Als der Rauch der Zigarette seine Lungen füllte, verschwand das Gewicht, das auf seiner Brust lastete und Sadis atmete das erste Mal seit Tagen befreit aus. Und wieder ein. Und aus.
Das Rauchen aufzuhören hatte ihn nervös werden lassen, etwas, was er angesichts des bevorstehenden Ereignisses absolut nicht gebrauchen konnte. Er brauchte einen klaren Kopf, der fähig ebensolcher Gedanken war, um die Aufgabe, die bald sein Leben bestimmen würde, ausführen zu können, weshalb er ohne jegliche Gewissensbisse einen Zug nach dem anderen nahm.
Seine sensiblen Sinne ertasteten die Gedanken und Gefühle, die sich jenseits der holzverkleideten Tür befanden und wollten diese umgehend zu seinem Gehirn senden, das ihn die tiefe Verzweiflung und Trauer der in dem Zimmer anwesenden Personen fühlen lassen würde. Er kämpfte dagegen an.
Der König lag im Sterben und seine Königin war bei ihm. Sie hielt ihm die Hand. Sie sprach ein altes Gebet in der ehrwürdigen Sprache, ein Gebet, das einem König würdig war. Es erzählte von unendlichen Weiden, wohltuenden Sonnenstrahlen und Frieden. Ein Ort, der so viel schöner war als diese Welt, und der auf ihn, den König, wartete.
Vor dieser Tür stand Sadis in einem kalten, langen Flur, der einzig und allein von einer mittelalterlichen Fackel erleuchtet wurde, deren Flamme an der kühlen Steinwand einen verzweifelten Tanz vollführte. Auch er wartete. Wartete auf die Nachricht, dass die Seele des Königs sich von seinem irdischen Körper gelöst hatte und nun im heiligen Tal der Ishis seine letzte Ruhe fand. Er würde das Zimmer betreten und einen letzten Blick auf den König werfen. Er würde Abschied nehmen von dem Mann, der sein Vater war.
Sadis verspürte bei diesem Gedanken keinerlei Trauer. Die Beziehung zwischen Vater und Sohn war stets schwierig gewesen, hatte Sadis bereits als junger Vampir verlauten lassen, niemals diesen Weg einschlagen zu wollen und sich in die Hände der königlichen Armee gegeben, bei der er in jahrelanger Übung die Kunst des Kämpfens erlernt hatte. Sein Vater war stets der Meinung gewesen, dass ein König – auch ein zukünftiger – nicht kämpfen und sich stattdessen in Diplomatie üben und Beziehungen knüpfen sollte. Aber Sadis hatte kein Interesse an Gesprächen mit intriganten, selbstverliebten Aristokraten und war den Festessen und Feiern stets fern geblieben, was seinem Vater missfallen war.
Als er vor 200 Jahren dieses Schloss verlassen hatte, um seiner Bestimmung und seiner Familie den Rücken zu kehren, hatte er seinen Vater nicht mehr gesehen. Vor einigen Tagen jedoch, als er sich gerade im östlichen Europa aufhielt, erreichte ihn die Nachricht, dass der König des Nordvolkes tödliche Verletzungen erlitten habe.
Sadis hatte von politischen Unruhen in dem Herrschaftsgebiet seines Vaters gehört, ihnen jedoch keinerlei Bedeutung beigemessen, hatte ein König während seiner Regierungszeit doch mit einigen, meist kleinen Aufständen zu kämpfen. Doch der Mittelsmann, ein hagerer Vampir, der betrunken durch die Innenstadt Warschaus getorkelt war und dessen Blutlust Sadis förmlich in der Nase gebrannt hatte, so dass er ihn, bevor er sich und seine Identität preisgeben konnte, aus dem Verkehr gezogen hatte, erzählte ihm, dass die Rebellen über hervorragende, moderne Rüstung verfügten, von nicht zu unterschätzender Anzahl waren und darüber hinaus wohl einige Spitzel im Beraterstab des Königs besaßen, so dass es ihnen möglich gewesen war, diesen Anschlag aus langer Sicht zu planen.
Noch in der selben Nacht war Sadis aufgebrochen und hatte binnen eines Tages die kanadischen Wälder erreicht, in denen das Schloss des Königs schon seit Jahrhunderten zu finden war. Die weißen Magierinnen hatten das alte Gemäuer mit einem Verhüllungs-zauber für menschliche Augen unsichtbar werden lassen, aber Sadis’ gestochen scharfer Blick sah die Zinnen der Schlosstürme schon in einigen hundert Kilometern Entfernung.
Er hatte sich seit seinem Fortgang verändert und besaß nun die ausgewachsene Statur eines Kriegers von edlem Blut. Sein Gesicht ähnelte nun dem eines menschlichen Mannes in seinen 30igern und dies würde sich bis kurz vor seinem Tode auch nicht ändern, sollte er nicht durch die Klinge eines Feindes sterben. Trotzdem erkannte ihn die Dienerschaft, die er schon als kleiner Junge unermüdlich auf Trapp gehalten hatte, sofort und kündigten sein Erscheinen unverzüglich seiner Mutter an.
Als Sadis in der alten, steinernen Eingangshalle auf einem rot gepolsterten Schemel auf seine Königin wartete, erdrückte ihn die kühle, trostlose Atmosphäre des Schlosses. Als er das Schloss verlassen hatte, war es ein prächtiges, hoheitsvolles Bauwerk gewesen, dessen Modernität die Vampire im ganzen Königreich angezogen hatte. Sadis erinnerte sich, dass nahezu täglich ein riesiger Trupp fremder Vampire durch die langen, endlosen Gänge des Schlosses marschiert war und jedes Mal, wenn er das begeisterte Funkeln in deren Augen gesehen hatte, war er von Stolz erfüllt gewesen, in einem solchen Gebäude leben zu dürfen. Nun erschien das Schloss altertümlich, ja nahezu baufällig zu sein. Sadis erblickte zahlreiche Risse in den steinernen Wänden, durch die unermüdlich der kalte Herbstwind blies und der Efeu, der wohl einst zur Zierde der Steinfassade diente, hatte sich über die Jahre verselbstständigt und machte einen nahezu verwahrlosten Anblick. Sein Vater war schon immer darauf bedacht, die alten Tradition seiner Ahnen zu achten und möglichst beizubehalten, aber das Fehlen jeglicher Elektrizität verwunderte Sadis dennoch. Er fragte sich, wie es möglich war, die Fortschritte der Technik über Jahrzehnte zu ignorieren und noch nicht einmal einfachsten Komfort wie eine warme Dusche zuzulassen.
Das erste, was Sadis über die Anwesenheit seiner Mutter informiert hatte, war der Duft nach Liebe und Geborgenheit, nach starken Armen und sanften Händen, der ihm plötzlich in die Nase gestiegen war. Ein Duft, den er nie vergessen würde.
Seine Mutter hatte ein schwarzes Gewand getragen, wie es die Tage der Trauer vorschrieben und das sie auch nun, in diesem Moment, da sie bei seinem Vater war, immer noch trug. Es verbarg sein Gesicht vor ihm und er, Sadis, hatte sich schmerzlich nach ihrem Anblick gesehnt, doch seine Mutter war in dieser Hinsicht ebenso traditionell wie es sein Vater jeher gewesen war und so versagte sie ihm, ihr Gesicht zu sehen.
Er wusste, dass unter diesem lästigen, schwarzen Stoff unendlich liebreizende und zärtliche Gesichtszüge verborgen waren, die stets tiefste Liebe gegenüber ihrem einzigen Kind ausgedrückt hatten. Auch, als sie ihm schließlich gegenüber gestanden hatte, war der Raum einen Moment von der Wärme ihrer mütterlichen Liebe erfüllt gewesen, bevor dieses helle Licht dem dunklen Tuch der Trauer weichen musste.
Seine Mutter hatte im Gegensatz zu Sadis blondes Haar, das schon beinahe weiß war, ein Attribut, das in der Welt der Vampire ausgesprochen geschätzt wurde. Die weißen Magierinnen, die sein Volk seit jeher schützten, hatten allesamt weißes Haar und so ging man davon aus, dass Vampirfrauen mit ebensolchen Haaren in direkter Linie von ihnen abstammten. Den weißen Magierinnen war der Kontakt zu Vampirmännern und insbesondere Menschenmännern zwar untersagt, doch berichten die Geschichtsbücher von einigen illegitimen Nachkommen der Dienerinnen der Ishis, die Mutter seiner Rasse.
Die Augen seiner Mutter waren von einem tiefen, dunklen Grün, das den Blättern der Bäume im Spätsommer glich. Um ihre Iris lag ein Kranz aus grauen Farbpigmenten, die in ihren Tönen so unterschiedlich waren, dass es aussah, als würde ein Feuerwerk ihren Pupillen entspringen. Sadis wusste um die betörende, faszinierende Wirkung dieser Augen, weil er die selben hatte.
Als die Tür des Sterbezimmers seines Vaters sich öffnete, zuckte Sadis, immer noch in Gedanken versunken, zusammen, wodurch die Asche seiner Zigarette, die er bereits minutenlang in seiner Hand hielt, sich löste und auf den Boden fiel. Die Gestalt, die ihm gegenüberstand, schien das ebenso wenig zur Kenntnis zu nehmen wie er selbst. Obwohl Sadis noch nie zuvor einer weißen Magierin begegnet war, wusste er instinktiv, dass er nun einer gegenüberstand. Es war ihre heilige Aufgabe, den Sterbenden in das Reich der Toten zu begleiten und keinesfalls ein Privileg, das nur dem König zufiel. Sie trug eine helle Robe, die nahezu transparent wirkte und sie nackt erschienen ließ. Das schlohweiße Haar fiel ihr bis über die Hüften und Sadis befürchtete, sie könne unter der Masse ihrer Haare einbrechen, so erschien sie ihm nahezu zerbrechlich. Doch der Blick ihrer Augen zeugte von Selbstsicherheit, Stärke und Kraft und das Strahlen des diamantfarbenen Blaus fesselte ihn für einige Augenblicke, ehe er sich seiner Erziehung erinnerte und eine formvollendete Verbeugung vorführte, die ihr lediglich ein undurchschaubares Lächeln auf die Lippen zauberte. Sein Gruß blieb unerwidert, durch eine einzige Handbewegung signalisierte sie ihm jedoch, das Zimmer zu betreten.
Sein Blick fiel zuerst auf seine Mutter, die auf einem Stuhl neben dem Bett seines Vaters saß und seine Hand hielt. Sadis hatte bereits seinen Segensspruch auf den Lippen, als ihn plötzlich der Blick aus stahlblauen Augen musterte. Es war ein kraftvoller, gebieterischer Blick und Sadis sah, dass sein Vater auch kurz vor seinem Tode immer noch von großer, beeindruckender Statur war und eine ebensolche Ausstrahlung besaß.
Sadis wusste nicht, wie er auf die Tatsache reagieren sollte, dass sein Vater immer noch unter ihnen weilte und wusste nach dieser langen Zeit nichts zu sagen. Also nickte er ihm zu und senkte seinen Blick, wie es die Etikette geziemte.
Eine raue, heißere Stimme durchbrach die bleierne Stille und Sadis erschrak, weil die Schwäche darin den kraftvollen, stolzen Schein des Königs als Fassade entlarvte. „Hallo, mein eigen Fleisch und Blut Sadis, Sohn deiner ehrwürdigen Mutter, meiner Königin.“
Die formelle Begrüßung überraschte Sadis nicht. Sein Vater würde bis zu seinem letzten Atemzug den Konventionen der Aristokratie treu bleiben und weil Sadis ihm die Würde dieses Augenblicks nicht entsagen wollte, erwiderte er den Gruß in gleicher Weise.
„Bevor ich diesen schwachen und immer schwächer werdenden Körper verlasse und zu meinen Ahnen in das heilige Tal der Ishis aufbreche, möchte ich das Wort an dich, Sadis, Kind meines Leibes, richten und dich um zweier Versprechen bitten. Obgleich du dieses Haus in tiefstem Groll gegen mich, deinen Vater und König, mit dem festen Entschluss, niemals wiederzukehren, verlassen hast, stehst du nun hier vor mir, was ich deiner Liebe und Ehrerbietung gegenüber deiner Mutter, meiner Königin, zuschreibe. So möchte ich dich bitten, deiner Mutter nach meinem baldigen Sterben eine Stütze zu sein und es ihr an Reichtum und Komfort nicht mangeln zu lassen.“
Als Witwe eines Königs verlor seine Mutter ihre diplomatische Stellung und ihren Status als Königin, weil sie ihn nicht per Geburtsrecht besaß. Da sie aber einen Sohn und legitimen Nachfolger auf die Welt gebracht hatte, würde sie weiterhin als respektiertes Mitglied der königlichen Familie betrachtet werden, jedoch lag ihr zukünftiges Schicksal allein in Sadis’ Hand. Würde es ihm belieben, könnte er sie des Schlosses verbannen und sich selbst überlassen. Da sein Vater ein Ehrenmann und auf seinen Ruf auch nach seinem Tode noch bedacht war, war ihm ein solches Versprechen, wenn auch nicht aus tiefster Liebe, so doch aus Respekt vor seiner langjährigen Partnerin, wichtig und so öffnete Sadis den Mund, um zu verkünden:
„Ich, Sadis, verspreche, nach dem Tod meines Vaters, dem König, seiner ehrwürdigen Frau und Königin, meine Mutter, allen Reichtum und Komfort zuteil werden zu lassen und all ihren Wünschen nachzukommen.“
Sein Vater nickte kaum merklich und sprach sogleich weiter: „Das nächste Versprechen, um das ich dich nun beten werde, ist vielmehr deine Verpflichtung als mein Nachfolger und baldiger König. Du wirst dir eine Vampirin suchen und sie dir zur Frau nehmen.“
Sadis kannte das alte Gesetz, demnach kein lediger Mann den Thron besteigen durfte. Er kannte die Gründe für solch ein Gebot nicht, war aber verpflichtet, ihm Folge zu leisten. Bei dem Gedanken daran, eine ihm fremde Frau heiraten zu müssen, entrann sich seiner Kehle ein vernehmbares Fauchen und alle Köpfe der im Raum anwesenden wandten sich ihm zu. Er konnte die Spannung seiner Mutter, die Wut seines Vaters und die Erheiterung der weißen Magierin fühlen, als seien diese Emotionen die seinigen.
Erheiterung wegen des Temperamentsausbruchs seines Sohnes schwang in der Stimme des Königs mit, als er erneut seine Stimme erhob: „Vor meinem Sterben und unter Aufbringung größter Kräfte und all meinem diplomatischen Geschick ist es mir gelungen, den Rebellenführer, der, wie man mir zutrug, vor wenigen Tagen ebenfalls verschieden ist, zu einer Friedenserklärung zu bewegen, die dadurch zustande kommen wird, dass du eine seiner beiden Töchter zur Frau nehmen wirst."
Der König würde sie wählen.
Prinzessin Ira blickte in den Spiegel und nickte dem, was sie sah, anerkennend zu. Sie war von vollendeter Schönheit. Jeder im Clan war dieser Meinung. Bereits in jungen Jahren hatte sie allerhand Anträge abweisen und Herzen brechen müssen. Die Frauen hatten sie um ihr lockiges, blondes Haar beneidet und ihre großen, himmelblauen Augen hatten die Knie der stärksten Krieger schwach werden lassen.
Ihre Mutter war so stolz auf die Schönheit ihrer Tochter, dass sie ihr bereits als Baby zwei Dienerinnen zugeteilt hatte, die sich ausschließlich um ihr Äußeres kümmerten. Und mit den Jahren war sowohl die Anzahl der Dienerschaft, als auch die Schönheit Prinzessin Iras größer geworden. Sie wusste um ihre Wirkung beim männlichen Geschlecht und war sich absolut sicher, den König durch ihre Anmut und Eleganz beeindrucken zu können.
Ira lächelte zufrieden. Sie hatte durch ihre Schönheit und ihrer Position als Tochter des Rebellenkönigs schon immer Einfluss besessen, aber dies war nicht zu vergleichen mit dem Einfluss, den sie nach der Heirat mit dem König besitzen würde.
Ira wusste wenig über den Mann, den sie in Kürze heiraten würde, noch nicht einmal seinen Namen. Aber das waren Nebensächlichkeiten, für die sie sich ohnehin nicht interessierte. Er war nur eine weitere Figur in ihrem Spiel und schon bald würde er ihren Verführungskünsten erlegen und einzig und allein ihre Marionette sein. Das Ziel, für das sie so viele Jahre gekämpft hatte, lag in greifbarer Nähe und nichts und niemand würde sie davon abhalten können, Königin des Nordvolkes zu werden.
Ira dachte an den Abend zurück, als ihr Vater mit schweren Wunden von dem Kampf mit der königlichen Armee zurückgekehrt war. Sie hatten herbe Verluste erlitten, doch sein Gesicht hatte eine große Zufriedenheit ausgestrahlt. Er berichtete, es sei ihnen gelungen, in die Mauern des Schlosses einzudringen und den König schwer zu verwunden.
Doch schon wenige Minuten nach seiner Rückkehr hatte sich sein Gesundheitszustand verschlechtert und er war unter Krämpfen und Fieber zusammengebrochen. Man hatte sofort die Heilerinnen des Clans herbeigerufen, doch auch ihre Künste hatten am Ende nur die Schmerzen lindern, aber die Wunden nicht heilen können.
Schließlich hatte sich die Familie an seinem Sterbebett versammelt und ihre Gebete an die heilige Mutter ihres Volkes gerichtet, die keine neun Stunden nach der Rückkehr des Königs zu seinem Clan, diesen schon wieder von ihm fortriss. Für immer.
Sofort erhoben sich die Stimmen des Personals. Fürchterliche Wehklagen darüber, wer sie nun vor der königlichen Armee beschützen, wer sie führen sollte. Auch die Krieger konnten ihre schwindenden Hoffnungen auf ein neues Herrschaftsreich nicht verbergen und stellten ihre Trauer offen zur Schau. Der Clan befand sich in einem politischen Schockzustand, der den glasklaren Verstand Prinzessin Iras sofort auf den Plan gerufen hatte. Umgehend hatte sie einen Boten entstand, um ihre Spitzel im Beraterstabs des Königs um Auskunft über dessen Gesundheit und die Stimmung im Volk zu erbitten. Am nächsten Tag hatte man ihr berichtet, dass keine Chance bestünde, dass der König überleben werde und diese Nachricht das Volk zutiefst ängstigte und verunsicherte. Man fürchtete sich vor einer neuerlichen Attacke der Rebellen, von denen das Königsvolk nicht wusste, dass sie unzählige Krieger und überdies ihren Führer verloren hatten.
Sofort war Ira zu ihrer Mutter geeilt, um ihren Plan offen zu legen: eine Friedenserklärung unter der Bedingung, dass der künftige König eine der Prinzessinnen zu seiner Frau nehmen wird. Königin Maisha hatte dem sofort zugestimmt und so hatte Ira einen Brief aufsetzen lassen, in dem sie eben diese Bedingungen diktierte. Sie nannte außerdem die Gründe dieses überraschenden Vorschlags, um zu verhindern, dass der König darin nur eine List erkannte und sofort angreifen würde. Es war eine brisante Situation, da Ira den König über den Tod ihres Vaters unterrichtete, aber da der König bekannt dafür war, Kriege und Aufstände in seinem Herrschaftsgebiet zu verabscheuen, hatte sie wenig Sorge um ihre Sicherheit gehabt.
Ein Tag später war die Antwort in Form eines Boten überbracht worden. Der hagere Vampir hatte verkündet, dass der König des Nordvolkes die Bedingungen akzeptierte und sofort eine schriftliche Friedenserklärung vorliegen haben wollte. Diese war ihm sofort übergeben und die Nachricht umgehend dem Clan verkündet worden. Nach anfänglicher Verwirrung und Ablehnung hatten sie begonnen, die Chancen in diesem Arrangement zu erkennen. Eine Vertreterin ihrer Interessen, die direkten Einfluss auf den König und seine Regierung hatte, würde weiteres Leid im Clan vermeiden. Zudem war die Nachricht über den Tod des Nordkönigs mit großem Jubelgeschrei aufgenommen worden und die Trauer über den Tod ihres eigenen Königs war für wenige Stunden in den Hintergrund gerückt.
Ein Klopfen an der Tür riss Prinzessin Ira aus ihren Gedanken. Sie erhob sich aus dem Sessel und begrüßte ihre eintretende Dienerin mit einem kühlen Nicken.
„Mylady, man wünscht, Sie zu sprechen.“ Die Dienerin war klein und dicklich und blickte Ira niemals in die Augen, wenn sie mit ihr sprach. Dies war ihr nur Recht, konnte sie den Anblick solch wenig würdevoller, hässlicher Geschöpfe nicht ertragen.
„Schicken Sie ihn herein.“ Sie wusste bereits, wer es war.
Der Mann, der nun in ihr Zimmer trat, war Krieger Gato. Sie hatten bereits seit Jahren ein Verhältnis. Dass er sie liebte, war offensichtlich, aber es kümmerte die Prinzessin nicht. Sie selbst betrachtete ihn nur als Zeitvertreib.
Ira sah das begehrliche Funkeln in seinen Augen, als sie sich ihm hüfteschwingend in ihrem transparenten Negligé näherte. Als sie schließlich stehen blieb, stand sie so nah vor ihm, dass sie seinen herben, männlichen Duft riechen und seinen Atem spüren konnte.
„Gato“, schnurrte sie und näherte sich seinem Mund auf wenige Zentimeter. „Das letzte Mal, als du mich aufgesucht hast, hattest du noch Manieren.“ Nach diesen Worten packte sie ihn und drückte ihn zu Boden. Hochmütigen Blickes sagte sie: „Nur, weil ich dich hin und wieder zwischen meine Schenkel lasse, heißt dies noch lange nicht, dass wir uns auf dem selben gesellschaftlichen Niveau bewegen.“
Gato konnte ein Grinsen nicht verbergen, ebenso wenig seine Erektion, die schmerzlich gegen den Reißverschluss seiner Jeans drückte. Dennoch wusste er, dass mit den Launen seiner angebeteten Prinzessin nicht zu spaßen war und so beugte er sich ihrem Willen.
Er begrüßte sie in alter, ehrwürdiger Sprache und verneigte sich so tief, so dass seine Nasenspitze beinahe den samtenen Teppichboden berührte. Als er sich wieder aufrichtete, konnte er im Gesicht der Prinzessin große Zufriedenheit erkennen.
Als er aufstehen wollte, legte sie ihm eine gebieterische Hand auf die Schulter und zwang ihn zurück in kniende Haltung. Als er die Erregung in ihrem Blick sah, zuckte seine Erektion schmerzlich und er fühlte, wie sich der erste Orgasmus ankündigte.
Prinzessin Ira hob ihr rechtes Bein und stellte ihren nackten Fuß auf die Schulter ihres Kriegers. Dabei rutschte das Negligé um einige Zentimeter nach oben. Sein Atem stockte, als er die schmerzliche Nacktheit ihres Geschlechtes sah und unvermittelt begann das Tier in ihm nach sexueller Erfüllung zu brüllen. Mit einem Knurren packte er seine Prinzessin am Po, zog ihr Geschlecht an seinen Mund und begann, sie mit der Zunge zu reizen.
Ira liebte es, oral verwöhnt zu werden. Sie genoss die Macht, die dabei in ihren Adern pulsierte, in vollen Zügen und stöhnte ihre Lust ungeniert heraus. Als sie kam, trug Gato sie schnellen Schrittes zum Bett und vögelte sie wild. Erst, als er immer und immer wieder in ihr und auf ihr gekommen war, brach er über ihr zusammen und rollte sich von ihrem feuchten Körper. Der Schweiß auf seiner Brust glänzte, als er mit geschlossenen Augen die Nachwirkungen etlicher Orgasmen genoss.
Befriedigt erhob sich Prinzessin Ira aus ihrem Bett und lief nackt in das Badezimmer, wo sie ausnahmsweise selbst Wasser in die Badewanne einlaufen lies. Sie betrachtete sich im Spiegel und genoss die Striemen und Bissspuren auf ihrem Körper. Sie würden sie noch einige Stunden an dieses Zusammentreffen erinnern und ihr dabei helfen, die selbe Erregung noch einmal zu fühlen, wenn sie sich selbst verwöhnte.
Ira steckte ihr hüftlanges, blondes Haar mit einigen Spangen und Klammern an ihrem Hinterkopf fest und stieg in die riesengroße Wanne. Als das warme Wasser ihren Körper umschloss, stieß sie ein zufriedenes Seufzen aus und sie schloss die Augen.
„Glaubst du, der König wird dich wählen?“
Gato stand mit verschränkten Armen im Türrahmen, sein Penis hing schlaff und immer noch rot von dem wilden Liebesspiel zwischen seinen Beinen.
Verärgert über die Störung antwortete sie kühl: „Natürlich wird er das.“
Ira spürte, dass die Wut in den Adern ihres Kriegers zu brodeln begann. Vampire waren mit übermenschlichen Sinnen ausgestattet, die sie nicht nur ausgezeichnet sehen und riechen ließen, nein, sie nahmen auch Wetterumschwünge und die Emotionen anderer Lebewesen, sei es Mensch oder Tier, wahr. Nun verrieten ihr ihre Sinne, dass er rasend eifersüchtig auf den Mann war, den sie bald heiraten würde.
„Was macht dich da so sicher?“, fragte er nun und seine Stimme klang angestrengt.
Pikiert darüber, dass man auch nur einen Moment daran zweifeln könnte, fauchte sie und schoss in einem Satz aus der Badewanne. Gato fuhr zusammen und wich instinktiv einen Schritt zurück. Aber als Prinzessin Ira zu sprechen begann, war ihre Stimme beherrscht und kühl: „Ich bin die schönste Vampirin. Viel schöner als meine Schwester, die seit jeher neidisch auf mich ist, weil sie so fürchterlich hässlich ist. Wie ein Kobold sieht sie aus! Wie könnte ein Mann mit Augen im Kopf sie mir vorziehen?“ Dieser Gedanke brachte sie zum Lachen, während sie ihren perfekten Körper in ein weiches Badetuch wickelte.
Gato schwieg einen Augenblick und ließ seine Augen auf ihrem Gesicht ruhen, das ihm in diesem Moment wahnsinnig erschien. „Wirst du ihm einen Erben schenken?“
Ira hielt in ihren Bewegungen inne. Dem Gedanken, dass sie als Königin verpflichtet war, ihrem König und dem Thron einen Erben zu schenken, hatte sie noch gar keine Beachtung geschenkt. Bei der Vorstellung, ihren wunderschönen Körper mit einem Kind teilen zu müssen, war ihr regelrecht zuwider. Dick und schwerfällig zu werden und nach der Geburt vielleicht nie wieder ihre alte Schönheit zurückzuerlangen, ließ sie augenblicklich in tiefe Depressionen stürzen und sie begann, zu weinen.
Gato war schockiert über den plötzlichen Gefühlsausbruch seiner Prinzessin und ging auf sie zu, um sie in seine Arme zu nehmen, sich dafür zu entschuldigen, ihr mit dieser Frage solche Schmerzen zugefügt zu haben. Doch Ira verweigerte die Umarmung, rannte in ihr Schlafzimmer und ließ das Handtuch vor dem Spiegel fallen.
Gato folgte ihr irritiert und sah, wie ihre Mine sich bei ihrem reflektierten Anblick zuerst in Bedauern, dann in Zufriedenheit verwandelte. „Ja“, antwortete sie plötzlich und wiederholte noch einmal „Ja!“, ehe sie hinzufügte: „Meine Schönheit ist so groß, dass nichts und niemand ihr etwas anhaben könnte. Ich werde dem König ein Kind gebären.“
Zudem erkannte Ira nun, dass durch ein Kind, welches den Thron beerben würde, ihre Macht auch nach dem Tod des Königs noch erhalten bleiben würde und dies war ihr wichtiger als die eigene Schönheit. Macht war ihr Ziel. Dass, wofür sie atmete. Kämpfte. Sofort besserte sich ihre Laune. Zutiefst beschwingt lief sie zurück in das Badezimmer und rieb ihren Körper mit teurer, köstlicher Lotion ein.
„Wann wird die Vermählung stattfinden?“
„In zwei Tagen werden wir ihm vorgeführt. Die Trauung wird am Tag darauf vollzogen.“
Gato murmelte etwas vor sich hin und Ira spürte die Traurigkeit, die von ihm ausging. Verärgert runzelte sie ihre Stirn. Seine Gefühle für sie wurden ihr langsam lästig, aber glücklicherweise war sie ihn in wenigen Tagen los.
„Dir ist doch klar, dass wir uns nach der Trauung nicht mehr werden sehen können? Ich kann es nicht riskieren, erwischt zu werden.“
„Ich könnte den König töten“, sagte Gato verzweifelt über die bevorstehende Trennung.
Ira lachte kalt. „Dann kannst du deinen Kopf gleich in eine Schlinge legen.“
„Du kennst meine Qualitäten als Krieger.“ Seine Stimme wurde immer verzweifelter, was die Prinzessin noch mehr zur Weißglut trieb. Es gab nichts, was sie mehr verachtete als schwache, verweichlichte Männer.
„Welchen Nützen hätte dies?“, höhnte sie.
„Ich könnte seinen Platz einnehmen.“ Ira musterte ihn verächtlich und er beeilte sich, zu sagen: „Es geht mir nicht darum, König zu werden. Ich möchte mit dir zusammen Leben. Ich möchte dich lieben. Offiziell.“
Sie schnaubte verachtend, bevor sie ausspuckte: „Du bist hier, weil du gut fickst. Weil du einen großen Schwanz hast und verstehst, damit umzugehen, was angesichts deines bedauerlichen Verstandes ein Wunder ist.“ Gato schien tief getroffen und der Geruch des Schmerzes, der von seiner Haut ausging, beflügelte Ira. „Niemals würde ich mich mit dir zeigen wollen. Es wäre eine Schande für mich und meine Herkunft. Du bist nichts und der Gedanke, mit dir ein Reich zu regieren, erfüllt mich mit Ekel. Ich bin froh, dich los zu sein. Verschwinde.“ Sie schrie dieses Wort regelrecht. „Sofort!“
Einen Moment war sie entsetzt über sich selbst, da sie sich im Spiegel erblickt hatte. Wie unvorteilhaft sie aussah, wenn sie schrie. Sie musste sich in Zukunft besser unter Kontrolle haben.
Ohne Gato noch eines Blickes zu würdigen, lief sie in das Ankleidezimmer und wählte ihre Nachtgarderobe. Nach einigen Sekunden hörte sie, wie die Tür ihres Zimmers ins Schloss fiel.
Tag der Veröffentlichung: 27.06.2012
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