Schon die Anreise nach Anchorage ist spektakulär.
Das Flugzeug taucht unter die Wolken und der Reisende sieht die Satdt am Meer, blau zwischen hohen Bergen, die oben weiß, darunter graubraun, dann grün und dann violett sind. Dies sind die Farben Alaskas, woimmer wir hinkommen, sie begleiten uns.
Wir haben uns in ein Backpacker-Hostel eingemietet, so lernen wir gleich noch einige besondere Sitten des Landes kennen. Um die Übernachtungspreise niedrig zu halten, wird jeder gebeten, Gemeinschaftsarbeit wie putzen, aufräumen oder Bürodienst zu machen, je nach Aufenthaltsdauer. Wer keine Hausschuhe hat, schaut mal im Regal nach, da stehen welche, in der Küche ein Schrank mit Essen und draußen ein Regal mit Camping-Brennstoff. Alles frei benutzbar, zurückgelassen von Besuchern auf dem Heimweg.
Am nächsten Morgen starten wir ins Abenteuer. Erstmal heißt das warten, auf den Minibus nach Seward auf der Kenai-Halbinsel. Die Strecke Anchorage-Seward wird auch von der berühmten Alaska Railroad bedient, wer es sich leisten kann, fährt dort mit.
Die Minibusse sind ein direkter Nachkomme der Postkutsche, ein Unternehmen heißt sogar noch Stage-Line. Sie transportieren Passagiere und Güter auf einer festgelegten Route mit Halten nach Bedarf.
In Seward sind wir wieder in einem Backpacker's, diesmal kleiner aber die Regeln sind die Gleichen. Was kauft man ein für einen dreitgäigien Hüttenaufenthalt? Amerika bietet Möglichkeiten, die hierzulande noch nicht so bekannt sind. Baby Carrots zum Beispiel, fertig geschälte Minikarotten in der Tüte. Und Salatmischungen inklusive Sauce und Krümelkram, ausreichend für 2 Personen. Dazu eine gewaltige Palette an Fertigfutter in Tüten (Wasser zugeben und aufkochen) und fürs Frühstück Instant-Porridge. Wir beschließen, noch einmal im Hostel richtig gut zu kochen und uns dann dem Industriefutter hinzugeben. Angesichts der Hüttenküche eine weise Entscheidung.
Eine „Seheswürdigkeit“ Sewards ist der „Mount Marathon“. Einmal im Jahr wird ein Rennen veranstaltet bis zum Gipfel und wieder runter. Wir beschließen eine Erkundung als Nachmittagsspaziergang. Zuerst geht es durch Wald, dann Büsche, dann Blümchen auf Geröll, dann blankes Geröll und Felsen. Wege gibt es nicht wirklich, man kann den Spuren Anderer folgen. Wir begegnen einigen von ihnen, viele in Sportkleidung und recht schnell unterwegs.
Bis nach oben gehen wir nicht, dafür genießen wir den Abstieg: Man rennt einfach im Zickzack eine Geröllhalde hinunter, das weiche, fein gemahlene Gestein dämpft die Schritte. Ein Riesenspaß.
Am nächsten Morgen fahren wir mit dem Wassertaxi raus in eine Bucht am Fjord. Unterwegs begegnen wir Seeottern, die auf dem Rücken treibend ihr Futter verspeisen. Nach einer Stunde kommen wir ans Ziel: Eine große und drei kleine Hütten sowie ein „Häuschen“ hocken zwischen Kieselstrand und Wald, verbunden durch erhöhte Bohlenwege. Der Besitzer wohnt mehr oder weniger den ganzen Sommer dort und vermietet Seekajaks. Im Haupthaus gibt es einen Wohnraum, Küche und Schlafboden, fließendes Wasser kommt aus einer Quelle eine halbe Stunde Fußmarsch entfernt. Es ist einfach und gemütlich, wie wir es erwartet hatten.
Wir paddeln los, entlang einsamer waldiger Ufer, zwischen baumbewachsenen Felsen hindurch in stille Buchten. Eine von ihnen ist bewohnt, auf Pfählen stehen komfortable Hütten, die anscheinend sogar Duschen besitzen. Unsere Unterkunft gefällt uns besser.
Am folgenden Tag unternehmen wir eine große Paddeltour nach Süden zum Ausgang der Bucht, dort sollen auf einem Felsen manchmal Seelöwen sein. Der Fjord breitet sich vor uns aus, türkises, etwas milchiges Wasser, die Berge reichen bis zum Ufer. Die Tide spielt mit, wir kommen gut voran. Unterwegs finden wir einen kleinen Strand, hier kann man Pause machen und die Einsamkeit genießen.
Am frühen Nachmittag tut sich neben uns eine riesige Steilwand auf, Weiß vom Vogelkot. Alle schreien durcheinander, um uns herum fischen Papageientaucher, Möwen und viele Andere. Am Fuß der Wand liegt ein Felsen und darauf etwa 20 Seelöwen. Wahnsinn. Die sieht man sonst nur im Zoo. Hier kann man nicht so nah ran, bei etwa 30m Abstand wird der Bulle nervös. Da er etwa so groß ist wie unser Boot, lassen wir ihn lieber in Ruhe.
Der Forscherdrang hat uns gepackt, wir haben noch Zeit und wollen mal sehen, wie die nächste Bucht aussieht. Der Anblick ist überwältigend. Statt einer Bucht tut sich vor uns das Meer auf, türkisblaues Wasser bis zum Horizont. Auf einmal kommen wir uns sehr klein vor, eine winzige gelbe Nussschale auf dem großen Meer.
Auf dem Rückweg überholen uns die Whale-Watcher Schiffe, die Tagestouren von Seward aus anbieten. Ob sie etwas gesehen haben wissen wir nicht aber ob Wal oder Schiff, für uns bedeutet es sehr konzentriertes paddeln, denn bei den Wassertemperaturen haben wir keine Lust, in einer Bugwelle zu kentern.
Wir kommen wieder zu „unserem“ Strand, es ist Niedrigwasser und wir müssen beim landen vorsichtig um die Felsen herumpaddeln. Die Steilwände am Ufer sind mir bunten Seesternen überzogen, Bewohner einer fremden Welt, die sich für ein paar Stunden an die Sonne trauen aber schon sehnsüchtig die Rückkehr ihres Elements erwarten.
Am Abend erzählt uns eine Mitbewohnerin, sie wäre bei einem Landgang einem Bärenjungen begegnet und wäre sehr schnell zum Boot zurück gerannt. Wo kleine Bären sind, da sind auch große. Wir beschließen, am nächsten Tag die Gegend zu erkunden, allerdings vom Boot aus.
Die Bucht ist ein Laichplatz für Lachse, ein Fluss mündet hier, nachdem er einen Wasserfall hinunter und über ein paar Felsen gesprungen ist. Angeln ist hier streng verboten, die Lachse drängeln sich eng aneinander, schwimmen immer wieder gegen unsere Paddel, wir bewegen uns vorsichtig durch die langsame Strömung. Das Wasser ist schlierig, nicht trübe aber so als hätte man Zucker hinein gestreut. Wo gerade kein Lachs ist, da ist Lachsei. Die Tiere sind alt, am Ende ihrer Reise, bereit nach getaner Pflicht zu sterben. Manche haben Wunden am Körper, die weiß im Fluß schimmern.
Der Fluss verengt sich und wird flacher, das Gedränge immer enger. Die Fische krabbeln über die Steine, winden sich den Fluss hinauf, ihrem Ziel entgegen.
Ein Weißkopf-Seeadler sitzt auf einem Baum und blickt auf das Gedränge auf den Steinen hinab. Er ist wohl schon satt. Dann betritt noch ein Fresser die Bildfläche. Eine Schwarzbärin kommt den Hang hinab, trottet zu den Steinen, greift sich einen der Lachse und klettert den Hang wieder hoch, den Fisch im Maul. Ohne Zweifel die Mutter des Bärenjungen von gestern. Sie kommt wieder und wieder, etwa alle Viertelstunde trägt sie einen Fisch davon.
Später macht sie einen Spaziergang am Ufer entlang, entdeckt uns. Stille. Sie schaut, wir schauen zurück. Sie am Ufer, wir auf dem Fluss, vielleicht 30 Meter entfernt. Käme sie ins Wasser, müssten wir sehr schnell paddeln.
Doch sie trifft mit uns ein Abkommen: Ich bleib hier, ihr bleibt da. Einverstanden.
So können wir sie noch eine ganze Weile beim Fischen beobachten. Sie scheint ein sehr hungriges Kind zu haben.
Am nächsten Tag soll es zurück gehen. Aber wir haben noch Zeit und laufen ein bisschen in den Wald hinein. Es ist das erste mal dass wir einen nordischen Urwald sehen und nun können wir verstehen, wo Astrid Lindgren ihre Ideen von Rumpelwichten und Graugnomen her hat. Der Wald ist voll davon. Natürlich zeigen sie sich nicht, doch ihre Behausungen sind deutlich zu erkennen.
Wo immer ein Baum umgefallen ist hat der Wald einen dicken Moosteppich darüber ausgebreitet. Die Stimmung ist magisch, der Morgennebel taucht uns in komplette Einsamkeit.
Ein paar Stunden später sind wir wieder im Hostel. Wir beschließen uns das bisschen Natur anzusehen, das die Zivilisation uns bieten kann und gehen ins Aquarium. Schwerpunkt der Ausstellung ist die Unterwasserwelt Alaskas und des Nordmeeres. Es gibt riesige Krabben zu bestaunen, man kann Seeanemonen steicheln und Zeuge davon werden wie sich Seesterne bewegen. Sie tun es wirklich. A b e r. S e h r. L a n g s a m. Einer ist von einem Papageientaucher auf den Rücken gedreht worden. Er braucht etwa zwei Minuten bis er dies heraus findet, dann noch drei um sich wieder umzudrehen.
Am Abend lassen wir es uns nicht nehmen, die örtliche Spezialität zu essen: Fish&Chips – aus Lachs und Heilbutt.
Der nahe Nationalpark (Kenai Fjords) lockt uns in die Berge. Wir fahren zum unteren Ende des Exit Glacier. An der Straße stehen Schilder die den Rückgang des Gletschers im letzten Jahrhundert anzeigen.
Am Fuß des Gletschers beginnt ein Wanderweg zum Harding Eisfeld hinauf. Es wird vor Bären gewarnt. Der Weg schlängelt sich zuerst durch Wald und dann durch Sträucher, läuft durch Wiesen, über Tundra, Geröll und nacktes Gestein. Kurz vor dem Ziel ein Shelter mit einem Gästebuch darin: Ein Wanderer fühlte sich an die Antarktis erinnert. Ja, das kann mein Begleiter bestätigen. Ein Stück weiter steht man auf einer felsigen Kuppe und schaut auf die unendlich scheinende Ebene des Harding Eisfeldes hinaus. Von hier aus werden die Gletscher der Kenai Halbinsel gespeist. Zwischen gewaltigen Rissen im Eis ragen einzelne Felsnasen hervor. Darunter wird der Berg von gewaltigen Kräften zu dem weichen Geröll zermahlen, auf dem wir so gern laufen.
Auf dem Rückweg hebt sich der bleigraue Himmel etwas und lässt das Gletschereis blau strahlen. Ein gewaltiger Anblick.
Am Wegesrand bewegt sich etwas, in einem Haufen groben Geröll erscheint kurz etwas Weißes und verschwindet wieder. Ich schaue genauer hin, kann zuerst nichts erkennen, gehe langsam näher heran und bemerke schließlich nur zwei Meter von mir entfernt eine Gruppe von Schneehühnern. Die braun-weißen Federn geben ihnen eine perfekte Tarnung.
Am nächsten Morgen verabschieden wir uns von Seward und nehmen den Minibus nach Homer. Wir fahren durch riesige Wälder, die teilweise von Buschfeuern zerstört sind und violett leuchten von den „Fireweed“ genannten Blumen, die solche Flächen als Erste neu besiedeln. Hier führt die Natur das Regiment.
Homer, so sagt man uns, sei eine Art Hippie-Siedlung. Hitchhiking sei kein Problem und sehr zu empfehlen sei der Bauernmarkt mit Biogemüse und Handgemachtem im Angebot. Wir campen auf einer Farm etwas außerhalb der Stadt, pflücken Himbeeren und schaukeln auf einem am Hang aufgehängten Ballfender. Der Blick vom Zeltplatz ist gigantisch, der Abend ist schön, es sind die letzten Sonnenstrahlen unseres Urlaubs.
Wir wollen zur Tankstelle trampen um Benzin für den Kocher zu kaufen und haben trotz geringen Verkehrs nach 15 Minuten Glück. Unser Fahrer fährt uns aber erst gar nicht zur Tankstelle sondern zum Flughafen, dort habe er noch eine Gallone gereinigtes Benzin herumstehen, das er nicht mehr brauche, das sei auch viel besser für den Kocher. Und er fragt uns ob wir morgen schon was vor hätten, er solle ein paar Touristen zur Bäreninsel fliegen und wenn das Wetter gut wäre (was aber leider nicht so aussieht) würde er uns einfach mitnehmen. Wow.
Da aber der nächste Tag diesig und regnerisch ist, fahren wir auf der Ladefläche eines Pickups zwischen Wäschesäcke geklemmt in die Stadt. Das Museum dort hat eine große Ausstellung über Natur, Ureinwohner, Erdbeben, die Pipeline und das Unglück der Exxon Valdez, welches langsam aus dem Gedächtnis der Welt verschwindet. Auch wenn sich kaum noch jemand daran erinnern kann, so ist der Strand immer noch verschmutzt, das Öl noch nicht abgebaut, es wird noch Jahre dauern bis sich die Natur wieder erholt hat.
Es stimmt tatsächlich, Hitchhiken ist hier einfach, die Leute sind freundlich und interessiert, unsere Campingfarm bekannt und beliebt und die Info dass wir aus Deutschland kommen führt zu begeisterten Ausschweifungen über VW Busse und besonders die mit „Westfalia“ Aufsatz zum drin schlafen. Diese Autos sind hier Gold wert.
Aber schon müssen wir Homer wieder verlassen, es geht zurück nach Anchorage. Diesmal wohnen wir bei einer Kollegin, die uns die Stadt zeigt und uns in einem Campingladen zum Einkaufen absetzt denn meine Schuhe ziehen Wasser und wir brauchen für unsere weiteren Vorhaben praktisches Essen.
Wir haben vor uns für ein paar Tage komplett von der Zivilisation zu verabschieden und unser Haus auf dem Rücken zu tragen. Da wir nicht auch noch literweise Brennstoff schleppen wollen, bieten sich Campingmahlzeiten an, die nur mit kochendem Wasser aufgegossen werden müssen, sowie Frucht-Nuss-Riegel und das bewährte Instant-Porridge.
Frisch ausgerüstet sitzen wir am nächsten Morgen in einem Reisebus zum Denali Nationalpark. Der Highway zwischen Anchorage und dem Nationalperk ist erst zehn Jahre zuvor asphaltiert worden. Eine der modernsten Straßen des Landes.
Eine halbe Stunde vor dem Park steigen eine Menge Reisende bei einem großen Hotel aus. Der Rest fährt weiter zum Parkeingang. Von dort aus bewegen sich die Meisten zu den Lodges, wir gehen mit wenigen Weiteren zu den Bussen Richtung Campingplatz.
In der Nationalpark-Zentrale holen wir uns Zugangsberechtigungen für den innersten Campingplatz sowie für zwei Backcountry-Gebiete, die uns der Karte nach nicht allzu schwierig aussehen. Für die Backcountry-Erlaubnis benötigt man einen Kurs in „Wie-gehe-ich-mit Bären-um“ sowie eine bärensichere Tonne für Lebensmittel. Wir haben außerdem ein Pfefferspray dabei, wissen aber das der Einsatz gefährlich ist und wollen es sowieso nicht anwenden. Besser Situationen vermeiden.
Nach einer Nacht auf dem Campingplatz packen wir unsere Lebensmittel und Kosmetika, den Kocher und alles was gut riecht in die sperrige Tonne und verteilen den Rest auf die Rucksäcke.
Der Park hat eine 80 Meilen lange Schotterstraße, auf der man mit Bussen ins Innere kommt.
Alle reden von „dem“ Berg, dem Höchsten auf dem nordamerikanischen Kontinent, Denali oder MtMcKinley genannt. Er verbirgt sich meist hinter Wolken und angesichts des Wetters machen wir uns keine Hoffnungen. In dieser Woche wird es beinahe ununterbrochen regnen.
Nach 5 Stunden im Bus erreichen wir den inneren Campingplatz. Es gießt. Wir stellen unsere Sachen in Shelter ab und warten auf Nieselregen zum Zeltaufbauen.
Dann gießt es wieder. Wenn man nichts zu tun hat ist essen eine tolle Idee, das denken auch die paar anderen Camper. Einige haben ausgediente Armeerationen mit. Und ein Kartenspiel. Was für eine geniale Idee. Wir pokern, bis es langweilig wird, werden uns über internationale MauMau-Regeln einig und spielen weitere Spiele die bei uns unbekannt sind bis es endlich wieder zu nieseln beginnt. Sodann folgt der Abendspaziergang.
Am nächsten Tag nehmen wir den Bus und lassen uns nach 1 ½ Stunden an einer günstigen Stelle absetzen. Auf der Fahrt hatten wir eine Menge Tiere beobachten können, ein Karibu, eine Eule (tagaktiv weil es nur so kurz dunkel ist), ein Grizzly. Nun sind wir allein in der Wildnis.
Erst einmal geht es am Fluß entlang, rechts und links die Berge. Wir klettern über die Felsen, ab jetzt macht sich gute Ausrüstung bezahlt. Die Flüsse sind schmal oder flach, doch man kann deutlich sehen welche Gewalt sie im Frühling besitzen, wenn sie riesige Felsbrocken im ganzen Tal überfluten und mitreißen. Irgendwann finden wir einen flachen Einstieg in die Hügel, das Gehen am Fluß ist schwierig und ein flacher Campingplatz nicht in Sicht.
Wir folgen einem Bach und landen auf einem Sattel, umgeben von Hügeln und größeren Bergen. Die Straße ist nicht mehr zu sehen. Das Laufen auf der Tundra ist viel angenehmer aber ebene Plätze sind rar. Auf dem Sattel lebt schon eine Erdhörnchenfamilie. Wir beschließen, uns zu ihnen zu gesellen und suchen einen Platz, den sie noch nicht umgegraben haben.
Dort stellen wir das Zelt auf, deponieren die Essenstonne ein Stück entfernt (damit Bären nicht „Zelt“ und “lecker“ in einem Satz denken) und wandern weiter.
Es ist wunderbar still hier, außer uns nur Berge, Tunrda und ihre Bewohner. Wir blicken über Täler mit mäandernden Flüssen, entdecken einsame Blumen und sehen uns jähen Abgründen gegenüber.
Als wir den Gipfel eines Berges erreichen erwartet uns eine Überraschung: die Kuppe ist grasbedeckt, hier sitzt eine Mäusekolonie, die sich Terrassen mit Luxusausblick eingerichtet hat. Der Regen hört kurz auf und beschert uns einen scharf abgeschnittenen Regenbogen über dem Tal. Auf dem Rückweg rennen wir wieder den Berg runter und kommen pünktlich am Zelt an, um einen herrlichen Sonnenuntergang zu bestaunen. Auf die Uhr haben wir lange nicht mehr geschaut.
Die Camperverpflegung macht sich bezahlt. Ich baue im Regen den Kocher auf, warte im kalten Wind bis das Wasser kocht, stecke mir die warmen Futterbeutel zum quellen in die Jacke. So bleibt das Essen warm bis es gar ist und ich auch.
Auch das große Vorzelt unseres Tunnels zeigt nun wozu es gut ist. Wir können wegen der Bären dort zwar nicht kochen, aber um Kleidung zu trocknen braucht man auch Platz und es ist vorteilhaft, wenn der Daunenschlafsack weit weg von nassen Jacken, Rucksäcken und irgendwann auch Socken liegen kann.
Unsere Nachbarn die Erdhörnchen lernen wir ebenfalls zu schätzen, zwar machen sie jedes ebene Stück Tundra zu einer Buckelpiste, doch sie haben immer ein paar Wächter herumstehen, die aufgeregt pfeifen wenn ein Fremder kommt. Wenn sie ruhig sind, ist alles ruhig und dann kann man besser schlafen.
Am nächsten Tag geht die Wanderung ein anders Tal entlang zur Straße und wir lassen uns wieder ein Stück mitnehmen. Diesmal werden wir an einer Stelle hinausgeworfen, an der öfter Leute für kurze Tagestouren aussteigen, es gibt einen schmalen Trampelpfad zum Bach hinunter.
Bei der Überquerung geschieht es dann doch: Goretex Stiefel sind dicht, solange das Wasser nicht von oben hinein läuft. Ein Kiesel kippt unter der Last von mir und meinem Rucksack um und ich stehe im Bach. Pech gehabt. Am Bach begegnen wir auch noch zwei Wanderern auf dem Rückweg.
Danach sind wir wieder allein. Die Gegend ist flach, zum Teil mit Gras bewachsen, freundliches Wandergebiet und wir kommen gut voran. An einer geeigneten Stelle lassen wir früh abends das Zelt stehen (natürlich wohnen auch dort wieder Erdhörnchen)und erkunden die Gegend.
Was wir finden lässt uns vorsichtig werden. Mitten in einem Feld reifer Blaubeeren ein großer Haufen frischer Bärenmist. Ein Stück weiter hatte jemand mit gewaltigen Pranken eine Erdhörnchenkolonie ausgegraben. Der Besitzer der Pranken ist sicher noch in der Gegend.
Auf einer Lehmfäche eine Tatzenspur, handtellergroß aber nicht von einem Bär. Wir unterhalten uns laut, singen, wollen den Bewohnern dieses Landes nicht plötzlich gegenüberstehen.
Trotz des Regens ist die Schönheit der Natur überwältigend. Auch am nächsten Tag wandern wir noch herum bis wir zurück müssen, bevor der letzte Bus fährt.
Kaum dass er angefahren ist, blicken wir noch einmal und das weite Tal zurück. Dort im Regen steht ein Grizzly.
Zurück auf dem Haupt-Campingplatz überlegen wir, ob Duschen wirklich sinnvoll ist. Es ist teuer und wenn man tagelang nicht aus der langen Unterwäsche rausgekommen ist, macht ein Tag mehr auch nichts mehr aus. Wir entscheiden aber zugunsten meiner immer noch nassen Füße und der Gäste im Reisebus am nächsten Tag.
Eigentlich dachten wir, unser Abenteuer sei nun vorbei. Am nächsten Morgen erfahren wir aber ein paar Dinge:
In der Nacht waren ein Bär und ein Wolf bei den Zelten. Sind aber nirgendwo rein gegangen. Also ist alles gut, oder?
Der Shuttlebusfahrer zum Hauptgebäude fragt uns, mit welchem Verkehrsmittel wir denn gedächten nach Anchorage zu kommen. Wir sagen mit dem Reisebus worauf er erwiedert er glaube nicht dass der führe.
Im Hauptgebäude erfahren wir folgendes: Es hat nicht nur im Denalipark geregnet sondern besonders stark und lange südlich davon, so dass es in diese Richtung jetzt 2 Straßen und 1 Eisenbahnlinie weniger gäbe. Übrig blieben 0 Straßen und 0 Eisenbahnlinien nach Süden, den Park verlassen könne man auf der Straße oder Bahnlinie nach Fairbanks im Norden, von dort gäbe es eine weitere Straße nach Anchorage.
Die 10 Stunden Zeitpuffer die wir zwischen Busankunft und Abflug eingeplant hatten, sind auf einmal wertlos. Unsere Bekannte aus Anchorage hätte uns rausfliegen können, wenn sie nicht selber mitten in dem Unwetter feststecken würde. Vom Denali aus gibt es schon keine Flüge mehr und der Flugplatz in Fairbenks ist zu weit weg.
Wir beschaffen uns eine Tasche voll Quaters und besetzen die Telefonzelle.
Die Transportfrage richtung Norden lösen wir etwas ruppig, vor mir steht ein Pärchen an das sich erkundigt wie sie denn jetzt nach Anchorage kämen und die selbe Antwort erhalten die ich auch schon bekam. Aber die beiden haben ein Auto und so haben sie dann auch zwei Mitfahrer.
So müssen wir uns jedenfalls nicht mehr darum kümmern ob in den limitierten öffentlichen Verkehrsmitteln nach Fairbanks denn auch noch Platz für uns sei. Einen Heimflug haben wir auch bekommen, Abflug spätabends in 2 Tagen, 12 Stunden Flugzeit, 3 mal umsteigen. Egal.
Die Fahrt nach Norden ist beinahe unspektakulär, 30 Minuten Fahrt mit blinkender Tankanzeige können uns nicht mehr schocken.
Auf dem Weg ist beinahe nichts zu sehen, ab und zu ein Briefkasten an einem Schotterweg und einmal ein Warnschild für eine Schulbus-Haltestelle. Häuser oder gar eine Schule sind nicht zu sehen, vielleicht 2 Ortschaften gibt es auf dem vierstündigen Weg (eine davon mit der ersehnten Tankstelle).
In Fairbanks klemmen wir uns dann wieder ans Telefon, Buslinien fallen aus, Miewagenfirmen mit Filialen in beiden Städten weigern sich wegen der Wettervorhersage irgendetwas herauszurücken.
Die dritte und letzte Straße ist in Gefahr.
In Anchorage telefoniert unsere Bekannte ebenfalls
für uns. Ein paar Stunden später finden wir eine Minibusfirma, die uns verspricht, die Strecke nach Süden bei jedem Wetter mindestens zu probieren. Sie könne uns aber keine Ankunftszeit garantieren. Wenn das alles ist...
Und tatsächlich kommen wir durch. Die Fahrt dauert den ganzen Tag, es regnet ununterbrochen aber die Straße hält.
In der Mittagspause sehe ich an einer Hauswand ein Thermometer. 54 Grad Fahrenheit, 12 Grad Celsius ungefähr. Ein Alasker sagte mir, dies sei der der mieseste Sommer seit 10 Jahren. Das glaube ich ihm gern.
Am nächsten Tag scheint die Sonne wieder. Welche Ironie. Wir spazieren mit durch die Parks um Anchorage. Dort treffen wir dann endlich einen Elch.
Die Stadt hat ein Rad- und Wanderweg-System, das im Winter zu Langlaufloipen umgebaut wird.
Man fährt zwar Auto, aber das Bussystem funktioniert auch gut. Die Straßen in Alaska werden im Winter nicht mit Salz gestreut, wegen der Lachse. Trotzdem fahren die Städter keine SUVs.
Wir Europäer können vielleicht doch noch was von Amerika lernen, oder zumindest von Alaska.
Mich wundert dass trotz all dessen was wir sahen und erlebten, den Leuten die wir trafen, doch die meisten Alasker politisch auf der Seite von Leuten wie Sarah Palin stehen.
Aber es waren auch nur zwei Wochen, aufregend zwar aber nicht weit weg von den ausgetretenen Pfaden. Alaska ist groß und nach allem was wir erlebt haben können wir sicher sein, dass man sich dort verlieren kann.
Texte: Bilder von t. und micha.
Tag der Veröffentlichung: 20.11.2010
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