummi. Man wird sie nur schwer los. Und je älter man wird, um so öfter tritt man in sie rein. Ich ließ mich in meinen Sessel sinken und zappte durch die Programme auf dem LCD Schirm. Da lief es. „Laisla Bonita“, doch nicht von Madonna gesungen, sondern life performt von der französischen Hüpflolita Alizee. Sie wackelte mit ihrem süßen Teenyarsch auf der Bühne herum und ihr durchsichtiges Oberteil ließ ihre festen, runden Brüste erahnen. Ich seufzte.
Wieder Erinnerungen.
Ihre Stimme war fast klarer als die von der Queen of Pop. Und sie war so jung! War Madonna je so jung gewesen? Ich blieb fasziniert vor dem Bildschirm sitzen. Das originale Video wurde eingespielt. Madonna. Ja, sie war unser Idol. Wir liebten sie, auch wenn wir sie damals nicht hörten waren wir doch von ihr eingenommen worden. Sie wollten wir immer haben. Selbst heute wenn sie in „Hung On“ mit ihrem Hintern wackelt. Will ich sie noch haben.
Ich trank einen weiteren Whisky und atmete schwer.
Madonna ist alt geworden!
Ich frage mich, ob ich immer so viel Haut über meinen Augen hatte? Und war mein Bauch immer so rund? Ich sehe Peter in seiner Bomberjacke und weiß, obwohl ich bei seiner Beerdigung nicht dabei war, er trägt sie immer noch.
Die Venusfalle
26.05.07
Stefan Krüger ging mit seinem treuen Hund Django über die große Wiese hinter seinem Viertel spazieren. Die Sonne schien, es war Frühsommer. Angenehme 25°C und ein paar Schönwetterwolken auf einem meerblauen Himmel. Django hechelte leise neben ihm. Für den alten Golden Red Riever waren die Temperaturen noch annehmbar, sollte es noch vier, fünf Grad wärmer werden, so würde er bloß noch auf dem Hof vor sich hin dösen.
Stefan liebte das Tier. Seit seine Frau ihn verlassen hatte, war Django die einzigste Person, die es noch in seinem Leben gab. Heidi.
Heidi hatte ihn vor knapp zwei Jahren verlassen. Nach zehn Jahren Ehe. Er konnte ihr nicht geben, was sie brauchte. Ein Kind. Stefan war nicht zeugungsfähig, sie hatten alles versucht, doch seine Schwimmer wollten sich nicht bewegen. Kein Weinen im Haus, keine kleinen Füßchen, die ihm folgen würden.
Sie hatten Django gekauft, doch der Hund war für Heidi nur ein spärlicher Ersatz. Also fragten sie Frank, Stefans besten Freund, ob er nicht die Blüte bestäuben wollte. Künstliche Befruchtung konnten sie sich mit Stefans Hilfsjob, den er jetzt auch noch verloren hatte, nicht leisten. Frank willigte ein und schlief mit Heidi so lange, bis es funktionierte. Es war wohl ein, zwei Mal zuviel. Denn Heidi verließ ihn nach der Empfängnis.
Frank lud ihn zu einem Bier in der gegenüberliegenden Frittenbude ein und sagte frei heraus: „Heidi zieht zu mir!“
„Ich dachte mir so was!“
„Mensch Stefan, komm mal aus dir raus! Ich hab deine Frau gebumst, sie dir weggenommen. Ich würde dich windelweich schlagen!“ Frank knuffte ihm hart gegen die Schulter.
„Du bist ein Schläger, welche Chance habe ich gegen dich? Du kannst Karate…“
„Und? Wehr dich doch mal!“
„Was soll ich denn machen? Damit du dich besser fühlst?“
Das Ende vom Lied war, dass Frank Stefan, erst mit der Faust die Nase brach, ihm dann die Bierflasche über den Schädel schlug und dann noch mit einem Fußtritt in die Rippen .
„Du bist ein Versager!“ rief sein ehemaliger Freund, als er von der Polizei abgeführt und er selbst ins Krankenhaus transportiert wurde.
Heidi hatte Django bei den Nachbarn gelassen. Der arme Hund bekam einen Monat nur sehr wenig zu fressen und zutrinken, so dass er fast gestorben wäre. Nun war Django schon wieder auf dem Damm, doch Stefan fragte sich, wie alt sein Freund wohl werden würde, immerhin war er schon neun. Sein Herz stach, als er darüber nachdachte.
Doch egal. Heute war ein schöner Tag.
Es war warm, er musste nichts tun und die Mädchen auf der Straße trugen kurze Klamotten. Er war noch keine vierzig. Erst in fünf Jahren. Heidi hatte ihn gut gefüttert, doch die Masse ging langsam zurück, durch Hartz IV Diät, 90 Kilo bei einem Meter achtzig war wieder annehmbar. Irgendwer würde sich schon für ihn interessieren. War ja noch nicht vom Markt.
Er schlenderte zu dem Büdchen, das ein findiger Geschäftsmann am Ende der Wiese aufgestellt hatte. Fritz, die Bedienung, hatte die drei Plastiktische mit Sonnenschirmen bestückt. Die Fettflecken der Friteuse auf seinem Kittel glänzten in der Sonne. Er winkte dem Ankommenden zu und ging wieder in sein Büdchen. Vor der Ausgabe stand eine Blondine. So um die zwanzig, schätzte Stefan. Hübsch, etwas nuttig, vielleicht sogar billig. Aber so waren die Mädels hier in der Gegend. Wenn sie nicht auf der Strecke bleiben wollten, mussten sie sich an den Mann bringen. Sie trug ein bauchfreies Top und Hotpans aus Jeans, die ihre Pobacken freigaben. An den Füßen gelbe Flipflops. Fritz überreichte ihr eine Portion Currywurst mit Pommes, die ihrem schwanenhaften Körper nichts anzuhaben schien und eine Dose Coke.
„Hi Stefan.“ Begrüßte ihn der Mann. „Bier und Fritten? Wasser für den Kleinen?“
„So wie immer!“
Er setzte sich an einem der Tische und beobachtete die junge Frau. Sie as die Wurst, schaute abwechselnd ihn und seinen Hund an und schaufelte Pommes in ihren kleinen Mund. Sie lächelte. Fritz brachte die Bestellung, setzte sich an seinem Tisch und trank ebenfalls ein Bier.
„Schönes Wetter!“
„Angenehm!“ meinte Stefan.
Fritz beugte sich zu ihm rüber und flüsterte: „Das ist ein heißes Stück. Die würd ich gern mal auf meinen Grill setzten.“
Stefan trank sein Bier. Er hasste es, wenn Männer so über Frauen sprachen, er würde nie so über Frauen sprechen. Aber Fritz hatte Recht, sie hatte etwas. Er würde solche Mädchen nur anschauen dürfen, denn er war nichts. Was sollte er haben, was für sie von Interesse wäre? Nicht einmal in seinen Träumen.
Fritz trank sein Bier in einem Zuge aus und ging wieder zur Bude zurück. Ein kleiner Junge stand davor und fragte nach einem Eis.
„Das ist das letzte Mal, mein Freund! Wenn deine Eltern kein Geld haben und dir keins geben, kannst du kein Eis essen.“
Stefan wusste, dass Fritz dem Jungen auch am nächsten Tag das Eis geben würde.
„Beißt der?“ Sie hatte gesprochen.
„Wie?“
„Ob der Hund beißt?“
„Nein!“
Sie sprang auf und setzte sich zu ihm an den Tisch. Django beschnupperte sie kurz ab, sie warf ihm ein Stück Currywurst hin. Sie lächelte und reichte Stefan die Hand. „Ich bin Carmen!“
„Stefan.“
„Du hast mich die ganze Zeit angestarrt und…“
„’Tschuldige.“
„Nicht schlimm. Ich mag das. Ich hab da mal eine Frage: Würdest du gerne mit mir schlafen?“
Röte stieg dem Mann ins Gesicht. „Ich … äh… wie? Jetzt?“
„Entschuldige, ich bin da etwas direkt. Ich mache eigene Filme.“
„Filme?“ Stefan war verwirrt.
„Hast du Internet? Nich?“
„Kann ich mir nicht leisten!“
„Is nicht so schlimm. Ich hab da meine eigene Seite. Carmenfuckalot. Ich will nicht mit dir gehen, will dich nicht heiraten. Einfach nur einen coolen Film machen. Du brauchst nichts zuzahlen und kannst mit mir machen was du willst.“
„Wie kommst du auf mich? Warum? Ich…“
„Wenn du nicht willst, dann nicht. Bist halt ein Typ mit dem ich noch nichts gemacht hab. Passt in meine Sammlung.“
„Wie soll das gehen?“
„Siehst du das Haus, da? Klingel bei Schmitz. Ich bin Carmen Schmitz. Ich hab eine Digicam, ein sauberes Bett, Spielzeug und du brauchst kein Gummi tragen.“
Sie verabredeten sich um drei Uhr an diesem Nachmittag. Stefan lief, ja er rannte fast nachhause. Duschte, cremte sich ein und benutzte kölnisch Wasser. Um drei stand er gekämmt und sauber vor dem Haus und klingelte. Der Türsummer wurde betätigt und er stieg in den ersten Stock. Carmen erwartete ihn. Sie trug nur einen String und einen Pushup.
„Hi“
Sie lächelte und führte ihn in ein Zimmer, mit einem Rundbett. Sie legte sich rücklings drauf und spreizte ihre Schenkel. Stefan schwitzte. Er sah die Kamera, mit dem roten Licht. Er musste träumen, heute war sein Tag!
Seine Hose rutschte auf seine Füße, da sprang ihn von hinten jemand an und drückte ihm einen in Äther getauchten Lappen vor seine Nase. Alles wurde schwarz.
Als er wieder zu sich kam hing er in einem Keller, in Handschellen und Ketten, von der Decke. Carmen trug einen Lackanzug und die Kamera war auch da. Hinter ihr stand ein dunkelhaariges Mädchen, in ihrem Alter.
„Er ist wach!“
„Schön, dann können wir beginnen.“ Carmen hielt eine Machete in der Hand.
Stefan dachte sich, dass ihn hinter diesen dicken Wänden niemand schreien hören würde. Niemand würde ihn als vermisst melden, keiner würde sich fragen, wo er steckt und die ARGE würde ihm noch mindestens vier Monate bezahlen, bis sie ihn wieder anschrieben. Wer würde Django füttern?
Die Linse der Kamera verhöhnte ihn. Ein dünnes Kabel führte zu einem Laptop. Was er auf dem Bildschirm las, ließ ihn das Blut gefrieren.
CARMENKILLSALOT IST ONLINE!!
Barflies – Eine Nacht im Mc Lose
10.12.07
Es war eine typische Mittwochnacht im Juli. Heiß und in der bekackten Stadt wehte kein Windchen. Hellskitchen lag brach. Die, die es mitbekamen saßen in dem einzigen Nachtlokal der Straße, das noch nicht schließen musste. Das Geld brachten nur die Nachteulen und Quatalsäufer. Auf unserer Straße verirrte sich niemand und ins Schwuup up würde sich auch kein normaler Mensch verlaufen. Es waren die, die hier leben. Seltsame Nachtfalter. Barfliegen. Sie sitzen da, wo es schön dreckig und warm ist. Das Schwuup up war genau so eine Kneipe.
Man hätte es nicht am Kitz vermutet, wenn es doch dort gestanden hätte, hätten die Behörden es geschlossen. Wenn man drin saß, hatte man das Gefühl, man befände sich in einer abgestiegen Hafenspelunke.
Ich saß wie jeden Abend auf meinen Stammhocker. Schön mittig an der hufeisenförmigen Theke und starrte in mein Glas Jack Daniel' s. Das Eis darin sah schmutzig aus und das Glas war matt. Adolf, mein Bullterrier lag zu meinen Füßen, im frisch angekarrten Sand und Schnarchte. Der Hund und ich hatten beide schon bessere Tage gesehen, doch nun wurden wir langsam alt und das Schwuup up war das einzige Lokal, das uns Asyl gab.
Fred, der Besitzer, war ganz anständig. Was Sauberkeit anging, war er 'ne Schlampe, aber mit anständigen Preisen. Er hatte entfernt Ähnlichkeit mit Quintin Tarentino und lachte bei jedem Satz, den er sprach. Er war der einzige, der über seine Witze lachte und ich glaube, wenn er nicht die Kneipe gehabt hätte, dann hätte dieser Mann nie Kontakt zur Außenwelt gehabt.
Der Sand war seine neuste, hirnspinstige Idee in diesem Jahr. Der Laden lief nicht einmal mäßig, also dachte er, es wäre gut eine Beachparty zu veranstalten. Sie begann um neun und ihr Ende war offen.
Ihr Ende war um elf.
Zum einen, weil sich niemand einen Strand in dieser Klitsche vorstellen konnte, zum anderen, weil keine neuen Gäste eintrafen. Und ein weiterer Punkt war, dass der DJ schon um halb elf so dicht war, dass er um Elf über seinem Pult hing. DJ Weedsmoker. Mit dem Namen konnte es nur schief gehen. Ein Typ mit fettigen Rastalocken, die er im Sommer unter einer Wollmütze versuchte zu verstecken, schief stehenden Augen, die in dunklen Höhlen wohnten und einem von Eiterpickeln übersäten Gesicht. Er trank vier Biere auf Ex rief dann in sein Micro etwas was sich wie Englisch anhörte, kreischte und legte einen beattreibenden Technosong auf. Bis dahin waren Addy und ich die einzigen Gäste. Mein Liebling knurrte kurz.
Irgendwann, so gegen halb elf, als der DJ kaum noch auf seinem Posten stand, kamen die ersten, üblichen Verdächtigen in das Lokal geschlurft.
Händchen und der dicke Horst. Der Dicke Horst saß des Öfteren in unserer städtischen Nervenheilanstalt. Er war ein Brocken von einem Mann. Sein Freund um die Hälfte kleiner, schmal und mit nur einem Arm. Die Hand an seinem verbliebenen Arm, sah aus wie die des Butlers aus Scary Movi 2. Sie hatte nur drei verkrüppelte Finger die wie Seesterntentakel herab hingen. Fred erzählte mir, dass er wohl eines der Contergankinder sei. Vielleicht, vielleicht hatte seine Mutter aber auch nur vor seiner Geburt gesoffen. Händchen war ein Arsch. Wenn er zu viel getrunken hatte, wurde er unausstehlich. Horst dagegen war eine Frohnatur, zu seinen größten Witzen gehörten diese beiden: Gib deiner Freundin richtig viel Spinat, dann lass sie auf deinen Bauch scheißen und sie hat eine neue Liegewiese und Wie kriegst du eine Achtzigjährige wieder eng? Steck ihr ein gekochtes Eisbein in die Muschi und zieh den Knochen raus. Solche Schenkelklopfer brachte er mehrmals am Abend, bis ihm sein betrunkener Freund den Mund verbot.
Horst und Händchen waren ein Paar. Händchen war der dominante Part, wenn er genug getrunken hatte, schlug er dem Dicken mit seiner verkrüppelten Hand auf den speckigen Brustkorb, dass dessen Körper nur so Wellen schlug. Händchen hatte schon geladen und war dem entsprechend mies drauf.
„Wat is den dat für 'ne Affenmusik?“ fuhr er Fred an.
„Das ist Modern!“ gab der Wirt wider.
„Modern? Seit wann ist der Scheißladen modern?“
Fred gab ihm keine Antwort. Er stellte den Beiden die Biere hin, kam zu mir und schenkte mir noch einen ein. „Geht auf' s Haus!“
Ich nickte. Addy furzte.
„Oh, der Schmierfink und sein Kampfhund sind auch da!“ Händchen glotzte mich böse an.
Er mochte mich nicht und ich ihn nicht. Ich hatte Prinzipien, Weiber und Spacken würde ich nie schlagen. Er war sauer, weil er nur eine kleine Rente bezog und ich damals mehrere Glossen in verschiedenen Käseblättern hatte. Mein bester Job war einmal ein Artikel für die Titanik, mein schlechtester (Für den ich mich bis heute schäme!) einer bei der Bild. Ich prostete ihm zu und grinste. Jedes Mal wenn ich die beiden sehe, stelle ich mir vor, wie sie es mit einander treiben. Eine Gänsehaut läuft dann immer über meinen Nacken. Der Dicke Horst über ein Sofa gebeugt und Händchen mit seiner... seiner Griffel in einem riesigen Topf Vaseline, mit der er den dicken Hintern einstreicht...
Ich spuckte in den Sand. Heinz kam herein.
Heinz war weit über Achtzig, doch wenn man ihn sah erschien er nicht älter als sechzig. Er hatte graue, zu einem Mecki geschorene Haare, einen buschigen, grauen Schnurrbart und er trug immer einen schwarzen Stetson. (Wenn er nicht vor dem Haus saß, indem sich seine Wohnung befand. Dann trug er immer einen silbernen, auf Hochglanz polierten Stahlhelm aus dem zweiten Weltkrieg. - Ich glaube den von der Waffen SS?- ) Eins seiner weiteren Merkmale waren die schweren Motorradstiefel, die er selbst im Sommer nicht auszog und sein Mötorhead T- Shirt. Links und Rechts hingen seine Kathederbeutel. Einer fürs kleine Geschäft, der andere fürs große. Er setzte sich immer neben mich, bestellte einen Four Roses und fragte mich wie es so ging.
Dann sagte er, dass die gesamte Menschheit dem Untergang geweiht wäre und der 3. Weltkrieg nicht mehr lange auf sich warten lasse.
„Syphilis!“ knurrte er. „Die Russen werden uns alle vernichten. Mit Syphilis. Keine Bomben und kein Krieg. Die sind alle krank.“
Wenn man ihn auf der Straße traf, dann war er immer bärbeißig. Doch er hatte ein Gespür für die Wetterlage. Er blickte kurz zum Himmel und sagte, dass es regnen würde. Meist war der Himmel strahlend blau und man schüttelte den Kopf. Dann packte er seine kubanische Fahne ein, rief Revolution und ging hinein. Die Tür war noch nicht geschlossen und es goss wie aus Eimern.
Nach dem dritten Bourbone verfärbte sich seine Pisse in dem Beutel braun und er setzte sich an einen Tisch in der Nähe des Klos.
DJ Weedsmoker verlor seine Wollmütze, sah für einen Augenblick wie ein Predrator aus und klatschte über sein Pult auf den Boden. Die Türe ging auf, Dany und Mai Ling betraten das Lokal. Erstaunt schaute der blonde Mann auf den Sand, dann auf DJ Weedsmoker, der wild im Kreis lief und Party kreischte und sagte zu seiner Freundin: „Der Spinner!“
Es war eine Minute vor Elf, eine Minute nach elf lag DJ Weedsmoker im Sand im Koma.
Ich trank meinen fünften Whiskey und nickte dem jungen Paar zu. Wenn jemand falsch in dieser Kneipe war, dann waren es die beiden. Jede Bar hat seinen Poeten, in dieser war es Dany. Er schrieb Liebesgedichte auf Bierdeckel, in Anlehnung an seine große Liebe Mai Ling. Ihrer Mutter gehörte der Asiafeinkostladen um die Ecke und sie war bildschön. Sie beugte sich zu Addy hinunter und streichelte ihn hinter dem Ohr, dabei konnte ich einen Blick auf ihre süßen, kleinen Titten erhaschen und mein altes Herz sprang vor Vergnügen.
„Hallo Jürgen!“
„Mai Ling. Du Sonne des Osten!“
Sie lächelte und streifte sich eine Strähne aus dem Gesicht. Sie bestellte einen billigen Rotwein und für Dany einen Cubalibre. Die beiden setzten sich an einen Tisch, begrüßten Heinz und flirteten von da ab mit einander.
Als der Weedsmokermix von der gebrannten CD zu Ende war, war es halb eins und der Typ schnarchte lauter als Addy. Händchen trottete mürrisch zur Jukebox, guckte zu dem Pärchen und motzte: „Verdammte Japaner! Nehmen uns die Arbeit weg...“
„Ich bin aus Vietnam! Und ich kann dich hören!“
Er kramte mit seiner verunstalteten Hand nach einer Münze und warf sie ein. Jürgen Markus berichtete, dass eine neue Liebe, wie ein neues Leben sei. Mittlerweile waren noch drei weitere Männer gekommen und tranken Schnaps und Bier, sie spielten Skat und beäugten den schlafenden DJ mit Skepsis.
Hartz IV – Hannes setzte sich an den Tresen und fragte Fred ob er anschreiben könne.
„Scheißt der Papst in den Wald?“ Ein Lachen.
Fred stellte Hannes ein Bier hin, goss mir nach und kippte selber zwei Kurze. Heinz ging aufs Klo und würde seinen Beutel ausleeren. Ich trank meinen Jack, rauchte meine letzte Lucky und schaute auf den Hund zu meinen Fußen. Gestrandet. Sand aus einer Kiesgrube, gespickt mit Zigarettenkippen und DJ Smokealot kotzte benebelt in ein selbst gegrabenes Loch. Wir gruben uns unser eigenes Grab. Saßen hier in verschwommenen Neonlicht und Nino de Angelo fragte, ob wir Jenseits von Eden seien. Mittwochnacht, keiner von uns musste am Donnerstag raus. Wir waren Nachtfalter, angezogen von Musik, Alkohol und dunstigen Licht. Vom Abendgrauen bis zur Morgendämmerung würden wir hier sitzen, trinken und versuchen zu vergessen, wer wir waren.
Heinz kam von der Toilette und setzte sich zu den jungen Leuten. Er bestellte sich einen weiteren Four Roses, der ihn auch heute nicht umbringen würde und den Beiden jeder ein Getränk.
Yvonne, die Kassiererin vom Supermarkt kam herein. Sie konnte nicht schlafen, die Einsamkeit ihres Bettes trieb sie nach draußen und ließ sie in die Bar gehen. Einen Stockcola, eine Mallboro und der leere Blick ins Glas. Sie ist jung, zu jung für diese Kneipe. Zu jung um keinen Glauben mehr zu haben. Ich nickte ihr zu. Fragte nach einem Stäbchen und Feuer.
Heinz saß wieder alleine und rauchte. Niemand sprach, nur der Skatclub. Dann sprang die Tür auf und T- Rex stürmte in den Raum. „Scheiß Sand! Scheiß Hitze. Verfickte Scheiße!“
Wie er wirklich heißt, weiß keiner. Er hat meine Größe, ist aber dicker und junger. Er trägt eine dicke Hornbrille. Seine Arme sind zu kurz. Fast nur Ellenbogen und Hände. Wie ein T- Rex und genauso schlecht gelaunt. Wenn ich ihn sehe, ertönt in mir das Geschrei von Godzilla, und man sollte ihm besser nicht im Wege stehen.
Christian Anders fuhr mit dem Zug nach Niergendwo und T-Rex kramte in seiner Brusttasche (Die einzige Tasche, die er an seinem Körper erreichen konnte.) und klaubte seine dicke Brieftasche hervor. Er legte einen 50 ¤ - Schein auf die Theke und sagte zu Fred : „Hier du Arsch! Bin kein Bettler! Ich habe einen Job und kann für mein Leben zahlen!“
Hannes schaute sofort in eine andere Richtung. T- Rex machte aus seiner Verachtung gegen Schmarotzer keinen Hehl und wenn sie den hässlichen Krüppel in eine anständige Kneipe rein gelassen hätten, dann wäre er wohl nie bei uns gelandet. So trank er jeden Abend seine Drinks durch einen Strohhalm und meckerte sich die Seele aus dem Leib. Und ich? Ich konnte ihn verstehen. Es war schon schwierig genug, wenn Gott einem nicht mit Schönheit bedachte, aber einem Mann die Länge seiner Arme zunehmen, dass er sich nicht einmal einen von der Palme wedelnd konnte, das grenzte schon an Sadismus. Und der Herr musste T- Rex wirklich hassen.
Vielleicht war er in einem früheren Leben einmal Hitlers Vater gewesen? Wer konnte das schon wissen?
Anders rief nach seiner Maria und T- Rex sog seinen ersten Bacardi- Cola. Er sah dabei aus, als wolle er sich über der schmierige Theke übergeben. Fred stellte einige Schüsseln mit Nüssen und Salzgebäck auf den Tresen und schenkte mir nach. Ich stand von meinem Hocker auf. Fünfzig. Meine Knochen waren gerade einmal fünfzig und sie fühlten sich an, als wollten sie zu Staub zerfallen.
Ich klopfte meine Bermudashorts ab und hörte das Klimpern der Geldstücke. Ich stapfte durch den Sand zum Zigarettenautomaten, ließ den DJ links liegen und steckte die Münzen in den Schlitz.
Händchen nahm sich eine Hand voll Nüsse – Was bei ihm zwei waren! - und warf eine nach seinem Bettgenossen.
„Wurde auch Zeit!“ schnauzte er Fred an.
„Verfickte Rentner!“ knurrte T- Rex und versuchte in einem Anfall von Akrobatik an die Nüsschen zukommen.
Ich ging zurück an meinen Tisch, nicht ohne einen Blick in Mai Lings Schaufenster zu werfen und setzte mich wieder hin. Öffnete meine Luckys und bot Yvie eine an. Die junge Frau nickte dankbar und trank einen weiteren Schluck Stockcola. „Harter Tag?“
„Scheiß Tag!“ fluchte sie und zündete die Kippe an.
Ich sagte nichts weiter. Bohrte mit dem Fuß in der Flanke meines Hundes, der dankbar stöhnte. Udo Jürgens stimmte den griechischen Wein an und abermals ging die Türe auf und die warme Luft kam zusammen mit einem kleinen Mann Mitte dreißig herein. Sein Gesicht hatte die Form eines Butts und seine Augen quollen wie die eines Frosches heraus. Er sagte nichts, setzte sich an die Theke und bestellte ein Bier.
„Die Tageszeit kann man auch nicht mehr sagen!“ motzte T- Rex und beugte sich über den nächsten Drink.
Der Mann sagte nichts. Er setzte sein Bier an und trank es zur Hälfte aus. Er war neu, doch niemand schien es zu interessieren. Er würde wohl nicht wiederkommen.
„Kann ich eine Zigarette haben?“ fragte er mich.
„Sicher!“ ich reichte ihm das Päckchen.
„Feuer?“
„Leider nein! Aber die junge Frau da!“
Er zuckte mit den Schultern und holte aus seiner Hosentasche ein Zippo, wobei ein schwerer Gegenstand an dem Feuerzeug rieb. Doch ich konnte nicht erkennen, was es war. Roberto Blanco löste Jürgens ab und versprach ein wenig Spaß, wie aufs Stichwort wartend betrat Rosi aus der Spielothek von Nebenan die Kneipe und schrie kreischend ein Ja.
„Hey Süße!“ Ich stand auf und legte meine Arme um sie. Wir kannten uns schon eine Weile.
„Jürgen! Wieder hier? Was liegt denn da für eine Spinne im Sand?“
„Das war der DJ.“ Ich lachte.
Sie wackelte durchs Lokal und sofort erhellte sich die Stimmung. Sie gab jedem vom Skatclub einen Kuss auf die Wange, begrüßte Heinz, küsste Mai Ling und Dany, klopfte Horst auf den dicken Bauch, „Na, war deine Frau schon wieder böse zu dir?“, ging zu Händchen, „Gib mir fünf! Du Stinker!“, kuschelte mit Yvonne und grinste sogar T – Rex an. „Zieh den Stock aus' m Arsch!“
Sie war acht Jahre älter als ich, doch wenn man sie sah, glaubte man, dass sie mindestens fünf junger war. Sie setzte sich neben mich und beäugte den Neuen. „Warum so traurig?“
„Ich habe meinen Job verloren!“
„Ich habe keine Arme!“ grunzte T – Rex. - Keiner beachtete ihn.
„Ein bisschen Spaß muss sein!“ grölte Rosi. Bestellte sich einen Sekt, mir und dem Neuen einen Jack.
„Nutte!“ zischte T- Rex.
„Ach fick dich du Spassel!“ Sie stieß mit uns an und ihre schwarzen Haare rochen trotz der Spätschicht frisch und sauber. Sie brachte Leben in die Bude, wenn sie da war versuchten die Barfliegen auf ihr zu landen. Selbst die, die es nicht zu gaben.
Roland Kaiser bestellte sieben Fässer Wein und wir ließen die Tassen kreisen.
„Scheiße ich sag dir, heute wieder nur Deppen im Laden. Schmeißen Hundert Euro in die Maschine, aber keiner gibt mir ein Trinkgeld!“
„Rosi, du weißt doch wie schlecht die Menschen sind.“ Ich streichelte sanft ihren Oberarm, ihre Hand legte sich ganz von selbst auf meinen Schenkel.
Sie erzählte von der Arbeit, ich hing an ihren Lippen, an jedem Wort. Dann stand Mai Ling neben uns und fragte: „Rosi hast du was?“
„Wie viel brauchst du?“
„Ein Zwanziger?“
Eine kleine Tüte mit Gras und ein frischer Zwanziger wechselten die Besitzer. Rosi hielt Mai am Arm fest und drückte ihr ein kleinere Tüte in die Hand. „Hier dreh uns mal eine, den Rest kannst du behalten.“
Das Mädchen aus Vietnam verschwand mit ihrem Freund auf der Toilette. T- Rex schaute ihr Böse nach. Heinz stand auf, seine Katheder baumelten hin und her und gesellte sich kurz zu uns.
„Die Araber werden kommen. Sie werden den 3. Weltkrieg zu uns bringen. Der Islam ist gefährlich, jede Religion ist gefährlich, aber der besonders...“
„Alter Mann!“ keifte T- Rex. „Auch du brauchst Gott“
„Wenn du ihn siehst, schüttle ihm die Hände!“ damit verließ er das Schwuup up.
Rosi und ich zogen uns auf die Toilette zurück, wo Mai und Dany schon auf uns warteten und einen dicken Joint rauchten. „Hier Rosi“
Die dunkelhaarige Schönheit nahm ihn und schob sich den Filter in den leicht faltigen Mund. Sie inhalierte und ließ sich gegen die Kacheln der Toilettenwände sinken. „Das habe ich gebraucht!“
Sie zog noch drei Mal, dann gab sie ihn mir. Ich rauchte. Es war verdammt gutes Zeug. Ich hatte mein Glas Whiskey dabei und nippte an ihm. Reichte den Joint weiter an Dany, der ablehnte und sagte: „Ne lass mal! Wir haben unser Zeug. Machen uns jetzt nach Hause und dann ziehen wir einen durch.“
Die beiden verließen das Klo und wir zwei blieben zurück. Es roch nach Gras und Urin und in den Pissbecken schwammen Zigarettenstummel. Rosi schob mich in eine Kabine. Presste mich gegen die Holzwand und küsste mich. Meine Knochen und ich mögen alt gewesen sein, doch mein Schwanz war noch jung und er wollte es zeigen. Rosi machte sich an meinen Bermudas zu schaffen, sie rutschten mir zu den Knöchel. Ich spürte den Sand in meinen Schuhen, hielt den Joint und das Glas in meinen Händen und sah wie sich die Frau hin kniete. Sie nahm ihre Dritten heraus und legte sie auf die Toilettenspülung, dann begann sie zu lutschen.
Ich schluckte Jack Daniel 's und sie schluckte mich.
„Du bist die Beste!“ sagte ich, als wir aus der Kabine kamen. Die Türe ging auf und der Neue kam herein. Rosi stopfte ihre Zähne in den Mund und ich schloss den Hosenstall.
„Sie finden schon wieder einen neuen Job.“
Er brummte etwas und verschwand in der Kabine. Wir wuschen uns die Hände, dabei stellte ich das Glas auf das Waschbecken. Als ich es wieder griff, verhallte der Schuss. Der Körper des Mannes schlug auf den Boden. Blut sickerte auf die schmutzigen Fliesen und ich sah in seiner Hand, das Ding, das er in der Hose gehabt hatte. Ein Revolver.
Er war verheiratet gewesen, hatte drei Kinder. Nach dem er den Job verlor, war seine Frau aus der gemeinsamen Wohnung, mit den Kindern verschwunden. Er hatte ein Leben gehabt, ein richtiges Leben. Er wollte keine Barfliege werden, wie wir. Wollte nicht so enden, wie wir.
Das Schwuup up schloss für immer nach dem Vorfall. Fred wollte nicht mehr.
Wir Barfliegen fanden neue Zuhause. Wir verloren uns aus den Augen, doch wir wussten wir würden irgendwo herum schwirren. Denn Fliegen sind so. Besonders Barfliegen.
Amok
19.10.07
Amok (malaiisch: meng-âmok, in blinder Wut angreifen und töten) ist eine psychische Extremsituation, die durch Unzurechnungsfähigkeit und absolute Gewaltbereitschaft gekennzeichnet ist.
Laut Definition der WHO versteht man unter Amok "eine willkürliche, anscheinend nicht provozierte Episode mörderischen oder erheblich (fremd-)zerstörerischen Verhaltens. Danach Amnesie (Erinnerungslosigkeit) und/oder Erschöpfung. Häufig auch der Umschlag in selbst-zerstörerisches Verhalten, d.h. Verwundung oder Verstümmelung bis zum Suizid (Selbsttötung)".
Als den Amoklauf auslösende Faktoren sind inzwischen hauptsächlich vier Ursachen ausgemacht worden:
die mehr oder weniger fortgeschrittene psychosoziale Entwurzelung des Täters
der Verlust beruflicher Integration, sei es durch Arbeitslosigkeit, Rückstufung oder Versetzung
zunehmend erfahrene Kränkungen unterschiedlicher Art und durch unterschiedliche Personen
Konflikte mit Liebespartnern.
(Nach Wikipedia.org)
An dem Tag, an dem Frank Balin seinen Halt verlor, schien die Sonne von einem wolkenfreien Junihimmel. Die Sonne streichelte die Haut der Menschen, die in Hellskitchen (So nannte Frank den Bezirk der hässlichen Stadt in der er wohnte, weil sie so trostlos war.) wohnten. Kinder liefen mit klebrigen Eistüten herum und lachten. Die meisten waren am frühem Tage schwimmen gewesen und einige von ihnen hatten einen Sonnenbrand.
Siegfried Bertels, ein Dachdeckermeister, bog mit seinem Benz Transporter um die Ecke. Seine beiden Angestellten, Hajo Richter und Heiko Küssner, freuten sich auf ihren Feierabend und überlegten sich, ob sie ihren Chef zum Anhalten auffordern sollten, um Eis zu holen, als dieser Nichtsnutz vor ihren Wagen auftauchte.
„Ey du Arsch! Auch wenn grün ist, kannst du dich bewegen!“
Frank hatte seit gut drei Jahren keine Arbeit mehr. Er und seine kleine Familie mussten mit dem Mindestsatz von Hartz IV überleben, noch heute musste er sich von seinem Vermittler der ARGE anhören, dass er etwas tuen müsse, sonst würden ihre Bezüge gekürzt.
„Herr Balin, sie sollten sich vielleicht ein wenig verändern. Mal Lächeln, oder so?!“
Lächeln? Du Wichser! Mit den Zähnen in meinen Mund? Wenn ich die Ruinen jemanden zeige, der stellt mich doch nie an. Was soll ich machen? Kronen kann ich mir nicht leisten. Ich hab seit vier Tagen keine Kippe mehr gehabt und der Affenarsch redet vom Lächeln? Ich lache wenn ich dir den Kopf abgerissen habe und dir in den Hals geschissen habe! Ich werde dir deine Gedärme um den Hals legen und dann werde ich lachen! Armleuchter.
„Ich weiß auch nicht!“ stammelte er. „Die Leute regieren halt nicht sehr gut auf mich. Ich bin kein John Travolta. Ich...“ Ich bin scheiße! Scheiße du Arsch! „...Ich ...Ich kann ja auch nicht viel!“
„Nun, dann müssen Sie halt eine Umschulung, oder eine Weiterbildung machen.“ Herr Schmitz tippte einige Wörter in seinem PC und schaute suchend auf den Bildschirm. „Also zu Hause bleiben können Sie auch nicht den Rest Ihres Lebens.“
Will ich doch auch gar nicht. Du Nichtskönner! Wenn ich noch länger zu Hause bleibe, bring ich Alice um! Ich hack ihr den Kopf ab und Martins auch. Der Junge ist die Hölle. Ist der sechsjährige Sohn des Teufels, was hab ich nur falsch gemacht? Ich halt das nicht mehr aus. Ihr macht mich wahnsinnig! Du machst mich wahnsinnig.
„Tja, dann werde ich Ihnen mal bis nächste Woche die Chance geben, sich etwas zu überlegen. Suchen sie sich unten im BIZ, eine Umschulung aus, kommen Sie zu mir und wir werden sehen, was wir machen können...“
„Ich...Ich wüsste ja nicht, was ich machen könnte... Ich!“ Ich könnte deinen Kopf nehmen und ihn zwischen deine Schubladen quetschen, bis dir die Augen raus fliegen...
„Ich werde Ihnen zwanzig Prozent von den Bezügen kürzen dann fällt Ihnen bestimmt was ein!“
„Was? Aber...?“ Hilf mir du Nazischwein! Ich weiß doch auch nix!
„Schönen Tag Herr Balin!“
Er schmiss ihn einfach raus? Wofür hielt sich dieser Bürohengst? Frank begann zu zittern.
Schmitz lugte über die Ränder seiner Brille. Sein Blick sagte: Willst du was Penner? Ich kann auch fünfzig Prozent nehmen!
„Ja?“
„Schönen Tag noch!“ Balin verließ mit Bauchschmerzen das Büro.
Draußen quollen ihm heiße Tränen aus den Augen, sie liefen über seine staubigen Wangen und er hörte Alice in seinem Kopf, toben.
„Niemand bekommt die Bezüge gekürzt! Du bist ein Nichts! Ein Zweiminutenficker! Ein Schlappschwanz! Ich hätte einen Arzt heiraten sollen, wie meine Schwester, aber ich habe dich genommen Taugenichts! Das bisschen Geld kannst du nicht mal für uns festhalten!“
Was sollte er tun? Seinen Job war er los und jedes Mal, wenn er sich bewarb, wurde er abgelehnt.
Wir wünschen Ihnen alles Gute für Ihre berufliche Zukunft! - Es hieß: Wenn im Keller, oder in der Geisterbahn was frei wird, melden wir uns!
Er war ein Nichts. Sah nach Nichts aus, schlimmer noch nach gar Nichts und seine besten Jahre, wenn er denn je welche hatte, waren vorbei. Was war nur passiert?
Er war doch mal...Nein! Er war nie glücklich gewesen. Er hatte niemals Glück! Sie hackten alle nur auf ihn rum! Seine Frau, der ARGEMann, der GEZMann, die EINSTELLUNGSMänner, selbst bei seinem 1Eurojob hatte er nichts als ärger. Er lief die ganze Zeit über den städtischen Friedhof und durfte nicht einmal Unkraut ausreißen. Scheiße selbst sein sechsjähriger Sohn tanzte ihm auf der Nase herum.
Ich werde euch alle fertig machen! Ihr...Ihr....
„Ey du Arsch! Auch wenn grün ist, kannst du dich bewegen!“
Der Transporter stand vor ihm. Drei Männer, die ihn anstarrten, als sei er die Pest in Person!
„Wat is? Biste blöd?“
Frank drehte sich zu dem Wagen, sprang fast an dessen Seite und öffnete die Fahrertüre. Sein Arm fand blitzschnell den Zündschlüssel und er zog ihn heraus. Der Transporter erstarb und machte einen kleinen Satz nach vorn. Der Dachdesckermeister schaute den Mann verdutzt an und schnappte nach Luft. Balin drehte den Schlüssel in seiner Hand und stach mit ihm auf den Hals des Mannes ein. Blut besudelte das Fahrerpult. Siegfried Bertels hielt sich die Hände vor seine Brust, so als versuche er den Strom von Blut aufzufangen, der seinen Körper verließ. Er röchelte und zuckte auf dem Lenkrad herum.
„Scheiße Mann...“ begann Heiko, Frank stoppte seinen Redefluss, indem er ihm mit dem Schlüssel in das rechte Auge stach.
Hajo friemelte an seinem Sicherheitsgurt und öffnete die Beifahrertür. Frank Balin hechtete um den Wagen, zog Richter an den Haaren und drosch ihn mit der Türe zu Tode. Blut ran an dem Fahrerhaus herunter und Frank schrie wie ein Tier. Er hatte solche Wut, sie wurden bezahlen, alle würden bezahlen! Scheiße ihr badet in Blut!
Ein Streifenwagen für zufällig an ihnen vorbei und das Schicksal nahm seinen Lauf.
Die Polizisten waren bei dem schönen Wetter gar nicht auf Ärger eingestellt. Sie dachten nur, was ist denn da los? Da schlagen sich welche. Heiko schrie und hielt sich das blutende Auge. Dagegen müssen wir was tun. Michael Speck, fünfundzwanzig im dritten Jahr nach seiner Ausbildung stieg aus und ging auf die STREITENDEN zu. Seine Kollegin Silvia König blieb im Wagen und gab eine Nachricht über Funk weiter.
„Hallo!“ rief Michael. „Lassen Sie bitte den Mann los!“
Frank stürzte sich auf den überraschten Beamten, schlug ihn mit dem Hinterkopf gegen den Wagen und nahm ihm in der gleichen Bewegung die Dienstwaffe weg. Mit dem Kolben seiner Waffe, zertrümmerte Frank ihm den Schädel. Blutend sackte der Polizist zu Boden und starb.
Seine Kollegin gab Aufgeregt eine Meldung an die Zentrale und stieg aus, als der Schuss schon peitschte und ihr Blut und Hirn aus dem Hinterschädel flogen und sie tot auf die Straße krachte.
Heiko schrie immer noch, dann schoss Frank ihm ins Gesicht und ging langsam zu der toten Polizistin um auch ihre Waffe an sich zu nehmen.
Wie in Desperado, dachte Frank und grinste. Ihr Wichser, ich mach euch alle platt!
Er schoss in einem vorbeifahrenden Wagen, getroffen fiel der Fahrer nach rechts und das Auto raste in die Gruppe Kinder mit dem Eis. Wie in Trance ging Frank weiter und schoss auf die Passanten, die an ihm vorbei kamen. Nach wenigen Minuten hatten seine Mitbürger bemerkt, dass da einer war, der durchdrehte. Sie liefen Schutz suchend über die Straße und verbargen sich hinter Autos, am Straßenrand. Wieder schoss er auf einen vorbeifahrenden Wagen, der in eine Reihe geparkte Autos krachte und einen Radfahrer in den Tod riss.
Ihr wollt mich fertig machen? Mir keine Chance geben?
Sirenengeheul. Die Polizei kam!
Ihr kriegt mich nicht! Er schoss auf den ersten Streifenwagen, dann machte die eine Pistole KLICK und er starrte sie verdutzt an. Die Cops sperrten die Straße ab und sie schienen noch zu beraten, wie sie vorgehen sollten, als Frank sich die zweite Waffe in den Mund schob.
GAME OVER !!!
Spermafest im Altenheim
11.05.08
Es war heiß. So verdammt heiß! Und es war der fünfzehnte des heißesten Monats im Jahr. Was bedeutete ich war pleite. Wir waren pleite. Wenn wir, also meine Frau und ich pleite waren, dann verzog sie sich zu ihren Eltern. Meine Frau ist 25 und hängt noch sehr an ihrem Elternhaus. Sie geht nicht arbeiten und mein Job in der Fleischfabrik bringt nicht genug ein, um den kompletten Monat Geld zu haben.
Wie ich schon erwähnte es war brüllend heiß. Ich hatte noch 1, 34 ¤ in der Tasche. Noch drei Tage bis zum zweiten Abschlag, dann Telefon und Strom bezahlen und wir mussten uns wieder bis zum dritten des nächsten Monat schlagen. Es war so heiß. Was sollte ich nur tun?
Schwimmen war nicht drin, dafür reichten die 1, 34 nicht. Ein Eis? Und dann?
Ich machte das, was alle Männer machen, wenn sie nicht genügend Geld haben und ging zur Tanke und kaufte eine schöne, kalte Dose HANS A Pils. Ich setzte mich auf die Mauer, die neben der Tanke begann und schaute den dahin fahrenden Autos nach. VW, Opel, VW, Opel, VW, VW, Nissan, VW, Mercedes, - Den werde ich nie fahren!- Mercedes, Mercedes.....
Ist eigentlich einem schon mal aufgefallen, dass diese Prachtkarossen nur in Verbünden über eine Straße flitzen? Haben die Angst, wenn sie alleine sind, dass sie abhanden kommen?
Wenn man selber fährt, das habe ich vor zehn Jahren das letzte mal getan, ärgert man sich laufend über diese Sonntagsfahrer. Doch wenn man am Straßenrand sitzt, stellt man fest, dass es doch nicht so viele von ihnen gibt. Zumindest nicht in der Straße, wo ich saß.
Ich trank also mein HANS A und dachte an den Witz, den ich noch vor zwei Tagen in der Frittenbude gehört hatte.
„Was is, wenn sich drei Mercedes an einer Kreuzung treffen?“
Ich wusste es nicht!
„Krieg der Sterne!“ Der bärtige Mann lief lauthals lachend davon.
Toller Joke! Wäre in den 80zigern die Antwort gewesen. Aber ich war keine dreizehn mehr und war höflich.
Jetzt saß ich da, trank mein Bier und schmunzelte.
Da lief der erste Rock an mir vorbei. Wow, tolle Beine, schön braun, stramm! Ja, der Hintern war auch nicht verkehrt und wallendes schwarzes Haar bis auf das Becken. Eine Türkin.
„Alter Säufer!“ schnauft sie mich an und tippelt davon, dabei verkrampfen sich ihre Pobacken, als würden sie beim Laufen irgendwas festhalten.
17, denk ich mir.
Der nächste Rock, bestimmt eine Russin! Schlank, groß, blond. Bauchfrei. Sie geht an mir vorbei, als ob ich gar nicht existiere. Für solche Frauen war ich nie sichtbar. Aber ich blicke ihr gierig hinterher und stelle mir vor, was ich so alles mit ihr mache, bis ich an meine Frau denke.
Tamara. Naja, wenigstens der Name war russisch. Das Aussehen hat sie eigentlich von einer irischen Bauerntochter. Aber was beklage ich mich?
Ich selbst bin auch kein kalifornischer Sonnenuntergang. Die Pferdefresse wasch' ich morgens auch nur, weil' s kein Anderer macht. Ich bin ihr in den ganzen sechs Jahren in denen wir zusammen sind nicht einmal fremd gegangen. Gewollt hät ich schon und es gab auch ein, zwei Mal die Chance, aber ich dachte mir halt, jetzt bist du verheiratet, also mach es nicht. Ich hätte es ja so machen können, wie unser Nachbar, der Micha. Als Schriftsteller kam der viel rum, aber ich war zu der Zeit immer auf Arbeit. Muss ja die Butter für die Brötchen verdienen, als ich dann mit Tamy zusammen kam, war ich fast dreißig und hatte außer Bordellerfahrungen nichts aufzuweisen.
Ich frag mich, wie dieser fette Hurensohn eine solche südländische Schönheit auf gegabelt hatte?
Nun, ich saß also da und mein schönes HANS A ist nach einer kurzen Weile leer und ich habe nur noch die 25 Cent Pfandgeld, in Form einer Blechdose und der Nachmittag war nicht einmal angefangen.
Was sollte ich noch tun?
Eine Chinesin in kurzer Jeans und Flip Flops ging an mir vorbei. Sie lächelt mich an, nickt, lächelt wieder. Ich lächle zurück.
„Hi!“ sagt sie.
Ich hebe meine Hand und winke wie ein Kleinkind.
„Hi!“ macht sie wieder.
Ich zucke mit den Schultern und lass sie gehen. Schade denke ich mir, denn irgendwie hätte ich schon Bock zu poppen!
Ich hatte noch eine geringe, trockene Menge Tabak in meinem Drum- Beutel und drehte mir eine ganz dünne Zigarette. Noch drei Tage auf Geld warten....
Ein Porsche dröhnt an mir vorbei. 311er, Cabrio! Vater schon was älter, daneben eine aufgepumpte Blondine, mit Pornobrille. Mann, warum war ich nur so ein Versager? Ich musste was tun! Ich wollte mein Leben ändern, es prickelte tief in meinem Herzen, ich hatte Tatendrang. Ich stand von der Mauer auf, warf die Bierdose in den nächsten Müllschlucker und schaute der nächsten Passantin unverhohlen in die Augen. Setzte ein verzerrtes Lächeln auf.
„Brauchst du ein Passfoto?“ schnauzte die Brünette. „Ey verpiss dich bloß du Penner! Ich kann Karate!“
Ich wollte doch nur nett sein, erklärte ich ihr kleinlaut.
„Nett?“ ihre Stimme klang schrill. „Wer is heute denn noch nett?“
Na ich vielleicht?
„Hör mal stehl mir nicht meine Zeit! Ey ich sag dir ich kann dich platt machen!“
Ich ging zur Seite und ließ sie ziehen.
Also meine Anmachsprüche waren nicht mehr die besten, wie hatte ich es denn damals bei Tamy geschafft? Gar nicht. Sie hatte es bei mir geschafft, ich hatte mich meinem Schicksal ergeben. Ich ließ meine Schultern hängen, doch ein kleiner Rest von Tatendrang war noch in mir. Ich überlegt, wie sollte ich es anstellen, meine Frau zu betrügen. Die letzten fünf Jahre hatte ich nicht einmal das Verlangen danach. Ich hatte kein Geld für den Puff und meine Frau gab es mir eigentlich mindestens einmal die Woche. Also war der Drang auch an der Lendengegend nicht wirklich stark.
Als ich mich umsah, stand ich plötzlich vor der Videothek.
Ich musste das Fremdgehen trainieren, stach es mir in den Sinn.
Ich hatte seit ich mit Tamara zusammen war keinen Porno mehr gesehen. Sie mochte sie nicht und ich vertrat den Standpunkt, hast du einen gesehen, kennst du sie alle.
Ich betrat die Videothek, die bei diesem Wetter menschenleer war, und es war noch heißer als draußen.
„Hallo Klaus!“ begrüßte mich Klara hinter dem Tresen. Sie war über die Tischplatte gelehnt, trug nur einen Hauch von Stoff über ihre großen, tätowierten Brüste und stützte ihr Kinn auf ihren Unterarm, der mit einem schwarzen Trible verziert war. Das Piercing in ihrer Braue hob sich mit dem Blick.
Hi, sagte ich und hob die Hand.
„Na was treibt dich bei dieser Hitze hier her?“
Langeweile, sag ich.
„Gehst du nicht schwimmen?“
Keine Lust, lüge ich.
„Bohr ich würd sofort, wenn ich könnte!“ Der Deckenventilator zerwühlt spielerisch ihre dunklen Haare. Sie stellt sich auf, zieht an ihr dünnes, verschwitztes Oberteil und lässt sich die kühle Brise auf die nassen Brüste blasen.
Ich will einen Porno!
Doch es ist niemand in der Videothek und nur Karla bedient!
Sie kommt hinterm Tresen vor, trägt eine zerrissene Jeansshorts, die ihre Arschbacke mit der Lilie nicht verdeckt und kommt schweißglänzen auf mich zu.
„Der neue Thriller von David Cronenberg ist klasse!“ säuselt sie mir von links zu. Viggo Mortensen spielt wieder mit. Die Rolle passt sehr gut zu ihm... Du weißt schon Aragon aus Herr der Ringe!“
Ich schnappe nach dem Schildchen und ringe mir ein Lächeln ab. Ich will doch einen Porno sehen, damit ich fürs Fremdgehen üben kann! Wenn ich mir auf fremden Frauen im Fernsehen einen runterholen kann, dann schaff ich das auch in echt! Lass mich doch in Ruhe!
Schau ich mir mal an, murmel ich in meinen nicht vorhandenen Bart.
Karla scheint meine Abneigung aus meinen Augen zu lesen und entfernt sich wortlos von mir.
Ich steuere auf die Türe zur erwachsenen Abteilung. Ich hasse Familienvideotheken! Früher gingst du in eine Videothek, schautest die Videos ab und konntest dich in die Schmuddelecke schmuggeln, ohne dass dich jemand dabei beobachtete. Heute musst du vor einer verschlossenen Türe stehen und mit einer schrillen Klingel läuten, damit auch jeder Arsch mit bekommt, dass du eine alte Pornosau bist.
Mein Zeigefinger berührt sanft den Knopf, doch ich drücke ihn noch nicht, ich kann nicht. Trau mich nicht. Du kannst ja auch nach indizierten Filmen schauen, vielleicht kommt ja noch ein anderer Kunde und lenkt sie ab?
Ich klingel. Der Summer gibt die Türe frei und ich trete ein. Streight on zu den Filmen mit Jugendverbot. Freitag der 13, 1 bis 10, alle schon gesehen. Nightmare on Elm Street, alle schon gesehen. The hills have eyes. Die alte und die neue Version, die Fortsetzung. Alles schon gesehen.
Der Punisher, warum steht der eigentlich hier?
Karla sortiert Filme im Regal hinter dem Tresen ein. Ich mache einen Schritt nach hinten und stehe in der Sahnewesternabteilung. Blutjunge Gören in den Arsch gefickt!
Ich verspüre einen leichten Schlag in der Magengegend, wer denkt sich nur solche Texte aus? Ich sondiere die Filmtitel ab und der Kontext bleib der selbe. Ich dachte eigentlich an einen Gina Wilde Film doch nach vier Minuten habe ich heraus, dass es keine Gina Wilde Filme mehr gibt. Dolly Buster ist auch nicht dabei.
Karla steht plötzlich neben mir und steckt die roten Schildchen vor die Fickfilmchen. Sie grinst und ihre Titten schwingen in ihrem luftigen Top hin und her.
„Hier hab ich dich ja noch nie gesehen!“
Öh, öh!
„Hat deine Frau nichts dagegen? Oder schaut ihr euch sie gemeinsam an?“
Öh, öh, sie ist nicht zu Haus!
Sie strahlt mich fast an. „Aha, dann willst du dir wohl ein bisschen Appetit holen?“
Ein Piercing schiebt sich mit dem kleinen Stück Zunge durch zwei saftige Lippen und ich spüre den Stich zwischen den Lenden.
Tamaras Bild geistert durch mein Hirn. Dann seh ich Karla, wie ich sie von hinten nehme. Mein Blick löst sich von ihren Brüsten und findet eine DVD- Hülle.
Ich blicke in den Vorhof der Hölle, das schlimmst was ich je in meinem Leben gesehen habe!
Spermafest im Altenheim!
Was meine Augen auf den Cover erblicken, kann mein Hirn gar nicht so schnell verarbeiten. Junge Burschen treiben es mit alten Omas! Oh mein Gott ich werde blind! Wer macht denn so was? Ich dachte immer alte Frauen haben gar keinen Sex! Alte Männer ja klar, aber alte Frauen? Und sie sehen so dabei aus? Bitte lieber Gott mach mich blind!
Karla schaut mich erschrocken an. „Was' n los? Hitzekoller?“
Ich muss weg, schreie ich und stürme davon. Raus. Ich krache gegen die Türe, öffne sie und renne aus der Videothek.
Verdammt ich würde nie wieder mit einer Frau schlafen können.
Dann erwischte mich der Benz und ich wachte erst wieder hier im Krankenhaus auf.
Zeit des Wolfs
12.06.08
Der Kühlschrank war schon seit Wochen leer, mit Ausnahme meiner Bierration. Irgendwo hinter den PVC- Flachen wuchs ein grüner Schimmelpilz, aus einem Flecken, der einmal Leberwurst, oder Kirschmarmelade war, so genau wusste das niemand mehr.
Ich war gerade aufgewacht und suchte die Katze, die mir in den Mund geschissen hatte. Als mir einfiel, dass meine Frau eigentlich alles aus der gemeinsamen Wohnung mitgenommen hatte, einschließlich des Katers, den sie so hasste. Und natürlich die drei Kinder. Unter einer leeren Dose Ravioli klebte noch der Beschluss des Gerichtes, dass sie das alleinige Sorgerecht habe und ich mich von meiner Familie fern zuhalten hatte.
Nun, da ich zur Verhandlung nicht erschien, weil ich zu der Zeit einen Rudelbums mit drei Kneipenschlampen hatte, konnte ich mich auch nicht beschweren. Der Geschmack von Kacke lag auf meiner Zunge wie ein Bettvorleger. So ein richtig fettes Eisbärfell!
Ich beugte mich zum Wasserhahn herunter und öffnete das kalte Wasser. Mein Haar hing in einem mit Ketchup verkrusteten Teller und ich musste irgendwann, in einer vernebelten Nacht, in den Abfluss gekotzt haben . Der Geruch schlug mir auf den Magen. Ich schaute auf den Wecker, der auf dem Abtropfgitter stand und aus einem 1¤- Shop war. 10:43 Uhr. Eigentlich noch früh am Tag.
Ich öffnet den Kühler, den ich vom Sperrmüll geholt hatte, genau wie die Spüle und die elektrische Kochplatte – Leute schmeißen so viel weg! - und griff nach einer PVC- Flasche. Ich schraubte den Verschluss ab und warf ihn ins Spülbecken. Setzte mich auf die Matratze am Boden und starrte in das Karge Zimmer. Matratze, Spüle, Kochplatte, Kühlschrank und ein japanischer Beistelltisch, vor dem ich mich kniete, wenn ich denn mal hier aß. Ach ja ein tragbarer CD/Radio/Kassetten – Spieler war an der einzigen intakten Strombuchse angeschlossen. Im Tapedeck schlummerte eine Kopie von Bambule, der Absoluten Beginner. Ich trank einen kräftigen Schluck, der Nachdurst und der Geschmack verabschiedeten sich aus meinem Mund und robbte zu dem Gerät, was ich einem Junky in der Stadt abgenommen hatte. „Füchse“ schallte mir blechernd entgegen und ich leerte den Rest der Flasche auf Ex.
Ich zog mir die Shorts über den nackten Hintern, nahm mir ein T- Shirt von dem Haufen, an der Matratze und glitt in meine schwarzen Flipflopps. Dann nahm ich mir noch eine Flasche und trank auch diese auf Ex leer. Ich schlurfte zum Klo, auf dem es weder Waschbecken, noch Dusche gibt und pisste in die verschmierte Kloschüssel.
Mein Blick streifte den Spiegel. Ich sah wie Jeff Bridges in The Big Lebowski aus, nur verpennter und schmutziger.
Ich war über vierzig, arbeitslos, kurz vor der Obdachlosigkeit und die ARGE hatte die Zahlungen eingestellt, weil ich es nicht mehr schaffte den Antrag auszufüllen.
Wie lange schon? Ein halbes, nein doch schon fast ein ganzes Jahr. Zum Glück wohnte ich auf der Gladbacher in einem Altbau, wo selbst der Besitzer vergessen zu haben schien, dass er Wohnungen vermietet hatte. Es gab keinen Stromzähler und die Miete sollte warm 120 Euro betragen, die ich aber noch nie überwiesen hatte.
Damals mit zwanzig, lebte ich in einer ähnlichen Hütte. Damals wollte ich noch Künstler werden, nein ich war auf den besten Weg ein Künstler zu werden. Meine ersten Bilder hingen schon in Galerien und ich hatte auch schon eins für 5000¤ verkauft. Dann traf ich Katrin. Sie fand mich nett, Ich hatte wohl was von einem freien Wilden? Als unsere Ehe noch funktionierte, sagte Katrin mal zu mir, ich hätte damals was von Jack Dawson gehabt. Ich gebe es zu, ich hatte nie einen Hintern wie Di Caprio, aber er war okay. Nun ich gab die Kunst auf, und ging auf den Bau. Ich verdiente gutes Geld, immer an der frischen Luft, doch ich war nie wirklich glücklich und irgendwann wurde ich wohl ein Cal Hockley. Ich warf Tische um, schmiss heiße Pizzen an die bunt dekorierten Wände und brüllte meine Kinder an. Dann ging ich fremd, begann zutrinken und als Katrin mich verließ, ging ich am gleichen Abend in den Swingerclub. Nahm zum ersten Mal Koks und hatte es geschafft meinen Job zu verlieren, als die erste Mahnung für Unterhalt in meine alte Wohnung flatterte.
Ich spuckte auf den Spiegel, dann auf meine Pisse und ließ sie im Becken zurück. In dieser Wohnung gab es keine Tapeten, keinen Teppich. Die Holzbohlen waren brüchig und es stank nach Schimmel. Mein Magen knurrte und ich musste erst mal Frühstücken gehen. Ich packte die leeren Flaschen von Lidl in eine Plastiktüte von Aldi, verließ das Haus und überquerte die Straße. Der extra Markt liegt 500 Meter von meiner Haustüre entfernt. Ich bringe Flaschen von Lidl immer zu extra, Flaschen und Dosen von extra immer zu Aldi und die Aldiflaschen bringe ich zu Lidl, so frühstücke ich immer wo anders.
Als ich in den Markt komme stehen da im Eingang direkt Kisten mit Süßkirschen aus der Türkei. Ich greife in die Kiste und stopfe mir eine Handvoll in den Mund. Eine Oma schaut mich verwirrt und angeekelt an. Ich grinse sie breit an und zupfe mir die Stiele aus den Zähnen. Sie schüttelt den Kopf und wirft einen Salatkopf in den Einkaufswagen. Ich ziehe los, reiße einem Schikoree einige Blätter ab und schiebe sie den Kirschen hinterher, spucke die Kerne der Kirschen in die Faust und werfe sie dann unter das Kühlregal für Fisch und Feinkost, nachdem ich mich bücke und so tue, als würden mir die Zehen jucken.
Ich gehe weiter zu dem Pfandautomaten und steckte die leeren PVC- Flaschen in das runde Loch.
4, 75 ¤! Eine gute Ausbeute. Ich gehe zurück zum Eingang, wobei eine Tomate, eine Möhre und ein Champignon den Weg in meinen Magen finden. Greife noch einmal in die Kirschen und schnappe mir einen Einkaufskorb. Gehe den Gang wieder hoch, dabei verschwinden eine Paprika und ein weiterer Champignon in meine Hosentaschen. Ich steh an den SB Backwaren stopfe ein Brötchen für 19 Cent in die Papiertüte und eins in meinen Mund. Ich gehe zum Milchregal, werfe zwei Liter Milch in den Korb, 1, 20 ¤! pro Packung? Nehme eine Müllermilch Schoko. Ich hole die Paprika aus der Hose und stecke sie in den Mund. Danach gehe ich zu den Getränken. Betrete die Bucht zu den Kästen und schütte mir die Müllermilch in den Hals. Werfe die leere Verpackung zwischen Landfürst und Öttinger Pils und gehe zu den Dosenregal. Packe eine Dose Ravioli in den Korb und stelle die Milch zwischen die Nudeldosen. Gehe zum Getränkeregal und stelle fünf Dosen TIP Bier hinein und gehe zur Kasse. 2, 50 ¤ fürs Bier, 19 Cent fürs Brötchen , 1¤ für die Ravioli , bleiben noch 1,06¤ nach Abgabe des Pfandzettels und ich bin fast satt.
Ich gehe in die Spielothek auf der anderen Seite, begrüße die Schlampe hinter der Glasscheibe, bestelle einen Kaffee und setzte mich vor einen Crown Jewell. Drei Spiele nichts, dann drei Kronen, ich drücke bis 1, 20 , nehme an, weiter. Wieder drei, wieder 1, 20. Das geht so, bis ich auf zehn Euro komm. Ich gehe in eine Ausspielung. Trinke vier Tassen Kaffee, esse zwei belegte Brötchen mit Schinken und den Champignon aus der Hosentasche. 50 Freispiele. Ich gehe kein Risiko ein und nehme 120 Euro mit.
Bringe den Einkauf nach Hause und gehe zu Lidl um mir noch ein paar Sixpacks zukaufen. Auf den Rückweg ziehe ich an einer Oma vorbei, die mit ihren Einkäufen vor ihrer Haustüre steht.
„Würden Sie mir mal helfen?“ fragt sie.
„Sicher!“ sage ich.
Ich nehme die Tüten und stelle sie ihr in den Flur.
„Würden Sie sie mir nach oben tragen?“
Ich seufze schwer, meine dann: „Ja, klar!“
So eine alte Fotze! Das ist das Problem mit diesem Land, wenn du einem den kleinen Finger reichst, beißen sie dir den ganzen Arm ab! Ich trage der Alten die Tüten in den dritten Stock. Verdammte Schlampe. Nicht mal ficken kannst du die. Warum kann ich nicht nein sagen?
Sie erzählt, nein jammert mir den ganzen Weg die Ohren voll, wie schlecht es ihr geht, dass sie mit der Rente nicht klar kommt und sich ihre Kinder nicht um sie kümmern und dass sie Jugendliche nie um Hilfe bitten würde, weil die gefährlich sind.
Ich stelle ihr die Einkäufe vor die Türe und will gehen, als sie ihr Portemonnaie zückt und sagt: „Ihnen scheint es ja auch nicht so gut zu gehen? Nicht war?“
Sie gibt mir einen Fünfer und ich erblicke mindesten drei Fünfziger. Ich nehme den Fünfer, lasse ihn in meiner Tasche verschwinden und drehe mich von ihr weg und murmle ein Danke.
Sie macht die Türe auf und betritt ihre Wohnung mit den Tüten.
Wie ein Panther stürze ich mich auf die alte Vogelscheuche, drücke sie in ihre Wohnung und halte ihr den Mund zu. Sie versucht zu schreien, ich hämmere sie mit der Stirn gegen die Wand und sie scheint benommen. Ich schütte die eine Einkaufstüte leer und ziehe sie der alten Schnepfe über den Kopf. Nach wenigen Minuten atmet sie nicht mehr. Ich lass sie tot auf den Boden fallen. Checke ihre Geldbörse. 200! Sehr gut. Gut dass du keinen Jugendlichen gefragt hast, die hätten sich für die Kohle nur Müll gekauft!
Ich sehe mich noch in der Wohnung um, finde ein wenig falschen Schmuck, doch nichts was man verhökern könnte. In ihrer Küche, die sehr geräumig ist, steht noch eine alte Eistruhe, wie sie meine Oma einst hatte. Nichts drin! Platz- und Stromverschwendung. Ich lege die tote Hure in ihr kaltes Grab. Da habe ich sogar noch Glück, wenn sie niemand vermisst, dann stinkt sie nicht mal.
Ich nehme ihre Einkäufe, meine Sixpacks und verlasse das Haus.
Zu Hause setzte ich mich auf mein Klo, scheiße und hole mir einen Runter.
Heute Morgen hatte ich nichts. Nun habe ich 300 ¤ und den Kühlschrank gefüllt.
Zur Feier des Tages zog ich mich chic an, das was ich noch so an sauberen Sachen hatte und ging ins Schwuup Up!!! am Ende unserer Straße.
Es ist 17 Uhr und ich bestelle mir ein frisches Bier und einen Glenn Finish , höre den alten Schlagern aus der Jukebox zu und bin mit meinem Tagwerk zufrieden. Mit der Zeit füllt sich der Laden. Einige der Leute kenne ich von der Straße. Taugenichtse und Schlampen, die sich den Dreck von dem Viertel vom Knorpel spülen wollen. Da sitzen das schwule Pärchen, der Zeitungsmann, der junge Künstler mit dem chinesischen Mädchen und Herbert.
Herbert läd sich aus dem Internet Kinderpornos. In seinem Keller hat er auch bestimmt welche versteckt. Mir soll es egal sein, ich steh nicht auf Kids. Irgendwann, ich hab gar nicht mitbekommen wann, ist eine Blondine in den Laden gekommen. Sie scheint hier niemanden zu kennen, also hat sie sich neben mich gesetzt. Jung, knappe 20, Knackarsch und dicke Titten. Da ihr Glas mit StockCola schon halb leer ist, muss sie schon länger da sitzen.
„Hi Dude!“ Sie lächelt.
Ich nicke. Trinke weiter. Mädchen wie die sind gefährlich.
Doch wie es so ist nach einer kurzen Zeit kommen wir ins Gespräch. Sie sagt mir, dass ich ihr gefalle und dass sie Videos macht, Sexvideos. Sie hat eine eigene Website, sagt sie, CarmenFucksAlot.
„Sorry Kleine, bin nicht interessiert!“ Ich gab ihr einen StockCola aus und machte ihr klar , dass sie verschwinden sollte. Sie ging und ich blieb alleine am Tresen sitzen.
Gegen 23 Uhr verließ ich das Schwuup Up!!! und taumelte Richtung Heimat.
Ich setzte mich auf die kleine Mauer, in der Nähe der Videothek und atmete die Luft der lauen Sommernacht ein. Keine Autos. War hier auch mal selten.
„Hey, hast du Feuer?“ fragte mich eine Frau.
„Ich rauche nicht!“ sagte ich und schaute in ihr Gesicht.
Sie war so um die 30. Ihr fehlten schon einige Zähne, besonders vorne. Sie ging nicht weg.
„Was?“ fragte ich mit harter Stimme.
„Hast du was zu trinken?“
„Nicht dabei!“
Sie schaute mich einen Augenblick an. „Wohnst du weit von hier?“
„Die Straße hoch“ Ich zeigte mit dem Finger in Richtung Stadt.
Sie säuselte etwas davon, dass ich ihr sympathisch wäre und dass sie mitgehen würde, wenn ich sie einladen würde. Ich stand auf und ging, sie folgte mir wie ein Straßenköter.
Wir kamen bei mir an und sie hatte mir ihre beschissene Lebensgeschichte erzählt. Das ewige 0815 – Gelaber. Kein Job, kein Geld, über 30 keinen Freund, keine Kinder und es wäre so schwer jemanden kennen zu lernen. Ich überlegte mir, ihr meinen harten Schwanz in den Mund zu stecken und ihr den Kopf blutig zu ficken.
„Hast du Korn?“ fragte sie, als wir in meinem Zimmer standen.
„Nein! Kein Schnaps!“ Ich ging zum Kühlschrank und holte ein Bier heraus. „Nur Lidlbier.“
„Scheiße!“ sie schien sich zu überlegen, ob es sich lohnte zu bleiben. „Stühle hast du auch nicht! Scheiße is das ein Loch! Beschissener als meins!“
Bestimmt, dachte ich mir. Beschissener als dein verficktes Fotzloch!
„Kannst dich auf die Matratze setzen.“ Ich gab ihr das Bier.
Sie setzte sich, ich nahm mir auch eins und platzierte mich neben sie.
„Prost!“ machte sie und trank einen Schluck.
Ich warf mich auf sie. Das Bier fiel ihr aus der Hand und wässerte meine alten Laken . Ich griff in ihr stumpfes Haar und riss ihr die Jeans vom Leib. Ich vergewaltigte sie. Schlug ihr ins Gesicht, dreschte ihr mein Knie auf die Nieren, schlug ihr auf den Hinterkopf und vergewaltigte sie noch einmal. Als ich mit ihr fertig war, nahm ich sie bei den Haaren und schleifte sie aus meiner Wohnung. Warf sie auf die Straße und schrie: „Verpiss dich Hure!“
Sie schwankte. Blut ran ihr aus dem Mundwinkel und sie versuchte ihre Jeans hoch zuziehen.
„Weißt du, wie krank du bist? Du Wichser! Du bist kein Mensch! Du bist ein Tier! Du verschissenes Arschloch....“ Sie humpelte davon, wie ein verletztes, angeschossenes Reh.
Ja ich bin kein Mensch mehr, ich weiß nicht wann ich die Menschlichkeit verloren habe. Wenn ich den Mut hätte, würde ich mich weg hängen, doch ich finde den Mut nicht.
Bin ich so geworden? Wurde ich so gemacht, oder ist es meine Natur, ein Wolf zu sein?
Ich weiß es nicht.
Hellskitchen
05.05.08
Im Sonnenlicht betrachtet, wirkt alles noch viel trostloser. Die Pappeln sind von den ganzen Abgasen schon ganz krank, höhlen sich aus. Kleine Astlöcher sind zu Verstecken von Kindern geworden, die entweder fremd, oder die von Sozialempfängern sind. In allen spiegelt sich die Traurigkeit wieder. Und sie husten.
Sie husten von dem Dreck der Autos, die Tag täglich ihre Fahrt in, oder aus der Stadt unternehmen.
Wenn es warm wird, kommen sie alle heraus. Die Kinder, die Greise, die Kaputten, die jungen Dinger, die erst überlegen, ob du genug Geld hast, um interessant zu sein. Wenn du es bist, machen sie dir schöne Augen und nach einer Zeit machen sie dir eindeutige, zweideutige Angebote. Sie stehen an den Häusern, versuchen durch die Sonne ein wenig Zufriedenheit zu erlangen und schauen dich mit ihren leeren Augen an.
Du sitzt da. Mit deinem Buch von Chuck Palahniuk, ließt die Story, die sie schon 1998 mit Bred Pitt und Edward Norten verfilmt haben und genießt es, dass deine Kids und die Frau mal für ein paar Tage bei der Schwiegermutter sind. In diesem Moment liebst du deine Schwiegermutter, sie wird dir sympathisch. Für diesen kleinen Moment.
Die Leute, die du kennst halten an, du kennst viele, also kommst du nicht zum Lesen. Die Gastroterroristen müssen warten. Jeder wartet auf ein nettes Wort von dir, auf einen Teil deiner Erleuchtung und deinem Glück. Du bist bekannt und beliebt als guter Zuhörer und Ratgeber. Die Leute bleiben stehen, immer einen Blick auf das Buch, was du liest und sie fragen sich, warum liest der Typ? Gehört der nicht zu uns? Ist er was Besonderes? Fühlt er sich stark, weil er liest. - Er weiß so viel. Nicht alles, aber viel.
Du lächelst. Lächelst wie der überglückliche Buddha mit seinem fetten Bauch. Du machst dir augenscheinlich keine Gedanken darüber, wie du in dieser Drecksgegend deine Kinder groß kriegst. Du bist der, der zwischen den Reihen geht. Du bist die Sonne von Hellskitchen.
Der Zigeuner sitzt mit seinem Schifferklavier auf der anderen Straßenseite und beäugt dich mit Argwohn. Seine Tochter, die dich sehr an deine eigene erinnert, steht total auf dich. Sie mag dich, wie verlorene Kinder halt einen Erwachsenen mögen, der anders ist als die Meisten. Der die Welt noch mit Kinderaugen sieht. Der jedes Mal weinen könnte, wenn seine afghanische Frau ein neues Wunder der Welt aufnimmt, für zwei Sekunden das selbe kleine Kind ist wie er selbst, um dann wieder in ihren Argwohn und ihrer Erwachsenenwelt zurück fällt.
Hellskitchen ist für sie nur ein Elendsgetto, schlimmer wie die Slums in Kabul - Da gehörte sie zu den oberen Zehntausend, hier ist sie ganz unten angekommen. Es ist schlimmer als die zwei Türme, in denen sie gelebt hat, die voller Juden sind. Eigentlich Russen, aber die sind noch schlimmer, weil sie Aggressoren sind.
Für dich ist Hellskitchen Nimmerland, deine Heimat, hier lassen sie dich in Ruhe -
Der Zigeuner hat angst, dass du seine kleine sechsjährige Tochter ficken könntest. Weil du ein Buch liest. Wenn er wusste, dass du schreibst, würde er dich töten.
Mann sieht immer mehr Menschen mit Kopftüchern, weißen Mützchen und Bärten auf der Straße laufen. Armut lässt die Menschen, nur den einen Reichtum, dem des Seelenheils. Sie beäugen dich mit Skepsis, weil du bist mit einer der Ihren zusammen. Wie kann sie dich lieben, wie kann sie dir Kinder schenken?
Die Verlorenen, die sich mit Alkohol, oder Drogen betäuben, schauen ihnen mit giftigen Blicken hinterher. Armut macht Angst.
Sie wissen nicht, wohin du gehörst. Du bist mit einer der Anderen zusammen, hast Kinder mit ihr und sie liebt dich.
Warum?
Du bist dem Bigfoot ähnlicher als Brad Pitt, dennoch ist sie bei dir. Du kennst keine Angst, du scheinst erleuchtet. Du bist Hellskitchen. Hellskitchen wie es sein sollte. In seiner Reinheit, deiner Reinheit und der Weisheit, dass du alles richtig machst.
Die Sonne scheint auf die Straße Hellskitchen und für einen Moment sind die Leute dir ähnlich. Du, der mit Kinderaugen sieht, die Alten und die Kinder mit Achtung und Vertrauen ansprichst.
Denn sie sind alle gleich. In Hellskitchen ist niemand fremd.
Sie wissen es nur nicht.
Christina
12.09.08
Kai drehte den Schlüssel im Schloss um und drückte die Türe in den Flur seiner Wohnung. Sie quietschte ganz leise, so dass es eigentlich niemanden störte, außer Kai natürlich selbst. Er zog den Schlüssel ab und ließ das Bund in der Jeans verschwinden. Er schlüpfte aus seinen Schnürschuhen und stellte sie ordentlich ins Schuhregal. Der Tag war wieder sehr hart gewesen, drei Nervenzusammenbrüche, zwei Keilereien und ein Mann musste mit der Polizei entfernt werden, weil er ein Messer gezogen hatte. Verzweiflung treibt die Menschen zum Äußersten.
Kai hasste seinen Job. Er musste Menschen abweisen, ihr kleines Einkommen kürzen und sie unter Druck setzten, damit sie sich wieder einen Job suchten. Die, die arbeitswillig, oder arbeitsfähig waren hat schnell wieder einen Job, wenn sie das richtige Alter und vor allem die richtige Einstellung hatten. Aber wie bei Allem blieben auch viele auf der Strecke. Die die nicht mehr kompatibel waren. Und es gab auch genug die nicht wollten. Für alle war er der Arsch und wenn es diese Leute nicht geben würde, dann wäre er wohl selbst arbeitslos. Obwohl, es gab ja keine Arbeitslosen, nur Kunden. Kunden der Agentur für Arbeit und der städtischen Arbeitsgemeinschaften.
Und dennoch Elend blieb Elend.
Er atmete einmal tief durch und blies die Luft durch die Zähne wieder raus. Arbeitsvermittler und das nach einem guten Soziologiestudium. Eigentlich war er zu über qualifiziert für diesen Job. Es reichte eigentlich ein Rausschmeißer mit einem Crashkurs in Buchhaltung.
Er machte den Job jetzt vier Jahre. Wenn er sich bei Leuten als Arbeitsvermittler vorstelle, die er so in Parks, oder Cafés traf, dann zuckten sie direkt zusammen. Auf der Uni hatte er viele Freunde, aber der Job machte ihn einsam. Nach fast neun Stunden in der Hölle wollte er eigentlich niemanden mehr sehen. Und man nahm die Arbeit jeden Tag mit nach Hause.
Er ging zur Küche, um sich eine Cola aus dem Kühlschrank zu holen, dabei sah er im Blickwinkel Christina auf ihren Stuhl sitzen.
Frauen, jung, weinten. Männer laberten ihn mit Jägermeisterfahnen zu, wie schwer sie es im Leben haben. Kinder mit hohlen Wangen und leeren Augen, die ihre tapferen Mütter am Rockzipfel hingen...Und jede Menge Menschen, die keine Chance hatten, oder versuchten den Staat zu bescheißen.
Es gab alle Arten und alle Geschichten und Kai musste sie alle anhören. Niemanden an sich ran lassen und für alle Zuversicht heucheln. Zwanzig Minuten dann der nächste bitte. Helfen?
Er war doch kein Superheld! Er konnte sich nicht Mal selber helfen.
Die Cola tat verdammt gut. Immer nur reden und zu hören, den ganzen Tag. Er ging ins Wohnzimmer, Christina saß auf ihrem Stuhl, in Hotpants und Tanktop, so wie er sie heute Morgen verlassen hatte. Ihre Mandelaugen starrten an ihm vorbei zum Fenster heraus. „Teenspirit“ prangererte auf ihren faustgroßen Brüsten und die Nippel wollten sich durch den Stoff bohren. Ihre Hände ruhten in ihrem Schoß, die Nägel sahen immer sauber und gepflegt aus. Er stellte die Cola auf den Tisch, auf dem noch der Tiegel mit der Vaseline stand und glotzte Christina unverhohlen an.
„Wie geht' s dir mein Liebling? Noch sauer wegen gestern?“ Er lächelte hilflos. „War mal wieder ein scheiß Tag.“
Er setzte sich zurück, versuchte ein freundlicheres Lächeln und pflanzte den rechten Fuß, auf das linke Knie. Seine entspannte Haltung. Christina guckte nur nach draußen, der untergehenden Sonne entgegen. Ihre gelblich schimmernde Haut schien zu leuchten, sie interessierte nichts. Ihr war alles egal, vor allem er! Und er hasste sie dafür. Manchmal so sehr, das er stundenlang auf sie einschlug. Und selbst das war ihr egal.
Er griff nach der Cola, das Glas schwitzte kalt, trank einen weiteren Schluck und stand auf. Seine Socken schleiften über den Boden, als er zu ihr rüber ging. Sanft, fast schüchtern berührte er ihr Haar, das dunkel mit rötlichem Glanz bis auf ihre schmalen Schultern fiel. Es roch immer nach dem Öl, das er auf sie sprühte. Dann kämmte er sie zärtlich mit der weichen Bürste durch und in den Minuten verspürte er so etwas wie Glück. Zufriedenheit, Ruhe!
Echtes Haar, wie gesund, ohne Spliss, traumhaft asiatisch. Er beugte sich zu ihr runter und roch an ihrem Haar, inhalierte es fast. „Ich liebe dich! Weißt du das? Natürlich, nicht wahr?“
Spielerisch landete sein linker Zeigefinger auf ihrer rechten Brustwarze und er glitt über ihn hinweg. Er gab ihr einen Kuss ins seidige Haar. Kai machte einen Schritt zurück, griff nach dem Tiegel und steckte seinen Finger hinein. Eine kleine Perle Vaseline saß auf der Spitze seines Zeigefingers und er schmierte sie vorsichtig auf die dünnen immer roten Lippen, die jedes mal seltsam kühl waren. Er verteilte ein wenig auf der weichen Zunge, dann drückte er ihren Oberkörper herunter, wobei er das Knacken ihrer Gelenke vernahm.
Seine Hose glitt wie von selbst von seinen schmalen Hüften und er steckte sein steifes Glied in den frisch eingeschmierten Mund. Seine Finger griffen nach ihren Ohren - die sie wirklich nicht sehr echt hin bekommen hatten, es fehlte so etwas wie Knorpel, aber ansonsten war die Täuschung perfekt- und sein Unterleib bewegte sich hin und her.
„Ja, du bist ein gutes Mädchen!“ raunte Kai.
Nachdem er abgespritzt hatte, ging er mit wedelndem Schwanz in die Küche und holte ein Zewa, mit dem er ihren Mund im Wohnzimmer wieder sauber wischte. Er ließ sich vor ihr auf dem Boden nieder und legte seinen Kopf in ihrem Schoß. Die Plastikhände platzierte er in seinen Nacken und er blieb für einige Minuten ruhig.
„Ich bin so schrecklich müde!“ Küsste die schlanken, kalten Beine. „Wann hört das auf?“
Sein Gesicht grub sich in den Stoff der Pants und plötzlich sagte er: „Ich bin so alleine!“
Aber wem erzählte er es? Einer 1500 Euro teuren Realdoll, die er sich aus den USA schicken lassen hatte. Eigentlich wollte Kai eine haben, die wie Angelina Joli aussah, aber die würde er sich nie leisten können. Superstars mochten es wohl nicht, wenn jeder Hinz und Kunz mit ihren leblosen Doubles fickte. 15000 Dollar. Der billigste Star war Christina Ricci, 7000 Dollar, aber selbst die konnte er mal nicht so eben ausgeben. Kai fragte sich, was seine Kunden sagen würden, wenn sie wüssten, dass er eine Plastikasiateenyschlampe zu hause hätte, von dem Erlös sie mehrere Monate leben konnten?
Er kroch von ihr weg. „Du verachtest mich doch nur! Miststück!“
Er riss sie aus den Stuhl und warf sie über den Couchtisch. Sie krachte auf den Boden und blieb liegen. Glotzte an die Decke und wartete, auf das was noch kommen würde. Kai hob sie hoch und schmetterte den Puppenkopf gegen die weiße Wand. Prügelte mit dem Ellenbogen in den weichen Kunststoff und rammte Christina wieder auf den Boden.
„Soll ich dir was sagen? Ich scheiß auf dich! Ich scheiß auf euch alle! Weil ihr könnt mir nicht das Wasser reichen! Hörst du?“
Verzweifelt trat er mit den bloßen Füßen gegen die Stupsnase. „Es ist doch nicht meine Schuld!“
Kai griff Christinas Arm und schleuderte sie in den kleinen Flur, wo sie neben dem Schuhregal liegen blieb.
„Warum ist das so?“
„Ey du Spinner kegelst du wieder in deiner scheiß Bude?“ rief ein Nachbar von draußen.
Ich zahl für die verdammte Bude! Ich zahl für alles, doch niemand interessiert sich dafür. Meine Seele ist verschwunden und es gibt keinen Gott, der sich dafür auch nur im Geringsten erwärmt. Er bleibt kalt, wie dieses Stück Plastik!
Als Kai sah, dass Christinas rechter Arm aus dem Gelenk gebrochen war, ergriff ihn Panik.
„Das wollte ich nicht Liebes!“ Er nahm sie in seine Arme und tröstete sie wie ein kleines Kind, das gestürzt war. „Schatz ich mach dich wieder heil! Echt“
Nach einer halben Stunde musste er sich eingestehen, dass Christina kaputt war.
„Es tut mir leid! Wirklich glaub mir das wollte ich nicht!“ Mit Küssen bedeckte er Christinas Körper und setzte sie in der Küche auf ihren Stuhl.
Er ging zum Schrank, klaubte eine Dose Ravioli mit Fleisch heraus, öffnete sie und ließ sie in den bereit gestellten Topf.
Kai deckte den Tisch, zwei Teller, zwei Weingläser, goss den guten Roten ein und prostete ihr zu.
„Glaube mir, ich werde dich nie wieder schlagen!“
Die Kerze, die seit Wochen auf den Tisch stand, zündete Kai mit dem Feuerzeug an und füllte die leeren Teller mit den Nudeln.
Nach dem Essen führte Kai Christina beschwipst ins Schlafzimmer, ihr Arm baumelte hin und her, legte sie auf der Seite auf die frischen Laken und klemmte sich hinter ihr.
Er decke sich und die Puppe mit der flauschigen Decke zu und wiegte sein Spielzeug in seinen Armen, dabei wanderte seine Hand automatisch zu ihren Brüsten. Kai drehte sie auf den Rücken, hob das Tanktop hoch und liebkoste ihre Gumminippel. Küsste den Hals und flüsterte immer wieder „Entschuldige!“ in ihre unechten Ohren.
„Liebe mich!“ grunzte er, als er zum zweiten Mal in ihr kam. „Lebe doch bitte!“
Nach dem dritten Mal schlief Kai unruhig mit der Realdoll in den Armen ein.
Morgen würde er wieder einen schweren Tag haben.
Texte: Copyright der Sammlung 2008, by Michael Masomi
Tag der Veröffentlichung: 11.10.2008
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für meine Kinder:
Hoffnung kann sogar die Trostlosigkeit erhellen.